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Desinformation — Ein Relikt des Kalten Krieges? | APuZ 52-53/1988 | bpb.de

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APuZ 52-53/1988 Kognitive Schemata: Zur Bedeutung neuerer sozialpsychologischer Forschungen für die Politikwissenschaft Zur politischen Psychologie internationaler Politik Feindbilder sozialistischer Erziehung in der DDR Desinformation — Ein Relikt des Kalten Krieges?

Desinformation — Ein Relikt des Kalten Krieges?

Jürgen Liminski

/ 39 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Feindbild-Diskussion hat Konjunktur. Vor allem im Ost-West-Verhältnis werden — vorwiegend publizistisch — Feindbilder abgebaut. Die politische Entspannung fordert ein entsprechendes politisches Bewußtsein. Angesichts der grundverschiedenen Informationsstrukturen in Ost und West und der damit verbundenen Funktionen der Träger der jeweiligen „öffentlichen Meinung“ stößt diese Forderung trotz Glasnost rasch an Systemgrenzen. Dies um so mehr, wenn die Feindbilder ideologisch verwurzelt sind und das gegenseitige Verständnis durch verschiedene Weltbilder und Kulturansprüche erschwert wird, wie sie in Theorie und Praxis der politischen Desinformation zutage treten. Hinzu kommt: Desinformation spielt sich zwar vorwiegend in offenen Gesellschaften und ihren offenen Informationsräumen ab. sie wird aber nicht nur im Osten ersonnen. Es gibt ein hausgemachtes, westliches Element, die Autodesinformation. Deshalb ist es ratsam, zunächst den Versuch zu unternehmen, die komplexen Begriffe zu klären und die Handlungsweise von Desinformations-Strategien zu erläutern. Erscheinungsweisen. Definition. Mittel und Methoden der Desinformation sind einige der zu klärenden Begriffe. Während im westlichen Ausland, insbesondere in Frankreich und in den USA. die politische Bedeutung von Desinformationspraktiken erkannt ist. scheint dieses Problem im deutschsprachigen Raum erst langsam im politischen Bewußtsein Platz zu greifen.

Was ist Desinformation? Zunächst ein vielseitig, meist polemisch verwandter Begriff in der politischen Debatte. Vielleicht liegt es am vielschichtigen Assoziationshorizont des Begriffs und seines vermuteten Inhalts, vielleicht auch nur am politischen Eifer oder der fachlichen Enge zahlreicher strategischer Analysen, daß die meisten Lexika das Wort Desinformation bislang einfach übergehen oder, wie der Duden, in die Rubrik Geheimdienst verbannen Der Begriff scheint jedenfalls noch nicht ins Bewußtsein der westlichen, wenigstens der deutschen Öffentlichkeit gedrungen zu sein. Er bedarf definitorischer Erläuterung.

I. Klärung des begrifflichen Instrumentariums

1. Desinformation Die Sowjets definieren den von Lenin 1917 erfundenen Begriff „Dezinformacija“ als „Verbreitung von falschen und provozierenden Informationen“ oder auch als „Verbreitung entstellter oder bewußt unwahrer Informationen. In den bürgerlichen Staaten wird Desinformation breit eingesetzt als eines der Mittel der politischen Propaganda mit dem Ziel, die öffentliche Meinung irrezuführen.“ Mit dieser Definition weisen sich die Sowjets als Kenner der Materie aus. sieht man einmal von der ideologisch bedingten Präjudikation ab. die die Desinformation als ein ausschließlich vom Westen verursachtes und gehandhabtes Instrument der politischen Propaganda bezeichnet. Ansonsten führt die Definition zum Kern: Irreführung einer öffentlichen Meinung.

Eine Definition des französischen Publizisten Jean-Francois Revel präzisiert: „Desinformation ist nicht nur Lüge. Propaganda, intellektuelles Belämmern, Fabrikation falscher Nachrichten. Zensur oder Vergessen wichtiger Neuigkeiten. Sie umfaßt gewiß all diese Techniken. Aber sie fügt noch eine raffinierte Eigenschaft hinzu: Sie gaukelt dem Gegner vor. sie macht ihm weis, daß die ihm schädliche Information aus seinem eigenen Hause stammt.“ Wirksamkeit ist auch das Hauptelement der Definition bei Roland Jacquard, der in seinem Buch „Krieg der Lüge“ die Desinformation als „subtile Deformation der Wahrheit“ beschreibt, als „Teil der Strategie des Um-und Hintergehens (Strategie de contournement) und als ein „Ensemble von Techniken, um Informationen so zu manipulieren, daß man ihnen soviel an Glaubwürdigkeit beläßt, daß sie die Meinung anderer zu beeinflussen vermögen.“ Ebenfalls auf die Lüge, auf eine falsche Wirklichkeitsvorführung und -Vorstellung und somit auf Wirkung. Ziel-Intention und aktiven Charakter der Desinformation hebt die in Frankreich und Italien verbreitete Definition von G. Veraldi ab: „Desinformation — eine falsche Wirklichkeit schaffen, die aber genügend Überzeugungskraft hat, damit der Gegner sich selbst täuscht, indem er richtige Schlüsse zieht“ richtig freilich im Sinne des Des-informanten. Der Schweizer Historiker und Publizist Peter Sager geht auch von der Wirkung aus. allerdings um vorrangig eine Unterscheidung zwischen Desinformation und Propaganda zu treffen. Für ihn ist Desinformation „eine auf ein rechtliches oder faktisches Monopol abgestützte Propaganda. Wir definieren sie nun wie folgt: Die bewußt oder unbewußt einseitige. ungleichgewichtige oder gar verzerrte Vermittlung von Nachrichten oder Kommentaren in Monopolmedien in der Absicht oder mit der Wirkung einer gegen die offene Gesellschaft verlaufenden Meinungsbildung.“ Die Medienarbeit in der Sowjetunion hält er aufgrund ihrer parteiabgestützten Monopolsituation für Desinformation per se bewußt lancierte Falschmeldungen in westlichen Medien, einer Zeitung zum Beispiel, jedoch fallen bei ihm nicht unbedingt unter diese Kategorie, da ihre Lügenhaftigkeit durch Gegendarstellung in derselben Zeitung dialektisch neutralisiert werden kann. Ihm kommt es einzig und allein auf die poten- tielle Synthese der Meinungsvielfalt an, in der er eine, wenn nicht die Garantie zur Annäherung an die Wahrheit als Darstellung von der Wirklichkeit sieht. „Allein Diskussion und zweiseitige Kommunikation sind echte Sicherungen gegen Unwahrheit und Unobjektivität. Die Entscheidung über Objektivität und Wahrheit legt er in die Hand der . Öffentlichkeit*, d. h.des Staatsbürgers; er ist Richter über die Information.“

Was Maria Fraguas de Pablo in „Teoria de la Desinformacion" mit der Sprache der Kommunikationswissenschaft unternimmt steht de facto unter einer ähnlichen Prämisse. Da sie jede Situation als im wesentlichen ideologisch-dialektisch-konfliktiv annimmt, steht für sie Desinformation jenseits der Ethik, „siendo su unica norma la efectividad y el exito" („denn ihre einzigen Kriterien sind die Wirksamkeit und der Erfolg“) Diese rein pragmatische Synthese gilt aber weder für die Sowjets, deren Ideologie die Konfliktivität der Welt in ihrem Sinn und zu ihrem Nutzen beseitigen will, die aber auf Moral, auf die eigene nämlich, nicht verzichten, ja diese sogar zur Grundlage der Desinformation gemacht haben. De Pablos These gilt aber auch nicht für den Westen, dessen geistig-ideologische Verfassung bei aller Permissivität in der Substanz immer noch von abendländischen, das heißt personal-freiheitlichen und christlich-sozialen Grundwerten bestimmt ist — und sei es nur in der Form, daß diese . Verfassung von allen möglichen Ideologiebewegungen und Geistesströmungen eben deshalb bekämpft wird, zum Beispiel auch mit den Mitteln der Desinformation. Die Physik der Macht allein wird der politischen Wirklichkeit nicht gerecht. Es gibt den rein pragmatischen, moral-oder ethik-losen Raum nicht.

Der britische Historiker und Sowjet-Experte Robert Conquest erweitert in seiner Definition die Palette der bisher aufgeführten Elemente um eine geographisch ziemlich ausgreifende Komponente.

„Desinformation ist eine Taktik“, schreibt er, „in dem Kampf, den die Sowjetunion gegen alle anderen Formen politischen Lebens aufdiesem Planeten führt.“ Der ehemalige französische General-Stabsoffizier und Historiker Constantin Melnik setzt in einem bemerkenswerten Aufsatz den Akzent auf die Bewußtseinsänderung der KGB-Experte John Barron auf die Techniken und die Ziele die amerikanischen Professoren Richard Shultz und Roy Godson fassen die meisten der genannten Aspekte in einer langen und komplizierten Definition zusammen Die knappste und bündigste Definition bietet die Redaktion des Air Force Magazine in der Märzausgabe des Jahres 1982: „Disinformation — war with words“ (Desinformation — Krieg mit Worten)

In der Bundesrepublik Deutschland und allgemein im deutschsprachigen Raum ist das Phänomen der Desinformation erst seit wenigen Jahren Gegenstand von systematischen Analysen und Überlegungen. Letztere befassen sich jedoch meist, wie Friedrich Denk oder Wolf Schneider, mit dem journalistischen Handwerk, weniger mit der Desinformation als „Bestandteil der Außenpolitik der Staaten des Warschauer Pakts“, wie ein interner Bericht im Bundesministerium des Innern (BMI) aus dem Frühjahr 1985 feststellt Die Berührungsscheu der Deutschen mit dieser Thematik mag mit den Erfahrungen derjüngeren Geschichte zu tun haben. Schließlich wurde in der totalitären Diktatur des Dritten Reichs Desinformation im großen Stil betrieben. Der Bericht des BMI nun gibt folgende, praxis-orientierte Definition der Desinformation: „Desinformation bedeutet in unserem Sprachgebrauch das Zuspielen falscher, unvollständiger, entstellter, veralteter oder überholter Informationen durch die gegnerischen Nachrichtendienste in der Absicht, den oder die Empfänger zu einem von der politischen Führung der kommunistischen Staaten gewünschten Verhalten zu veranlassen und dadurch in erster Linie die politischen, militärischen und wirtschaftlichen aber auch die wissenschaftlichen, technischen oder nachrichtendienstlichen Verhältnisse zu beeinflussen.“

