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Wirklichkeitskonstruktion und Wertwandel Zum Einfluß der Massenmedien auf die politische Kultur | APuZ 27/1987 | bpb.de

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APuZ 27/1987 Innovationen im Mediensystem. Herausforderungen, Konsequenzen, Perspektiven Wirklichkeitskonstruktion und Wertwandel Zum Einfluß der Massenmedien auf die politische Kultur

Wirklichkeitskonstruktion und Wertwandel Zum Einfluß der Massenmedien auf die politische Kultur

Heinrich Oberreuter

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird, ausgehend vom Konzept der politischen Kultur, ein neuer Zugang zur Frage nach der Bedeutung der Massenmedien für die politische Kommunikation verwendet: Es wird auf die Ansätze zur Analyse der Konstruktion sozialer und politischer Wirklichkeit hingewiesen und ihr kommunikationsanalytisches Potential verdeutlicht. Vor dem Hintergrund dieses Problemaufrisses werden sodann Defizite der Erforschung politischer Kommunikation herausgearbeitet. Insonderheit geht es um die Untersuchung von Medienwirkungen auf der individuellen Ebene des Sozialisationsprozesses und auf der gesellschaftlichen des Legitimationsprozesses. Dabei werden vier Problemfelder anhand vorliegender Forschungsergebnisse behandelt: die lediglich . anpolitisierende* Wirkung des Fernsehens; die medial induzierten Fehlperzeptionen des Politischen; die Rolle der Massenmedien für den festzustellenden Wertwandel und die medialen Darstellungsprobleme des Sinns von Institutionen und Verfahren. Das Fazit: Medien gefährden zwar nicht politische Kultur, haben aber so nachhaltige Wirkungen auf sie, daß theoretisch komplexere und empirisch umfassendere Forschung auf den Plan gerufen ist.

In einer Demokratie, für welche nach verfassungsrichterlicher Interpretation die Kommunikationsfreiheit „schlechthin konstituierend“ ist, müssen die Massenmedien schon normativ höchste Bedeutung besitzen. Sie besitzen diese Bedeutung aber auch praktisch für die Gewährleistung politischer Öffentlichkeit, ohne die Demokratie nicht funktionieren könnte. Die Medien sind Voraussetzung für Öffentlichkeit und Partizipation. Ihre Leistung wird immer wichtiger angesichts der Abhängigkeit politischen Wissens von Sekundärinformationen, die innerhalb der Lebenswelt des einzelnen Bürgers kaum zu gewinnen sind. Dessen politische Umwelt, seine Einstellungen und Legitimitätsvorstellungen sind im wesentlichen durch die Massenmedien vermittelt. Um so erstaunlicher ist die bescheidene Aufmerksamkeit, welche sich bislang ihrem Einfluß auf die politische Kultur zugewandt hat.

I. Politische Kultur als Prozeß

Einer Leporelloliste gleicht die jüngst vorgelegte Dokumentation der Forschungsversäumnisse zur Medienwirkung auf Gesellschaft und Politik Hätten die Autoren auch noch explizit die Frage nach der politischen Kultur gestellt — ihr Befund wäre noch dramatischer ausgefallen. Aber der Übergang vom politischen System zur politischen Kultur ist ohnehin fließend.

Der Begriff „politische Kultur“ hat inzwischen nicht nur Eingang in die Alltagssprache gefunden, sondern auch viele Definitionen erfahren allerdings wohl keine abschließende Klärung. Dafür ist er, zumindest wenn er sinnvoll angewandt und nicht nur als Synonym z. B. für „politischen Stil“, verwandt wird, viel zu komplex. Seine Bedeutung erschließt sich in drei Dimensionen:

— im schwer aufzulösenden Geflecht politisch relevanter Meinungen, Einstellungen und Werthaltungen, die in einer Gesellschaft anzutreffen sind; — in den Wechselbeziehungen zwischen diesem Geflecht und dem politischen System samt seinen Institutionen; — in der historischen Herkunft, dem gegenwärtigen Zustand und dem zukunftsbezogenen Wandel der beiden erstgenannten Dimensionen.

Politische Kultur ist also nicht nur die vielleicht gegenwärtig bestimmbare Identität einer Gesellschaft, sondern sie ist ein Prozeß: der Prozeß der Herausbildung, Tradierung und Weiterentwicklung dieser Identität im geschichtlichen Wandel.

Wie verknüpft sich dieser Prozeß mit den Medien? Wenn es — wie offensichtlich zweifelsfrei — zutrifft, daß Kommunikation der Kitt ist, der soziale und politische Systeme zusammenhält, dann ist die Bedeutung der Medien im Prozeß politischer Kultur evident. Aus der Perspektive des politischen Systems geht es dabei um die Legitimität und ihre ständige kommunikative Erneuerung; aus der Perspektive des Individuums geht es besonders um den medienvermittelten Prozeß politischer Sozialisation, die hier vielleicht sinnvoll bestimmt werden könnte als die Verknüpfung des individuellen Entwicklungsprozesses mit jenem Prozeß, als den wir politische Kultur definiert haben. Wirkungsforschung müßte nach der Stellung der Medien in der politischen Kultur fragen, nach ihrer Einwirkung auf die drei genannten Dimensionen. Es geht also nicht so sehr um kurzfristige, oberflächliche politische Einstellungsveränderungen, die z. B. im Vor-17 feld von Wahlen Erregungen zu provozieren pflegen. Es geht vielmehr um umfassende Langzeitwirkungen — eben um den Beitrag der Medien zum Prozeß politischer Kultur.

Wer schafft und verändert sie heute eigentlich — die demokratisch legitimierten politischen Institutionen, die ihrer Kontrolle unterstehenden Institutionen des Bildungssystems, oder die in eigenen Interessen und Kriterien ruhenden, sich oft als Gegeninstanzen fühlenden Medien?

Die Grundannahme, von der hier ausgegangen wird, ist, daß Kommunikationssystem und politisches System nicht auseinandergerückt werden können. Kommunikation, Individuum und Gesellschaft bedingen sich gegenseitig. Gesellschaft ist nicht statisch zusammengefügt. Ihre Integration vollzieht sich in einem fortwährenden Prozeß, den gewiß einige fundamentale — z. B. verfassungsrechtliche — Normen steuern. Aber diese Normen selbst und die ihnen zugrundeliegenden Wertvorstellungen bedürfen der ständigen Vermittlung. Nur dadurch kann der einzelne sie sich aneignen; nur dadurch können die Grundlagen und Prinzipien der politischen und sozialen Ordnung ständig und immer wieder allgemeine Anerkennung finden. Legitimität ist — zumindest unter den Prämissen der liberalen Demokratie — nur durch Kommunikation zu gewinnen

Dadurch, daß sie Pluralität garantiert und auf diese Weise praktisch allen Positionen und Gruppen die Freiheit politischer Entfaltung einräumt, macht die liberale rechtstaatliche Demokratie die freie Bildung von Konsens und die offensive Sicherung der Legitimität zu ihrem eigentlichen Thema. Anders als durch funktionsfähige Kommunikation zwischen Politik und Bürgern kann dieses Problem nicht bewältigt werden. Funktionsfähig kann dieser Prozeß nur sein, wenn die Medien die für eine Gesellschaft notwendigen Informationen zur Verfügung stellen und wenn sie ein öffentliches Forum zur Artikulation der konkurrierenden Interessen bilden. In diesem Sinne spricht das Bundesverfassungsgericht von der „dienenden“ Freiheit der Medien.

Damit ist der funktionale Ansatz, den manche für das Leitmotiv aller Kommunikationsforschung von Anfang an halten thematisiert. Es handelt sich aber nicht um einen Funktionalismus ohne inhaltliche Wertungsmaßstäbe und mit einer „dezisionistischen Lücke“, wie von der materialistischen Theorie her eingewandt wird sondern es geht um die Rückbindung an den Ideen-und Werthorizont der liberalen Demokratie, die im wesentlichen eine vermittelnde Rolle der Medien zur Voraussetzung hat.

Politische Macht und politische Entscheidung kann auch in der Demokratie nur durch ein mehr oder weniger weitreichendes Zusammenwirken von Legitimitätsvorstellungen und Kommunikationskanälen im politischen System entstehen. Damit ist ine fundamentale Interdependenz angesprochen, die Autonomieoptionen verbietet und eine Verselbständigung des Mediensystems und seine Entgegensetzung gegen das „politisch-administrative System“ dysfunktional erscheinen läßt Medien sind — zumindest normativ — weder eine selbständige vierte Gewalt noch eine autonome und originäre Quelle demokratischer Legitimität.

