Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Großparteien im Parteienstaat der Bundesrepublik | APuZ 11/1989 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 11/1989 Artikel 1 Großparteien im Parteienstaat der Bundesrepublik Innerparteiliche Partizipation Zur Analyse der Beteiligung von Parteimitgliedern am parteiinternen Willensbildungsprozeß Parteienfinanzierung als verfassungspolitisches Problem

Großparteien im Parteienstaat der Bundesrepublik

Alf Mintzel

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Struktur und Politik der Großparteien („Volksparteien“) stehen seit geraumer Zeit auf dem Prüfstand sozialwissenschaftlicher und politisch-zeitgeschichtlicher Forschung und Erörterung. Die Diskussion über Entwicklung und Situation der Großparteien hat sich zwischen zwei Extrempositionen bewegt: zwischen der Omnipotenz-Thesc der sechziger und siebziger Jahre und der Impotenz-These der achtziger Jahre. Auf der Suche nach der Wirklichkeit der Großparteien werden diese als ein Mischtypus bestimmt. Es gibt realiter nicht so etwas wie eine typische „reine“ Volkspartei. Zahlreiche Analysen sprechen dafür, daß es sich bei den Großparteien nicht um einen strukturell-funktional einheitlichen, nach bestimmten Merkmalen durchgebildeten Parteitypus handelt, sondern um einen Mischtypus aus Strukturelementen verschiedener Parteitypen. Es wird außerdem die These vertreten, daß die Großparteien der Bundesrepublik „keine auslaufenden Modelle“ darstellen, sondern trotz der nachweisbaren Integrationsschwächen. Konfliktlösungsdefizite, Legitimationsschwächen. Mitgliederrekrutierungsprobleme und Organisationsmängel noch immer politikfähige Organisationen darstellen. Die Großparteien stehen in einem vielfältigen Wechselverhältnis mit Kleinparteien. Für moderne westliche Industriegesellschaften ist die Koexistenz von Groß-und Kleinparteien sowie verschiedener Strukturtypen und Organisationsformen charakteristisch. Nach wie vor läßt sich das Parteiensystem der Bundesrepublik als der Typus eines „gemäßigten Pluralismus" klassifizieren. Die bisherige Geschichte der Parteien und des Parteiensystems der Bundesrepublik läßt die Hypothese zu, daß die Großparteien nicht überholt und zur Adaption an neue Entwicklungen fähig sind.

I. Zeitdiagnose und Wirklichkeitsanalyse

1. Großparteien auf dem Prüfstand Struktur und Politik der Großparteien, in der Regel Volksparteien genannt, befinden sich seit geraumer Zeit auf dem Prüfstand sozialwissenschaftlicher und politisch-zeitgeschichtlicher Forschung und Erörterung. Die Großparteien stehen auch im Kreuzfeuer der Massenmedien, die ihnen gravierende Schwächen nachsagen und ihre effektive Handlungsfähigkeit bezweifeln. Struktur und Politik der Großparteien werden von Kleinparteien — insbesondere von den politisch relevanten GRÜNEN — als ineffektiv, unflexibel, kartellartig abgeschlossen, bürokratisch blockiert usw. bezeichnet. Die Großparteien seien nicht mehr den neuen und drängenden Aufgaben gewachsen. Die veralteten „Tanker“ potenzierten sogar die Krisen.

Die Tatsache, daß die Großparteien von verschiedener Seite besonders kritisch betrachtet und analysiert werden, hat mehrere Gründe: -Die Großparteien sind in der Herrschaftsorganisation der Bundesrepublik zentrale und dominante Institutionen und Agenten der „Organisation der Macht". -Die Großparteien zeigen empirisch nachweisbare Integrationsschwächen, politische Konfliktlösungsdefizite und Legitimationsschwächen auf; sie haben Schwierigkeiten bei der Mitgliederrekrutierung und bei der Elitenselektion, sie weisen Orga-nisationsmängel auf und haben einen zunehmenden Finanzbedarf, dessen legale Deckung als problematisch erscheint. — Die Großparteien waren und sind im politisch-ideologischen Wettbewerb mit anderen Parteien stets der Kritik ausgesetzt; Krisenthesen und überschüssige Kritik an den Großparteien gehören zum alltäglichen politischen Problemhaushalt des ideologischen Parteienwettbewerbs.

— Die Kritik an den Großparteien hat weitere Gründe in der deutschen Staatstradition und -ideologie und in der Entwicklung der Großparteien zu „Staatsparteien“.

— Als politische Agenten der „Organisation der Macht“ neigen die Großparteien zu einer imperialen Durchdringung anderer Institutionen, Sektoren und Organisationen; sie dringen in die Medien ein, in die Universitäten, sie nehmen sogar Einfluß auf die Bestellung von Schöffen in unabhängigen Gerichten. Großparteien erscheinen vielen wie beute-gierige Polypen.

— Die Erwartungen an ihre Handlungsfähigkeit, das heißt an ihre Problemlösungskapazität und an ihre Fähigkeit zur Konfliktregulierung, sind zum Teil unrealistisch hoch. Trotz der oftmals apostrophierten Parteiverdrossenheit sind die Großparteien zentrale Adressaten gesellschaftlicher Erwartungen und Anforderungen geblieben; Großparteien wird für vieles die Verantwortung auch in Bereichen zugeschoben, die jenseits ihrer Steuerungs-und Kontrollkompetenz liegen.

— Nicht zuletzt sind es auch wissenschaftliche Konstruktionsmythen, Phantome und Kontroversen über reale und vermeintliche Konfliktlösungs-, Integrations-und Legitimationsmängel, die in die öffentliche Diskussion hineinspielen und nicht immer eine realistische Beurteilung der Sachlage, Situation und Entwicklung gefördert, sondern auch Vorurteile und Antiparteienaffekte genährt haben. So ist die catch-all party oder Allerweltspartei eines der unausrottbaren Phantome der Parteienlehre, das auch in der öffentlichen Kritik an den Großparteien sein „Unwesen“ treibt. 2. Wirklichkeitsanalyse ist geboten Die fachwissenschaftliche Diskussion muß sich, wie die Diskussion über die Entwicklung der Parteien und des Parteiensystems in der Bundesrepublik immer wieder gezeigt hat. vor modischen Dramatisie3 rungen und voreiligen Prognosen hüten Krisen-diagnosen und Parteienkritik haben in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Die Krise einer Partei muß noch lange nicht zu einer Parteiensystemkrise werden, Wandlungen im Parteiensystem müssen nicht systembedrohende Krisen auslösen, Probleme und Mängel der Großparteien müssen noch lange nicht bedeuten, daß die Großparteien veraltete Strukturtypen darstellen, die auf den Friedhof der Parteiengeschichte gehören. Die Sachverhalte sind komplexer, viele Komponenten stehen in Wechselwirkung zueinander. Effektvolle und medienwirksame Zeitdiagnosen werden von einer nüchternen politik-soziologischen Wirklichkeitsanalyse nach einiger Zeit in der Regel als apokalyptische Visionen oder dramaturgisch effektvolle Vereinfachungen der politischen Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland entschlüsselt. Ein Teil der fachwissenschaftlichen Kontroversen über Struktur und Politik der Volksparteien, was immer darunter verstanden worden ist, über Leistungen und Leistungsdefizite der Großparteien ist durch die historisch-konkrete Entwicklung der Großparteien und des Parteiensystems erledigt und überholt. Die sozialwissenschaftliche und zeitgeschichtliche Diskussion über die Entwicklung und Situation der Groß-parteien hat sich zwischen zwei Extrempositionen bewegt: zwischen der Omnipotenz-These der sechziger und siebziger Jahre und der Impotenz-These der achtziger Jahre. Die Omnipotenz-These 1. Prominente Parteienforscher mit unterschiedlichen politischen Standorten haben bis Ende der siebziger Jahre über ihre Streitigkeiten hinweg weitgehend die Auffassung geteilt, daß der neue Typus der Volkspartei/catch-all party und seine Varianten, erstens, eine höher entwickelte politische Organisationsform und ein besser funktionierendes Handlungssystem seien als der ältere Typus der demokratischen Massenintegrationspartei und seine Varianten (SPD und Zentrum bis 1933). Der neue Typus zeichne sich, zweitens, durch höhere Integrationskapazität, drittens durch höhere Problemlösungskapazität und viertens durch breitere Legitimationskapazität aus. Die „volksparteiliche“ Großpartei der Bundesrepublik hat quasi als Prototyp der politischen Organisationsform fortgeschrittener Industriegesellschaften mit parteienstaatlichdemokratischer Herrschaftsorganisation gegolten. Nach der Bundestagswahl 1961 wurde diesem Typus (in Gestalt der damaligen CDU) geradezu Omnipotenz bescheinigt und die moderne Großpartei „Volkspartei“ quasi zum Allgemeintypus westlicher Industriegesellschaften erhoben: a) „Die Konzeption und praktische Verwirklichung der Volkspartei in der modernen Demokratie europäischer Prägung enthüllt das eigentliche Dilemma des Parteienstaates; er ist darauf angelegt, über das Instrument Volkspartei sich selbst aufheben zu müssen, indem er die Bedingungen der Möglichkeiten von Oppositionsparteien aufhebt.“ 3) b) „Dies aber scheint die Situation der westeuropäischen Demokratie zu sein: die an der Macht befindlichen Regierungen verstehen es zunehmend, sich der von der Wissenschaft bereitgestellten Mittel ökonomischer und ideologischer Steuerung zu bedienen, krisenfest zu werden und somit den Oppositionsparteien systematisch die soziologische und damit die eigentliche agitatorische Basis zu nehmen. Die in der Natur der demokratischen Mehrheitspartei logisch angelegte, aber bisher als utopisch eingeschätzte Selbstaufhebung des Parteien-staates scheint sich deutlich am Horizont abzuzeichnen.“

