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Das Weltflüchtlingsproblem im 20. Jahrhundert | APuZ 26/1987 | bpb.de

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APuZ 26/1987 Artikel 1 Das Asyl in verfassungsrechtlicher Sicht Asylrecht aus rechtsvergleichender Sicht Das Weltflüchtlingsproblem im 20. Jahrhundert

Das Weltflüchtlingsproblem im 20. Jahrhundert

Peter J. Opitz

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag versucht das Weltflüchtlingsproblem im 20. Jahrhundert in seinen wichtigsten Umrissen nachzuzeichnen und dadurch die gewaltigen Ausmaße der Problematik sichtbar zu machen. Gleichzeitig soll gezeigt werden, daß es sich bei den diversen Flüchtlingsbewegungen nicht um isolierte Einzelphänomene handelt, sondern daß es möglich ist, sie in größere historische Zusammenhänge einzuordnen. Als wichtigste historische Entwicklungsprozesse, in deren Umfeld eine Vielzahl von Konflikten und Vertreibungen größeren Umfanges ausgelöst wurden, werden im einzelnen aufgeführt: 1.der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches; 2. die Rivalitäten der europäischen Nationalstaaten; 3. die totalitären Diktaturen bzw. Ansätze zu imperialen Neugründungen in Europa und Asien, insbesondere durch Deutschland, die UdSSR und Japan; 4.der Zweite Weltkrieg und Ost-West-Konflikt; 5.der Zerfall der europäischen Kolonialreiche; 6.der Nationbildungsprozeß in den Regionen der Dritten Welt. Obwohl sich der Essay nicht mit Lösungen der Flüchtlingsproblematik unserer Zeit befaßt, soll die Erhellung der historischen Tiefendimension auch vor der Hoffnung auf schnelle Lösungen warnen. Insbesondere soll er zu der Einsicht hinführen, daß Lösungen sich nicht in einer liberalen Handhabung des Asylrechtes erschöpfen können, sondern daß es vielmehr notwendig ist, durch weitgefächerte politische und wirtschaftliche Maßnahmen die Ursachen des Flüchtlingsproblems zu beseitigen.

I. Das Problem und die Problemstellung

Blickt man auf die Entwicklungen seit dem Zweiten Weltkrieg zurück, so drängt sich — zumindest aus westlicher Sicht — der Eindruck einer zwar langsamen, jedoch steten Verschlechterung der internationalen Lage auf. Hatten sich die ersten Jahrzehnte nach 1945 trotz des Ost-West-Konfliktes und diverser Krisen noch als Zeiten des Friedens und des wachsenden Wohlstands präsentiert, so begannen sich mit Anbruch der siebziger Jahre die internationalen Horizonte zusehends zu verdunkeln. Vor allem aus der sogenannten Dritten Welt überschlugen sich die Hiobsmeldungen: Von Bevölkerungsexplosionen wurde berichtet, von riesigen Hungersnöten und ökologischen Katastrophen. Der „Club of Rome“ verkündete die bevorstehende Erschöpfung wichtiger Rohstoffe und das Ende des Wachstums. Der Aufstieg der OPEC und die von ihr ausgelöste „Energiekrise“ signalisierte eine zunehmende wirtschaftliche Verwundbarkeit des Westens, und das immer stärker werdende Drängen der Entwicklungsländer nach einer neuen, gerechteren Weltwirtschaftsordnung läutete eine Phase verschärfter internationaler Verteilungskämpfe ein. Und während die Weltwirtschaft — nicht zuletzt auch als Folge steigender Energie-und Rohstoffpreise — in eine tiefe Depression abzusacken begann, mit fatalen Konsequenzen vor allem für die Menschen des „Südens“, vollzog sich im „Norden“ mit dem Ende der sogenannten Entspannungspolitik eine neue, von militärischer Hochrüstung begleitete Vereisung der Ost-West-Beziehungen.

Doch noch ein anderes Problem, das bis dahin nur einen kleinen Kreis von Experten beschäftigt hatte, begann seit Mitte der siebziger Jahre wachsende Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zu ziehen: ein gewaltiges Anschwellen internationaler Flüchtlingsbewegungen -Der Ausbruch der Kämpfe zwischen Ost-und Westpakistan im Frühjahr 1971 hatte wie ein gewaltiger Paukenschlag das Jahrzehnt der Flüchtlinge eingeleitet. In panischer Angst hatten sich über zehn Millionen Menschen aus Ostpakistan jenseits der Grenzen in Indien in Sicherheit gebracht.

Nicht minder spektakulär vollzog sich einige Jahre später, nach dem Zusammenbruch der prowestlichen Regime in Indochina, die Flucht Hunderttausender Südvietnamesen, Kambodschaner, Laoten und Meos. Und doch bildeten sie nur die erste Welle eines bis heute andauernden Flüchtlingsstromes aus diesen Ländern. Denn schon bald nach ihrer Machtübernahme lösten Repression im Inneren und gegenseitige Rivalitäten zwischen den sozialistischen Regierungen der Region neue schwere Konflikte aus. Während Kambodschaner und in Kambodscha ansässige Minderheiten dem Terror des Pol-Pot-Regimes zu entkommen suchten, verließen in überstürzter Flucht Auslandschinesen — hoa-kieu — das neue Vietnam, teils auf dem Landweg nach China, vor allem aber auf Booten in die anderen Staaten Südostasiens: boatpeople.

Im Vergleich zu der weltweiten Publizität, die die Pol-Pot-Opfer und die boat-people auf sich zogen, hatte sich eine andere, kurz zuvor angelaufene Flüchtlingstragödie international fast unbemerkt vollzogen: die Flucht von ca. 800 000 Portugiesen und Farbigen aus den Trümmern des lusitanischen Kolonialreichs in Afrika. Während der Exodus der portugiesischen Siedler jedoch von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet oder nur mit gleichgültigem Achselzucken beobachtet wurde — vielleicht weil sie weniger als Flüchtlinge denn als Rückkehrer, retornados, angesehen wurden —, rückten Flüchtlingsströme in anderen Teilen Afrikas ins Zentrum weltweiter Anteilnahme und internationaler Hilfsaktionen. Das galt insbesondere für die Entwicklungen am Horn von Afrika, wo sich nach der Revolution in Äthiopien von 1974 nicht nur der Eritrea-Konflikt wieder zuspitzte, sondern bald auch zwischen Äthiopien und Somalia ein militärischer Konflikt über den Ogaden ausbrach, in dessen Verlauf fast 840 000 Menschen in Somalia Zuflucht suchten. Hatte die Zahl der Flüchtlinge in Afrika zu Beginn der siebziger Jahre noch unter der Millionengrenze gelegen, so befanden sich nur ein Jahrzehnt später fast fünf Millionen Menschen auf dem Schwarzen Kontinent auf der Flucht. Afrika war zum Kontinent der Flüchtlinge geworden.

Dennoch ereignete sich der gewaltigste Exodus des vergangenen Jahrzehnts nicht in Afrika, sondern in Afghanistan. Schon seit der kommunistischen Machtübernahme im Frühjahr 1978 hatten sich Bewohner des Landes vor den Kämpfen und der Repression des neuen sozialistischen Regimes über die Grenze nach Pakistan in Sicherheit gebracht. Eine Massenflucht setzte jedoch erst nach dem Einmarsch sowjetischer Interventionstruppen und der Machtübernahme von Babrak Karmal ein. Bis heute hat fast ein Drittel der ca. 15 Millionen Afghanen das Land verlassen — über drei Millionen nach Pakistan und weitere zwei Millionen in den benachbarten Iran.

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse müssen nicht nur die internationale Indochina-Konferenz im Jahre 1979 in Genf und die im gleichen Jahre einberufene erste von zwei „Internationalen Konferenzen über die Hilfe für Flüchtlinge in Afrika“ (ICARA) gesehen werden, sondern vor allem auch eine Initiative der Bundesrepublik Deutschland 1980, das Flüchtlingsthema vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen zu bringen. Angesichts der großen Dringlichkeit der Problematik und ihrer Bedeutung für die internationale Sicherheit entschloß sich die Generalversammlung mit großer Mehrheit, das Thema „Internationale Zusammenarbeit zur Vermeidung neuer Flüchtlingsströme“ auf die Tagesordnung ihrer 36. Sitzung zu setzen Damit wurde erstmals der eindringliche Versuch unternommen, die internationale Flüchtlingsproblematik nicht mehr nur auf der humanitär-karitativen Ebene zu behandeln, sondern sie auf die politische Ebene zu heben. Im Rahmen der internationalen Gemeinschaft soll in den nächsten Jahren ein Instrumentarium entwickelt werden, das geeignet ist, rechtzeitig auf politischer Ebene Situationen zu entschärfen, die Flüchtlings-bewegungen auslösen könnten.