Die Fragestellungen der Forschung müßten sich eigentlich nach der Funktionsweise dieser Interdependenz richten. Faktisch haben sich jedoch im wesentlichen zwei Strategien herausgebildet: Zum einen wird, empirisch kaum abgesichert, die systemstabilisierende Wirkung der Medien als Vorwurf formuliert; zum anderen wird implizit nach Tendenzen gefragt, die der Stabilisierung des liberal-demokratischen Systems entgegenwirken.

Dafür, daß sich diesem Themenfeld neue Aufmerksamkeit zuwendet, sind, nach W. Schulz drei Gründe verantwortlich: die Konkretisierung des Systembegriffs und seine Ausdeutung im Hinblick auf die Rolle von Kommunikation in der Gesellschaft; die neueren wissenssoziologischen Ansätze — allen voran Berger/Luckmann —, die auf kommunikative Prozesse als Voraussetzung von Gesellschaft aufmerksam gemacht haben; schließlich die Tendenz, Medienwirkung im Kontext sozialen Wandels zu analysieren.

II. Wirklichkeitskonstruktion

Den Gesamtzusammenhang jener Prozesse, in denen auf der Basis von lebensweltlich oder über die Medien vermittelten Wissensbeständen die soziale und politische Wirklichkeit hervorgebracht wird, um deren (politische) Kultur es hier geht, umfaßt treffend der Titel einer vor Jahren in der westdeutschen Soziologie wegweisend wirkenden Veröffentlichung: „Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit“ Denn diese Trias hebt die Schrittfolgen im Prozeß der Konstruktion sozialer und politischer Wirklichkeit treffend hervor: Bestände an Alltagswissen, wie selektiv und verzerrt auch immer, liegen allem sozialen, auch allem politikbezogenen Handeln zugrunde. Letzteres leistet — in Form von Wahlbeteiligung, Äußerungen bei demoskopischen Umfragen, Teilnahme an Demonstrationen, Partizipation (oder Verweigerung von Partizipation) in Parteien, Verbänden, Bürgerinitiativen usw. — wichtige Beiträge dazu, politische Wirklichkeit hervorzubringen, aufrechtzuerhalten, zu verändern oder zu zerstören. Berger/Luckmann haben denn auch ihr bahnbrechendes Buch als „Theorie der Wissenssoziologie“ charakterisiert, da sie zeigen, wie anhand lebensweltlich fundierten, nach seiner Herkunft, Struktur und Benutzung zu untersuchenden Wissens jene Prozesse der Typisierung, Rollenbildung und Institutionalisierung ablaufen, an deren Ende die als . außen'bestehend erfahrbare Wirklichkeit konstruiert ist

Unvollendete Arbeiten von Alfred Schütz nach dessen Plänen ausführend, hat Thomas Luckmann eine umfängliche phänomenologische Analyse jener für die Wirklichkeitskonstruktion grundlegenden Wissensbestände vorgelegt Überhaupt gibt es seit fast zwanzig Jahren eine Reihe von Versuchen, im Anschluß an Überlegungen, die bei Schütz schon angebahnt sind, zu einer zugleich theoretisch komplexen wie vor allem auch empirisch einlösbaren Theorie der Konstruktion sozialer Wirklichkeit vorzudringen und diese mit Theorien sozialer und politischer Kommunikationsprozesse zu verbinden — ein Anliegen, dem weder Schütz noch Berger/Luckmann allzu große Aufmerksamkeit widmeten Von Berger/Luckmanns . modernem Klassiker'völlig in denHintergrund gedrängt wurde Burkart Holzners Arbeit „Reality construction in society“ Bekannt ist hingegen das populär geschriebene Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ des Psychotherapeuten Paul Watzlawick, der anhand eingängiger Beispiele ausführlich die wirklichkeitskonstruktive Rolle von Kommunikationsund Desinformationsprozessen behandelt Bislang eher hermetisch, nun aber systematisch erschlossen und — gerade auch kommunikationsanalytisch — weiterentwickelt, befaßt sich ferner die Ethnomethodologie mit der „methodischen Konstruktion der Realität“ In detaillierten empirischen Studien erforscht sie die von den Mitgliedern einer „Ethnie in ihrem Alltagshandeln wirklichkeitskonstruktiv benutzten Methoden der Sinndeutung, Sinnaufweisung und des konkreten Handelns“. Zusammenfassend kann sie charakterisiert werden als „eine (der Sozio-logie oder Geologie analoge) , -logie‘ der Methoden, die von Mitgliedern von Ethnien bei der Hervorbringung, Aufrechterhaltung, Benutzung und Veränderung ihrer sozialen Wirklichkeiten verwendet werden. Unter einer , Ethnie* wird im Rahmen solcher Forschungen verstanden eine „beliebig große Gruppe von Personen, die eine spezifische, gemeinsame soziale Wirklichkeit hervorbringen, aufrechterhalten und ihren Sinndeutungen und Handlungen zugrunde legen“. Werner J. Patzelt, auf den diese Definitionen zurückgehen, hat den ethnomethodologischen Ansatz unlängst in die Politikwissenschaft zu übertragen und für die Analyse politischer Kommunikation und Kultur fruchtbar zu machen versucht Soziale und politische Wirklichkeit wird — innerhalb der Ethnomethodologie wie bei Berger/Luckmann — als Hervorbringung sinnhaft aufeinander bezogener Handlungen, als Ergebnis stabiler, Konzertierung* von Sinndeutungen und Handlungen aufgefaßt. Der Prozeß ihrer Konstruktion wird als Kreislaufprozeß dargestellt, bei dem die Beteiligten in immer schon von anderen hervorgebrachte und aufrechterhaltene Wissensbestände und Selbstverständlichkeiten des Deutens und Handelns eintreten, die sie dann selbst übernehmen und zur Grundlage ihres eigenen wirklichkeitskonstruktiven Handelns machen. Genau das , Wie* solchen wirklichkeitskonstruktiven Sinndeutens und Handelns angebbarer Personen ist der ethnomethodologische Forschungsgegenstand: Dessen formalpragmatische Grundstruktur wird im Rahmen einer allgemeinen Theorie der Interpretationsverfahren, Verfahren der praktischen Sinnaufweisung sowie der Handlungspraktiken herausgearbeitet; ferner wird die alltagspraktische Konkretisierung jener Grundstruktur — sozusagen ihre „inhaltliche Aufladung* mit kulturspezifischen Wissensbeständen und Selbstverständlichkeiten des Denkens und Handelns — in detaillierten empirischen Studien offen-gelegt. Die sozialisations-und kommunikationsanalytisch wichtige Frage lautet dabei: Wo kommen jene Wissensbestände und Selbstverständlichkeiten jeweils her? — Einerseits entstammen sie dem lebensweltlich Erfahrbaren. In diesem Fall können Alltags-wirklichkeit und Alltagswissen zusammenpassen wie Kolben und Zylinder. Andererseits ist eine derartige . Passung* aber bezüglich des Wissens über gesellschaftliche, zumal politische Sachverhalte selten möglich: Für die meisten Menschen spielt sich Politik außerhalb der eigenen Lebenswelt ab. Sie ist für sie nicht aus eigenem Erleben, sondern nur vielfältig vermittelt und gebrochen zu erfahren — und wird überdies meist nach Auswahlkriterien wahrgenommen, die mit der , Natur der Sache*, um deren Wahrnehmung und Deutung es geht, wenig zu tun haben. In genau diesem Sinn hat Walter Lippmann in seinem bekannten Buch über öffentliche Meinung schon frühzeitig zwischen der , world outside* und den , pictures in our head* unterschieden. Das Wissen um die Lebenswelt ist vom Wissen über die die eigene Lebenswelt übergreifende Wirklichkeit also tiefgehend verschieden — wird aber, zumal in politischen Systemen mit demokratischen Partizipationsmöglichkeiten, dem eigenen Handeln meist in derselben Selbstverständlichkeit zugrunde gelegt. Auch falsches Wissen ist natürlich wirklichkeitskonstruktiv: Falsches Bewußtsein zieht ideologische (und dann nur mit Gewalt zu festigende oder eben brüchige) Wirklichkeitskonstruktionen nach sich — und kann ungleich dem jederzeit auf seine Bewährung hin kontrollierbaren Wissen um die Lebenswelt durchaus nicht mit alltagspraktischen Kompetenzen allein als falsch erkannt werden. Alltagskultur und politische Kultur, obschon lebensweltlich amalgamiert, unterscheiden sich also grundlegend: Alltagspraktische Selbstverständlichkeiten, ob solche rationaler Argumentation oder gutwilliger Gesprächsführung, brechen immer wieder rasch zusammen, sobald der Bereich der Politik berührt wird. In eben diesen problematischen all-täglichen Kommunikationsprozessen aber wird der Bau politischer Wirklichkeit errichtet, und ihre Analyse erweist sich darum als Mikroanalyse politischer Kultur.