Auch Otto Kirchheimer hat in seinem klassischen Beitrag von 1965 den Volkspartei-Typus für ein allgemeines Entwicklungsprodukt der fortgeschrittenen westlichen Industriegesellschaften gehalten und als eine höher entwickelte Organisationsform der politischen Partei eingestuft Er läßt den von ihm skizzierten Typus der „echten Volkspartei /„Allerweltspartei“ bei näherem Hinsehen sogar zur „westlichen Partei“ schlechthin werden, charakteristisch und mustergültig für die entwickelten Industrie-und Wohlfahrtsstaaten des Westens Kirchheimer hat im Typus der „echten Volkspartei“ /,. Allerweltspartei“ einen Allgemeintypus der modernen politischen Organisationsform „Partei" ges 6 hen, zu dem sich so gut wie alle Großparteien entwickeln würden. Er versteigt sich sogar zu der kühnen These, die Umformung der alten demokratischen Massenintegrationsparteien zu „echten Volksparteien‘ 7„Allerweltsparteien“ sei eine „fast weltweite Entwicklung“ Allerdings, so schränkt er selbst seine These ein. schlössen sich „zuweilen recht große Überbleibsel der Massenparteien auf Klassenbasis“ aus dieser Entwicklung aus Kirch-heimers Typologisierung und entwicklungsgeschichtliche Tendenzaussagen sind bis Ende der siebziger Jahre kaum umstritten gewesen

Hermann Scheer attestiert noch 1980 in seinem Buch „Parteien kontra Bürger?“ dem Realtypus Volkspartei (und seinen Varianten), daß er trotz gewisser Fehlentwicklungen und Schwächen die strukturell-funktional adäquate und deshalb alternativlose Organisationsform und der Prototypus der Partei in westlichen Wohlfahrtsgesellschaften sei. „Die Alternative“ dazu, so damals Scheer wörtlich, sei „Wirrnis“

Heute, ein Vierteljahrhundert nach den ersten Problematisierungen, können wir schlicht feststellen: Der Moloch oder Oktopus Volkspartei hat trotz seiner angeblichen Omnipotenz weder alle politischen Parteien neben sich verschlungen noch den Parteienstaat aufgehoben. Die Bundesrepublik ist nicht „Auf dem Weg zum Einparteienstaat“ gewesen. Das Parteiensystem der Bundesrepublik ist durch die Dominanz zweier Großparteien und durch eine Mehrzahl von Kleinparteien unterschiedlicher politischer Relevanz charakterisiert.

Die Erforschung der Organisationswirklichkeit und Politikfähigkeit der heutigen Großparteien der Bundesrepublik hat inzwischen ergeben, daß der Typus der „echten Volkspartei“ /„catch-all party“ („Allerweltspartei“), so wie ihn Otto Kirchheimer 1965 in seinem klassischen vielzitierten Beitrag „Der Wandel des westeuropäischen Parteiensystems“ im Sinne einer deutenden Konstruktion und einer allgemeinen Tendenzaussage skizziert hat, der Wirklichkeit der bundesrepublikanischen Großparteien zu keiner Zeit (völlig) entsprochen hat. Die Mehrzahl der rd. 20 strukturell-funktionalen typologischen Kriterien der Kirchheimerschen „Allerweltspartei“ lassen sich empirisch nicht oder nur beschränkt bestätigen. Unter den Parteienforschern mehren sich inzwischen die kritischen Stimmen, die das Volkspartei-Konzept Otto Kirchhei-mers für (von der Wirklichkeit) überholt halten Neue theoretische und analytische Konzepte sind zur empirischen Annäherung an die hochkomplexe Wirklichkeit moderner Großparteien erforderlich

Trotz aller Wandlungen sind die politischen Groß-parteien der Bundesrepublik nicht zu „Allerweltsparteien“, nicht zu „Omnibusparteien“ und „Jedermannsparteien" und schon gar nicht zu sozial und geistig „entorteten" und „kontextlosen Superstrukturen“ (Wilhelm Hennis) geworden. Die Großparteien haben sich weiter durchorganisiert, ihre Organisationsbasen verbreitert, ihre Apparate ausgebaut, ihre Mitgliederzahlen vermehrt. Die Groß-parteien der Bundesrepublik sind keinesfalls „catch-all parties“ geworden, sondern sind erstens sozialstrukturell, zweitens ideologisch-programmatisch, drittens organisatorisch und viertens im Hinblick auf ihren Output deutlich unterscheidbare weltanschauliche „Tendenzbetriebe“ mit jeweils spezifischen sozialstrukturellen Affinitäten, mit spezifischen ideologisch-programmatischen Denkformen und Angeboten und mit differenzierbaren Organisationsformen geblieben. Bei den nationalen Funktionseliten der verschiedenen Institutionen und Sektoren, bei den mittleren Parteieliten und in der Berufsstruktur des Deutschen Bundestages und der Landtage lassen sich charakteristische parteiliche und interessenorganisatorische Ausrichtungen, Präferenzen und Sympathien ermitteln Die „catch-all party" I„Allerweltspartei" bzw. „Jedermannspartei“ entpuppt sich angesichts vieler Analysen als ein Konstruktionsmythos, als ein Phantom, als ein Lieblingsmonster der deutschen Parteienlehre. Zwar können wir feststellen, daß sich in historischer Perspektive die ideologischen Distanzen im Wettbewerb zwischen den Parteien verringert haben. Aber z. B. Wohlfahrtsstaat, Verteilungsfragen, Staatsausgaben, ökonomische Wachstumspolitik und Ökologie, Stellung der Frau sind hochbrisante politische Streitfragen, die die Handlungspräferenzen der Großparteien ideologisch-programmatisch und politisch-praktisch verdeutlichen. In Wirklichkeit gibt es keine entideologisierten „catch-all parties“. 4. Die Impotenz-These Bezeichnenderweise ist Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre mit der Entstehung der Bürgerinitiativen, insbesondere aber mit der Gründung grün-alternativer Parteien die Impotenz-These aufgestellt und in Umlauf gesetzt worden. Diese behauptet nun das Gegenteil der oben erläuterten Omnipotenz-These: Der Typus der Volkspartei (und seiner Varianten) habe erstens nicht mehr genügend Integrationskapazität, zweitens nicht mehr genügend Problemlösungskraft und drittens nicht mehr genügend Legitimationskraft. Der Volksparteitypus erweise sich angesichts der neuen gesellschaftlichen und politischen Anforderungen als veraltet, immobil, überangepaßt, überinstitutionalisiert und bürokratisch abgekoppelt Die „catchall party“, die „Jedermanns-oder Allerweltspartei“, die es angeblich jedem recht machen wolle, habe die Grenze ihrer Funktionsfähigkeit erreicht, sie besitze zur Integration alternativer Interessen und Bedürfnisse zu wenig „kompetitive Flexibilität“ Die Strukturen der Volksparteien und die Orientierungen der sie tragenden Funktionärsgruppen seien durch die machtpolitischen Anforderungen staatlicher Steuerungsfähigkeit und der Stimmenmaximierung bei Wahlen so nachhaltig geprägt, daß sie nur beschränkt fähig seien, „die drängenden, aber schwierigen Gegenwarts-und Zukunftsaufgaben (Umwelt, Arbeit, Energie, Frieden etc.)“ zu lösen. Die Großparteien würden „immer unfähiger, den im Volk vorhandenen Stimmungen, Meinungen, Anliegen und Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen und die hier thematisierten Probleme auf der politischen Ebene . präsent* zu machen“ Sie seien „längst zu eigenständigen Größen des politischen Prozesses geworden — bürokratisierte Machtapparate, die eigenen Gesetzen gehorchen. Sie . vermitteln* nicht mehr eigentlich Individuum und Staat, sondern mäkeln und managen . Krisen', lancieren Themen. Thesen und Meinungen“. Die Parteien, „die Volksparteien zumal (seien) Bestandteil jener . großen* Strukturen, welche von den Bürgerinitiativen negiert werden“ Die Struktur-und Funktionsschwäche der Volksparteien liege gerade in ihrer Größe und ihrer strukturell bestimmten Art, Politik zu betreiben. Die Mega-Strukturen, die großen Strukturen seien überholt Die politische Organisationsform und das Handlungssystem der Volkspartei, so die Radikalkritik, gehörten gewissermaßen auf den Friedhof der Parteiengeschichte. Es müsse ein neuer problemadäquaterTypus der politischen Partei entwickelt werden. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die neue junge Partei, auf die GRÜNEN, die als „postindustrielle Rahmenpartei“ und „Anti-Volkspartei“ charakterisiert wird

