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Das französische Parteiensystem Von der Bipolarisierung zum Konsens? | APuZ 39/1989 | bpb.de

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APuZ 39/1989 Artikel 1 Frankreich: Umrisse eines neuen Wachstumsmodells? Das französische Parteiensystem Von der Bipolarisierung zum Konsens? Kulturpolitik als Modernisierungsstrategie Der französische Weg Französische Außenpolitik im Spannungsfeld von Mondialismus und Europäischer Integration

Das französische Parteiensystem Von der Bipolarisierung zum Konsens?

Adolf Kimmel

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das bisher so stabile politische System der V. Republik scheint in den achtziger Jahren in eine Krise geraten zu sein. Nach über zwei Jahrzehnten bürgerlicher Mehrheiten kam es zwischen 1981 und 1988 zu drei Machtwechseln (1981, 1986, 1988). Dabei mußten neue Formen der Verfassungspraxis ausprobiert werden (cohabitation. Regierung ohne parlamentarische Mehrheit). Die Ursachen dieser institutioneilen Experimente sind in den Veränderungen des Parteiensystems zu suchen, die ihrerseits durch gesellschaftliche, kulturelle und politische Entwicklungen bedingt sind. Im rechten Block verloren die Gaullisten die Hegemonie. Die rechtsextreme Nationale Front erzielte ab 1983/84 einen überraschenden Durchbruch. Beide Faktoren haben die Konflikte innerhalb der Rechten verschärft und damit entscheidend zu ihren Wahlniederlagen beigetragen. Innerhalb des linken Blocks ging die Hegemonie von der Kommunistischen Partei, die sich in einer tiefen Krise befindet, auf die erfolgreiche Sozialistische Partei über. Damit wurde der Machtwechsel wesentlich erleichtert. Der allmähliche Wandel der französischen Gesellschaft führt zu einer Abschwächung ihrer antagonistischen Züge und zu einer Verstärkung der homogenisierenden Tendenzen. Der ehemals tiefe ideologische Graben zwischen der Rechten und der Linken wurde insbesondere durch die Entwicklung der PS zu einer reformerisch-pragmatischen Regierungspartei und die Marginalisierung der PCF beträchtlich eingeebnet. Obwohl somit die gesellschaftlichen und ideologischen Voraussetzungen gegeben sind und eine starke Sympathie in der Öffentlichkeit dafür besteht, kann eine Koalition der Mitte nicht zustande kommen, da die Institutionen der V. Republik und das Mchrheitswahlsystem ihre Bildung verhindern. Ob dieses prekäre Spannungsverhältnis zwischen modernisierenden gesellschaftlich-kulturellen Tendenzen und dem die alte Blockbildung aufrcchterhaltenden politischen System dauerhaft ist und ob damit auch weiterhin Stabilität möglich sein wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden.

I. Ende der stabilen Bipolarität?

Abbildung: Ergebnisse der Wahlen zur Nationalversammlung 1958 bis 1988 (abgerundete Werte in Prozent — jeweils 1. Wahlgang, außer 1986) Quelle: Udo Kempf, Frankreichs Parteiensystem im Wandel, in: Der Bürger im Staat. 39 (1989) 2, S. 103.

Das Parteiensystem der V.französischen Republik zeichnete sich über 20 Jahre durch eine für die Geschichte der französischen Demokratie ungewöhnliche Stabilität aus. Es war in zwei einander in scharfer Konfrontation gegenüberstehende Blöcke gespalten, die ihrerseits aus je zwei unterschiedlich großen Teilen bestanden: der rechte, bürgerliche Block aus den Gaullisten und den — konservativen, liberalen und christdemokratischen — Nichtgaullisten; der linke aus den Kommunisten und den Sozialisten. Maurice Duverger beschrieb dieses System treffend und anschaulich als „quadrille bipolaire"

Die rechte Mitte vermochte sich zwar bei den Parlamentswahlen als eigenständige Gruppierung zu behaupten, aber da sie als Koalitionspartner nicht benötigt wurde, konnte sie im politischen System keine Rolle spielen. Nachdem sie bei der Präsidentenwahl von 1974 Valery Giscard d’Estaing unterstützt hatte und danach in die Regierung eingetreten war, schloß sie sich vor der Parlamentswahl von 1978 mit Giscards Republikanischer Partei (PR) sowie einigen kleineren Gruppen zum Parteien-bündnis UDF (Union für die französische Demokratie) zusammen. Dieses sollte innerhalb des bürgerlichen Lagers ein Gegengewicht gegen den übermächtigen Gaullismus bilden; man einigte sich daher in den Wahlkreisen auf nur einen Kandidaten aus den Reihen der UDF und fand sich in der Nationalversammlung zu einer einzigen Fraktion zusammen.