Mittel dieser Beeinflussung sind die „Aktiven Maßnahmen“, die der Bericht des BMI ebenfalls begrifflich einzugrenzen sucht: „. Aktive Maßnahmen* sind offensive Operationen der gegnerischen Nachrichtendienste, mit denen diese auf Weisung oder auf Initiative der politischen Führung ihres Landes aktiv die eigene Außenpolitik und die der Staaten des Warschauer Paktes unter Führung der UdSSR zu fördern und zu unterstützen versuchen. . Aktive Maßnahmen* greifen daher in die innen-und außenpolitischen Verhältnisse nichtkommunistischer Staaten, insbesondere jedoch der Staaten der westlichen Welt, mit dem Ziel ein, — diese Staaten sowohl über die politische, wirtschaftliche und militärische Situation und die Absichten der Staaten des Warschauer Paktes als auch anderer nichtkommunistischer, insbesondere der mit ihnen befreundeten Staaten, zu täuschen;

— sie dadurch zu falschen, für sie ungünstigen Reaktionen und Aktivitäten zu verleiten und — ihre Entscheidungen in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen langfristig zugunsten der Absichten der Staaten des Warschauer Paktes zu beeinflussen.“ 2. Autodesinformation Die bisherigen Definitionen gehen davon aus. daß die Desinformation als bewußt erzeugter Irrtum vom politischen Gegner im Ausland induziert wird. Der Bericht des BMI spricht einengend von den „gegnerischen Nachrichtendiensten des War-schauer Pakts“. Die Erfahrungen mit dem politisch-ideologischen Pluralismus im Westen legen jedoch nahe, die bisherigen Begriffsbestimmungen um ein Element zu ergänzen, das der italienische Journalist Lucio Lami die „Autodesinformation“ Arnaud de Borchgrave die „Unterlassungs-Zensur“ oder Constantin Melnik die „Mißinformation“ nennen. Sie meinen damit das bewußte Verschweigen politisch relevanter Informationen, das heißt Informationen, die zur Beurteilung einer politischen Lage notwendig sind. Dieses bewußte Verschweigen verzerre die Wirklichkeit und trage zur Bewußtseinsänderung bei. Lami erläutert: „Wie einem tierischen Herdentrieb gehorchend sind die Vertreter der Informationswelt bei einem Ereignis präsent oder abwesend, gemäß einem geheimnisvollen Ruf, der nichts mit der Pflicht zur Information zu tun hat. So finden wir die Herde in Sabra und Shatila, aber nicht im Schuf, als einige Monate später ungleich viel schlimmere und blutrünstigere Massaker an den Christen verübt werden . . . Warum das? Warum war der Schuf angeblich nicht so interessant? Es gibt einen Grund für diese Farbenblindheit: die Ideologie. Die Welt der Information ist vom Virus der Ideologie befallen.“

Borchgrave nennt einen weiteren Grund: „Die neue Schule des Journalismus bringt Reporter hervor, die glauben, daß sie mit einem Mandat des Volkes versehen seien und niemandem Rechenschaft abzulegen haben ... Sie sind davon überzeugt. recht zu haben, wo immer sie dies für nötig halten — vorausgesetzt, es nützt der Linken.“ Oder der Rechten, möchte der Verfasser noch hinzufügen. Revel hat diesem Thema sein jüngstes Buch gewidmet. Er nennt das Phänomen der Auto-Desinformation „das unbrauchbare Wissen“ und meint damit die bewußte Auslese von Informationen nach ideologischen Kriterien, was mit ihren Folgen weit über das Nicht-Wissen hinausgeht: „Der Feind ist nicht mehr die Ignoranz, sondern die Lüge.“ Ein Ereignis oder eine Nachricht werde nicht mehr nach ihrer Genauigkeit aufgenommen und geprüft, sondern nach ihrer „Fähigkeit, einem Interpretationssystem, einem Beziehungsgeflecht oder einer moralischen Haltung zu dienen oder nicht zu dienen“, und diese Fähigkeit mache eine Tatsache zu einer einer „erwünschten oder unerwünschten“ mithin zu einer brauchbaren oder unbrauchbaren, zu einer veröffentlichten oder verschwiegenen.

Hier geht es um mehr als den herkömmlichen Enthüllungs-oder Sensationsjournalismus. Um mehr auch als die von Borchgrave angesprochenen Ausbildungsdefizite des Journalismus-Berufs, die zu der beschriebenen politischen Hybris und der alten, staatsrechtlichen Frage „Wer kontrolliert die Kontrolleure?“ führen Wie ein Wetterleuchten erscheint hier die neuerdings öfter diskutierte politische „Selbstermächtigung“, und zwar „zum Verstoß gegen die Regeln des gemeinen Rechts und des moralischen Common sense unter Berufung auf das höhere Recht der eigenen, nach ideologischen Maßgaben moralisch besseren Sache“ Das selbstermächtigte Verschweigen oder Übergehen politisch relevanter Sachverhalte geht über die herkömmliche Disputatio in pluralistischen Demokratien hinaus und hinweg. Es macht die ideologische Auseinandersetzung zum Kampf, zum politischen Krieg. Insofern ist es auch ein Element, das eigenständig im Westen zum Gesamt-Begriff der Desinformation zuzunehmen ist, ein hausgemachtes Element sozusagen.

Die Induzierung des Irrtums und die Selbstermächtigung im Namen einer Ideologie oder „Sache“ stehen in ihrer Finalität in ein und derselben Linie. Sie können als Mittel zur Änderung des Bewußtseins des ideologischen Gegners angesehen werden. Diese Finalität ist dem politischen Kampf oder Krieg zu eigen, in dem wenigstens eine Seite in totalitärer Perspektive denkend die Überwindung der anderen Seite und somit ein Meinungsmonopol oder zumindest eine Meinungshegemonie anstrebt. Es ist deshalb geboten, hier kurz auf diesen Schlüsselbegriff zum Verständnis der Desinformation einzugehen. Die meisten Enzyklopädien gehen den Begriff des Krieges zunächst etymologisch an. Gemeinsam ist allen die Bedeutung, wonach der Krieg das hartnäckige Streben ist, mit Gewalt, gegen die der Gegner sich wehrt, einen Anspruch durchzusetzen. Im historisch-politischen Bereich ist die Zahl der Kriegs-Definitionen nahezu unüberschaubar. Die wohl bekannteste und am häufigsten zitierte Definition stammt von dem deutschen Militärphilo- sophen und General Carl von Clausewitz. Sie lautet. zunächst allgemein: „Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“ Und konkreter: „Der Krieg . . . wird nur durch ein politisches Motiv hervorgerufen. Er ist also ein politischer Akt . . . eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ... ein wahres politisches Instrument, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln ....denn die politische Absicht ist der Zweck, der Krieg ist das Mittel, und niemals kann das Mittel ohne Zweck gedacht werden.“

Lenin führte die Theorie von Clausewitz weiter und legte mit der Umkehrung der berühmten Formel des preußischen Generals in den Satz, die Politik sei die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, das Fundament für den politischen Krieg. Dieser auch für die Ost-West-Auseinandersetzung verwandte Begriff ist etwas irreführend, denn jeder Krieg ist seiner Natur nach politisch, wie eben Clausewitz schon nachwies. Mit diesem Begriffspaar soll aber die Ausklammerung des militärischen Aspektes betont werden. Der nicht-militärische Krieg ist gemeint. Peter Sager beschreibt diese Kriegsform mit ihren Mitteln und Wirkungen: „Der politische Krieg begründet keinen casus belli, vermittelt nicht das Bewußtsein um die Notlage und provoziert nicht jenen Reflex der Verteidigung, ohne den ein bedrohtes Individuum oder eine bedrohte Gemeinschaft dem Untergang geweiht ist. Darum ist der politische Krieg das beste Instrument, mit dem die Diktatur hoffen darf, ihr Ziel der Hegemonie erreichen zu können .... und zwar mit den Mitteln der Infiltration, Subversion, Spionage, Agitation. Propaganda, Desinformation, Bestechung. Drohung, Erpressung und Terror.“

Eine mögliche Definition der Desinformation könnte also lauten: „Desinformation ist Teil des politischen Krieges oder ideologischen Kampfes. Ziel ist, mit den Mitteln des Wortes und des Verschweigens das Bewußtsein des ideologischen Gegners umzuformen.“ Oder kürzer und entsprechend der Formel des Air Force Magazine: Desinformation — Krieg mit Worten und Schweigen. Eine weniger politisch akzentuierte, sondern eher moralische könnte heißen: „Desinformation — die unerkannte Lüge.“ Kombinationen sind denkbar, wie zum Beispiel: „Desinformation — Krieg mit unerkannten Lügen.“ 3. Desinformation und Propaganda Diese Definitionsversuche erlauben eine Abgrenzung zur Propaganda, „der Zwillingsschwester der Desinformation“ Die Begriffspaare . politischer Krieg'oder . ideologischer Kampf'deuten auf die Breite und umfassende Anlage der Intention hin. mithin auf den totalitären beziehungsweise globalen Charakter von Desinformationsstrategien. Die Propaganda hingegen „versucht, die Einstellung großer Menschenmengen zu beeinflussen, und zwar in umstrittenen kontroversen Fragen, in denen sich eine bestimmte Gruppe engagiert hat“ Ihre Manipulation ist partiell, die der Desinformation total. Propaganda täuscht manchmal, Desinformation immer