Die Revision der Thesen der sechziger und siebziger Jahre und die Umkehrung der These der multifunktionalen Omnipotenz sind Bestandteil eines veränderten politischen Problemhaushalts und einer neuen ideologisch-programmatischen Wettbewerbssituation im Parteiensystem. Die Frage ist. ob es sich bei der von den GRÜNEN charakterisierten „Superstruktur“ nicht wiederum um ein ideologisches Phantom oder um einen Konstruktionsmythos handelt, der nur wenig mit der Wirklichkeit der Großparteien zu tun hat.

Die grün-radikale Kritik an den Großparteien steht in einer gewissen Wahlverwandtschaft zur Kritik von konservativer Seite. Danach sind Großparteien von der autonomen Willensbildung des Volkes abgekoppelte, weltanschaulich kontextlose, geistig verödete, sozial wurzellose, von Apparaten dominierte. in Emotionen, Stimmungen und Vorurteilen schwebende, künstliche Programme, Konzepte und Ideen produzierende und künstliche Willensbildungsprozesse in Gang setzende Gebilde, kurzum wirkliche „Allerweltsparteien“ und „JedermannsParteien“ Diesem Extremtypus wird angelastet, die Regierungsfähigkeit des Parteienstaates zu gefährden. In diesem Fall wird die „entortete Super-struktur“ zu einem Extremtypus der „echten Volkspartei“ /„catch-all party“ Kirchheimers erhoben und damit ebenfalls zu einem Phantom der bundesdeutschen Parteienlandschaft gemacht

Je weniger die Autoren sich der Kärrnerarbeit der empirischen Parteienforschung widmen, je weniger sie sich um den empirischen Gehalt ihrer Aussagen kümmern und je weniger sie sich den wissenschaft-lichen Regeln der Typologisierung, der Modell-und Theoriekonstruktion unterwerfen, desto kühner ihre Thesen. Die immer gefragte und medienwirksame Zeitdiagnose beflügelt illustrative Deutungskunst und faktenillustrierte diskursive Erörterungen. Diverse Phantom-Kreationen und Konstruktionsmythen werden als Scheinwirklichkeiten Gegenstand von Kontroversen. 5. Der Pareto-Effekt der Thesen und Konstrukte Die Omnipotenz-These, die Impotenz-These und die These von der „entorteten Superstruktur“ beruhen auf ideologischen Verzerrungen und Phantombildungen und gehören — wie die hausgemachten politischen Volkspartei-Konzepte der Großparteien — zum politischen Problemhaushalt des ideologischen Parteienwettbewerbs. Sie sind Bestandteile bzw. Ausdruck von Legitimationsansprüchen bzw. Legitimationswidersprüchen. In den achtziger Jahren werden sie zu Bestandteilen des Wettbewerbs zwischen der sogenannten Alten Politik und der Neuen Politik.

Der Pareto-Effekt ihrer Wirkungen liegt darin, daß vermeintlich bewährte Theorien, Modelle und Typologien im ideologischen Parteienwettbewerb, un-seachtet der Probleme ihrer politischen Herkunft, ihrer Konstruktion, ihrer Operationalisierung und Überprüfung, auf dem „politischen Markt“ zum Nutzen oder zum Schaden der einen oder anderen Seite verwendet werden

Solche Thesen wirken auf Individuen und Kollektive und verstärken oder modifizieren gefühlsmäßig und mental politische Assoziationen und Dissoziationen. Die Sozialwissenschaften laufen stets Gefahr, im Sinne des Pareto-Effektes als Verstärker und Apologeten benutzt zu werden. Dies gilt insbesondere auch für die Diskussion über die Volkspartei, was immer darunter verstanden wird.

Um aber etwas über Umfang und Grenzen der Handlungsfähigkeit, der Integrations-, Legitimations-und Steuerungskapazität von Großparteien des volksparteilichen Typus aussagen zu können, bedarf es einer ausgereiften Typologie, eines hinlänglich komplexen Modells oder einer Theorie der Großpartei in modernen Industriegesellschaften mit parteienstaatlich-demokratischer Herrschaftsorganisation. In der fachwissenschaftlichen Diskussion sind bisher rund ein Dutzend verschiedener Typologisierungsversuche unternommen worden. Bei den angebotenen Typologien handelt es sich zum Teil um wenig nützliche Minimalkonzepte oder um schwer operationalisierbare strukturell-funktionale Maximalkonzepte Jede Antwort auf die Frage nach Umfang und Grenzen der Leistungen sogenannter Volksparteien bzw. ihrer Varianten hängt logischerweise von der gewählten Typologie und dem Typusbegriff ab.

Zweifellos hängt eine Antwort auf die Frage nach den Möglichkeiten, Strukturgesetzlichkeiten und Grenzen der strukturell-funktionalen Leistungskapazität der Großparteien und nach ihrer demokratischen Legitimationskraft vom gewählten Demokratiekonzept bzw. von den demokratietheoretischen Prämissen ab. Es gilt zu unterscheiden, ob Demokratie als formale Methode des Wettbewerbs um die Erringung politischer Macht (Elitenkonkurrenz-Modell), im Sinne der Forderung nach Herstellung der Identität von Regierenden und Regierten oder als Prozeß zunehmender und tendenziell alle gesellschaftlichen Funktionsbereiche erfassender Partizipation begriffen wird. Je nach Standpunkt fallen sowohl die Auswahl der als spezifisch und relevant erachteten Parteifunktionen als auch die Kriterien für tatsächliche Leistungen und Defizite unterschiedlich aus. Die Urteilskriterien bleiben unausweichlich immer an den normativen Standort des Analytikers und Diagnostikers gebunden.

Die Vielzahl der typologischen Angebote hat die Diskussion um die sogenannten Volksparteien nur weiter verwirrt. Dazu kommen die Selbstentwürfe und Wunschkonzepte der Großparteien. Die Dehnbarkeit des Konzeptes „Volkspartei“, das „joiningthe-bandwaggon“ der Diskussion über die Volkspartei, die Beliebigkeit der typologischen Begriffs-wahl, all das hat zu keiner beachtenswerten Weiterentwicklung der sozialwissenschaftlichen Parteien-forschungund insbesondere nicht zu einer theorie-orientierten Parteienforschung geführt.

