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Fesseln für Prometheus? Normen und Werte für Naturwissenschaft und Technik | APuZ 28/1987 | bpb.de

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APuZ 28/1987 Das Menschenbild und das Problem der „Werte“ in der Sicht der Politischen Philosophie Die Idee einer rationalen Gesellschaft Kritische Theorie und Wissenschaft Fesseln für Prometheus? Normen und Werte für Naturwissenschaft und Technik

Fesseln für Prometheus? Normen und Werte für Naturwissenschaft und Technik

Ludwig J. Cromme

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Naturwissenschaftlich-technischer Fortschritt galt lange als uneingeschränkt begrüßenswert, als Garant für die Befreiung des Menschen von Hungersnot, Seuchengefahr und Aberglauben. Doch bei manchem ist die Zustimmung in Angst umgeschlagen, weil die Entwicklung als unkontrollierbar und existenzbedrohend für die ganze Menschheit empfunden wird. Sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse und technischer Fortschritt nicht zu bändigen? Die Herstellung der ersten Atombombe in den USA während des Zweiten Weltkrieges ist ein Beispiel dafür, daß auch die moralische Integrität der handelnden Personen (allen voran Albert Einstein) nicht davor schützt, in einer konkreten historischen Situation lediglich zwischen mehr oder weniger schlechten Alternativen entscheiden zu können. Im Bereich der Umweltpolitik steht auch heute noch die Beseitigung bereits aufgetretener und akut bedrohlicher Schäden im Vordergrund. Demgegenüber sollen Gesetzes-initiativen in der Gentechnik der Grundlagenforschung von Anfang an Fesseln anlegen. Ob solche Forschungsverbote auch international durchsetzbar sind, ist zumindest fraglich. Gleichwohl stellt an ethischen Maßstäben orientiertes Handeln die einzige Möglichkeit dar. die naturwissenschaftliche Erkenntnis nicht zum Totengräber der Menschheit werden zu lassen. Das erfordert die Bereitschaft, sich über die Auswirkungen naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu informieren, im eigenen Bezugsrahmen zu werten, die eigenen Überlegungen in die öffentliche Diskussion einzubringen und auf die politischen Rahmenbedingungen der naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung mit Einfluß zu nehmen.

I. Einleitung

Schaubild: Preis-und Lohnbewegung in Deutschland 2)

Naturwissenschaft 1) zielt auf Erkenntnis. Sie hilft dem Menschen, sich von Aberglauben zu befreien, objektive Zusammenhänge zu sehen (naturwissenschaftliches Weltbild) und sich die Natur dienstbar zu machen (Nutzen). Oberstes Kriterium in der Naturwissenschaft ist die Wahrheit, der auch Galilei sich verpflichtet fühlte, als er die naturwissenschaftliche Theorie der Erddrehung untersuchte und vertrat; seine Kontrahenten dagegen fürchteten vor allem die Schädlichkeit der neuen Lehre; sie könne zu unheilvoller Verwirrung führen, die Autorität der Kirche untergraben.

Vor allem die großtechnische Anwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse hat die Diskussion um deren Nutzen in den letzten Jahren immer wieder neu entfacht. Sie wird genährt durch Angst vor der Zerstörung der menschlichen Art in einem Atomkrieg; Angst, daß die Umweltprobleme weltweit unkontrollierbar werden; Angst, durch moderne elektronische Datenverarbeitung zur Nummer degradiert zu werden; Angst davor, in der medizinischen Intensivbetreuung zu einem Apparat unter vielen zu werden; Angst, in einer rational geprägten Welt sei kein Platz für menschliche Werte.

Und da kann es sicher nicht überraschen, daß mancher das Rad der Geschichte am liebsten zurückdrehen, Erkenntnisse vergessen machen, Fragen verbieten möchte. Der Physiker Möbius in Dürrenmatts Drama „Die Physiker“ versucht, diesen Weg zu gehen. Er weiß, daß seine Erkenntnisse sich verselbständigen und mißbraucht werden können. Durchdrungen von dem Gefühl der Verantwortung für die Menschheit im ganzen möchte er sein Wissen zurücknehmen. Er scheitert ebenso wie seine beiden Kollegen. Der eine weist jede Verantwortung des Wissenschaftlers zurück. Doch auch dieser Rückzug auf die Wertfreiheit der Naturwissenschaft ist nicht möglich. Wertfrei ist zwar die naturwissenschaftliche Aussage, nicht aber ihre Voraussetzung, Entstehung und Auswirkung. Zur Wissenschaftspraxis gehört ja nicht nur die Beantwortung einer Frage, sondern bereits die Fragestellung selbst, in der sich eine Einbettung in (oder Reaktion auf) die traditionelle Lehre spiegelt, in die ökonomische Überlegungen eingehen (wer zahlt?), Wertungen einfließen und in der nicht zuletzt auch Allzumenschliches mitspielt, z. B. Prestigebedürfnis.

Der dritte von Dürrenmatts drei Physikern schließlich will Machtpolitiker werden, um die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse kontrollieren zu können. Drei Personen mit drei völlig verschiedenen Einstellungen: Ob verantwortungsbewußt, ob karrieresüchtig, ob machtpolitisch denkend — bei Dürrenmatt scheitern sie alle.

Sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse und technischer Fortschritt also nicht zu bändigen? Normen und Werte müssen sich in konkreten Situationen bewähren. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen deshalb konkrete historische und aktuelle Beispiele, die zeigen, daß Machbares, ethisch zu Vertretendes und Wünschbares oft schwer, manchmal gar nicht zur Deckung zu bringen sind. Abschließend werden konkrete Schlußfolgerungen gezogen und einige Empfehlungen gegeben.