Die klare Strukturierung des Parteiensystems wurde vor allem bewirkt durch die Institution des Präsidenten der Republik, der die zentrale Figur im politischen System darstellt, und durch den 1962 eingeführten Wahlmodus (Direktwahl nach dem absoluten Mehrheitswahlsystem mit Stichwahl), der eine bipolare Anordnung der Parteien geradezu erzwingt. Das absolute Mehrheitswahlsystem verlangt von den Parteien — wenn sie Erfolg haben wollen — den Abschluß von Wahlbündnissen, die sich zu stabilen Regierungskoalitionen und schließlich zu den beiden Blöcken verfestigt haben.

Innerhalb der beiden Blöcke kam es in den siebziger Jahren zu weitreichenden Veränderungen. Die Hegemonie der Gaullisten innerhalb der Rechten ging nach dem Tod von Staatspräsident Georges Pompidou (1974) sukzessive verloren. Zunächst unterlag der gaullistische Kandidat. Jacques Chaban-Delmas, bei der Präsidentenwahl gegen Giscard d’Estaing. Mit dem Rücktritt Jacques Chiracs (1976) entging den Gaullisten dann auch das Amt des Premierministers, und die Parlamentswahl von 1978 zeigte erstmals ein ziemlich ausgeglichenes Stärkeverhältnis — beim Stimmenanteil, noch nicht bei den Parlamentssitzen — zwischen den Gaullisten und ihren Verbündeten.

Innerhalb der Linken dominierten die Kommunisten (PCF) sowohl hinsichtlich der Wählerstimmen als auch — noch deutlicher — der Organisation. Geschlossenheit und Schlagkraft der Partei (sowie mit dem Marxismus hinsichtlich der Ideologie). Erst nach ihrer Neugründung gelang der Sozialistischen Partei (PS), die sich 1972 mit den Kommunisten auf ein Gemeinsames Regierungsprogramm verständigte, ein ungewöhnlich schneller Wieder-aufstieg. Bei den Parlamentswahlen 1978 übertraf die PS erstmals seit 1945 wieder die PCF, wenn auch nur leicht. Die vier relevanten Parteien der V. Republik waren nun nahezu gleich stark.

Der Verlust der gaullistischen und der kommunistischen Hegemonie trug in erheblichem Maße zu den überraschenden Umwälzungen in den achtziger Jahren bei. Auf der Rechten gab es nun nicht mehr nur einen — den gaullistischen — Kandidaten bei der entscheidenden Wahl in der V. Republik, der Präsidentenwahl, sondern ab 1974 immer zwei scharf miteinander rivalisierende Präsidenten. Da eine Partei, will sie zu den großen gehören, bei den Präsidentenwahlen einen eigenen Kandidaten aufstellen muß, sind diese Rivalitäten bis zu einem gewissen Grade unvermeidlich. Sie wurden jedoch eine der wichtigsten Ursachen der Niederlagen der Rechten 1981 und 1988.

Auf der Linken verschwand mit der Hegemonie der Kommunisten das größte Hindernis für einen Machtwechsel. Das Absacken von Georges Marchais (PCF) auf 15. 4 Prozent 1981 half Franfois Mitterrand (PS) entscheidend bei seinem ersten Wahlsieg; denn es konnte nun nicht mehr glaubhaft behauptet werden, die Kommunisten würden die Politik einer Linksregierung maßgeblich bestimmen. Wie in anderen Demokratien, so ging es jetzt auch in Frankreich nur noch um einen systemimmanenten Wechsel.