Obwohl die Suche nach präventiven Lösungen zweifellos einer der wichtigsten Wege zur Entschärfung der Weltflüchtlingsproblematik ist — und damit zur Linderung der immensen menschlichen Leiden, die mit ihr verbunden sind —, besteht bei einer realistischen Einschätzung der Ursachen, die Flüchtlingsbewegungen zugrunde liegen, und der Möglichkeiten, sie in den Griff zu bekommen, kein Anlaß zu allzu optimistischen Erwartungen. Doch auch die begrenzten Chancen, die mit diesem neuen Versuch gegeben sind, internationale Flüchtlings-bewegungen allmählich einzudämmen und abzubauen, können nur dann voll genutzt werden, wenn die Ursachen, die Flüchtlingsbewegungen zugrunde liegen, gründlicher erforscht werden, als dies bislang der Fall ist. „Flüchtlingsbewegungen wurden bisher kaum sozialwissenschaftlich untersucht“ heißt es etwas apodiktisch in einer kürzlich erschienenen grundlegenden Veröffentlichung zum deutschen Asylrecht. Dieses Verdikt ist in dieser pauschalen Form nicht ganz haltbar. Denn zweifellos gibt es eine Vielzahl ausgezeichneter historischer und sozialwissenschaftlicher Monographien über vergangene und derzeitige Flüchtlingsbewegungen. Richtig ist jedoch, daß Versuche, jene Bewegungen nicht als zufällige Episoden und isolierte Einzelphänomene zu verstehen, sondern sie in größeren historischen und sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen zu analysieren, erheblich seltener sind. Der sich anschließende Rückblick auf die Flücht-lingsbewegungen des 20. Jahrhunderts ist ein Versuch, ein wenig zur Entwicklung einer weiteren Perspektive beizutragen

II. Historische Zusammenhänge

Das plötzliche Anschwellen internationaler Flüchtlingsströme gewaltigen Ausmaßes während der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre hat bei vielen Beobachtern den Eindruck hervorgerufen, es handele sich hierbei um ein relativ neues Phänomen. Blickt manjedoch etwas weiter zurück auf den bisherigen Verlauf unseres Jahrhunderts, so zeigt sich schnell, daß das Flüchtlingsproblem keineswegs so neu ist. Ganz im Gegenteil. Das gesamte 20. Jahrhundert ist mit wenigen Unterbrechungen von so großen Flüchtlingsbewegungen gekennzeichnet, daß sich Zeitgenossen schon früh der Begriff vom „Jahrhundert der Flüchtlinge“ aufdrängte. Bereits im Dezember 1958 sah sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Ausrufung eines Weltflüchtlingsjahres veranlaßt, das die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die zahlreichen noch ungelösten Flüchtlingsprobleme in der Welt lenken sollte.

Während Flüchtlingsbewegungen auf den ersten Blick leicht den Eindruck erwecken, als handele es sich bei ihnen um eigenständige Phänomene, zeigt sich bei genauerer Prüfung, daß sie eigentlich Randprobleme darstellen, die im Zusammenhang von zwischen-und innerstaatlichen Konflikten auftreten. Bei dem Versuch, nicht nur die Flüchtlings-bewegungen im Kontext von Einzelkonflikten zu verorten, sondern auch diese Konflikte wiederum größeren Entwicklungsprozessen zuzuordnen, stößt man auf mindestens sechs solcher Prozesse, die zeitlich bis tief in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts zurück-, ja zum Teil weit darüber hinausreichen. Es handelt sich dabei 1. um den Zerfall des Osmanischen Reiches und die unter nationalstaatlichen Prinzipien erfolgende Neuordnung des einstigen Reichsgebietes;

2. um die Rivalität der europäischen Nationalstaaten, die nach zwei Weltkriegen zu deren Selbstentmachtung und damit zum Niedergang jener globalen Vormachtstellung Europas führte, die sie seit dem 16. Jahrhundert aufgebaut hatten;

3. um die Ausbreitung totalitärer Diktaturen bzw. Ansätze zu imperialen Neugründungen in Mittel-, Ost-und Südosteuropa durch Deutschland und Italien, in Osteuropa und Zentralasien durch die Sowjetunion und in Ost-und Südostasien durch Japan;

4. um den den Abstieg der europäischen Mächte begleitenden Aufstieg zweier neuer Kontinental-mächte — die chinesischen Kommunisten prägten später für sie den Begriff „Supermächte“ —, die sich um die Etablierung und Konsolidierung neuer imperialer Gebilde („informeller Imperien“) bemühen, wobei sie in eine Rivalität geraten sind, die in ihren Auswirkungen die ganze Welt erfaßt und gefährdet — die USA und die UdSSR;

5. um den durch die beiden Weltkriege beschleunigten Zerfall der europäischen Kolonialreiche und ihre Ersetzung durch neue Staaten bzw. durch vor-koloniale Strukturen;

6. um die Bemühungen der neuen Staaten der Dritten Welt um territoriale, politische und wirtschaftliche Konsolidierung sowie um die von einigen dieser Staaten mehr oder minder offen betriebene Bildung neuer hegemonialer Strukturen.

Es versteht sich von selbst, daß sich diese sechs Prozesse nur analytisch trennen lassen, daß sie in Wirklichkeit jedoch auf vielfache Weise eng miteinander verbunden sind, einander beeinflussen und zum Teil sogar so stark überlagern, daß es im Einzelfalle schwerfällt, das Gewicht der einzelnen Faktoren adäquat zu beurteilen.

Es braucht in diesem Zusammenhang nicht im einzelnen auf die ökonomischen und geistigen Kräfte eingegangen zu werden, die diesen Prozessen Richtung und Dynamik gaben. Zumindest erwähnt werden müssen jedoch zwei Typen von politischen Ideen und Ordnungsvorstellungen, da sie diesen Prozessen nicht nur eine besondere Schub-und Sprengkraft verliehen, sondern auch wesentlich zur Auslösung von Flüchtlingsbewegungen beitrugen.

Gemeint ist zum einen der „Nationalismus’, der schon bei der Zersetzung des Osmanischen Reiches wie auch später bei der Zerstörung der europäischen Kolonialreiche von zentraler Bedeutung war und bis heute eine der wichtigsten geistigen Kräfte in der Dritten Welt ist. Zum anderen handelt es sich um das sogenannte Nationalstaatsprinzip, das bei den staatlichen Neubildungen, die sich auf den Territorien der alten Reiche vollzogen, zum wichtigsten gestaltenden Prinzip wurde. Beide förderten in vielen Fällen eine Politik, die Angehörige der eigenen , Nation 4 privilegierte, die Lebensbedingungen anderer ethnischer oder religiöser Gruppen aber erheblich beeinträchtigte und in der Konsequenz häufig zur Vertreibung und Flucht führte.

Noch weitreichender als Nationalismus und Nationalstaatsprinzip erwies sich der im Ersten Weltkrieg erfolgte Durchbruch totalitärer Ideologien und politischer Religionen, die als geistige Substanz in die neuen imperialen Gebilde einströmten und nicht nur ihren inneren Zusammenhalt gewährleisteten, sondern sie auch mit einem „Sinn“ ausstatteten, der ihre bloße Existenz transzendierte und ihre Politik über den eigenen territorialen Rahmen hinaus bestimmte. Diese neuen Ideologien lösten aufgrund ihrer Totalitätsansprüche nicht nur innerhalb der Gesellschaften, in denen sie sich durchsetzten, Unterdrückung und Vertreibung aus, sondern führten auch im internationalen Bereich zu Spannungen, die schließlich in den Zweiten Weltkrieg einmündeten. Während ein Teil von ihnen — der deutsche Nationalsozialismus und die verschiedenen Faschismen — in dem von ihnen ausgelösten Weltkrieg unterging, entwickelte sich der mit welt-revolutionären Ambitionen auftretende Marxismus-Leninismus seit 1945 zum großen Antipoden der liberalen Demokratien angelsächsischer Tradition und blieb trotz seiner Aufsplitterung in zahlreiche nationale Varianten bis heute eine der einflußreichsten geistigen Kräfte unseres Jahrhunderts.

Im folgenden sollen mit wenigen kurzen Strichen die obengenannten sechs Prozesse in ihren wichtig-B sten Grundzügen skizziert werden, unter besonderer Berücksichtigung der in ihrem Umfeld aufgetretenen Flüchtlingsbewegungen.

Der Zerfall des Osmanischen Reiches Obwohl der Auflösungsprozeß des Osmanischen Reiches schon im 19. Jahrhundert einsetzte und sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit zunehmender Dynamik seinem Höhepunkt und Abschluß näherte, sind die Folgen dieses Zerfalls noch bis in unsere Tage spürbar. So ist zum einen der staatliche Neuordnungsprozeß noch nicht abgeschlossen, wie nicht nur das geteilte Zypern und der vom Bürgerkrieg zerrissene Libanon, sondern letzten Endes auch das noch immer unbefriedete Palästina zeigen. Zum anderen gibt es Völker, die bei diesem staatlichen Neuordnungsprozeß vollkommen unberücksichtigt geblieben sind. Das gilt vor allem für die Kurden, die bis heute in den drei Staaten, in denen sie in ihrer Mehrheit siedeln — im Iran, Irak und in der Türkei —, ein beträchtliches Unruhepotential bilden es gilt jedoch auch, wenngleich in erheblich geringerem Maße, für die Armenier, die gerade während der letzten Jahre die westliche Öffentlichkeit durch Attentate auf türkische Diplomaten an das ihnen widerfahrene Unrecht zu erinnern suchten. Gerade ihr Schicksal war einer der Anstöße, die im Rahmen des Völker-bundes zu ersten internationalen Maßnahmen auf dem Gebiet der Flüchtlingshilfe führten.