II. Vom Nutzen der Naturwissenschaft und Technik

Am Museumsdorf in Cloppenburg wurde vor einigen Jahren ein interessanter Versuch gemacht. Mehrere Familien wollten einige Wochen wie im Mittelalter leben, von der Nahrungsherstellung bis zu den Wohnverhältnissen den Alltag unserer bäuerlichen Vorfahren nachempfinden. Der Versuch mußte vorzeitig abgebrochen werden. Trotz viel Enthusiasmus und trotz guter Vorbereitung ist der tägliche Existenzkampf, der völlige Verzicht auf die Annehmlichkeiten der Technik eine Prüfung, deren Härte unsere Vorstellungskraft offenbar übersteigt. Eindrucksvoll gibt folgendes Schaubild die Wohlstandsentwicklung in der vorindustriellen und dann in der industriellen Epoche wieder.

In der agrarischen Epoche wurden Nahrungsmittel (stellvertretend: Roggen) ständig teurer; das gleiche gilt, wenn auch in geringerem Maße, für frühe technische Produkte (stellvertretend: Eisen). „Diese Massenarmut wird aber zu Unrecht der industriellen Technik angelastet“ Denn rein agrarische, nicht-industrialisierte Gegenden wie Oberhessen oder Preußen zählten in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den ärmsten Landschaften Deutschlands; Hunger und Elend waren weit verbreitet. Die Trendumkehr, die mit der frühen Industrialisierung einsetzte, läßt sich eindrucksvoll aus dem Schaubild ablesen. Ausreichende Nahrungsmittel und technische Produkte werden auch für den Durchschnittsverdiener erschwinglich. „Dies sind die Folgen des Produktivitätszuwachses, den die industrielle Technik ermöglichte; er führte zu jener Wohlfahrt und sozialen Sicherheit, die keiner Beschreibung bedarf, weil wir alle sie erleben.“ Daß wir für diesen Wohlstand allerdings einen Preis zahlen, der im nebenstehenden Schaubild nicht berücksichtigt ist, wird in den letzten Jahren immer deutlicher. Erinnert sei an Umweltprobleme, an Entfremdung von der Arbeit. Trotzdem kann es kein Zurück ins Mittelalter geben. Der verantwortungsvolle Gebrauch von Naturwissenschaft und Technik, nicht ihre Abschaffung, weisen den Weg nach vorne.

III. Wandlungen des naturwissenschaftlichen Weltbildes

Ethisches Verhalten setzt ein Wertesystem im Rahmen eines Weltbildes voraus. Da die moderne Naturwissenschaft unser Weltbild in den letzten Jahrhunderten nachhaltig verändert hat, wirken naturwissenschaftliche Erkenntnisse indirekt also auf das Bezugssystem zurück, in dessen Rahmen diese Erkenntnisse bewertet werden.

Die Entwicklung des naturwissenschaftlichen Weltbildes hat den Menschen vom Zentrum der Welt immer mehr an den Rand gedrängt. In der klassischen Antike sahen die Menschen sich (und ihre Götter) im Mittelpunkt der ihnen bekannten Erde, um die herum wiederum die Sonne sich drehte. Auch das christliche Weltbild ist in diesem Sinne anthropozentrisch: Der Mensch ist aus der übrigen Natur hervorgehoben durch die Gnade der Offenbarung. Glauben und Wissen bilden eine Einheit; das Ethos scheint bruchlos aus der Theologie her-vorzugehen Und diese scheinbar so festgefügte Einheit aus Religion und Wissenschaft, Staat und Kirche erschütterte Kopernikus mit seiner Lehre von der Rotation der Planeten um die Sonne. Einen Kristallisationspunkt fand der Konflikt zwischen Wissenschaft und Kirche in dem Prozeß, den die Inquisition gegen Galilei anstrengte. Wie das Urteil vom 22. Juni 1633 zeigt, wurde die neue Lehre nicht nur als falsch — das allein hätte die Aufmerksamkeit der Kirche kaum so erregt —, sondern als „gegen den wahren Sinn und die Autorität der heiligen Schrift“ gerichtet gesehen. Die Mitglieder der Congregatio Sancti Officii sahen also die Autorität der Kirche in Frage gestellt — ganz im Gegensatz zu Galilei, der über seine Feinde in der Kirche (nicht etwa über seine naturwissenschaftlichen Kollegen!) schreibt: „Ihr seid die Urheber von Neue-'rurigen, und (zwar) von Neuerungen, die in der* Religion größte Zerrüttungen zu verursachen mögen.“ Der Prozeß der Ablösung des anthropozentrischen Weltbildes ging weiter. Darwin zeigte, daß die Artenvielfalt sich in einem über drei Milliarden Jahre währenden evolutionären Prozeß entwickelte in ständiger Anpassung an die jeweiligen Umweltbedingungen, daß auch der homo sapiens über viele Stufen (und Sackgassen) langsam entstanden ist. Der Mensch erscheint als Glied in einer Entwicklungskette, die ihm auch jede biologische Sonderstellung bestreitet.

