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NS-Interpretationen und Zeitklima Zum Wandel in der Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit | APuZ 22/1987 | bpb.de

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APuZ 22/1987 Artikel 1 Die Weimarer Republik in der zeitgeschichtlichen Perspektive der Bundesrepublik Deutschland Traditionen, Problemstellungen und Entwicklungslinien NS-Interpretationen und Zeitklima Zum Wandel in der Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit Demokratiezufriedenheit und demokratische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland

NS-Interpretationen und Zeitklima Zum Wandel in der Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit

Bernd Faulenbach

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der „Historikerstreit“ läßt die Frage nach dem Wandel der Interpretationen des Dritten Reiches und seiner historischen Einordnung entstehen. Stand in den frühen Nachkriegsjahren — allerdings mehr in der Publizistik als in der Geschichtswissenschaft — die Suche nach den Wurzeln des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte im Vordergrund, so trat diese Frage im veränderten Zeitklima der fünfziger Jahre zunehmend zurück, um in den sechziger und siebziger Jahren — angeregt durch das Reformklima in jenen Jahren — von einer neuen Historikergeneration wiederum als eine zentrale Frage der neuesten deutschen Geschichte begriffen zu werden. In den letzten Jahren gewinnt demgegenüber eine Interpretation an Boden, die das Dritte Reich und seine Verbrechen vorrangig im epochalen Zusammenhang sieht und damit aus dem Kontext der — als Variante europäischer Normalität betrachteten — deutschen Geschichte herauslöst. Es kann indes keine Frage sein, daß bei der Einordnung des Nationalsozialismus epochale und nationalgeschichtliche Ursachenstränge zu berücksichtigen sind. Die Sicht der NS-Zeit war in der Nachkriegszeit teils durch eine ausgesprochene Hitler-Zentrierung, teils durch die Vorstellung des Dritten Reiches als eines monolithischen Führerstaats bestimmt. Seit den sechziger Jahren hat die Forschung dieses Bild wesentlich differenziert, indem sie die politischen und gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse in der NS-Zeit eingehend untersucht hat und dabei feststellte, daß das Regime bei partieller Diskrepanz zwischen Ideologie und Praxis keineswegs alle Bereiche gleichmäßig durchdrungen hat, damit aber auch die Voraussetzungen für Resistenz und Widerstand sehr unterschiedlich waren. Das konkrete politisch-gesellschaftliche Verhalten bedarf der Erklärung und einer politisch-moralischen Beurteilung, die um die Gefahr moralischer und politischer Perversion hochentwickelter industriegesellschaftlicher Zivilisation weiß. Das westdeutsche Geschichtsbewußtsein hat keineswegs seit 1945 durchgängig im Schatten des Dritten Reiches gestanden. Die NS-Zeit hat das politische Bewußtsein einer größeren Öffentlichkeit eigentlich erst in den sechziger Jahren erreicht. Wenn gegenwärtig versucht wird, ein umfassendes deutsches Geschichtsbewußtsein als Basis eines neuen Nationalbewußtseins unter Relativierung der NS-Zeit zu restituieren, so wird dabei von der grundlegenden Tatsache abgesehen, daß die deutsche Geschichte durch eine Vielzahl von tiefgreifenden Widersprüchen, Ambivalenzen und auch Belastungen geprägt ist, die naive Identifikation schwerlich zuläßt. Zugleich besteht die Gefahr, daß die ideellen Grundlagen der zweiten deutschen Republik und ihrer politischen Kultur verschoben werden.

Der Aufsatz ist die überarbeitete und mit Anmerkungen versehene Fassung eines Vortrages vor der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bonn am 15. Februar 1987.

I.

Seit 1984 erleben wir eine heftige öffentliche Auseinandersetzung über die NS-Zeit und ihren Bezug zur Gegenwart: Zunächst die aufwühlende Diskussion über die Art und Weise, wie man die 40. Wiederkehr der Beendigung des Krieges und der NS-Diktatur begehen sollte, überlagert durch den Streit um den Besuch des amerikanischen Präsidenten und des deutschen Bundeskanzlers auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg. Und jetzt — seit dem Sommer 1986 — der sogenannte „Historikerstreit“ über die Einordnung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen in die deutsche Geschichte, der die deutsche und teilweise auch die internationale Öffentlichkeit beschäftigt

Beginn und Ende der NS-Herrschaft liegen inzwischen 54 bzw. 42 Jahre zurück. Nur eine Minderheit der heute Lebenden hat diese Zeit noch bewußt erlebt, und die Bedürfnisse nachträglicher Legitimation, Verdrängung usw.der Zeitgenossen treten damit als Komponenten der Geschichtsbetrachtung zurück. Und natürlich ist die Geschichte seitdem — keineswegs nur im Sinne eines friedlichen Fortschritts — weitergegangen. Muß sich nicht deshalb die Einschätzung der NS-Zeit verändern, muß sie nicht auch an Bedeutung verlieren?

Vieles spricht gegenwärtig dafür, daß die Diskussion über die deutsche Geschichte in ein neues Stadium getreten ist und daß sich die Frage der Beurteilung der NS-Zeit im Kontext der deutschen Geschichte mit Grundfragen des Selbstverständnisses und der politischen Kultur der Bundesrepublik verknüpft. Gibt es so etwas wie eine „Wende“ in der Verarbeitung der Vergangenheit?

Im folgenden sollen einige Entwicklungslinien der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus im Kontext des westdeutschen Geschichtsbewußtseins seit 1945 skizziert werden, um auf diesem Hintergrund die Spezifika der gegenwärtigen Diskussion zu bestimmen und zu bewerten. Dabei sind drei Komplexe zu berücksichtigen:

1. die wissenschaftliche Beschäftigung mit der NS-Zeit; 2. die historische Einordnung der NS-Zeit in die deutsche Geschichte durch die Historiographie;

3. die Rolle des Nationalsozialismus im Geschichtsbewußtsein der bundesdeutschen Gesellschaft.

Wir gehen chronologisch vor, wobei abschließend die neueste Diskussion etwas ausführlicher behandelt und interpretiert wird

II.

Das Bewußtsein der Deutschen in der frühen Nachkriegszeit war gewiß in erster Linie geprägt durch Hunger, Not, die Sorge um den Alltag; aber es gab doch auch das Bewußtsein der Notwendigkeit einer geistigen Neuorientierung. War der Krieg von den meisten als Nationalkrieg betrachtet worden, so

wurde nun bewußt, daß er dies nur bedingt gewesen ist, gleichwohl deutscher Geschichte und deutscher Verantwortung zugeordnet werden mußte, und zwar samt der beispiellosen Verbrechen, deren ganzes Ausmaß erst jetzt deutlich wurde.

In dieser Situation entwickelte sich — teilweise im Zusammenhang mit dem Ausland, auch der deutschen Emigration — eine breite publizistische Diskussion über die deutsche Geschichte, über die tieferen historischen Wurzeln des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte während die direkte Auseinandersetzung mit der NS-Zeit — abgesehen von einigen bemerkenswerten Büchern wie Kogons SS-Staat — eigentlich nur sehr punktuell erfolgte. In den Zeitschriften, die damals eine unvergleichliche Blütezeit erlebten, wurde die deutsche Geschichte vielfach als ein überaus problematischer, im Nationalsozialismus gipfelnder „Sonderweg“ begriffen — ein Interpretationsmuster, das die bis dahin vorherrschende positive Sicht der besonderen deutschen Entwicklung lediglich umstülpte, d. h. sie in der Grundstruktur beibehielt, aber negativ wertete und damit der bisherigen Interpretation in der Negation dialektisch verbunden blieb Zu den vorher als Vorzügen, jetzt als Problemkomplexen gesehenen Zügen der deutschen Geschichte gerechnet wurde u. a.: das Abweichen von Westeuropa, die preußische Staats-entwicklung und politische Kultur, insbesondere die Rolle des Militärischen, das Ausbleiben einer erfolgreichen bürgerlichen Revolution, die deutsche Verfassungsentwicklung mit ihrer Dominanz des Beamtenstaats und vor allem die deutsche Geistesgeschichte, der lutherische Protestantismus und die deutsche Kultur der Innerlichkeit. Die deutsche Geschichte galt spätestens seit 1848 — die Folgen des Scheiterns der Revolution wurden anläßlich des Säkularjubiläums vielfach gewürdigt — als Irrweg, die Reichsgründung durch „Eisen und Blut“ wurde mit der NS-Gewaltpolitik in Zusammenhang gebracht.