Beiden „Zwillingsschwestern" gemeinsam ist zwar der Versuch der Beeinflussung. Während aber die Desinformation verborgen bleibt — wird sie decouvriert, verliert sie ihre Wirkung, wird die Blöße des Kaisers erkannt —, liegt es geradezu im Wesen der Propaganda, werbend möglichst viel Aufhebens um ihre Sache zu machen. Desinformation kann sich an einzelne richten, Propaganda richtet sich immer an die Masse. Desinformation verhindert die Erkenntnis von der Wirklichkeit. Propaganda verzerrt sie nur. Desinformation sucht auf dem Umweg des Irrtums eine bestimmte Entscheidung zu erwirken, Propaganda legt fertige Meinungsmuster vor, sie drängt ein fertiges Urteil auf. Die Desinformation läßt ihrem Objekt möglichst keine Freiheit, obwohl dieses glaubt, völlig frei eine eigene Entscheidung zu treffen. Propaganda bedrängt, läßt aber ein gewisses Maß an geistiger Autonomie zu. Desinformation kennt keine Konkurrenz, Propaganda lebt von ihr. Für Peter Sager liegt hierin der Hauptunterschied. Er schreibt: „Propaganda ist nicht Desinformation, solange sie der Gegenpropaganda ausgesetzt ist.“

Das ist in totalitären Regimen selten der Fall, weshalb dort Desinformation und Propaganda meist deckungsgleich sind. Da dieses Element der Konkurrenz in der Sowjetunion fehlt, bezeichnet der Begriff Propaganda auch nicht das Werben für eine Sache, sondern die Schulung oder Kaderinstruktion, während die propagandistische Funktion eher von sogenannten Agitatoren wahrgenommen wird. Nach Lenin vermittelt bekanntlich die Propaganda wenigen viele Ideen, die Agitation dagegen vielen wenige Ideen. Das Ergebnis dieser internen Infor* mationspolitik aus Propaganda, Agitation und bewußtseinsverändernder Desinformation war, wie der sowjetische Journalist Boris Tumanov im Zeichen von Glasnost bekennt, „ein offizielles Surrogat der Realität. Die Realität selbst aber wurde verdrängt in die Illegalität des gesellschaftlichen Lebens, in Witze, Klatsch und Gerüchte . . . Unter diesen Bedingungen war echtes Wissen einfach nicht notwendig . , . unsere Gesellschaft betrachtete sich nicht im Spiegel, sondern sah sich auf Plakaten.“

Nach außen allerdings war und ist diese Situation durchaus vorteilhaft für Moskau. Wolfgang Bergs-dorf sieht hier ein strukturelles Ungleichgewicht zugunsten der Sowjets, dem der Westen nahezu machtlos gegenüberstehe. Die Sowjetunion verfügt „in der geistig-politischen Auseinandersetzung zwischen freiheitlicher Demokratie und totalitärem Herrschaftsanspruch über einen strukturbedingten und unüberwindbaren Vorteil, den sie mit großer Konsequenz nutzt: Mit ihrer Propaganda wirkt sie tief in das Lager der westlichen Demokratien hinein, die ihre konstituierenden Prinzipien aufgeben müßten, wenn sie diese Einwirkung institutionell abwehren wollten.“ Umgekehrt verstellen die „Plakate“ den westlichen Beobachtern der Sowjetunion bisweilen den Blick. Ohne Durchblickjedoch ist es schwierig, Absicht und Aufrichtigkeit von außenpolitischen Initiativen und Handlungen einzuschätzen. Man ist auf Vergleiche oder Aussagen von Überläufern angewiesen, um im Falle vermuteter Desinformationskampagnen das Element der bewußten Irreführung nachzuweisen.

II. Beispiele der Desinformation

Die größte Schwierigkeit seit 1985 besteht jedoch nicht darin, nachzuweisen, daß auch unter Gorbatschow Desinformation betrieben wird — dazu im folgenden einige Beispiele —, sondern in der politischen Einschätzung der Desinformation als Mittel des politischen Krieges. Denn je mehr pluralistische Elemente durch die Tür der Perestroika den Weg in das sowjetische System finden, um so fragwürdiger wird die Desinformationsstrategie nach innen und nach außen. Der Übergang von einem totalitären zu einem autoritären Regime wirft Fragen der Glaubwürdigkeit und der Legitimation auf, die mit den bisherigen Praktiken der Desinformation nicht in Einklang zu bringen sind.

Vier Beispiele sollen den Stand der Praktiken erläutern. Es handelt sich um Vorgänge, die sich qua Vergleich von veröffentlichten Äußerungen untereinander und mit Überläuferaussagen als Desinformation qualifizieren lassen.

Erstens: Auf einem Symposium der „Internationale des Widerstands“ zum Thema Desinformation am 5. Dezember 1984 in Paris berichtete der ehemalige polnische Botschafter in Tokio, Zdzislaw Rurarz, wie Moskau und seine Satelliten seit Jahrzehnten versuchten, falsche Angaben und Zahlen über Potential und Produktion der kommunistischen Wirtschaftssysteme zu verbreiten. Eine Zahl habe sich tief in das Bewußtsein westlicher Medienmacher und Wirtschaftler eingegraben: Die Comecon-Länder erzeugten ein gutes Drittel der Weltindustrieproduktion. Diese leicht zu merkende Zahl sei zuerst von der „Prawda“ vor etwa 25 Jahren in die Welt gesetzt worden. Nie jedoch wurde ihre Herkunft aufgeschlüsselt. Man glaubt sie oder man glaubt sie nicht. Ihre Glaubwürdigkeit werde, so Rurarz. untermauert durch wiederholtes Veröffentlichen in westlichen Medien und in sowjetischen Statistiken. „The USSR in Figures“ (Moskau 1982) spreche wieder von jenem ungefähren Drittel des Weltindustrieprodukts, gleichzeitig aber auch von einer Verdoppelung der Produktionsrate im Vergleich zu den westlichen Ländern, und zwar im gleichen Zeitraum. Der Denkfehler — gleichbleibender Anteil am Weltprodukt mit gleichzeitiger Verdoppelung der Produktion gegenüber den westlichen Industrieländern — fiel nur wenigen auf. Anderen wollte er nicht einleuchten. Als die „Washington Post“ die Drittel-Ziffer am 13. Juni 1984 in einem Bericht vom Comecon-Gipfel in Moskau wieder einmal weitertransportierte, habe er die Chefredaktion in einem Brief auf den Denkfehler aufmerksam gemacht. Rurarz, gerade zweieinhalb Jahre im Westen, machte dabei auch eine wohl typische Erfahrung: „Der Brief wurde nicht veröffentlicht, wahrscheinlich aus Mangel an Platz für solch triviale Sachverhalte.“

Die imaginäre Drittel-Ziffer ist auch in der Ära Gorbatschow keineswegs aus der Welt. Wladimir Lomejko, ein entschiedener Parteigänger des Generalsekretärs, in den siebziger Jahren Korrespondent für die Nachrichtenagentur Nowosti in Bonn, von 1984 bis 1986 Sprecher des Außenministeriums und seit 1986 Botschafter für besondere Angelegenheiten, nannte sie jetzt wieder, obwohl die Produktivität der Sowjetunion in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wie Gorbatschow selbst und einer seiner engsten Wirtschaftsberater, Abel Aganbegjan, offen und wiederholt bekennen Sacharow zitiert den Generalsekretär: „Bereits vier Planjahr-fünfte haben wir keinen Zuwachs im Nationaleinkommen zu verzeichnen, in den 80er Jahren warsogar ein Rückgang zu beobachten.“ Lomejko aber schreibt im Zusammenhang mit dem gemeinsamen europäischen Haus als Beleg für die wirtschaftliche Potenz des sowjetischen Nachbarn dies: „Die oft verbreitete These vom technologischen Zurückbleiben des Ostens und seiner nahezu notgedrungenen Abhängigkeit vom Westen geht entweder auf Inkompetenz oder politische Mißgunst zurück und kann für die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen nicht maßgeblich sein. Kompetente westliche Spezialisten zeigen Interesse für das Komplexprogramm des RGW, denn sie wissen, daß diese Länder über ein gewaltiges wissenschaftlich-technisches und industrielles Potential verfügen. Sie erzeugen 33 Prozent der Weltindustrieproduktion, und auf sie entfällt ein Drittel des wissenschaftlich-technischen Potentials.“ Entweder Lomejko irrt oder er lügt. Im ersten Fall wäre er selber das Opfer einer Desinformation, im zweiten würde er sie betreiben. Mit einer Induzierung des Irrtums zum Zweck einer positiven Einstellung gegenüber dem gemeinsamen europäischen Haus-nachbarn haben wir es aber bei beiden Annahmen zu tun.

Rurarz erinnert sich auch, daß er als Gierek-Vertrauter und Universitätsprofessor für Wirtschaftsplanung und Statistik jahrelang mit seinen Kollegen „vertrauliche Meldungen“ verbreitet hatte, wonach die Sowjetunion bereit wäre, für „Schuldendienste der Bruderländer“ aufzukommen, falls dies einmal notwendig werden sollte. Dadurch sollte die Kreditwürdigkeit Polens im Westen gesteigert werden. Es funktionierte. Als einige westliche Gläubiger in Krisenzeiten anfragten, ob die Sowjetunion tatsächlich eine Garantie abgegeben habe, wußte man weder in Moskau noch in Warschau von diesen „Gerüchten“. Rurarz heute: „Es handelt sich um einen großen Erfolg der sowjetischen Desinformation. Zu einem gegebenen Zeitpunkt beliefen sich die Schulden des Sowjetblocks auf rund 80 Milliarden Dollar. Sie scheinen heute etwas darunter zu liegen, aber uns fehlen genaue Angaben. Diese Schulden sind, angesichts der Insolvenz der meisten Ostblockländer, ein feines Geschenk des Westens für die kommunistische Welt.“ Hier habe sich die Des-information wirklich ausgezahlt.