Die evolutionäre Erkenntnistheorie schließlich macht einen weiteren Schritt in dieser Richtung: Sie deutet das Erkenntnisvermögen des Menschen in seiner evolutionär ständig verbesserten Anpassung auf die Welt. „Um es grob, aber bildhaft auszudrükken: Der Affe, der keine realistische Wahrnehmung von dem Ast hatte, zu dem er sprang, war bald ein toter Affe — und gehört daher nicht zu unseren Urahnen.“ Zu Recht spricht Vollmer von einer kopemikanischen Wende. Denn wie Kopernikus gelehrt hat, daß sich nicht die Sonne um die Erde, sich nicht alles um den Menschen dreht, zeigt uns die evolutionäre Erkenntnistheorie, daß auch das menschliche Erkenntnisvermögen sich nach den Gegenständen der zu erkennenden Umwelt richten muß. Zu diesem Zweck wurde es in der Evolutionsgeschichte schrittweise immer weiter verbessert.

Mit der Ablösung des anthropozentrischen Weltbildes wurden auch andere bis dahin gültige Prämissen in Frage gestellt: die im Mittelalter weitgehend unangefochtene, bis in die tägliche Lebensführung wirksame Autorität der Kirche, die Einheit von Religion und Wissenschaft, Glauben und Erkenntnis, das feste Bezugssystem für alle Werte. Die naturwissenschaftliche Erkenntnis hat insoweit also destruktiv gewirkt. Überkommenes wurde in Frage gestellt, ohne daß klar war, welches Neue an seine Stelle treten sollte Heute bestehen viele Werte-systeme nebeneinander. Einige wollen wir im folgenden kurz ansprechen.

IV. Begründung von Normen

Normen sind ein Maßstab für die bewertende Beurteilung verschiedener Handlungsmöglichkeiten. Normen können also nur im Rahmen eines Werte-systems oder im Zusammenhang mit Wünschen und Bedürfnissen gefunden und begründet werden. Im folgenden sollen einige Begründungstypen für derartige Wertesysteme und daraus folgende Normen im Umgang mit der Natur jeweils kurz angesprochen werden.

Religiös begründete Normen berufen sich auf die in der Schöpfungsordnung begründete Verantwortung des Menschen für die Natur Während dem Gläubigen daraus Entscheidungshilfe erwachsen kann, sind die Prämissen gleichwohl nur dem Gläubigen zugänglich. Auch sollte man nicht erwarten, daß der Bezug etwa auf christliche Werte immer wesentliche Entscheidungshilfen in der Bewertung naturwissenschaftlicher Forschungen liefert. Dies gilt noch am ehesten für Versuche am und mit dem Menschen. Die meisten anderen Fragen aus Naturwissenschaft und Technik jedoch scheinen unter gläubigen Christen nicht weniger umstritten zu sein als in der Gesellschaft insgesamt. Schließlich zeigt die Abtreibungsdiskussion, daß Wertvorstellungen der Kirchen in der Gesellschaft insgesamt offenbar nicht immer mehrheitsfähig sind.

Metaphysische Begründungsansätze (zum Beispiel Albert Schweitzer, östliche Religionen und vieles mehr) haben im wesentlichen ähnliche Stärken und Schwächen wie die oben besprochenen. Auf Vereinbarung beruhende Normen. Hierzu gehören zum Beispiel die Normen des Grundgesetzes (Recht auf Leben, Unverletzlichkeit der Menschenwürde, Freiheit der Wissenschaft, Religionsfreiheit usw.). Es ist immer wieder erstaunlich, wie weitgehend die Grundgesetznormen in der Bevölkerung und zum Beispiel auch von allen im Bundestag vertretenen Parteien akzeptiert werden, wenn auch deren weitergehende Begründung und deren Auslegung im konkreten Fall sehr unterschiedlich sein mögen.

Rational begründete Normen berufen sich auf Vernunft und Erfahrung. Für Kant erwachsen die grundlegenden sittlichen Verpflichtungen aus der Vernunft-Befähigung des Menschen. Viele moralische Forderungen der Neuzeit werden rational aus ganz wenigen, dafür aber weitgehend akzeptierten Zielsetzungen hergeleitet. Hans Jonas setzt das Fortbestehen „echten“ menschlichen Lebens an die erste Stelle, folgerichtig müssen auch langfristige Auswirkungen menschlichen Handelns bedacht werden (Zukunftsethik). Werner A. P. Luck leitet aus der gleichen Zielsetzung seine drei Axiome der Kooperation (Kooperantik) her Andere wollen die Trennung zwischen naturwissenschaftlichem (objektivem) und philosophischem (wertendem) Denken aufheben (The critical-interactionist view Anthroposophie nach Steiner wird ebenfalls teils als rational, teils als metaphysisch begründet angesehen.

Kommunistische Moral hat nach eigener Einschätzung die Aufgabe, den Sieg des Sozialismus in der Klassenauseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus herbeizuführen: „Alle heute wirkenden Moralsysteme sind Ausdruck von Interessen bestimmter Klassen . . Selbst naturwissenschaftliche Erkenntnis wird abgelehnt, wenn sie nicht in das vorgegebene Schema paßt, wie das Beispiel der Genetik zeigt (Lyssenko-Affäre). Die Parallelen zum Galilei-Prozeß sind unübersehbar.

Jedes Wertesystem begründet also seine Normen, die jedoch häufig übereinstimmen, wodurch ein gesamt-gesellschaftlicher Konsens möglich wird. Wir beenden diese unvollständige Aufzählung und wenden uns der Frage zu, welche Auswirkungen Normen auf den Fortgang und die Anwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse haben.