In unverkennbarem Kontrast zu dieser Auseinandersetzung mit den historischen Ursachen der NS-Zeit stand der Wissenschaftsbetrieb jener Jahre, in dem vieles altgewohnt weiterging, auch wenn die „nationalsozialistischen Wucherungen“ natürlich beseitigt wurden Gewiß, es gab ernsthafte Versuche der Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte — Meineckes „Deutsche Katastrophe“ ist das bekannteste Beispiel Doch entstand in Deutschland unmittelbar nach 1945 im Grunde noch keine intensivere analytische Deutung des Nationalsozialismus, die sich mit den in der Emigration verfaßten Analysen von Ernst Fraenkel und Franz Neumann vergleichen ließe

Augenfällig ist — von heute her gesehen — die allgemein gehaltene metaphorische Sprache, mit der häufig die NS-Zeit mehr verhüllend als erklärend beschrieben wurde: „Wir sind alle im Dickicht“ — so begann Rudolf Stadelmann im Winter 1945 seine Vorlesungen in Tübingen. „In einem dunklen Wald sind wir vom Weg abgekommen, halb aus Übermut und Ungeduld, halb aus Panikstimmung und mangelnder Selbstbeherrschung. Wir haben uns 1933 hineingestürzt in das unbekannte Abenteuer, weil wir uns nicht recht vorstellen konnten, wie es organisch weitergehen sollte. Wir sind dann ein paar Jahre im Kreis herumgelaufen, haben wie irrsinnig unseren schmal gewordenen Raum abgesucht nach einem gewaltsamen Ausbruch in die Zukunft, und hängen nun fest im Unterholz zwischen Gestrüpp und Dornen . . . Wir wollen Abstand von dem, was mit uns geschehen ist, und einen Standort über den Ereignissen gewinnen . . .“ Man mag in diesen Worten ein Ausweichen vor einer Auseinandersetzung mit der NS-Zeit sehen. Jedenfalls war die hier anklingende Selbstkritik sehr sublimiert und ent-sprach der „Verinnerlichungskultur“ jener Jahre

Die damals vielfach geforderte „Selbstbesinnung“ bestand zugleich in dem Versuch einer Rückgewinnung echter Tradition. Siegfried Kaehler, der vom „dunklen Rätsel“ und vom „Verhängnischarakter“ deutscher Geschichte sprach, mahnte die Studenten, die vielfach Kriegsteilnehmer gewesen waren: „Ihrer Generation im besonderen obliegt nach durchgestandenen sechs Kriegsjahren mit all ihren erhebenden und schließlich vernichtenden Wechselfällen die sittliche Verpflichtung der Enterbten, über dem letzten schlechten Verwalter (gemeint ist Hitler, B. F.) nicht die wahre Größe und den wahren Geist deutscher Geschichte zu vergessen.“ Meinecke — um ein anderes Beispiel zu nennen — forderte eine Rückbesinnung auf Goethe und regte die Gründung von Goethegemeinden an Verbreitet war die „beschwörende Erinnerung unverlierbarer deutscher kultureller Werte“

War die Kritik der jüngsten Vergangenheit teilweise vage und die Forderung nach „Rückbesinnung“ unpolitisch, so wandten sich doch meinungsführende Historiker dezidiert gegen die Tendenz, die Vorgeschichte des Dritten Reiches über Bismarck und Friedrich den Großen bis hin zu Luther zurückzuverfolgen. So sah Gerhard Ritter in seinem Buch „Europa und die deutsche Frage“ den Nationalsozialismus mehr in Diskontinuität als in

Kontinuität zur preußisch-deutschen Geschichte, indem er ihn als Erscheinung des Massenzeitalters, als pathologisches Resultat der mit der Französischen Revolution einsetzenden Modernisierung begriff Demgegenüber wurde der zum 20. Juli führende Widerstand in die preußisch-deutsche Traditionslinie eingeordnet; die besondere preußisch-deutsche Entwicklung erreichte gleichsam hier ihr Ziel

Unverkennbar hat die Kollektivschulddiskussion jener Jahre apologetische Tendenzen evoziert, auch in der Historiographie, die bemüht war, das in der NS-Zeit verfälschte nationale Geschichtsbild modifiziert wiederherzustellen. Im übrigen lassen sich schon für die frühen Nachkriegsjahre starke Dispositionen für eine Verdrängung der Vergangenheit im deutschen politischen Bewußtsein erkennen. Durch die sich bald herausbildende Ost-West-Konfrontation ist die Verdrängung der Vergangenheit zweifellos erleichtert worden. Die Totalitarismustheorie, ursprünglich im Hinblick auf die NS-Diktatur entwickelt, erhielt zunehmend eine Stoßrichtung gegen den Kommunismus und hat ebenso wie die mit der deutschen Teilung forcierte Betonung der fortbestehenden nationalen Einheit und des deutschen Wiedervereinigungsanspruchs die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und eine realistische Einschätzung der deutschen politischen Lage nicht eben befördert, sondern eher gehemmt.

III.

4 Die fünfziger Jahre sind aus heutiger Sicht durch den wirtschaftlichen Wiederaufstieg (das „Wirtschaftswunder“), den Ost-West-Konflikt, die Westintegration, die Wiedererlangung der Souveränität, aber eben doch auch durch ein erstaunliches Maß an Verdrängung der Vergangenheit charakterisiert. So wurden in dieser Zeit die Untaten des Nationalsozialismus nur höchst oberflächlich und unsystematisch geahndet Die Wendung gegen die Diffamierung der deutschen Soldaten gehört ebenso in den Zeitkontext wie das verbreitete Bemühen der Parteien um Integration ehemaliger NSDAP-Mitglieder.

Für die politische Kultur und das politisch-kulturelle Klima der fünfziger Jahre war die Art und Weise, wie 1955 der zehnjährigen Wiederkehr der deutschen Kapitulation gedacht wurde, bezeichnend. Das offizielle Bonn feierte in jenen Tagen des Frühjahres 1955 das Ende der Besatzungszeit und nahm von der Wiederkehr des Endes der NS-Zeit verhältnismäßig wenig Notiz, sieht man von einer Rundfunkansprache des Bundestagspräsidenten Gerstenmaier ab, in der dieser sich zwar für einen friedlichen Ausgleich mit der Sowjetunion aussprach, zugleich aber nachdrücklich vor einer deut-sehen Schaukelpolitik zwischen Ost und West warnte. In den Pressekommentaren spiegeln sich die damals vorherrschenden Einstellungsmuster: Im Leitartikel der FAZ beispielsweise wird Hitler als „Dämon“ gesehen, als Einbruch einer außergeschichtlichen Macht, die dem deutschen Volke einen Kampf aufgezwungen habe. Die These einer Kollektivschuld wird einmal mehr abgelehnt, wobei Kritik an der Reeducation-Politik der Alliierten geäußert wird. Und es ist bezeichnend für den Illusionismus jener Jahre, daß nunmehr, nach dem Abschluß der Westverträge, die Wiedervereinigung Deutschlands als „Forderung der Stunde“ proklamiert wurde

Freilich entwickelte sich in den fünfziger Jahren eine ernsthafte zeithistorische Forschung zur NS-Zeit (und zur Weimarer Zeit), für die zunächst die Rekonstruktion und Dokumentation der politischen Ereignisgeschichte der Weimarer und der NS-Zeit sowie die Aufklärung über das Geschehene im Vordergrund stand Besonderes Interesse fand daneben die NS-Ideologie und ihre Vorgeschichte, insbesondere das rassistisch-antisemitische Denken zunehmend kam auch das antidemokratische Denken in den Blick, wobei die Perspektive des Gegensatzes zwischen deutschem und westeuropäischem Denken leitend war

Die Grundzüge der Interpretation der NS-Zeit lassen sich vereinfachend wie folgt charakterisieren: 1. Die Diskussion um die Machtergreifung kreiste zunächst um die Frage ihrer Legalität; die Rolle der alten Eliten und der sie tragenden politisch-gesellschaftlichen Kräfte im Prozeß der Auflösung der Republik und der Installierung der Regierung der „nationalen Konzentration“ blieb noch unterbelichtet. 2. Die Betrachtung der Geschichte der NS-Zeit war vielfach auf Hitler fixiert, wobei der Führer-Mythos des Dritten Reiches fortwirkte und — auch bedingt durch die Quellenlage — die Perspektive der Historie bestimmte. Wenn Hitler die „Dämonie der Macht“ verkörperte, so war es nur zu verständlich, dieser Dämonie erlegen zu sein. Zweifellos hatte diese Hitler-Zentrierung für die Gesellschaft (und ihre Beteiligung an der NS-Diktatur) eine entlastende Funktion. 3. Die — eine einseitig personalisierende Betrachtung transzendierende — Totalitarismustheorie prägte das Bild des Herrschaftssystems des Dritten Reiches So wurde der manipulative und terroristische Charakter der NS-Herrschaft betont; das Dritte Reich wurde als monolithischer Führerstaat gesehen. 4. Der Widerstand, der insbesondere auch als Argument gegen die Kollektivschuldthese Interesse gefunden hatte wurde auf die zum 20. Juli 1944 führende Entwicklungslinie beschränkt, während der schon 1933 einsetzende Widerstand der Arbeiterbewegung von der westdeutschen zeithistorischen Forschung noch kaum beachtet wurde.

