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Zurückkehren oder bleiben? Zur wirtschaftlichen Situation von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 24/1988 | bpb.de

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APuZ 24/1988 Die Bundesrepublik Deutschland -ein unerklärtes Einwanderungsland Zurückkehren oder bleiben? Zur wirtschaftlichen Situation von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland Das schwedische Modell. Erfahrungen mit dem kommunalen Wahlrecht für Ausländer Verfassungsrechtliche Probleme des Ausländerwahlrechts Der Ausländer als Untertan — ein Dauerzustand?

Zurückkehren oder bleiben? Zur wirtschaftlichen Situation von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland

Regine Erichsen

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Bedingungen für die Wanderungen in die hochindustrialisierten Länder Mitteleuropas haben sich seit den fünfziger Jahren spürbar geändert. Auch in der Bundesrepublik führten Wirtschaftskrisen zu konjunkturellen Einbrüchen und einer Verschlechterung der Beschäftigungslage. Ausländischen Arbeitskräften wurde durch den Anwerbestopp von 1973 der Zuzug verwehrt, und in den achtziger Jahren wurde zugleich vor allem die Rückkehr der Bürger von Nicht-EG-Staaten gefördert. Die Wirtschaftslage in den Herkunftsländern bietet keine günstigen Reintegrationsmöglichkeiten, wie das Beispiel Türkei zeigt. Dies verfestigt die Absicht der Ausländer, trotz hoher Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben. Sie entwickeln mit zunehmender Aufenthaltsdauer ein positives Verhältnis zur Wahlheimat. Der für Ausländer besonders hohen Arbeitslosigkeit begegnen insbesondere Türken und Jugoslawen seit den achtziger Jahren zunehmend mit wirtschaftlichen Existenzgründungen, wodurch sie auch Arbeitsplätze schaffen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Ausländer in der Bundesrepublik liegt darüber hinaus nach wie vor in der wichtigen Rolle, die sie als Arbeitskräfte in bestimmten Wirtschaftszweigen haben. Bedeutsam sind die 4, 5 Millionen Ausländer zudem auch als Konsumenten. Sparer, Renten-und Steuerzahler. Ausländer der zweiten und dritten Generation könnten in den kommenden Jahrzehnten wesentlich dazu beitragen, den zu erwartenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken.

I. Ausländerbeschäftigung und ausländische Wohnbevölkerung

Tabelle 1: Entwicklung der Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung sowie der ausländischen Arbeitnehmer. Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesanstalt für Arbeit; Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Grund für die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte war Mitte der fünfziger Jahre ein wachsender Arbeitskräftebedarf deutscher Betriebe, der nicht mehr aus dem einheimischen Arbeitskräftepotential gedeckt werden konnte. Beim Abschluß der Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Regierungen Italiens, Spaniens, Griechenlands, der Türkei. Marokkos. Portugals, Tunesiens und Jugoslawiens zur Anwerbung von Arbeitskräften (1955 bis 1968) waren wirtschaftliche Erwägungen von der Annahme begleitet, die Ausländer würden nur vorübergehend bleiben und nach dem Erreichen ihrer finanziellen Ziele ins Herkunftsland zurückkehren

Tabelle 4: Zukunftspläne türkischer Arbeitnehmer nach der Rückkehr in die Heimat. Quelle: Ömer Sengül. Das Sparverhalten der türkischen Arbeitnehmer und dessen Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei. Diss. Bonn 1980. S. 46.

Dies entsprach auch den Plänen der Ausländer selbst, die mit dem im Anwerbeland erarbeiteten Geld in der Heimat so rasch wie möglich eine bessere Existenz aufbauen wollten. Doch zeigte sich bald, daß eine Aufenthaltsdauer von vier bis sechs Jahren nicht ausreichte, um genügend Kapital anzusparen. Die Ausländer blieben und holten ihre Familien nach. Ihre Zahl wuchs, und mit dem Zuzug der Familien nahm die ausländische Wohnbevölkerung zu. Ein Blick auf die Entwicklung der Ausländerzahlen zeigt zunächst gewisse Pendelbewegungen. aber schließlich eine Stabilisierung oberhalb eines Niveaus von deutlich über vier Millionen.

Tabelle 5: „Und wie lange glauben Sie, daß Sie noch hier in Deutschland bleiben?“ Angaben in Prozent, N = 1 500 . Quelle: Informationen zur Raumentwicklung. (1985) 8. S. 452. Zeitraum der Befragung 1979 1980 1982

Wie Tabelle 1 zeigt, erreichte die Zahl der sozial-versicherungspflichtig beschäftigten Ausländer 1973 mit ca. 6 Millionen ihren bislang höchsten Stand. Bis 1978 ging ihre Zahl um über 730 000 zurück, um ab 1979 erneut anzusteigen. Neuer Höhepunkt war 1980 mit knapp über zwei Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern. Danach weist die Statistik einen Rückgang um rund eine halbe Million aus. Seit 1985 jedoch wächst die Zahl erneut an. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit war im Juni 1987 ein Stand von 1 588 859 2) erreicht; davon waren 518 423 bzw. 32, 6 Prozent abhängig beschäftigte Türken. Für die achtziger Jahre kann man also von ca. 1, 6 Millionen ausländischen Beschäftigten ausgehen.

Geplanter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (in Prozent) mehrjähriger Aufenthalt Türken Jugoslawen Italiener Griechen Spanier Portugiesen Gesamt. Quelle: Peter König/Günther Schultze/Rita Wessel. Situation der ausländischen Arbeitnehmer mit ihren Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland — Repräsentativuntersuchung 1985, Bonn 1986. S. 467.

Die ausländische Wohnbevölkerung wuchs in den siebziger Jahren ebenfalls auf eine bis dahin nicht gekannte Größe an Nach rückläufigen Zahlen zwischen 1975 bis 1978 wurde 1982 eine neue Höchstzahl von über 6 Millionen registriert. Anders als die Zahl der ausländischen Beschäftigten ist die Zahl der in der Bundesrepublik wohnenden Ausländer nicht mehr unter den Stand der siebziger Jahre gefallen. Sie schwankt in den achtziger Jahren um rund 4, Millionen und zeigt steigende Tendenz. Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung liegt damit zwar mit 7, 6 Prozent unter dem der Schweiz (14, 6 Prozent) und Belgiens (9 Prozent), aber über dem Ausländeranteil anderer EG-Länder 4).