V. Orte der Verantwortung — Von „Manhattan“ bis zur Umweltpolitik

Ein moralisches Normensystem sollte Entscheidungshilfe in konkreten Situationen liefern. Anhand einiger in der Öffentlichkeit diskutierter Beispiele soll im folgenden in aller Kürze untersucht werden, ob Normen in konkreten Fällen eine solche Entscheidungshilfe zu geben in der Lage sind und die weitere Entwicklung beeinflussen können. 1. Von der Kernspaltung zur Atombombe Es gibt kaum einen Menschen, der nicht wünscht, daß die Welt von der Atombombe befreit werden kann. Entwickelt wurde sie in einem technischen Großprojekt („Manhattan“) im Zweiten Weltkrieg, in einer konkreten Situation, historisch, politisch, militärisch, naturwissenschaftlich. Die theoretischen Erkenntnisse hatte die Physik zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereitgestellt. Otto Hahn hatte 1938 die erste Kernspaltung praktisch durchgeführt. Hätte er — wie Möbius in Dürrenmatts „Die Physiker“ — sein Wissen für sich behalten, sich in einer Irrenanstalt verstecken können? Auch wenn von Anfang an klar war, daß sich mit der Atomspaltung neue, ungeahnte Möglichkeiten auftaten, das Zerstörungspotential war selbst den unmittelbar Beteiligten in den ersten Jahren nicht bewußt. Schon deshalb war der Weg des Möbius für Hahn verschlossen. Aber selbst wenn Otto Hahn den Weg des Möbius gegangen wäre, hätte das allenfalls eine zeitliche Verzögerung gebracht: Die Idee der Kernspaltung lag nämlich in der Luft. In einem Artikel, den Hahn wahrscheinlich gelesen hat, plädierte Noddack schon 1934 bei der Analyse von Experimenten des Atomphysikers Fermi für die These der Kernspaltung. Wenn Hahn sie nicht nachgewiesen hätte, hätten andere „ihre wissenschaftliche Pflicht“ getan Das gleiche gilt für andere bedeutende naturwissenschaftliche Erkenntnisse, wie zum Beispiel Einsteins Relativitätstheorie. Diese neuen Theorien entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Umgebung, die nach neuen Modellen für Beobachtungen und Experimente sucht, im Wettstreit, wer als erster eine neue entscheidende Idee hat.

Der nächste entscheidende Schritt zur Entwicklung der Atombombe war die Einrichtung des Projektes „Manhattan“ in den USA. Die Entscheidung wurde keineswegs von machtgierigen Politikern gegen den Widerstand der wissenschaftlichen Gemeinschaft getroffen. Im Gegenteil, ausgerechnet Albert Einstein — Pazifist bis in die Fingerspitzen — forderte die Entwicklung der Bombe. Er befürchtete, Nazi-Deutschland könne den USA zuvorkommen und auf diese Weise einen entscheidenden Kriegs-vorteil gewinnen. Wir wissen heute, daß Deutschland dazu objektiv nicht in der Lage war, daß es dazu nicht einmal ernsthafte Anstrengungen gab. Einstein hat die Lage nach bestem Wissen eingeschätzt — und die Entwicklung der Bombe gefordert. Es muß noch einmal betont werden: Einstein stellte sich wie kaum einer der gesellschaftlichen Verantwortung des Naturwissenschaftlers und doch wurde er zum Mitinitiator einer Entwicklung, die wir so gerne ungeschehen machen würden! Selbst wenn die Atombombe während des Zweiten Weltkrieges nicht gebaut worden wäre, hätte die Sowjetunion sie nicht in ihrer subjektiv als bedrohlich empfundenen Situation zu Beginn und während des Kalten Krieges trotzdem entwickelt? Und erweist nicht die weitere Entwicklung, daß trotz Atomwaffen-Sperrvertrag jetzt immer mehr Länder (Israel, Pakistan, Indien usw.) bereits in der Lage sind, die Bombe zu bauen?

All dies zeigt offenbar folgendes: Die Entwicklung der Atombombe war nach der Bereitstellung der naturwissenschaftlichen Grundlagenkenntnisse wohl selbst für Einsichtige nicht aufzuhalten. Die Grundlagenkenntnisse selbst entsprangen wissenschaftlicher Neugier, wurden mit (vergleichsweise) primitiven Mitteln gewonnen: Hahn führte die erste Kernspaltung mit einfachsten Geräten am Schreibtisch durch. Kurz: In einer von großen militärischen und politischen Spannungen geprägten Welt scheint der kurze Schritt von der physikalischen Grundlagenforschung (Kernspaltung) zur Entwicklung der Atombombe fast unvermeidbar gewesen zu sein. Angesichts des weitverbreiteten Wunsches nach einer Welt ohne Atomwaffen ist diese Erkenntnis um so bitterer, als man vielen damals in den USA politisch, militärisch und wissenschaftlich führenden Köpfen — allen voran Albert Einstein — bescheinigen muß, sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, in moralischen Kategorien gedacht und Verantwortungsbewußtsein gezeigt zu haben!