Insgesamt polarisierte sich das Bild des Dritten Reiches — wie Hans Mommsen formuliert hat — „in eine Welt grauenhafter terroristischer Verbrechen und eine Welt des heroisch-standhaften Widerstands, während die gesellschaftliche Verfassung, die politische Struktur und die Widersprüchlichkeit der NS-Außenpolitik nur unter dem Gesichtspunkt totalitärer Manipulation Beachtung fanden“

Die Frage der Einordnung des Nationalsozialismus in den Zusammenhang der deutschen Geschichte, die in den frühen Nachkriegsjahren so kontrovers diskutiert worden war, spielte in der zeithistorischen Diskussion bald nur noch eine eher geringe Rolle. Hinsichtlich des Nationalsozialismus trat die vertikal-nationalgeschichtliche Betrachtungsweise zurück gegenüber einer Perspektive, die den europäischen Zusammenhang betonte. Hatte schon Ludwig Dehio, u. a. in „Gleichgewicht oder Hegemonie“, die beiden Weltkriege (auch den zweiten) in die Reihe der europäischen Hegemonialkriege eingeordnet, wobei er das Hitlersche System und dessen „Erben“, das stalinistische System, als letzte Übersteigerung des kontinentalen Macht-und Hegemonialstaats begriff so ermöglichte die Totalitarismustheorie, das Dritte Reich als Variante des europäischen Phänomens des Einheitsstaats zu bezeichnen Auch der durch Ernst Noltes Buch „Der Faschismus in seiner Epoche“ reetablierte Faschismus-Begriff stellte — trotz aller nationalen Differenzierungen — den epochalen über den nationalgeschichtlichen Zusammenhang

Verallgemeinernd läßt sich über die Zeitgeschichtsschreibung der fünfziger und frühen sechziger Jahre feststellen: Während Teile der Publizistik und auch der Zeithistorie durch eine aufklärerisch-kritische Haltung gegenüber der bisherigen deutschen Geschichte geprägt waren, herrschte vor allem an den Schulen und auch überwiegend an den Universitäten ein traditionelles, von seinen NS-Zusätzen befreites nationales Geschichtsbild vor. Die Ausbildung der Zeithistorie als Spezialdisziplin (mit entsprechender Akademisierung und Professionalisierung), die sich vorrangig mit der NS-Zeit beschäftigte, förderte das Auseinanderfallen von kritischer

Zeithistorie und traditioneller deutscher Historiographie, die — wenn man so will — erst in der Fischer-Kontroverse wieder aufeinanderprallten Im Hinblick auf diese Jahre ist zu konstatieren, daß man schwerlich — wie jetzt manchmal unterstellt wird — sagen kann, daß das deutsche Geschichtsbewußtsein generell durch die NS-Zeit geprägt worden sei. Die Bundesrepublik Deutschland stabilisierte sich durch die Überwindung von Not — weitgehend ohne historische Legitimation in einer Zeit, in der Geschichte im öffentlichen Bewußtsein nur einen geringen Stellenwert besaß Ein eher traditionelles nationales Geschichtsbild und eine kritische Zeithistorie entwickelten sich nebeneinander und weitgehend ohne Bezug zur Bundesrepublik Deutschland.

IV.

Gegenüber den fünfziger Jahren hat sich das westdeutsche Geschichtsbewußtsein in den sechziger und frühen siebziger Jahren erheblich gewandelt. Seit Ende der fünfziger Jahre wurde die NS-Zeit verstärkt auch als gegenwartsrelevantes Politikum betrachtet. Veränderungen der Einstellungen wurden durch verschiedene Momente hervorgerufen, durch Veröffentlichungen wie das Tagebuch der Anne Frank, Hakenkreuzschmierereien und das internationale Echo darauf, das Erschrecken über den Ulmer Einsatzgruppenprozeß, dann auch durch die großen NS-Prozesse und die Verjährungsdebatten. Allerdings bieten die sechzigerJahre hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit ein ambivalentes Bild.

Im intellektuellen Raum verband sich nun vielfach die Kritik an der „Restauration“ der fünfziger Jahre mit dem Vorwurf an die Gesellschaft der Bundesrepublik und die sie tragenden Kräfte, der Aufarbeitung der NS-Zeit ausgewichen zu sein. An den Universitäten setzte in dieser Zeit — teilweise auch durch den Druck der Studenten gefördert — die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Dritten Reiches mit neuer Intensität ein. Die

Geschichte des Dritten Reiches — so hat Klaus Hildebrand formuliert — holte die Bundesrepublik „so richtig erst in den sechziger Jahren“ ein Die nationalsozialistische Vergangenheit trat — und das Aufkommen der NPD verstärkte diesen Trend — ins politische Gegenwartsbewußtsein und wurde dabei auch Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Der Faschismus-Begriff wurde zum Kampfbegriff der außerparlamentarischen Opposition, in der die Bundesrepublik teilweise als Fortsetzung des Nationalsozialismus, als strukturell faschistoid oder als fremdbestimmt durch den Kapitalismus attackiert wurde

In den durch einen tiefgreifenden Einstellungswandel geprägten sechziger Jahren wandelte sich auch das historiographische Bild des Dritten Reiches und seine Einordnung in die deutsche Geschichte. So wurde das bis dahin geschlossene Bild der Machtergreifung wesentlich differenziert. Karl Dietrich Bracher hat mit seinem schon 1955 erschienenen Werk „Die Auflösung der Weimarer Republik“ die Voraussetzungen der NS-Machtübernahme beleuchtet, indem er die Selbstausschaltung des Parlaments und der Parteien sowie die politische Verantwortung der Rechten herausarbeitete Bracher betrachtete die Ära der Präsidialkabinette als Übergangsphase zum Dritten Reich und bestritt die Legalität der Machtergreifung. War das 1962 veröffentlichte Werk von Bracher, Sauer und Schulz über die nationalsozialistische Machtergreifung noch an der Totalitarismustheorie orientiert, indem es von der zielstrebigen Durchführung eines Konzeptes der Machteroberung durch die Nationalsozialisten ausging so wurde in der Folgezeit ein solcher systematischer Machteroberungsplan fraglich. Die Rolle der alten Eliten, der konservativen Parteien und der hinter ihnen stehenden gesellschaftlichen Kräfte und sozioökonomischen Interessen wurde nun verstärkt gesehen. In dem mit Emotionen belasteten Streit um den Reichstags-brand, der sich in dieser Zeit im Anschluß an das Buch von Fritz Tobias entwickelte, ging es nicht zuletzt um die Frage, inwieweit eine erfolgreiche Strategie der Nationalsozialisten, inwieweit Zufälle und inwieweit das Versagen ihrer Gegner die NS-Machtergreifung herbeigeführt hatten

Auch die Beurteilung des Dritten Reiches selbst wandelte sich durch die Ausweitung des Fragerahmens, vor allem aber durch die Heranziehung neuer Akten der verschiedenen staatlichen Stellen, der Partei, der Wehrmacht oder der SS, u. a. in den Arbeiten von Reinhard Bollmus, Peter Hüttenberger und Hans Mommsen Insbesondere für die besetzten Gebiete im Osten wurde ein chaotisch anmutender Entscheidungsprozeß sichtbar. Das Bild einer monolithischen Struktur, eines von oben straff organisierten Führerstaats, erschien nunmehr — etwa aus der Sicht von Martin Broszat, Hans Mommsen u. a. — angesichts eines „Institutionendarwinismus“ und einer „polykratischen Struktur“, über der ein schwacher Diktator agierte, fragwürdig -Die Diskrepanz zwischen Ideologie und Praxis im Nationalsozialismus wurde zunehmend herausgearbeitet, das „Prozeßhafte der NS-Herrschaft“ in den Blick genommen die Politik des Dritten Reiches, selbst die Judenpolitik, war demnach keineswegs als eine von Anfang an so geplante Umsetzung eines systematischen Konzeptes zu begreifen.