Geldanlagen ausländischer Arbeitnehmer Anlageform 1973 1974 1975 1976 1978 1985 1986 . Quelle:MARPLAN-Forschungsgesellschaft GmbH. Ausländer in Deutschland 1986.

Auch die Zusammensetzung der ausländischen Wohnbevölkerung nach Nationalitäten hat sich seit der Anwerbung verändert. Anfang der sechziger Jahre kam noch etwa die Hälfte der Ausländer aus Staaten der Europäischen Gemeinschaft, während es 1987 nur noch 29. 8 Prozent gegenüber 70, 2 Prozent 5) Angehörigen von Nicht-EG-Ländem waren. Diese Verschiebung erscheint um so gravierender, wenn man bedenkt, daß ehemalige Anwerbeländer wie Spanien, Griechenland und Portugal inzwischen zur EG gehören. Die stärkste Gruppe unter der ausländischen Wohnbevölkerung und den ausländischen Beschäftigten bilden die Türken. Ihre Gesamtzahl hat sich in den letzten 18 Jahren vervierfacht und liegt seit 1980 bei über 1. 4 Millionen. 1986) Es handelt sich bei den neu hinzukommenden Ausländern vermehrt um Asylbewerber. Auch das Wanderungssaldo der Türken, die an den Abwanderungen in den achtziger Jahren den relativ stärksten Anteil hatten, ist inzwischen wieder positiv. Der Höhepunkt ihrer Abwanderung war 1984 mit 179 400 türkischen Remigranten. Von 1985 bis 1987 hat die Zahl der Türken wieder um 56 600 Personen zugenommen

II. Rahmenbedingungen der Migration

Tabelle 2: Beschäftigte und arbeitslose Deutsche und Ausländer . Quelle: Statistisches Bundesamt: Bundesanstalt für Arbeit.

Zustrom, Verbleib oder Rückkehr der Ausländer sind u. a. abhängig von wirtschaftlichen und politischen Bedingungen im Herkunfts-wie im Aufnah-meland aber auch von entsprechenden ausländerpolitischen Maßnahmen. 1. Ausländerpolitische Maßnahmen Ein ausländerpolitisches Instrumentarium zur Steuerung der Zuwanderung bzw.der Rückkehr von Ausländern wurde in der Bundesrepublik eingesetzt, als sich im Zuge wirtschaftlicher Rezessionen eine Verschlechterung der Beschäftigungslage abzeichnete. Infolge des Konjunktureinbruchs nach dem „Ölschock“ überstieg 1973/1974 die Zahl der Arbeitslosen die der offenen Stellen. Ausländerpolitische Maßnahmen wie der Anwerbestopp im Jahre 1973 oder die Verabschiedung des Rückkehrförderungsgesetzes im Jahre 1983 sollten eine Entlastung des Arbeitsmarktes herbeiführen.

Tabelle 8: Erwerbsstruktur 1961,. Quellen: Statistisches Bundesamt. Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung; eigene Berechnungen.

Die Maßnahmen zur Begrenzung der Ausländer-zahlen zielten insbesondere auf Ausländer aus Nicht-EG-Ländern. zumal Arbeitskräften aus EG-Ländern gemäß den Römischen Verträgen Freizügigkeit nicht grundsätzlich verwehrt werden kann Gerade die Zahl der Ausländer aus Nicht-EG-Ländern war gestiegen, und hier wiederum insbesondere die der Türken, die auf dem Wege der Familienzusammenführung Familienmitglieder nachholten, so daß auch nach dem Anwerbestopp noch Arbeitskräfte nachwanderten. 1980 wurde für Türken ein Visumszwang eingeführt. 1981 wurden die Bedingungen des Nachzugs des Ehegatten verschärft und der Nachzug der Kinder auf unter 16jährige beschränkt.

Daneben richteten sich die Maßnahmen zugleich auf die Integration der schon längere Zeit in der Bundesrepublik lebenden Ausländer. Dabei wird die Eingliederung der ausländischen Jugendlichen auch heute als die größte Integrationsaufgabe betrachtet. Im Zentrum der Integrationsinstanzen stehen die Bildungseinrichtungen von den Kindergärten bis zur Hochschule, in denen speziell für Ausländer Förderungsmaßnahmen angeboten werden. Ein weiterer wichtiger Förderungsbereich ist der Übergang von der Schule zum Beruf.

Die ausländerpolitischen Maßnahmen verfolgen also die Ziele Integration und Begrenzung der Zahl der Ausländer. Diese Ziele waren in den ausländer-politischen Grundpositionen der sozial-liberalen Bundesregierung 1982 wie folgt formuliert: „Die Ausländerpolitik der Bundesregierung ist darauf gerichtet.

— die weitere Zuwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik wirksam zu begrenzen.

— die Rückkehrbereitschaft zu stärken sowie — die wirtschaftliche und soziale Integration der seit vielen Jahren in der Bundesrepublik lebenden Ausländer zu verbessern und ihr Aufenthaltsrecht zu präzisieren.“

In diesem „magischen Zieldreieck“ — Begrenzung der Zuwanderung. Stärkung der Rückkehrbereitschaft. wirtschaftliche und soziale Integration der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer — wurde ein Minimalkonsens zwischen divergierenden ausländerpolitischen Konzepten formuliert.

Nach dem Ende der sozial-liberalen Koalition im Jahre 1982 hielt die christlich-liberale Bundesregierung ausdrücklich an diesem Zieldreieck fest. Beibehalten wurde auch die Annahme einer Interdependenz der „Eckpfeiler“ dieser Zielkonzeption: Nur durch Senkung der Ausländerzahlen durch Rückkehrförderung und Begrenzung des weiteren Zuzugs sei die Integration der bereits in der Bundesrepublik lebenden Ausländer zu verwirklichen. Im März 1987 hat Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung das Festhalten an den ausländerpolitischen Grundpositionen von 1982 noch einmal bestätigt.