Der heuristische Nutzen von Typologisierungen und Klassifizierungen ist bekanntlich beschränkt, ein Verharren auf der Ebene der Begrifflichkeit und Typologisierung führt nicht an die Wirklichkeit der Großparteien heran. Der augenblickliche Stand von Theorie und Empirie der Großparteien erlaubt weder theoretisch noch empirisch gesicherte Aussagen über Umfang und Grenzen der Leistungen und der politischen Handlungsfähigkeit von Großparteien. Auf der Grundlage seriöser Einzel-und Teilbereichsuntersuchungen lassen sich jedoch bereichsspezifische Probleme und Mängel herausstellen -

II. Auf der Suche nach der Wirklichkeit der Großparteien: Theoretische und empirische Annäherungen

1. Parteienstaatlich-demokratische Rahmenbedingungen, Anforderungen und Beschränkungen des Handlungsraumes Die Bundesrepublik ist eine hochdifferenzierte, hochkomplexe und hochorganisierte westliche Industriegesellschaft mit parteienstaatlich-demokratischer Herrschaftsorganisation und Regierungsform (party government). Sie wird in der Regel kurz als Parteiendemokratie bezeichnet. Unter einer parteienstaatlichen Demokratie verstehen wir heute diejenige gesellschaftliche und politische Konflikt-regulierung und Herrschaftsorganisation, in der eine Mehrzahl dem Anspruch nach und realiter demokratisch organisierter Parteien sowohl im Bereich gesellschaftlicher Interessenvermittlung als auch im Bereich staatlicher/gouvernementaler Entscheidung und Steuerung eine dominante und zentrale Stellung einnehmen

Dominanz und Zentralität konkurrierender politischer Parteien bedeuten jedoch nicht, daß die Parteien in der parteienstaatlichen Demokratie eine monopolistische Stellung innehaben und gar omnipotent sind. Seit politische Parteien das Zentrum der Herrschaftsorganisation westeuropäischer Demokratien besetzen, hat es immer andere konkurrierende Organisationen und Institutionen gegeben, zum Beispiel unternehmerische Interessenverbände, Gewerkschaften, Massenmedien. Kirchen usw., die zumindest partiell auch Parteien zugeordnete Aufgaben und Leistungen wahrgenommen haben. Für den demokratischen Parteienstaat sind folglich Parteienwettbewerb und Wettbewerb der politischen Parteien mit anderen Organisationen und Institutionen charakteristisch Die Zentralität und Dominanz der politischen Parteien in der parteienstaatlichen Demokratie ist aber gerade dadurch charakterisiert, daß den politischen Parteien in normativer und faktischer Hinsicht zahlreiche Aufgaben zugewiesen werden und tatsächlich obliegen. (Groß-) Parteien haben bei der „Organisation der politischen Macht“ eine zentrale Stellung inne.

Die politisch-institutionelle Dominanz und Zentralität der Großparteien in der parteienstaatlich-demokratischen Herrschaftsorganisation der Bundesrepublik wird über verfassungsrechtliche Nonnen u. a. durch Institutionen anderer Art eingeschränkt und — zum Teil — kontrolliert: zum Beispiel durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch den Föderalismus. durch das Bundesverfassungsgericht, durch den Bundesrat (etwa durch den Vermittlungsausschuß), durch die Tarifautonomie, durch die Bundesbank. Diese und andere Institutionen beschrän-ken den politischen Handlungsspielraum der (Groß-) Parteien. Institutionelle Beschränkungen des Handlungsraumes der (Groß-) Parteien führen in bestimmten Politikbereichen zu einer Beschränkung ihrer Handlungsfähigkeit. In der Kritik an den Großparteien wird immer wieder übersehen, daß es nationale und übernationale gesamtgesellschaftlich bedeutsame Entscheidungsbereiche mit langfristigen politischen Folgewirkungen gibt, die jenseits der Steuerungs-und Kontrollkompetenz der (Groß-) Parteien liegen.

In der Bundesrepublik haben die verfassungspolitische Inkorporierung und staatliche Institutionalisierung der politischen Parteien diese zu gesetzlich besonders privilegierten Trägem des politischen Prozesses gemacht. Im normativen Funktionskatalog des Parteiengesetzes vom 24. Juli 1967 sind die beiden gesetzlich herausgehobenen Hauptaufgaben der freien, dauernden Mitwirkung an „der politischen Willensbildung des Volkes“ und der „Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens“ detailliert spezifiziert worden.

Gemäß der Legaldefinition des Paragraphen 2 des Parteiengesetzes von 1967 müssen Parteien zur Erfüllung dieser vielfältigen Aufgabenstellungen „insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit“ ihrer Tätigkeit im Sinne des parteiengesetzlichen Funktionskataloges bieten. Umfang und Festigkeit der Organisation müssen folglich, so schreibt es das Parteiengesetz vor, funktionsgerecht sein. Zwar sind im Parteiengesetz die demokratischen Grundsätze in bezug auf die innere Ordnung der Parteien nicht in der Weise präzisiert, daß das Modell einer völlig durchorganisierten demokratischen Mitgliederpartei etwa sozialdemokratischen Musters ohne weiteres unterstellt werden kann, aber es besteht kein Zweifel, daß Parteien auch nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation den Aufgabenstellungen angemessen und gewachsen sein müssen. *• Industriegesellschaftliche Anforderungen Entwicklung und Wandel der hochorganisierten Industriegesellschaft stellen hohe Anforderungen an die Steuerungs-und Konfliktlösungskapazität der Großparteien und machen eine ständige Verbesserung der Steuerungsfähigkeit erforderlich. Die Anforderungen an die Fähigkeit zur gesamtgesell-shaftlichen Bestandssicherung und damit an die Handlungsfähigkeit der (Groß-) Parteien nehmen zu. Mit dem zunehmenden Steuerungsbedarf und en erhöhten Anforderungen haben sich die Funktionen des politisch-administrativen Systems gewandelt und erheblich ausgeweitet. Für alle westlichen Industriegesellschaften ist der moderne Interventionsstaat charakteristisch. Von diesen großen Entwicklungsprozessen sind die Parteien als politische Organisationsformen und als zentrale und dominante politische Institutionen, die den politischen Prozeß maßgeblich mittragen und mitgestalten, nicht ausgeschlossen.

In der hochorganisierten Industriegesellschaft mit einer parteienstaatlich-demokratischen Herrschaftsorganisation bedarf die politische Institution „Partei“ zur Erfüllung der tatsächlichen und normativ zugewiesenen Aufgaben einer entsprechend aus-differenzierten, komplexen, multifunktionalen und flexiblen Organisation. Die politische Institution „Partei“ ist eben nicht nur ein verfassungsrechtlich sowie bundes-und landesgesetzlich privilegierter Mitträger des politischen Prozesses, sondern zugleich ein Vehikel und Instrument zur Realisierung dieser multifunktionalen Trägerschaft. Es kommt in einem sehr hohen Maße aufihre organisatorische Verfassung, auf ihre Organisationspolitik und auf ihre organisatorische Ausrüstung an, ob und in welchem Maße sie die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen in der Lage ist. Eine entsprechend leistungsfähige Parteiorganisation ist somit eine wichtige Funktionsvoraussetzung.

Organisationspolitik hat mithin selbst eine eminent wichtige politische Funktion, ist Politik. Die Fülle der wachsenden gesellschaftlichen und politischen Anforderungen an die politische Institution „Partei“ und an die Partei als politisches Organisationsund Handlungssystem beschränkt den organisationspolitischen Imperativ nicht allein auf die Wählermobilisierung im Sinne des Prinzips periodischer Stimmenmaximierung, sondern verlangt permanente Organisierung von Unterstützung und Loyalität für die Funktionsträger der Partei und für die Entscheidungen aufallen politischen Ebenen und in allen politischen Funktionsbereichen. Diese Partei-aufgaben können für die Parteien zum Beispiel nicht von Medien übernommen werden. Medien können nicht die organisationspolitische Kampagnefähigkeit der Großparteien ersetzen.