Zweitens: Seit 1983 läuft eine Meldung um die Welt, wonach der Aids-Virus in den US-Labors von Fort Detrick in Maryland hergestellt worden sei. Sie erschien erstmals in der indischen Zeitung „Patriot“, die von Überläufern als ein vom sowjetischen Geheimdienst KGB gelenktes Organ bezeichnet wird. Im Oktober 1985 griff die „Literaturnaja Gazeta“ die Meldung auf und gab ihr mit seriös erscheinenden Hintergründen einen wissenschaftlichen Anstrich. Seither ist es um diese Falschmeldung nicht still geworden. Allein im vergangenen Jahr wurde sie 40mal in den sowjetischen Medien geboten, in mehr als 80 Ländern und 30 Sprachen der Weltöffentlichkeit vorgeführt. Dabei ist das Gegenteil leicht zu beweisen: Die Wissenschaft ist schlicht nicht so weit, daß man künstlich einen Virus dieser Komplexität herstellen könnte; entdeckt wurde der Virus lange vor der vermeintlichen Produktion, und das Fort Detrick, das von dem Hauptträger dieser Falschmeldung, dem DDR-Professor Segal, wegen seiner Nähe zu New York als Herstellungsstätte angegeben worden war, liegt 250 Meilen davon entfernt. Im August 1987 erklärte sich Moskau auf Drängen Washingtons bereit, die Verbreitung der Aids-Geschichte zu unterlassen. Dies geschah auch, und das offizielle Organ „Iswestia“ veröffentlichte am 30. Oktober 1987 sogar eine Art Richtigstellung durch zwei führende sowjetische Wissenschaftler. Am selben Tag allerdings veröffentlichte die „Sowjetskaja Rossija“ einen Artikel, der die alten Behauptungen mit dem Anspruch wiederholte, die sowjetische Presse könne auch gegensätzliche Meinungen veröffentlichen. Auch in diesem Jahr fand die Aids-Geschichte Verbreitung. Radio Moskau wiederholte sie in einem Interview mit Professor Segal am 13. Februar, die „Cameroon Tribune“ veröffentlichte sie am 4. Februar und der portugiesische „Correio da Manha“ am 5. Januar. Drittens: Seit drei Jahren führt die neue sowjetische Führung eine bemerkenswerte Good-will-Kampagne im Westen mit dem Ziel durch, die „alten Feindbilder“ abzubauen. Die Europäer griffen bei ihrer Vorstellung von der Sowjetunion auf alte Klischees zurück. Dies sei inkonsequent und die Ursache dafür läge „in den Köpfen westlicher Politiker“. Dort sei „das Feindbild zu tief verwurzelt, das Bild eines Feindes, der immer nur danach trachtet, jemanden zu überfallen“. Es sei Zeit, mit den Ängsten aus der Zeit des Kalten Krieges Schluß zu machen, sonst komme es zu einem Leerlauf bei der Errichtung des „europäischen Hauses“ Mahnend spricht die „Prawda“ von „steinzeitlicher Feindschaft“, von „Kleinmut“ und „alten Vorurteilen“, von „Argwohn“, „Überheblichkeit“, „gefährlichem Archaismus“ und „Bedenkenlosigkeit“. Die positive Seite der Medaille lautet: „Modernisierung des Denkens“, Pressefreiheit und Glasnost, Aufbruch zu neuen Ufern, etc. Hohe Funktionäre wie der ehemalige Leiter der Internationalen Abteilung des ZK und heutige außenpolitische Berater des Generalsekretärs, Dobrynin, der ehemalige Dolmetscher Stalins, Bereschkow, der deutschlandpolitische Vordenker im ZK, Nikolai Portugalow, der ehemalige Botschafter in Deutschland und Nachfolger Dobrynins an der Spitze der Internationalen Abteilung, Falin — sie alle reisen als Gesandte für Glasnost und neues Denken durch die westliche Welt, insbesondere die Bundesrepublik Deutsch- land, um, wie sie sagen, ein Feindbild abzubauen. Es gehe nicht mehr um Feindschaft, sondern um Wettbewerb der Systeme, gelegentlich ist auch von Wettstreit und Rivalität die Rede — Begriffe, mit denen pluralistisch denkende Bürger durchaus zurechtkommen können.

Mehr noch: Der stellvertretende Leiter der Politischen Hauptverwaltung der sowjetischen Streitkräfte, Generaloberst Volkonow, behauptet, daß der Begriff „Feind“ in der Sowjetarmee nun nicht mehr verwendet werde und der Warschauer Pakt erklärte bereits am 29. Mai des vergangenen Jahres, fortan auf jedes Feindbild verzichten zu wollen. Unterschrieben ist die Deklaration auch von Generalsekretär Gorbatschow, dessen Vorgänger Tschemenko sich noch drei Jahre zuvor in einer anderen Warschauer-Pakt-Erklärung für eine Erziehung zum „Haß gegen seine Feinde“ ausgesprochen hatte. Hat sich das neue Denken so rasch Bahn gebrochen, sind die Worte von vorgestern abgetan und die von gestern die Taten von heute?

Es gibt Widersprüche. Nach dem Besuch Gorbatschows auf dem Atomkreuzer „Kirow“ im Oktober 1987 berichtete die Prawda in den früher üblichen, heute unüblichen Termini von der „Kampfgemeinschaft“ gegen den „grausamen und heimtückischen Feind“, die NATO. Und der Generalsekretär sprach von dem nicht zu bremsenden Wettrüsten, das „der Imperialismus entfesselt“

Dennoch scheint diese Bewußtseinsoffensive wirksam zu sein. In der Bundeswehr wird das „Feindbild“ diskutiert, in der Gesellschaft schwindet allgemein das Gefühl der Bedrohung, wie Elisabeth Noelle-Neumann in einer umfassenden Studie feststellt. Die Verteidigungspolitik des Westens steht im westeuropäischen Haus vor einem wachsenden Akzeptanz-Problem. Eine Politik der Neutralität zwischen den Großmächten wird bereits von 44 Prozent der Deutschen in der Bundesrepublik befürwortet; vor drei Jahren, als Moskau zu seiner Bewußtseinsoffensive ansetzte, waren es gerade etwas mehr als 30 Prozent. Dieser Entwicklung entspricht die Popularitätskurve Gorbatschows in der deutschen Öffentlichkeit. Vor drei Jahren hatten k Prozent der Deutschen in der Bundesrepublik befürwortet; vor drei Jahren, als Moskau zu seiner Bewußtseinsoffensive ansetzte, waren es gerade etwas mehr als 30 Prozent. Dieser Entwicklung entspricht die Popularitätskurve Gorbatschows in der deutschen Öffentlichkeit. Vor drei Jahren hatten knapp 30 Prozent eine gute Meinung vom Kreml-chef, heute sind es 71 Prozent 42).

Anders als in den angeführten Beispielen ist die Feindbild-Diskussion trotz der klaren publizistischen Widersprüche ein klassisches Exempel für den Zweifel, der durch eine Offensive zur Änderung des Bewußtseins hervorgerufen werden kann.

Es ist (noch) dem politischen Urteil und Standpunkt überlassen, hier von einer Desinformationskampagne zu sprechen — die Widersprüche wären der Beleg — oder von einem wirklichen Wandel durch das neue Denken, das nur noch nicht alle Bereiche und Personen erfaßt hat. Die Worte, zuletzt von Gorbatschow in seiner Rede vor der UNO am 7. Dezember 1988, werden von westlichen Regierungen zu Recht als Zeichen des guten Willens begrüßt. Die dieser Ankündigung zugrundeliegende und von Gorbatschow erstmals am 25. Februar 1987 als neuer zentraler Begriff der sowjetischen Militärdoktrin genannte „ausreichende Verteidigung“ 43) hat Hoffnungen geweckt, die von der Realität, das heißt beispielsweise einem Abbau der hoch überlegenen konventionellen Streitkräfte, noch untermauert werden müssen. Solange bleibt die Skepsis berechtigt, die der amerikanische Verteidigungsminister Carlucci im Wall Street Journal am 30. August 1988 nach einem Treffen mit seinem sowjetischen Amtskollegen Jasow so formulierte: „Die Sowjetunion mag im Hinblick auf Reformen zögernde Schritte unternehmen, aber im Umfang oder beim Einsatzkonzept ihres Militärs ist immer noch keine nennenswerte Veränderung zu verzeichnen. Die . neue Doktrin* hat weder zur Zerstörung oder Ausmusterung eines einzigen Schiffes, Flugzeuges oder Panzers geführt noch zu einem Abzug von Truppen aus Europa oder Ostasien. Die sowjetischen Streitkräfte sind ihrem Aufbau und ihrer Ausrüstung nach immer noch in der Lage, mächtige Offensivschläge auszuführen, um Territorium zu erobern und zu halten. Bis jetzt liegen also keine Hinweise dafür vor. daß die in der Sowjetunion geführte Debatte über militärische Strategie über das Stadium von Diskussionen hinaus gediehen ist. Dennoch besteht eine bemerkenswerte Bereitschaft. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion offen anzusprechen.“ Eine jüngere Studie von Anton Krakau und Ole Diehl vom 18. November 1988 kommt nach der Analyse mehrerer Aufsätze aus der internen sowjetischen Truppenzeitschrift „Voennyj Vestnik“ zum Schluß, „radikale Veränderungen oder Brüche bei der Entwicklung der Einsatzgrundsätze auf taktischer Ebene sind bisher nicht festzustellen.“ Und: „Keinesfalls darf der Angriff die dominierende Art von Kampfhandlungen sein, wenn man sich zu einer militär-strategischen Konzeption strategischer Defensive bekennt. Verteidigung darf eben nicht dem Angriff untergeordnet* werden, wie es in den Äußerungen der hier betrachteten sowjetischen Militärtheoretiker weiterhin festzustellen ist.“ 44)

