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„In den Händen des Volkes“ Erfahrungen mit Entwicklungshilfe im Niger | APuZ 33-34/1987 | bpb.de

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APuZ 33-34/1987 „In den Händen des Volkes“ Erfahrungen mit Entwicklungshilfe im Niger Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern Technologietransfer deutscher Unternehmen in Entwicklungsländer

„In den Händen des Volkes“ Erfahrungen mit Entwicklungshilfe im Niger

Kurt Gerhardt

/ 49 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Mehrjährige Erfahrung mit Entwicklungshilfe in einem der ärmsten Länder Afrikas bestätigt das weitgehende Versagen vor allem der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Schwerer als die materiellen Verluste wiegen die menschlichen und kulturellen Schäden. Erschreckende Handlungsunfähigkeit und Initiativlosigkeit auf Seiten der Einheimischen sind häufig das Ergebnis einer Hilfe, die das Subsidiaritätsprinzip verletzt, indem sie nicht auf den Menschen als Subjekt eigenverantwortlicher Entwicklung, sondern auf die Ablieferung von materiellen Projekterfolgen zielt. Entwicklung wird weniger als Prozeß denn als Produkt verstanden, das überwiegend von der ausländischen Hilfe selbst hergestellt wird. Den häufig a priori ungünstigen kulturellen Voraussetzungen für „moderne“ Entwicklung — die dazu notwendige Fähigkeit und der Wille, diese Fähigkeit entsprechend einzusetzen — werden auf diese Weise neue, hilfebedingte Hindernisse hinzugefügt. Ob und wie Fähigkeiten genutzt werden, ist eine autonome Entscheidung und von außen kaum zu beeinflussen. Entwicklungshilfe muß sich auf Befähigung konzentrieren; das geschieht am besten über Bildung. Diese kann brachliegende Intelligenz mobilisieren und — vielleicht noch wichtiger — politische Mitwirkung der benachteiligten Menschen in den Entwicklungsländern fördern. Trotz aller Kritik an den Bildungssystemen vieler Länder der Dritten Welt bleibt der Ausbau des Erziehungswesens, beginnend mit der Grundschule, der entscheidende Ansatz für eine Hilfe, die den Menschen in den Mittelpunkt der Entwicklung stellt.

I.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um den auszugsweisen Vor-abdruck eines Kapitels des Buches „Sorgenkind Entwicklungshilfe“, das im Oktober 1987 im Bastei-Lübbe-Verlag erscheint.

Wer sehen will, welche Wirkungen die bisherige Entwicklungszusammenarbeit gehabt hat, braucht nur über Land zu fahren, wo 85 Prozent der Nigrer leben. Sie wohnen in Hütten und Lehmhäusern, ernähren sich von einfachsten Gerichten und kennen den Hunger. Die Kindersterblichkeit ist hoch, die meisten Menschen sind Analphabeten. Erkennbare Entwicklungsfortschritte sind allenfalls ein moderner Brunnen im Dorf und eine Krankenstation in der Nähe. Angesichts solcher Eindrücke fragt man sich, wohin in den letzten Jahrzehnten die Millionenbeträge internationaler Entwicklungshilfe geflossen sind, da die ländliche Bevölkerung davon offensichtlich kaum profitiert hat. Gescheiterte Projekte haben Riesensummen verschlungen, und darunter fallen fast alle großen Entwicklungsmaßnahmen. Die bäuerlichen Fortbildungszentren, die Kreditkassen, das Genossenschaftswesen, Alphabetisierungskampagnen, sogenannte integrierte ländliche Projekte — die Resultate sind bescheiden bis verheerend.

Mit einem deutschen Experten besuchte ich in der Nähe der nigrischen Hauptstadt Niamey eine Rindermastfarm, bei deren Aufbau er mitgearbeitet hatte. Seit der Projektübergabe an die nigrischen Behörden und dem Abzug des letzten deutschen Experten waren nur anderthalb Jahre vergangen. Und was der frühere Mitarbeiter jetzt sah, fand er zum Weinen. Auf den für 1 500 Rinder ausgelegten bewässerten Wiesen standen nur 640 Tiere. Die Wiesen waren von Unkraut überwuchert, die Entwässerungsgräben zugewachsen. Dadurch staute sich das Wasser auf den Weideflächen; einer Entwässerungspumpe fehlte der Motor. Zäune waren niedergerissen, so daß fremdes Vieh auf die Wiesen getrieben werden konnte. Überall standen Maschinenwracks herum; wegen defekter Waagen konnten die Tiere nicht mehr gewogen werden. Sämtliche Rücklagen der Station waren verbraucht, ein-hunderttausend Mark Verluste schon aufgelaufen. Der deutsche Experte: „Es ist hoffnungslos.“

Die USA hatten in der Region von Niamey ein integriertes ländliches Projekt über einen Zeitraum von zehn Jahren mit dreizehn Millionen Dollar finanziert. Als ich den amerikanischen Evaluieret, der das Projekt regelmäßig prüfte, fragte, was es bisher an Nutzen gebracht habe, sagte er: „Die Gebäude, sonst nichts.“ Die Bauern hätten von den Anbaumethoden, die man ihnen nahezubringen versucht habe, so gut wie nichts übernommen, „weil unsere Methoden und Angebote an die Bauern deren Bedürfnissen nicht, entsprachen.“ Das sei der zuständigen Behörde in Washington seit Jahren immer wieder mitgeteilt worden, aber „die Verantwortlichen sind an der Wahrheit nicht interessiert, weil sie ihre Existenz gefährdet“.

Fehlgeschlagene Projekte bedeuten mehr als vergeudetes Geld. Ihre Wirkung ist nicht neutral, sondern negativ, weil sie guten Glauben zerstören, ein Gefühl der Zwecklosigkeit zurücklassen und so zukünftige Anstrengungen der Einheimischen beeinträchtigen. Ein Fachmann für Entwicklungsfragen mit langjähriger Afrika-Erfahrung empfand die Negativwirkung gescheiterter Entwicklungshilfe als so gravierend, daß er meinte, wenn die Bilanz der internationalen Zusammenarbeit mit der Dritten Welt bis heute nur Null betrage, sei er schon ganz zufrieden. An das Versagen von Entwicklungshilfe hat man sich gewöhnt, auch Groteskes erregt kaum Verwunderung. Als der Generaldirektor eines nigrischen Ministeriums im Rahmen einer internationalen Konferenz mitteilte, die Wasserversorgung Niameys, übrigens wesentlich mit deutschen Mitteln finanziert, diene zu mehr als einem Drittel der Bewässerung von Rasen, bewirkte das unter den Zuhörern aus vielen Ländern kein Erstaunen.

Solche Eindrücke müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, daß der Niger ein im regionalen Vergleich beispielhaftes Land ist. Sein Präsident wird im In-und Ausland zu Recht wegen seiner besonnenen Politik hoch geschätzt; die inneren Verhältnisse sind seit Jahren stabil. Bei ungünstigeren natürlichen Voraussetzungen steht der Niger in puncto Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln bes-3 ser da als seine sahelischen Nachbarn. Initiativen, zum Beispiel in der Bewässerungslandwirtschaft, werden von anderen Ländern nachgeahmt. Leute, die vergleichen können, sagen, die Verwaltung funktioniere hier besser als in den Nachbarstaaten. Selbstverständlich kommen auch aus dem Ausland bzw. von im Niger tätigen Ausländem sinnvolle Anstöße: die Projektidee, die angepaßte Problemlösungen ermöglicht; derEntwicklungshelfer oder der Berater, der geeignete und nicht nachlassende Anstrengungen macht, um produktive Prozesse in Gang zu setzen. Aber der überwältigende Gesamteindruck jahrzehntelanger Entwicklungszusammenarbeit ist erschreckend negativ. Von ernst zu nehmenden Beobachtern — Nigrern wie Ausländem — wird folgender Beschreibung der Verhältnisse nicht widersprochen: Die große Mehrheit der Einheimischen hat mit der bisherigen Entwicklungshilfe so gut wie nichts zu tun gehabt. Sie war und ist das Geschäft der ausländischen Geber, der Oberschicht in den Entwicklungsländern und des Heeres internationaler Experten. Das Volk steht am Rande. Es hat keine Rolle im Spiel der bestimmenden Kräfte, die sich als unfähig erwiesen haben, eine Entwicklung einzuleiten, die diesen Namen verdient. Entgegen anderslautenden Beteuerungen steht nicht „der Mensch“ im Mittelpunkt der Entwicklungsbemühungen, vielmehr geht es in erster Linie um Gruppenegoismen und Geschäftsinteressen. Die Menschen in den Industrieländern, die meinen, das von ihren Regiemngen für Entwicklungshilfe aufgewandte Geld komme den Armen zugute, irren sich. Aufgrund dessen, was in den Sahel-Ländem mit diesem Geld geschehen ist, kann man diese Meinung jedenfalls nicht bestätigen.

Die wirtschaftlichen Verluste sind evident. Durch die Kluft zwischen riesigem Aufwand und bescheidenem Ergebnis werden sie deutlich, auch durch die gescheiterten Projekte, die sich der Nachwelt als Entwicklungsminen präsentieren. Schwerer greifbar sind die durch Unterschlagung und Korruption entstandenen Ausfälle, was nicht über deren beträchtliches Ausmaß hinwegtäuschen sollte.

Nach seinem Eindruck von der Entwicklungshilfe befragt, sagte ein europäischer Botschafter in einem westafrikanischen Land: „Ein einziges Geschäft.“ Der Koordinator einer französischen Hilfsorganisation: „Die Zusammenarbeit der letzten Jahre hat nichts gebracht.“ Ein nigrischer Beamter: „Sie führt zu nichts. Aber solange das Geld fließt, nimmt man’s.“ Solche unter Weißen wie Schwarzen üblichen Urteile werden oft mit Zynismus und Ironie geäußert. Die Zustände seien so grotesk, meinte ein ausländischer Berater, daß es aus heutiger Sicht sinnvoller gewesen wäre, wenn man die Entwicklungshilfegelder von vornherein an private Haushalte verteilt hätte; der Entwicklungserfolg wäre wahrscheinlich größer gewesen.

Schlimmer als wirtschaftliche sind menschliche Verluste. Die Bewohner dieser Länder sind in Gefahr, in kulturelle und nationale Identitätslosigkeit abzusinken. Am symbolträchtigsten drückt dies die nigrische Nationalhymne aus, die so afrikanisch ist wie die Marseillaise chinesisch. Weil übrigens kein nigrisches Ensemble sie gut genug spielen kann, erklingt sie abends vor den Fernsehnachrichten als Darbietung eines französischen Orchesters.

Nigrischen Kindern wird, sofern sie zu den wenigen gehören, die in die Schule gehen, als erstes ihre Muttersprache geraubt und die Sprache der ehemaligen Kolonialherren aufgezwungen. Deshalb beherrschen die meisten von ihnen später keine von beiden, jedenfalls nicht im Lesen und Schreiben. Unter anderem gibt die französischsprachige Verwaltungskorrespondenz davon deprimierend Zeugnis. Weihnachten und Ostern sind im zu 99 Prozent islamischen Niger gesetzliche Feiertage. Kaum jemand findet das komisch. Gäbe es keine schwarze Hautfarbe, könnte man meinen, man befinde sich in einer unterentwickelten französischen Provinz: das Schulwesen, die Amtssprache, die Verwaltung, weite Bereiche der Rechtsprechung, die meisten Banken, die großen Firmen, Steckdose und Klospülung, Schreibtischkalender und Straßenlaterne — alles ist französisch. Wenn Frankreich ruft, wird gehorcht. Peinlich war es von nigrischer Warte aus zu sehen, wie die afrikanischen Länder, die in regionalen Zusammenschlüssen und in der Organisation für Afrikanische Einheit nicht zueinanderfinden konnten, brav und einträchtig antraten, wenn der französische „patron“ die ehemaligen Kolonien zu den üblichen Konferenzen zusammenrief. Das frankophone Afrika ist wirtschaftlich und kulturell Besatzungsgebiet der Franzosen.