Je größer die soziale Integrationskraft einer Partei, desto besser vermag sie sich Loyalität und Zustimmung zu sichern bzw.desto breiteren Konsens vermag sie der jeweiligen politischen Exekutivelite bei der Ausübung staatlicher Macht auf den unterschiedlichen Ebenen politischer Administration zu beschaffen. Zwar laufen alle diese funktionsdienlichen Organisationszwecke einer demokratischen Partei letztendlich auf Stimmengewinn und bei den Großparteien in der Regel auf die Mehrheitsgewin9 nung hinaus, also auf Einfluß und gouvernementale Entscheidungsbefugnis. Aber es wäre verfehlt, in den Parteiorganisationen nur Wahlmaschinen zu sehen, die periodisch zur Wählermobilisierung und Stimmenmaximierung eingesetzt werden. Parteien sind vielmehr hochsensible, freiwillige gesellschaftliche Organisationen und staatlich subventionierte politische Tendenzbetriebe, die als Träger, Vehikel und Instrument des politischen Prozesses permanent und multifunktional wirken. 3. Die moderne Großpartei — kein auslaufendes Modell Trotz vieler struktureller Mängel und trotz prinzipieller struktureller Restriktionen der politischen Großorganisation ist die moderne Großpartei eine politische Organisationsform, deren strukturelle Differenziertheit und funktionale Komplexität sie befähigt, auf allen funktionalen Ebenen des politischen Systems und in allen strukturellen Einheiten des politisch-staatlichen Institutionsgefüges tätig zu werden und präsent zu sein. Nicht die Großparteien sind überfordert, wie die Kritiker dieser „Superstrukturen“ häufig behaupten, sondern die Klein-parteien, die die multifunktionalen Aufgaben und die notwendige Politikkoordination in dem gegebenen komplexen System institutioneller Politikverflechtung mangels organisatorischer und personeller Kapazität nicht in dem notwendigen Umfang leisten können. Dennoch sind die „lästigen“ kleineren Konkurrenten nicht überflüssig, sondern ihre Funktionen sind ebenfalls Ausdruck der Differenziertheit, Komplexität und relativen Offenheit fortgeschrittener Industriegesellschaften.

Der informierte Beobachter erkennt in der Entwicklung der demokratischen Großparteien unschwer strukturell-funktionale Adaptionsprozesse an die Fülle wachsender Aufgaben und an die technischen Rahmenbedingungen des Politikmachens. Die Weiterentwicklung bzw. permanente Reorganisierung der Großparteien ist gekennzeichnet durch Bürokratisierung, Rationalisierung, Professionalisierung. politische Rollendifferenzierung, Technisierung und Zentralisierung sowie Ausdifferenzierung der Parteiorganisation in Exekutivorgane und (Führungs-) Stäbe. in Suborganisationen wie Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreisen sowie in Nebenorganisationen wie Wirtschafts-und Verlagsbetriebe. Stiftungen und dergleichen mehr.

Meine zentrale (Gegen-) These zur radikalen Kritik an den Großparteien der Bundesrepublik lautet, daß diese nicht an die Grenzen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten gelangt und — gemessen an den drängenden Gegenwarts-und Zukunftsaufgaben — nicht veraltete politische Organisationsformen und -instrumente sind, die durch neue politische Organisationsformen ersetzt werden müßten. Gewiß vorhandene Struktur-und Funktionsschwächen, organisationspolitische Defizite und hierdurch verstärkte Legitimationsdefizite müssen nicht zwingend bedeuten, daß die Großparteien, die „Super-Strukturen“ oder gar die Institution „Partei“ selbst als politische Organisationsform überholt sind oder in einer dramatischen Krise stekken.

III. Die reale Großpartei — ein Mischtypus

Es gibt realiter nicht so etwas wie eine typische, „reine“ Volkspartei. Zahlreiche empirische Analysen sprechen dafür, daß es sich bei den Volksparteien genannten Großparteien nicht um einen strukturell-funktional einheitlichen, nach bestimmten Merkmalen durchgebildeten/durchorganisierten Parteitypus handelt, sondern vielmehr um einen Mischtypus aus Strukturelementen verschiedener Parteitypen Empirische Befunde weisen darauf hin, daß die heutigen Großparteien der Bundesrepublik (immer noch) strukturfunktionale Elemente der (älteren) „demokratischen Massenintegrations-Parteien“ der locker organisierten Wählerpartei, einer hochtechnisierten Apparatpartei und einer Milieupartei umfassen können. Die SPD ist in Teilen Bayerns mitnichten das, was man, wenn auch noch so vage, unter einer Volkspartei versteht. CDU und CSU sind noch immer in regionalen Teilbereichen nachweislich Milieuparteien oder relativ geschlossene Honoratiorengebilde. Auchim Rahmen der CDU-nahen Parteienforschung besteht nicht in allen Punkten Konsens darüber, ob die CDU ihren volksparteilichen Anspruch eingelöst hat, ob sie überall und auf allen Ebenen zur Volkspartei geworden ist. So wird zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt des innerparteilichen Plu ralismus der Hamburger CDU der volksparteiliche Charakter abgesprochen

Viele Befunde lassen also in den Großparteien so etwas wie ein „loosely coupled system" im Sinne eines Neben-und Miteinanders typologisch verschiedener Strukturelemente erkennen Nur in diesem Sinne stellt die moderne Großpartei einen Typus besonderer Art dar, der sie von der reinen Milieupartei, der reinen Honoratiorenpartei, der reinen liberalen Repräsentationspartei usw. unterscheidet Jedenfalls scheint es realitätsfern zu sein, in den Großparteien der Bundesrepublik einen reinen, nach bestimmten Merkmalen einheitlich durchorganisierten Organisationstypus zu sehen. Die formal-statutarischen Regelordnungen der Großparteien stehen dieser Eigenart nicht im Wege.

Wie immer dieser Mischtypus zusammengesetzt sein mag. die Großparteien sind noch in einem anderen Sinne „loosely coupled Systems“. Wir haben es wahrscheinlich mit binnenstrukturell vielfach segmentierten, fragmentierten und parzellierten Organisationsgebilden zu tun. die sich quasi nur temporär, zum Beispiel im Handlungssystem von Parteitagen, zu festen strukturierten Einheiten verbinden.

Elmar Wiesendahl bezeichnet in Anknüpfung an Karl E. Weick die „fragmentierte und par-

zellierte Organisationsstruktur“ der Großpartei überspitzt und perspektivisch-selektiv als eine „fragmentierte, lose verkoppelte Anarchie“ Die Teile dieser fragmentierten und parzellierten Organisation ständen „durch lose Bindungen und Bezie-hungen in einem lockeren Handlungszusammenhang“. „Abgekapselte Elemente und Bereiche . . . (verfügten) mitunter über hohe Rationalität.“ Das „loosely coupled System“ der Großpartei läßt sich also im Sinne eines organisierten Neben-, Mit-und Durcheinanders typologisch verschiedener Strukturelemente verstehen.

Die innere typologische Vielfältigkeit, die strukturelle Fragmentierung und Parzellierung der Groß-parteien wird durch die föderative Struktur der parteienstaatlich-demokratischen Herrschaftsorganisation und durch unterschiedliche sozio-ökonomische, politisch-kulturelle Kontexte in den Bundesländern zumindest abgestützt.

In der Entwicklungsgeschichte der bundesrepublikanischen Großparteien richtete sich ein Gutteil der organisationspolitischen Bemühungen der hauptamtlichen Apparate, insbesondere aber der Landes-und Bundesgeschäftsführungen auf die schrittweise Durchrationalisierung und Vereinheitlichung der Organisationsgebilde und Organisationsteile. Die Bemühungen um eine Durchorganisierung und um einen Zusammenschluß der Partei-teile zu einem effektiven Strukturtypus sind ein Charakteristikum der Großpartei. Die Großparteien haben sich dabei schwer getan und sind auch heute noch nicht völlig durchorganisierte Gebilde. Die Großparteien nähern sich in unterschiedlicher Weise und mit zeitlicher Phasenverschiebung dem Typ einer modernen Massen-und Apparatpartei an.