Obwohl auch schon in früheren Jahrhunderten schwierig, war die Situation der zahlreichen ethnischen und religiösen Minoritäten im Osmanischen Reich prekär geworden, als die mit einer überzogenen Nationalitätsideologie durchdrungenen Jung-türken im Jahre 1908 an die Macht kamen. Unter ihr litten unter anderen auch die Armenier, eine christliche Minderheit, die schon seit Jahrhunderten im Osmanischen Reich lebten. Die gegen sie gerichteten Progrome erreichten 1915 und in den Jahren darauf ihren Höhepunkt: Hunderttausende wurden umgebracht, verschleppt oder vertrieben.

Versuche, einen eigenen Staat zu gründen, scheiterten nach anfänglichen Erfolgen; ihr Gebiet wurde zwischen der Sowjetunion und der Türkei aufgeteilt. Von den 1, 8 Millionen Armeniern, die 1914 in der Türkei gelebt hatten, befanden sich — nach einem Bericht des Völkerbund-Kommissars Fritjof Nansen — 1925 525 000 in der Sowjetunion, 45 000 in Griechenland und 100 000 in Syrien

Und doch war das Schicksal der Armenier weder der erste noch der zahlenmäßig größte Fall von Flüchtlingsbewegungen, der sich beim Zerfall des Osmanischen Reiches ereignete. Früher und auch umfangreicher waren die Flüchtlingsbewegungen, die von den beiden Balkankriegen (1912— 1913)

ausgelöst wurden, durch die die Türkei fast alle ihre Gebiete auf europäischem Boden an die Balkan-staaten verlor. Fast eine Million Menschen — 400 000 Türken, 425 000 Griechen und 75 000 Bulgaren — durften nach Beendigung der Kampfhandlungen nicht mehr in ihren bisherigen Siedlungsgebieten bleiben bzw. in sie zurückkehren, sondern wurden in ihre jeweiligen nationalen 1 Heimatländer umgesiedelt. Weitere Umsiedlungen folgten dem Scheitern der griechischen Invasion in Westanatolien: Im Vertrag von Lausanne (1923) wurde erstmals ein zwangsweiser Bevölkerungsaustausch vertraglich vereinbart, in dessen Verlauf 1, 2 Millionen Griechen Kleinasien verlassen und 400 000 Türken in die Türkei umsiedeln mußten.

Gewaltige territoriale Einbußen für die Türkei hatte auch der Frieden von Sevres (1920) gebracht — darunter den Verlust von Syrien, Kilikien, Irak, Palästina, aber auch der Schutzherrschaft über Arabien. Doch wie in anderen Regionen, so verlief der Prozeß staatlicher Neubildung auch hier nur langsam und unter großen Reibungsverlusten, zumal er durch die Einbeziehung verschiedener Gebiete der Region in die Einflußsphären und Kolonialreiche der westeuropäischen Mächte weiter erschwert und verzögert wurde. Das galt vor allem für Palästina, wo die im November 1947 von den Vereinten Nationen beschlossene Teilung und die Gründung des Staates Israel 1948 eine bis heute nicht abreißende Kette von militärischen Auseinandersetzungen und Flüchtlingsströmen auslöste. Zu ihren Opfern gehören neben 1, 8 Millionen Palästinensern, für die bis heute keine befriedigende Lösung gefunden wurde, inzwischen auch viele Menschen im benachbarten Libanon, der ebenfalls in den Sog der Auseinandersetzungen geraten ist, die das zwischenzeitlich hergestellte fragile Gleichgewicht der verschiedenen Volks-und Religionsgruppen wieder zum Einsturz brachten. Im Verlauf des seit Jahren tobenden Bürgerkriegs wurden weit mehr als eine Million Libanesen gezwungen, in anderen Teilen des Landes Zuflucht zu suchen oder gar den Libanon bis zur Beendigung der Kämpfe ganz zu verlassen.

Zu den bislang noch unerledigten Restposten des untergegangenen Osmanischen Reiches — sieht man einmal von der Kurdenfrage und diversen Grenzstreitigkeiten wie etwa zwischen dem Iran und dem Irak ab — gehört schließlich auch der seit vielen Jahrzehnten schwelende Konflikt um und auf Zypern, der nach der türkischen Invasion von 1974 und der anschließenden Teilung der Insel die Flucht von 160 000 griechischen Zyprioten in den griechischen und von 70 000 türkischen Zyprioten in den türkischen Teil ausgelöst hat.

Europäische Rivalitäten Starke nationalistische Leidenschaften lagen — neben einer Vielzahl anderer Gründe — auch den Rivalitäten der europäischen Nationalstaaten zugrunde, die sich insbesondere im Ersten Weltkrieg entluden. Auch an seinem Ende standen große Bevölkerungsvermischungen. So mußte Deutschland ca. 1, 2 Millionen Vertriebene und Optanten aus Polen, Elsaß-Lothringen, Nordschleswig und den ehemaligen deutschen Kolonien aufnehmen, während nach Ungarn, das im Frieden von Trianon (Juni 1920) Gebiete an die Tschechoslowakei, an Österreich, Jugoslawien und Rumänien abtrat, 400 000 ungarische Flüchtlinge aus Rumänien und Jugoslawien strömten. Zudem wurden aufgrund des Friedens von Neuilly (November 1919) 52 000 Bulgaren aus Griechenland nach Bulgarien umgesiedelt und auf umgekehrtem Wege 30 000 Griechen aus Bulgarien nach Griechenland. Zahlenmäßig weit umfangreicher waren allerdings die Flüchtlingsbewegungen in Osteuropa. So waren allein bis zum Sommer 1916 über drei Millionen Menschen vor den heranrückenden deutschen Armeen nach Rußland geflohen. Weitere Absetzungsbewegungen löste der Versuch der zaristischen Regierung aus, die Angehörigen der Turkvölker in größerer Zahl für den Krieg zu rekrutieren. Für mehr als 300 000 Kasachen, Kirgisen, Uighuren und andere Völkerschaften war dies das Signal zur Flucht ins benachbarte Sinkiang, wohin ihnen in den folgenden Jahrzehnten weitere Wellen von Flüchtlingen folgten, um sich den politischen, wirtschaftlichen und religiösen Pressionen und Verfolgungen der siegreichen Bolschewisten zu entziehen. Seit dem Zusammenbruch des zaristischen Regimes und seit der Oktoberrevolution verliefen die Flüchtlingsbewegungen jedoch nicht mehr nur nach Osten und Süden, sondern in zunehmendem Maße auch in nördliche und westliche Richtung. Denn in die Ströme von Flüchtlingen und Umsiedlern mischten sich nach dem Sieg der Bolschewisten nun über eine Million von Revolutionsgegnern: zaristische und demokratische Politiker, Adlige und Geschäftsleute, Teile des Bürgertums und der Bauernschaft, Angehörige der zaristischen und weißrussischen Armee — und auch jetzt wieder Juden, von denen viele schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts vor Progromen geflohen waren. Weitere Flüchtlingsbewegungen löste die riesige Hungersnot von 1921 aus. Insgesamt belief sich nach Schätzungen Nansens die Gesamtzahl der russischen Flüchtlinge 1928 auf 1, 5 Millionen

Die Zahlen steigen jedoch gewaltig weiter an, wenn man keinen allzu engen Flüchtlingsbegriff anlegt, sondern auch jene Menschen in die Statistiken des Grauens einbezieht, die durch Deportationen und Zwangsumsiedlungen ihre Heimat verloren. So wird allein die Zahl der von den Deportationen Stalins zwischen 1928 und 1938 betroffenen europäischen Russen auf 18 Millionen geschätzt.

Imperiale Neugründungen und totalitäre Diktaturen Inzwischen waren es jedoch nicht mehr nur die Flüchtlinge und Emigranten aus der Sowjetunion, deren Schicksal den Völkerbund und die Weltöffentlichkeit beschäftigte, sondern auch die anschwellenden Emigrantenströme aus Italien, Spanien und Deutschland. Während aus Italien bis 1937 ungefähr 60 000 Menschen flohen, lagen die Zahlen für Spanien und Deutschland erheblich höher. So wurden im August 1938 in dem von der katalanisch-republikanischen Regierung kontrollierten Gebiet ca. zwei Millionen Flüchtlinge gezählt, von denen nach dem Sieg Francos zwischen 350 000 und 450 000 die Flucht ins benachbarte Frankreich gelang Noch höher lagen die Zahlen der Emigranten, die bis zum Kriegsausbruch unter schwierigen Bedingungen das Deutsche Reich verließen. So suchte im Sommer 1938 eine internationale Konferenz in Evians, die auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Roosevelt zustande gekommen war, nach Asylmöglichkeiten für die Verfolgten aus dem Deutschen Reich. Insgesamt hatten zu diesem Zeitpunkt schon weit über 700 000 Menschen ihr Heil vor dem faschistischen Terror in der Flucht gesucht; fast die Hälfte von ihnen Juden.

1939 erschien das Buch The Refugee Problem von Sir John Hope Simpson, in dem er die ungesicherte Situation der Juden in Mittel-und Osteuropa beschreibt und auf die Gefahren weiterer Zwangs-ausweisungen hinweist. Daß den Juden ein noch schlimmeres Schicksal bevorstand, ahnte er zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht.