Will ein Mitglied der größten nigrischen Sprachgemeinschaft, ein Haussa, ausländische Rundfunk-nachrichten in seiner Muttersprache hören, schaltet er Sender wie die Deutsche Welle, BBC oder Voice of America ein. Der französische Kurzwellensender, Radio France Internationale, bedenkt — kulturimperialistisch konsequent — seine ehemaligen Kolonien nur mit.französischsprachigen Programmen. Frankreich ist der größte Geldgeber, junge Leute studieren dort, Beamte absolvieren in Frankreich ihre Fortbildung — alles Gute kommt aus dem kolonialen Mutterland. Paris ist die Haupt-B stadt auch des Niger. Besonders junge Intellektuelle leiden darunter. Sie nennen ihr Land die „chasse gardee“ (Privatjagd) der Franzosen, die sie deswegen hassen, wegen ihrer Abhängigkeit von Frankreich aber zugleich lieben müssen.

Die bisherige Zusammenarbeit hat schwere menschliche Schäden angerichtet; das ungleiche Nebeneinander von Schwarz und Weiß hat zu Mißtrauen und Mißachtung geführt. Die Schwarzen fühlen sich von den Weißen bevormundet, die im Zweifel die Kasse kontrollieren und immer noch als Lehrmeister daherkommen; die Weißen fürchten ständig, vom Projektpartner hereingelegt, vom Händler übervorteilt und vom Hauspersonal bestohlen zu werden. Offenes und vorurteilsfreies Aufeinanderzugehen ist kaum möglich, mehr oder weniger latenter Rassismus weit verbreitet. Er entsteht oft unbemerkt und wächst schleichend mit der erlahmenden Bereitschaft, sich auf die mit der Zeit anstrengender werdende Auseinandersetzung mit dem Anderssein des afrikanischen Gegenübers einzulassen. Statt dessen begnügt man sich mit bequemen Erklärungsversuchen, von denen die meisten schon den Keim der Verachtung in sich tragen. Diese aber gebiert Gegenverachtung. Während der Chefarztvisite in einem Krankensaal des städtischen Krankenhauses von Niamey stand ein Weißer am Bett seines erkrankten nigrischen Nachbarn. Als der schwarze Chefarzt merkte, daß der Weiße kein Franzose war, rief er laut durch den Saal: „Das hätte mich auch gewundert, daß ein Franzose sich um seinen Sklaven kümmert!“ Ein wahres, wenn auch krasses Beispiel für das Empfinden der Schwarzen gegenüber den ehemaligen Kolonialherren.

II.

Vertrauen auf die eigene Kraft ist durch falsche Hilfe zerstört worden. Wenn ein Problem zu lösen ist, wird zuerst die Frage gestellt: An welche ausländische Organisation sollen wir uns um Hilfe wenden? Und das auch, wenn es durchaus möglich wäre, die Aufgabe mit eigenen Mitteln zu bewältigen. Es ist so weit gekommen, daß viele Verantwortliche meinen, es sei mit einem Vorhaben etwas nicht in Ordnung, wenn kein Ausländer oder kein ausländisches Geld daran beteiligt ist.

Auf einem landwirtschaftlich genutzten Gelände sollte eine ergänzende Aufforstung durchgeführt werden. Der nigrische Leiter schlug der herbeigerufenen Delegation eines ausländischen Hilfswerks vor, diese Arbeiten mit Maschinen zu erledigen, die selbstverständlich von diesem zu finanzieren seien. Näheres Hinsehen ergab, daß es sich um ein sehr begrenztes Vorhaben handelte, das ohne weiteres mit dem vorhandenen nigrischen Personal und einfachen Mitteln, unter anderem ein paar Schaufeln, durchgeführt werden konnte. Der zuständige Mann sah das ganz anders. Der durch die bisherige Entwicklungszusammenarbeit bewirkte Entfähigungsprozeß hatte dazu geführt, daß er sich nicht mehr vorstellen konnte, die Bäume erstens selber zu pflanzen und zweitens dazu keine großen Maschinen einsetzen zu müssen. Der Sinn für die eigene Leistungsfähigkeit ist um so mehr verlorengegangen, je stärker der Kontakt zu ausländischer Hilfe war. Ein nigrischer Provinzchef: „Wir sind zum Volk der ausgestreckten Hand geworden.“ Diese Haltung und der ausländische Druck, Entwicklungsgelder unterzubringen, bewirken einen Prozeß intensiver Rekolonisierung.

Die bisherige Entwicklungshilfe der Regierungen des Nordens, der sogenannten Geber, ist aus mehreren Gründen ungeeignet. Sie geht von fragwürdigen Motiven aus, bedient sich mangelhafter Mittel und verstößt zum Teil gegen eigene Prinzipien. Selbstverständlich geht es allen auch um Humanität, Beseitigung von Not und Anregung von Entwicklung, aber politische und vor allem wirtschaftliche Eigeninteressen überwuchern den Edelmut. Geber, Experten und einheimische Funktionäre sind so sehr selber Nehmer, daß für die Masse der Bevölkerung wenig übrigbleibt.

Ein seit vielen Jahren in Entwicklungsländern tätiger UNO-Experte für Wirtschaftsfragen schätzt, daß sechzig Prozent der Entwicklungshilfegelder für Waren und Dienstleistungen direkt ins Ausland zurückfließen und daß von den restlichen vierzig Prozent der weit überwiegende Teil indirekt denselben Weg nimmt, zum Beispiel über ausländische Firmen in Entwicklungsländern. Dabei wird auf einheimische Strukturen wenig Rücksicht genommen. Für ein ländliches Großprojekt schickten die Italiener Fiat-Autos, auf deren Reparatur nigrische Mechaniker nicht eingestellt sind, weil Autos dieser Marke bisher im Lande nicht gefahren werden und deshalb auch keine Ersatzteile vorhanden sind. Ähnliches gilt für die Lieferung japanischer Spritzgeräte, mit denen der nigrische Pflanzenschutzdienst bedacht wurde.

Wenn in den Straßen von Niamey Laubhäufchen beseitigt wurden, kamen Mercedes-LKW angefahren, auf die mit einem schweren Caterpillar-Vorderlader Reisig und Blätter geschaufelt wurden. Trotz eines gesetzlichen monatlichen Mindestlohns von umgerechnet nur 120 DM und einer schreienden Arbeitslosigkeit verbanden sich durch den Einsatz der Maschinen die Interessen von Gebern und Nehmern gegen die der Arbeitsuchenden. Für die städtische Müllabfuhr war es zwar ökonomisch unsinnig, aber bequemer und vor allem „moderner“, Maschinen zu verwenden, die in den Industrieländern Beschäftigung bewirken, dem Wirtschaftskreislauf in den Entwicklungsländern aber Geld und den Menschen Arbeit entziehen: den Straßenkehrern und den Herstellern von Eselskarren, auf denen Laub und Müll abtransportiert werden könnten.

Im Frühjahr 1985 führte der Niger-Fluß nur noch so wenig Wasser, daß die Versorgung Niameys gefährdet schien, wenn nicht ein kleiner Rückhaltedamm durch den Fluß gebaut würde, um das spärliche Restwasser zu stauen. Diese Notwendigkeit war Monate vorher bekannt. Der Damm wurde schließlich durch eine europäische Baufirma in drei Tagen errichtet, mit einer ausländischen Finanzierung, deren Volumen den Monatslöhnen von 2 500 Arbeitern entsprach. Statt von nigrischer Hand erarbeitete Entwicklungshilfe in den heimischen Markt zu lenken, schleuste man sie auch hier über die Baufirma wieder nach Europa zurück.

Ähnlich ist es im Straßenbau. In einem Land, in dem Arbeitskraft en mässe zu günstigsten Preisen zur Verfügung steht, beträgt die Lohnquote bei Straßenneubauten zwei Prozent. Niemanden scheint das zu erregen. Im Gegenteil: Als ein nigrischer Politiker auf diesen Unsinn angesprochen wurde, reagierte er erbost, weil er fürchtete, man wolle ihn ins Mittelalter zurückstoßen.

Diese Methoden sind keine eigenen Erfindungen; sie wurden und werden von den Weißen vorgemacht. Wo die großen ausländischen Geber auftreten, fließt das Geld, kann nicht bescheiden gedacht werden, gibt es große, maschinelle Lösungen. Die Menschen stehen daneben und sehen zu, wie ihnen fertige „Entwicklungsergebnisse“ serviert werden, mit denen sie nichts zu tun, die sie nicht selber erarbeitet haben, und die sie deswegen häufig nicht annehmen und unterhalten wollen.

Je größer der ausländische Produktionsanteil bei Entwicklungsprojekten ist, desto geringer bleibt die Mitwirkung der einheimischen Partner. Das Ausland liefert zugunsten der Beschäftigungswirksamkeit auf dem eigenen Markt eher fertige Produkte und Leistungen ab, als daß es im geförderten Land Prozesse zur Eigenproduktion in Gang brächte. Entwicklung ist aber kein Ergebnis, sondern ein Prozeß. In demselben Maße, in dem wir zugunsten der Beschäftigungswirksamkeit in Industriestaaten Produkte für Länder der Dritten Welt — hier oder dort — selber herstellen, verhindern wir in diesen Ländern solche Prozesse. Die Diskussion über Beschäftigungswirksamkeit betrifft in Wirklichkeit die Frage, inwieweit wir gewillt sind, in Ländern des Südens selbstgeschaffene Entwicklung zuzulassen.

Besonders Neueingereiste im Niger zeigen sich erschüttert über das — gemessen am niedrigen wirtschaftlichen Niveau des Landes — enorme Ausmaß an sichtbarer Verschwendung und Wertverlusten: kaputte Autos auf Behördenhöfen, Maschinen und Einrichtungen, die nach kurzer Zeit ersetzt werden müssen, weil sie nicht unterhalten werden. Die große Zahl heruntergekommener, von der Bevölkerung nicht angenommener Projekte legt den Schluß nahe, daß der Mensch, sollen die ihm zur Verfügung stehenden Güter vernünftig behandelt werden, diese erarbeitet haben muß, direkt oder indirekt über den Kauf mit von ihm verdientem Geld. Wo dieser Zusammenhang fehlt, wird verschwendet. Die auch in Deutschland immer wieder festgestellte Vergeudung öffentlicher Mittel bestätigt das.

Im Niger wickelt der Staat fast sämtliche Hilfe aus dem Ausland ab. Ein Leistungsgefühl der Bevölkerung gegenüber den abgelieferten Hilfsgütern entsteht nicht. Das wirkt sich auf das allgemeine Bewußtsein aus: Weil die Menschen von der Erarbeitung der Entwicklung weitgehend ausgeschlossen sind, geht ihnen das Gefühl für das Verhältnis von Aufwand und Ertrag verloren. Vom Wunsch führt der Weg direkt zum Ergebnis, ohne den Umweg über den mühevollen Akt der Herstellung. Wenn Wünsche geäußert werden, ist das immer wieder zu spüren: Statt Hilfe für eine Schule möchte man den kompletten Bau, einen fertigen Brunnen, eine komplette Büroeinrichtung. Ein älterer nigrischer Arzt: „Früher konnten die Leute selber Brunnen bauen. Heute schauen sie zu, wie ihnen ein Brunnen ins Dorf geliefert wird.“

Bedenkt man, daß in vielen der ärmsten Entwicklungsländer fast alle öffentlichen Investitionen unter solchen Umständen von außen finanziert werden, wird die Gefahr deutlich, die damit für das staatliche Wirtschaften verbunden ist. Ein bescheidener Aufwand führt zu relativ großem Erfolg, weil der größere Teil der Leistung von außen kommt. Da das seit Jahren eingeübt wird, darf man sich über den bei vielen Menschen inzwischen eingetretenen Realitätsverlust nicht wundem. Er spiegelt sich in der verständlichen, aber naiven Erwartung wider, man könne den Fortschritt aus den Industrieländern importieren. Da er sich dort ereignet habe, müsse man ihn auch von dort herholen — statt sich der Mühe zu unterziehen, Entwicklung selber zu erarbeiten. Wo sich zu dieser Erwartung die Meinung gesellt, etwa wegen der kolonialen Vergangenheit auf diesen Fortschrittsimport einen Anspruch zu haben, wird die Sache verhängnisvoll. Westliche Hilfe verstärkt diese Einstellung.