Heinz Kühn, ehemaliger Ausländerbeauftragter der Bundesregierung, hat in einem Memorandum 1979 konstatiert, daß eine vorbehaltlose Eingliederung der bleibewilligen Ausländer die Anerkennung der faktischen Einwanderungssituation erforderlich mache. Es wird jedoch von der Bundesregierung daran festgehalten, daß die Bundesrepublik Deutschland kein Einwanderungsland sei. Sie ist aber auch in immer geringerem Maße ein „Abwanderungsland“.

Viele Ausländer blieben auch angesichts von Beschäftigungskrisen und Rückkehrförderung. Inzwischen sind 59, 7 Prozent von ihnen länger als zehn Jahre in der Bundesrepublik; 68. 8 Prozent der ausländischen Kinder und Jugendlichen sind bereits hier geboren Tabelle 1 zeigt, daß die Zahl der Ausländer heute insgesamt seit dem Anwerbestopp von 1973 gestiegen ist. An diesem Anstieg haben die Türken den Hauptanteil, also gerade die Gruppe, auf die die Maßnahmen zur Rückkehrförderung in besonderem Maße gerichtet waren. Auch im Hinblick auf das beschäftigungspolitische Ziel der Arbeitsmarktentlastung wurde mit der staatlich geförderten Rückkehraktion kein durchschlagender Effekt erzielt. Allerdings lag der Anteil der Rückkehrer an den ausländischen Erwerbspersonen 1984, bedingt durch die Rückkehrhilfe, etwa genau so hoch wie während der Rezession in den siebziger Jahren (10, 2 Prozent im Jahre 1975 und zehn Prozent im Jahre 1984)

Aber mit der Erhöhung des Anteils von Familienangehörigen an der Zahl der Ausländer sank die Erwerbsquote, d. h.der Anteil der Erwerbspersonen an der ausländischen Wohnbevölkerung fiel von 1975 mit 52 Prozent auf 45, 3 Prozent im Jahre 1986 Eine geringere Zahl von ausländischen Arbeitnehmern muß also eine größere Zahl von nicht erwerbsfähigen oder nicht erwerbstätigen Familienangehörigen ernähren. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen bei Deutschen und Ausländern. * Tabelle 2 macht den besonders hohen Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Ausländem in den achtziger Jahren deutlich. Die Arbeitslosenquote ist unter den Türken noch höher als bei anderen Ausländergruppen. sie betrug nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Juni 1986 14, 3 Prozent. 2. Die Beschäftigungslage der Ausländer Die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit unter Ausländem läßt sich auf einen Wandel der Branchen-und Beschäftigungsstruktur in der Bundesrepublik zurückführen. Bei geringem Wirtschaftswachstum und generell steigender Arbeitslosigkeit verzeichnet die bundesdeutsche Wirtschaft eine Arbeitsplatzabnahme in der Industrie und vor allem in Landwirtschaft. Baugewerbe und Bergbau. Dem steht ein expandierender Dienstleistungssektor mit einer Zunahme an Arbeitsplätzen gegenüber. Im produzierenden Bereich gingen von 1974 bis 1985 ca. 1. 6 Millionen Arbeitsplätze verloren, während im Dienstleistungssektor rund 1, 26 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden Um die Bedeutung dieser Umstrukturierungen für die ausländischen Beschäftigten einschätzen zu können, ist ein Blick auf die Verteilung der Ausländerbeschäftigung nach Wirtschaftszweigen notwendig.

Traditionelle Schwerpunkte der Ausländerbeschäftigung sind das verarbeitende Gewerbe, der Dienstleistungsbereich (hier besonders das Gaststättengewerbe) und das Baugewerbe. Von der rückläufigen Entwicklung der Beschäftigung waren ausländische Arbeitnehmer hauptsächlich im verarbeitenden Gewerbe (1980 bis 1984: — 354 000 oder — 29, 8 Prozent) und im Baugewerbe (1980 bis 1984: — 54 700 oder — 25, 1 Prozent) betroffen Nach den Italienern hatten in den Jahren 1980 bis 1984 die Türken, die vor allem im Bau-und im verarbeitenden Gewerbe tätig sind, den stärksten Verlust von Arbeitsplätzen zu verzeichnen (Italiener — 30, 8 Prozent; Türken — 15, 4 Prozent)

Die ausländischen Arbeitnehmer waren nur wenig am Wachstum im Dienstleistungsbereich beteiligt. Ein Arbeitsplatzverlust im produzierenden Bereich wurde nicht durch Arbeitsplatzgewinne im Dienstleistungsbereich kompensiert Ausländer haben im Dienstleistungssektor geringere Chancen als Deutsche, insbesondere dort, wo die Anfordemngen an die Kompetenz zur Informationsverarbeitung und an die deutschen Sprachkenntnisse wachsen. Zudem wirkt sich auch das gegenüber Deutschen allgemein geringere Ausbildungsniveau der Ausländer aus (siehe Schaubild S. Ausländer sind mehr als Deutsche als Angelernte beschäftigt, dagegen weniger als qualifizierte und gelernte Arbeitnehmer.

Betrachtet man die Qualifikationsstruktur im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit bei Ausländem, so ergibt sich für 1984 folgendes Bild: Mehr als vier Fünftel der arbeitslosen Ausländer verfügte nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, davon Türken zu 93. 1 Prozent, Italiener zu 89, 9 Prozent, Griechen zu 88. 7 Prozent. Portugiesen zu 88. 1 Prozent. Spanier zu 82, 2 Prozent und Jugoslawen zu 80, 9 Prozent 19).