Im einzelnen lassen sich vier im Kommunikationsprozeß operative . Wirklichkeiten* angeben, in denen wirklichkeitskonstruktive Wissensbestände über Sachverhalte außerhalb der eigenen Lebens-welt produziert, verarbeitet und übermittelt werden, die zu in die Irre führenden Selbstverständlichkeiten des Denkens und Handelns werden können. Hier verknüpft sich der grundlagenanalytische Ansatz der Ethnomethodologie mit klassischen Themen der politischen Kommunikationsforschung, bettet sie aber in übergreifende Theorie-und Untersuchungszusammenhänge ein: Vorgänge außerhalb der eigenen Lebenswelt werden für das . allgemeine* Publikum nur in Form von . Medien-wirklichkeit' faßbar und auch für Fachleute oft nur in Form von . Dokumentenwirklichkeit' zugänglich. Dann freilich prägt die Struktur dieser . Lesarten* von Wirklichkeit gemeinsam mit den besonderen Umständen ihrer alltagspraktischen Wahrnehmung und Verarbeitung einerseits die individuelle . Perzeptionswirklichkeit', die man in alltäglicher Selbstverständlichkeit meist mit der . außen* bestehenden Handlungswirklichkeit gleichsetzt. Zugleich konstruiert man aber auch eine . Redewirklichkeit' aus sozial jeweils akzeptablen und verfügbaren Begriffen und Denkschablonen, in der allein man das politische Geschehen im alltäglichen Gespräch in seiner dann geglaubten Form , sich ereignen lassen* kann.

Alle vier im Kommunikationsprozeß operativen , Wirklichkeiten* können sich nun verselbständigen, können widersprüchliche Wirklichkeitsbeschreibungen und -deutungen enthalten und einander um ihre Glaubwürdigkeit bringen — Prozesse systematischer und dennoch unbeabsichtigter Desinformation, deren empirischer Detailanalyse sich ethnomethodologische Studien annehmen

In genau jenen Prozessen werden aber die Grundlagen der Wirklichkeitskonstruktion gelegt und geschieht sie auch: Kommunikativ erhalten soziale und politische Strukturen ihren Sinn, den man, wiederum kommunizierend, aus ihnen abliest — wobei die Differenz zwischen lebensweltlich bewährten Wissensbeständen und denen, die lediglich als Medienwirklichkeit übernommen sind, für beliebig groteske Fehlperzeptionen sorgt. Hier verknüpft sich die Untersuchung politischer Kommunikation natürlich mit jener der politischen Sozialisation: Letztere vollzieht sich mittels jener Redewirklichkeiten, die ihrerseits von den Medienwirklichkeiten geprägt werden, wobei die als, richtig* aufzuweisenden Wissensbestände, Deutungs-und Handlungsselbstverständlichkeiten als einziges Korrektiv jene Rede-und Medienwirklichkeiten besitzen, denen sie selbst entstammen. Eben an der Schnittstelle zwischen der sozialisatorischen Wirkung der Massenmedien und jener der lebensweltlichen Kommunikationspraktiken fließt somit die ergiebigste Quelle ideologischen Denkens. Genau in dieser „soft’ world of everyday routine reality which is so often neglected and ridiculed" setzen die neueren soziologischen Theorien der Wirklichkeitskonstruktion an. Es handelt sich dabei um einen sozialen Prozeß, in welchem objektive, symbolische und subjektive Realität miteinander verbunden sind und in Wechselwirkungen stehen: zwischen objektiver und Medienrealität, zwischen Medienrealität und subjektiver Realität sowie zwischen objektiver Realität und subjektiver Realität.

Ob nun im Rahmen einer Theorie der Wirklichkeitskonstruktion betrachtet oder im Zusammenhang geläufiger Ansätze — die Schlüsselstellung der Wirklichkeitsvermittler ist evident. Sie wird noch deutlicher, wenn man die Frage danach auf-wirft, wer die Tagesordnung der Gesellschaft bestimmt. Insbesondere in den USA ist in den letzten Jahren die Erforschung der „agenda setting function“ vorangetrieben worden. Da Öffentlichkeit das Lebenselixier demokratischer Kommunikation ist, wird die Frage wichtig, wie ein Thema überhaupt Karriere machen kann. Sie mündet in die Frage nach den Selektionskriterien, nach denen die professionellen Schleusenwärter der Kommunikation Zugangschancen zur Öffentlichkeit zuteilen oder verweigern. Nach allem, was wir wissen, sind es Kriterien berufspraktischer Opportunität. Diesen Kriterien unterliegen auch die demokratisch legitimierten Institutionen — Parlamente, Parteien und Abgeordnete. Ihr Zutritt zur demokratischen Kommunikation unterliegt der Kontrolle durch Instanzen, die keineswegs vergleichbaren Legitimations-und Kontrollmechanismen unterworfen sind.

Es sollte die Aufmerksamkeit geschärft werden für die Möglichkeit der Medien, sich beispielsweise durch Verweigerung gleichsam negativ in die Formulierung und Gestaltung der politischen Ziele einer Gesellschaft einzumischen. Die bisher interessanteste Untersuchung im deutschen Sprachraum wies immerhin nach, daß Themen und Meinungen, die in der Öffentlichkeit meßbar vorhanden sind, an der Medienbarriere scheitern können und dann auch, weil sie das Ohr der Journalisten nicht finden, in der Öffentlichkeit zurücktreten Der Öffentlichkeit werden ihre Themen also nicht immer vermittelt, sondern offensichtlich auch entwunden.

In besonderer Weise wirklichkeitskonstruktiv sind im umgekehrten Fall . Pseudo-Ereignisse* die ausschließlich zum Zwecke der Berichterstattung inszeniert werden und sich ohne diese Intention nicht ereignen würden. Sie reichen von Fernsehdiskussionen, Pressekonferenzen, spektakulären Aktionen bis hin zur medienwirksam inszenierten terroristischen „Propaganda der Tat“. Diese Inszenierungen rufen strukturelle Veränderungen klassischer Instrumente politischer Willensbildung hervor. Politikerreden im Wahlkampf adressieren nicht mehr das anwesende Publikum, sondern das Fernsehpublikum. Einerseits zieht der zum Statisten degradierte Bürger daraus die Konsequenz und meidet derartige Veranstaltungen. Andererseits konzentriert sich sein Interesse auf die wenigen Matadore, die den Zutritt zum Medium genießen. Daraus entwickelte sich ein schleichender Bedeutungsverlust für Politik und Politiker im lokalen und regionalen Raum — und es wäre wichtig, einmal aufzuklären, inwiefern diese Entwicklungen auf die pejorativen Tendenzen bei der Rekrutierung unseres politischen Führungspersonals Einfluß genommen haben.

III. Defizite der Forschung

Die Forschung läßt uns mit diesen Fragen allein. Sie offenbart einen erstaunlichen Mangel an Studien über Auswirkungen der Medien auf soziale, politik-relevante Strukturen, Normen und Werte Besitzt die Kommunikationswissenschaft Sensibilität für wichtige makroanalytische Perspektiven? Ihre eigene Antwort lautet im Klartext: nein Noch mehr läßt uns die Politikwissenschaft im Stich. In ihr dominieren traditionelle oder neuere policy-orientierte Fragestellungen. Die kommunikativen Aspekte von Macht, System und politischer Willensbildung wurden kaum gesehen; K. W. Deutschs Ansatz blieb Episode. Immerhin hatte er auf den Zusammenhang von Werten, Macht und Kommunikation hingewiesen.