Viertens: Die im Wall Street Journal formulierte Skepsis Carluccis und übrigens auch deutscher Politiker führt zu einem weiteren Fall, wo An-und Verkündigung Moskaus mit der Realität kontrastieren: der sowjetische Militärhaushalt. In der ersten Entspannungsära wurden für den sowjeti- sehen Militärhaushalt stets Zahlen und Daten veröffentlicht, die nahelegten, daß Moskaus Ausgaben für die Streitkräfte zwischen 1972 und 1985 nur geringfügig oder gar nicht stiegen. Nach amerikanischen Schätzungen decken die angegebenen Ausgaben aber nur ein Sechstel der aufgrund der bekannten Truppenstärken und Militärprogramme berechenbaren Kosten. Der ehemalige Offizier im militärischen Geheimdienst GRU, Viktor Suworow, war jahrelang mit den Akten der Rüstungsindustrie-Kommission befaßt, die das wirkliche Ausmaß der Militärausgaben bestimmt. Er schreibt: „Theoretisch wendet die UdSSR jährlich nur die vergleichsweise geringe Summe von 19 Milliarden Rubel für Verteidigungszwecke auf. Diese 19 Milliarden Rubel sind aber nur das Budget des Verteidigungsministeriums. Die Budgets der anderen zwölf Ministerien, die Rüstung produzieren, werden geheimgehalten. Das sowjetische System ist so eingerichtet, daß das Verteidigungsministerium nicht kauft oder beschafft. Es bekommt die Rüstung, die es benötigt.“ Nach Suworows Angaben bildet der Plan der Rüstungsindustrie-Kommission das „Herz eines sowjetischen Fünfjahresplans für wirtschaftliche Entwicklung“. Suworow: „Betrachten wir einmal einen Flugzeugträger, der gerade auf einer sowjetischen Werft gebaut wird. Das Verteidigungsministerium zahlt nichts dafür. Vielmehr überweist der Ministerrat den Preis an das Ministerium für Schiffbau und verbucht die Summe unter dem Ausgabenkonto Schiffbauindustrie. Dieses Ministerium hat übrigens noch kein einziges nicht-militärisches Schiff gebaut. Die Sowjetunion kauft ihre Handelsschiffe ohne Ausnahme in Polen, der DDR, Jugoslawien, Bulgarien, Italien, Frankreich, Norwegen, Schweden, Dänemark und anderen Ländern, die vollständig aufzuzählen schwierig wäre; wahrscheinlich ist die Schweiz das einzige Land, das nicht auf der Liste steht.“

Carlucci hat diese Problematik in seinem zitierten Artikel erwähnt: „Es ist allseits bekannt, daß der sowjetische Verteidigungshaushalt in realen Zahlen abgenommen hat und wir als Folge dessen den Umfang unserer Streitkräfte im Verlauf der kommenden Jahre . . . reduzieren werden.“ Er habe auch Jasow darauf angesprochen und vorgeschlagen, „daß die Sowjets ihr Militärbudget offenlegen.“ Aber „es wurde mir erklärt, die sowjetische Regierung sei aus technischen Gründen nicht in der Lage, solche Informationen zu liefern. Dies hinge mit der Verteilung des sowjetischen Militärhaushalts über mehrere Ministerien zusammen ... ich bin bereit, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die Veröffentlichung eines detaillierten Militär-haushalts ihnen besondere Schwierigkeiten bereiten mag. Trotzdem sind wir noch weit davon entfernt, das sowjetische Militärwesen als offen bezeichnen zu können, bevor diese grundlegenden Informationen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

Auch hier ließe sich je nach dem Grad des politischen Vertrauens in die Sowjetführer argumentieren, es handele sich um Desinformation, also den bewußten Versuch, den Westen irrezuführen, oder um Schwierigkeiten, die aus dem System erwachsen, aber nicht den guten Willen der sowjetischen Führung in Frage stellen. Im zweiten Fall müßte man freilich noch die detaillierten Aussagen Suworows bezweifeln und annehmen, daß es Moskau trotz des bürokratisch hochentwickelten Systems kaum möglich ist, das Budget der Rüstungsindustrie-Kommission zusammenzutragen, falls es dieses noch nicht gibt. Nur: Das Ziel einer vermuteten Desinformation oder zufälligen Irreführung ist gleich. In der westlichen Öffentlichkeit wächst der Druck auf die Politiker, die Wehrbudgets zu reduzieren.

III. Mittel und Methoden der Desinformation

Aus den aufgeführten Beispielen sowie aus den diversen Definitionsversuchen lassen sich einige generelle methodische Aspekte herauskristallisieren: Fälschung von Statistiken und Dokumenten. Halb-wahrheiten. Ausnutzung der Medien beziehungsweise der offenen Informationsstruktur des Westens. Einsatz von Einflußagenten (Victor Louis). „Nach Überläuferaussagen bedienen sich“, so heißt es im zitierten BMI-Bericht, „die Dienste der UdSSR bei der Durchführung . Aktiver Maßnahmen* in erster Linie nichtsowjetischer und nichtkommunistischer Journalisten und Rundfunkredakteure. Ausländskorrespondenten sowjetischer Presseagenturen verfügen über großzügig bemessene Geldbeträge, um durch diskrete und zuverlässige Kontaktleute Artikel lancieren oder schreiben zu lassen.“

Die vermutlich am häufigsten verwandte Methode ist das anonyme Zuspielen von Informationen in Form von abgelichteten Schriftstücken und Fotonegativen. Im November 1984 erhielten zahlreiche deutsche Firmen ein in englischer Sprache gehaltenes angebliches Schreiben des amerikanischen Handelsministeriums, mit dem die Firmen um Offenlegung ihres Technologieexports in Ostblockstaaten ersucht wurden. Nachfragen und Ermittlungen ergaben, daß das US-Handelsministerium weder als Autor noch als Absender in Frage kam. Im Englischen ungebräuchliche Formulierungen waren ein weiterer Anhaltspunkt dafür, daß es sich bei diesem Schreiben um eine Fälschung handelte. Mit den in dem Schreiben sehr gezielten Fragen nach Geschäftspraktiken und -Volumina deutscher Firmen dürfte die Absicht verbunden gewesen sein. Unruhe und Mißtrauen gegen die Vereinigten Staaten in die deutsche Wirtschaft hineinzutragen.

Moskau investiert nach Schätzungen von Experten und Überläufern pro Jahr etwa zehn bis zwölf Milliarden Mark in Apparat und Maßnahmen der Desinformation Der frühere Botschafter in Bonn, Richard Staar, setzte im April 1984 die Zahl auf acht Milliarden an Davon würden Aktionen,

Personal und Organisation bezahlt. Roy Godson macht in einem Interview folgende Rechnung auf: „Wenn wir die Aufwendungen der sowjetischen Satelliten dazurechnen, so kommen wir auf sechs bis acht Milliarden Dollar jährlich.“ Eine Großkampagne wie gegen die Neutronenwaffe kostete rund 100 Millionen Dollar Sie war erfolgreich, die Neutronenwaffe wurde zurückgezogen.

IV. Das geistige Fundament der Desinformation

Der umfangreiche Desinformationsapparat ist nicht von einem Tag auf den anderen abzuschaffen. Auch wenn der Wille zur Umgestaltung — selbst der internationalen Beziehungen — da ist. Denn real ist auch das Sendungsbewußtsein Moskaus und somit die Priorität, die Weltmachtrolle der Sowjetunion zu bewahren und nach Möglichkeit noch auszubauen. Der Westen dürfte also zumindest vorerst weiter mit den sowjetischen Praktiken der Desinformation — von den hausgemachten einmal abgesehen — leben müssen. Das zeigt auch der jüngste Bericht der US-Regierung über Desinformation. Er führt aus, daß unter Gorbatschow neue Desinformationskampagnen gestartet wurden, daß aber der Ton dieser Kampagnen weniger laut und die soge-nannten Front-Organisationen wie etwa der Weltfriedensrat zurückhaltender geworden seien. Dennoch würden jährlich etwa zehn bis fünfzehn Fälschungen verbreitet, wovon der Bericht in seinem Anhang eine Reihe aus den letzten drei Jahren veröffentlicht

In einem Interview mit der Vierteljahresschrift „Disinformation Forecast“ meint der ehemalige hohe KGB-Offizier Ilja Dschirkwelow, die Sowjetunion wolle den Westen „davon überzeugen, daß Gorbatschow und das Politbüro alles in ihrer Macht stehende tun, um gute Beziehungen zwischen Ost und West herzustellen und mehr Offenheit zu erreichen. Gleichzeitig aber wird die sowjetische Führung niemals den ideologischen Kampf gegen den Westen aufgeben, denn das liegt in der Natur des Kommunismus.“

Diese Feststellungen werfen Fragen nach der geistigen Grundlage der Desinformation und somit auch der Möglichkeit auf. ob sie ohne Systemänderung überhaupt abgeschafft werden kann. Immerhin ist die Sowjetunion der Staat, der zuerst die Desinformation in institutionelle Formen goß. die dann als Beispiel für die Verbündeten dienten. Er hat somit, nach westlichem Denken, das Prinzip der Lüge institutionalisiert, auch für Friedenszeiten. Die Frage, ob diese Institution mit dem „neuen Denken“ vereinbar ist, deutet auf Systemunterschiede zwischen Ost und West, auf die informellen Strukturen in beiden Systemen und auf den systemübergreifenden Gegensatz zwischen Lüge und Wahrheit hin. Denn natürlich verzerren auch nicht-kommunistische Regierungen oder Institutionen die Wirklichkeit. Wirkung und strategische Dimension sind jedoch grundverschieden, so wie die Informationssysteme in West und Ost grundverschieden sind. 1. Integrationskonzept und Elitekonzept In der freien Welt ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein „schlechthin konstituierendes“ Element des demokratischen Staatsgefüges, wie auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat Dieses Grundrecht ermöglicht erst öffentliche Meinung als einen Prozeß sozialer, demokratischer Kontrolle. Dieser Prozeß läßt sich in zwei Konzepten denken, wie unter anderem Elisabeth Noelle-Neumann aufgezeigt hat -Sie unterscheidet formal zwischen dem „Integrationskonzept“ und dem „Elitekonzept“. Beim ersten kommt der öffentlichen Meinung eine konsensbildende und konsenserhaltende Funktion zu, die gesellschaftlich integrierend wirkt, weil sie im Austausch der verschiedenen Meinungen und Ideen die verbindende Kraft des Dialogs und der zwischenmenschlichen Kommunikation stärkt. Öffentliche Meinung fördert die soziale Komponente des Menschen. Sie knüpft ein Geflecht eigenständiger Ideen, das Netz oder Koordinatensystem, in dem und an dem sich die Mitglieder der Gesellschaft orientieren können. Es ist die „anonyme Urteilsinstanz“ die den wertetragenden Funktionsraum des sozialen Verbandes bestimmt. Wer sich dem Urteil dieser In- stanz nicht beugt, isoliert sich, macht sich zum Außenseiter der Gesellschaft — oder er bewirkt eine Änderung des Meinungsnetzes, einen Umschwung des Meinungsklimas, indem er neue Werte oder andere Wertprioritäten einführt, denen sich die Masse anschließt.