Der Machtwechsel von 1981 mochte nach 23 Jahren gaullistischer und liberal-konservativer Präsidenten, Regierungen und Parlamentsmehrheiten als normal, ja als überfällig erscheinen. Längerfristige gesellschaftliche Entwicklungen und kurzfristig wirkende politische Faktoren machten ihn — so erscheint es zumindest im Nachhinein — wahrscheinlich, so überraschend er damals auch gekommen war In der französischen Gesellschaft nahmen die Gruppen, die traditionell mehrheitlich die Rechtsparteien wählten (Selbständige, Einwohner ländlicher Gemeinden, praktizierende Katholiken, nicht-berufstätige Frauen), ab, während mit der fortschreitenden Urbanisierung, dem Anwachsen der neuen, lohnabhängigen Mittelschichten, dem Rückgang der religiösen Praxis und der zunehmenden Berufstätigkeit der Frau die die Linksparteien favorisierenden Gruppen stärker wurden. Die poli-tische Konstellation von 1981 machte aus der soziologischen Mehrheit eine, politische: der Verlust der ökonomischen Kompetenz Giscard d’Estaings und seines Premierministers Raymond Barre („der erste Ökonom Frankreichs“) bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Inflation; der „Krieg der Häuptlinge“ (Giscard gegen Chirac).der zu einer nur ungenügenden Stimmenübertragung in der Stichwahl führte; der schon erwähnte Niedergang der PCF, der der PS zur Hegemonie innerhalb der Linken verhalf und diese damit auch für bürgerliche Wähler akzeptabel und wählbar machte.

Der Machtwechsel von 1981 blieb indes kein einmaliges. mehr oder weniger zufälliges Ereignis; vielmehr bildete er lediglich den Auftakt zu weiteren Veränderungen und Umbrüchen im politischen und im Parteiensystem, so daß nicht mehr Stabilität, sondern Diskontinuität als der für die Analyse der V. Republik in den achtziger Jahren passende Begriff erscheint. Es wird gar die Frage aufgeworfen, ob die bisher so solide und stark erscheinende V. Republik nicht in eine tiefe Krise geraten ist. Welches sind diese Veränderungen? Wodurch wurden sie herbeigeführt? Welche Perspektiven eröffnen sich?

II. Die Wahlen von 1986 und 1988

Tabelle 1: Präsidentenwahl vom 24. April und 8. Mai 1988

Die Parlamentswahlen vom März 1986 — zum ersten und bisher einzigen Mal in der V. Republik nach einem modifizierten Verhältniswahlsystem durchgeführt — brachten den Parteien, die den Präsidenten unterstützten, eine Niederlage In einer solchen Situation hatte sich noch kein Präsident befunden. Da Mitterrand nicht zurücktrat, kam es zu einer neuen „lebenden Verfassung“, der „cohabitation“ zwischen einem linken Präsidenten und einer rechten Parlamentsmehrheit

Bei der Präsidentenwahl 1988 gab es eine weitere Premiere: Der amtierende Präsident wurde für weitere sieben Jahre wiedergewählt Die Parlamentswahlen vom Juni des gleichen Jahres — nach der vorzeitigen Auflösung der Nationalversammlung durch den Staatspräsidenten — brachten nochmals eine neue Konfiguration: Der Präsident verfügte nun über keine absolute parlamentarische Mehrheit mehr. PS und PCF besitzen zwar rechnerisch mehr als die Hälfte der Sitze, aber da die Linksunion zerbrochen ist, bilden sie keine politische Mehrheit. Folglich kann sich die Regierung Michel Rocard nur auf eine relative politische Majorität stützen. Gleichwohl droht ihr bisher keine Gefahr, denn Kommunisten und Bürgerliche bilden lediglich eine negative Mehrheit. Ihre Gesetzesvorhaben brachte die Regierung bisher durch Enthaltung oder Zustimmung der Kommunisten und/oder eines Teils der bürgerlichen Opposition oder aber durch Anwendung der Instrumente des „rationalisierten Parlamentarismus“ (Art. 49 Abs. 3) über die parlamentarischen Hürden.

Die neuen Formen der Verfassungspraxis („cohabitation“, Regierung ohne feste parlamentarische Mehrheit) waren nötig geworden aufgrund von Wahlergebnissen, die ihrerseits Veränderungen im Parteiensystem widerspiegeln. Im rechten Block ist dies neben dem bereits erwähnten Verlust der Hegemonie der Gaullisten der Aufstieg der rechtsextremen Nationalen Front (FN) Jean-Marie Le Pens sowie — nach der Parlamentswahl 1988 — die Bildung einer eigenen Parlamentsfraktion durch die Zentristen (CDS), wodurch die Existenz der UDF gefährdet ist.