Die Situation der Ausländer wird zudem dadurch erschwert, daß sie, einmal arbeitslos, nur schwer wieder vermittelt werden können. Der Grund hierfür liegt nicht zuletzt in arbeits-und aufenthalts-rechtlichen Bestimmungen für Ausländer aus Nicht-EG-Staaten: „Häufig bleiben Stellen unbesetzt. obwohl ausländische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, oder Arbeitgeber stellen Deutsche ein. nachdem sie Ausländer mit der Begründung abgewiesen haben, die Stellen seien bereits besetzt. Hinzu kommt, daß viele Ausländer nicht vermittelt werden können, weil der Vermittlungsvorrang der Deutschen und der Angehörigen der EG-Staaten sie an der Übernahme von — ihnen zum Teil von den Arbeitgebern sogar angebotenen — Arbeitsplätzen hindert.“ Die Quote der abgelehnten Anträge von Ausländem auf eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis betrug 1986 acht Prozent, das entspricht 9 575 Ablehnungen

Mit den genannten ausländerpolitischen Maßnahmen und der Beschäftigungslage sind nicht die gesamten Faktoren dargestellt, die der Entscheidung der Ausländer für Rückkehr oder Verbleib zugrunde liegen können. Hinzu kommt eine Vielfalt weiterer Faktoren — vom Ausländerrecht und seiner Anwendung bis hin zum sozialen Klima und zu gewissen ausländerfeindlichen Tendenzen in der Bundesrepublik. Aber schon die beschriebenen Elemente der Bedingungsstruktur zeigen, unter welchem Druck Ausländer in der Bundesrepublik bei ihrer Lebensplanung stehen. 3. Erwartungen der Rückkehrer und die Situation im Herkunftsland — das Beispiel der Türken Als ein weiterer wesentlicher Bedingungskomplex, der die Entscheidung der Ausländer für Rückkehr oder für Verbleib beeinflussen kann, ist die Beschäftigungssituation im Herkunftsland zu nennen. Die wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Situation im Herkunftsland kann vor allem deshalb die Lebensplanung der Ausländer in der Bundesrepublik beeinflussen, weil inzwischen zahlreiche Remigranten im Heimatland Erfahrungen sammeln konnten.

Für die in die Heimat zurückkehrenden Arbeitsmigranten kann angenommen werden, daß „falsche Vorstellungen und Fehleinschätzungen über den sozialen Status in der Heimat und die Möglichkeit der Gründung einer selbständigen Existenz bei den Rückkehrern vorlagen. Durchweg mußten längere Zeiten von Arbeitslosigkeit in Kauf genommen werden, insgesamt stellte sich die berufliche Reintegration als das größte Problem heraus.“

Im folgenden sollen die mit der Rückkehr verbundenen Erwartungen und Probleme am Fallbeispiel der Türken skizziert werden.

Dabei muß man sich zunächst vor Augen führen, mit welchen Zielen die Türken die Arbeitsmigration angetreten haben. Bei der Rückkehr haben die Remigranten versucht, die Wünsche zu realisieren, die sie schon mit der Entscheidung zur Migration in das Anwerbeland verbunden hatten. Wie für andere Migranten so waren auch für Türken Armut, Arbeitslosigkeit und der Wunsch, Geld zu verdienen, wesentliche Gründe für den Entschluß, im Ausland Arbeit zu suchen

Diese Motive spiegeln objektive Bedingungen wider: Bedenkt man, daß die türkischen Migranten — auch wenn sie vor der Einreise in die Bundesrepublik das „Zwischenstadium“ einer Binnenwanderung in die Metropolen der Türkei durchlaufen — aus ländlichen Gebieten stammen, so wird die Rolle der dortigen wirtschaftlichen Lage als „push“ -Faktor für die Migration deutlich Hier konnten Ende der sechziger Jahre 52, 1 Prozent der Bevölkerung die Lebenshaltungskosten nicht aus dem Ackerbau decken Auch in den achtziger Jahren ist mehr als die Hälfte der türkischen Arbeitnehmer in der Landwirtschaft beschäftigt (1984 59, 9 Prozent) Sie sind in der Regel nicht sozialversichert und verfügen im Vergleich zu den Beschäftigten im Dienstleistungssektor und in der Industrie über ein sehr niedriges Pro-Kopf-Einkommen.

Ein weiterer Grund für die Migration ist die hohe Arbeitslosigkeit. Während die Arbeitslosenquote nach offiziellen Angaben 1962 bei 11, 2 Prozent lag, stieg sie 1975 auf 13. 3 Prozent und 1985 schließlich auf 20, 9 Prozent Von einer hohen Dunkelziffer von Arbeitslosen ist auszugehen, da es keine Arbeitslosenversicherung gibt, mit deren Hilfe die Arbeitslosen exakt erfaßt werden könnten.

Angesichts dieser Situation ist verständlich, daß die Mehrzahl der türkischen Arbeitsmigranten sich nach der Rückkehr selbständig machen wollte (siehe Tabelle 4). Nach einem „Existenzaufbauplan“ verwendeten sie ihre Ersparnisse erst für Immobilien und schließlich für unternehmerische Tätigkeiten

Aber gerade als Unternehmer hatten sie wenig Erfolg. Die Rückkehrer sind vor allem als Händler. Kaffeehausbesitzer. Taxifahrer oder Restaurantbesitzer im ohnehin übersättigten Dienstleistungssektor der Türkei tätig. Früher Arbeitnehmer, besitzen sie keine Grundlagenkenntnis für ihre neue Tätigkeit. Dem Wettbewerb durch eingesessene Gewerbetreibende sind sie nicht gewachsen, da sie die einheimische Marktsituation nicht kennen Die harte Konkurrenz führte — auch angesichts der Monopolisierungstendenzen in der türkischen Wirtschaft — häufig zum Scheitern der Reintegration.

Auch ein auf Initiative türkischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik entwickeltes Reintegrationsmodell, die türkischen Arbeitnehmergesellschaften („Türkisches Modell“), führte nicht zum gewünschten Erfolg. Die Arbeitnehmergesellschaften sind Aktiengesellschaften, deren Aktionäre mit der Gründung industrieller Unternehmungen einen Beitrag zur Entwicklung und Industrialisierung ihres Heimatortes leisten wollten. Im Mittelpunkt ihrer Zielsetzung stand außerdem der Wunsch, sich für die spätere Rückkehr in die Türkei einen Arbeitsplatz zu sichern. Darüber hinaus hofften die Aktionäre auf eine zusätzliche Einkommensquelle in Form einer Dividende. Die erste Arbeitnehmer-gesellschaft „Türksan“ in Köln mit mehr als 2 300 Aktionären investierte in eine Tapeten-und Papier-fabrik. Ihr folgte die „Ibir-Holding" mit einem Projekt zur Produktion von Kunststoffmaterial