Das Elitekonzept, das im Gegensatz zum Integrationskonzept sehr viel jüngeren Datums ist, da es erst im 18. Jahrhundert im europäischen Denken Gestalt annimmt, zielt ab auf die Veränderung und Bestimmung der öffentlichen Meinung im Sinne einer Elite, die zunächst nur den Übergang vom Absolutismus zum Ständestaat, zur Republik und zur Demokratie vor Augen hatte. Später aber — im 19. und 20. Jahrhundert — wird dieses Konzept im Sinne der marxistisch-leninistischen Avantgarde angewandt und somit geradezu zum Antikonzept der Integrationsfunktion. Der Dialog wird durch das Meinungsmonopol, der Austausch der Meinungen und Ideen durch den öffentlichen Meinungszwang ersetzt. Das variable Koordinatensystem wird einer starren, totalitären Ideologie unterworfen, die das gesamte Gesellschaftsleben erfassen will. 2. Michel de Montaigne und Wladimir Iljitsch Lenin: Von der „opinion publique" zur „Presse neuen Typs“

In diesem Zusammenhang sind zwei historische Gestalten exemplarisch: Michel de Montaigne (1533— 1592) und Wladimir Iljitsch Lenin (1870— 1924). Der französische Landedelmann ist nach heutigen Erkenntnissen der Schriftsteller, der den Begriff „öffentliche Meinung“ in der Ausgabe seiner „Essais“ 1588 zum erstenmal als einen soziologischen Begriff benutzt hat, auch wenn erst Jean-Jacques Rousseau die „opinion publique“ als Modewort der Aufklärung einführte Montaigne benutzte den Begriff als Bezeichnung für den integrativen Prozeß. Wir verdanken ihm die erste Beschreibung des damit verbundenen Abbaus individueller Unsicherheit durch das Übernehmen der Mehrheitsmeinung. Ferner die Schilderung der Sanktionsmechanismen der sozialen Kraft „öffentliche Meinung“ (insbesondere die Isolierung), sowie die Beschreibung der Änderung eines Meinungsklimas durch das gesellschaftliche Gewicht von bekannten Persönlichkeiten. die wir heute „opinion leaders“ oder Prominente nennen.

Montaigne hat auch erste Ansätze für das Elitekonzept der öffentlichen Meinung angedeutet, indem er die politische Bedeutung der Meinungsführerschaft erkannte und gleichzeitig die Ambivalenz der Demagogie und die schillernde Zwischenbeziehung zwischen Meinungsführer und Staat aufzeigte. Er schrieb dazu, die Redekunst — heute würden wir sagen: die Medien — seien „ein Werkzeug, das dazu erfunden ist, auf einen großen, ungestümen Haufen zu wirken und ihn nach Gefallen zu lenken“. Im Mittelpunkt von Montaignes Integrationskonzept steht der Mensch als „Kontrolleur aller Meinungen und Adressat neuer Ansichten“ Das unterscheidet sein Konzept wesentlich von dem elitären Konzept Lenins, Stalins und ihrer Nachfolger. Denn „die Ideologie des Sozialismus“, schreibt Koschwitz, „legt fest, wem die Rolle der progressiven Minderheit zufällt und wer damit zugleich stellvertretend für die gesamte Gesellschaft als der originäre Träger der öffentlichen Meinung fungiert: die sich als Avantgarde der Massen verstehende proletarische Partei.“ Daraus folgert er die bekannte Tatsache: Die sowjetische Medienpolitik ist Teil eines umfassenden und allgegenwärtigen Erziehungs-und Lenkungssystems. Deshalb können die Medien in der Sowjetunion auch nicht mehr sein als „Transmissionsriemen zwischen Partei und Arbeiterklasse zur Verknüpfung des politisch-ideologischen Überbaus mit der ökonomischen Praxis“

Lenin hat seine Theorie von der Partei neuen Typs auch auf die Presse angewandt. Er gilt als der Schöpfer der Presse neuen Typs, der Medienpolitik des Ärbeiter-und Bauernstaates. Seine ursprünglich für die Parteizeitung „Iskra“ erfundene Formel, wonach diese Zeitung „nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator“ sein müsse, wurde nach der Revolution auf die ganze sowjetische Presse und später alle Massenmedien übertragen. Die Presse hatte in diesem Sinn zwei Funktionen zu erfüllen: vereinfachen und zurechtbiegen. „Diese zwei Charakteristika — vereinfachte, schon im voraus entworfene und zusammengestellte schematische Bilder und Auswahl und Zurechtbiegung aller Informationen entsprechend der Parteilinie — sind zum Rückgrat der kommunistischen Propaganda und Presse geworden.“ Das erste und wichtigste Prinzip der Presse neuen Typs „ist das der kommunistischen Parteilichkeit . . . Indem er das Prinzip der kommunistischen Parteilichkeit herausstellte, wies Lenin auch auf die Bedingungen hin, die seine Verwirklichung garantieren. Die wichtigste ist — die Leitung der Presseorgane durch die Partei . . . einer der wichtigsten Lehrsätze in der leninschen Lehre von der Parteilichkeit der Presse ist die Forderung, klassengemäß an das Verständnis der Pressefreiheit heranzugehen.“ Dieser elitär-totalitären Konzeption liegt die Weltanschauung zugrunde, die im Bewußtsein nur einen „inneren Zustand der Materie“ sieht und infolgedessen die Personhaftigkeit des Menschen gemäß dem Denken des westlichen Kulturkreises ausschließt. Bei der Schaffung des neuen Menschen sollen sich eben auch diese inneren Zustände der Materie wandeln, was einen Wandel der Wertvorstellungen bedeutet. Bei diesem Wertewechsel hat die öffentliche Meinung als Ausdruck des „inneren Zustandes“, als Form und Forum der Begriffe, eine Vorreiterrolle zu spielen. 3. Moralischer Nihilismus oder die Selbstermächtigung Der langjährige sowjetische Geheimdienstchef Jurij Andropow, der 1959 die Desinformation mit einer eigenen Abteilung im KGB institutionalisierte, hat die Unterschiede der sozialen und philosophisch-ideologischen Wirklichkeit in Ost und West mit den Mitteln der Desinformation zu ändern versucht, um durch diesen Wertwandel ein verändertes Bewußtsein zu schaffen. Man darf dabei auch dem späteren Staats-und Parteichef marxistisches Sendungsbewußtsein unterstellen. Denn Moral. Menschlichkeit, Sittlichkeit waren auch für ihn, wie für alle Marxisten. Begriffe, die man in das Kalkül einzubeziehen hatte, die aber letztlich klassenbedingt seien.

Hugh Seton Watson spricht in diesem Zusammenhang von einem „moralischen Nihilismus“ und Lenin selbst verneint in der Tat jede übergeordnete Moral, wenn er schreibt: „Wir sagen, daß unsere Sittlichkeit völlig den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet ist. Unsere Sittlichkeit entspringt den Interessen des proletarischen Klassenkampfes. Alles, was für die Sache des Proletariats getan wird, ist ehrbar.“ Und sittlich ist, „was der Zerstörung der alten Ausbeutergesellschaft dient und dem Zusammenschluß aller Werktätigen und dem Proletariat, das die neue kommunistische Gesellschaft errichtet.“

Festzuhalten wäre: Dieses funktionalistisch-materialistische Prinzip ist das Fundament der Informationsstruktur im Marxismus-Leninismus und auch der Desinformation. Es fordert die Verkehrung und Leugnung metaphysischer Wirklichkeiten beziehungsweise die Umdeutung der gegebenen empirischen Umstände — im Dienst der Revolution oder einer Sache. Es präsentiert eine Pseudowirklichkeit und erhebt somit die Lüge selbst zum Prinzip des Systems, solange die Wirklichkeit nicht so ist, wie sie nach dem Willen und den Vorstellungen der Marxisten-Leninisten oder der Desinformanten sein soll.

Immerhin gesteht Lenin noch indirekt ein, daß es eine Wahrheit, also eine dem Marxismus-Leninismus fremde Wirklichkeit gibt, wenn er seinem Parteigenossen Tschitscherin in einem Memorandum 1921 schreibt: „Die Wahrheit zu sagen ist eine kleinbürgerliche Gewohnheit.“ Und folgerichtig ist für einen Revolutionär „lügen, überzeugend lügen, nicht nur ein Zeichen von Intelligenz, sondern eine Art Befehl, wenn er damit die Sache der Revolution voranbringen kann“ Die Sowjets finden es daher nicht unmoralisch, unterstreicht der amerikanische KGB-Experte John Barron, „Desinformationen zu verbreiten, die meistens eine Mischung von Tatsachen, Verzerrungen und Erfindungen. manchmal aber auch von A bis Z Lügen sind“

Gerard Radnitzky spricht in diesem Sinn von einer „moralischen Selbstermächtigung“. „Durch den Anspruch auf ein Erkenntnismonopol zerstört die marxistische Lehre jede Argumentationssymmetrie und immunisiert sich: Wer ihr widerspricht, beweist dadurch, daß er sein klassenbedingtes falsches Bewußtsein noch immer nicht überwunden hat. Wer der Lehre nicht zustimmt, der ist. . . unvernünftig oder böswillig. Er lebt in Sünde. Er muß also (zum Beispiel durch eine Art Psychotherapie) zur Vernunft gebracht oder ins GULag gesperrt werden oder beides. Der Sündenfall der Dezentralisierung, wie ihn zum Beispiel freie Gewerkschaften exemplifizieren würden (siehe die polnische Herausforderung), darf bereits deswegen nicht geduldet werden. weil er die Zulassung von Meinungswettbewerb bedeuten würde. Dieses Bewußtsein der Unfehlbarkeit bildet die Grundlage der moralistischen Selbstermächtigung zur Gewalt.“

Desinformation entpuppt sich insofern auch als ein aus marxistisch-leninistischer Sicht notwendiger voluntaristischer Akt. Er ist der Befehl zur Lüge. Dieser voluntaristische Akt kommt übrigens in dem gebräuchlichen sowjetischen Ausdruck für Desinformationsaktionen zum Vorschein: Aktivnye Meropriatia — Aktive Maßnahmen.

V. Chancen zur Überwindung

Im voluntaristischen Charakterzug der Desinformation liegt vielleicht auch eine Chance. Er macht es möglich, dieses Instrument des politischen Kriegs zu überwinden oder „auszumustern". Voraussetzung dafür wäre freilich die Erkenntnis, daß diese Waffe mehr Schaden als Nutzen bringt.