Neu gestellt wurde damit auch die Frage der Freiräume und Verantwortlichkeiten der Entscheidungsträger in den verschiedenen Phasen auf den unterschiedlichen Ebenen: die Rolle der alten Eliten beispielsweise, die — wie etwa das Offizierskorps — noch eine relativ eigenständige Rolle neben den anderen Machtträgern spielen konnten und durchaus auch initiativ waren und keineswegs freizusprechen sind von jeder Verantwortung für die während des Krieges verübten Verbrechen Auch die Arbeiten zu Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung und Wissenschaft im Dritten Reich ließen erkennen, daß es dem Regime keineswegs gelungen war, alle Bereiche gleichmäßig zu durchdringen Nicht zuletzt wurde das Bild des Widerstandes differenzierter, das nicht mehr nur auf die zum 20. Juli führende Linie eingeengt wurde, sondern auch den Widerstand der Arbeiterbewegung einbegriff In der Beurteilung des Dritten Reiches konkurrierten fortan ein sozialgeschichtlicher bzw. „strukturfunktionalistischer“ Ansatz mit einer eher traditionellen „historistischen“ Interpretation, die die ideologisch-intentionalen Faktoren der obersten Entscheidungsträger in den Vordergrund stellte, im übrigen aber an der Totalitarismustheorie orientiert blieb

Verstärkt diskutiert wurde seit den frühen sechziger Jahren auch die Frage der Einordnung des Natio-nalsozialismus in die deutsche Geschichte. Diese Diskussion war vor allem durch die Arbeiten Fritz Fischers zur Frage der deutschen Kriegsschuld 1914 angeregt, die Fragen nach der Kontinuität in außen-politischer, in der Folgezeit auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht entstehen ließ Wichtige Beiträge zu dieser Diskussion lieferte Hans-Ulrich Wehler, der durch die Wiederentdeckung Eckart Kehrs und durch seine eigenen Arbeiten eine neue kritische Sicht des Kaiserreichs prägte Ralf Dahrendorfs Buch über „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“, das im Ansatz Thorsten Veblen verpflichtet war wurde zusammen mit den Arbeiten Wehlers, Kehrs und des endlich auch in Deutschland rezipierten Hans Rosenberg wegweisend für eine Interpretation der deutschen Entwicklung, die diese durch eine nur „partielle Modernisierung charakterisiert “ sah. Demnach war für das Deutsche Reich eigentümlich die Diskrepanz zwischen seiner ökonomischen Modernisierung und der Fortdauer der Herrschaft der alten Eliten und damit der Geltung traditioneller sozialer Werte und Normen — Phänomene, die eine Demokratisierung der deutschen Gesellschaft erschwert, die Weimarer Republik belastet und letztlich den Aufstieg des Nationalsozialismus erleichtert hatten. Der Nationalsozialismus ist aus dieser Sicht letztlich das Ergebnis der besonderen Probleme der Modernisierung in Deutschland. Als Maßstab dieser Bewertung der deutschen Entwicklung diente dabei — wie insgesamt in der Modernisierungs-Theorie — ein bestimmtes Bild der anglo-amerikanisehen Entwicklung. Als dieses Bild seit den sechziger Jahren fragwürdig wurde, konnte das nicht ohne Auswirkung auf die Interpretation der deutschen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert als eines „Sonderweges“ bleiben.

Insgesamt gesehen hat sich die deutsche Gesellschaft und auch die deutsche Geschichtswissenschaft in den sechziger und frühen siebziger Jahren der Frage der Bedeutung des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte neu gestellt. Unverkennbar verknüpften sich dabei eine kritische Sicht der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, der Wille, einer modernen, liberalen, demokratischen Gesellschaft endlich auch in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen, sowie das Ziel, die historischen Konsequenzen des Dritten Reiches und des von diesem herbeigeführten Krieges anzuerkennen.

V.

Seit Mitte der siebziger Jahre hat sich das politisch-kulturelle Klima in der Bundesrepublik spürbar verändert. Mit der Wirtschaftskrise und den ökologischen Problemen ist die Fortschrittsgläubigkeit gewichen, die gesellschaftsverändemden Utopien sind verblaßt, an die Stelle des Strebens nach Emanzipation ist vielfach die Suche nach Identität getreten Leitende Ideen der Nachkriegszeit — etwa die Europa-Idee — haben ihre Faszination verloren, zugleich ist das Bedürfnis nach Geschichte, auch nach historischer Legitimation, gewachsen. Wie wirkt sich dies alles heute auf das Geschichtsbewußtsein und die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit aus?

Was die Erforschung des NS-Regimes selbst angeht, so ist die sozialhistorische Aufarbeitung dieser Epoche in immer weitere Bereiche vorgestoßen, zuletzt auch in den „Alltag“ der Bevölkerung im Dritten Reich. Es wird zunehmend eine „Gesellschaftsgeschichte des politischen Verhaltens“ angezielt — ein Forschungsansatz, der sich im Grunde aber nur im lokalen und regionalen Bereich durchführen läßt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang etwa das Projekt „Widerstand und Verfolgung in Bayern“ bei dem der Widerstandsbegriff erneut ausgeweitet worden ist, oder auch das Projekt „Lebenslage und Lebenssituation im Ruhrgebiet 1930 bis 1960“ Studien auf diesen Ebenen erbringen offensichtlich nicht nur eine Konkretisierung und Veranschaulichung größerer Zusammenhänge, sondern auch neue Einsichten in die NS-Zeit. So läßt sich das Verhalten der Mehrheit der Zeitgenossen nicht einfach in Nazismus und heroischen Widerstand zweiteilen. Dazwischen liegen vielfältige Haltungen, die von Anpassung bis zur Resistenz reichten; nicht selten stand auch beides unverbunden nebeneinander oder ist durchmischt, ganz abgesehen davon, daß sich Haltungen und Verhalten verändern konnten. Die situative Gebundenheit des Widerstands wird deutlicher, ebenso die Unterschiedlichkeit der Verhaltensmöglichkeiten

Die immer differenziertere Sicht der NS-Zeit, die in ein Gesamtbild zu integrieren schwierig wird läßt freilich die Frage entstehen, inwieweit der bisherige moralisch-kategoriale Rahmen noch zu halten ist. Greift angesichts dieser Sicht noch die pauschale moralische Distanzierung gegenüber der NS-Zeit? Und wird die — didaktisch für nötig gehaltene — Gegenüberstellung von Nazismus und „statuarisch-vorbildlichem Widerstand“ (Broszat) der historischen Realität des Nationalsozialismus gerecht? Sicherlich kann die Forschung nicht hinter den heutigen Forschungsstand zurück, doch gilt es — bei aller Differenzierung — die Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern nicht zu verwischen. Die von Martin Broszat geforderte „Historisierung des Nationalsozialismus“ bedeutet, daß eine pauschale moralische Distanzierung nicht ausreicht, vielmehr eine konkret wirksame moralische Sensibilität nötig ist, vor allem aber eine politisch-gesellschaftliche Erklärung des NS-Systems und seiner Verbrechen im Zusammenhang der Geschichte der deutschen Gesellschaft zu leisten ist. „Historisierung“ darf jedoch — so hat Bracher betont — nicht bedeuten, die Verbrechen des Nationalsozialismus historistisch zu relativieren