Diese Initiativen wurden auch von deutscher Seite seit 1972 im Anschluß an das deutsch-türkische Ankara-Abkommen zur Wiedereingliederung der Türken in die Heimat finanziell unterstützt. Aber Absatzmöglichkeiten und Konkurrenz wurden zu wenig berücksichtigt. Es fehlten auch entsprechende Beratungseinrichtungen in der Türkei und in der Bundesrepublik. Zu Problemen des Managements und des Marketings kamen Engpässe bei der Beschaffung mittel-und langfristiger Kredite und Devisenschwierigkeiten. So konnte das Hauptziel der Aktionäre, sich für die Rückkehr einen Arbeitsplatz zu schaffen, nicht in gewünschtem Maße realisiert werden. Nach einer Untersuchung über die Arbeitnehmergesellschaften im Jahre 1980 hatten 32 Gesellschaften mit etwa 72 000 Aktionären 3 815 neue Arbeitsp Gesellschaften mit etwa 72 000 Aktionären 3 815 neue Arbeitsplätze errichtet. Das heißt, daß nur jeder 19. Aktionär mit einem Arbeitsplatz rechnen konnte. Grund hierfür war neben den erwähnten Problemen auch die Beschäftigungspraxis der Gesellschaften, die Arbeitslose aus der Umgebung zum Mindestlohn einstellten und nicht rückkehrende Aktionäre. Insgesamt wurden nur fünf Prozent der geschaffenen Arbeitsplätze von Rückkehrern eingenommen 31).

Die Hoffnungen auf eine jährliche Dividende zerschlugen sich ebenfalls weitgehend. Einige wenige Gesellschaften schütten eine Dividende von etwa zehn Prozent aus. Viele ehemals von Arbeitnehmern gegründete Betriebe sind inzwischen in die Hände von Banken und der türkischen Großindustrie übergegangen 32).

Als Folge dieser Probleme legte die Mehrzahl der Rückkehrer das angesparte Kapital bei Banken an. um von den Zinsen zu leben. Zwar sind die Zinssätze in der Türkei sehr hoch, doch das Kapital verliert aufgrund der hohen Inflationsrate rasch an Wert, so daß die Anlage keine dauerhafte Existenzsicherung für die Rückkehrer bietet.

Die Beschäftigungssituation in der Türkei als allgemeine Bedingung für die Migration, aber auch als Bedingung für erfolgreiche Wiedereingliederung ist aufgrund der neuen liberalen Wirtschaftspolitik der Regierung Özal in den achtziger Jahren denkbar schlecht, wie das starke Ansteigen der Arbeitslosenzahlen zeigt. Auch besondere Rückkehrförderungsmaßnahmen haben nicht „gegriffen“. Vereinfacht gesagt, üben die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen im Aufnahmeland also Druck in Richtung auf Remigration der Ausländer aus, während auf der anderen Seite der Druck in den Heimatländern auf Arbeitsmigration auch für Rückkehrer bestehen bleibt. Wofür entscheiden sich die Ausländer angesichts dieses Dilemmas?

III. Zurückkehren oder bleiben?

Diese Frage ist an die Ausländer in der Bundesrepublik Frage nach Rückkehr oder Verbleib scheint seit den siebziger Jahren von Politikern. inzwischen eindeutig beantwortbar: Die Ausländer. und Akteuren der Ausländerpolitik die in der Bundesrepublik leben, wollen in in Verwaltung und Recht immer wieder gestellt immer größerer Zahl bleiben. Diejenigen, die nicht worden. Dies insbesondere immer dann, wenn das wissen, wie lange sie bleiben wollen, beantworten ausländerpolitische Instrumentarium zur Förderung Frage durch ihr Verhalten. Sie bleiben immer der Rückkehr oder zur Beschränkung des Zuzugs Auch ihre Verbleibsperspektive änderte zum Einsatz kam. Zur Zeit liegt der Schwerpunkt wie Tabelle 5 zeigt.

auf der Begrenzung des Zuzugs von Ausländern, vor allem von Asylbewerbern.

Vergleicht man die Daten aus Tabelle 5 mit denen einer Repräsentativuntersuchung aus dem Jahre 1985 so ist festzustellen, daß inzwischen nur noch 33 Prozent der Ausländer sich über ihren Verbleib nicht sicher sind, 49 Prozent länger bleiben wollen und nur 17, 6 Prozent explizit einen mehljährigen Aufenthalt ausschließen (siehe Tabelle 6). Die Zahl der Unentschlossenen ist bei Türken und Griechen besonders hoch. Es läßt sich aber für die Gruppe der Unentschlossenen die Hypothese aufstellen, daß auch sie nicht in nächster Zukunft in die Heimat zurückkehren werden: 63 Prozent aller Befragten gaben 1985 an. länger als ursprünglich geplant geblieben zu sein, nur 11 Prozent konnten genaue Angaben zum geplanten Zeitpunkt der Rückkehr machen Berücksichtigt man zudem die Bedingungen, von denen die Befragten die Rückkehr abhängig machten, wird noch deutlicher, daß Remigration unwahrscheinlich ist. Häufig genannte Bedingung war nämlich die Möglichkeit, eine Arbeit zu finden oder sich selbständig zu machen — bei der schlechten Beschäftigungslage in den Herkunftsländern eine wenig aussichtsreiche Hoffnung.

Allerdings wäre es falsch anzunehmen, daß Ausländer nur deshalb bleiben, weil sie in den Herkunftsländern wenig Chancen zur Reintegration haben. Nach Gründen für den dauerhaften oder mehrjährigen Aufenthalt befragt, gab fast die Hälfte der Befragten der Ausländerrepräsentativuntersuchung von 1985 positive Gründe für den Verbleib in der Bundesrepublik an. so z. B.. daß sie sich in der Bundesrepublik wohlfühlten, daß die Familie hier sei und die Kinder hier zur Schule gingen Dies war auch bei Türken so, die bisher als diejenige Ausländergruppe mit den größten Integrationsproblemen in der Bundesrepublik galten. Wenn nun die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer zu längerem Verbleib, ja zum Daueraufenthalt neigen, was bedeutet dies für die bundesdeutsche Wirtschaft und für die Erwerbschancen der Ausländer?

IV. Die Bedeutung der Ausländer für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik

Ausländerbeschäftigung in ausgewählten Wirtschaftszweigen. Stand vom 31. März 1985. Quelle: Bundesanstalt für Arbeit.