Den armen Ländern Subventionen statt Kredite zu geben, klingt sympathisch, kann aber Entwicklung behindern. Im Rahmen verschiedener Kleinprojekte in einem Dorf war einem Schmied, der bisher mit einfachsten Mitteln Geräte des täglichen Bedarfs herstellte, eine etwas modernere Ausstattung geschenkt worden. Als ein Projektmitarbeiter das Dorf wenige Wochen später besuchte, saß der Schmied untätig da. Der Mann, der sich sein Rohmaterial, meistens Altmetall, bisher selber beschafft hatte, wartete nun darauf, daß das ausländische Projekt ihm endlich neues Material liefere, so wie es ihm ja auch die Ausrüstung geschenkt hatte.

Subventionen sind Geschenke. Schenken und Geben spielen in der nigrischen Tradition in vielerlei Zusammenhängen eine große Rolle. Zwar wird der Fremde von Kindern und Bettlern mit dem Wort „cadeau“ (Geschenk) bis zum Überdruß behelligt, andererseits muß man neidvoll anerkennen, daß die Menschen im Niger — anders als wir — noch in der Lage sind, ohne Umschweife zu bitten, zu nehmen und zu geben. Im Islam gehört das Almosengeben zu den Hauptpflichten der Gläubigen. Wie mir ein Islam-Kenner im Niger erläuterte, hat das Almosen unter anderem den Zweck, den Reichtum des Gebenden zu rechtfertigen. Da drängt sich die Assoziation auf, daß die Entwicklungshilfe aus der Sicht der Nehmer auch den Sinn haben könnte, den reichen Geberländern die Rechtfertigung ihres Wohlstands zu ermöglichen. Ein Beamter des nigrischen Landwirtschaftsministeriums, der neun Kinder hatte und dem die durch rapides Bevölkerungswachstum bei knappen agrarischen Reserven des Landes entstehenden Probleme bekannt sein müßten, meinte auf die Frage, wieviele Kinder er haben wolle, fünfzehn dürften es wohl werden. Und wie sollten die später ernährt werden? Antwort: „Mit der Hilfe , du bon Dieu‘ (des lieben Gottes) und unserer Freunde.“ Subventionen verstärken diese Einstellung, „le bon Dieu“ werde schon alles fügen und richten. Sie kaschieren die tatsächlichen Kosten von Entwicklung, verringern den Zwang, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen, und können dazu verleiten, an der Realität vorbeizuleben.

Jede Hilfe, auch in der internationalen Entwicklungsarbeit, muß subsidiär sein. Subsidiarität ist eines der wichtigsten Prinzipien der christlichen Soziallehre; vor allem aus den Diskussionen über die richtige Sozialpolitik ist sie bei uns bekannt. Sie besagt, daß Hilfe die Leistungsfähigkeit des Unterstützten anerkennen und sich auf das beschränken soll, was dieser selber zu tun nicht in der Lage ist. Außerdem ist sie so zu gewähren, daß möglichst bald auf sie verzichtet werden kann. Für jemanden, der nach Orientierung in der Entwicklungshilfe sucht, lohnt es, die Definition von Subsidiarität in der päpstlichen Sozialenzyklika „Quadragesimo Anno“ von 1931 nachzulesen: „Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung.“ Vierunddreißig Jahre später, als die Entwicklungshilfe sich auszubreiten begonnen hatte, übertrug die Verlautbarung des II. Vatikanums Gaudium et Spes diesen Grundsatz ausdrücklich auf die Zusammenarbeit zwischen reichen und armen Ländern: „Sache dieser (internationalen) Gemeinschaft ist es auch, unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips die wirtschaftlichen Verhältnisse weltweit so zu ordnen, daß sie sich nach der Norm der Gerechtigkeit entwickeln . . . (Die Völker der Entwicklungsländer) sollen daran denken, daß der Fortschritt vor allem aus der Arbeit und den Fähigkeiten der Völker selbst entspringt und sich steigert und sich nicht allein auf fremde Hilfe, sondern vor allem auf die volle Erschließung der eigenen Hilfsquellen und ihren Ausbau entsprechend den eigenen Fähigkeiten und Traditionen stützen muß.“

Die heutige Entwicklungshilfe verstößt ständig gegen den Grundsatz der Subsidiarität. Zum Beispiel, wenn, wie beim maschinellen Straßenbau, die einheimischen Arbeitskraftreserven nicht ausgeschöpft werden; wenn in Krisenzeiten vom Ausland zuviele Nahrungsmittel geliefert werden, so daß die landwirtschaftliche Produktion im Entwicklungsland dadurch behindert wird; wenn, obwohl einheimische Fachleute vorhanden sind, ausländische Berater geschickt werden; wenn man ein deutsches Projekt der ländlichen Entwicklung mit einer großen Anzahl 60 000 DM teuren Mercedes-Geländewagen ausstattet und dadurch Transportstrukturen aufbaut, die der Niger auf absehbare Zeit selber nicht wird finanzieren können.

III.

Ein Teil der Entwicklungspleite ist weniger auf bewußt falsche Politik als auf fehlendes Verständnis und Unvermögen zurückzuführen. Wichtige ausländische Akteure in den Entwicklungsländern und die entscheidenden Mittler zwischen Gebern und Gastländern sind die Experten, die hauptsächlich als Gutachter, Projektleiter und Regierungsberater arbeiten. Die meisten Experten im Niger leben in einem schwer vorstellbaren Ausmaß isoliert von den Afrikanern. Weiße Wohnviertel, Geschäfte, Restaurants, Clubs, Parties und die französische Auslandsschule bilden das Ghetto, aus dem sie nie herauskommen, obwohl sie oft viele Jahre in Afrika zubringen. Sie erfahren kaum etwas über afrikanische Lebensverhältnisse, ohne deren Kenntnis keine Zusammenarbeit entstehen kann.

Die Hitze ist ein Lebenselement, das erfühlt haben muß, wer das Verhalten der Menschen verstehen will. Wer sein klimatisiertes Haus verläßt, um in ein klimatisiertes Auto zu steigen, das ihn zu seinem klimatisierten Büro bringt, lebt nicht wirklich in Afrika. Wenn man nicht versucht, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dem afrikanischen Leben auszusetzen, wird man es nicht begreifen. Die meisten Experten tun das nicht. Ein ausländischer Berater verdient — steuerfrei — leicht das Zwanzigfache der 600, — DM, die das Monatsgehalt eines gehobenen nigrischen Beamten ausmachen. Wenn, was häufig der Fall ist, diese beiden auf derselben hierarchischen Ebene eines Ministeriums nebeneinander arbeiten, kann man sich vorstellen, welch motivierende Wirkung davon auf den einheimischen Kollegen ausgehen mag. Die Bezahlung der Experten aus Entwicklungshilfemitteln ist ein in der deutschen Öffentlichkeit noch unentdecktes Ärgernis. Die üppigen Verhältnisse im Kampf gegen die Armut machen es verständlich, warum viele von ihnen, einmal draußen; nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren möchten.

Die Arbeit in Entwicklungsländern bedarf erheblicher intellektueller Anstrengungen und der ständigen Bereitschaft, sich mit den herausfordernden Umständen der Nord-Süd-Kooperation auseinanderzusetzen. Ein simpler Fall aus dem Alltag der Zusammenarbeit macht das deutlich.

Der ausländische Lehrer an einer Berufsschule braucht für seine Werkstatt eine neue Bohrmaschine. Nachdem er sich deswegen wiederholt und erfolglos an den nigrischen Schuldirektor gewandt hat, besteht er bei seinem ausländischen Projektleiter darauf, das Gerät aus Fremdmitteln zu besorgen. Dahinter steckt folgendes: Der Schuldirektor, der das Geld für die Beschaffung von Lehrmitteln — in diesem Fall — sehr wohl in seinem Budget hat, weiß aus Erfahrung ganz genau, daß er die Sache nur lange genug hinauszögern muß. Bald wird es dem ausländischen Lehrer zu bunt werden, und er wird die Bohrmaschine aus „eigenen“ Mitteln kaufen. Das bedeutet für den Direktor, daß er das Geld des Schulbudgets anderweitig verwenden kann und daß er, wenn er den Ausländer an dieses Verfahren gewöhnt, mit Materialbeschaffungen zukünftig keine Sorgen mehr haben wird. Der Lehrer fährt so besser, weil er schneller und unbürokratischer bekommt, was er braucht. Außerdem erlaubt ihm diese Handlungsweise, gegenüber der Schule als generöser Financier aufzutreten, freilich mit anderer Leute Geld — eine Gefahr, die im Alltag der Zusammenarbeit von erheblicher Bedeutung ist. Im Verhältnis zur Schulleitung ist das Ergebnis allerdings negativ: Der Direktor, eines Teiles der Budgetplanung ledig, erleidet so einen Kompetenzverlust, und die Schule gerät in neue Abhängigkeit. Das Verfahren ist für beide Seiten bequemer, aber es konterkariert Entwicklung.

Um sich ein Bild von den Schwierigkeiten zu machen, mit denen Ausländer in der Zusammenarbeit fertig werden müssen, genügt es nicht, einen solchen typischen Einzelfall hervorzuheben. Er ist ja in einen größeren kulturellen Rahmen eingepaßt, in dem sich zurechtzufinden erhebliche Anstrengungen erfordern kann, weil es oft so schwer fällt, das Denken und Verhalten des anderen zu verstehen. Das Büro, in dem ich in Niamey arbeitete, lag an einer der Hauptstraßen mit viel Autoverkehr. Der Nachtwächter kampierte mit seiner Familie wie üblich hinter dem Haus. Häufig und zu meinem Entsetzen sah ich, wie seine kleinen Kinder allein über die Straße liefen, während sich ihre Mutter hinter dem Hause aufhielt. Es war meines Erachtens abzusehen, daß das nicht lange gutgehen konnte. Aus einem Heimaturlaub nach Niamey zurückgekehrt, erfuhr ich, daß eines der Kinder beim Überqueren der Straße von einem Auto erfaßt und getötet worden war. Kurze Zeit später sah ich das gleiche Bild wie zuvor: ein kleines Kind des Nachtwächters, das gerade laufen konnte, mitten auf der Straße. Ich eilte hinter das Haus, wo ich in großer Familienrunde die Mutter sitzen sah, und redete erregt auf sie ein, ob sie denn schon bald ihr nächstes Kind verlieren wolle. Aber sie lächelte mich nur mitleidvoll an, als dächte sie: Welche Sorgen sich dieser arme Mensch macht! Ich war voller Wut und drohte ihr, sie beim nächsten solchen Fall des Grundstücks zu verweisen. Für das Verhalten dieser Mutter fehlte mir jedes Verständnis. Sie mußte doch erkennen können, wie gefährlich ihre Nachlässigkeit für ihre Kinder war, die sie gewiß genauso liebte, wie andere Mütter ihre Kinder lieben. Wie konnte sie das zulassen?