Im linken Block ist das hervorstechende neue Element der spektakuläre Niedergang der PCF und der damit einhergehende Aufstieg der PS zur neuen dominierenden Partei, nicht nur innerhalb der Linken, sondern des gesamten politischen Systems. Bei der Präsidentenwahl 1988 und insbesondere bei den Kommunalwahlen im März 1989 sowie den Europa-wahlen im Juni 1989 wurde unübersehbar, daß die Ökologie-Partei nun auch in Frankreich eine politische Kraft geworden ist, die keine „quantite ngligeable" mehr darstellt.

III. Wahlenthaltung und Politikverdrossenheit

Tabelle 2: Wahl zur Nationalversammlung am 5. und 12. Juni 1988 Quelleh : Wahlergebnisse nach Le Monde/Dossiers et Documents (Anm. 11); Sitzverteilung nach dem Bulletin der Nationalversammlung vom 29. Juni 1988.

Bevor auf diese Punkte näher eingegangen wird, ist noch auf einen aufsehenerregenden Aspekt der letzten Wahlen hinzuweisen: die außerordentlich hohe Wahlenthaltung. Schon bei der Präsidentenwahl 1988 lag sie mit 18, 6 Prozent (im ersten Wahlgang) und 15, 9 Prozent (in der Stichwahl) für diese „Königswahl“ der V. Republik recht hoch. Die Parlamentswahl vom 5. und 12. Juni 1988 erreichte mit 34, 3 Prozent im ersten Wahlgang die höchste Stimmenthaltung bei derartigen Wahlen seit 1875! Im zweiten Wahlgang ging sie nur unwesentlich auf 30, 1 Prozent zurück. Bei den Kantonalwahlen im September/Oktober 1988 blieb sogar jeder zweite Wahlberechtigte zu Hause, und beim Referendum über Neukaledonien am 6. November 1988 gab es mit 62, 6 Prozent einen davor unvorstellbaren Wert. Die Kommunalwahlen vom März 1989 stießen zwar wieder auf ein deutlich größeres Interesse, aber die 27, 2 Prozent Enthaltungen im ersten Wahlgang bilden auch für diesen Wahltypus ein in der IV. und V. Republik nicht erreichtes Niveau. Bei der Europawahl lagen die Enthaltungen mit 51, 2 Prozent klar höher als 1984 (43, 4 Prozent)

Eine erste Erklärung dieser beunruhigend angestiegenen Wahlmüdigkeit liegt sicher in der selbst für die V. Republik ungewöhnlichen Häufung der Wahltermine. In nur gut einem Jahr mußten die Franzosen bis zu zehnmal an die Urne gebeten werden, mindestens aber siebenmal Auch dem pflichtbewußtesten Staatsbürger konnte das zuviel werden; deshalb ist es verständlich, daß man über die Zusammenlegung von bestimmten Wahlen nachdenkt. Neben der Überbeanspruchung des Wählers haben teils alte, teils neue Faktoren zur Wahlenthaltung beigetragen: eine als relativ unwichtig empfundene Parlamentswahl unmittelbar nach der entscheidenden Präsidentenwahl (ähnlich schon 1962 und 1981); eine gewisse Demotivierung und Desorientierung durch das Fehlen klar erkennbarer Alternativen und durch als widersprüchlich betrachtete Entscheidungen (Aufruf Mitterrands zur „Öffnung“ einerseits, sofortige Auflösung der Nationalversammlung andererseits); unzureichendes Angebot (bei den Parlamentswahlen stellten sich die Grünen nicht zur Wahl); notorisch geringes Interesse (Europawahl) und bewußte Entdramatisierung des Referendums durch Mitterrand sowie die Empfehlung eines Wahlboykotts (durch die uneinige gaullistische Parteiführung). Werden diese Gesichtspunkte bedacht, so ist man geneigt, die alarmierenden Zahlen zu relativieren.