Diese Organisationswirklichkeit des komplexen Mischtypus Großpartei erklärt meines Erachtens zum Teil die Schwierigkeiten und Widersprüchlichkeiten in der theoretischen und empirischen Diskussion. Die These vom realen Mischtypus-Charakter der westdeutschen Großparteien hat für die Theoriebildung und für empirische Erforschung der Politikfähigkeit, der Integrationskapazität, der Problemlösungskapazität usw. weitreichende Konsequenzen. Möglicherweise resultiert ein Gutteil der (bisherigen) großen Integrationskapazität der Volksparteien gerade daraus, daß sie hochkomplexe Mischtypen darstellen und deshalb als Vehikel für sehr verschiedene Umweltbedingungen und Anforderungen fungieren können. An der Basis sind sie hier und dort möglicherweise spezifische Milieuparteien, in Teilgebieten möglicherweise populistische Regionalparteien, auf höherer Ebene der demokratischen Herrschaftsorganisation möglicherweise hochtechnisierte Appartparteien.

IV. Großparteien und Kleinparteien

1. Koexistenz verschiedener Strukturtypen und Organisationsformen Das Parteiensystem wird realiter von der Gesamtheit aller existierenden Parteien, von Großparteien und Kleinparteien sowie ihren mannigfaltigen Wechselbeziehungen konstituiert. Regionale und auf der Grundlage partieller Interessenlagen gebildete Kleinparteien haben im Parteiensystem ebenso ihren Platz und ihre spezifische Funktion wie Großparteien. Die Entwicklung und der Wandel der Großparteien haben — dies zeigt die Parteiengeschichte der Bundesrepublik ebenfalls — die Vielzahl der Kleinparteien nicht zwangsläufig verschwinden lassen. Die Integrationskapazität und Absorptionskraft der Großparteien ist (noch immer) groß, aber nicht unbeschränkt. Es existiert nach wie vor eine Vielzahl von Kleinparteien. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es insgesamt rd. 130 Parteien gegeben, die sich seit 1946 an Bundestags-oder/und Landtagswahlen beteiligt haben Die größeren und wichtigeren unter ihnen sind durch die Entwicklung der Großparteien in den vorparlamentarischen Raum oder in lokale Vertretungskörperschaften zurückverwiesen worden. Es gibt nicht nur Varianten des Mischtypus der Großparteien, sondern auch mehrere Typen von Kleinparteien mit speziellen Funktionen In modernen. hochentwickelten westlichen Industriestaaten existiert ungeachtet der normativen Rahmenbedingungen realiter immer eine Mehrzahl von politischen Parteien mit verschiedenen politischen Organisationsformen nebeneinander. Die Koexistenz verschiedener politischer Organisationsformen und Strukturtypen ist geradezu ein Charakteristikum moderner westlicher Industriegesellschaften. Neben der kommunistischen Kaderpartei mit ihrem Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus. neben (neo-) faschistischen und rechtsradikalen Parteien existieren Honoratioren-und Interessenparteien. neben den dominanten Massen-und Apparatparteien modernen Typs liberale Repräsentationsparteien. Schon vor der Ökologie-und Alternativbewegung hat es Kleinparteien mit basis-demokratischen (Organisations-) Prinzipien gegeben. Wir können in allen westeuropäischen Industrieländern die Koexistenz unterschiedlicher Strukturtypen von Parteien mit ganz unterschiedlichen Systemfunktionen empirisch feststellen. 2. Systemstabilisierende Wechselbeziehungen zwischen Groß-und Kleinparteien Großparteien sind faktisch zu keinem Zeitpunkt „catch-all-parties", „Jedermannsparteien“, „Omnibusparteien“ etc. gewesen. Dies läßt auch die Logik des politischen Marktes (Konkurrenzsystem!) der interessenpluralistischen modernen Gesellschaft nicht zu. Großparteien können nicht wirklich alle Bedürfnisse und Interessen zufriedenstellen, nicht alles bewirken. Sie sind keine omnipotenten Moloche. Sie müssen sogar zwangsläufig bestimmte soziokulturelle und sozioökonomische Teilbereiche Kleinparteien überlassen. Demokratische Groß-parteien können faktisch auch nicht alle ideologischen Bedürfnisse aggregieren und integrieren, so zum Beispiel nicht fundamentaloppositionelle Interessen; Großparteien müssen deren „Einkapselung“ und „Neutralisierung“ Kleinparteien überlassen, deren objektiver funktionaler Beitrag zur Systemstabilität gerade darin besteht, „dysfunktionale“ Kräfte zu binden und in „funktionale“ zu verwandeln. Auf dieses Paradoxon der systemstabilisierenden Funktionen von mittelgroßen und/oder kleinen radikalen Oppositionsparteien ist schon oft hingewiesen worden.

Die Existenz und Neubildung von Kleinparteien muß keine destabilisierende Wirkung auf das Parteiensystem haben, sondern macht Legitimationsdefizite bzw. -Strömungen erst sichtbar und in ihrer Größenordnung kalkulierbar.

So haben Kleinparteien für Großparteien Signalfunktionen bzw. eine Indikatorfunktion. Kleinparteien erhalten systemfunktional wichtige „Restverwertungsfunktionen“ sehr verschiedener Art und gehören hierdurch zu den funktionsnotwendigen „Helfern“ von Großparteien gerade auch dann, wenn sie gegen die „Großen“ antreten. Kleinparteien gewinnen — mitunter durch hintergründige Abmachungen mit den großen Parteien — wichtige Wahlstimmen-Zuträger-Funktionen. Sie betreiben Nischenpolitik und kommen „Hyde-Park-Comer -Bedürfnissen entgegen. Ihnen kommt in diesem Sinne auch eine politisch relevante Entlastungsfunktion für die Großparteien zu.

In den Wechselbeziehungen zwischen Großpar. teien und Kleinparteien gibt es für beide Seiten das Schwellenproblem, d. h. die Entwicklung einer alten oder neugegründeten Kleinpartei zu einer politisch relevanten Partei für Mehrheitsbildungen. Die Schwelle wird im Parteiensystem der Bundesrepublik dann übertreten, wenn es einer Kleinpartei gelingt (wie zum Beispiel den GRÜNEN oder neuerdings den Republikanern), in Parlamente einzuziehen. Die Kleinparteien sind nicht überflüssig, sondern ihre verschiedenen Funktionen sind gewissermaßen Ausdruck der Differenziertheit. Komplexität. Flexibilität und relativen Offenheit des gesellschaftlichen und politischen Systems. Neuentstehende Parteien oder die Metamorphosen bestehender Parteien können seismographische Signale für Veränderungen im gesellschaftlichen System sein und innovativen Charakter tragen. Innovative Wirkungen der GRÜNEN auf die Großparteien und auf das Parteiensystem sind unter den Gesichtspunkten der materialen Politiken (policies), der Austragung von Konflikten (politics) und der verfassungspolitischen Grundfragen (polities) festzustellen. Die neuesten Erörterungen der Bündnis-und Koalitionsfrage bei den Sozialdemokraten und den GRÜNEN sowie Kurt Biedenkopfs positive Einschätzung des funktionalen Beitrags der GRÜNEN für die Politik in der Bundesrepublik deuten auf den Fortgang wechselseitiger Lernprozesse hin.

Mangelnde, unzulängliche organisations-und personalpolitische Kapazität der Kleinparteien bedeutet nicht zugleich Dysfunktionalität oder Unfähigkeit bzw. Versagen in toto. Die heterogenen und unterschiedlichen Kleinparteien sind in ihren beschränkten funktionalen Möglichkeiten und Aktionsradien durchaus auf die Großparteien bezogen. Die Anzahl, die spezifischen Teilfunktionen, die Größe und die Lebensdauer von Kleinparteien hängen von dem jeweiligen Umfang der strukturell-funktionalen Responsivität.der Leistungskapazität sowie von der Flexibilität der etablierten Parteieliten und der Absorptionsfähigkeit der Großpartei(en) ab. 3. Parteiensystem — Typus des gemäßigten Pluralismus Das Parteiensystem der Bundesrepublik läßt sich mit Giovanni Sartori noch immer als der Typus eines „gemäßigten Pluralismus“ klassifizieren Nach Sartori gehören zu den Merkmalen dieses Typs erstens eine Fragmentierung des Parteiensystems in drei bis fünf relevante Parteien, zweitens eine relativ geringe ideologische Distanz der rele-vanten Parteien voneinander, drittens eine gemäßigte ideologische Wettbewerbssituation (d. h. weder stark zentripedal noch stark zentrifugal), viertens die Tendenz zur „bipolaren Koalitions-Konfiguration“ und fünftens die Abwesenheit von „bipolarer Opposition“, also von linken und rechten Anti-Systemparteien bei der „Organisation der Macht“.