An das Gespräch, das ich am Abend desselben Tages mit einem klugen nigrischen Nachbarn führte, kann ich mich wegen meiner Ratlosigkeit gut erinnern. Ich hatte Schwierigkeiten, seinen Erklärungen dieses Verhaltens zu folgen. Dabei wunderte er sich wiederum — aus seiner Sicht wohl zu Recht — über mein borniertes Denken, weil mir einfach nicht in den Kopf wollte, daß die Nachtwächtersfrau angesichts der doch völlig eindeutigen Lage nicht anders reagiert hatte. Im Verständnis der Frau war vielleicht etwas ganz anderes eindeutig: daß es Gott gefallen hatte, das Leben ihres verunglückten Kindes an jenem Tage zu beenden, durch welchen äußeren Umstand auch immer.

Wer der Entwicklung dienen will, muß dazu bereit sein, sich den angedeuteten Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen immer wieder zu stellen. Er muß auch, wie der Fall des Berufsschullehrers zeigt, die Unbequemlichkeit des richtigen Weges auf sich nehmen. Zu dieser geistigen Herausforderung sind viele in der Entwicklungshilfe Tätige nicht fähig oder nicht mehr bereit, vor allem nach jahrelangen frustrierenden Erfahrungen. An die Stelle der beständigen Auseinandersetzung tritt bei ihnen oft Bequemlichkeit, die den Weg in Menschenverachtung und Rassismus bahnt. Die Entsendeorganisationen wählen die Experten diesbezüglich nicht gründlich genug aus.

Um mit der Regierung des Gastlandes engen Kontakt halten zu können, haben die Amerikaner, die Franzosen und die Europäische Gemeinschaft in Niamey personalstarke Vertretungen ihrer Entwicklungshilfeorganisationen aufgebaut, die in ständigem Dialog mit den einheimischen Behörden stehen. Wegen der Gefahr, zu einer Art Nebenregierung zu werden, sind sie zwar nicht unproblematisch, aber sie können Informationen sammeln, verarbeiten und kohärente Programme durchführen. Die Deutschen hatten nichts Vergleichbares. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), über die dem Niger in den Jahren 1985/86 60 Millionen DM an sogenannter Finanzieller Hilfe zur Verfügung gestellt wurden, war durch keinen Repräsentanten vor Ort vertreten. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hatte für denselben Zeitraum 35 Millionen DM zugesagt; auch sie arbeitete lediglich mit einem Abwicklungsbüro, das den genannten Vertretungen anderer Länder nicht vergleichbar war. Unter diesen Umständen wäre es das mindeste gewesen, die zahlreichen im Niger tätigen deutschen Entwicklungsfunktionäre zu erfassen und ihren Sachverstand so zu bündeln, daß dieser kontinuierlich für die Definition und Durchführung der deutschen Entwicklungshilfe hätte genutzt werden können. Das geschah nicht. Kontakte ergaben sich eher spontan und gemäß persönlichen Sympathien. Die Mitarbeiter in den Zentralen von GTZ und KfW sind von der Realität zu weit entfernt, um ein ausreichendes Bild von den Verhältnissen im Niger zu haben; gelegentliche Reisen genügen nicht. Die Beamten im Bonner Entwicklungsministerium (BMZ) sind überfordert. So muß der für den Niger und den Tschad zuständige Bearbeiter die Verwendung von etwa 80 Millionen DM in einer Vielzahl von Projekten verantworten, was auch bei fleißigstem Studium von Planungsunterlagen und Gutachten nicht möglich ist. Außerdem fehlt vielen von ihnen praktische Erfahrung in der Entwicklungshilfe. Was in der französischen Ministerialbürokratie für „Cooperation“ undenkbar wäre, daß man ohne'Praxiskenntnisse Projekte samt Finanzierung verwaltet, ist im BMZ nichts Ungewöhnliches'.

Um die Koordinierungsmängel zwischen Experten vor Ort und der Zentrale wettzumachen, schwärmte Anfang 1986 eine von der GTZ entsandte sechsköpfige Projektfindungskommission in den Niger aus, die für die nächsten deutsch-nigrischen Regierungsverhandlungen Möglichkeiten der technischen Zusammenarbeit aufspüren sollte. Da die GTZ viel Geld im Niger unterbringen muß, ist der Späher der tüchtigste, der besonders viele Projektvorschläge mit nach Hause bringt. Handelt es sich, wie in diesem Fall, um selbständige Gutachter, wirkt das Motiv der Menge um so mehr, da ja Anschlußaufträge von der GTZ zu sichern sind. Bei einer solchen Mission besteht die Gefahr, daß es mehr darum geht, Projekte unterzubringen als wirklichen Bedarf zu ermitteln. Das ist der erste Strukturfehler dieses Unternehmens. Zweitens macht es wenig Sinn, deutsche Hilfsmöglichkeiten von vornherein durch die Brille der technischen Zusammenarbeit zu betrachten. Vernünftiger wäre es gewesen, eine gemeinsame Kommission der großen staatlichen Hilfsorganisationen loszuschicken, die sich und den Nigrern die Frage gestellt hätte, welcher deutsche Beitrag zukünftig für die Entwicklung des Niger überhaupt geleistet werden könnte. Erst dann wäre die sekundäre Frage zu klären gewesen, ob daraus Projekte der finanziellen oder der technischen Zusammenarbeit gemacht werden sollten. Ein solches Verfahren ist aber nicht möglich, weil es selbst den staatlichen Organisationen, die aus demselben Bundeshaushalt finanziert werden, an Kooperationswillen mangelt. Die solcherart entstehende Entwicklungshilfe für den Niger bietet ein zerfahrenes Bild; ein einleuchtendes Konzept ist nicht erkennbar. Nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit mit diesem von Erosion schwer bedrohten Sahelland gibt es bisher kein einziges bedeutendes und von Deutschen finanziertes Forstprojekt; erst seit kurzer Zeit ist eines in Vorbereitung. Die deutsche Entwicklungshilfe hat ihren Schwerpunkt auf die Förderung der Stadtbewohner verlagert. Durch umfangreiche Bauprogramme werden in Niamey — für 60 000 DM das Stück — 16 öffentliche Dusch-und WC-Häuser errichtet. Haben wir den Afrikanern zum Thema Körperhygiene etwas beizubringen? Die Lösung von Problemen in diesem Bereich dürfen wir ihnen selbst zumuten, selbstverständlich vorausgesetzt, daß genügend Wasser vorhanden ist.

In einem der ärmsten Länder der Welt hat es die deutsche Entwicklungshilfe der letzten Jahre auf diese Weise fertiggebracht, mit über der Hälfte der eingesetzten Mittel nigrische Städte zu bedenken, in denen insgesamt nur 15 Prozent der Bevölkerung leben und in denen es, anders als in vielen lateinamerikanischen Städten, Slums oder Elendsviertel nicht gibt. Diese Praxis ist ein Beispiel dafür, wie Regierungen ihre ständig wiederholten Proklamationen vom Vorrang für die ländliche Entwicklung selbst nicht ernst nehmen.

Daß immer wieder große Projekte scheitern, daran hat man sich in der Zusammenarbeit gewöhnt. Das gilt selbstverständlich auch für die deutsche Hilfe. Besonders bemerkenswert ist es aber, wenn man miterlebt, wie sich schon beim Aufbau eines Projekts Beobachter darüber einig sind, daß hier eine neue Entwicklungsruine entsteht — so geschehen beim Bau sogenannter Kühlschlachthöfe in zwei Städten des Niger, zum Preis von je 5 Millionen DM. Unzureichende organisatorische Vorkehrungen und zu anspruchsvolle technische Ausstattung ließen einen Fehlschlag vorgeplant erscheinen.

Wenn man für das in einfachsten Verhältnissen lebende Volk in den Entwicklungsländern etwas tun will, muß man an dessen Möglichkeiten anknüpfen und bescheidene Mittel und Wege suchen, die die Menschen nicht überfordern. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie etwa Straßenbau, gilt die Regel, daß großes Geld für solche Basisprojekte nicht geeignet ist. Ein für das einfache Volk vorgesehenes Projekt, das im üblichen großen Stil der öffentlichen Geberorganisationen finanziert wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt.

Einige Regierungen, wie zum Beispiel die nigrische, haben erkannt, daß großes Geld Eigeninitiativen der Basis nicht fördert, sondern sie eher behindert; sie plädieren inzwischen für Klein-und Kleinstprojekte der ländlichen Entwicklung. Die Frage ist nur, ob potente Finanzorganisationen erstens überhaupt klein denken und zweitens solche Projekte abwickeln können. Nach den bisherigen Erfahrungen darf beides bezweifelt werden. Es scheint eher so zu sein, daß die großen Geber in ihren heutigen Organisationsformen zur Förderung der ländlichen Entwicklung im Grunde nicht geeignet sind. Die Tatsache, daß die gigantischen Summen der bisherigen Entwicklungshilfe im Sahel der Mehrheit der Bevölkerung kaum Nutzen gebracht haben, dürfte diese Meinung bestärken.

Ohne das große Geld ist aber die internationale Entwicklungsmaschinerie nicht lebensfähig. Weil sie einen erheblichen Teil der Mittel für den Eigen-konsum braucht, ist sie auf den Zugang zu großen Beträgen angewiesen. Andererseits sind die meisten Entwicklungsfunktionäre, auch wenn sie in Dritte-Welt-Ländern leben, so weit von den Verhältnissen der Menschen entfernt, daß sie sich nicht in deren Lage hineinversetzen können. Fast ständig überdimensionierte, zu großzügig ausgestattete Projekte und neue, unnötige Kapazitäten, die in der Logik der Geber liegen, aber der Entwicklung eher schaden, beweisen das.

Als eine Entwicklungshelferin, die ein bis dahin bescheiden finanziertes Erosionsschutzprojekt durchführte, erfuhr, welche Summe die GTZ dafür in den beiden Folgejahren aufwenden wollte, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. Obwohl in der neuen Projektphase einiges zusätzlich bezahlt werden mußte, handelte es sich, gemessen am bisherigen Bedarf, um eine mehrfache Überfinanzierung. Bezeichnenderweise hatte niemand mit ihr, die die Einzelheiten des Projekts am besten kannte, über die Finanzierungsplanung geredet.

Wenn sich herumspricht, daß irgendwo eine Entwicklungsmaßnahme erfolgreich läuft, stürzen sich die internationalen Organisationen darauf, um Geld loszuwerden. Die Herstellung und Verbreitung einfacher, holzsparender Öfen im Niger klappte nicht zuletzt deswegen gut, weil man sich bei der Förderung dieser Aktivitäten so weit wie möglich an schon bestehende Fabrikations-und Absatzstrukturen hielt und Fremdmittel nur begrenzt einsetzte — was zur Folge hatte, daß der ausländische Projektleiter das ihm von seiner Organisation zur Verfügung gestellte Geld nicht ausgeben konnte, weil auch hier Überfinanzierung vorlag. Da ereilte die um den vernünftigen Fortgang des Ofen-Programms besorgten Mitarbeiter die Schreckensnachricht, eine UNO-Unterorganisation wolle demnächst 300 000 US-Dollar über dem Projekt ausschütten, was die vorhersehbaren negaB tiven Konsequenzen gehabt hätte. In solchen Situationen ist in der Regel große Mühe nötig, um den „Segen“ abzuwenden.