Das Konzept selbst und Einzelforschungen zur politischen Kultur müßten eigentlich der Wirkung von Medien hohe Aufmerksamkeit zuwenden. Sie scheinen sie jedoch mehr als wichtiges Element zu akzeptieren, ohne ihren Beitrag zu Bildung, Bestand und Wandel politischer Kultur wirklich zu thematisieren. Almond und Verba sehen in ihrem initiierenden Opus die Medien als Teil der komplexen Infrastruktur des Gemeinwesens und interessieren sich für sie besonders unter dem Aspekt der Vermittlung von Output-Kenntnissen als Mit-konstrukteure politischer Kultur, als Vermittler von Weitsicht und Wertorientierung, als Wirklichkeitskonstrukteure interessieren sie offensichtlich nicht. Ganz ähnlich verhält es sich mit Nachfolge-studien und mit der Übernahme des „political culture approach* in der deutschen Forschung. Dabei kommt es vor, daß bei der Beurteilung relevanter Faktoren im Bereich individueller Persön- lichkeitsbildung die Medien gar keine Erwähnung finden Ebenso ergeht es der Kommunikationswissenschaft im Rahmen eines Versuchs, politische Kulturforschung systematisch in den Sozialwissenschaften zu verankern Sie wird dabei gar nicht aufgeführt. Ist Kommunikationswissenschaft etwa keine Sozialwissenschaft und politische Kommunikation keine Kommunikation? Wie man sieht, führt das festzustellende defizitäre Problembewußtsein zu absurden Fragen. Absurd ist freilich die Lage einer Forschung, die es sich leisten kann, bei der Frage nach den in unserem Kontext bedeutsamen Sozialisationsagenten die Medien auszuklammern

Trotz des Aufschwungs, den die Sozialisationsforschung in den siebziger Jahren genommen hat, gibt es „erstaunlich wenige Untersuchungen und kaum gesichertes Wissen über die Rolle der Massenmedien im Prozeß der politischen Sozialisation“ Eine jüngst erschienene Untersuchung über Jugend und Medien hat den hier interessierenden Themenbereich ausdrücklich ausgeklammert und auch dort, wo sie Probleme des Wertwandels diskutiert, geschieht dies nicht unter sozialisationstheoretischer und für die Konstruktion politischer Kultur relevanter Perspektive. Warum eigentlich? Spielen dabei die Interessen der Auftraggeber eine Rolle?

Mit dem bei Lepsius entwickelten Konzept der politischen Generationen läge ein interessantes Instrument bereit, das zu empirischer Überprüfung geradezu herausfordert. Danach bilden sich politische Generationen abhängig von Zuständen und Ereignissen im spezifischen , historisch-sozialen Raum* während der Sozialisationsphase. Sie profilieren sich jedoch nicht direkt, sondern durch die Übernahme von Deutungsmustem, die nicht zuletzt durch Publizisten und Journalisten vermittelt werden. Es geht also um mehr als um die Wahrnehmung politischer Informationen und Ereignisse; es geht auch um ihre vorherrschende Deutung.

Damit wird etwa die Frage nach potentieller journalistischer Konsonanz zu einer Schlüsselfrage für die politische Kultur. Aber der jüngst vorgelegte Versuch, das Generationenkonzept zu operationalisieren, stößt zu diesem Problem nicht vor. Er behandelt überhaupt die Medien als Sozialisationsagenten ziemlich konventionell und beschränkt ihren direkten Einfluß auf die Wahrnehmungen und Präsentation von politischen Ereignissen Werte und Einstellungen, ebenso die Perzeption von demokratischen Institutionen und Verfahren, bleiben ausgeklammert.

Schließlich besitzen wir über die Tatsache und Richtung des politischen Wertwandels trotz allen Interpretationsstreits gesicherte Kenntnisse. Über den Vorgang selbst existieren nur Spekulationen. Welchen Anteil haben die Medien an ihm? Für die politische Kultur besitzt die Entwicklung von den Pflicht-und Akzeptanzwerten zu Selbstentfaltungsund Selbstverwirklichungswerten mit all den Folgen, die dieser Trend für die politischen Institutionen und Verfahrensweisen sowie für die Partizipation hat, fundamentale Bedeutung. Von daher müßten wir von der Wertwandelforschung mehr und gesichertere Erkenntnisse erfahren als nur den Hinweis, die Medien seien ein Faktor bei der Werteentwicklung oder nur die Grundannahme, daß sie eben wirkten und die Weichen für gewisse Trends in der Gesellschaft auf Dauer dadurch gestellt werden würden, daß die Medien „einsteigen“

Gewiß steht die Medienwirkung außer Zweifel. Aber bei ihrer Aufklärung gibt es Defizite — und es scheint auch immer noch Defizite hinsichtlich des Problembewußtseins zu geben. Allerdings läßt sich auch zweifeln, ob der Prozeß politischer Kultur endgültig aufgeklärt wäre, wenn Fragen und Forschungen über die Medienwirkung energischer vorangetrieben würden. Auch andere Disziplinen sind gefragt.

IV. Medienwirkungen — Anknüpfungspunkte in der politischen Sozialisationsforschung

Daß die Medien nicht deutlicher ins Zentrum politischer Sozialisationsforschung gerückt worden sind, hat seine Ursachen in zwei lange Zeit vorherrschenden Grundannahmen der Wirkungsforschung: Zum einen wurde die Priorität direkter, interpersonaler Kommunikationsprozesse angenommen, zum anderen wurde auch hier die Geltung der klassischen Verstärkerhypothese unterstellt, die lautete, Medien veränderten Einstellungen nicht, sondern verstärkten sie nur. Wirkungsforschung setzte darüber hinaus zunächst bei Erwachsenen, also jenseits der Phase politischer Sozialisation an. Erst allmählich wird uns auch bewußt, daß wir in der Massenkommunikation selbst als Erwachsene permanent , Sozialisanden‘ sind, ohne dies in der Regel zu reflektieren.

Seit den siebziger Jahren bietet trotz aller Defizite die empirische Sozialisationsforschung genügend Anhaltspunkte für die Verabschiedung der bislang angenommenen, bestenfalls sekundären Rolle der Medien. Chaffee, Ward und Tipton erklärten die bisherigen Annahmen für zu kurzsichtig und wiesen darauf hin, daß es nicht auf Wandel und Bekehrung, sondern zunächst einmal überhaupt auf die Herausprägung von politischen Einstellungen ankäme; wesentlich sei auch nicht die Wirkung der Medien im persönlichen Meinungsstreit, sondern beim Erwerb politischer Kenntnisse, beim Aufbau des Interesses an öffentlichen Angelegenheiten und bei ihrer Sichtweise. Diese These führt direkt zur politischen Kultur.

Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung korrelieren Mediennutzung und politisches Wissen, führt Fernsehen im Gegensatz zur Zeitungslektüre zu verminderter politischer Aktivität und werden die Medien vor allen anderen Sozialisationsagenturen als Hauptquelle für Informationen und Meinungen angegeben. Gerade im Blick auf diesen letzten Befund adressieren Chaffee u. a. ironisch jene Forscher, die lieber ihren eigenen Annahmen glauben als den Auskünften der Menschen über sich selbst

Chaffee u. a. sind inzwischen mehrfach bestätigt worden. Mehrere Untersuchungen zeigen, daß Kinder und Jugendliche ihre kognitiven Konzepte und Bilder von der Politik zum großen Teil über die Medien bilden und daß diese die Lernprozesse entscheidend beeinflussen. Dabei muß die Politikdarstellung eine Rolle spielen, die offenbar der Komplexität der politischen Willensbildung nicht entspricht. „So ist denn zu vermuten, daß die unterschiedlich intensive Nutzung des Fernsehens und der anderen medialen und interpersonalen Informationsquellen auch zu verschieden akzentuierten und strukturierten Wissenskonzeptionen über den politischen Prozeß führt.“ Wahrscheinlich gilt das auch für die fundamentalen Einstellungen und Haltungen zur Politik.

Dies ist zumindest das Ergebnis einer amerikanischen Untersuchung, welche einen positiven Zusammenhang zwischen politikorientierter Fernsehnutzung, politischen Einstellungen und politischem Informationsgrad ermittelt hat und von daher auf die Möglichkeit schließt, Fernsehen könnte gesellschaftsstützende Konsequenzen für das politische Lernen haben Zuzutreffen scheint jedenfalls, daß die Nutzung politischer Informationsangebote in den Medien Rückwirkungen auf die Perzeption des politischen Systems und aufein differenzierteres Verständnis des politischen Prozesses besitzt

Bonfadellis Zusammenfassung der insgesamt nicht gerade breiten Forschung macht an allen Ecken und Enden die Relevanz der weithin ja noch aufzuklärenden Fragen für die politische Kultur deutlich; deutlich macht sie auch die Lücken. Wir müßten mehr wissen über die Herausbildung kognitiver Perzeptionen des politischen Systems und des politischen Prozesses sowie über die Ausdifferenzierung und Umstrukturierung fundamentaler politischer Wertorientierungen und Einstellungen. Das heißt implizit, daß über die bloße Vermittlung politischen Wissens hinaus gefragt werden müßte.

Wichtig erscheint aber vor allem, daß die politische Sozialisationsforschung aus ihrer generationsspezifischen Begrenzung herausgelöst werden müßte; denn der rasche politische und soziale Wandel macht inzwischen ja auch den Erwachsenen zum permanenten politischen Sozialisanden, den die Medien mit Informationen und Interpretationen überschütten, gegen die er zunehmend weniger eigene Voreinstellungen mobilisieren kann.