Das gilt zunächst für die inneren Verhältnisse. Unübersehbar ist das Bemühen, mittels mehr Offenheit (Glasnost) die Beziehungen zwischen Elite (Partei) und Masse (Bevölkerung) qualitativ zu verändern im Sinne einer erneuerten Legitimität in der Öffentlichkeit. Dabei geht es nicht nur um eine Renovation, wie sie leninistische Parteien, deren Führungsautorität ins Wanken geraten ist, in der Vergangenheit bereits versuchten. Vielmehr entwickelt sich, wie Daniel Nelson kürzlich beschrieb, in den Führungsschichten kommunistischer Staaten eine „Konstellation, in denen Sachkenntnis und eine gewisse Popularität erforderliche Qualitäten für einen Führungspolitiker sind“ Die Regime kommen ohne Beteiligung der Bevölkerung nicht mehr aus. Diese Hauptvoraussetzung für das Gelingen der Reformen ist zugleich die größte Bedrohung für die kommunistischen Systeme. „Ohne Beteiligung wird kein Bemühen um die Dezentralisierung und Wiederbelebung des Staatssozialismus Früchte tragen; mit Beteiligung laufen derartige Systeme Gefahr, von Kräften überwältigt zu werden, die sie nicht mehr lenken und beschränken können.“ Nelson sieht die Entwicklung schon so weit fortgeschritten, daß die Nomenklatura und der demokratische Zentralismus „wohl kaum je wieder als konzeptionelle Begrenzungen für die Politik derartiger Systeme ausreichen“ werden. Ja, „falls die Parteieliten den entstehenden Pluralismus verwerfen oder versuchen würden, ihn zu unterdrükken, kann eine konfliktträchtige Zukunft nicht vermieden werden. Es ist jedoch kein Konflikt, bei dem die herrschenden kommunistischen Parteien in Europa erwarten können, die Oberhand zu behalten.“

In der Tat sind Ansätze für einen „entstehenden Pluralismus“ zu beobachten. Das reicht von einer Geschichtsglasnost (Behandlung der Nationalitätenfrage oder der Verbrechen Stalins) über eine Gegenwartsglasnost (Mißstände in der Versorgung) bis hin zu einer Zukunftsglasnost durch die öffentliche Erörterung von Menschenrechtsfragen (Psychiatrie-Mißbrauch, Religionsgesetze). Gorbatschow hat in fast allen Bereichen neue Gesetze angekündigt. Was bisher darüber bekannt geworden ist, berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, daß diese neuen Gesetze über Glasnost und Perestroika eine Gewaltenteilung, also eine Demokratisierung im westlichen Sinn, zur Folge haben werden. Die fünf Grundwerte des Sozialismus bleiben vorerst unangetastet: Monismus (alle politischen Entscheidungsbefugnisse bleiben in der Hand der Partei), demokratischer Zentralismus (er sichert die Entscheidungsprozesse von oben nach unten und verhindert die Entstehung einer Opposition), Atheismus, Kollektivismus (er bedingt ein grundsätzlich anderes Verständnis von Menschenrechten) und sozialistisches Eigentum (beziehungsweise Staatseigentum).

Allerdings sind an der Peripherie dieses das System hermetisch abriegelnden Fünfecks Erosionserscheinungen zu beobachten, die möglicherweise den Zerfall des traditionellen Systems nach sich ziehen. So läßt sich nach einer kurzen Analyse der Verfassung und der Reformgesetze für das Justizwesen bereits summarisch sagen, daß die Sowjetunion sich auf dem Weg vom Absolutismus der Partei zu einer sozialistischen Rechtsstaatlichkeit befindet, in der im Bereich des Rechts Staat und Partei getrennt werden. Auch das Recht auf Eigentum findet durch die Hintertür des Religionsgesetzes — noch nicht verabschiedet — Eingang, wenn es in Artikel 18 heißt: „Die religiösen Organisationen haben das Recht auf Eigentum . . . Bauten. Transportmittel und anderen Besitz, der den Zwecken ihrer Tätigkeit entspricht.“ Im Bereich der Menschenrechte „beginnen sich die Verhältnisse . . . zum Besseren zu wenden“, wie Luchterhandt detailliert ausführt, auch wenn die „rechtlich-institutionelle Absicherung dieser Lage noch aussteht“ -

Es wäre sicher verfehlt oder verfrüht, schon im jetzigen Stadium den Abschied vom Kommunismus zu verkünden oder wie Sacharow eine „Konvergenz des kapitalistischen und sozialistischen Systems“ zu fordern. Momentan trifft wohl eher die Einschätzung der Wirkung von Glasnost zu. die eine junge russische Intellektuelle dem Verfasser bei dessen Besuch in Moskau Ende Oktober dieses Jahres gab. Sie bezeichnete die psychologischen Folgen von Perestroika und Glasnost als „tragisch“. Denn „jetzt erkennen wir, daß so viele Generationen vor uns umsonst gelebt haben und daß wahrscheinlich auch wir und weitere umsonst leben werden“. Sacharow zieht aus dieser Stimmungslage die Konsequenz: „Das Vertrauen der Menschen zur Perestroika hängt davon ab, ob die Taten und die Worte miteinander übereinstimmen werden . . . Gerade die Glasnost muß im Lande eine neue moralische Atmosphäre schaffen. Die Menschen müssen die Wahrheit wissen und die Möglichkeit haben, ihre Gedanken ungehindert zu äußern. Die verderbliche Lüge, das Verschweigen und die Heuchelei müssen ein für allemal aus unserem Leben verschwinden.“ Das ist mit den Maximen Lenins oder den alten Direktiven aus dem Handbuch für angehende Journalisten nur schwer zu bewerkstelligen. Da heißt es zum Beispiel: „Die sowjetische Presse ist auf zwei leninschen Prinzipien errichtet. Erstens auf dem Prinzip der Parteilichkeit, der ideologischen Ausrichtung. Das bedeutet, daß jede beliebige Frage in unserer Presse beleuchtet wird vom Gesichtspunkt der Interessen im Kampf für den Kommunismus, für die Parteilinie. Das widerspricht keinesfalls einer objektiven und wahrhaftigen Wiedergabe der Wirklichkeit, da die Wahrheit auf Seiten des Kommunismus ist. . Obsolet sind die Maximen und Direktiven deshalb noch nicht. Gorbatschow selbst definiert die Grenzen von Glasnost, Kritik und Selbstkritik wie folgt: „Eins steht jedoch außer Zweifel — Kritik muß immer parteilich sein und auf der Wahrheit basieren, und das hängt von der Parteilichkeit des Redakteurs ab“, denn ein Artikel sei „eine gesellschaftliche Sache“ Sacharow dagegen — unwidersprochen: „Das Volk muß wissen, daß man ihm die Wahrheit sagt. Dazu ist es notwendig, die Wahrheit, die ganze Wahrheit, zu sagen und die Worte stets durch Taten zu bekräftigen.“

Inwieweit sich die „ganze Wahrheit“ überhaupt darstellen läßt, sei einmal dahingestellt. Viel wäre schon gewonnen, wenn anerkannt würde, daß es mehr als nur eine Wahrheit gibt. Denn dann würde sich die Desinformation im Sinne Sagers wenigstens zur Propaganda entwickeln. Das allerdings setzt voraus, daß die Partei und ihre Führer die sich zaghaft entwickelnde Praxis des Meinungspluralismus auch rechtlich anerkennen und theoretisch anders einordnen als unter Breschnew, wo man von dem „Orchester der Propaganda“ sprach und dabei an den Dirigenten Partei dachte.

Wenn nun Glasnost und Perestroika soviel Wahrheiten — sprich Meinungen — zuließen, daß das Monopol der Macht und der Wahrheit aufgelöst würde, dann würde auch der totalitäre ideologische Anspruch, der in der Desinformation verborgen ist, aufgelöst. Nur: Solange die Entwicklung in der Sowjetunion über die aufgezeigten Ansätze nicht hinausgeht, bleibt es durchaus zulässig, trotz Entspannung auf die anhaltende Aktualität der totalitären Bedrohung aufmerksam zu machen oder, wie Klaus Hornung die Perestroika als Peredyschka (Atempause) zu interpretieren Der von Sacharow geforderte Beweis durch die Tat liegt im Bereich der Desinformation, sprich des ideologischen Kampfes, noch nicht vor. In der auch von ihm gesehenen Altemativlosigkeit oder Unvermeidbarkeit des Umbaus (Perestroika) liegt allerdings auch eine Chance zum graduellen Abbau dieser heimlichen Institution des totalitären Denkens.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Definitionen in diversen Lexika. Bewußt falsche Information. die ein Geheimdienst zur Täuschung und falschen Schlußfolgerung verbreiten läßt, in: Der Große Duden. Bd. 5. Mannheim-Wien-Zürich 1974. S. 168. Weder Brockhaus noch Encyclopedia Britannica geben eine Definition. In der Grande Dictionnaire Encyclopedique Larousse heißt es: „Desinformation, n. f. Action de supprimer une Information. d’en minimiser l’importance ou d’en modifier le sens; fait d’etre desinforme". Paris 1982. S. 3158.

  2. Nach einem KGB-Handbuch zit. nach John Barron. KGB — Arbeit und Organisation des sowjetischen Geheimdienstes in Ost und West. Bern-München 1976. S. 211 f.; siehe auch Roy Godson/Richard H. Shultz. Dezinformatsia — Active Measures in Soviet Strategy. New York 1984. S. 37.