Mit den Flüchtlingsbewegungen, die von der Oktoberrevolution und der Machtergreifung der faschistischen und nationalsozialistischen Bewegungen in Mittel-und Südeuropa ausgelöst wurden, ist allerdings die Grenze zum dritten Entwicklungsprozeß deutlich überschritten. Denn wenn man die Entwicklungen und Ereignisse, die zum Zweiten Weltkrieg führten, auch noch in der Tradition jener Rivalitäten der europäischen Nationalstaaten sehen kann, die schon zum Ersten Weltkrieg geführt hatten, so wird man ihnen und der neuen Qualität, die die europäische Politik durch sie gewinnt, doch eher gerecht, wenn man sie in eine eigene Entwicklungslinie einfügt.

Abgesehen von den durch ihre Innenpolitik ausgelösten Flüchtlingsbewegungen, war es insbesondere der von den faschistischen Mächten betriebene Versuch, die Versailler Friedensordnung zu revidieren und eigene imperiale Gebilde zu schaffen, der zu weiteren Flüchtlingsströmen von bis dahin unbekanntem Ausmaß führte.

Dies zeigte sich zum einen und zuerst bei dem Versuch Hitlers und Stalins, die Linien ihrer Interessengebiete und Einflußsphären in Ost-und Südosteuropa abzugrenzen. Die Folge waren Zwangsumsiedlungen und Ausweisungen durch beide Mächte; dabei waren von den deutschen Maßnahmen ca. 18 Millionen Menschen, von den sowjetischen ca. 15 Millionen Menschen betroffen. Nicht minder umfangreich waren — zum anderen — die Flüchtlingsbewegungen, die der Zusammenbruch der Achsenmächte auslöste. Teils auf der Flucht vor der herannahenden Front, teils gewaltsam vertrieben, teils auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens „überführt“, mußten ca. 20 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, darunter mindestens zwölf Millionen Deutsche. Gleichzeitig setzten die Gegenströme der während des Krieges Verschleppten in ihre Heimatländer ein. Schließt man in die Berechnungen alle Menschen ein, die infolge der Kriegsereignisse und der unmittelbaren Kriegsfolgen ihre ursprünglichen Wohnsitze verlassen mußten, so kommt man auf Zahlen, die zwischen 40 und 50 Millionen Menschen liegen

Während die Zahlen der Flüchtlinge ziemlich genau erforscht sind, die in Europa Opfer der totalitären und expansiven Politik Italiens, Spaniens, Deutschlands und der UdSSR wurden liegen über die Flüchtlingsbewegungen in Asien keine genauen Angaben vor. Sicher ist jedoch, daß durch die in den dreißiger Jahren einsetzende und dann immer mehr an Dynamik gewinnende Expansion Japans in China und in den übrigen Teilen Ost-und Südostasiens einige Dutzend Millionen Menschen entwurzelt, vertrieben und zur Flucht gezwungen wurden. Genaue Schätzungen werden auch dadurch erschwert, daß am Ende des Pazifischen Krieges in China erneut der Bürgerkrieg zwischen der Kuomintang und den Kommunisten entflammte, der zu neuen riesigen Flüchtlingsströmen führte.

Der Ost-West-Konflikt „. . . künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“ — hatten im Sommer 1945 die Gründungsmitglieder der gerade ins Leben gerufenen Vereinten Nationen gelobt, unter ihnen die USA und die UdSSR. Doch nur knapp zwei Jahre später waren diese Gelöbnisse vergessen, und die Hoffnungen auf eine friedliche Welt, deren Völker durch gemeinsame Anstrengungen die Leiden des vergangenen Krieges lindern und den Ausbruch neuer Kriege verhindern würden, hatten sich zerschlagen. Der Ost-West-Konflikt war ausgebrochen und die Verbündeten von gestern standen sich nun als Todfeinde gegenüber: die USA, die als stärkste Macht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen war, und die von ihrem militärischen Schutz und ihrer wirtschaftlichen Hilfe abhängigen Westeuropäer auf der einen Seite und die UdSSR, trotz schwerer Verluste und Verwüstungen der andere Sieger des Krieges, auf der anderen Seite. Auf beiden Seiten herrschte Mißtrauen, Angst und Argwohn: bei Stalin vor einem angeblich die Weltherrschaft anstrebenden Kapitalismus, im Westen vor einem die Weltrevolution proklamierenden Kommunismus bzw. sowjetischen Expansionismus.

Daß die Sorgen des Westens nicht unbegründet waren, zeigte die Politik Stalins. Statt ihre Armeen wieder zurückzuziehen und in den von ihnen besetzten Staaten Ost-und Südosteuropas die Bildung freigewählter Regierungen zuzulassen, hatte sich die Sowjetunion mit einem cordon sanitaire kontrollierter und abhängiger Staaten umgeben. Gleichzeitig war vor deren Grenzen zum Westen ein „Eiserner Vorhang“ niedergegangen — zum Schutz des eigenen Machtbereichs nach außen, aber auch zur besseren Kontrolle der Satellitenregierungen und zur Unterdrückung der gegen die totalitäre Repression aufbegehrenden Bevölkerungen Ost-und Mitteleuropas.

Wie berechtigt die sowjetische Furcht vor inneren Unruhen im eigenen Machtbereich war, zeigte der bald einsetzende und in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder aufflackernde Widerstand gegen die Herrschaft Moskaus und die von der UdSSR kontrollierten und gestützten Regierungen. Doch die gewaltsamen Aufstände in Ungarn (1956) und in der DDR (1953) scheiterten ebenso wie Versuche gewaltfreier Veränderung, wie sie Ende der sechziger Jahre in der CSSR und zu Beginn der achtziger Jahre in Polen unternommen wurden. Fast 200 000 Ungarn strömten 1956 über Österreich und Jugoslawien in den Westen, 750 000 Menschen verließen vermutlich nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 die CSSR, und auf weit über 50 000 beläuft sich inzwischen die Zahl der Polen, die nach dem Scheitern von Solidarnosz im Westen Zuflucht suchten.

Noch größer ist freilich die Zahl der Deutschen, die nach 1949 aus der DDR in den Westen Deutschlands flohen: Zwischen 1949 und dem Mauerbau im August 1961 waren es fast 2, 7 Millionen; von 1961 bis 1986 folgen weitere 557 000, davon sind 203 000 Flüchtlinge im engeren Sinne und 342 000 Über-siedler Über 1, 34 Millionen Menschen deutscher Abstammung verließen zudem zwischen 1950 und 1986 als Aussiedler im Rahmen von Familienzusammenführungsprogrammen oder über andere Länder die Staaten Osteuropas

Die Gründe für die Flucht all dieser Menschen sind vielgestaltig: Das Aufbegehren gegen totalitäre Gleichschaltung, verweigerte Menschenrechte und wirtschaftliche Not spielt ebenso eine Rolle wie die Hoffnung auf größere Freiheits-und Entfaltungsspielräume in der westlichen Welt.

Europa war jedoch nur die erste Front des Ost-West-Konflikts; bald entstanden weitere in Ost-und Südostasien. 1949 entschieden die chinesischen Kommunisten den Bürgerkrieg zu ihren Gunsten; 1950 versuchte das kommunistische Nordkorea eine gewaltsame Wiedervereinigung mit dem Süden, und auch in Indochina befanden sich kommunistische Verbände auf dem Vormarsch. Überall waren gewaltige Flüchtlingsbewegungen die Folge: Schon 1949 flohen zwei Millionen Chinesen nach Taiwan, Hunderttausende folgten in den nächsten Jahrzehnten. Fünf Millionen Flüchtlinge zählte man in Korea, als die Invasion des Nordens zurückgeschlagen war, fast eine Million in Südvietnam, als die Genfer Konferenz 1954 die Teilung des Landes festlegte. Doch die Stabilisierung war nur vorübergehend; bald flammten in den drei Staaten Indochinas die Bürgerkriege wieder auf, um schließlich 1975 mit dem Sieg der Kommunisten in Kambodscha, Laos und Vietnam zu enden, der erneut gewaltige Flüchtlingsbewegungen auslöste.

Im Unterschied zur Situation in Europa kann man aber in bezug auf Asien durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob es sich bei den hier ablaufenden Konflikten primär um Manifestationen des Ost-West-Konflikts handelte. Zwar wurde die Region natürlich insofern schon früh in die Kraft-und Spannungsfelder dieses Konflikts einbezogen, als die UdSSR im Rahmen des Beistandspaktes mit Peking (Februar 1950) nicht unwesentlich zur politischen und wirtschaftlichen Absicherung der chinesischen Kommunisten beigetragen hatte und auch am Überfall Nordkoreas auf den Süden der Halbinsel tatkräftig beteiligt war, während auf der anderen Seite und im Gegenzug die USA den Aufbau antikommunistischer Regime betrieben, die über bi-und multilaterale Verteidigungspakte in eine global angelegte Containment-Pohük einbezogen wurden.

Andererseits aber handelte es sich bei den meisten dieser Konflikte um Auseinandersetzungen miteinander rivalisierender Eliten von Dritte-Welt-Staaten um die Macht und die Durchsetzung unterschiedlicher, zum Teil antagonistischer Gesellschaftstheorien und Entwicklungsstrategien. So zeigt insbesondere der Fall China, wo die Auseinandersetzungen zwischen Kuomintang und Kommunisten schon zu Beginn der zwanziger Jahre ausgebrochen waren, daß der Ost-West-Konflikt die Region lediglich mit einer neuen, umfassenderen Konfliktstruktur überzog, die bestehende regionale Einzelkonflikte überlagerte und verstärkte. Insgesamt läßt sich feststellen, daß es im Einzelfall nicht immer leicht zu entscheiden ist, ob es die beiden Großmächte waren, die die kleineren Staaten der Region in ihren Antagonismus einbezogen, oder ob sich die regionalen Eliten die bestehenden Rivalitäten der beiden Supermächte aus eigenem Interesse zunutze machten.