Gleichwohl bleibt ein ungewöhnlich hohes Maß an Verweigerung, sich der Wahl als einer in der repräsentativen Demokratie besonders wichtigen Form der politischen Willensbildung zu bedienen. Nimmt man die sinkenden Mitgliederzahlen der politischen Parteien und der Gewerkschaften hinzu, die ohnehin schon zu den niedrigsten in der EG gehören so muß daraus auf eine verbreitete Politikverdrossenheit geschlossen werden. Umfra-gen ergeben, daß man nur ein sehr geringes Vertrauen in die Politik setzt, die die Menschen bedrängenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen

Wenn allen drei führenden Kandidaten bei der Präsidentenwahl vorgeworfen wird, sie seien von den Realitäten des täglichen Lebens der Menschen zu weit entfernt dann kommt darin eine beunruhigende Entfremdung zwischen der „politischen Klasse“ und der Gesellschaft zum Ausdruck. Die relative Erfolglosigkeit der verschiedenen Politiker, Parteien und Programme in ihren Bemühungen um die Überwindung der Wirtschaftskrise — zuerst Giscard und Barre, dann Mitterrand und die PS mit einer neokeynesianischen, anschließend mit einer stabilitätsorientierten Politik, schließlich die Regierung Chirac mit neoliberalen Rezepten —, hat die Skepsis gegenüber der Politik sicher vergrößert. In der Wahlenthaltung kommt, ebenso wie in den Stimmen für die Nationale Front, ein Protest gegen die als zu passiv, zu resignativ empfundene Haltung der Politik(er) gegenüber Problemen wie z. B. Arbeitslosigkeit zum Ausdruck. Den Politikern ist dieses mangelnde Vertrauen zwar durchaus bewußt — aber ob dieses gestärkt wird, wenn man als Beweis für die Öffnung zur Gesellschaft einige Nicht(partei) politiker in die Regierung aufnimmt, erscheint zweifelhaft. Vorhaben wie etwa die Amnestie für gewisse „Unregelmäßigkeiten“ bei der Parteien-und Wahlkampffinanzierung sind eher geeignet, es weiter zu untergraben.

IV. Veränderungen im Parteiensystem: das rechte Spektrum

Tabelle 3: Wahlverhalten nach sozialen Gruppen (Angaben in Prozent) Quellen: SOFRES-Nachwahlumfragen vom 19. und 25. Mai und vom 14. und 23. Juni 1988, aus SOFRES (Hrsg.). Létat de l'opinion. Clés pour 1988, Paris 1988, S. 36.

Von den bereits erwähnten Veränderungen ist sicher der plötzliche Aufstieg der FN die aufsehenerregendste und derzeit auch folgenreichste Wäh-rend die extreme Rechte in der V. Republik bis 1983/84 über ein Schattendasein nicht hinausgekommen war erreichte Le Pen bei der Präsidentenwahl 1988 sensationelle 4 Prozent. Im Juni 1988 verschwand die FN allerdings wieder aus der Nationalversammlung 14) (obwohl sie immer noch 9, 65 Prozent der Stimmen enthielt), in die sie 1986 dank der Verhältniswahl eingezogen war; aber die Kommunalwahlen (10, 2 Prozent im Durchschnitt in den Orten, in denen sie angetreten war) wie die Europawahl zeigen, daß zwar eine Erosion erkennbar ist, daß es aber zumindest verfrüht wäre, ihren raschen Niedergang vorherzusagen. Die Partei findet ihre Wähler vorzugsweise in städtischen Gebieten mit einem hohen Ausländeranteil und einer hohen Kriminalitätsrate; unter jungen Männern mit einem niedrigen Bildungsgrad, besonders unter Arbeitslosen oder sich vom sozialen Abstieg bedroht Fühlenden; aber — ähnlich wie die Poujade-Bewegung 1956 — auch im alten, selbständigen Mittelstand. Von der gemäßigten Rechten unterscheidet sich die FN vor allem durch eine stärkere Verankerung in den unteren gesellschaftlichen Schichten, durch ein populistischeres Erscheinungsbild. Bei den von ihr bevorzugten Themen zeigt sie große Ähnlichkeiten mit den deutschen Republikanern (beide bilden im Europaparlament eine gemeinsame Fraktion): Ausländerfeindlichkeit (besonders gegenüber den Nordafrikanern), harte Bekämpfung der Kriminalität (unter Einschluß der Todesstrafe), Steuersenkungen sowie Zurückhaltung gegenüber der europäischen Integration. Der Erfolg der FN ist vor allem Ausdruck eines Protests: gegen sich verschärfende soziale Probleme und Gefährdungen, gegen eine für zu gemäßigt gehaltene Opposition der bürgerlichen Parteien gegen die sozialistische Herrschaft, gegen die „politische Klasse“ schlechthin.