V. Legitimität als Problemfeld

Den Politikwissenschaftler interessiert das hier aufgeworfene Thema vor allem unter dem Aspekt der Legitimität; denn nichts anderes als Legitimität wird bewirkt, wenn es gelingt, die Identität der politischen Kultur in ihrem historischen Entwicklungsprozeß zu sichern. In Kürze seien hierzu vier Problemfelder skizziert: 1. Annäherung an die Politik Allensbacher Erhebungen haben gezeigt, daß das Interesse am Politischen parallel zur Versorgung der Haushalte mit Fernsehgeräten kontinuierlich wuchs. Zugleich aber wandelte sich sein Verständnis: Politik erschien nun weniger als ernste Aufgabe, denn vielmehr als abwechslungsreich-spannendes Schauspiel Politische Informationssendungen werden offensichtlich im Rahmen des Unterhaltungsinteresses verfolgt, weniger mit der Absicht, politische Kompetenz zu gewinnen Statt dessen baut sich eine Art Pseudokompetenz auf. Aus ihr erwuchs der Anspruch des Rezipienten auf rasche, vermeintlich einfache und eindeutige Problemlösungen. Kompetenz ist also nicht wirklich gestiegen. Gestiegen ist jedoch die politische Erregbarkeit. Affektives Engagement ersetzt die Sicherheit des Urteils. Die Gesamtstrategie eines umfassenden Konzepts politischer Ordnung und eines integrierten Programms politischer Gestaltung wird unterhöhlt durch themenbezogene, zum Teil symbolische und damit austauschbare Politik. Das einzelne Thema veranschaulicht, simplifiziert und ermöglicht punktuelles und aktionsbezogenes Engagement.

Die Ausbreitung des Fernsehens hat die Menschen nur „anpolitisiert“; sie hat sie nicht adäquat informiert und interessiert. Diese Tendenz auf Seiten der Rezipienten läuft konträr zur politischen Wirklichkeit, in der zur Bewältigung der Probleme immer mehr Rationalität und Kompetenz verlangt ist. Aber der kommunikative Brückenschlag der Mandatare zum Wähler gelingt anscheinend nur dann einigermaßen, wenn sich die Politik im publizistisch vermittelten Legitimationsgewerbe anders gibt als sie im Entscheidungsprozeß tatsächlich sein muß. Diese Diskrepanz wiederum scheint gerade zum Bruch mit einem Teil der aktiven politischen Öffentlichkeit und zu dessen kritischer Distanz zur Politik zu führen. Schwartzenberg spricht bekanntlich von der Degradierung der Politik durch die Medien zum Showgeschäft

Eine neuere Tendenz ist wohl, daß mit der Ausdehnung des kommunikativ beherrschten Lebensraums die eigene Wirklichkeitserfahrung des Individuums mehr und mehr durch Wirklichkeitsvermittlung ersetzt wird. Die Medien verfügen über die größere Zahl der Information. Sie sind jenseits der unmittelbaren Umwelterfahrung die einzige Quelle der Wirklichkeitssicht und prägen diese zwangsläufig. Auch wenn die Agenda-Setting-Theorie vielleicht noch ihrer allgemein akzeptablen Ausformulierung harrt kann gar nicht bestritten werden, daß die seit den fünfziger und sechziger Jahren herangewachsenen Generationen in ganz anderer Weise einem medienbestimmten Sozialisationsprozeß ausgesetzt waren als ihre Vorläufer. In den USA liegen z. B.dem Schuleintritt 4 000 Fernsehstunden voraus, in der Bundesrepublik Deutschland 1 000.Nach den jüngsten Untersuchungen sehen Kinder zwischen acht und 13 Jahren täglich knapp eineinhalb Stunden fern. Bei allen Personen über 14 Jahren beträgt die Sehdauer täglich zweieinviertel Stunden

Gerade diese frühen Lebensphasen sind bildungsund einflußoffen; zudem führt der rasante soziale Wandel rasch zu jenem Nullpunkt, an dem es keine abwehrbereiten individuellen Voreinstellungen mehr gibt. Von daher beeinflussen Medien natürlich auch andere erzieherische Faktoren wie die Familie und die sogenannten peergroups. Der gesamte Bereich der Politik, der Ideologien und der Legitimationsvorstellungen wird fast ausschließlich in der Vermittlung durch die Medien wahrgenommen. Die Medien bestimmen also ganz wesentlich über die Relevanzstruktur der politischen und sozialen Wirklichkeit Nach dem jüngsten Befund scheinen die Themenstruktur der Medien und die der jungen Generation auf dem Felde der Politik weitgehend gleich zu sein Eine ältere Untersuchung — ebenfalls in der Bundesrepublik — hat gezeigt, daß die Medien eventuelle diskrepante Themenstrukturen gleichmachen, indem sie ihre eigene schlicht durchsetzen. Zudem wissen wir seit W. Lippmann, daß Berichte über die Wirklichkeit tatsächlich Konstrukte aus Merkmalen sind, die zum Teil in die Wirklichkeit hineinprojiziert werden. Auf die Schlüsselstellung der Wirklichkeitsvermittler wurde bereits hingewiesen.

H. Klages 51) schildert am Beispiel der perzipierten Wirtschaftslage den Unterschied von Wissen (aus eigener Erfahrung) und Meinen/Fürwahrhalten (aufgrund von Medienbotschaften): Über fast zehn Jahre hinweg (1976— 1983) blieb — Ebene des Meinens — die Einschätzung der allgemeinen Wirtschaftslage schlechter und schwankend, während — Ebene des Wissens — die eigene Wirtschaftslage hoch und stabil bewertet wurde. Die Erklärung dafür liegt in zweierlei Wirklichkeitserfahrung und -Vermittlung. In diesem Fall könnte in einem für die Zuwendung zum politischen System hochsensiblen Bereich die Legitimität der aktuellen Politikführung in Zweifel gezogen werden.

Man wird diese Diskrepanz von Wissen und Meinen und die daraus folgenden Medienwirkungsmöglichkeiten wohl auch auf die grundsätzliche Sichtweise der Politik, auf Probleme des Wertwandels und auf Herausforderungen der Institutionen übertragen dürfen — Zentralbereiche der politischen Kultur. Diskrepanzen dort müssen eher zu Zweifeln an der Legitimität statt zu ihrer Sicherung führen. 2. Perzeption des Politischen Die Sozialisationsforschung hat nicht nur festgestellt daß Medieninhalte wirken. Sie hatte auch frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, daß Medien das politische Geschehen weit weniger komplex darstellen, als es in Wirklichkeit ist. Nachrichtensendungen betonen zudem Einzelereignisse und Personen, während sie längerfristige Strukturen und Prozesse vernachlässigen. Ein realer Informations-, Bildungs-und Partizipationsgewinn scheint nur dann vorzuliegen, wenn sich der politisch Interessierte nicht oder nicht nur dem politischen Angebot des Fernsehens, sondern dem der Zeitungen zugewendet hat. Die Hauptinformationsquelle ist jedoch das Fernsehen (60%), nicht die Zeitung (nur 30%). 74 Prozent der jungen Erwachsenen (25— 29 Jahre) sehen häufig oder regelmäßig TV-Nachrichten, immerhin noch 50 Prozent der 16— 19jährigen Zugleich räumen junge Leute dem Fernsehen auch beträchtlichen Einfluß auf ihre politischen Meinungen ein. Es ist für sie nicht nur das wichtigste, sondern auch das glaubwürdigste Medium vor Zeitung und Radio. Dieser Befund gilt übrigens nicht nur für die Jugend, sondern für die Bevölkerung allgemein Zugleich zeichnet sich seit neuestem eine andere, bedenklichere Tendenz ab, die eine Vertiefung von Information und Rationalität durch Medienkonsum eher unwahrscheinlich macht: die Tendenz zu wachsender Elektronisierung des wahrgenommenen Informationsangebots. Die Zeitung tritt seit den achtziger Jahren als zusätzliche Informationsquelle und als vertiefendes Korrektiv zurück — eine Fehlentwicklung. Überwiegend femsehbestimmte politische Sozialisation muß daher auch die gleiche Kritik auf sich ziehen wie die Femsehinformation selbst. Mit der Fernsehvermittlung hat die Politik bei den Rezipienten zwar an Interesse gewonnen, aber an Seriosität verloren: Politik als unterhaltsames Schauspiel.

Dabei ist der politische Prozeß durch zunehmende Komplexität gekennzeichnet; er stellt daher an die politische Kommunikationsfähigkeit hohe Ansprüche. Effizienzbeweise der Institutionen — ohnehin problematisch genug — reichen nicht mehr aus, sobald akzeptiert ist, daß Legitimität ständig kommunikativ eingelöst werden muß. Damit stellt sich die Frage nach der Darstellung und Wahrnehmung der aktuellen Politik.