Problematisch in diesem Zusammenhang ist Andreas Hillgrubers kleines Buch „Zweierlei Untergang“ in dem nicht nur der deutsche Untergang im Osten der Judenvemichtung gegenübergestellt, sondern auch die Verteidigung der Ostfront 1944/45 — jenseits der Hitlerschen Politik — als nationale Tat gerechtfertigt wird, obgleich — wie Hillgruber einräumt — die Judenvernichtung weiterging, so lange die Ostfront hielt. Gewiß sind die Verbrechen an Deutschen im Zusammenhang von Flucht und Vertreibung durch nichts zu rechtfertigen. Auch spielten in der Politik der Alliierten durchaus — wie Hillgruber betont — machtpolitische Interessen mit. Nur: Gleichzeitiges ist nicht gleichzusetzen, es darf nicht parallelisierend aufgerechnet werden, und es ist daran zu erinnern, daß es zunächst die Deutschen waren, die die Gesetze menschlichen Umgangs gravierend verletzt hatten. Offensichtlich geht es hier nicht nur um die Einordnung von Forschungsergebnissen zur NS-Zeit, sondern auch um veränderte Bewertungsmaßstäbe. Neben der sozialgeschichtlichen und kulturgeschichtlichen Ausleuchtung der Zeit von 1933 bis 1945 sind es Fragen der Einordnung und Bewertung, die die Historiker gegenwärtig besonders beschäftigen. Die Interpretation der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts als einer besonderen deutschen, im Dritten Reich kulminierenden Entwicklung ist in den letzten Jahren vielfach angefochten worden. Kritisiert wird die — an der anglo-amerikanischen Entwicklung normativ orientierte — Modernisierungstheorie, auch das als Folie für die besondere deutsche Entwicklung verwendete, historisch jedoch unzutreffende traditionelle Bild der englischen Entwicklung (insbesondere der dortigen bürgerlichen Revolution) Es gibt demnach keinen „Normalweg“, auf dessen Hintergrund der deutsche als „besonderer“ erscheint. Für das 19. Jahrhundert sind von der deutschen Historiographie in jüngster Zeit verstärkt die gemeinsamen Züge der deutschen mit der übrigen europäischen Entwicklung herausgearbeitet worden Die deutsche politisch-soziale Entwicklung, der „autoritäre Charakter des deutschen Typs der Modernisierung“, wird als Variante europäischer Normalität gesehen, lediglich die geopolitische Lage — so meinen einige Historiker — schuf besondere Probleme und bestimmte das deutsche Schicksal im 19. und 20. Jahrhundert — eine Interpretation, die die Frage nach den deutschen politisch-kulturellen Spezifika allzu offensichtlich vernachlässigt. Den Begriff „deutscher Sonderweg“ möchten manche Historiker — so Karl Dietrich Bracher und Klaus Hildebrand — auf die Zeit 1933 bis 1945 beschränken

Dieser veränderten Sichtweise entspricht, daß die Zeit vor 1933 — insbesondere aber das 19. Jahrhundert — nicht mehr nur als Vorgeschichte der NS-Zeit und die Zeit nach 1945 nicht mehr nur als Nachgeschichte der NS-Zeit aufgefaßt wird. Es wird gefordert, etwa der Wilhelminischen Zeit ihre Historizität zurückzugeben und anzuerkennen, daß es Kontinuitäten deutscher Geschichte gibt, die nicht nach 1933 führen — Kontinuitäten, die durch diese Zeit hindurchlaufen (ohne per se nazistisch zu sein), und mittlerweile auch Kontinuitäten vorhanden sind, die sich erst nach 1945 gebildet haben Gleichwohl bleibt die Frage nach dem Ort des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte, nicht zuletzt die nach den politisch-kulturellen Kontinuitäten, die in mancher Hinsicht neu zu stellen ist, von zentraler Bedeutung. Eine „Verinselung" der NS-Zeit im Kontext der deutschen Geschichte und in der deutschen Geschichtsbetrachtung wäre problematisch

Tritt gegenwärtig die vertikal-nationalgeschichtliche Einordnung der NS-Zeit in den Hintergrund, so wird gleichzeitig verstärkt versucht, die NS-Zeit in epochalen und universalen Zusammenhängen zu verorten. So sieht Martin Broszat als den „eigentlichen Auftakt“ des Nationalsozialismus und überhaupt der Epoche des Faschismus den Ersten Weltkrieg und „die in seinem Kielwasser entstandene bolschewistische Revolution“ mit der Wirkung aggressiver antirepublikanischer und antisozialistischer Protestbewegungen (vor allem in den Verlierer-Nationen) Auch Ernst Nolte versucht — seine früheren Einsichten über den epochalen Zusammenhang zuspitzend —, nicht nur eine Einordnung des Nationalsozialismus, sondern spezifischer eine Einordnung der NS-Verbrechen. Nolte leugnet in seiner ungehaltenen, in der FAZ publizierten und inzwischen viel diskutierten Rede „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ die Singularität der NS-Verbrechen und behauptet einen Kausalzusammenhang zwischen dem Archipel Gulag und dem Holocaust. Der Holocaust war nach Nolte Hitlers Antwort auf die Vernichtungsdrohung des Bolschewismus, eine Art „Putativnotwehr“ Mithin sei der Archipel Gulag ursprünglicher als der Holocaust; neuartig beim Holocaust sei nur die technische Vervollkommnung des Mordens gewesen. Dies sind Thesen, die eine heftige Kritik gefunden haben In der Tat hält Noltes These eines Kausalzusammenhangs solider wissenschaftlicher Überprüfung schwerlich stand. Ist schon die Einengung der Betrachtung auf Hitlers Bewußtsein problematisch, so ist selbst bezogen auf Hitler diese Konstruktion fragwürdig, da Hitlers militanter Antisemitismus sich schon vor 1918 gebildet hatte und rassistisch motiviert war, und auch der militante Antibolschewismus, der Hitler mit den alten Eliten verbindet, schon vor der Kulakenvernichtung entstanden war.

Was die Frage der Singularität der NS-Verbrechen angeht, so ist — falls man sich auf diese Frage einläßt — der Vergleichshorizont zu bestimmen. Heinrich August Winkler und Jürgen Kocka haben die Frage aufgeworfen, ob „zwischen der bürokratisierten, leidenschaftslosen, perfekten Systematik des Massenmordes im hochindustrialisierten und vergleichsweise hochorganisierten Reiche Hitlers und der brutalen Mischung von Bürgerkriegsexzessen, Massen-, Liquidierungen 4, Sklavenarbeit und Verhungernlassen im rückständigen Reiche Stalins nicht doch ein qualitativer Unterschied besteht“ Für Phänomene deutscher Geschichte empfehle sich ein Vergleich mit Gesellschaften der westlichen Welt, „mit denen wir uns sonst traditionell gern vergleichen, die uns nach Entwicklungsstand, Gesellschaftsstruktur und politischen Ansprüchen verwandter sind und die nicht faschistisch und totalitär pervertierten“ -Aber selbst wenn man diesen Vergleichshorizont nicht wählt, so wird man vor dem Horizont der bisherigen Geschichte zwar den Massenmord aus rassischen, ethischen oder anderen Gründen keineswegs auf den Holocaust beschränken können, doch stellt dieser unzweifelhaft die „extremste Form zynischer und systematischer Vernichtung von mißliebigen Völkern und Minderheiten“ dar Allerdings wird man diese Frage zur Zukunft hin offenhalten müssen.

Offensichtlich ist die Frage nach der historischen Einordnung des Nationalsozialismus verknüpft mit der Diskussion um ein neues nationales Geschichtsbewußtsein. Über die nationale Geschichte soll — so wird im politischen Raum ebenso wie von einigen Historikern postuliert — ein neues deutsches Nationalbewußtsein restituiert werden mit der Konsequenz, daß die zwölf Jahre NS-Zeit gegenüber den 1 000 Jahren „heiler“ deutscher Geschichte relativiert werden So wird — etwa von Franz-Josef Strauß — gefordert, aus dem Schatten der jüngeren Vergangenheit herauszutreten, einen Schlußstrich zu ziehen Und Michael Stürmer wünscht angesichts der Auflösung des antitotalitären Konsenses der Nachkriegszeit nicht nur eine „Normalisierung“ im Umgang mit der deutschen Geschichte, sondern auch den Rückgriff auf die ganze nationale Geschichte zur Begründung eines die gesellschaftlichen Gegensätze überwölbenden deutschen Identitätsbewußtseins Dies bedeutet auf der einen Seite eine ideelle Neufundierung der zweiten deutschen Republik, wobei zu fragen ist, ob dabei die Grundlagen nicht auch verschoben werden, auf der anderen Seite die „Stiftung“ eines nationalen Geschichtsbildes, das die deutsche Geschichte nicht mehr von 1933 bis 1945 in den Blick nimmt und nach Identifikation verlangt. Stürmer begründet von diesen Anliegen her auch die Notwendigkeit der Schaffung eines nationalen Museums

Die Forderungen Stürmers sind auf Widerspruch gestoßen. Der Forderung nach einem deutschen historischen Identitätsbewußtsein ist von Jürgen ‘ Habermas, der bezweifelt, daß komplexe Gesellschaften eine eindeutige Identität ausbilden können die Forderung nach einem „Verfassungspatriotismus“ entgegengesetzt und das kritische Geschichtsbewußtsein verteidigt worden Allerdings ist auch von anderen Historikern gefragt worden, ob der Nationalsozialismus wirklich alle deutsche Geschichte verbraucht hat. So möchte etwa Helga Grebing die freiheitlichen Traditionen deutscher Geschichte, nicht zuletzt die der Arbeiterbewegung im gegenwärtigen historisch-politischen Selbstverständnis stärken Das Bedürfnis nach „zustimmungsfähiger Geschichte“ ist gewachsen und bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Einschätzung des Dritten Reiches im Kontext der deutschen Geschichte

VI.