Dieselbe komplexe, von Fall zu Fall, ja gelegentlich von Jahr zu Jahr sich verschiebende Gewichtung der internen und externen Konfliktfaktoren kennzeichnet auch die meisten der anderen Regionen, auf die sich der Ost-West-Konflikt seitdem verlagert hat. Denn trotz aller Anstrengungen der USA gelang es der UdSSR seit Beginn der sechziger Jahre, die amerikanische Contamment-Stxategie zu unterlaufen und sowohl in Asien und Afrika wie auch in Lateinamerika Klientelregierungen an die Macht zu bringen und Einflußzonen zu schaffen — eine Strategie, mit der sie insbesondere im Schatten der Entspannungspolitik der siebziger Jahre beachtliche Erfolge erzielen konnte. Ob sich dieses Ringen um Einflußsphären in der Dritten Welt — das wichtigste Feld im Ost-West-Konflikt, nachdem die Entwicklung thermonuklearer Waffen eine direkte militärische Konfrontation der beiden Militärblöcke nicht mehr ratsam erscheinen ließ — in der Endbilanz für die beiden Supermächte gelohnt hat, sei dahingestellt; erhebliche Zweifel sind allerdings angebracht. Daß die offene oder verdeckte Einmischung der beiden Groß-mächte jedoch das in den Regionen der Dritten Welt lagernde Konfliktpotential nicht nur schneller entzündet und durch die Anreicherung mit neuem ideologischen Treibstoff in seiner Wirkung noch gesteigert, sondern auch die Austragung der internen Konflikte in vielen Ländern verlängert hat, ist evident. Vor allem aber läßt sich leicht nachweisen, daß das Ringen um Einflußzonen einen wesentlichen Anteil an den Flüchtlingsbewegungen hatte, zu denen es entlang der Konfliktlinien kam. Das gilt für den Indochina-Konflikt, in dessen Verlauf mehrere Flüchtlingswellen ausgelöst wurden, die insgesamt einige Millionen Menschen mit sich rissen. Es gilt jedoch ebenso für die Konflikte in Afghanistan, am Hom von Afrika sowie seit Beginn der achtziger Jahre auch für die Situation in Zentralamerika, wo vor allem durch die amerikanische Sorge um mögliche Positionsgewinne Kubas und der Sowjetunion eine schnelle Austragung längst überfälliger politischer und wirtschaftlicher Konflikte verzögert wurde.

Generell bestätigen auch diese im Kraftfeld des Ost-West-Konflikts sich vollziehenden Flüchtlings-bewegungen eine Tendenz, die schon in Europa erkennbar war: daß die Flüchtlingsbewegungen ein ziemlich deutliches Ost-West-Gefälle aufweisen, d. h., daß sie sich primär in Richtung westlich orientierter Gesellschaften bewegen. Ein besonders prägnantes Beispiel ist dafür — neben Afghanistan — das revolutionäre Kuba. Von dort flohen schon in den ersten Jahren nach dem Sieg Fidel Castros über 800 000 Menschen, fast elf Prozent der Bevölkerung, denen zwischen 1980 und 1981 bei einer vorübergehenden Lockerung der Ausreisemöglichkeiten weitere 125 000 Menschen folgten — in Richtung Peru, Costa Rica, vor allem aber USA. Bezeichnenderweise hat auch die über eine Million Flüchtlinge aus Haiti die benachbarte Zukkerinsel gemieden und statt dessen Nordamerika, der Dominikanischen Republik, den Kleinen Antillen und anderen lateinamerikanischen Staaten den Vorzug gegeben Sofern das Diktum Lenins zutrifft, dem zufolge der Flüchtling ein Mensch ist, der mit den Füßen wählt, fiel die Wahl hier eindeutig aus.

Zerfallende Kolonialreiche Bevor wir uns den schon oben angesprochenen Flüchtlingsbewegungen zuwenden, die durch innerund zwischenstaatliche Konflikte in der Dritten Welt verursacht werden, ist noch ein anderer Prozeß zu behandeln, der sich zwar ebenfalls in den Regionen der Dritten Welt, vor allem in Afrika, vollzog, der jedoch den Dritte-Welt-Konflikten neuer Art zeitlich vorangeht: der Zerfall der europäischen Kolonialreiche. Ihre Auflösung hatte schon im Ersten Weltkrieg begonnen, hatte während und nach dem Zweiten Weltkrieg erheblich an Dynamik gewonnen und schließlich mit dem Zerfall des portugiesischen Kolonialreiches in Afrika ihren Höhepunkt überschritten.

Es waren vornehmlich zwei Typen von Flüchtlings-bewegungen, die bei ihrem Zerfall auftraten:

Einen ersten Typus bildeten während der Unabhängigkeitskämpfe jene Teile der einheimischen Bevölkerung, die vor der Repression der Kolonialmacht in die benachbarten Staaten flohen. So hatten bald nach Ausbruch der Unabhängigkeitskämpfe in Algerien große Teile der Bevölkerung die Kampfgebiete verlassen und in den Bergen oder Städten Zuflucht gesucht; fast 200 000 waren zudem über die Grenzen nach Marokko und Tunesien geflohen. Ähnlich war die Lage in Schwarzafrika nach Intensivierung des antikolonialen Widerstands. So waren nach Ausbruch der Kämpfe in Angola allein über 400 000 Menschen nach Zaire geflüchtet, weitere 20 000 nach Sambia und Botswana. Mozambique hatten bis Einstellung der Kämpfe im Juni 1975 nahezu eine Million der Bewohner verlassen, um sich der Verfolgung und Internierung zu entziehen, Guinea weit über 100 000. Nicht minder katastrophal gestalteten sich die Verhältnisse in dem von einer weißen Minderheitsregierung regierten Rhodesien. Als es im Dezember 1979 auf der Lancaster-House-Konferenz zu einer friedlichen Einigung kam, befanden sich fast 250 000 Menschen außer-halb des Landes, die Mehrzahl von ihnen in Mozambique, Sambia und Botswana.

Mit dem fortschreitenden Zerfall der Kolonialreiche und dem Ende weißer Minderheitsregierungen ist dieser Typ von Flüchtlingen immer weiter zurückgegangen — mit Ausnahme des südlichen Afrika. Hier ist die Lage weiterhin prekär und könnte sich mit der Eskalation des schwarzen Widerstands in der Republik Südafrika noch weiter verschärfen. Zwar ist bislang die Zahl der aus Südafrika Geflohenen mit ca. 35000 noch immer verhältnismäßig klein, insbesondere im Vergleich zu Namibia, das inzwischen ca. 80000 Menschen verlassen haben. Doch ist ein erhebliches Ansteigen dieser Flüchtlingszahlen zu befürchten, sofern nicht in absehbarer Zeit Wege zu einer friedlichen Lösung des Konflikts gefunden werden.

Vom Umfang her stark rückläufig ist auch der zweite Typus von Flüchtlingen, der vor allem nach der Gewährung der Unabhängigkeit auftrat. Gemeint sind die ehemaligen weißen Siedler, die nun aus Angst vor Repression freiwillig die einstigen Kolonien verlassen oder aber von den neuen Regierungen vertrieben wurden. Obwohl sie in den offiziellen Flüchtlingsstatistiken häufig unberücksichtigt bleiben und auch von der Weltöffentlichkeit selten zur Kenntnis genommen werden, handelt es sich auch hier um eine große Anzahl Betroffener.

Zuerst waren es 236000 Holländer, die zwischen 1945 und 1956 die niederländischen Besitzungen in Südostasien verließen — in ihrem Gefolge zahlreiche Eingeborene, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht von dem neuen Regime nichts Gutes zu erwarten hatten, unter ihnen fast 40000 Ambonesen. Im Jahre 1956 setzte dann mit der Repatriierung von fast einer viertel Million französischer Siedler der französische Exodus aus Marokko und Tunesien ein. Ihnen folgten nach der Unabhängigkeit Algeriens gemäß den Vereinbarungen von Evians bis 1966 eine Million sogenannterpieds noirs. Nach dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreiches in Afrika zählten die Behörden Portugals über 800000 soge-nannte retornados, das waren elf Prozent der Bevölkerung des Landes. Obwohl in Rhodesien eine weiße Massenflucht aufgrund des Lancaster-House-Abkommens vermieden werden konnte, hier haben auch inzwischen über 10000 weiße Siedler das Land verlassen.

Weitere weiße Flüchtlingsbewegungen drohen aus Südafrika, wo 4, 7 Millionen Weiße leben; schon jetzt ist eine zunehmende Abwanderung in andere englischsprachige Gebiete — insbesondere nach Kanada und Australien — zu beobachten. Zu weiteren größeren Fluchtbewegungen könnte es gegen Ende der neunziger Jahre kommen, wenn die britische Kronkolonie Hongkong und das portugiesische Macao wieder unter chinesische Souveränität zurückkehren — insbesondere dann, wenn es in der Chinesischen Volksrepublik zu einem Abbruch der Reformpolitik und zu politischen Verhärtungen kommen sollte.