Die neuesten Daten weisen die ungebrochene Faszination des Fernsehens aus. Nach wie vor ist es Primärquelle für politische Information, der hohe Glaubwürdigkeit zugewiesen wird: Entzöge man es dem Publikum, würde es in diesem Bereich mehr vermißt alsjedes andere Medium. Prestige und Bindung sind eine Folge der Suggestion, die Wirklichkeitstreue der sprachlich vermittelten Information werde durch die Illustration bewiesen. Fernsehen verleiht seinen Botschaften durch Bilder einen besonders hohen Grad an Ausdruckskraft, Attraktivität und Glaubwürdigkeit Andererseits unterliegt das Fernsehen durch die ihm eigene Gesetzlichkeit in hohem Maße dem spezifischen Aktualitätsgebot: Wirklichkeit ohne Neuigkeitswert erscheint nicht berichtenswürdig.

So vermitteln Medien eine einseitige Auswahl aus der möglichen Beschreibung des Ganzen, dessen Großteil keiner spektakulären Veränderung unterliegt. Die Folge ist ein für den Rezipienten künstlich dynamisiertes Bild einer sich stets und ständig wandelnden Welt — eine Tendenz, die sowohl die Politik als auch die ihr vorausliegenden Wertsysteme erfaßt. Roegele und Noelle-Neumann haben die Destabilisierung von Orientierungen, Werten und Normen beschrieben, die eintritt, wenn öffentlich vermittelte Positionen nicht mehr durch konträre Primärerfahrungen korrigiert werden.

Die hier angedeuteten Prozesse werden durch die Eigengesetzlichkeiten des Fernsehens verschärft: Visualisierung, Personalisierung, Ritualisierung. Informationen, die nur verbal zu vermitteln sind, haben eine geringere Chance, präsentiert zu werden, sind schwerer zu verstehen und erzeugen weniger Aufmerksamkeit. Themenkarrieren können bewußt gesteuert werden: Informationsverweigerung oder Illustrationsverweigerung beenden die Aktualität von Themen oder lassen sie gar nicht erst entstehen. Politische Systeme, die sich des Kommunikationssystems bemächtigen, können durch solche Verweigerung Elemente der Wirklichkeit von der Wirklichkeitsvermittlung fast ausschließen. Zum anderen wird fast ausschließlich das „Zeigbare“ dargestellt. Hintergründe und Zusammenhänge, die eine Einordnung des Gezeigten ermöglichen, treten zurück, weil sie schwer gezeigt werden können. Das Weltbild reduziert sich auf ausschnitthafte, durch pointierte Bildkürzel dramatisierte Effekte und Episoden. Bevorzugt darstellen lassen sich Personen und ihre Handlungen. Die Folgen: nur wenige Politiker kommen zu Wort; der kommunikative Positionsvorteil der Regierung gegenüber Parlament und Opposition wird verstärkt; Politik findet überdies immer in den gleichen Situationen statt, ihre Vermittlung konzentriert sich auf die stets gleichen Rituale.

Der reale Ablauf politischer Willensbildungs-und Entscheidungsprozesse läßt sich jedoch nicht visualisieren: „Die zunehmende Komplexität und die Abstraktheit politischer Probleme sind in ihrer Mehrdimensionalität nur noch in parlamentarischen Ausschüssen, Expertenkommissionen und Diskussionen innerhalb der Exekutive erkennbar, für das Fernsehen werden sie unvermittelbar. Das Opfer dieser Entwicklung ist das Parlament, dessen Gesamtfunktion und Arbeitsweise für den Fernsehzuschauer immer weniger transparent werden.“ Als Ursache für die kritisierte Personalisierung und Ritualisierung der Politikvermittlung gilt der fernsehbedingte Visualisierungszwang Die demo-kratische Legitimität hat — wie es Jean-Marie Cotteret und Wolfgang Bergsdorf ausdrücken — mit der Herausforderung der Legitimität aus der Röhre zu rechnen

Die Verkürzungen der Fernsehinformation werden als bekannt vorausgesetzt, ebenso ihre Probleme Die frühzeitig erkannte Chance, durch Emotionalisierung Aufmerksamkeit zu gewinnen, sei eigens genannt, weil sie zu kritischen Positionen führt, die ebenso scharf wie bisher folgenlos formuliert worden sind: Schwartzenberg beklagt die „Privilegisierung der Formen mageren intellektuellen Inhalts, die Begünstigung einer ultrapersonalisierten .. . Kommunikation“ — kurzum die Unterwerfung rationalen Urteilsvermögens unter eine neue Affektivität. Man sollte auch Neil Postman ernst nehmen, wenn er den Verfall rationaler Urteilsbildung beklagt Während die Bewältigung der politischen Probleme immer mehr Rationalität und Kompetenz verlangt, suggerieren ihre Darstellungsformen und ihre Perzeption bei den Wählern eher das Gegenteil. Die Folge ist eine Kluft zwischen dem Handeln der Politiker im Entscheidungsprozeß und ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, also im Legitimationsprozeß.

Anscheinend besitzen aber inzwischen auch die medienbedingten Formen der Politikdarstellung Rückwirkungen auf die Politikführung selbst: Politik als Showbusiness, Partizipation als Zuschauer-haltung oder als lediglich punktuelle Emotionalisierungsbereitschaft, die generelle Tendenz zur Entrationalisierung — dies alles entspricht nicht dem Idealbild einer demokratischen politischen Kultur, welches rationale Entscheidungs-, Informationsund Partizipationsprozesse zur Voraussetzung hat. Die Legitimitätszweifel, die aus der medienbedingten Politikdarstellung entspringen, sind zumindest bei Minderheiten greifbar. 3. Wertwandel Medien verwalten hohes gesellschaftliches Potential; im Gefolge des technologischen Wandels wird sich dies noch weiter verstärken Der neue (auch: politische) Individualismus hat mit der gestiegenen sozialen Kommunikation zu tun. In einer mobilen Gesellschaft verschwimmen zugleich die Konturen des Moralischen und der Bewertungsmaßstäbe. Was sich als Toleranz gibt, ist oft nur Unsicherheit gegenüber abweichenden Verhaltensweisen. Im politikrelevanten Bereich vermindert die erhöhte Informationsmenge die Sicherheit des Urteils zugunsten affektiven Engagements. Die Medien halten nur solche Elemente für nachrichtenfähig, die Veränderungen anzeigen. Roegele hat die These aufgestellt, daß in das künstlich dynamisierte Bild einer sich rastlos verändernden Welt auch Werte und Normen einbezogen werden Der Rezipient werde irritiert und wankend, wenn das von der Norm Abweichende ständig größere Chancen öffentlicher Aufmerksamkeit besitze. Nicht aus intellektueller Einsicht, sondern aus dem Gefühl, die bisherigen Werte seien zur Ausnahme geworden, würden die neuen Botschaften übernommen. Natürlich ist dies ein „weiches“, mit Methoden empirischer Forschung noch nicht erwiesenes Argument (wiewohl es in der politischen Theoriegeschichte nicht ohne Vorläufer ist). Insofern muß man aufhorchen, wenn Helmut Klages, dessen Verdienste um die empirische Erforschung des Wertwandels wirklich nicht bestritten werden können, nun zu ganz ähnlichen Aussagen für die Entwicklung seit Ende der sechziger Jahre kommt Er spricht von der Delegitimierung von Wertüberzeugungen und vom Identitätsverlust, der es den Bürgern nicht erlaube, stabile Einstellungen und Verhaltensorientierungen herauszubilden. Als Mitverursacher spricht er verschiedentlich die Medien an, freilich ohne einen empirischen Nachweis zu führen.