Es liegt auf der Hand, daß — ebenso wie die CDU/CSU — die UDF und noch mehr die RPR durch den Aufstieg der FN vor besondere Probleme gestellt werden; denn das Gros ihrer Wähler entzieht die FN der gemäßigten Rechten, die dadurch gegenüber der Linken geschwächt wird. Hinzu kommt, daß sich die bürgerlichen Parteien — wiederum der Union vergleichbar — uneins sind in der Frage, wie sie der FN begegnen sollen. Die Schwierigkeiten, die die extreme der gemäßigten Rechten bereitet, traten besonders deutlich bei der Präsidentenwahl 1988 zutage: Chirac mußte den schwierigen Spagat versuchen, bei der Stichwahl sowohl die Wähler Le Pens wie die Barres zu gewinnen, was ihm nicht in ausreichendem Maße gelang. Hat der Sozialist hingegen nur eine sehr schwache kommunistische Konkurrenz, so kann er — wie es Mitterrand erfolgreich gelungen ist — besonders intensiv um die Wähler der Mitte werben, ohne daß er auf der linken Seite mit nennenswerten Einbußen rechnen muß.

In einer Hinsicht sind RPR und UDF in einer besseren Position als die CDU/CSU: Mit Hilfe der Mehrheitswahl kann die FN aus dem Parlament wie aus vielen Stadt-und Gemeinderäten herausgehalten werden, wenn sich die gemäßigte Rechte einigt und keine Kompromisse mit der FN eingeht Der Verlust von einigen wenigen Sitzen, den diese Stra-tegie die gemäßigte Rechte kostet, erscheint als das kleinere Übel; denn der Abstieg der FN, der durch ihr Scheitern bei den Parlamentswahlen beschleunigt wird, nutzt den Gaullisten und Liberal-Konservativen ä la longue mehr.

Dauerhafter als der Aufstieg der extremen Rechten dürfte der Verlust der gaullistischen Hegemonie im rechten Lager sein Die Entwicklung der letzten 15 Jahre hat deutlich gemacht, daß es sich bei dieser Hegemonie um ein an die charismatische Person General de Gaulles gebundenes, vorübergehendes Phänomen gehandelt hat. Der gesamten Rechten schadet diese Schrumpfung des Gaullismus insofern, als sie sich Vor allem im Rückgang des Anteils von Wählern aus dem „einfachen Volk“ äußert, wodurch sie ein ausgesprochen bürgerliches Profil erhält Nichtkommunistische oder nichtsozialistische Wähler aus unteren Sozialschichten weichen nun eher zur Stimmenthaltung oder eben zu einer Stimmabgabe für die FN aus. Auf den Nachteil, der sich aus der Konkurrenzsituation zwischen den bürgerlichen Parteien bei den Präsidentenwahlen ergibt, wurde bereits hingewiesen. Auch die durch die liberale Wende des RPR von 1981 herbeigeführte programmatische Annäherung hat diesen Personenkonflikt bisher nicht entschärfen können. Zumindest aber erleichtert die ideologisch-programmatische Homogenisierung ein ziemlich reibungsloses Zusammengehen bei den Parlamentswahlen.

Die dritte Veränderung ist erst nach der Präsidentenwahl 1988 eingetreten und in ihrem weiteren Verlauf und in ihren Konsequenzen noch nicht zu übersehen: die Bildung einer eigenen Parlamentsfraktion durch das zentristische Element, insbesondere das CDS, innerhalb der UDF. Es ist noch nicht auszumachen, ob damit das Ende dieser fragilen Parteienkonföderation beginnt, ob die Zentristen nur ein klareres eigenes Profil zeigen wollen, aber — trotz gewisser Eigenwilligkeiten — innerhalb des Rechtsblocks verbleiben, oder ob sie damit ein eventuelles Zusammengehen mit den Sozialisten im Sinne der „Öffnung“ vorbereiten. Solange das Mehrheitswahlsystem beibehalten wird, wird das Zentrum wohl innerhalb des Rechtsbündnisses verbleiben müssen und die Öffnung nur in Form einer konstruktiven Opposition gegen eine sozialistische Regierung — d. h. in gelegentlicher Zusammenarbeit, aber ohne Eintritt in die Regierung — praktizieren können. Eine „französische FDP“, wie sie Barre vorschwebt — die einmal von den Sozialisten, einmal von der Rechten zur Mehrheitsbildung benötigt würde, und die auch zu beiden Koalitionen fähig wäre —, ist mit dem Mehrheitswahlsystem kaum zu vereinbaren.