Überblickt man die — hier nur grob skizzierten — Entwicklungslinien der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und mit seinem Ort in der deutschen Geschichte, so sind einige allgemeine Beobachtungen zum gegenwärtigen Stand der Diskussion möglich. 1. Zur historiographischen Beurteilung der NS-Zeit läßt sich grob vereinfachend feststellen, daß die Perspektive anfangs fast ausschließlich durch eine Hitler-Zentrierung bestimmt war (deren relative Berechtigung außer Zweifel steht, die aber die Gefahr eines Ausblendens politisch-gesellschaftlicher Zusammenhänge impliziert) „Oben“ bei den Entscheidungsträgern beginnend ist die Forschung immer „tiefer“ in die politischen und gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse eingedrungen, wobei in den letzten Jahren vor allem die Lokal-und Alltagsgeschichte das Interesse auf sich gezogen hat. Gegenwärtig kommt es darauf an, bei aller notwendigen Aufarbeitung von kleinen Räumen und sozialer Subjektivität die Makro-Strukturen und -Prozesse — und damit auch das Terror-system und die Außenpolitik — im Auge zu behalten. Wohl nirgendwo wäre eine Alltagsgeschichte, die die Herrschafts-Dimension außer acht läßt, so problematisch wie im Hinblick auf die NS-Zeit. Fragestellungen und Ergebnisse früherer Stadien der Forschung müssen in der gegenwärtigen Sicht der NS-Zeit — im Hegelschen Sinne — aufgehoben sein.

Das Bild der politischen und gesellschaftlichen Strukturen und Abläufe in der NS-Zeit ist immer differenzierter geworden, wodurch sich die Frage der politisch-moralischen Maßstäbe neu stellt. Wenn die Wirklichkeit des Dritten Reiches sich nicht mehr so einfach polarisiert zwischen nazistischem Terrorismus und heroischem Widerstand, vielmehr das vorherrschende Bild eher die Zwischenlagen waren, dann bedeutet dies, daß die NS-Zeit mit einer politisch-moralischen Sensibilität beurteilt werden muß, die um die Tatsache weiß, wie dünn der Firnis der Humanität in unserer Zivilisation ist und wie groß die Gefahr, in Barbarei zu verfallen, wie dicht also Humanität und Brutalität nebeneinander liegen. Die Weimarer und die NS-Zeit können als Paradigma für die Gefahr der moralischen und politischen Pervertierung der Industrie-gesellschaften überhaupt gelten. 2. Was die Einordnung des Nationalsozialismus in den historischen Zusammenhang anbetrifft, so haben Phasen einer — vorrangig vertikal-national-geschichtlichen und solche einer primär horizontal-epochalen Sichtweise einander abgewechselt. In den letzten Jahren ist die kritische These einer besonderen deutschen Entwicklung, die in der frühen Nachkriegszeit und seit den sechziger Jahren eine wichtige Rolle gespielt hat, zunehmend angefochten worden, u. a. mit dem Argument, daß es keine Normalwege der historischen Entwicklung gebe. Die deutsche Entwicklung des 19. Jahrhunderts als eine Variante europäischer Normalität zu betrachten, ist als Trend gegenwärtiger Historiographie nicht zu übersehen Gewiß ist die deutsche Geschichte des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts nicht als eine Allee zu begreifen, die schnurgerade auf die NS-Machtübemahme im Jahre 1933 hinführt. Auch sind die verschiedenen Epochen des 19. Jahrhunderts in ihrer jeweils eigenen Geschichtlichkeit zu sehen, die sich nicht darin erschöpft, Vorgeschichte der NS-Zeit zu sein. Andererseits ist doch das Gewicht der NS-Zeit im Zusammenhang der deutschen Geschichte derart gravierend, daß die Frage nach den — gewiß präziser als in Vergangenheit zu untersuchenden — Kontinuitäten ein ernsthaftes Problem der Historiographie bleibt. Die Frage nach den politisch-kulturellen Dispositionen und sozialpathologischen Verhaltensmustem, die den Nationalsozialismus, das Dritte Reich und den Holocaust möglich gemacht haben, ist keineswegs beantwortet Allerdings ist auch darauf zu achten, daß bestimmte gesicherte Ergebnisse zur Problematik der deutschen Gesellschaftsentwicklung, etwa die besondere Rolle der alten Eliten und die Schwierigkeiten bürgerlich-liberaler Demokratie, nicht aus den Augen verloren werden. Insgesamt gesehen kann kein Zweifel bestehen, daß epochale und national-geschichtliche Ursachenstränge zu berücksichtigen sind.

Im übrigen sind keineswegs alle deutschen Traditionen durch den Nationalsozialismus verbraucht worden. Zu Recht hat Gustav Heinemann die Aufarbeitung auch der demokratischen und freiheitlichen Traditionen deutscher Geschichte gefordert. Was die Forderung nach einem neuen nationalen Geschichtsbewußtsein problematisch erscheinen läßt, ist die ihr innewohnende Tendenz zur Harmonisierung der deutschen Geschichte und zur Relativierung der NS-Zeit, d. h. das Absehen von den Widersprüchen und Ambivalenzen einer „schwierigen“ Geschichte, die naive Identifikation einfach nicht zuläßt. 3. Das deutsche Geschichtsbewußtsein nach 1945 war gewiß fragmentiert, teilweise wurde Geschichte völlig verdrängt — durch Gegenwartsbewußtsein und Zukunftserwartung, Aber keineswegs läßt sich die These halten, daß das deutsche Geschichtsbewußtsein der Nachkriegszeit im Schatten der NS-Zeit gestanden habe und es deshalb heute darum gehen muß, aus diesem Schatten herauszutreten.

Sieht man von der Publizistik der frühen Nachkriegsjahre ab, so läßt sich vielmehr die These wagen, daß erst in den sechziger Jahren die NS-Zeit und ihre Verbrechen sowie die daraus resultierenden Folgen das deutsche geschichtliche Bewußtsein erreicht haben. Entsprach dem politischen Veränderungswillen der sechziger und frühen siebziger Jahre — so läßt sich mit Jeismann überspitzt sagen — eine kritische Sicht der neuesten Geschichte, so ist in den letzten Jahren mit einer eher konservativen Grundstimmung das Bedürfnis gewachsen, sich mit der Vergangenheit positiv in Beziehung zu setzen Dabei erweist sich die NS-Zeit als Problem; deshalb wird ihre Relativierung vor dem Horizont der „ganzen“ deutschen Geschichte gefordert. Doch erscheint fraglich, ob die Wiederherstellung eines naiven historischen Bewußtseins möglich und wünschenswert ist.

Richard von Weizsäcker hat in seiner Rede zum 8. Mai 1945 gesagt: „Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes gibt es nicht. Schuld ist wie Unschuld nicht kollektiv, sondern persönlich . . . Der ganz überwiegende Teil unserer heutigen Bevölkerung war zur damaligen Zeit entweder im Kindesalter oder noch gar nicht geboren . . . Kein fühlender Mensch erwartet von ihnen, ein Büßerhemd zu tragen, nur weil sie Deutsche sind. Aber die Vorfahren haben ihnen eine schwere Erbschaft hinterlassen. Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen.“ In der Tat wäre es für die deutsche politische Kultur verheerend, wenn die Zeit von 1933 bis 1945 aus dem Kontext der deutschen Geschichte eskamotiert würde. Die NS-Zeit ist — um Noltes Wendung aufzugreifen — „Vergangenheit, die nicht vergehen will“.

Mit dem historischen Prozeß verändert sich naturgemäß das Geschichtsbewußtsein, auch gewinnt die Geschichtswissenschaft neue Einsichten, nicht nur durch Aufarbeitung neuer Quellen, sondern auch durch die Kommunikation mit ihrer Zeit. Sicherlich stellen sich heute andere Fragen und manche Fragen anders als in früheren Dezennien der Nachkriegsentwicklung. Doch die problematische deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts läßt sich nicht einfach in eine „normale“ Geschichte umschreiben. Was wir tun können, ist dies: politisch-moralische Konsequenzen ziehen im Hinblick auf Gegenwart und Zukunft.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Streit wurde ausgelöst durch die publizistische Kontroverse zwischen Ernst Nolte, Vergangenheit, die nicht vergehen will, in: FAZ v. 6. 6. 1986, und Jürgen Habermas, Eine Art Schadensabwicklung, in: Die Zeit v. 11. 7. 1986. Die Diskussion ist heute kaum mehr überschaubar und kann hier bibliographisch nicht wiedergegeben werden.