  3. Große Sowjetenzyklopädie. Bd. 8. Moskau 19723. S. 29.

  4. Jean-Francois Revel. De la Desinformation, in: Le Point vom 14. November 1983, S. 73.

  5. Beide Definitionen in: Le Figaro vom 3. November

  6. Peter Sager. Desinformation in den Medien. Sonderdruck 20 des Schweizerischen Ost-Instituts. Bem 1981. S. 13.

  7. Vgl. ebda.. S. 5.

  8. Ebda.. S. 4.

  9. Maria Fraguas de Pablo. Teoria de la Desinformacion. Madrid 1985.

  10. Ebda.. S. 5.

  11. Robert Conquest, The deeper roots of Disinformation. Vortrag auf dem Symposium in Paris am 5. 12. 1984. S. 1.

  12. Vgl. Constantin Melnik, Lutter contre la desinformation, Vortrag auf dem Symposium in Paris am 5. 12. 1984. S. 7.

  13. Vgl. J. Barron (Anm. 2). S. 21 lf.

  14. Vgl. R. Godson/R. Shultz (Anm. 2). S. 2f.

  15. Air Force Magazine. March 1982. S. 85— 87. hier S. 85.

  16. Aktive Maßnahmen östlicher Nachrichtendienste. Februar 1985 . 20 Seiten, hier S. 3.

  17. Ebda.. S. 6.

  18. Ebda.. S. 2.

  19. Lucio Lami. La desinformation dans les zones de tension entre les deux blocs, Vortrag auf dem Symposium in Paris am 5. 12. 1984.

  20. Constantin Melnik, Aspects on disinformation. Vortrag auf dem Symposium in Paris am 5. 12. 1984, S. 4; Melnik spricht auch von , automesinformation‘. S. 9.

  21. L. Lami (Anm. 19), S. 7.

  22. Ebda.. S. 6.

  23. Jean-Francois Revel, La connaissance inutile, Paris

  24. Ebda.. S. 238.

  25. Die Literatur zu diesem Thema ist sehr umfangreich, und zwar schon seit Jahrzehnten. Aus den siebziger Jahren seien — willkürlich — genannt: Denis Barrelet. La liberte de l’information. Bern 1972; ferner Jürgen Liminski. Plaidoyer pour un secret. Le secret professionnel des joumalistes en Europe. Diplomarbeit. Straßburg 1976; Jose Maria Desantes. El autocontrol de la actividad informativa. Madrid 1973. Für die neuere Literatur genüge der Hinweis auf die Publikation von Jürgen Wente. Das Recht der journalistischen Recherche — Beitrag zum Konflikt zwischen den Medien-freiheiten und der informationeilen Selbstbestimmung. Baden-Baden 1987.

  26. Hermann Lübbe. Politischer Moralismus. Der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft. Berlin 1987. S. 120 f. Das Thema scheint auch den Politikern Sorge zu bereiten, jedenfalls zu Kamingesprächen im Kanzleramt zu führen, wie ein Bericht in DIE WELT vom 12. November 1988 zeigt.

  27. Carl von Clausewitz. Vom Kriege, herausgegeben und eingeleitet von Werner Hahlweg. Bonn 198019. S. 191 und 209 f.

  28. Peter Sager. Der politische Krieg — die reale Gefahr. Schweizerisches Ost-Institut. Bem 1986. S. 19 und 25.

  29. Die Metapher stammt von dem ehemaligen polnischen Botschafter in Tokio. Zdzislaw Rurarz. Seine Ausführungen auf dem Kongreß in Paris (Dezember 1984) wurden teilweise veröffentlicht vom European Institute for Security, Journal (1985) 2, auch als Buch, Disinformation in the economic sphere, Bonn 1985. S. 14— 26.

  30. Die Definition stammt von Lasswell aus dem Jahre 1927. Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann/Werner Schulz. Publizistik, Frankfurt 1971. S. 305. In der Encyclopaedia Britannica heißt es: Propaganda ist die bewußt einseitige Orientierung einer Massenzuhörerschaft. Sie ist ein Akt der gerichteten, gezielten Meinungslenkung . . . bei umstrittenen Sachverhalten. Bd. 18. London 1961. S. 580; vg). auch United States Departement of State. Contemporary soviet Propaganda and disinformation — a Conference report, Washington 1987, insbesondere die Definitionen S. III.

  31. Vgl. United States Department of State, ebda.. S. III.

  32. P. Sager (Anm. 6). S. 13.

  33. Boris Tumanov, in: Ogonek, (1988) 21.

  34. Wolfgang Bergsdorf, Über die Macht der Kultur — Kommunikation als Gebot der Politik, Stuttgart 1988, S. 80 f.

  35. Vgl. Anm. 29.

  36. Abel Aganbegjan. Strategie der Beschleunigung der sozialökonomischen Entwicklung in der UdSSR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 45/1987. S. 3f.

  37. Andrej Sacharow, in: Juri Afanassjew (Hrsg.), Es gibt keine Alternative zu Perestroika. Moskau 1988, S. 162.

  38. Wladimir B. Lomejko, Das „Haus Europa“ aus sowjetischer Sicht, in: Hanns-D. Jacobsen/Heinrich Machowski/Dirk Sager (Hrsg.), Perspektiven für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Bonn 1988, S. 66.

  39. Zit. nach: Dokumente der Presseabteilung der Botschaft der UdSSR in Zusammenarbeit mit Nowosti, Bonn, 17. 2

  40. Literaturnaja Gazeta vom 6. 5. 1987.

  41. Vgl. Prawda vom 3. 10. 1987.

  42. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Aktuelle Analysen, Nr. 52, S. 5.

  43. Vgl. Frank Carlucci, in: Wall Street Journal vom 30. 8.

  44. Vgl. Lothar Rühl, Die Sowjetunion will die Asymmetrie der maritimen Macht, in: Die WELT vom 6. 12. 1988; und Jürgen Todenhöfer, in: Europäische Wehrkunde. (1988) 12.

  45. Viktor Suworow. GRU — Die Speerspitze. Spionage-Organisation und Sicherheitsapparat der Roten Armee. München 1985. S. 61.

  46. Ebda.. S. 62.

  47. Vgl. R. Godson/R. Shultz (Anm. 35), S. 31; die Autoren berufen sich auf einen Bericht im Geheimdienst-Ausschuß des US-Kongresses.

  48. Vgl. Hans Graf Huyn, Sieg ohne Krieg. München 1984,

  49. R. Godson in einem Interview mit den „Ost-Nachrichten“, Nr. 12, Dcz. /Jan. 1984/85, S. 5.

  50. Vgl. Lawrence S. Eagleburger, Amerika-Dienst vom 25. 5. 1983, S. 7; vgl. auch Astrid von Borcke. KGB — die Macht im Untergrund. Stuttgart 1987. S. 90; für den Verlauf der Kampagne gegen die Neutronenwaffe vgl. J. Barron (Anm. 2). S. 257 ff.

  51. Vgl. Soviet active measures in the era of Glasnost. United States Information Agency (Hrsg.). Washington 1988.

  52. Disinformation Forecast, Nr. 9 (Sommer 1988). S. 8 und 9.

  53. Bundesverfassungsgericht. Amtliche Sammlung. Bd. 7/208 vom 15. 1. 1958.

  54. Elisabeth Noelle-Neumann. Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung — unsere soziale Haut. München-Zürich

  55. Ebda.. S. 93.

  56. Vgl. Michael Raffel. Der Schöpfer des Begriffs. . Öffentliche Meinung*: Michel de Montaigne, in: Publizistik. (1984) 1— 2. S. 49— 62 und 50; und Michel de Montaigne. Essais. Paris 1964, Bd. II.

  57. M. Raffel, ebda., S. 59.

  58. Hansjürgen Koschwitz, Begriff und Funktion der Öffentlichen Meinung im bürgerlichen und sozialistischen Gesellschaftssystem. in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13/71,

  59. Stalin am 6. 5. 1923, zit. nach Paul Roth, Die kommandierte Öffentliche Meinung, Stuttgart 1982, S. 74f.

  60. Iskra, Nr. 4. Mai 1900, dokumentiert in: Lenins Werke, Bd. 5. Berlin (Ost) 1955, S. 9 ff.

  61. Anton Buzek. Die kommunistische Presse, New York-Frauenfeld (Schweiz) 1965. S. 22.

  62. W. I. Lenin, KPSS o pecati. Moskau 1970, S. 3f.

  63. Zit. nach Gustav A. Wetter. Sowjetideologie heute. Frankfurt-Hamburg 1962. S. 50.

  64. Zit. nach Robert Conquest. The deeper roots of Disinformation. Vortrag auf dem Symposium in Paris am 5. 12. 1984. S. 1.

  65. W. I. Lenin. Werke. Bd. 31. S. 281 f.

  66. Zit. nach Arnaud de Borchgrave. Aspects on disinformation. Vortrag auf dem Symposium in Paris am 6. 12. 1984. S. 7.

  67. Ebda.

  68. John Barron. KGB heute. Moskaus Spionagezentrale von innen. Bem-München. S. 249f.

  69. Gerard Radnitzky. Die Selbstgefährdung der offenen Gesellschaft. Würzburg 1982. S. 110.

  70. Daniel Nelson, in: Europa Archiv, (1988) 22, S. 649.

  71. Ebda.. S. 655.

  72. Ebda., S. 657.

  73. Eugen Voss, Manuskript eines Vortrags in Stuttgart am 16. 9. 1988 über Die russische orthodoxe Kirche nach dem Millenium von 1988. S. 7.

  74. Otto Luchterhandt, Zum Stand der Freiheitsrechte in den Warschauer-Pakt-Staaten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/88, S. 26 ff.

  75. Andrej Sacharow, zit. in: J. Afanassjew (Anm. 38), S. 167.

  76. Hilfe für beginnende Journalisten. Moskau 1964, S. 13.

  77. Rede von M. Gorbatschow vor Medienpolitikern der UdSSR vom 20. 2. 1987. Ähnlich bei einem Treffen mit Leitern der Massenmedien im Juli 1987.

  78. Siehe dazu Karl Dietrich Bracher, Die Aktualität des Totalismusbegriffes, in: Totalitarismus contra Freiheit, Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.). München 1988, S. 19— 26.

  79. Vgl. Klaus Hornung, Gorbatschow und die Deutsche Frage — Der Zwang zur Atempause: Perestroika für Peredyschka, in: MUT vom Dezember 1988, S. 36 f.

Weitere Inhalte

Jürgen Liminski. geb. 1950. Diplom-Journalist und Diplom-Politologe; seit 1974 Tätigkeit als Journalist bei Dernieres Nouvelles d’Alsace. Rheinischer Merkur und DIE WELT; seit Juli 1988 freier Publizist für deutsche und ausländische Publikationen, Lehrauftrag an der Brüsseler Journalistenschule für Postgraduierte European Media Studies. Zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Sammelbänden im In-und Ausland.