Es besteht Grund zur Hoffnung, daß die innere Logik, die die atomare Rüstungsspirale in Gang gesetzt und vorwärts gedreht hat, an Wirksamkeit verliert. Drei Entwicklungen haben dazu vor allem beigetragen. Erstens sind die verheerenden weltweiten Auswirkungen auch eines „begrenzten“ Atomkrieges so deutlich geworden, daß die öffentliche Anteilnahme an Abrüstungsverhandlungen in den westlichen Ländern zu einem wichtigen politischen Faktor geworden ist. Es wäre ein großer Schritt vorwärts, wenn auch die Öffentlichkeit in den Warschauer-Pakt-Staaten sich in ähnlicher Weise artikulieren könnte. Zweitens werden die wirtschaftlichen Opfer, die die Hochrüstung verlangt, in West und Ost nicht widerspruchslos hingenommen. Drittens scheint die Politik der Abschrekkung zugunsten eher defensiver Strategien in den Hintergrund zu treten. Das ist deshalb zu begrüßen, weil die für eine Politik der Abschreckung benötigten Offensivwaffen immer ein Element der Instabilität bedeuten

Weil über das grundlegende, moralisch gebotene Ziel, der Verhinderung eines Atomkrieges, Übereinstimmung besteht, spielen Werte und Normen in dieser Diskussion nur eine untergeordnete Rolle. Differenzen bestehen über den richtigen Weg zu diesem Ziel, über das Bedrohungspotential und die Absichten der anderen Seite Soweit Naturwissenschaftler sich an dieser Diskussion beteiligen berufen sie sich nicht auf besondere moralische Ansprüche oder Einsichten, sondern auf die professionelle Ausbildung des Naturwissenschaftlers. Dazu gehören Spezialkenntnisse der physikalischen Grundlagen moderner (auch weltraumgestützter) Waffensysteme, die Fähigkeit, in abstrakten Modellen zu denken, schließlich die Gewohnheitüber längere, erdgeschichtliche Zeiträume zu denken. 2. Gentechnik Als Schlüsseltechnologie wird die Gentechnik bezeichnet, Hilfe im Kampf gegen Krebs und Umweltprobleme erhoffen sich die einen, andere warnen vor unvorhersehbaren Risiken und befürchten eine ethisch nicht zu rechtfertigende Manipulation des Menschen. Worum geht es?

Unter Gentechnik versteht man die gezielte Neu-kombination des genetischen Materials von Lebewesen. So wird es zum Beispiel durch Änderungen des Erbmaterials möglich, Nutzpflanzen gegen Herbizide resistent zu machen, was eine Verbilligung der Pflanzenproduktion ermöglicht und eine Verringerung des Einsatzes von Agrarchemikalien bewirken könnte. Andererseits sind die ökologischen Auswirkungen solcher Maßnahmen schwer abzuschätzen.

Hier liegt eines der Hauptprobleme der Gentechnik, daß die Herstellung neuer Lebewesen Auswirkungen in der Biosphäre haben kann, die wegen ihrer Komplexität schwer vorherzusagen sind. So könnten sich in die Umwelt gelangte neugeschaffene Viren als krankheitserregend erweisen, ohne daß Impfstoffe oder natürliche Abwehrmechanismen zur Verfügung stehen. Auch die bewußte Verbreitung von Krankheitserregern im Rahmen einer biologischen Kriegführung ist denkbar. Andererseits waren Fortschritte zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen AIDS nur dank moderner gentechnischer Methoden möglich. In der Abfallentsorgung können genetisch veränderte Mikroorganismen eingesetzt werden, um giftige Stoffe in weniger gefährliche umzuwandeln

Ganz unmittelbar sind wir von den Möglichkeiten zur Änderung des menschlichen Erbmaterials betroffen. Erstmals will der Gesetzgeber der Grundlagenforschung von Anfang an Fesseln anlegen. Gemeint ist die Erzeugung von Embryonen und die Veränderung der Erbsubstanz. Im entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums ist vorgesehen, daß ein Embryo nur zum Zweck der Übertragung auf eine Frau künstlich erzeugt werden darf. Das Klonen (Herstellung genetisch identischer Menschen), die Veränderung menschlicher Keimbahnzellen, die Chimärenbildung (Kreuzung verschiedener Lebewesen) sollen verboten werden. Während die Grundzüge dieses Gesetzentwurfs weitgehend auf Zustimmung stoßen dürften, verdeckt die Diskussion doch nur, daß die Möglichkeiten der Gentechnik die Grundkategorien unseres Rechtssystems und ethischen Bewußtseins in Frage stellen. Das sei an einigen Beispielen erläutert.

Der oben angesprochene Gesetzentwurf gestattet Änderungen der Erbinformationen einer Keimbahnzelle nur, falls sichergestellt ist, daß sie sich nicht zu einer Keimzelle weiterentwickelt (§ 5, § 6) In der Begründung wird eine spätere Lokkerung dieses Verbotes bei gezieltem Gentransfer zum Beispiel zur Behandlung genetisch bedingter Krankheiten in Aussicht gestellt Die Definition von Krankheiten wird in diesem Zusammenhang aber große Schwierigkeiten bereiten. Ist genetisch bedingte Depressivität, ist „Dummheit“ — wir wählen bewußt die umgangssprachliche Bezeichnung — eine Krankheit? Nach Huxley genügt die Erhöhung der Intelligentia eines Volkes von 1 % auf 2 %, um es anderen Völkern überlegen zu machen. Wird genetische Manipulation da nicht zu einer Waffe im Ost-West-Konflikt? Muß sich nicht jede Seite gezwungen sehen, zumindest die Technik der Gen-Manipulation zu beherrschen, um mögliche Anwendungen der anderen Seite in ihren Konsequenzen abschätzen zu können? Gibt es in Ländern in denen Menschenrechte keine zentrale Rolle spielen, überhaupt Dämme gegen die gezielte Züchtung intelligenter aber angepaßter Untertanen, wenn die benötigten gentechnischen Hilfsmittel erst entwickelt sind?