In den letzten Jahren haben sich die wirtschaftliche Lage und die Erwerbsmöglichkeiten auch für Ausländer verschlechtert; es besteht so ein direkter und indirekter Rückkehrdruck. Dennoch ist — darüber sind sich Experten einig — die Ausländerbeschäftigung ein unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Volkswirtschaft. Die in diesem Zusammenhang oft vertretene Ansicht, daß Ausländer durch deutsche Arbeitslose ersetzt werden könnten, erweist sich als falsch, wenn man die Struktur des Arbeitsmarktes in Betracht zieht: „Fast die Hälfte der Arbeitslosen sind Frauen, die in vielen Bereichen der Ausländer-beschäftigung wie Hoch-und Tiefbau, Untertagebau, Gießereien. Schwerindustrie. Fahrzeugmontage und in der Nachtschicht nicht eingesetzt werden können. Auch gibt es regionale Schwerpunkte der Ausländerbeschäftigung, in denen eine ausreichende Zahl deutscher Arbeitssuchender nicht zur Verfügung steht. Schon heute deuten sich in einigen Gebieten und Gewerbezweigen erste Schwierigkeiten bei der Gewinnung geeigneter Arbeitskräfte an/Dies gilt sogar für den Bereich der ungelernten. Auch zeigt ein Vergleich von Arbeitslosenquoten und Ausländerbeschäftigung, daß vielfach bei niedrigem Ausländeranteil die allgemeine Arbeitslosigkeit größer ist als in Gebieten mit hoher Ausländer-beschäftigung und umgekehrt.“

Nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch als Verbraucher. als Steuer-und Rentenzahler, als Inve-stören und als Arbeitgeber haben die Ausländer Bedeutung in der deutschen Volkswirtschaft erlangt. Das Absinken der Erwerbsquote bei Ausländern in Zusammenhang mit der Zunahme der Wohnbevölkerung wurde oben erwähnt. Mit zusätzlichem Ansteigen der Ausländerarbeitslosigkeit sank ihr Beitrag am Bruttosozialprodukt im Verhältnis zum Verbrauch. Eine Verminderung der Zahl der Ausländer würde also als Verminderung eines nicht unerheblichen Nachfragepotentials ins Gewicht fallen. Mit der Zunahme der Wohnbevölkerung geht auch eine Veränderung des Sparverhaltens einher. Da die Familien nun größtenteils in der Bundesrepublik zusammenleben, wird weniger Geld ins Herkunftsland transferiert. So wurden 1984 rund 8, 3 Milliarden DM überwiesen (nach Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien, Griechenland und in die Türkei), 1986 waren es nur 5, 3 Milliarden DM

Ausländer geben ihr Geld nicht nur für den Lebensunterhalt in Deutschland aus. Sie kaufen vielfach langlebige Konsumgüter (mit dem Schwerpunkt auf Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten sowie Möbeln und Kraftfahrzeugen). Nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Marplan von 1981 geben die Ausländer hierfür mehr aus als vergleichbare deutsche Verbraucher. Insgesamt wird weniger gespart, und wenn Geld angelegt wird, dann zunehmend in einer Form, die eine gewisse Integration deutlich macht. Ausländer nehmen in wachsendem Maße deutsche Geldinstitute in Anspruch und bevorzugen zunehmend auch Anlageformen wie Lebensversicherungen und Bausparverträge (siehe Tabelle 7).

Zudem ist, z. B. bei Türken, festzustellen, daß geplante Immobilienkäufe häufig in der Bundesrepublik getätigt werden; ihre Bausparverträge verwenden Ausländer für den Kauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung in der Bundesrepublik

Die Beiträge der Ausländer zu den Rentenkassen sind im Blick auf ihre allgemeine Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft ebenfalls beachtlich. Jährlich zahlen sie ca. acht bis zehn Milliarden DM in die Rentenkassen, ohne in gleichem Maße Renten in Anspruch zu nehmen wie die Deutschen. Ihr Beitrag als Steuerzahler liegt allein in der Lohn-und Einkommensteuer bei mindestens zehn Milliarden DM im Jahr (ohne Umsatz-und Verbrauchssteuern oder sonstige Gebühren und Abgaben).

In den achtziger Jahren hat darüber hinaus die unternehmerische Aktivität der Ausländer zugenommen. Es sind vor allem Türken und Jugoslawen, also Angehörige der Nicht-EG-Länder, die sich in den letzten Jahren selbständig gemacht haben.

Tabelle 8 zeigt, daß der Anteil der Selbständigen an den ausländischen Erwerbspersonen zunimmt, während er bei deutschen Erwerbspersonen sinkt. Die Zahl der selbständigen Ausländer liegt nach den Angaben des Statistischen Bundesamts zum Mikrozensus vom Juni 1986 bei 149 000. Die tatsächliche Zahl dürfte indessen noch höher sein, denn für Angehörige der Nicht-EG-Länder ist die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit an bestimmte Auflagen gebunden, die sie durch das Einstellen fiktiver deutscher Betriebsinhaber umgehen. So betrug die Zahl türkischer Selbständiger im Jahre 1986 offiziell 17 000. Schätzungen gehen aber von Zahlen zwischen 22 000 bis 30 000 aus.

Auch wenn diese Betriebe zumeist Kleinunternehmen sind, werden hier weitere Sparsummen von Ausländem investiert, mit denen zugleich Arbeitsplätze geschaffen werden. Repräsentative Daten für das gesamte Bundesgebiet liegen noch nicht vor. Zwei auf 315 bzw. 153 türkische Betriebe bezogene Erhebungen des Zentrums für Türkeistudien im Rhein-Ruhr-Gebiet zeigen, daß durchschnittlich drei bis vier Arbeitsplätze pro Betrieb geschaffen wurden. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen haben die türkischen Betriebe, die hauptsächlich in der Lebensmittelbranche und Gastronomie angesiedelt sind, im übrigen eine gemischte Kundschaft aus Deutschen und Ausländem. Sie sind damit auch auf den deutschen Markt orientiert.