Die Entwicklungen in der Dritten Welt Daß sich das Gros der Flüchtlinge heute in den Regionen der Dritten Welt befindet, ist wiederholt bemerkt worden Bezeichnenderweise sind es auch die Regionen der Dritten Welt, in denen sich seit dem Zweiten Weltkrieg die überwiegende Mehrzahl der Kriege und Bürgerkriege konzentriert hat. Daß zwischen beiden Phänomenen — Kriegen und Flüchtlingsbewegungen — ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, ist unübersehbar. Die Suche nach den Ursachen der Flüchtlingsbewegungen in der Dritten Welt verläuft daher weitgehend parallel zur Suche nach den Ursachen der dortigen Kriege 16).

Im Zentrum der Entwicklungen in der Dritten Welt steht seit dem Abschluß der Entkolonialisierung der Prozeß staatlicher Neubildung auf der Basis des Nationalstaates europäischer Prägung. Jeder aber, der die Geschichte der Nationenbildung in Europa auch nur oberflächlich kennt, weiß, daß sie sich über Jahrhunderte hinzog und durch die Blutspur einer Vielzahl von Bürgerkriegen und zwischenstaatlichen Kriegen markiert ist. Daß sich diese Entwicklung offenbar in den Staaten der Dritten Welt wiederholt, konnte nur diejenigen überraschen, die die auf zahlreichen Konferenzen von Dritte-Welt-Ländern abgegebenen Solidaritätsbekundungen für bare Münze genommen hatten. Erheblich realistischer erwies sich die Skepsis jener Beobachter, die mit Blick auf die erschwerten Ausgangsbedingungen, unter denen sich der Nationbuilding-Prozeß in der Dritten Welt vollziehen würde, noch gewalttätigere Entwicklungen als in Europa prophezeiten

Abgesehen von den übergreifenden Spannungsfeldem des Ost-West-Konflikts war das nation-building in der Dritten Welt — insbesondere in Afrika — von zahlreichen Hypotheken der Vergangenheit belastet, von denen sich vor allem zwei als besonders gravierend erweisen sollten:

Zum einen die Tatsache, daß viele koloniale Grenzziehungen völlig willkürlich erfolgt waren, ohne Rücksicht auf traditionell bestehende ethnische, kulturelle und religiöse Strukturen, ja daß bestehende vorkoloniale Rivalitäten und Animositäten zwischen den verschiedenen Gruppen der kolonialen Bevölkerung nach dem Prinzip divide et impera sogar noch bewußt geschürt worden waren, um den antikolonialen Widerstand zu zersplittern und zu schwächen. Während die militärische Präsenz der Kolonialarmeen eine gewaltsame Austragung der schwelenden Konflikte verhindert hatte, änderte sich dies mit ihrem Abzug. Nun konnten latente Konflikte und Rivalitäten ungehindert zum Ausbruch kommen — eine Entwicklung, die durch den nun ebenfalls einsetzenden Wettlauf um Macht und Privilegien in den neuentstehenden Staaten noch verstärkt wurde. Eine endlose Kette von Stammesfehden, Bürgerkriegen, Militärrevolten, Sezessionsversuchen und Grenzauseinandersetzungen war die ebenso voraussehbare wie nicht zu verhindernde Folge.

Die zweite Hypothek ergab sich aus den schweren strukturellen Verwerfungen und Verformungen, die die Wirtschaft vieler Kolonien durch ihre Anbindung an die Ökonomien der Mutterländer bzw. die Weltwirtschaft erfahren hatte. An diesem Sachverhalt änderte auch die politische Unabhängigkeit wenig, entweder weil die Verformungen nicht als solche erkannt wurden oder den neuen einheimischen Staatseliten zum Vorteil gereichten oder aber weil für grundlegende Veränderungen der politische Spielraum und die wirtschaftliche Kraft zu klein waren. Hinzu kam, daß viele der neuen Eliten in keiner Weise auf die gewaltigen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme vorbereitet waren, mit denen sie sich nach der Erringung der Unabhängigkeit konfrontiert sahen. Die Verformungen der Vergangenheit wurden deshalb häufig sogar noch weiter vertieft und verfestigt. Viele der wirtschaftlichen Probleme, die die Länder der Dritten Welt in die Strudel der Unter-entwicklung rissen und zu sozialer Zerklüftung und Verteilungskämpfen führten, waren deshalb schon bei der Unabhängigkeit vorprogrammiert.

Betrachtet man die Errichtung neuer Staaten, ihr Streben nach territorialer und militärischer Absicherung und ihr Bemühen um politische und wirtschaftliche Konsolidierung aus der Nähe, so werden die kritischen Punkte, an denen die Entzündung interner und externer Konflikte drohte, schnell sichtbar:

Als erster kritischer Punkt erwies sich — auch zeitlich schon sehr früh — das Problem der territorialen Neugliederung. So zeigte es sich häufig schon vor Abschluß der Entkolonisierung, daß angesichts unüberbrückbarer Spannungen eine staatliche Neu-bildung auf der Grundlage des ehemaligen kolonialen Gebiets nicht möglich oder zumindest wenig ratsam war. Doch selbst dort, wo man — wie auf dem indischen Subkontinent — anfangs daraus die Konsequenzen zog, verlief der Teilungsprozeß nicht friedlich, sondern unter schweren Konvulsionen.

So löste die Teilung des Subkontinents eine der größten Flüchtlingsmigrationen der neuen Geschichte aus. In nur wenigen Wochen flohen — unter zum Teil panikartigen Umständen, die zu zehntausenden von Toten führten — 8, 5 Millionen Hindus und Sikhs in die Indische Union, während in umgekehrter Richtung 6, 8 Millionen Muslime in den beiden Hälften Pakistans Zuflucht suchten. Weitere Zerfallsprozesse setzten zu Beginn der siebziger Jahre ein. So brachen 1971 die religiösen Bande, die bis dahin die beiden Teile Pakistans zusammengehalten hatten. Während jedoch die zehn Millionen Flüchtlinge schon nach relativ kurzer Zeit wieder aus Indien in den neuen Staat Bangladesh repatriiert werden konnten, warten bis heute eine halbe Million muslimischer Biharis — viele von ihnen in Internierungslagern — in Bangladesh auf eine Überführung nach Pakistan. Als Grund für die Sezession war von den Westpakistanem die Ausbeutung ihres Landesteils durch das Regime in Ostpakistan angeführt worden, als völkerrechtliche Begründung das während des Entkolonialisierungsprozesses international aufgewertete Selbstbestimmungsrecht. „Interner Kolonialismus“ und „Selbstbestimmungsrecht“ sind denn auch inzwischen zu den beiden wichtigsten Slogans geworden, unter denen eine weitere staatliche Aufteilung des Subkontinents und des angrenzenden Sri Lankas betrieben wird. Während verschiedene Volksgruppen die territoriale Einheit Restpakistans in Frage stellen, formierten sich in der Indischen Union Minderheiten, die Autonomie oder gar Unabhängigkeit einfordem: Nagas, Assamesen, Gurkhas, Sikhs, die für ein unabhängiges Khalistan kämpfen. Nicht weit entfernt, auf Sri Lanka, bietet sich dasselbe blutige Schauspiel, wo Tamilen-gruppen für einen unabhängigen Staat Tamil Eelam kämpfen, um sich vor der Unterdrückung der Singhalesen zu schützen. An jeder dieser Bruchstellen kommt es zu beträchtlichen Flüchtlingsbewegungen. So befinden sich inzwischen fast 150 000 Tamilen aus Sri Lanka, im südindischen Unionsstaat Tamil Nadu.

Mindestens ebenso groß wie auf dem indischen •Subkontinent sind die Gefahren einer national-staatlichen Fragmentarisierung auf kleinstem Nenner in anderen Regionen der Dritten Welt, insbesondere in Afrika, wo die Organisation für Afrikanische Einheit die Unverletzlichkeit der kolonialen Grenzen zum Prinzip erhoben und bis heute auch erfolgreich, wenngleich unter großen Opfern, verteidigt hat. Das war angesichts der tribalistischen Grundstruktur vieler junger afrikanischer Staaten durchaus sinnvoll, bewirkte doch gerade die Vielfalt der Stämme, daß der afrikanische Kontinent schon früh von einer langen Kette sezessionistischer Auseinandersetzungen und sie begleitender Flüchtlingsbewegungen größten Ausmaßes gekennzeichnet war. Ihren Anfang bildete der Versuch der Ibos, 1966/67 einen eigenen Staat Biafra zu gründen, dem zahlreiche weitere Abspaltungsversuche folgten — Shabas von Zaire, Eritreas von Äthiopien, der Sahauris von Marokko. In jedem Fall ging die Zahl der Flüchtlinge weit in die Hunderttausende; in Biafra betrug sie sogar 1, 5 Millionen.