  2. Hier kann selbstverständlich kein Abriß der außerordentlich umfangreichen Literatur zur NS-Zeit und ihrer Einordnung in die deutsche Geschichte geliefert werden. Vgl. dazu u. a. Gerhard Schreiber, Hitler. Interpretationen 19231983. Ergebnisse, Methoden und Probleme der Forschung, Darmstadt 1984; Wolfgang Wippermann (Hrsg.), Kontroversen um Hitler, Frankfurt 1987. Für die verschiedenen Positionen können hier nur exemplarische Belege angeführt werden.

  3. Zur Diskussion in der Emigration: Bernd Faulenbach, Der „deutsche Weg“ aus der Sicht des Exils. Zum Urteil emigrierter Historiker, in: Exilforschung, Bd. 3. 1985. S. 11-30.

  4. Siehe Barbro Eberan. Luther? Friedrich „der Große“? Wagner? Nietzsche? Wer war an Hitler schuld? Die Debatte um die Schuldfrage 1945 — 1949, München 1983.

  5. Eugen Kogon, Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München 1946.

  6. Bernd Faulenbach, „Deutscher Sonderweg“. Zur Geschichte und Problematik einer zentralen Kategorie des deutschen geschichtlichen Bewußtseins, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 33/81, S. 3— 21, hier S. 12 ff.

  7. Siehe Hans Mommsen, Betrachtungen zur Entwicklung der neuzeitlichen Historiographie in der Bundesrepublik, in: G. Alföldy u. a. (Hrsg.), Probleme der Geschichtswissenschaft. Düsseldorf 1973, S. 124— 155; Ernst Schulin, Zur Restauration und langsamen Weiterentwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, in: ders., Traditionskritik und Rekonstruktionsversuch. Göttingen 1979. S. 133— 143; Werner Conze, Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945. Bedingungen und Ergebnisse, in: HZ. 225 (1977), S. 1— 28; Hans-Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, in: Jürgen Habermas (Hrsg.), Stichworte zur . geistigen Situation* der Zeit. Bd. II, Frankfurt 1979, S. 709— 753, Bernd Faulenbach, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, in: Tijdschrift voor Geschiedenis, 94 (1981). S. 29-57.

  8. Friedrich Meinecke, Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen, Wiesbaden 1946. Wieder abgedruckt in: ders. Autobiographische Schriften. Stuttgart 1969. S. 321-445.

  9. Emst Fraenkel, The Dual State. A Contribution to the theory of Dictatorshop, New York-London-Toronto 1940; Franz Neumann. Behemoth. The Structure and Practise of National Socialism 1933— 1944, Toronto-New York-London 1944.

  10. Rudolf Stadelmann. Geschichte der Englischen Revolution. Wiesbaden 1954. S. 7— 9.

  11. Vgl. Martin Broszat, Nach Hitler. Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte, München 1986, S. 95 f.

  12. Siegfried Kaehler, Vom dunklen Rätsel deutscher Geschichte, in: ders., Studien zur deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts, Göttingen 1961, S. 374 f.

  13. Friedrich Meinecke (Anm. 8), S. 430 ff.

  14. Martin Broszat (Anm. 11), S. 97.

  15. Gerhard Ritter, Europa und die deutsche Frage. Betrachtungen über die geschichtliche Eigenart des deutschen Staatsdenkens, München 1948.

  16. Siehe Hans Rothfels, Die deutsche Opposition gegen Hitler, Frankfurt 1949. Ferner: Gerhard Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, Stuttgart 1955.

  17. Siehe Peter Steinbach, Nationalsozialistische Gewaltverbrechen. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit nach 1945, Berlin 1981, S. 38 ff.

  18. Erich Dombrowski, 8. Mai 1945, in: FAZ v. 7. 5. 1955.

  19. Vgl. 25 Jahre Institut für Zeitgeschichte. Statt einer Festschrift. München 1975.

  20. Siehe Martin Broszat. Der Nationalsozialismus. Weltanschauung. Programm, Wirklichkeit. Stuttgart 1960.

  21. Vor allem Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, München 1962.

  22. Siehe Hans Buchheim. Totalitäre Herrschaft. Wesen und Merkmale, München 1962 2.

  23. Dies war u. a. ein wichtiges Motiv bei Hans Rothfels, vgl.ders (Anm. 16).

  24. Hans Mommsen, Haupttendenzen (der deutschen Geschichtswissenschaft) nach 1945 und in der Ära des Kalten Krieges, in: Bernd Faulenbach (Hrsg.), Geschichtswissenschaft in Deutschland, München 1974, S. 119.

  25. Ludwig Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie. Betrachtungen über ein Grundproblem der neueren Staatengeschichte, Krefeld 1948; ders., Deutschland und die Weltpolitik im 20. Jahrhundert. München 1955.

  26. Siehe Hans Buchheim (Anm. 22).

  27. Ernst Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche, München 1963; ders.. Die Krise des liberalen Systems und die faschistischen Bewegungen, München 1968.

  28. Vgl. Martin Broszat (Anm. 11), S. 103 f.

  29. Hermann Lübbe hat in diesem Zusammenhang die These vertreten, daß die Verdrängung der NS-Zeit und der Verzicht auf die Frage nach der Verantwortung für das Geschehene Voraussetzung für die Konsensbildung der Bundesrepublik gewesen sei — eine These, die von den politisch-moralischen Kosten dieses Umgangs mit der Vergangenheit absieht: Hermann Lübbe, Der Nationalsozialismus im politischen Bewußtsein der Gegenwart, in: Deutschlands Weg in die Diktatur, Berlin 1983, S. 329 ff.

  30. Klaus Hildebrand, Von Erhard zur Großen Koalition. 1963— 1969 (= Geschichte der Bundesrepublik, Bd. 4), Stuttgart-Wiesbaden 1984, S. 422.

  31. Zum Zusammenhang siehe Karl-Ernst Jeismann, Die deutsche Geschichte als Instrument im politischen Streit, in: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 34 (1987), S. 362-369, hier S. 365.

  32. Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Villingen 1955.

  33. Karl Dietrich Bracher/Wolfgang Sauer/Gerhard Schulz. Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung eines totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34, Köln 1960.

  34. Vgl. Fritz Tobias. Der Reichstagsbrand. Legende und Wirklichkeit. Rastatt 1961; Hans Mommsen, Die politischen Folgen des Reichtagsbrands, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 12 (1964), S. 352— 413. Zur Reichstagsbrandkontroverse jetzt: Uwe Backes/Karl-Heinz Janßen/Eckhard Jesse/Henning Köhler/Hans Mommsen/Fritz Tobias, Reichstagsbrand — Aufklärung einer historischen Legende, München 1986.

  35. Peter Hüttenberger. Die Gauleiter, Stuttgart 1969; Reinhard Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner, Stuttgart 1970; Hans Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966.

  36. Siehe Martin Broszat, Der Staat Hitlers. München 1969.

  37. Martin Broszat (Anm. 11). S. 105.

  38. Siehe Christian Streit, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941— 1945, Stuttgart 1978.

  39. Vgl. Dieter Petzina, Autarkiepolitik im Dritten Reich. Stuttgart 1968; Timothy Mason. Arbeiterklasse und Volks-gemeinschaft, Opladen 1975; David Schoenbaum. Die braune Revolution, Köln-Berlin 1968; Helmut Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands. Stuttgart 1966.

  40. Vgl. Hans Mommsen, Die Geschichte des deutschen Widerstands im Lichte der neueren Forschung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/86, S. 3— 18.

  41. Der Gegensatz ist bis heute nicht überwunden. An der Interpretation eines von Hitler konsequent durchgesetzten Programms halten insbesondere Hillgruber, Hildebrand und auch Jäckel fest: Andreas Hillgruber, Tendenzen, Ergebnisse und Perspektiven der gegenwärtigen Hitler-Forschung, in: HZ, 226 (1978), S. 600-621; Klaus Hildebrand, Nationalsozialismus oder Hitlerismus? in: M. Bosch (Hrsg.), Persönlichkeit und Struktur in der Geschichte, Düsseldorf 1977, S. 55— 61; Eberhard Jäckel, Hitlers Weltanschauung. Entwurf einer Herrschaft. Tübingen 1969; ders., Hitlers Herrschaft. Vollzug einer Weltanschauung, Stuttgart 1986.