Von Unsicherheit im Umgang mit den Problemen zeugen auch einige Ungereimtheiten. So würde das im Entwurf vorliegende ESchG den künstlich erzeugten Embryo besser schützen als den natürlich entstandenen. Dem künstlich erzeugten Kind werden möglicherweise mehr Rechte eingeräumt, seine Abstammung zu kennen, als anderen.Diese kurze Diskussion dürfte gezeigt haben, daß die in der Humangenetik entstandenen neuen Möglichkeiten nicht problemlos in überlieferte Wertvorstellungen eingeordnet werden können 3. Elektronische Datenverarbeitung Die elektronische Datenverarbeitung beginnt unser Leben und unsere Arbeitswelt mit atemberaubender Geschwindigkeit zu verändern und zu prägen. Viele positive Auswirkungen sind unverkennbar. Wer möchte schon mit einem Schweiß-oder Lakkierautomaten in der PKW-Herstellung tauschen? Wer möchte auf lebensrettende, computergestützte medizinische Diagnosen verzichten, ständig wiederkehrende Tätigkeiten und Berechnungen nicht lieber dem Computer überlassen?

Gleichwohl sind auch hier Fehlentwicklungen sichtbar, die zu irreparablen Schäden führen können. Dabei denken wir nicht nur an offenkundige Gefahren wie Computer-Kriminalität, soziale Folgen der rasanten Rationalisierung oder die mögliche Anwendung elektronisch gelenkter Waffensysteme gegen die Menschheit, sondern insbesondere an schleichende Auswirkungen der „Computerisierung“, die Rückwirkungen auf unser Welt-und Menschenbild haben. Die Exaktheit der computer-gerechten Information bringt automatisch die Gefahr eines unbewußten Reduktionsprozesses mit sich: Das Computer-Modell wird mit der Wirklichkeit verwechselt, aus Menschen werden Personal-datensätze oder Nummern. Umgekehrt fühlt sich der einzelne (im Umgang mit Computern ungeübte) einer anonymen Macht ausgeliefert, weil er sich dem angelegten Schema einfügen muß, die dahinter stehenden Menschen nicht mehr erkennt. Jeder muß selbst versuchen, so mit der Informationstechnologie umzugehen, daß ihr unbestreitbarer Nutzen nicht mit einem zu hohen Preis an Menschlichkeit bezahlt wird. 4. Umweltprobleme Warum ist es so schwer, die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen, wo doch das Problembewußtsein wächst? Am meisten Schwierigkeiten bereitet die Zurechenbarkeit der verursachten Schäden. Während der Verursacher eines Fischsterbens nach der Gifteinleitung feststellbar ist, ist der Beitrag zum Beispiel des einzelnen Autofahrers zum Waldsterben schon erheblich schwieriger zu ermitteln; entsprechend gering war die Bereitschaft zum freiwilligen Einbau von Abgas-Katalysatoren, und auch nach Einführung weitgehender Steuervergünstigungen bleibt die Zahl der Autos mit Katalysator nach der strengen U. S. -Norm gering. Noch schwieriger wird es, wenn in einer ohnehin schon komplexen Situation schädliche Auswirkungen erst künftige Generationen treffen. So haben die hochtechnisierte Landwirtschaft, die Gewässerverunreinigung und der Landverbrauch viele Tier-und Pflanzenarten ihrer Lebensgrundlage beraubt und zu einem in der Erdgeschichte beispiellosen Arten-sterben geführt. Die Erhöhung des Kohlendioxid-Anteils in der Erdatmosphäre durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energieerzeugung sowie das Abholzen eines großen Teils der tropischen Regenwälder wird langfristig vermutlich zu einer Klimaänderung führen, die ganze Landstriche in Wüsten verwandeln und andere beim Abschmelzen der Polarkappen unter Wasser setzen wird „In solchen Konfliktlagen bewährt sich ethische Verantwortung.“ Wie weit sie trägt, muß die Zukunft erweisen. Kulturell scheint eine solche über das persönliche Leben und die eigene Gruppe weit hinausreichende Ethik eher gering entwickelt zu sein, von einer genetischen Veranlagung ganz zu schweigen.

Politisch ergibt sich aus dem Gesagten die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen so zu setzen, daß persönlicher Nutzen und umweltfreundliches Verhalten besser zur Übereinstimmung kommen

VI. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Naturwissenschaftlich-technische Entwicklungen haben neben den erwünschten positiven oft auch negative Auswirkungen, die häufig erst später erkannt werden. Darüber hinaus sind naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht immer problemlos in bestehende Normensysteme einzuordnen, sondern haben im Gegenteil oft Rückwirkungen auf die geltenden Normen gehabt. Beispiele dafür sind der Autoritätsverlust der Kirche bei der Einführung des kopernikanischen Weltbildes (Galilei-Prozeß), Darwins Theorie zur Entstehung der Artenvielfalt („Sozial-Darwinismus“) oder die Diskussion um technisch Machbares und moralisch Erlaubtes im Bereich der Gen-Manipulation. Weiter wurde zum Beispiel bei der Diskussion des Manhattan-Projektes deutlich, daß Erwünschtes unter dem Zwang der Ereignisse unter Umständen nicht realisierbar ist, die Steuerbarkeit von Entwicklungen durch moralische Kategorien also ohnehin oft überschätzt wird.