Eine weitere mögliche Veränderung wird immer wieder diskutiert, doch dürfte sie in absehbarer Zeit ebenfalls nicht eintreten: Dem Zusammenschluß von UDF und RPR zu einer großen liberal-konservativen Partei stehen zuviele Bedenken und Widerstände entgegen

V. Veränderungen im Parteiensystem: das linke Spektrum

Analog zum rechten Spektrum ist auch beim linken die einschneidendste und folgenreichste Veränderung am äußersten Rand eingetreten. Hier handelt es sich freilich nicht um einen Aufstieg, sondern um einen Abstieg, wie er noch vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten worden wäre: den Niedergang der PCF Um das Ausmaß dieses Abstiegs zu ermessen, muß daran erinnert werden, daß die PCF in der IV. Republik konstant etwa ein Viertel der Wähler gewann und damit deutlich stärker war als die Sozialistische Partei (damals: SFIO). Mit Beginn der V. Republik erlebte die PCF zwar bereits einen Einbruch, aber sie konnte sich bei den Parlamentswahlen bis 1978 bei gut Prozent halten und war damit bis 1978 die stärkste Kraft aufder Linken. Bei den Parlamentswahlen 1981 ging sie auf 16, 1 Prozent zurück, 1986 gar auf 9, 7 Prozent. Die leichte Erholung 1988 auf 11, 3 Prozent, die vor allem dem Umstand zu verdanken ist, daß die Partei — unter Bruch ihrer bisherigen Praxis — einige ihrer populären Bürgermeister als Kandidaten aufstellte, bedeutet keine Trendwende. Auch wenn die PCF nicht in die völlige Bedeutungslosigkeit absinken, sondern sich bei etwa zehn Prozent stabilisieren dürfte, kann dieser Niedergang der einst so mächtigen Partei kaum überschätzt werden. Mitterrands kühne Äußerung auf einem Treffen der Sozialistischen Internationale in Wien 1972, es sei sein Ziel, von den fünf Millionen Stimmen der PCF drei Millionen für die Sozialisten zu gewinnen, ist ziemlich genau Wirklichkeit geworden.

Die Gründe für diesen einzigartigen Verfall einer kommunistischen Partei in einer westlichen Demokratie sind vielfältig. Die Entwicklung der französischen Gesellschaft stellt die PCF vor schwierige Probleme, denn die stärkste und solideste Basis des französischen Kommunismus — das klassische Arbeitermilieu (vor allem im Bergbau, der Eisen-und Stahlindustrie, den Werften) — schrumpft, wobei die Schrumpfung durch die Wirtschaftskrise noch beschleunigt wurde. Die neuen, aufsteigenden Gruppen der „neuen Mittelschicht“ erreicht die an ihrer Ideologie, ihrer Rhetorik und ihrem gesamten, sehr altmodisch wirkenden Erscheinungsbild festhaltende Partei nicht. Veränderungen im geistig-kulturellen Klima haben ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt: Im Gefolge der Maikrise 1968 begann eine allmähliche Hinwendung zu einem ausgeprägt individualistischen Wertesystem. Damit einhergehend ist eine Abschwächung der Jakobiner--------------i kultur, die auf den Staat als den Agenten des Wandels und des Fortschritts setzte, zu konstatieren. Schließlich wurde dieser Trend verstärkt durch eine (wirtschafts-) liberale Wende in der angelsächsischen Welt (Wahlsiege Margaret Thatchers 1979 und Ronald Reagans 1980). Das liberal-individualistische Wertesystem, das in den achtziger Jahren dominierend wurde, läuft der kollektivistischen Ideologie der PCF strikt entgegen.