Sieht Klages mehr auf das Individuum, so Roegele mehr auf das politische System. Eine Destabilisierung des Normensystems trifft natürlich eine wert-gebundene Ordnung im Kem: Abfall vom Konsens in diesen Fragen trifft politische Kultur an ihrer Wurzel. Die Institutionen stehen gegenüber solchen Angriffen auf verlorenem Posten, während es eigentlich ihre Aufgabe wäre, den Wertkonsens im Wandel zu bewahren oder sozialen Wandel zumindest wertorientiert zu steuern. Ähnlich sieht das auch Ronneberger für den die Bewahrung des Grundkonsenses ein permanenter Kommunikationsvorgang ist, angewiesen auf die Unterstützung der Medien und Journalisten. Gerade an dieser Unterstützung bestehen Zweifel. 4. Institutionen und Verfahren Weithin die gleichen Ursachen werden für die nachlassende Verbindlichkeit der Institutionen angegeben. Ihnen gegenüber ist der Journalismus oft nicht nur eine hyperkritische Instanz. Er schwächt sie, wo sie im Wandel abzuwägen haben. „Der Journalismus nimmt sich dagegen die Freiheit, die Zukunft zu antizipieren, also im vorhinein zu entscheiden, was dem System dienlich sei. Er mißt die . Gesundheit* des Systems an Normen, die er selbst setzt, wobei die Neigung besteht, das Neue grundsätzlich dem Älteren vorzuziehen. Das Abschneiden alter Zöpfe kann unter Umständen den ganzen Kopf kosten, und das Zertrümmern von Tabus den Zusammenbruch der ganzen Ordnung auslösen.“

Eine weitere Herausforderung liegt in der obrigkeitsstaatlichen Fehlinterpretation staatlicher Institutionen. Wo politisches System und Mediensystem die gleichen Werte teilen, müßte das Verhältnis zwischen Institutionen und Medien eher partnerschaftlich als gegnerschaftlich sein.

Die dritte Herausforderung spielt sich auf der Verfahrensebene ab, auf welcher vor allem die unkonventionellen Aktions-und Protestformen aktiver Minderheiten hohe Aufmerksamkeit und große Medienchancen genießen. Wer bestimmte Ziele erreichen will, muß zur Folgerung kommen, dies nicht innerhalb oder mit den Institutionen zu versuchen, sondern gegen sie und neben ihnen. Die normalen Formen politischer Willensbildung atmen Konventionalität. Sie scheinen sich öffentlicher Aufmerksamkeit geradezu zu entziehen. Aber immerhin sind dies die demokratischen Verfahrensweisen, welche die Verfassung kunstvoll konstruiert und anbietet, und zwar als wichtigen Bestandteil der politischen Kultur. Ihre Herausforderer suchen die Eigengesetzlichkeit der Medien zu nutzen — von der Ausreizung der Grenzen der Verfassung bis hin zur terroristischen Propaganda der Tat 5. Fazit Die Thesen, die hier vorgetragen worden sind, sagen nicht: die Medien gefährden die politische Kultur. Sie besagen nur: Wenn die Ergebnisse der bisherigen Sozialisationsforschung beweisen, daß die Medien Hauptinformationsquellen für Informationen und Meinungen sind, daß ihnen auch Einfluß auf Wert-und Verhaltensorientierungen gegenüber der Politik zugesprochen werden muß, dann ist es nötig, die für die politische Kultur relevanten Problemfelder zu benennen. Es liegt dann an der empirischen Forschung, Zweifel zu zerstreuen oder zu bekräftigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Medienwirkungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland. Enquete der Senatskommission für Medienforschung/DFG. Teil I und II, Weinheim 1986.

  2. Vgl. die Übersicht bei Peter Reichel. Politische Kultur der Bundesrepublik, Opladen 1981, S. 23 ff.

  3. Heinrich Oberreuter. Legitimität und Kommunikation, in: W. Hömberg/W. Langenbucher/E. Schreiber (Hrsg.). Kommunikation im Wandel der Gesellschaft. Festschrift für Otto B. Roegele, Düsseldorf 1980, S. 61 ff.

  4. F. Gerald Kline. Theory in Mass-communication Research, in: F. G. Kline/P. J. Tischenor (Eds.), Current Perspectives in Mass Communication Research. Sage Annual Reviews of Communication Research, Vol. I, Beverly Hills-London 1972, S. 26.

  5. Vgl. Jörg Aufermann. Medienfunktionen in funktionalistischer Sicht, in: PVS, Sonderheft 6 (1975), S. 431— 452.

  6. Anders aber Heribert Schatz. Zum Stand der politikwissenschaftlich orientierten Massenkommunikationsforschung in der Bundesrepublik Deutschland, in: PVS, Sonderheft 9 (1978), S. 434-435.

  7. Winfried Schulz. Ausblick am Ende des Holzweges. Eine -Übersicht über die Ansätze der neuen Wirkungsforschung, in: Publizistik. 27 (1982), S. 57.

  8. Peter L. Berger/Thomas Luckmann. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt 1970.

  9. Vgl. Michael Schenk, Langfristige Medienwirkungen: Soziokulturelle Effekte, in: Walter A. Mahle (Hrsg.), Langfristige Medienwirkungen, Berlin 1986, S. 55 ff.

  10. Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.), Alltags-wissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, 2 Bde., Reinbek 1973 (Opladen 19815).

  11. P. L. Berger/Th. Luckmann (Anm. 8). Dabei bauten sie auf dem Versuch von Alfred Schütz auf, der seinerseits Max Webers Anliegen fortführen wollte, die Analyse sozialen Handelns auf eine Analyse des handlungsleitenden Sinns (und folglich der ihn ermöglichenden Wissensbestände) zu gründen. (Siehe: Alfred Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, Frankfurt 19812 [1932]).

  12. Alfred Schütz/Thomas Luckmann, Strukturen der Lebenswelt, 2 Bde., Frankfurt 1979, 1984, v. a. Bd. 1, S. 133— 290: „Das Wissen von der Lebenswelt“ und S. 293— 392: „Wissen und Gesellschaft“.

  13. Vgl.den Überblick von A. Frank, Reality construction in interaction, in: A. Inkeles/R. H. Turner (Hrsg.), Annual Review of Sociology, Bd. 5, Palo Alto 1979, S. 167— 191.

  14. Im Register von P. L. Berger/Th. Luckmann (Anm. 8) fehlen bezeichnenderweise Einträge wie . Kommunikation* und . Medien*.

  15. Burkart Holzner, Reality construction in society, Cambridge, Mass., 1968, 2., erw. Auf!. 1972.

  16. Paul Watzlawick, Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen, München 1976 (198310). Ferner ders. (Hrsg.), Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus, München 1981.

  17. So der Untertitel von Elmar Weingarten/Fritz Sack. Ethnomethodologie. Die methodische Konstruktion der Realität, in: dies. /Jim Schenkern (Hrsg.), Ethnomethodologie. Beiträge zu einer Soziologie des Alltagshandelns, Frankfurt 19792, s. 7-26.

  18. Werner J. Patzelt, Grundlagen der Ethnomethodologie. Theorie, Empirie und politikwissenschaftlicher Nutzen einer Soziologie des Alltags. München 1987. hier v. a. S. 254259: „Politikanalyse als Kommunikationsanalyse“ und S. 269— 281: „Analyse von Medien-und Dokumentenwirklichkeit“. „Analyse von Besonderheiten politischer Kommunikationspraktiken“. „Analyse politischer Alltagskultur“; die Definitionen finden sich ebenda, S. 14. Als Überblick zur ethnomethodologischen Literatur: ders.. Ein alltagsanalytisches Paradigma? Bericht über das ethnomethodologische Schrifttum und den Forschungsstand (I. II), in: Neue Politische Literatur, 29 (1984), S. 3— 49 und 187— 204; als Über-blick zur ethnomethodologischen Theorie der Wirklichkeitskonstruktion: ders., Grundriß einer allgemeinen ethnomethodologischen Theorie, in: Archives Europdennes de Sociologie, 27 (1986), S. 161-194.

  19. Literaturangaben bei W. J. Patzelt, Grundlagen . . ., (Anm. 18) in den oben bezeichneten Passagen und in ders.. Ein alltagsanalytisches Paradigma?, ebda., II, S. 195 f.

  20. M. Los, Phenomenological Sociology, in: A. Podgrecki/M. Los, Multi-dimensional sociology, London 1979, S. 83.

  21. Elisabeth Noelle-Neumann/Hans Mathias Kepplinger. Joumalistenmeinungen. Medieninhalte und Medienwirkungen, in: G. Steindl (Hrsg.), Publizistik als Profession. Festschrift für Johannes Binkowski, Düsseldorf 1978, S. 41— 68.

  22. Daniel Boorstin, Das Image oder was wurde aus dem amerikanischen Traum. Reinbek 1964, S. 16 ff.

  23. Medienwirkungsforschung I (Anm. 1), S. 8.

  24. Max Kaase/Wolfgang Langenbucher, Medienwirkungen auf Gesellschaft und Politik, in: Medienwirkungsforschung I (Anm. 1), S. 13— 28. Vgl. ebenda auch S. 5: Diese Forschung habe „zur Lösung von Problemen der gesellschaftlichen Praxis bisher keinen wesentlichen Beitrag geleistet".

  25. Karl W. Deutsch, Politische Kybernetik. Freiburg 1969. Anscheinend beginnt das Thema nun erkannt zu werden; vgl. Ulrich Sarcinelli (Hrsg.), Politikvermittlung. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Stuttgart 1987, dort insbes.den Beitrag von Winfried Schulz, Politikvermittlung durch Massenmedien, S. 129ff.