Die gegenseitige Beeinflussung in jahrelanger Zusammenarbeit hat nämlich längst dazu geführt, daß einheimische Planer wissen, wie locker den Gebern das Geld sitzt. Kommt man bei dem einen nicht zum Zuge, klappt es bei einem anderen. In welch guter Verhandlungsposition sie sind, bekommt man bei Gesprächen über Projektplanungen schnell zu spüren. Die Erfahrung gibt ihnen recht. Immer wieder kann man feststellen, daß, wenn eine Organisation sich aus guten Gründen aus einem Vorhaben zurückgezogen hat, meistens bald eine andere da ist, um einzuspringen. Solche Usancen können nicht dazu führen, daß die einheimischen Entwicklungsbeamten sparsam planen und wirtschaften. Bevor man sich anstrengt, mit vorhandenen knappen Mitteln optimale Lösungen durchzusetzen, hat meistens schon das Gesetz der Größe gesiegt.

Mit Vertretern des Handwerks liefen längere Zeit Gespräche mit dem Ziel, in Niamey eine bescheidene Werkstatt einzurichten, in der Schreinerwerkzeug gewartet und unterhalten werden sollte — eine dringende Notwendigkeit, wie die Praxis zeigte. Aus grundsätzlichen Erwägungen war daran gedacht, daß die Schreiner, die von der Werkstatt profitieren würden, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu einen finanziellen Beitrag leisten. Um ihre Belastung in Grenzen zu halten, wollte man sich bei den zu beschaffenden Maschinen auf das unbedingt Nötige beschränken. Als der Chef der halbstaatlichen Agentur für Gewerbeförderung von den bis dato konstruktiv verlaufenden Gesprächen hörte, ließ er sie sofort beenden. Begründung: Eine derart kleinkarierte Lösung passe ihm nicht. Vielmehr wolle er bei einer ausländischen Organisation eine Studie für einen großen Werkstattkomplex in Auftrag geben, aufgrund derer dann eine schlüsselfertige Anlage geliefert werden könne, selbstverständlich mit Fremdmitteln finanziert.

In der staatlichen Entwicklungshilfe gibt es zuviel Geld. Mir ist kein einziges Projekt bekanntgeworden, das unter Geldmangel litt. Ich habe nicht ein erfolgreiches basisnahes Projekt gesehen, das teuer war, aber viele, deren Erfolg durch Überfinanzierung gefährdet schien. Mehrfach kam es vor, daß Warnrufe durch die Entwicklungsgemeinde gingen, wenn zum Beispiel die Ankunft von GTZ-Reisenden gemeldet wurde. Als ich einem dieser Entsandten sagte, sein Besuch wecke Befürchtungen, verstand er sofort: „Ich weiß, weil wir mit viel Geld kommen.“

Wie andere Länder wird auch der Niger mit Hilfe-offerten überschwemmt. Allein die ständigen Projektfindungskommissionen zu betreuen und deren Vorschläge zu bearbeiten, stellt die einheimische Verwaltung vor unlösbare Probleme. Ein nigrischer Provinzchef: „Wir ertrinken in Hilfe. Vor lauter Angeboten kommen wir nicht zum Nachdenken.“ Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen wirkt die Frage, wie und wann die deutsche öffentliche Entwicklungshilfe endlich die irrationale Marke von 0, 7 Prozent des Bruttosozialprodukts erreichen wird, abwegig. Sie gehört zu den Sekundärthemen der Entwicklungshilfe, mit denen sich die Bonner Diskussion mangels Kenntnis primärer Probleme gern beschäftigt. Außerdem macht sie einen Grundfehler deutlich, der unter Entwicklungspolitikem offenbar nicht auszumerzen ist, daß nämlich Hilfe vor allem unter quantitativen Gesichtspunkten beurteilt wird. Als hätten wir noch nicht bis zum Überdruß lernen müssen, welche Schäden zuviel Geld in der Zusammenarbeit verursachen kann.

In meinem Büro in Niamey las ich einen Artikel über Willy Brandts Vorschlag, einen neuen internationalen Entwicklungsfonds einzurichten, der durch Einsparungen bei Rüstungsausgaben finanziert werden sollte. Wie edel, dachte ich, nur hat das mit den Entwicklungsproblemen im Sahel nichts zu tun. In anderen Teilen der Dritten Welt mag das anders sein.

Wer es übrigens für besser hielte, einen größeren Teil der Hilfe über nicht-staatliche Organisationen in die Zusammenarbeit zu leiten, sollte nicht übersehen, daß die gute Arbeit vieler privater Träger durch zuviel Geld ebenfalls Schaden nehmen könnte. Auch in diesen Kreisen ist der „Mitteldruck“ kein Fremdwort. Das heißt, man kennt auch dort die Gefahr, daß man sich durch einen hohen Kontostand zu einer falschen Projektentscheidung verleiten läßt. Solche Situationen entstehen schnell, wenn durch Sonderaktionen wie den „Tag für Afrika“ plötzlich ungewohnt große Summen in die Kassen der Privaten fließen. Stetigkeit bei den Einnahmen wäre für diese Organisationen wichtiger.

Die ordnungsgemäße Verwendung von Hilfsgeldern ist schwer nachprüfbar. In Deutschland kann sich ein Rechnungsprüfer relativ gut in die zu durchleuchtenden Verhältnisse hineindenken, weil sie ihm in vielfacher Hinsicht zugänglich sind. In Prüfungsbereichen, die geographisch und kulturell weit von ihm entfernt sind, ist das ungleich schwieriger. Da kann man ihm viel erzählen. Die Niederlassungen der UNO in Entwicklungsländern entziehen sich organisatorisch und politisch noch mehr dem Zugriff von außen. Deswegen können sich hier Auswüchse besonders leicht entwickeln. Unterbeschäftigte Experten, Aufgabenüberschneidungen zwischen verschiedenenTochterorganisationen und Verwaltungswasserköpfe fielen im Niger auf. Die örtlichen Vertreter der UN-Organisationen wie UNICEF (Kinderhilfswerk), FAO (Landwirtschaft) und WHO (Gesundheit) genießen unnötigerweise diplomatischen Status und halten entsprechend Hof. Ein UNO-Vertreter im Botschafterrang würde genügen; die anderen sollten zu Büroleitem zurückgestuft werden. Der Arbeit würde das eher nützen. Aber die Kasse stimmt auch hier: Ein Universitätsprofessor, der während seiner zweimonatigen Semesterferien für die UNO im Niger eine Expertise anfertigte, konnte dafür pro Monat 13 000 DM kassieren, Spesen und Reisekosten extra.

Aufgrund von Unvermögen, aber wohl auch Abneigung, die eigenen Kreise stören zu lassen, werden die Aktivitäten der verschiedenen Geberorganisationen in einem Land bei weitem nicht genügend abgestimmt. So kann es passieren, daß man in einem Projekt, an dem man mitwirkt, plötzlich auf eine andere ausländische Organisation trifft, deren Arbeitsauftrag mit dem eigenen identisch ist. Selbst wo Institutionen voneinander wissen, daß sie auf demselben Sektor, in derselben Region arbeiten, ist es nicht ungewöhnlich, daß Erfahrungen nicht ausgetauscht werden. Die Folge ist kostspielige Doppelarbeit. Diese generelle Schwäche der Geber wird von den Entwicklungsländern natürlich erkannt und genutzt, aber langfristig sicher zum Nachteil für alle. Das Gebot wäre hier Abstimmung, nicht Frontbildung der Geber zu Lasten einheimischer Interessen.

IV.

Wer aus der gegenwärtigen Entwicklungsmisere lernen will, kann sich nicht darauf beschränken, Versagen der Geber anzuprangem. Schwere Entwicklungshindemisse bestehen auch auf Seiten der Länder, die den ökonomisch-technischen Fortschritt suchen — um den esja im wesentlichen geht, nicht etwa um sozialen oder gar moralischen Fortschritt, für dessen Verwirklichung bei uns wir die Hilfe der Entwicklungsländer gebrauchen könnten. Eine der folgenreichsten Schwächen der Zusammenarbeit liegt darin, daß die einheimischen Partner überwiegend oder, wie im Niger, fast immer staatliche Stellen sind. Obwohl die nigrische Verwaltung von Kennern als vergleichsweise effizient bezeichnet wird, kommt man an der Feststellung kaum vorbei, daß sie für die Entwicklung des Landes eine schwere Belastung darstellt. Was für sie zutrifft, dürfte in anderen Ländern der Region um so mehr gelten. Wer eine Amtsstube betritt, kann erleben, daß die Bediensteten an ihren Schreibtischen schlafen. Der Eintritt des Fremden bewirkt keineswegs jähes Erwachen. Im Zweifelsfall wird ihm sein Stören durch eine mißmutige Miene verdeutlicht. Es scheint nicht als unangenehm empfunden zu werden, wenn man dasitzt und nichts zu tun hat. Dieses Verhalten ist zwar aus der traditionellen afrikanischen Lebensweise heraus verständlich, aber den Fortschritt fördert es nicht.

Der Mangel an Arbeit ist darauf zurückzuführen, daß die Verwaltungen in vielen Entwicklungsländern hoffnungslos überbesetzt — der Staat ist der potenteste Arbeitgeber — und Macht und Verantwortung unzulänglich verteilt sind. Die häufigen Umstürze in der Dritten Welt zeigen, daß die nach-koloniale Macht auf schwachen Beinen steht. Wer sie besitzt, muß ständig um ihren Verlust fürchten und trifft Vorkehrungen zur ihrer Erhaltung. Dazu gehört, möglichst wenig Verantwortung zu delegieren, was zur Folge hat, daß, etwa in einem Ministerium, der Chef sich um alles, bis hin zu Kleinigkeiten, selbst kümmert. Ein Referatsleiter beklagte sich darüber, daß er nicht das Recht habe, den Empfang des Tätigkeitsberichtes einer Provinzbehörde brieflich zu bescheinigen oder einer nachgeordneten Verwaltungsstelle eine mangelhaft ausgestellte Quittung zurückzuschicken. Nicht einmal sein Amtsleiter darf das, weil der Minister sich die Unterschrift vorbehält. Dies und die Tatsache, daß das Spiel auf dem Instrumentarium einer modernen Verwaltung in einem jungen Staat weniger gut beherrscht wird, führt zu abstrusen Ergebnissen.

Der Urlaubsbescheid für einen Entwicklungshelfer, vom Minister persönlich unterzeichnet, zitiert sechs regierungsamtliche Verlautbarungen, von der Proklamation der Machtergreifung durch die Militärs vor dreizehn Jahren bis zur letzten Regierungsumbildung vor wenigen Monaten, bevor in Artikel eins verkündet wird, daß der Urlaub gewährt sei, und in Artikel zwei, daß alle betroffenen Stellen, sieben an der Zahl, von dieser Entscheidung unterrichtet würden. Weil alle Befugnisse in der Ministeriums-spitze konzentriert sind, entstehen dort Überlastung und Chaos, und in den unteren Etagen macht sich Müßiggang breit. Engagierte Beamte, entB scheidungsfreudig angetreten, werden nach einiger Zeit mut-und teilnahmslos. Die Verwaltung zieht zunächst personales Entwicklungspotential an, um es anschließend zu paralysieren. Bei der unzulänglichen Auslastung haben sich viele Beamte daran gewöhnt, für Scheinleistungen relativ gut bezahlt zu werden — was auf die allgemeine Arbeitsmoral einen verheerenden Einfluß hat.