Dieser kurze Überblick über die Bedeutung der Ausländer für die deutsche Volkswirtschaft zeigt, daß Ausländer sich auch in ihrem wirtschaftlichen Verhalten auf ein Leben in der Bundesrepublik festlegen. Anstatt im Herkunftsland haben sie z. T. ihre Zukunftspläne in der Bundesrepublik verwirklicht. Der Betrieb, das hier erworbene Grundstück oder Haus wird sicher nicht ohne weiteres aufgegeben werden. Das Wirtschaftsverhalten ist auf eine Zukunft in der Bundesrepublik gerichtet.

V. Ausblick

Schaubild : Qualifikationen von deutschen und ausländischen Erwerbstätigen (1980) .Qualifizierte Gelernte Angelernte Ungelernte ‘ 80 Quelle: BALD-Bildungsarbeit mit ausländischen und deutschen Arbeitnehmern. (1986) 1, S. 7.

Die zukünftige Entwicklung der Erwerbssituation der Ausländer in der Bundesrepublik ist schwer zu prognostizieren. Im allgemeinen werden für eine Einschätzung demographische Entwicklungsmodelle zugrunde gelegt. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes geht die Zahl der deutschen Bevölkerung bis zum Jahr 2000 um 3. 5 Millionen zurück. Anderen Berechnungen zufolge beträgt die Abnahme nur 2, 4 Millionen. Der Abnahme der deutschen Bevölkerung steht — darin gleichen sich die Prognosen — eine etwa konstant bleibende Zahl von Ausländem gegenüber; allerdings ist auch diese Aussage mit Vorbehalten versehen: Es bestehen bei den Modellrechnungen Unsicherheiten über das zukünftige Wanderungsverhalten der Ausländer.

Mit dem Rückgang der Bevölkerung geht eine Altersverschiebung einher, die für die Erwerbsstruktur bedeutsam ist: Spätestens ab Mitte der neunziger Jahre werden sehr starke Geburtenjahrgänge zwischen 50 und 60 Jahre alt sein. Das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung wird folglich deutlich ansteigen, zumal auch weniger Jugendliche ins Erwerbsleben eintreten. Schon in den kommenden Jahren wird sich die Zahl der deutschen Schulabgänger auf nahezu die Hälfte der heutigen Jahrgangsstärke vermindern.

Während die Zahl der deutschen Kinder und Jugendlichen bis zum Jahr 2000 um 1. 8 Millionen zurückgeht, nimmt die der ausländischen Kinder und Jugendlichen wesentlich weniger ab Hierin liegt eine Chance für ausländische Jugendliche der zweiten und dritten Generation. Während bei der Ver-flechtung der Ausländerbeschäftigung mit bestimmten Wirtschaftszweigen die Zukunft der erwerbstätigen Ausländer der ersten Generation von der Entwicklung dieser Wirtschaftszweige abhängt, kann die zweite und dritte Generation der Ausländer in die Lücke eintreten, die mit dem Rückgang bei der deutschen Bevölkerung entsteht. Die ausländischen Jugendlichen können hier den Mangel an Nachwuchskräften ausgleichen.

Heute bleiben nur fünf Prozent der deutschen Jugendlichen ohne Berufsausbildung, d. h. die Aus-bildungsreserven sind hier weitgehend ausgeschöpft. Ausbildungsreserven bei ausländischen Jugendlichen der zweiten und dritten Generation könnten hingegen noch aktiviert werden, denn 1986 waren, bei abnehmendem Trend, noch 67 Prozent der ausländischen Jugendlichen ohne Berufsausbildung Dies zeigt noch einmal mehr die Bedeutung der Förderung auch der jungen Ausländer durch berufsintegrierende Maßnahmen.

Es bestehen also durchaus Möglichkeiten der dauerhaften Eingliederung auch der nachwachsenden Generationen der Ausländer. Gerade von ihnen ist anzunehmen, daß sie, schon hier geboren, bleiben wollen. Es wäre zu wünschen, daß sie in Zukunft bessere rechtliche Rahmenbedingungen für ein dauerndes Leben in der Bundesrepublik vorfinden. Insgesamt gesehen ist ihre Integration, ob in Schule. Beruf, Gesellschaft oder Wirtschaft, nicht isoliert von einer politischen Integration zu betrachten. Erst die Möglichkeit zur vollen politischen Mitbestimmung macht sie zu Mitbürgern, die ihre Zukunft in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aktiv mitgestalten können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Diese Annahme wurde in Konzepten zur Ausländerbeschäftigung als „Rotationsmodell“ bezeichnet, dem zufolge das „Gastarbeiterpotential" alle zwei bis vier Jahre neu aufgefüllt werden sollte. Zur damaligen Diskussion dieses Modells siehe u. a. Walter Althammer (Hrsg.). Das Gastarbeiterproblem — Rotation? Integration? Arbeitsplatzverlagerung?, München 1975.

  2. Sonderdruck der Bundesanstalt für Arbeit. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Ende Juni 1987. in: Anba. (1988) 2.

  3. Ebd.

  4. Aufzeichnung zur Ausländerpolitik und zum Ausländer-recht in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bundesminister des Innern. Bonn 1988. S. 4.

  5. Ebd.. S. 8.

  6. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Kennziffern zur Ausländerpolitik - Stand 22. Oktober 1987. BMA/IIcl.

  7. Ebd. hierin enthalten Zuwanderung und Geburten.

  8. Zur Diskussion der wirtschaftlichen Bedingungen der Arbeitskräftemigration zur Zeit der stärksten Zuwanderung siehe Heinz Salowsky/Günter Schiller. Ursachen und Auswirkungen der Ausländerbeschäftigung, Köln 1972.

  9. Eine Zeittafel zur Ausländerpolitik der Bundesregierung ist zu finden in: Aufzeichnung zur Ausländerpolitik (Anm. 4). S. 55. Zur aufenthalts-und arbeitsrechtlichen Situation der Ausländer in der Bundesrepublik ebd.. S. 14 f. Über einen neuen Entwurf zum Ausländergesetz wird ein Kabinettsbeschluß voraussichtlich erst nach der diesjährigen Sommerpause entscheiden.

  10. Bundestagsdrucksache 10/2071. Anhang 1.

  11. Heinz Kühn. Stand und Weiterentwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Memorandum des Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen. Bonn 1979. S. 15 f.

  12. Die Zahlen zur Aufenthaltsdauer und den in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Ausländern sind zitiert nach: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Anm. 6).