Schließlich hat die Diskussion einiger Normensysteme gezeigt, daß die Systeme und erst recht ihre Begründungstypen sehr unterschiedlich sein können. Ist es also Illusion zu glauben, daß wissenschaftlich-technische Entwicklungen durch Moral steuerbar sind?

Bemerkenswert ist, daß viele Menschen zu gleichen moralischen Urteilen kommen, auch wenn ihre Ausgangsbasis (Begründungstypen) sehr unterschiedlich sein mag. Es scheint also gewisse moralische Grundsätze zu geben, die vielen Normensystemen gemeinsam sind. Deshalb wäre es wünschenswert, die gemeinsamen Wurzeln solcher Grundsätze aufzuspüren und zu versuchen, sie in ein Normensystem einzugliedern, das ausschließlich rational begründet ist. Die rationale, d. h. nur auf Erfahrung und Vernunft aufbauende Begründung würde die Chancen der Universalisierbarkeit derartiger Normen erheblich verbessern und damit auch ihre Einflußmöglichkeiten. Anstrengungen in dieser Richtung hat es viele gegeben, ohne daß überzeugende Erfolge zu erkennen wären, was allerdings angesichts der Schwierigkeit der Aufgabe auch nicht verwunderlich ist Im folgenden soll sich darauf beschränkt werden, abschließend einige konkrete Schlußfolgerungen zu ziehen, die sicher zu einem solchen rational begründbaren Kanon von Normen gehören und zudem bessere Beachtung verdienten.

So hat der Naturwissenschaftler eine besondere Verpflichtung zur Information der Öffentlichkeit über die Auswirkungen naturwissenschaftlicher Erkenntnis auf die in der Gesellschaft akzeptierten Werte. Aufgrund seiner besonderen beruflichen Ausbildung ist der Naturwissenschaftler gewohnt, in Modellen zu denken; deshalb sollte er auch über Voraussetzungen, Geltungsbereich und vor allem Grenzen der jeweils diskutierten Modelle Rechenschaft ablegen. Schließlich kann der Spezialist Hinweise auf Steuerungsmöglichkeiten und Alternativen geben.

Weiter sollten alle sich über naturwissenschaftlich-technische Entwicklungen informieren, prüfen, was sie für wünschenswert, was sie für gefährlich halten und sich mit ihren Überlegungen an der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema beteiligen. Wer aber zum Beispiel unsere Universitäts-Lehrpläne daraufhin durchsieht, ob sie neben Spezialwissen auch fachübergreifende Kenntnisse vermitteln, ob sie auch zur Reflexion der Grundlagen oder Rahmenbedingungen eines Wissenszweiges anregen, wird in der Regel vergeblich suchen. Vom Humboldtschen Ideal umfassender Bildung ist in unseren Bildungsinstitutionen wenig zu spüren — trotz lobenswerter Einzelinitiativen. Nur in der doppelten Auseinandersetzung jedoch, der Kenntnisnahme naturwissenschaftlicher Entwicklungen und ihrer ethischen Beurteilung, liegt der Schlüssel zum verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. „Der endgültig entfesselte Prometheus dem die Wissenschaft nie gekannte Kräfte und die Wirtschaft den rastlosen Antrieb gibt, ruft nach einer Ethik, die durch freiwillige Zügel seine Macht zurückhält, dem Menschen zum Unheil zu werden.“

Da dabei nicht nur der persönliche Handlungsspielraum betroffen ist, sondern auch politische Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen, heißt das logischerweise, daß auf eben diese Rahmenbedingungen Einfluß genommen werden muß — im vor-politischen und im politischen Raum. Diese Aufgabe kann nicht an „die Politiker“ delegiert werden, die in der Regel hier nicht kompetenter sind als andere und die öffentliche Meinung eher aufgreifen als aktiv gestalten. „Selbst zupacken“ heißt die Devise. Das ist ein zeitaufwendiges, mühsames Geschäft und dem persönlichen Einsatz steht ein in der Regel kaum meßbarer Erfolg gegenüber. Aber ist das nicht die Quintessenz aller Ethik — die Bereitschaft, sich für etwas Gutes einzusetzen, auch wenn man nicht unmittelbar Nutznießer ist?

Fussnoten

Fußnoten

  1. Nach Wilhelm Abel, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, Göttingen 1972.

  2. Heinrich Stork, Einführung in die Philosophie der Technik, Darmstadt 1977, S. 64.

  3. Ders., Einführung in die Philosophie der Technik. Darmstadt 1977. S. 66-67.

  4. Diese Bruchlosigkeit täuscht aber. „Was sozusagen im makroskopischen Bereich als Ethos gelten mag, enthüllt sich als völlig unzulänglich, wenn man in den mikroskopischen Bereich, in die Feinstruktur der Wirklichkeit eintritt.“ Vgl. Joseph Ratzinger. Theologie und Ethos, in: Karl Ulmer (Hrsg.), Die Verantwortung der Wissenschaft. Bonn 1975.

  5. Aus dem Urteil gegen Galilei vom 22. Juni 1633 zitiert nach Matthias Schramm, Das Urteil im Prozeß gegen Galilei, in: Die Verantwortung der Wissenschaft (Anm. 5).

  6. M. Schramm (Anm. 6), S. 174. Im Gegensatz zu Brechts literarischer Figur war der historische Galilei kein Rebell gegen die Kirche und sah in der neuen Wissenschaft auch nicht eine „neue Ethik“.