  26. Gabriel Almond/Sidney Verba, The Civic Culture, Princeton 1963. S. 5 und 94,

  27. L. Pye/Sidney Verba (Hrsg.). Political Culture and Political Development, Princeton 19722, S. 86, 91, 432 ff. Ähnlich kritikbedürftig: Peter Reichel (Hrsg.), Politische Kultur in Westeuropa, Frankfurt-New York 1984.

  28. So etwa bei Dirk Berg-Schlosser, Politische Kultur. Eine neue Dimension politikwissenschaftlicher Analyse. München 1972.

  29. Peter Reichel, Politische Kultur (Anm. 2), S. 35.

  30. So spielen etwa bei Martin und Sylvia Greifenhagen, Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur Deutschlands. München 1979. im Kapitel über die Sozialisationsagenten die Medien keine Rolle (S. 254ff.).

  31. Heinz Bonfadelli. Die Sozialisationsperspektive in der Massenkommunikationsforschung. Berlin 1981. S. 336.

  32. Heinz Bonfadelli u. a., Jugend und Medien. Frankfurt 1986, S. 58 f.

  33. M. Rainer Lepsius. Wahlverhalten, Parteien und politische Spannungen, in: PVS, 14 (1973), S. 295— 313.

  34. Helmut Fogt, Politische Generationen, Opladen 1982, S. 67 f„ 80.

  35. Helmut Klages. Wertorientierungen im Wandel, Frankfurt-New York 19852.

  36. Ebenda, S. 145.

  37. Helmut Klages/Willi Herbert. Wertorientierung und Staatsbezug. Frankfurt-New York 1983, S. 19.

  38. St. H. Chaffee/L. S. Ward/L. P. Tipton, Mass Communication and Political Socialisation, in: Joumalism Quarterly, 47 (1970). S. 647— 659, hier zitiert nach dem Abdruck in M. Janowitz/P. Hirsch (Hrsg.). Reader in Public Opinion and Mass Communication, New York-London 19813, S. 74-88.

  39. Ebenda, S. 85.

  40. H. Bonfadelli (Anm. 31). S. 345.

  41. A. M. Rubin, Child and Adolescent Television Use and Political Socialization, in: Joumalism Quarterly, 55 (1978), S. 129.

  42. M. M. Convay/A. J. Stevens/R. G. Smith, The Relation between Media Use and Children’s Civic Awareness, in: Joumalism Quarterly, 52 (1975), S. 531— 538.

  43. H. Bonfadelli, (Anm. 31). S. 336— 355. Vgl. jetzt auch ders.. Zur Sozialisationsperspektive in der Medienwirkungsforschung, in: Walter A. Mahle (Hrsg.), Langfristige Medienwirkungen (Anm. 9), S. 47 ff.

  44. Elisabeth Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, Freiburg-München 1977, S. 227 ff.

  45. Wenn die neuesten Messungen zeigen, daß heute auf den Kabelinseln jeder vierte Haushalt, der üblicherweise eine der beiden Nachrichtensendungen empfing, auf Unterhaltungsprogramme der Privaten umsteigt, liegt darin eine Bestätigung dieser Vermutung. Zu den Daten siehe Wolfgang Draschin/Bernward Frank, Tendenzen im Zuschauerverhalten. Femsehgewohnheiten und Femsehreichweiten im Jahre 1986. in: Media Perspektiven, (1987) 4, S. 206 f.

  46. Roger-Gerhard Schwartzenberg, Politik als Showgeschäft, Düsseldorf-Wien 1980.

  47. Renate Ehlers. Themenstrukturierung durch Massenmedien, in: Publizistik, 28 (1983), S. 167-186.

  48. W. Draschin/B. Frank (Anm. 45). S. 197.

  49. Vgl. R. P. Hawkins/S. Pingree, Using Television to construct Social Reality, in: Journal of Broadcasting. Vol. 25 (1981), S. 349.

  50. Bonfadelli u. a. (Anm. 32). S. 59.

  51. H. Bonfadelli (Anm. 31). S. 344 f.

  52. H. Bonfadelli u. a. (Anm. 32). S. 144, 147.

  53. Ebenda. S. 160 f.

  54. Marie-Luise Kiefer. Massenkommunikation 1964— 1985. Trendanalyse zur Mediennutzung und Medienbewertung, in: Media Perspektiven. (1987) 3. S. 145.

  55. Ebenda. S. 142.

  56. Wolfgang Draschin/Bernward Frank. Tendenzen im Zuschauerverhalten. Ergebnisse der kontinuierlichen Zuschauerforschung für das Jahr 1984, in: Media Perspektiven, (1985) 4, S. 245— 256; vgl. dazu auch: Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1978/83, hrsg. von Elisabeth Noelle-Neumann, Allensbach 1984, S. 537— 555. Zur Suggestion: Winfried Schulz, Wirkungsqualitäten verschiedener Medien, in: Rundfunk und Fernsehen, (1975) 1, S. 57— 71, insb. S. 68; Erich Strassner, Fernsehnachrichten. Zusammenfassender Bericht über zwei DFG-Projekte, in: Media Perspektiven, (1981) 6, S. 446-460.

  57. Otto B. Roegele, Massenmedien und Regierbarkeit, in: Wilhelm Hennis/Ulrich Matz/Peter Graf Kielmansegg (Hrsg.), Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung. Bd. 2. Stuttgart 1979, S. 177-210; Elisabeth Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, öffentliche Meinung — unsere soziale Haut, München 1980.

  58. Wolfgang Bergsdorf, Legitimität aus der Röhre, in: Publizistik, 28 (1983), S. 40— 45, hier S. 42.

  59. Jay Blümler, Political Communication. Democratic Theory and Broadcast Practice, in: Horst Baier u. a. (Hrsg.), Öffentliche Meinung und sozialer Wandel. Festschrift für Elisabeth Noelle-Neumann, Opladen 1981; W. Philipps Daviso u. a.. Mass Media-Systems and Effects, New York 19822; R. -G. Schwartzenberg (Anm. 46).

  60. Vgl. W. Bergsdorf (Anm. 59), S. 43.

  61. Eine pointierte Zusammenfassung bei Heinrich Ober-reuter, Übermacht der Medien, Zürich 1982, S. 60 ff.

  62. R. -G. Schwartzenberg (Anm. 46), S. 163.

  63. Neil Postman, Wir amüsieren uns zu Tode, Frankfurt 1985.

  64. Dazu Gerhard Schmidtchen, Medien und Wertwandel, in: Theo Waigel/Peter Eisenmann (Hrsg.), Wertwandel in Staat und Gesellschaft. Berichte und Studien der Hanns-Seidel-Stiftung, Bd. 34, München 1986, S. 32- 38.

  65. O. B. Roegele, Massenmedien und Regierbarkeit (Anm. 58).

  66. H. Klages, Wertorientierungen (Anm. 37), S. 31.

  67. Franz Ronneberger, Das Symbol der Unregierbarkeit und die Macht der Medien, in: Publizistik, 28 (1983), S. 487-511.

  68. Ebenda, S. 501.

  69. Vgl. etwa Franz Wördemann, Terrorismus, München 1977, S. 138 ff. Vgl. auch die bemerkenswerte Medienkritik von Sabina Litzmann, Das Drama. Geiseln des Bildschirms, in: FAZ vom 8. 7. 1985.

Weitere Inhalte

Heinrich Oberreuter, Dr. phil., geb. 1942; o. Professor für Politikwissenschaft an der Universität Passau; 1977— 1980 Professor für Politische Wissenschaft an der Freien Universität Berlin; 1974 Preis des Bayerischen Landtages; Mitglied des Vorstandes der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg.) Parlamentarische Opposition. Ein internationaler Vergleich, Hamburg 1975; (mit E. Hübner) Parlament und Regierung. Ein Vergleich dreier Regierungssysteme, München 1977; Kann der Parlamentarismus überleben? Bund — Länder — Europa, Zürich 19782; (mit Hans Maier u. a.) Parlament und Parlamentsreform, München 19792; (Hrsg.) Freiheitliches Verfassungsdenken und politische Bildung, Stuttgart 1980; (Hrsg.) Pluralismus — Grundlegung und Diskussion, Opladen 1980; (Hrsg.) Parlamentsreform. Probleme und Perspektiven in westlichen Demokratien, Passau 1981; Übermacht der Medien, Zürich 1982; Parteien — zwischen Nestwärme und Funktionskälte, Zürich 1983; (Hrsg.) Wahrheit statt Mehrheit? An den Grenzen der parlamentarischen Demokratie, München 1986.