Sieht man einmal von tief in der Geschichte verwurzelten Ängsten und Animositäten ab, so wird die Neigung zur Sezession sehr wesentlich durch das Fehlen pluralistischer und partizipatorischer Strukturen in vielen Ländern der Dritten Welt gefördert — oder anders gewendet: durch die Monopolisierung politischer, militärischer und wirtschaftlicher Macht durch einzelne gesellschaftliche Gruppen. Bei ihnen kann es sich — wie die empirischen Befunde zeigen — sowohl um Mehrheiten wie um Minderheiten handeln, um traditionelle Eliten wie um revolutionäre Parteien, um ethnische wie um religiöse Gruppen. In allen Fällen werden Teile der Bevölkerung benachteiligt, unterdrückt und verfolgt, so daß ihnen, je nach zahlenmäßigen Anteil an der Gesamtbevölkerung, entweder Abspaltung und Autonomie oder gewaltsamer Widerstand und revolutionärer Umbruch als ultima ratio erscheinen. Die in diesen Auseinandersetzungen induzierte Gewalt und Gegengewalt hat insbesondere in Lateinamerika und Afrika immer wieder zu Wellen von Flucht und Vertreibung geführt.

In dieselbe Kategorie fallen auch Terrorregime von Diktatoren wie Bokassa (Zentralafrikanische Republik), Idi Amin (Uganda), Sekou Toure (Guinea) und Duvalier (Haiti), die durch ihre Repression zur Entvölkerung ihrer Länder beigetragen haben, ebenso wie die Militärregime in Brasilien, Argentinien und Chile oder theokratische Regime wie das im Iran, den seit der Revolution über zwei Millionen Menschen verlassen haben sollen. Auf den Fall totalitärer sozialistischer Regime wurde schon angesichts des Ost-West-Konflikts hingewiesen.

Unter dieselbe Rubrik fallen last, but not least aber auch jene ethnischen Minoritäten, die auf Veranlassung der Kolonialmächte einstmals ins Land gebracht wurden und denen es im Dienst jener Mächte oder unter ihrem Schutz gelang, sich im Wirtschaftsleben ihrer Gastländer profitable oder gar beherrschende Positionen aufzubauen. Die Ausweisung und Vertreibung von 40 000 Asiaten aus Uganda, Zehntausender Vietnamesen aus Kambodscha, vor allem aber Hunderttausender Auslandschinesen aus Vietnam zeigt das Schicksal, das ihnen droht, sofern sie sich das Mißfallen oder den Neid der neuen Regime zuziehen. Die derzeitigen Progrome gegen die Inder auf Madagaskar sind ein weiterer Fall in diesem Prozeß.

Während weitgehend Einigkeit darüber herrscht, daß es sich bei Menschen, die infolge sozial und wirtschaftlich bedingter Kriege und Bürgerkriege vertrieben werden, um Flüchtlinge handelt, wird in einigen Ländern des Westens zur Zeit erbittert darüber gestritten, ob man auch jene als Flüchtlinge ansehen kann, die „lediglich“ unter dem Druck desolater wirtschaftlicher Verhältnisse ihre Heimat verließen, d. h. ohne unmittelbare Gewalteinwirkung durch Menschen oder wie es in der präzisen Terminologie der Genfer Konvention heißt, ohne „begründete Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer besonderen sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung.“

Die tiefere Ursache für diese zum Teil unerfreuliche Kontroverse ist natürlich kein semantisches Problem, sondern die Tatsache, daß in vielen Ländern die Anerkennung des Flüchtlingsstatus mit einem Anspruch auf Asyl gekoppelt ist. Diese Koppelung hat zwar ihre guten historischen und sachlichen Gründe, ist jedoch offensichtlich der Führung einer offenen und objektiven Diskussion über das Weltflüchtlingsproblem und seine verschiedenen Dimensionen und Ursachen nicht sonderlich förderlich. Denn man kann zwar mit guten Argumenten darüber streiten, ob es aus humanitärer Sicht geboten ist, auch jenen „Wirtschafts-“ bzw.

„Elendsflüchtlingen“ das Recht auf Asyl einzuräumen, oder ob man es ihnen aus übergeordneten politischen und anderen Überlegungen verweigert.

Unbestritten sollte jedoch die Grundtatsache bleiben: daß in vielen Regionen der Dritten Welt aufgrund wirtschaftlicher Unterentwicklung, Überbevölkerung, tiefgreifender ökologischer Zerstörung, einer falschen Wirtschaftspolitik oder weltwirtschaftlicher Einflüsse Situationen entstanden sind, die den dort lebenden Menschen keine andere Wahl als die Flucht lassen.

Dabei ist es von den Ursachen her ziemlich irrelevant, ob sie in anderen Gebieten ihres eigenen Landes Zuflucht suchen oder jenseits der Landesgrenzen, zumal die Landflucht in die Städte nicht selten nur die erste Etappe einer Flucht ist, die häufig erst nach einer zweiten Etappe jenseits der Grenzen endet. Daß es sich in beiden Fällen um Migrationen riesigen Ausmaßes handelt, ist sowohl am Anwachsen der Städte in der Dritten Welt abzulesen als auch am Fall der Hispanisierung, der seit geraumer Zeit der Süden der USA durch illegale Einwanderung vor allem aus Mexiko ausgesetzt ist. Vor ähnlichen Problemen stehen europäische Länder, etwa Sizilien und Süditalien, wo sich inzwischen die illegalen Einwanderer und Arbeiter aus Tunesien, Marokko und anderen afrikanischen Ländern der Millionengrenze nähern

Von diesen Migrationen betroffen sind jedoch nicht nur reiche Länder des „Nordens“, sondern ebenso Länder des „Südens“. So befinden sich z. B. im indischen Bundesstaat Assam ca. zwei Millionen illegale Einwanderer aus Bangladesh, die wegen Armut und Überbevölkerung ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben und deren gewaltsame Ausweisung von assamesischen Nationalisten immer heftiger gefordert wird. Was in Assam noch die indische Zentralregierung verhindert, ist in Nigeria schon Wirklichkeit geworden. 1982/83 wurden von den Behörden Nigerias ungefähr eine Million Gastarbeiter aus anderen afrikanischen Staaten — darunter allein 700 000 Ghanesen — angesichts wachsender Wirtschaftsschwierigkeiten kurzfristig des Landes verwiesen; sie kehrten in langen Flüchtlingstrecks in ihre Heimat zurück.

Daß die in vielen Regionen der Dritten Welt weit fortgeschrittene Zerstörung der Wälder und die ihr folgende Erosion der Böden zu Verwüstungen größten Umfangs führen werden, ist bekannt. Doch wird den sozialen Auswirkungen dieser schleichenden Entwicklungen, zu denen neben Kriegen und Bürgerkriegen auch gewaltige Flüchtlingsströme gehören werden, noch immer nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt.

Als letzter wichtiger Auslöser für Konflikte und damit Flüchtlingsbewegungen bleiben schließlich Kriege zwischen Dritte-Welt-Staaten zu erwähnen.

Dabei zeigen die empirischen Befunde, daß es sich in der Mehrzahl um Grenzkriege handelt. Das gilt etwa für Kaschmir, um das die beiden neuen Staaten Indien und Pakistan gleich nach ihrer Gründung mehrere Kriege führten; es gilt für den Verlauf der Grenze zwischen China und Indien, über den sich 1962 ein indisch-chinesischer Krieg entzündete; es gilt auch für den Ogaden, den Somalia Äthiopien zu entreißen suchte, weil sich die dortige Bevölkerung ethnisch und religiös mit den Somalis verbunden fühlt; und es gilt letztlich auch für den Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, bei dem es unter anderem auch um wichtige, von beiden Staaten beanspruchte Gebiete geht. Sollte sich dieser Krieg ausweiten, was im Falle eines drohenden iranischen Sieges durchaus möglich wäre, so könnte es auch hier wieder zu größeren Flüchtlingsbewegungen kommen.

Doch gerade am Beispiel des iranisch-irakischen Krieges wird eine neue Konfliktursache sichtbar, die bislang in den kriegerischen Konflikten zwischen Dritte-Welt-Staaten noch eine untergeordnete Rolle spielte, derjedoch in Zukunft eine wachsende Bedeutung zukommen könnte: der Aufbau neuer hegemonialer Strukturen in der Dritten Welt durch dortige Regionalmächte. Ein Streben nach regionaler Hegemonie kennzeichnete im Nahen Osten die iranische Politik schon zu Zeiten des Schahs. Es zeigte sich noch deutlicher in der Rivalität zwischen Pakistan und Indien, macht sich ansatzweise aber inzwischen auch schon bei einer Macht wie China bemerkbar, von der viele Nachbarstaaten nicht erst seit dem chinesischen „Erziehungsfeldzug“ gegen Vietnam befürchten, daß sie — trotz lautstarker antihegemonialer Bekenntnisse — nach erfolgreicher wirtschaftlicher Konsolidierung wieder in ihre über zwei Jahrtausende praktizierte Rolle einer asiatischen Hegemonialmacht zurückfallen könnte.

III. Ausblick

Der vorangehende historische Überblick hatte im wesentlichen drei Ziele: Er sollte — erstens — die gewaltigen Ausmaße des Weltflüchtlingsproblems im Jahrhundert verdeutlichen und damit ein vernachlässigtes und verdrängtes Phänomen wieder ins Bewußtsein heben. Er sollte — zweitens — die historischen Zusammenhänge sichtbar machen, in denen die einzelnen Flüchtlingsbewegungen und die sie erzeugenden inner-und zwischenstaatlichen Konflikte stehen. Und er sollte — drittens — vor der Hoffnung auf schnelle und einfache Lösungen warnen.