  7. Besser spräche man von der „Theorie über die evolutionäre Ausbildung des Erkenntnisvermögens“. Siehe dazu Gerhard Vollmer. Evolutionäre Erkenntnistheorie. Stuttgart 1981.

  8. G. G. Simpson. Biology and the nature of Science, in: Science. 139 (1963), S. 81-88.

  9. „Wer — außer einigen großen Kindern, wie sie sich gerade in den Naturwissenschaften finden — glaubt heute noch, daß Erkenntnisse der Astronomie oder der Biologie oder Physik oder Chemie uns etwas über den Sinn der Welt, ja auch nur etwas darüber lehren könnten: auf welchem Weg man einem solchen „Sinn“ — wenn es ihn gibt — auf die Spur kommen könnte?“, Max Weber, Soziologie (Vom inneren Beruf zur Wissenschaft), Stuttgart 1964, S. 321.

  10. Siehe dazu: Verantwortung wahmehmen für die Schöpfung. Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz, Köln 1985,

  11. Hans Jonas. Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt 1979.

  12. Werner A. P. Luck, Homo investigans, der soziale Wissenschaftler, Darmstadt 1976.

  13. Hendrik Verhoog, Science and the social reponsibility of natural scientists, Leiden 1980.

  14. Sozialismus und Ethik, Berlin (Ost) 1984, S. 8.

  15. Diese Darstellung nach Werner A. P. Luck (Anm. 13). S. 225 f.

  16. Für eine weitergehende Diskussion verweisen wir auf die Aufsätze zur nuklearen Abschreckung in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/86 vom 25. 10. 1986; siehe auch Fußnoten 18 und 19.

  17. Zu den besonders unerfreulichen Begleiterscheinungen der Friedensdiskussion gehört, daß Gemeinsamkeiten fast aller politischen Richtungen in der Zielsetzung (nämlich der Verhinderung eines Atomkrieges) nicht selten bewußt verschleiert werden: Dem politischen Opponenten, mit dem man lediglich über den richtigen Weg zum Frieden uneins ist, wird unterstellt, den Frieden gar nicht zu wollen. So kann man sich selbst moralisch über den politischen Gegner erheben und erspart sich zudem noch eine detaillierte Auseinandersetzung mit dessen Argumenten. Es muß wohl als Zeichen einer immer noch nicht ausreichenden Festigung unserer politischen Kultur verstanden werden, daß ein derartiges Verhalten in der Öffentlichkeit nicht einhellig verurteilt wird.

  18. Naturwissenschaftler warnen vor der Militarisierung des Weltraums; Reiner Labusch/Eckhart Maus/Wolfgang Send (Hrsg.), Weltraum ohne Waffen, München 1984; Science and Ethical Responsibility. Proceedings of the U. S. Student Pugwash Conference, Reading 1980.

  19. Für eine ausführliche Darstellung der Gentechnologie, ihrer Folgen und zahlreicher Empfehlungen siehe den Bericht der Enquete-Kommission des 10. Deutschen Bundestages: Chancen und Risiken der Gentechnologie, Zur Sache, 87. 1. Herausgegeben vom Deutschen Bundestag, Bonn 1987.

  20. Erwin Deutsch, Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (ESchG), in: ZRP, (1986) 9, S. 242 f.

  21. Es gibt auch Stimmen, die jeden Eingriff in das Erbmaterial des Menschen für unzulässig halten, auch zur Therapie von Erkrankungen; siehe dazu auch „Chancen und Risiken der Gentechnologie". Sondervotum zur pränatalen Diagnostik (S. 153) und Bewertungen und Empfehlungen zu gentechnischen Eingriffen in die menschliche Keimbahn (S. 187ff.); siehe (Anm. 20).

  22. J. Huxley. Ich sehe den zukünftigen Menschen. München 1965.

  23. Erinnert sei an die gegenwärtige Diskussion in der DDR. wo — neben warnenden Stimmen — die Anwendung humangenetischer Methoden gefordert wird, „wenn es dem Staat nutzt“. Die SED hat sich bisher in dieser Diskussion auffällig zurückgehalten. Einschränkungen oder Verbote sind bisher nicht absehbar.

  24. Siehe auch den Bericht der „Benda-Kommission“ (Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation. Genomanalyse und Gentherapie). 1986.

  25. Siehe Luck (Anm. 13).

  26. Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung, (Anm. 11). S. 29f.

  27. Ralf-Dieter Brunowsky/Lutz Wicke, Der Öko-Plan, München 1984.

  28. Neben der bereits zitierten Literatur siehe auch: Günter Patzig, Ethik und Wissenschaft, in: Heinz Maier-Leibnitz (Hrsg.), Zeugen des Wissens, Mainz 1986; Elisabeth Ströker (Hrsg.), Ethik der Wissenschaften? Philosophische Fragen, München 1984.

  29. Gestalt aus der griechischen Mythologie. Brachte den Menschen gegen Zeus’ Willen das Feuer und wurde zur Strafe an einen Felsen gekettet.

  30. Jonas (Anm. 12).

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Ludwig J. Cromme, Dr. rer. nat., geb. 1951; Studium der Mathematik, Physik, Logik und Betriebswirtschaftslehre in San Bernadino (Kalifornien) und Münster; Promotion an der Universität Bonn 1975; Habilitation in Göttingen 1979; seit 1983 Professor für Mathematik an der Universität Göttingen. Veröffentlichungen auf den Gebieten: Numerische Mathematik, Approximation, Optimierung, Systemanalyse biologischer Nervennetze, künstliche und natürliche Intelligenz.