Auch nach der Entwicklung der grün-alternativen Initiativen zur Partei der GRÜNEN läßt sich das Parteiensystem noch mit diesen typologischen Merkmalen des gemäßigten Pluralismus beschreiben und typisieren Die GRÜNEN können, wenn überhaupt, nur partiell als Anti-Systempartei angesprochen werden, die angeblich eine andere Republik will. Angesichts der immer noch großen elektoralen Stabilität der sogenannten Altparteien, d. h. bei der nach wie vor relativ großen Konzentration der Wählerschaft auf die dominanten Groß-parteien links und rechts der Mitte, und angesichts des breiten Basiskonsenses in der Bevölkerung läßt sich sogar folgende These wagen:

Wenn die GRÜNEN sich erklärtermaßen und tatsächlich zu einer radikalen, fundamentaloppositionellen Anti-Systempartei entwickeln würden, dann würden sie alsbald im relativ stabilen gemäßigten Pluralismus des Parteiensystems — wie bisher schon andere nicht-relevante Anti-Systemparteien — in die Marginalität geraten. Die künftige Relevanz der GRÜNEN hängt also entscheidend von ihrem gemäßigten Parteicharakter ab. Dessen Stärkung hängt wiederum auch von der Flexibilität der Großparteien und ihres Führungspersonals ab Illegalisierungs-und Ausschlußstrategien können dysfunktionale Wirkungen in dem Sinne haben, daß radikale Positionen gestärkt und system-integrative Lernprozesse durch Mitwirkung abgebremst werden.

Auf der Parteiensystemebene finden Prozesse der Adaption, der Abgrenzung, der Ausgrenzung und der Reintegration statt. Die Parteiwerdung und der Aufstieg der GRÜNEN zur parlamentarischen Kraft weisen auf institutioneile Lern-und Anpassungsprozesse hin, die aus der „Antipartei-Partei“ (Petra Kelly) eine fast normale politische Partei werden lassen. Je größer sie werden, je mehr Mitglieder sie gewinnen, je mehr Geld sie brauchen, je mehr Geld sie zu verwalten und zu verteilen haben, je mehr öffentliche Positionen besetzt werden können und müssen, je mehr Büroarbeit geleistet werden muß, je mehr Organisationsarbeit anfällt, desto mehr werden die GRÜNEN die institutionellen Zwänge erfahren und sich der Zweckrationalität moderner flächendeckender Organisationsformen beugen müssen. Dies muß nicht notwendigerweise heißen, daß sie gezwungen sein werden, alle ihrer alternativen organisationspolitischen Imperative (dezentrale Demokratie; Vorrang der Basis bei der Entscheidungsfindung; ständige Kontrolle aller Amts-und Mandatsinhaber; Öffentlichkeit; Ämterrotation) aufzugeben. Sie werden in der Praxis ihre organisationspolitischen Imperative und Leitlinien modifizieren. Die postindustrielle Rahmen-partei und Anti-Volkspartei ist neuerdings selbst in eine akute Krise geraten, aber auch diese Partei-krise muß nicht notwendigerweise das Ende des alternativen Experimentierens bedeuten.

Auf der anderen Seite werden die Großparteien, und auch dafür gibt es Anzeichen und Ansätze, bestimmte Teile ihrer Organisationsstruktur flexibler machen und gewisse basisdemokratische Elemente aufnehmen.

Die Parteien und das Parteiensystem der Bundesrepublik haben sich als flexible Institutionen und flexibles Institutionsgefüge erwiesen. Die Großparteien und das Parteiensystem der Bundesrepublik hatten in den gut vierzig Jahren ihres Daseins schon mehrere Bewährungsproben zu bestehen und auf den Druck neuer Anforderungen flexibel zu reagieren. Die Bewährungsproben wurden nicht jedesmal glatt bestanden. Immer bedurfte es einer gewissen Zeit der Umstellung. Die bisherige Geschichte der Parteien und des Parteiensystems der Bundesrepublik liefert gute Gründe für die Hypothese, daß Großparteien nicht überholt und zur Anpassung an neue Anforderungen fähig sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Beitrag ist ein überarbeiteter Auszug aus zwei Konferenz- und Working-Papers: 1. aus dem Thesenpapier »Großpartcien in der Bundesrepublik. Thesen-zu ihrer Ent" iexlung und Situation“, vorgclegt am 25. /26. November ™ auf dem Symposium „Wohlfahrtsstaat. Sozialstruktur und Verfassungsanalyse" an der Freien Universität Berlin; 2. 4us dem Working-Paper „Großparteien in der Bundesrepui Deutschland. Zur Theorie und Empirie der Großpareien in modernen Industriegesellschaften mit parteienstaat" shgdemokratischer Herrschaftsorganisation", am 15. Juli im internationalen „steering committee“ für das Projekt »Volksparteien" (Universität Mannheim. Forschungsstelle dar gesellschaftliche Entwicklung) vorgelegt. Der Beitrag finet in Auszügen auch Eingang in das mit Rudolf Wilden-mann u. a. herausgegebene Buch „Volkspartei — ratlose tesen? Ein deutsches Problem“ (erscheint im Mai 1989).

  2. Vgl. Alf Mintzel/Hermann Schmitt, Krise der Parteiendemokratie? Zu Funktionen, Leistungen und Defiziten der Parteien in der parlamentarischen Demokratie, in: Politische Bildung, 14 (1981) 2, S. 3— 16; Klaus von Beyme, Krise des Parteienstaats — ein internationales Phänomen?, in: Joachim Raschke (Hrsg.), Bürger und Parteien. Ansichten und Analysen einer schwierigen Beziehung. Opladen 1982, S. 87-100.

  3. Ekkehard Krippendorf, Das Ende des Parteienstaates?, in: Der Monat, 14 (1962) 160, S. 66 f.

  4. Ebd., S. 68.

  5. Vgl. Otto Kirchheimer. Der Wandel des westeuropäischen Parteiensystems, in: Politische Vierteljahresschritt, (1965), S. 20-41.

  6. Vgl. ebd.. S. 39f.

  7. Ebd., S. 27.

  8. Ebd.. S. 33.

  9. Ausführliche Erörterung der Problematik bei Alf Mintzel, W-C-j olkspartei. Typus und Wirklichkeit, Opladen 1984.

  10. Hermann Scheer, Parteien kontra Bürger? Die Zukunft ierRarteiendemokratie, München-Zürich 1980’, S. 76 f.

  11. So legt es der Titel des von Wolf-Dieter Narr 1977 hernahegebenen Buches „Auf dem Weg zum Einparteienstaat"

  12. Siehe Anm. 5.

  13. Die Auffassung, daß nach 1945 die Realität der demokratischen Großparteien in Westdeutschland bzw. in der Bundesrepublik Deutschland niemals oder nur partiell der typologischen Konzeptualisierung Otto Kirchheimers („echte Volkspartei‘ 7„catch all party“) entsprochen hat. teilen inzwischen so gut wie uneingeschränkt: Christian Fenner. Parteiensysteme und politische Kultur. Ein Vorschlag zur systematischen Verortung von Parteien in der politischen Kulturforschung, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. (1984) 1, S. 49; Hermann Schmitt, Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung aus politik-soziologischer Perspektive, Kurseinheit 1, Fernuniversität Hagen 1987, S. 57; Rudolf Wildenmann, The Party Government of the Federal Republik of Germany: Form and Experience, in: Richard S. Katz (Ed.). Party Governments: Europcan and American Experiences, Berlin-New S. 105. Die York - Auffassung, daß der Begriff der „Volkspartei“, in welcher typologischen Bedeutung er auch immer gebraucht wird, angesichts der Organisationswirklichkeit der Großparteien der Präzisierung und Korrektur bedarf, teilen: Peter Haungs, Parteiendemokratic in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1980, S. 91; Wolfgang Jäger, Bürgerinitiativen - Verbände - Parteien, in: Bernd Guggenberger/Udo Kempf (Hrsg.), Bürgerinitiativen und repräsentatives System, Opladen 19842, S. 220.