Die Angst um die Macht erlaubt es nicht, daß anderen Freiräume zugestanden werden. Initiativen untergeordneter Mitarbeiter könnten als Zweifel an der Kompetenz des Chefs interpretiert werden und sind deswegen ungern gesehen. „Wenn ich durch Vorschläge auffalle,“ meinte ein Beamter, „wird mein Vorgesetzter denken, ich wolle seinen Posten.“ Ein an der Universität in Niamey lehrender Ökonom hatte im Rahmen seiner Forschungsarbeiten eine Studie über die wirtschaftliche Lage des Niger angefertigt, die er auch dem Staatspräsidenten zuleiten wollte. Aus dem Vorzimmer des Präsidenten erfuhr er: „Hatten Sie für die Erstellung der Studie eine Genehmigung? Wenn nicht, können wir sie leider nicht zur Kenntnis nehmen.“ Vorschriften werden sklavisch genau eingehalten. Bei einem mehrstündigen Zwischenaufenthalt in Abidjan mußte ich auf dem Flughafen das übliche Meldeblatt ausfüllen. Der Beamte schob es mir zurück, weil die Rubrik „Adresse in Abidjan“ leer geblieben war. Ich erklärte, ich wolle nur einen Stadtbummel machen und könne deshalb keine Adresse angeben. Ob des unwirscher werdenden Beamtenblicks meinte ein neben mir stehender Reisender: „Schreiben Sie einfach Grand Hotel.“ Ich tat’s und reichte das Dokument erneut ein, um es sogleich wieder zurückzubekommen. „Zimmernummer, bitte!“ wurde ich angeherrscht. Ich schrieb 47 und konnte ungehindert passieren. Die Verwaltung ist von enormer Umständlichkeit. Sie verheddert sich in sich selber. Schriftstücke gehen häufig verloren, deshalb müssen sie oft zweimal auf den Behördenweg gebracht werden.

Viele Beamte sind in westlichen Ländern ausgebildet oder zumindest im von Frankreich geprägten Bildungssystem auf das ehemalige koloniale Mutterland und auf Europa hin orientiert worden. Ihr äußerer Lebensstil und weitgehend auch ihr Denken sind den westlichen Lebensverhältnissen näher als den afrikanischen. Es wäre illusionär, etwas anderes zu erwarten. Die Folge ist nur, daß auch sie, wie die weißen Berater, der traditionellen Welt oft fremd gegenüberstehen, in der die meisten ihrer Landsleute leben.

Ihr Sinnen und Trachten ist in hohem Maße darauf gerichtet, sich und ihrer Familie einen westlichen Lebensstandard zu sichern. Nur reichen die schmalen Beamtenbezüge von umgerechnet 500 bis 600 DM im Monat bei weitem nicht aus, um Haushalte mit westlichen Accessoires wie Kühlschrank, Fernseher, Auto und dergleichen auszurüsten. Folglich lebt man über die Verhältnisse und gerät finanziell unter Druck, der noch durch die Verwandten, die nach afrikanischer Tradition ein Recht auf Teilnahme am gehobenen Standard ihres arrivierten Sprößlings haben, verstärkt wird. Die Weißen, den einheimischen Beamten dienstlich-hierarchisch untergeordnet oder gleichgestellt, aber unvergleichlich viel besser bezahlt, exerzieren gehobenen Lebensstil ständig vor und bewirken so ein übriges. Eine erhebliche Verschuldung ist unter solchen Bedingungen normal. Wo dieses Ventil nicht ausreicht, wird nicht selten eine zweifelhafte Methode gewählt, die den größten Quell des gegenseitigen Mißtrauens in der schwarz-weißen Zusammenarbeit bildet: die Umleitung einheimischer und ausländischer öffentlicher Mittel in private Kanäle, sprich: Unterschlagung. Der Druck in die Illegalität, dort wie bei uns bedingt durch das Auseinanderklaffen von Einkommen und Ansprüchen, dürfte in Ländern wie dem Niger stärker sein, da diese Diskrepanz bei der sogenannten modernen Elite in armen Ländern größer ist. Der Gegendruck, der zum Beispiel in Deutschland durch Rechnungsprüfung, Justiz und Presse erzeugt wird, ist im Niger wiederum schwächer, weil diese Mechanismen dort weniger ausgebaut und wirksam sind.

Die Bekämpfung der Unterschlagung aus dem System heraus ist unter anderem deswegen schwer möglich, weil das Anprangern von Mißständen kollegiale Solidarität erfordert. Diese ist bei dem hohen Maß an Überwachung kaum zu erzielen, wie mir Beamte häufiger versicherten. Einer allein könnte das Risiko nicht auf sich nehmen, weil er bei einem Scheitern seiner Aktion tief fiele, und ein bei uns gewohntes arbeits-und sozialrechtliches Netz finge ihn im Niger nicht auf. Die auf diese Weise begünstigte Unterschlagung behindert eine autonome Entwicklung des Niger nachhaltig, weil sie dem Gemeinwohl ständig Mittel entzieht und dazu führt, daß Verantwortung auf Afrikaner nicht in dem Maße übertragen wird, wie es nötig wäre, um größere Selbständigkeit zu erlangen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die private Aneignung öffentlicher Gelder wegen der afrikanischen Lebensumstände einigermaßen erklärlich ist. Das Aufeinanderprallen kraß unterschiedlicher Standards ist in Entwicklungsländern offensichtlich. Ein aus einem Militärdepot gestohlener Reifen bringt einem Soldaten das Zwanzigfache seines Monatssolds. Außerdem wird in der hochinte13 grierten afrikanischen Gesellschaft eine Trennung zwischen privatem und öffentlichem Eigentum wie bei uns nicht empfunden. Es scheint ein allgemeines Unrechtsbewußtsein zu fehlen, wenn jemand seinen Zugang zum staatlichen Futtertrog für sich nutzt. Ein Minister aus bescheidenen Verhältnissen, der wenige Monate nach seiner Amtsübernahme mehrere teure Privatautos fährt, ruft keine öffentliche Entrüstung hervor.

Aber alle Erklärungen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Folgen von Unterschlagung und Korruption horrend sind. Mein Vermieter in Niamey, ein ehemaliger Polizeioffizier, besaß mehr als zehn nach europäischem Standard gebaute Häuser. Vergleichsweise robuste Ökonomien in den Industrieländern mögen derlei Mißstände verkraften können, fragile afrikanische, die häufig ohnehin schon unrentabel organisiert sind, können es nicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist der gesamte nigrische öffentliche Sektor krank und aus eigener Kraft nicht lebensfähig.

Das Ausland spielt auch in der Verwaltung eine wesentliche Rolle. Berater sitzen in fast allen Ministerien und Behörden. Nicht selten sind sie einheimischen Fachkräften zugeordnet, deren Ausbildung ihrer eigenen in nichts nachsteht. Unterschiedlich sind eher Disziplin und Arbeitseinsatz. Ein nigrischer Ministerialdirektor: „Wenn ich einem einheimischen Kollegen und einem ausländischen Berater einen Auftrag gebe, werde ich vom Berater in absehbarer Zeit etwas mehr oder weniger Brauchbares bekommen. Bei meinem Landsmann kann ich mir da nicht sicher sein.“

In vielen Bereichen der Zusammenarbeit wird man auf absehbare Zeit noch nicht auf ausländische Experten verzichten können; aber solange qualifizierte einheimische Fachkräfte nicht ausgelastet sind, was im Niger und in vielen anderen afrikanischen Ländern in hohem Maße der Fall ist, stimmt die häufig vom BMZ verkündete These — jedenfalls so undifferenziert — nicht, daß der personale Beitrag der deutschen Entwicklungshilfe verstärkt werden müsse. Vielmehr könnte dies dazu führen, daß noch mehr als bisher von Einheimischen leistbare und zu leistende Arbeit durch Beiträge von außen substituiert, die Schwächen der Verwaltung weiter kaschiert und insgesamt damit fragwürdige Systeme stabilisiert werden.

Mittlere und besonders höhere Bedienstete'sind ständig Gäste ausländischer Organisationen wie der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) bei Tagungen, Konferenzen und Seminaren. Diese Programme dienen dem Meinungsaustausch und der Weiterbildung, aber in erheblichem Umfang auch dem Tourismus. Weil die finanziellen Bedingungen der damit verbundenen Reisen, vor allem die Spesen, im Verhältnis zu nigrischen Beamtenbezügen sehr vorteilhaft sind, stehen sie oft im Mittelpunkt des Interesses. Ein Behörden-chef erzählte mir erfreut von einer Einladung zu einer dreiwöchigen DSE-Veranstaltung im bayrischen Feldafing. Auf meine Frage, worum es denn da gehe, konnte er mir keine annähernd präzise Auskunft geben. Diese von einer Vielzahl internationaler Organisationen ausgesprochenen Einladungen degenerieren oft zu Einkaufsfahrten und entziehen den schwachen einheimischen Verwaltungen dringend benötigte Arbeitskraft.

Je enger der Kontakt eines nigrischen Beamten zu einem ausländischen Projekt ist, desto besser für ihn, denn desto mehr wird er von dessen materiellen Segnungen profitieren. Dazu können Dienstwagen und -wohnung, Reisen, Spesen und andere Annehmlichkeiten gehören. Eine Entwicklungshelferin wurde bei Fahrten in die Dörfer ihrer Umgebung regelmäßig von einem nigrischen Beamten begleitet. Nachdem der vor allem bei Sprachproblemen hilfreiche Mann längere Zeit nicht mehr erschienen war, fand sie heraus, daß in der Nähe ein neues Projekt eröffnet worden war. Dessen ausländische Financiers zahlten so hohe Spesen, daß der Beamte ihr für die Mitarbeit nicht mehr zur Verfügung stand. Ein deutscher Experte beklagte sich, daß Kanadier, die an seinem Projekt beteiligt waren, Spesen als Schmiergeld gebrauchten, um auf diese Weise nigrische Beamte dazu zu bewegen, Arbeiten auszuführen, zu denen sie sowieso dienstlich verpflichtet waren. Er werde dadurch unter Druck gesetzt, diesen Unsinn mitzumachen, wenn er auf weitere Mitarbeit Einheimischer hoffen wolle.

Das tollste Stück lieferte ein ausländischer Experte in einem Projekt für Brunnenbau. Vor Beginn der Bohrungen wurden üblicherweise mit den Dorfbewohnern Versammlungen abgehalten, um zu klären, ob sie überhaupt an einem modernen Brunnen interessiert und gegebenenfalls zu einer angemessenen Mitwirkung bereit seien. Um die Dörfler zum Erscheinen zu bewegen, zahlte er jedem Versammlungsteilnehmer ein unter diesen Umständen beträchtliches Handgeld von umgerechnet DM 6, 50. Spesen werden von Ausländem häufig benutzt, um kurzfristig positive Erfolgsbilanzen zu erzwingen. Daß damit langfristig die Arbeitsmoral verdorben wird und Vergütungsstrukturen etabliert werden, die vom nigrischen Staat nicht übernommen werden können, interessiert offenbar nicht. Solche fragwürdigen Praktiken, die von den Einheimischen verständlicherweise als vorteilhaft empB fanden werden, können keinen Nigrer dazu bringen, für sein Land eine von ausländischem Einfluß unabhängige Entwicklung anzustreben, da es sich in üppiger Abhängigkeit allemal angenehmer leben läßt als in powrer Unabhängigkeit. Das süße Gift der Entwicklungshilfe zeigt hier, und besonders bei den Staatsbediensteten, volle Wirkung.

Es erscheint einsichtig, daß ein so beschaffener Regierungs-und Verwaltungsapparat, der, nota bene, die gesamten öffentlichen Einnahmen konsumiert, kaum die Impulse und Gestaltungskräfte hervorbringen kann, die für den allseits erhofften Fortschritt notwendig wären. Staatschefs wie der Nigrer Seyni Kountchd sind sich der Lage bewußt und versuchen, den abwegigen Kurs zu ändern. Kountche hat Sanierungsprogramme eingeleitet, predigt Disziplin und Verantwortungsbewußtsein und hält seine Kritik an der Verwaltung nicht zurück — wie auch die Presse nicht, die zum Beispiel berichtete, daß „im öffentlichen Dienst die Mehrheit der Beschäftigten kaum fünfzig Prozent ihrer Zeit den Aufgaben widmet, für die sie bezahlt werden.“ Zweifel an der Wirksamkeit solcher Bemühungen sind erlaubt, weil zu wenige gegen zu viele stehen und die festgestellten Schwächen Teil der Mentalität geworden sind, soweit sie es noch nicht waren.