  42. Fritz Fischer, Der Griff nach der Weltmacht, Düsseldorf 1961; ders., Krieg der Illusionen, Düsseldorf 1969. Zur soge-nannten Fischer-Kontroverse siehe Volker Berghahn, Die Fischer-Kontroverse — 15 Jahre danach, in: Geschichte und Gesellschaft, 6 (1980), S. 403— 419. Zu den Nachwirkungen der Thesen Fischers siehe Georg G. Iggers, Neue Geschichtswissenschaft (Ort?, Jahr?) S. 111 ff.; Bernd Faulenbach (Anm. 24), S. 40 ff.

  43. Eckart Kehr, Der Primat der Innenpolitik, hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler, Berlin 1965; ders., Schlachtflottenbau und Parteipolitik 1894— 1901, Berlin 1930. Hans-Ulrich Wehler, Bismarck und der Imperialismus, Göttingen 1970; ders.. Das Deutsche Kaiserreich 1871 — 1918, Göttingen 1973.

  44. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965.

  45. Hans Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit, Berlin 1967.

  46. Karl-Erich Jeismann, „Identität“ statt „Emanzipation“? Zum Geschichtsbewußtsein der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 20— 21/86, S. 3— 16.

  47. Siehe Martin Broszat (Anm. 11), S. 146.

  48. Vgl. Martin Broszat (Anm. 11). S. 68 ff.

  49. Siehe Lutz Niethammer (Hrsg.), „Die Jahre weiß man nicht, wo man die heute hinsetzen soll“. Faschismus-Erfahrungen im Ruhrgebiet. Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930— 1960, Bd. I. Berlin-Bonn 1983.

  50. Siehe Jürgen Schmädeke/Peter Steinbach (Hrsg.), Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, München-Zürich 1985.

  51. Den bemerkenswerten Versuch einer Gesamtdarstellung hat jüngst Hans-Ulrich Thamer vorgelegt: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933— 1945, Berlin 1986. Zum Stand der Forschung vgl. auch: Karl Dietrich Bracher/Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.), Nationalsozialistische Diktatur 1933— 1945. Eine Bilanz, Bonn 1983.

  52. Martin Broszat (Anm. 11), S. 68ff., S. 159ff.

  53. Karl-Dietrich Bracher. Zeitgeschichtliche Erfahrungen als aktuelles Problem, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 11/87, S. 3-14, hier S. 13.

  54. Andreas Hillgruber. Zweierlei Untergang. Die Zerschlagung des Deutschen Reiches und das Ende des europäischen Judentums, Berlin 1986.

  55. Siehe David Blackboum/Geoff Eley. Mythen deutscher Geschichtsschreibung. Die gescheiterte Revolution von 1848, Frankfurt-Berlin-Wien 1980; Helga Grebing. Der „deutsche Sonderweg“ in Europa 1806— 1945. Eine Kritik, Stuttgart 1986. •

  56. Vgl. Bernd Faulenbach, Die Frage nach den Spezifika der deutschen Entwicklung. Zu neueren Interpretationen des 19. Jahrhunderts, in: NPL, Sonderheft 3, 1987, S. 69-82.

  57. Siehe Michael Stürmer, in: Deutscher Sonderweg — Mythos oder Realität?, München-Wien 1982, S. 40ff.; Hagen Schulze, Weimar. Deutschland 1917— 1933, Berlin 1982,

  58. Karl-Dietrich Bracher (Anm. 53), S. 46— 53; Klaus Hildebrand, Deutscher Sonderweg und „Drittes Reich“, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.), Die nationalsozialistische Machtergreifung, Paderborn (Jahr?) S. 386— 394, insbes. S. 391.

  59. Thomas Nipperdey, 1933 und die Kontinuität der deutschen Geschichte, in: HZ, 227 (1978), S. 86— 111; wiederabgedruckt in ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte. Essays, München 1986, S. 186— 205.

  60. Vgl. Martin Broszat, Eine Insel in der Geschichte? Der Historiker in der Spannung zwischen Verstehen und Bewerten der Hitler-Zeit, in: ders. (Anm. 11), S. 114ff.

  61. Ebd., S. 165.

  62. Siehe Anm. 1.

  63. Formulierung von Heinrich August Winkler, in: ders.. Auf ewig in Hitlers Schatten? Zum Streit über das Geschichtsbild der Deutschen, in: Frankfurter Rundschau v. 14. 11. 1986.

  64. Siehe u. a. Jürgen Habermas, Eine Art Schadensabwicklung (Anm. 1); Eberhard Jäckel, Die elende Praxis der Untersteller, in: Die Zeit v. 12. 9. 1986.

  65. Vgl. Jürgen Kocka, Kritik und Identität. Nationalsozialismus, Alltag und Geographie, in: Die neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 33 (1986) 10, S. 893; ders., Hitler sollte nicht durch Stalin und Pol Pot verdrängt werden. Über Versuche deutscher Historiker, die Ungeheuerlichkeit von NS-Verbrechen zu relativieren, in: Frankfurter Rundschau v. 23. 9. 1986; Heinrich August Winkler, Auf ewig in Hitlers Schatten? Zum Streit über das Geschichtsbild der Deutschen, in: Frankfurter Rundschau v. 14. 11. 1986, S. 20. Dazu kritisch: Joachim Fest, Die geschuldete Erinnerung, in: FAZ v. 29. 8. 1986.

  66. Jürgen Kocka (Anm. 65), S. 893.

  67. Hans Mommsen, Neues Geschichtsbewußtsein und Relativierung des Nationalsozialismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (1986) 10, S. 1200— 1213, hier S. 1204.

  68. Vgl. Hans Mommsen, Geschichtsunterricht und Identitätsfindung in der Bundesrepublik, in: Geschichtsdidaktik, 3 (1978) 4, S. 291 ff.

  69. Franz-Josef Strauß, Rede auf dem Wahlkongreß der CSU am 21. /22. 11. 1986 in München, in: Bayernkurier v. 29. 11. 1986, Dokumentation, S. 22 ff.

  70. Michael Stürmer, Dissonanzen des Fortschritts. Essays über Geschichte und Politik in Deutschland, München-Zürich 1986.

  71. Ebd., S. 289 ff.

  72. Jürgen Habermas, Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden?, in: ders.. Zur Rekonstruktion des historischen Materialismus, Frankfurt 1976, S. 92-126.

  73. Siehe ders.. Eine Art Schadensabwicklung (Anm. 1), S. 7; Martin Broszat, Wo sich die Geister scheiden', in: Die Zeit v. 3. 10. 1986. S. 12.

  74. Helga Grebing, Deutscher Sonderweg oder zwei Linien historischer Kontinuität in Deutschland?, in: Ursula Büttner (Hrsg.), Das Unrechtsregime. Internationale Forschung über den Nationalsozialismus. Festschrift für Werner Joch-mann, Bd. I, Hamburg 1986, S. 2— 21; dies, unter Mitarbeit von D. von der Brelie-Lewien und H. -J. Franzen, Der „deutsche Sonderweg“ in Europa 1806— 1945, insbes. S. 199 f.

  75. Jürgen Kocka (Anm. 65), Kritik und Identität, S. 890 f.

  76. Die Hitler-Zentrierung ist freilich bei einem Teil der Historiographie bis heute leitend geblieben. Der Versuch, die Epoche von Hitler her zu interpretieren: Joachim C. Fest, Hitler. Eine Biographie, Frankfurt 1973. Zu den Ursachen der Wirkung Hitlers, die weniger in seiner Person als in den ihn umgebenden gesellschaftlichen Strukturen zu suchen sind. Siehe: Jan Kershan, Der Hitler-Mythos. Volksmeinung und Propaganda im Dritten Reich, Stuttgart 1980.

  77. Vgl. Bernd Faulenbach (Anm. 56). insbes. S. 70f.; S. 79.

  78. Siehe Martin Broszat (Anm. 11), S. 172 f.

  79. Karl-Emst Jeismann. Die deutsche Geschichte als Instrument im politischen Streit (Anm. 31), S. 365.

  80. Richard von Weizsäcker, Zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Ansprache am 8. Mai 1985 in der Gedenkstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages, Bonn 1985 (Broschüre, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1985, S. 5).

Weitere Inhalte

Bernd Faulenbach, Dr. phil., geb. 1943; Studium der Geschichtswissenschaft, Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Arbeiterbildung, Recklinghausen; Lehrbeauftragter an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg.) Geschichtswissenschaft in Deutschland, Traditionelle Positionen und gegenwärtige Aufgaben, München 1974; Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980; zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und zur Didaktik der Geschichte in der Erwachsenenbildung.