  14. Vgl. Alf Mintzel, Abschied von einem Phantom. Zu theoretischen Konzepten und empirischen Analysen der „Volkspartei“ in vergleichender Perspektive, in: Jürgen W. Falter/Christian Fenner/Michael Th. Greven (Hrsg.). Politische Willensbildung und Interessenvermittlung. Opladen 1984, S. 61-77.

  15. Vgl. z. B. Emil-Peter Müller. Zur sozio-ökonomischen und verbandlichen Struktur des VIII. Deutschen Bundestages, Köln 1977; Ursula Hoffmann-Lange, Eliteforschung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 47/83, S. 11— 25; Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1980 bis 1987. Baden-Baden 1988, S. 164-215.

  16. Vgl. Bernd Guggenberger. Bürgerinitiativen. Krisensymptome oder Ergänzungen des Systems der Volksparteien?. in: Joachim Raschke (Hrsg.). Bürger und Parteien. Ansicht und Analysen einer schwierigen Beziehung, Opladen 1982. S. 190— 203; Wilhelm Hennis. Parteienstruktur und Regierbarkeit, in: ders. /Peter Graf Kielmansegg/Ulrich Matz (Hrsg.). Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung, Bd. I, Stuttgart 1977, S. 188— 195; Joachim Raschke, Parteienvergleich — ohne Theorie?, in: Politische Vierteljahresschrift. PVS-Literatur, 23 (1982) 2, S. 154; ders., Einleitung. in: ders. (Hrsg.). Bürger und Parteien. Ansichten und Analysen einer schwierigen Beziehung. Opladen 1982. S. 9-31.

  17. B. Guggenberger (Anm. 16). S. 202.

  18. Ebd.

  19. B. Guggenberger (Anm. 16), S. 197— 203.

  20. Joachim Raschke. Jenseits der Volkspartei, in: Das Argument: 25 (1983) 137. S. 54-65.

  21. ders.. Soziale Konflikte und Parteiensystem in der Bundesrepublik. in: Aus Politik und Zeitgeschichte. BW 1 S. 38 f.

  22. Vgl. W. Hennis (Anm. 16), S. 150-195.

  23. Vgl. die ausführliche Erörterung bei A. Mintzel (Anm. 9). S. 254-263.

  24. Vilfredo Pareto hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts in seinen wissenschaftstheoretischen Erörterungen die Unterscheidung zwischen empirisch-logischer Bewährung, sozialer Wirksamkeit und politischer Nützlichkeit von wissenschaftlichen Theorien herausgearbeitet. Vgl. Vilfredo Paretos. System der allgemeinen Soziologie. Einleitung, Texte und Anmerkungen von Gottfried Eisermann, Stuttgart 1962, § 73; ders.. Ausgewählte Schriften, hrsg. von Carlo Mongardini, Frankfurt 1975, insbes. S. 244, 390.

  25. Eine ausführliche Darstellung und Erörterung findet sich bei A. Mintzel (Anm. 9).

  26. Siche z. B. Ursula Feist/Klaus Liepelt. Modernisierung zu Lasten der Großen. Wie die deutschen Volksparteicn ihre Integrationskraft verlieren, in: Journal für Sozialforschung. 27 (1987) 3/4, S. 277— 195; Hans-Joachim Veen. Bewährung als Volkspartei. Konfession und Wahlverhalten der Generationen, in: Die politische Meinung, (1988) 238, S. 58— 66; Helmut Fogt. Die Mandatsträger der GRÜNEN. Zur sozialen und politischen Herkunft der alternativen Parteielite, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 11/86. S. 16— 33.

  27. Vgl. A. Mintzel/H. Schmitt (Anm. 2). S. 7.

  28. Siehe z. B. Ulrich von Alemann. Der Wandel organisa torischer Interessen in der Bundesrepublik. Evasion oder Transformation?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 49/85. S. 3— 21; ders.. Organisierte Interessen in der Bun desrepublik, Opladen 1987.

  29. Auf diesen Mischtypus habe ich mehrmals aufmerksam gemacht. Vgl. A. Mintzel (Anm. 9), S. 166; ders., Hauptaufgaben der Parteienforschung, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, (1987) 3, S. 233.

  30. Zu diesem Begriff siehe Sigmund Neumann. Die Parteien der Weimarer Republik. Stuttgart 19702, S. 103— 110

  31. Vgl. Detlev Preuße. Gruppenbildung und innerparteiliche Demokratie. Am Beispiel der Hamburger CDU. Königstein/Ts. 1981.

  32. Vgl. Karl E. Weick. Educational Organizations as Loosely Coupled Systems, in: Administrative Science Quarterly. Vol. 21 (1976). S. 1-19.

  33. Es erscheint deshalb auch problematisch, in Abgrenzung von den Großparteien die GRÜNEN als eine „neue linke Milieupartei“ zu bezeichnen; vgl. Hans-Joachim Veen. Die Anhänger der GRÜNEN — Ausprägung einer neuen linken Milieupartei, in: Manfred Langner (Hrsg.), Die GRÜNEN aufdem Prüfstand. Analyse einer Partei. Bcrgisch-Gladbach 1987. S. 60— 127. Siche hierzu Heinrich Oberreuter. Parteien — zwischen Nestwärme und Funktionskälte. Zürich 1983. S. 63-75.

  34. Elmar Wiesendahl. Wie politisch sind politische Parteien? Zu einigen vernachlässigten Aspekten der Organisationswirklichkeit politischer Parteien, in: Jürgen W. Falter/Christian Fenner/Michael Th. Greven. Politische Willensbildung und Interessenvermittlung. Opladen 1984. S. 83; vgl. Aush Reinhold Roth/Elmar Wiesendahl. Strukturbesondereiten politischer Parteien. Zur politischen Soziologie der prganisationswirklichkeit von Parteien (Forschungsgruppe arteiendemokratie. Analysen und Berichte Nr. 13. hrsg. von Heino Kaack/Reinhold Roth). Bremen 1985.

  35. E. Wiesendahl (Anm. 34), S. 83— 85.

  36. Vgl. Richard Stöss. Struktur und Entwicklung des Parteiensystems der Bundesrepublik — Eine Theorie, in: Richard Stöss (Hrsg.). Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945— 1980. Band I: AUD bis EFP. Opladen 1983. S. 19. Die Anzahl der Parteien hat sich inzwischen vermehrt.

  37. Richard Stöss hat die Koexistenz verschiedener Partei-typen und die Wechselwirkungen spezifischer Funktionen unterschiedlicher Parteitypen in seinem funktionalistischen Modell des Parteiensystems der Bundesrepublik systematisch herausgearbeitet. Siehe R. Stöss (Anm. 36). S. 145169.

  38. Giovanni Sartori. Parties and party Systems. A framc»oork for analysis. Volume I. Cambridge 19844, S. 273—

  39. Vgl. H. Schmitt. (Anm. 13) Kurseinheit 2. S. 6— 19.

  40. Vgl. hierzu zum Beispiel Hermann Schmitt. Neue Politik in alten Parteien. Zum Verhältnis von Gesellschaft und Parteien in der Bundesrepublik. Opladen 1987.

Weitere Inhalte

Alf Mintzel, Dr. phil., geb. 1935; seit 1981 Ordinarius für Soziologie an der Universität Passau. Veröffentlichungen u. a.: Die CSU. Anatomie einer konservativen Partei, Opladen 1975, 19782; Geschichte der CSU, Opladen 1977; Die Volkspartei. Typus und Wirklichkeit, Opladen 1984; zahlreiche Aufsätze und Beiträge in Fachzeitschriften und Sammelbänden; politisch-publizistische Artikel und Kommentare.