V.

Während Jahrhunderten hat es im Sahel — trotz der nicht zu übersehenden Blüte des Kultur-und Verwaltungslebens einzelner Reiche — in Handwerk, Land-und Hauswirtschaft kaum ökonomisch-technischen Fortschritt gegeben. Der Bauer, der heute noch den Boden mit der Hacke bearbeitet, den Reis mit dem Knüppel drischt, und die Frau, die den Mais zwischen zwei Steinen zerreibt, sind dafür ein Zeichen. Solche Stagnationen sind nicht typisch für den Sahel oder Afrika. Ähnlichen Stillstand gab es in Deutschland während vieler Jahrhunderte im für die Masse des Volkes wichtigsten Wirtschaftszweig, in der Agrarproduktion. Die heutige nigrische Gesellschaft weist, abgesehen von wichtigen Faktoren wie dem leistungsmindernden Klima, eine Reihe von Charakteristika auf, die helfen können, dieses Phänomen zu erklären.

Angesichts des kargen biologischen Angebots der Natur in dieser Randzone der Wüste ist es verständlich, daß Menschen hier nur in unbedingter Solidarität miteinander überleben konnten. Einer gibt dem anderen. Solange jemand hat, und sei es noch so wenig, gibt es für ihn keinen Grund, die Hand eines Notleidenden zurückzuweisen. Wenn die extrem hohe Arbeitslosigkeit in nigrischen Städten zu keinen menschlichen Katastrophen führt, dann deshalb, weil dieses Umverteilungssystem immer noch mit einer für uns schwer vorstellbaren Konsequenz funktioniert. Die Kehrseite ist, daß es ökonomischer Entwicklung im Wege stehen kann.

Ein Holzhändler in unserer Nachbarschaft antwortete auf meine Frage, ob er seinen bescheidenen Betrieb ausweiten wolle, daß er das niemals tun werde, weil ihm von einem zusätzlichen Gewinn nichts bleibe; dafür sorgten die Verwandten schon. Mehrfach habe ich erlebt, daß Angestellte ihren vollen Monatslohn nicht ausgezahlt haben wollten, aus Furcht vor dem Zugriff der Großfamilie. Ein auf Volkswagen spezialisierter Inhaber einer kleinen KFZ-Werkstatt, der aus einem Küstenland stammte, bat mich, ihm in einem größeren VW-Betrieb eine Fortbildung zu ermöglichen. Als ich in der togoischen Hauptstadt Lom eine Möglichkeit für ihn gefunden hatte, lehnte er mit der Begründung ab, dort habe er zuviele Verwandte.

Den Preis, den der einzelne in der traditionellen Gesellschaft für die Solidarität der anderen zu zahlen hatte, war Konformität. Die Gesellschaft forderte sie und konnte sie durchsetzen, weil Individualismus unter den Lebensbedingungen des Sahel keine Chance hatte. Konformität verträgt keinen Widerspruch und erlaubt kein Ausbrechen aus traditionellen Denkbahnen. Bei Diskussionen war das häufig zu spüren. Weiterführende Gedanken wurden auffallend oft nicht von nigrischen Gesprächsteilnehmem geäußert, dann aber wohl von ihnen aufgegriffen und mitgetragen. Vor allem, im Gespräch mit weniger gebildeten Leuten habe ich die nigrische Umgebung als Zustimmungsgesellschaft empfunden, bis hin zu grotesken Erscheinungen. Ein nigrischer Mitarbeiter konnte sich auf meine Frage hin mit mir daran erinnern, daß ich auf einer Reise einen bestimmten Gegenstand gekauft hatte — obwohl er, wie sich hinterher herausstellte, gar nicht mitgefahren war. Zweifache Zustimmung erlebte ich gelegentlich auch, wenn ich erst eines und darauf dessen Gegenteil sagte. Konformität läßt keinen Freiraum für persönliche Entfaltung und Initiative; sie führt vielmehr zu der Statik, die man heute noch in weiten Lebensbereichen findet. Trotz des Vordringens des monotheistischen Islams ist die nigrische Gesellschaft noch weitgehend im Animismus verwurzelt. Geisterwelt, Besessenheit und Zauber stehen einer rationalen Durchdringung der Umwelt entgegen. Wenn ich im Auto den Sicherheitsgurt anlegte, erregte ich damit öfters Heiterkeit bei den Mitfahrern, denen ich nicht klarmachen konnte, daß nachprüfbare Untersuchungen den Beweis für die lebenserhaltende Wirkung dieser Vorrichtung erbracht hätten. Als ich später dazu überging zu sagen, es handele sich um einen Fetisch, der Unfälle verhindere, schien ich gelegentlich besser verstanden zu werden.

Fatalistisches Verhalten, das seine Wurzeln sowohl in der afrikanischen Tradition als auch im Islam haben mag, ist weit verbreitet und beeinträchtigt die Dynamik, ohne die Entwicklung nicht möglich ist. Passives Verhalten gegenüber der Umwelt zeigt sich typisch in Kleinigkeiten. Ein Loch in der Straße wird, selbst wenn es gefährlich ist, von den Anliegern nicht zugemacht; man lernt, drumherumzufahren. An der Einbiegung zu unserer Straße hing ein Telefonkabel so tief, daß es jederzeit von einem LKW zerrissen werden konnte; jeder gewöhnte sich daran, ihm durch einen Bogen auszuweichen. Die meisten Afrikaner, die ich erlebte, schienen eher bereit zu sein, die Gegebenheiten zu akzeptieren, wie sie sind, als sie zu verändern — am Bestehenden eher zu leiden als es zu gestalten. Was man in Deutschland oft bis zum Krankhaften erlebt: nicht zufrieden sein mit dem, was man hat, reparieren, was defekt, ergänzen, was unvollständig ist, dieses ständige Drängen nach Mehr und Besserem — ich fand wenig davon.

Bei dem Versuch, das Versagen der bisherigen Entwicklungshilfe vor dem Hintergrund von Erfahrungen in dem als vorbildlich geltenden Sahelland Niger zu erklären, läßt sich folgendes zusammenfassend feststellen: Eine weitgehend durch Konformität, starre soziale und ökonomische Bindungen, Irrationalität (Geisterglaube, Fatalismus) und mangelnde Bildung geprägte Gesellschaft bringt keine günstigen Voraussetzungen für dynamische Entwicklung mit. Das ihr eigene Verständnis von Arbeit und Muße fördert menschliche Werte, aber keine materielle Entwicklung. Die moderne Entwicklungshilfe setzte eine gigantische Maschinerie in Gang, die schwerfällig ist und den Interessen der Betreiber mehr folgt als denen der Massen in der Dritten Welt. Indem sie Leistungen exportiert, statt Leistungen der Entwicklungsländer zu fördern, verletzt sie den Grundsatz der Subsidiarität. Sie ist unkoordiniert und gibt zuviel Geld aus. Ihre Partner sind zumeist staatliche Verwaltungen, die ihr an Schwerfälligkeit ähneln, einen großen Teil der knappen einheimischen Mittel verbrauchen und einen zu geringen Entwicklungsbeitrag leisten. Als Folge dieser Zusammenarbeit ist das Vertrauen in die eigene Kraft geringer geworden und eine Nehmerhaltung entstanden, die einen Verlust menschlicher Würde bedeutet.

Mißstände in der Entwicklungszusammenarbeit, und seien sie noch so gravierend, dürfen nicht dazu führen, daß wir die Hilfe einstellen und uns abwenden. Eine andere Art der Zuwendung ist nötig. Es liegt allerdings auf der Hand, daß tiefgreifende Fehlentwicklungen nur durch entsprechend weitgehende Korrekturen behoben werden können. Prämisse aller Überlegungen muß sein, daß, wo immer Menschen in Gefahr sind, an Hunger oder Krankheit zu sterben, wir alles tun werden, um ihr Leben zu erhalten. Gelegentlich veröffentlichte Meinungen, man müsse den Tod von Menschen in Entwicklungsländern heute in Kauf nehmen, um morgen die Potenzierung von Elend zu verhindern, sind unverantwortlich. Nothilfe muß aber erstens auf tatsächliche Katastrophen begrenzt werden, so schwierig das im konkreten Fall auch sein mag, und zweitens soll sie Entwicklungseffekte auslösen, wo das möglich ist. Wenn zum Beispiel in der Dürrezeit 1984 im Niger die Hirseemte zu gering ausfällt, in Ghana aber Maisüberschüsse produziert werden, sollte man zunächst die regionalen Reserven der Nahrungsmittelversorgung ausnutzen, ehe europäische oder amerikanische Getreideberge abgebaut werden.

Eigentliche Entwicklungsmaßnahmen müssen damit beginnen, daß man sich auf Prinzipien besinnt und diese anwendet. Das feierliche Absingen des Hohen Liedes der Entwicklungshilfe, wonach es besser ist, einen Hungernden das Fischen zu lehren, als ihn mit Fischen zu füttern, macht allein noch keine Politik, schon gar nicht, wenn in der Tat ständig Fisch geliefert wird, wie es heute überwiegend geschieht. Das Subsidiaritätsprinzip ist streng anzuwenden: nur unbedingt nötige Hilfe und solche, die so bald wie möglich zum Leben ohne Hilfe befähigt. Fischen zu lehren genügt nicht. Auch die Fertigkeit, Angel und Netz selber herzustellen, muß übertragen werden. Das hieße der Entwicklung mehr Qualität geben. Mangelnde Quantität ist fürwahr nicht das Problem der deutschen staatlichen Hilfe im Sahel, auch der übrigen internationalen nicht. Zuviel Quantität hat mehr Schaden angerichtet als Gutes getan. Qualität aber, im Sinne der Armen, fördert zunächst keine Beschäftigung in den Geberländem, die Fischexport betreiben und Fischereigeräte herstellen. Wenn aber unter diesen Armen ein selbsttragender Entwicklungsprozeß zustande gekommen ist, werden sie später vielleicht so potente Handelspartner, daß sie in Industrieländern Fischverarbeitungsmaschinen kaufen. Einem armen Land wie dem Niger Hilfe mit hohem deutschem Beschäftigungseffekt anzubieten, verstößt daher nicht nur gegen die Sub-B sidiarität, sondern auch gegen ökonomische Weit-sicht.

Entwicklung ist Prozeß und nicht Ergebnis. Hilfe zur Entwicklung muß also Prozeßhilfe und nicht Produkthilfe sein. Ein Produkt kann entweder — mit einfachen Mitteln — beschäftigungswirksam im Entwicklungsland oder — durch die Fabrikation von Industriegütern und den Einsatz von Experten — beschäftigungswirksam im Ausland hergestellt werden. Solange die Industrieländer Entwicklungshilfe als Leistungsexport begreifen, behindern sie in armen Ländern Entwicklungsprozesse. Sie fördern damit die Erhaltung von Almosengesellschaften, an denen sie auf die Dauer kein ökonomisches Interesse haben können. Die Alternative zwischen Produkt und Prozeß ist nicht künstlich; sie ist in vielen Fällen anwendbar. Die Erfahrung hat gezeigt, daß solche Projekte am erfolgreichsten waren, in denen sich der Außenbeitrag im wesentlichen auf Prozeßhilfe beschränkte.

Wichtiger, als den Menschen die Chance zu lassen, sich zu entwickeln, ist allerdings, daß sie die Voraussetzungen für Entwicklung besitzen. Diese sind die Fähigkeit zur Entwicklung und der Antrieb, diese Fähigkeit einzusetzen. Zum letzteren Bereich, der Entwicklungsdynamik, haben wir als Außenstehende am schwersten Zugang. Beobachtern und Beratern macht es immer wieder Probleme zu sehen, daß nichts oder nicht genug getan wird, wo doch klar zu sein scheint, was getan werden müßte. Dieser Antrieb, der ein zentraler Faktor für Entwicklung ist, läßt sich von außen kaum beeinflussen; er muß aus der Gesellschaft selber heraus entstehen.