Solche Lösungen gibt es nicht, kann es nicht geben. Niemand, der sich den Blick für die Realitäten unserer Welt bewahrt hat, wird glauben, daß sich die beiden globalen Spannungsfelder unserer Zeit — der Ost-West-Konflikt und der Nord-Süd-Konflikt — in absehbarer Zeit auflösen werden. Eher das Gegenteil könnte eintreten: Denn trotz Reykjavik und der Tatsache, daß in die erstarrten Fronten zwischen Ost und West wieder Bewegung gekommen ist, ist eine spürbare Abnahme des fundamentalen Mißtrauens nicht zu verzeichnen. Mit der anhaltenden Verweigerung von Globalverhandlungen über die schweren wirtschaftlichen Probleme der Dritten Welt und der Blockierung wichtiger UN-Organisationen, die in den siebziger Jahren Foren für den Nord-Süd-Dialog bereitgestellt hatten, zeigt sich aber auch im zweiten Spannungsfeld kein Ende der Verhärtung. Bei einer erneuten Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einer Verschärfung der Schuldenkrise können auch hier die gegenwärtig nur schwelenden Konflikte jederzeit wieder aufbrechen.

Wenig Anlaß zu Optimismus bieten schließlich auch die Entwicklungen in der Dritten Welt, wo steigende Tendenzen bei den Rüstungsausgaben, beim Aufbau eigener Rüstungsproduktionen, bei direkten Rüstungsbeziehungen zwischen Dritte-Welt-Staaten, bei bilateralen und regionalen Rüstungswettläufen und bei den jährlich geführten Kriegen 20) alles andere als den Eindruck wachsender Friedfertigkeit vermitteln. Dieser Eindruck entsteht auch nicht beim Anblick der Brutalität, mit der viele der Dritte-Welt-Kriege geführt werden — im Libanon, in der spanischen Sahara, auf Timor oder am Golf. Sie alle — und viele weitere — bestätigen vielmehr täglich aufs neue, daß Engstirnigkeit und Intoleranz, Kompromißlosigkeit und Machtgier kein Privileg der Länder des Nordens, sondern ebenso beheimatet in Asien, Afrika und Lateinamerika sind. Von der Entstehung einer „Neuen Welt“ ist auch in der Dritten Welt wenig zu spüren.

Von Interesse ist, wie sich die sogenannte Hegemonialkrise der beiden Supermächte und die parallel zu ihr wachsende Autonomie der Dritten Welt auf die Bereitschaft der jungen Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas auswirken wird, drohende inner-und zwischenstaatliche Konflikte gewaltfrei und im Geiste jener Solidarität auszutragen, die im Verlauf der antikolonialen Kriege so häufig beschworen wurde. Orientiert man sich in seinen Erwartungen an der bislang von vielen Dritte-Welt-Eliten praktizierten Verweigerung partizipatorischer und pluralistischer Strukturen in den von ihnen regierten Gesellschaften, so drängt sich allerdings auch hier kein Optimismus auf.

Auf das Weltflüchtlingsproblem bezogen, sprechen somit viele Anzeichen dafür, daß das 20. Jahrhundert auch in seinen letzten Jahren nicht viel anders verlaufen wird als in seinen ersten Jahrzehnten. So verständlich somit Resignation auch wäre, so wenig ist sie im Interesse der leidenden Menschen erlaubt. Statt zu resignieren, sind vielmehr Realismus und Phantasie angebracht, um mit ihrer Hilfe nach Wegen zu suchen, auf denen neue Flüchtlingsbewegungen verhindert oder zumindest wirkungsvoll eingedämmt werden können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zusammenfassende Darstellungen mit umfangreichem Zahlenmaterial, auf das ich mich beziehe, finden sich in: L. Kühnhardt, Die Flüchtlingsfrage als Weltordnungsproblem. Massenzwangswanderungen in Geschichte und Politik

  2. Der Text der Resolution 35/124 vom 11. Dezember 1980 findet sich in: Vereinte Nationen. (1982) 2, S. 72; zum weiteren Verlauf der deutschen Initiative siehe P. J. Opitz, Flüchtlingspolitik und deutsche VN-Initiative, in: Außenpolitik. 36 (1985) 3. S. 328— 340, sowie M. Schaefer in: Vereinte Nationen. (1987) 1. S. 26— 28.

  3. G. Köfner/P. Nicolaus. Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, Mainz-München 1986, S. 87.

  4. Frühere Versuche zu einer Systematisierung, an die ich mich im folgenden gelegentlich anlehne, finden sich in: P. J. Opitz, Flüchtlingsbewegungen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Versuch einer historisch-systematischen Zusammenschau, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 48/83, S. 33— 45, sowie in: Flüchtlingsprobleme im 20. Jahrhundert, in: 25 Jahre Caritas-Rechtsberatung für ausländische Flüchtlinge, Festschrift hrsg. vom Deutschen Caritas Verband e. V., Freiburg 1985, S. 45 — 56.

  5. So verwendet ihn schon 1959 Carl G. Wingenroth. Das Jahrhundert der Flüchtlinge, in: Außenpolitik, 10 (1959) 8, S. 491-499.

  6. Siehe dazu die aktuelle Skizze von A. Hottinger, Die Kur den in innerem und äußerem Kampf. Revolutionäre unc Nationalisten als Minderheiten in vier Staaten, in: Europa Archiv. (1987) 6.

  7. Siehe im einzelnen F. Nansen, Betrogenes Volk. Eine Studienreise durch Georgien und Armenien als Oberkommissar des Völkerbundes, Leipzig 1928.

  8. E. M. Kulischer, Europe on the Move. War and Population Changes. 1917— 1947, New York 1948, S. 55.

  9. Sir John Hope Simpson, The Refugee Problem. Report ol a Survey, London-New York-Toronto 1939, S. 164.

  10. M. J. Proudfoot, European Refugees: A Study in Forced Population Movement. 1939— 1952, London 1957, S. 34, zit. nach L. Kühnhardt (Anm. 1), S. 53.

  11. Siehe dazu im einzelnen die Darstellungen von P. Frings, Das internationale Flüchtlingsproblem 1919— 1950, Frankfurt 1951; L. Holborn, Refugees: A Problem of our Time, 2 Bd., New York 1975, und J. Vernant, The Refugee in the Post-War World, London 1953.

  12. Nach Angaben des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen.

  13. Nach Angaben des Bundesministeriums des Inneren.

  14. Die Zahl der Flüchtlinge aus Haiti wird auf mehr als eine Million geschätzt. Siehe dazu das Dossier Haiti: Hope, Return, Disillusion, in: Refugees, March 1987, S. 15 ff.

  15. Siehe z. B. V. Matthies, Die Dritte Welt als Flüchtlingslager, in: Jahrbuch Dritte Welt 1985, München 1985, S. SS-TO. 16) Siehe zusammenfassend zum derzeitigen Stand der Forschung Ferdowsi, M. A. Militante Konflikte in der Dritten Welt. Dimensionen, Ursachen, Perspektiven, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8/87, S. 27— 37.

  16. Ansätze zu einer vergleichenden historischen Untersuchung finden sich bei A. R. Zoiberg, The Formation of New States as a Refugee-Generating Process, in: The Global Refugee Problem. U. S. and World Response (The Annuals of the American Academy ofPolitical and Social Science, 467 (1983) 5, S. 24-38).

  17. S. G. Heilig, Das Städtewachstum in der Dritten Welt, in: P. J. Opitz (Hrsg.), Die Dritte Welt in der Krise. Grundprobleme der Entwicklungsländer, München 1984, S. 186 ff.

  18. M. Budzinski, Wanderer zwischen den Welten, in: Das Parlament, Nr. 12, vom 21. März 1987, S. 8.

  19. Siehe dazu die SIPRI-Jahrbücher der vergangenen Jahre.

Weitere Inhalte

Peter J. Opitz, Dr. phil., geb. 1937; Professor für Politische Wissenschaft am Geschwister-Scholl-Institut der Universität München; Studium der Politischen Wissenschaft, Sinologie, Philosophie; Research Fellow an der University of California/Berkeley; Habilitation an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Veröffentlichungen u. a.: Lao-tzu. Die Ordnungsspekulation im Tao-te-ching, München 1967; (Hrsg.) Chinesisches Altertum und konfuzianische Klassik, München 1968; (Hrsg.) Programme und Profile der Dritten Welt, München 1970; (Hrsg.) Maoismus, Stuttgart 1972; (Hrsg.) Chinas Große Wandlung, München 1972; (Hrsg.) Die Söhne des Drachen. Chinas Weg vom Konfuzianismus zum Kommunismus, München 1974; Chinas Außenpolitik. Ideologische Grundlagen, strategische Konzepte, Zürich 1977; (Hrsg.) China zwischen Weltrevolution und Realpolitik. Ursachen und internationale Konsequenzen der amerikanisch-chinesischen Annäherung, München 1979; (Hrsg.) Weltprobleme, München 1980; (Hrsg. zus. mit Gregor Sebba) The Philosophy of Order. Essays on History, Consciousness and Politics, Stuttgart 1981; (Hrsg.) Die Dritte Welt in der Krise, München 1984; (Hrsg. zus. mit Volker Rittberger) Forum der Welt. 40 Jahre Vereinte Nationen, München/Bonn 1986.