  13. Meinhard Miegel. Arbeitsmarktpolitik auf Stuttgart 1984. S. 64 f.

  14. Berechnet nach Angaben zur ausländischen Wohn-und Erwerbsbevölkerung in: Stephan Gaitanides. Sozialstruktur und „Ausländerproblem“, München 1983. S. 307, und nach Angaben des Statistischen Bundesamts. Wiesbaden, zum Mikrozensus 1986.

  15. Knuth Dohse. Ausländische Arbeiter 1974— 1985. in: WSI-Mitteilungen, (1986) 9. S. 630.

  16. Zahlen zitiert nach: AiD — Ausländer in Deutschland. (1985) 2. S. 13.

  17. Ebd.

  18. Siehe zur näheren Erläuterung: K. Dohse (Anm. 15). S. 626 f.

  19. Heinz Seidel. „Gastarbeiter“ ohne Arbeit, in: AiD — Ausländer in Deutschland. (1985) 1, S. 13.

  20. Bericht zur Ausländerbeschäftigung, hrsg. von der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, Bonn, September 1986. S. 23.

  21. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Anm. 6).

  22. Gerd Stüwe, Rückkehr als Merkmal der Arbeitsimmigration. in: ISS — Informationsdienst zur Ausländerarbeit. (1986) 2. S. 16.

  23. Hierzu etwa: Otto Neuloh/Leo Krämer, Industrialisierung und Gastarbeiter als sozio-ökonomische Faktoren der strukturellen Arbeitslosigkeit der Türkei, Saarbrücken 1977, S. 109. und Ahmet Aker, Arbeitskräftewanderung (türkisch), Istanbul 1972.

  24. A. Aker. Arbeitskräftewanderung (Anm. 23). S. 28.

  25. Rainer Doh. Die sozio-ökonomischen Faktoren der internen Migration in der Türkei. München 1985. S. 158.

  26. Fünfter Fünfjahres-Entwicklungsplan der Türkei (türkisch). hrsg. vom Staatlichen Planungsamt der Türkei. Ankara 1985. S. 128.

  27. Ebd., S. 129. und Isoplan (Hrsg.). Türkei - Länderkundliche Informationen. Saarbrücken 1985. S. W 3. 5.

  28. Ömer Sengül. Das Sparverhalten der türkischen Arbeitnehmer und dessen Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland, Diss., Bonn 1980. S. 194.

  29. Vgl. Nurhan Akcayli. Die türkischen Rückkehrer und ihre Chancen in der Türkei - Auswirkungen des Rückkehrförderungsgesetzes aus türkischer Sicht, in: Werner Meys/Faruk en (Hrsg.), Zukunft in der Bundesrepublik oder Zukunft in der Türkei?, Frankfurt 1986. S. 27f.; Halis Akder/Ali Gitmez. Planungen zwischen Hoffnung und Sorge, in: Zeitschrift für Kulturaustausch. 31 (1981) 3. S. 329- 334.

  30. Hierzu Faruk en. Türken in der Bundesrepublik Deutschland — Leistungen. Probleme. Erwartungen, in: Beiträge zur Konfliktforschung. 16 (1986) 3. S. 49 f.

  31. Eine ausführliche Darstellung der Arbeitnehmergesellschaften gibt: Faruk en. Türkische Arbeitnehmergesellschaften. Frankfurt 19832.

  32. Zur liberalen Wirtschaftspolitik Turgut Özals siehe Faruk en. Die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei seit 1973. in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 14— 15/88. S. 15f.

  33. Peter König/Günther Schultze/Rita Wessel. Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland — Repräsentativuntersuchung 1985. Bonn 1986.

  34. Siehe auch Willi Stevens/Manfred Werth. Chancen der beruflichen Wiedereingliederung und Existenzgründungen türkischer Rückkehrer. Saarbrücken 1984.

  35. P. König/G. Schultze/R. Wessel. (Anm. 34). S. 477.

  36. Ebd., S. 473.

  37. Ebd., S. 469.

  38. Mitteilungen der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen. Ausländische Arbeitnehmer auch in Zukunft unverzichtbar. Nr. 13. Bonn September 1986.

  39. Angaben der Deutschen Bundesbank, zitiert nach: Mitteilungen der Beauftragten der Bundesregierung. Daten und Fakten zur Ausländersituation, Bonn, April 1987. S. 30.

  40. MARPLAN-Forschungsgesellschaft GmbH. Gastarbeiter in Deutschland, Offenbach 1981.

  41. Zum Spar-und Konsumverhalten von Türken siehe Faruk en, Wirtschaftliche und soziale Integration der Türken als Alternative zur Reintegration: Willi Bredemeier/Roland Hofmann/Faruk en (Hrsg.), Zwischen Integration und Rückwanderung, Köln 1983, S. 59 f.

  42. Mitteilungen der Beauftragten der Bundesregierung. Daten und Fakten zur Ausländersituation, Bonn, März 1986, S. 86.

  43. Ebd.

  44. Regine Erichsen/Faruk $en. Hinwendung zur Selbständigkeit bei Gastarbeitern mit besonderer Berücksichtigung von Türken, hrsg. vom International Labour Office. Geneva 1987; Ismail Duymaz. Unternehmerische Selbständigkeit als Indikator für den Integrationsfortschritt am Beispiel der türkischen Wohnbevölkerung, unveröffentlichtes Manuskript, (erscheint demnächst in der Schriftenreihe des Zentrums für Türkeistudien. Bonn).

  45. Prognosen zur demographischen Entwicklung, zit. nach: Mitteilungen der Beauftragten der Bundesregierung (Anm. 43). S. 32 f.

  46. Ebd., S. 36-39.

  47. MARPLAN-Forschungsgesellschaft GmbH, Ausländer in Deutschland, Offenbach 1986.

Weitere Inhalte

Regine Erichsen, geb. 1947; Studium der Sozialwissenschaften und der Pädagogik; 1958— 1965 Aufenthalt in der Türkei; 1985— 1987 Mitarbeiterin des Zentrums für Türkeistudien, Bonn; zur Zeit Mitarbeiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung, Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (mit Faruk en) Hinwendung zur Selbständigkeit bei Gastarbeitern mit besonderer Berücksichtigung von Türken, hrsg. vom International Labour Office, Genf 1987.