Es gibt allerdings ermutigende Fälle, die zeigen, wie Entwicklungsdynamik wächst. Dazu gehört im Niger die rapide Ausbreitung des Bewässerungslandbaus nach der Dürre von 1984. In weiten Teilen des Landes gibt es Senken, in denen sich während der Regenzeit das Wasser sammelt und, je nach Größe der Senke, oft lange stehenbleibt. Selbst wenn es versickert ist, kann man es meistens aus ein bis drei Meter tiefen Brunnen, die schnell gegraben sind, nach oben holen. In diesen Senken oder an ihrem Rand sind die Bedingungen für Bewässerungslandbau in der Trockenzeit günstig. Als im Spätsommer 1984 feststand, daß die Ernteausfälle erheblich sein würden, startete die Regierung, statt nur die Hände für internationale Hilfe aufzuhalten, eine landesweite Kampagne zur Ausschöpfung des Wasserpotentials in vielen tausend Senken vor allem für den Anbau von Gemüse. Vielerorts, in Schulen, Vereinen, Dörfern und Stadtvierteln, entfalteten sich erstaunliche Aktivitäten, die auch im folgenden Jahr noch anhielten. Selbstverständlich gab es für diese Bemühungen auch ausländische Unterstützung in der Form von Material und Beratung, aber das Hauptgewicht lag doch bei den Einheimischen selber, sowohl bei der Regierung als auch beim Volk.

VI.

Sowenig Hilfe zur Entstehung von Dynamik beitragen kann, sosehr hat sie die Möglichkeit, die Befähigung zur Entwicklung zu fördern. Das Instrument dazu ist Bildung. Auf Mangel an Bildung stößt man in der Entwicklungshilfe ständig. Erfolglos versucht man, Bauern den Genossenschaftsgedanken näher-zubringen. Aber wie sollen sie dem auch trauen, wenn sie wegen fehlender Rechenkenntnisse die Buchführung der Kooperative schon nicht kontrollieren können? Schulungen von Landwirten erwiesen sich als schwierig, weil es diesen Probleme bereitet, Objekte auf Demonstrationsschaubildern mit denen der Wirklichkeit zu identifizieren. Was sollen Anweisungen in Hygiene, wenn die Leute glauben, Krankheiten seien das Werk von Geistern? Wie kann man auch nur Ahnungen wirtschaftlicher Zusammenhänge erhoffen, wenn doch angeblich Allah alles schenkt? Und daß viele moderne Maschinen und Anlagen in kürzester Zeit ruiniert sind, ist auch auf ungenügendes technisches Grundwissen zurückzuführen. Es gehört zu den spektakulärsten Verirrungen der Entwicklungszusammenarbeit, jahrzehntelang Landwirtschaft, Technik und Gesundheit gefördert, aber vorher nicht die Bildungsvoraussetzungen dafür geschaffen zu haben, daß diese Maßnahmen in das Leben der Menschen integriert werden konnten.

Da irrationale und animistische Vorstellungen in hohem Maße Bemühungen um moderne Entwicklung behindern, ist Bildung nötig, um das so geprägte Naturverständnis zu entmythologisieren und den Weg für eine rationalere Gestaltung der Umwelt freizumachen. Bildung kann in reichem Maße brachliegende Intelligenz mobilisieren, Chancengleichheit beim Zugang zu modernem Wissen begünstigen und das Machtmonopol der herrschenden Schicht aufbrechen. Sieht man die schlimmen Verzerrungen bei der gesellschaftlichen Verteilung von Entwicklungshilfe, so wird verständlich, daß der letzte Punkt der wichtigste sein könnte. Wissen ist Macht. Das Volk braucht Bildung, um seine Interessen formen, artikulieren und durchsetzen zu können. Die Erfahrung lehrt, daß es naiv ist, anzunehmen, die am Futtertrog würden schon dafür sorgen, daß alles gerecht verteilt wird.

Die verfügbaren Zahlen über die Bildungssituation in Dritte-Welt-Ländern sind in der Regel etliche Jahre alt und nur bedingt zuverlässig. Trotz dieser Einschränkung sprechen sie eine deutliche Sprache:

1982 wurde in 24 von 36 untersuchten afrikanischen Staaten über die Hälfte der Bevölkerung als Analphabeten gezählt. Die Einschulungsrate der schulpflichtigen Kinder liegt in mehreren Sahel-Ländern heute noch unter 25 Prozent, im Niger zum Beispiel bei 20 Prozent. Klassenwiederholungen und vorzeitige Abgänge sind oft extrem häufig. Weniger als die Hälfte der nigrischen Grundschüler absolviert die sechsjährige Schulzeit.

Obwohl solche Tatsachen kaum Zweifel an dem lassen dürften, was entwicklungspolitisch geboten ist, begegnen die Befürworter verstärkter Bildungsanstrengungen in der Entwicklungshilfe deutlicher Kritik. Dabei wird im wesentlichen nicht der Sinn der Bildungshilfe an sich in Frage gestellt, sondern die Kritik knüpft überwiegend an der Praxis an, die in den letzten Jahrzehnten in der Tat erhebliche Mißstände hervorgebracht hat. Sie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Bildung ist in vielen Entwicklungsländern ein Vehikel für die Oberschicht, ihren Kindern Herrschaftsvorsprünge zu sichern; für diese Kinder wird seitens des Staates ein erheblich größerer Aufwand getrieben als für die der Masse der Bevölkerung. Die Bildungsziele sind nicht auf die Bedürfnisse der zumeist ländlichen Volksmehrheit ausgerichtet, sie orientieren sich vielmehr an der kulturellen Hinterlassenschaft der Kolonialherren, von der die Oberschicht profitiert. Die Schule entfremdet die Kinder ihrer angestammten Umgebung und verdrängt — vor allem in den frankophonen Ländern — die Muttersprachen. Statt dessen müssen Jahre darauf verwandt werden, daß die Kinder sich zunächst die koloniale Amts-und Unterrichtssprache aneignen. Nicht Problemlösungskompetenz, sondern Passivität und Anpassung werden gefördert. Alphabetisierungskampagnen, hauptsächlich für die verspätete Bildung von Erwachsenen, sind weitgehend gescheitert.

Die verschiedenen Kritikpunkte können mit zahlreichen Beispielen belegt werden, aber sie sind nicht die ganze Wahrheit. Eine große Anzahl von Untersuchungen der Weltbank zeigen die entwicklungsfördernde Wirkung von Bildung in vielen Ländern der Dritten Welt. Das gilt besonders für die schulische Grunderziehung. So wurde deutlich, daß Bauern mit einer vierjährigen Grunderziehung mehr produzierten als die Vergleichgruppen ohne solche Bildung. Sie waren gegenüber modernen Anbaumethoden offener und wußten sie besser anzuwenden. Landwirtschaftliche Beratung wurde von ihnen bereitwilliger in Anspruch genommen. In der Tendenz erhöht Bildung das Einkommen. Familien mit höherem Einkommen können mehr Geld für ihre Gesundheit ausgeben. Gesunde Kinder lernen besser und fehlen weniger in der Schule. So schließt sich der Kreis. Bildung wirkt noch in anderer Weise auf die Gesundheit ein: Sie verdeutlicht deren Beeinflußbarkeit und erhöht deren Wertschätzung. Die Bildung von Frauen ist nicht nur entscheidend für den Ernährungszustand der Kinder. Was die Mutter gelernt hat, prägt ganz allgemein das Schicksal der Familie und besonders die Erziehungschancen der Kinder in weit höherem Maße als das, was der Vater gelernt hat.

Bildungshilfe muß bei der Grunderziehung der großen Masse der Bevölkerung in den Entwicklungsländern beginnen, zumal angesichts der in vielen Ländern katastrophalen Verhältnisse in diesem Bereich. Die Bundesregierung erkennt das an. In ihren programmatischen Äußerungen räumt sie der Grundbildung eine bevorzugte Stellung ein und bezieht sich dabei ausdrücklich auf einschlägige Untersuchungen der Weltbank. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Seit 1980 wurde im Durchschnitt weniger als ein halbes Prozent der bilateralen Entwicklungshilfe für Grunderziehung aufgewandt — ein den Notwendigkeiten sinnvoller Entwicklungsförderung ganz und gar unangemessener Betrag. Mehr als zehnmal soviel Geld wurde für technische Ausbildung zur Verfügung gestellt.

Ansätze für die Unterstützung überzeugender Grundbildungsprogramme gibt es genug. Dazu gehören die seit einigen Jahren im Niger betriebenen „Experimentalschulen“, die den Unterricht auf der Benutzung der Muttersprachen aufbauen und ihn auf die Erfahrungen und Bedürfnisse der afrikanischen Umwelt ausrichten, nicht zuletzt durch praktische Übungen in Landwirtschaft und Viehzucht. Die Ergebnisse dieser Schulversuche sind vergleichsweise hervorragend. Bildungshilfe muß sich auch Neues einfallen lassen und zum Beispiel die Frage stellen, ob es angesichts der Tatsache, daß es hier um Investitionen in Humankapital geht, gerechtfertigt wäre, von dem an sich vernünftigen Grundsatz abzugehen, nach dem in der Zusammenarbeit möglichst keine laufenden Kosten übernommen werden sollen.

Die Bevorzugung einer Bildung für die breite Bevölkerung läuft den Interessen der Oligarchien in vielen Dritte-Welt-Ländern zuwider. Die Bundesregierung sollte sich nicht scheuen, den neuerdings besonders gepflegten „Politikdialog“ für die Interessen der bisher Benachteiligten einzusetzen. In dem Maße, in dem durch mehr Bildung die Entwicklungsfähigkeit der Menschen gestärkt wird, muß ihnen allerdings mehr Verantwortung für das eigene Fortkommen zugemutet werden, als es bisher der Fall ist. Nach einigen Erfahrungen in der Entwicklungspolitik kleidete ich diese Grunderkenntnis in einen einfachen Satz, um sie — in die Haussa-Sprache übersetzt und auf meine Visitenkarte gedruckt — auf diese Weise meinen nigrischen Gesprächspartnern gegenüber zu dokumentieren. Der Satz lautete: Ci gaban kassa na hannun yen kassa. Das heißt: Die Entwicklung des Landes liegt in den Händen des Volkes. Es drückte zutreffend aus, was ich in einfacheren Worten vorgegeben hatte: Entwicklung ist, was man selber macht. Bei den in weiten Bereichen der Entwicklungshilfe skandalösen Zuständen wäre es unverantwortlich, wie bisher weiterzumachen. Die Extremforderung, die heute von verschiedenen Seiten erhoben wird, die Hilfe schlicht einzustellen, ist dagegen ebenso falsch. Richtig wäre es, sich auf die Grundvoraussetzungen von Entwicklung zu besinnen und als Beitrag von außen die Bildungshilfe in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen.

Fussnoten

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Kurt Gerhardt, geb. 1942; Journalist; seit 1968 beim Westdeutschen Rundfunk in Köln als Reporter und Redakteur im Hörfunk; von 1978 bis 1982 Mitarbeiter im WDR-Studio Bonn, danach Beurlaubung für eine dreijährige Tätigkeit als Landesbeauftragter des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) im westafrikanischen Land Niger; seit April 1986 Leiter der WDR-Hörfunksendung „Mittagsmagazin“. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit R. Neudeck) Sorgenkind Entwicklungshilfe, Bergisch Gladbach 1987 (im Erscheinen).