Eine entscheidende Rolle hat auch das Ende des Sowjetmythos gespielt, der in Frankreich außerordentlich wirksam gewesen war. Alexander Solschenizyns „Archipel Gulag“ hat in Frankreich ungleich stärker gewirkt als bei uns und der PCF einen harten Schlag versetzt. Nur eine entschlossene und glaubhafte Distanzierung vom sowjetischen Modell und der sowjetischen Außenpolitik nach dem Beispiel der italienischen Kommunisten hätte die PCF davor bewahren können, von der Diskreditierung, in die das Sowjetregime in den siebziger Jahren geriet, miterfaßt zu werden. Der „GorbatschowEffekt“ kommt für die PCF wohl zu spät, um ihr zu nutzen. Außerdem verursacht er in der Partei auch Unsicherheit und Verwirrung, denn — und dies ist ein weiterer wichtiger Grund für den Niedergang — die überalterte und unbewegliche Parteiführung ist nicht in der Lage, sich auf die neuen, für die Partei gewiß schwierigen Gegebenheiten einzustellen.

Für die PCF ist besonders alarmierend, daß die Wählerverluste gerade in den dynamischen Sektoren überdurchschnittlich hoch sind: bei den jungen Wählern (bis 35 Jahre) und den Arbeitern. Da die PCF bei den Arbeitern von der PS klar übertroffen wird, ist ihr Anspruch, die Partei der Arbeiterklasse zu sein, immer weniger begründet. Die Wählerverluste sind der sichtbarste Ausdruck des Niedergangs des französischen Kommunismus. Als mindestens ebenso gravierend muß der drastische Rückgang seines gesellschaftlichen Einflusses gewertet werden: Von den breiten Sympathien, die die PCF ehemals unter den Intellektuellen genoß, ist nichts geblieben; der erhebliche Mitgliederschwund der PCF-nahen Gewerkschaft CGT hat ihre Machtposition in der Arbeiterschaft noch stärker in Mitleidenschaft gezogen als die Wählerflucht; der Verlust vieler Rathäuser 20) hat die Partei einer wichtigen Möglichkeit beraubt, gesellschaftlichen Einfluß auszuüben. Der Rückgang der Mitgliederzahlen und die Motivationsprobleme bei den verbliebenen Mitgliedern vervollständigen das düstere Bild. Ein Wiederaufstieg zu alter Macht und Größe erscheint unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Die einschneidende und dauerhafte Schwächung der PCF verlief parallel mit einer ähnlich dramatischen Wiedergeburt der Sozialistischen Partei, die sich am Ende der sechziger Jahre in einem Zustand der Agonie befand. Als Folge dieser doppelten Entwicklung dominiert die PS innerhalb der Linken heute ähnlich deutlich und unangefochten wie die Gaullisten innerhalb der Rechten während der Präsidentschaften de Gaulles und Pompidous. Für die Präsidentenwahlen hat dieses Kräfteverhältnis ebenfalls vergleichbare Auswirkungen, denn der sozialistische Kandidat hat — wie in der ersten Phase der V. Republik der gaullistische — die Gewißheit, der Kandidat der Linken in der Stichwahl zu sein. Er kann also seinen Wahlkampf von vornherein zur Mitte hin orientieren, wo die Wahlen entschieden werden. Die Präsidentenwahlen von 1981 und 1988 haben gezeigt, daß die kommunistischen Wähler eine geradezu vorbildliche „republikanische Disziplin“ üben und für den Sozialisten in der Stichwahl stimmen, auch wenn er — wie Mitterrand 1988 — kaum noch ein sozialistisches Programm vorlegt und wenn die PCF-Führung einen entschiedenen Kurs gegen die PS einschlägt.

So wie der sozialistische Präsidentschaftskandidat die kommunistischen Stimmen benötigt, um gewählt zu werden, so sind die meisten PS-Kandidaten bei den Parlamentswahlen auf die Stimmen der PCF-Wähler im zweiten Wahlgang angewiesen. Solange das System der absoluten Mehrheitswahl beibehalten wird, solange ist die Linksunion als Wahlbündnis unentbehrlich. Aber während es von der PS „nur“ zum Sieg benötigt wird, braucht es die PCF zur Sicherung ihrer parlamentarischen Existenz. Dieser Zwang bewirkt ein im Ergebnis sehr zufriedenstellendes Funktionieren der gegenseitigen Wahlabsprachen. Trotz einiger Reibereien haben die Kommunalwahlen vom März 1989 demonstriert, daß das Bündnis auch zustande kommt, wenn die PCF in einer (Teil-) Opposition zur pragmatisch-gemäßigten Politik der sozialistischen Regierung steht. Eine offene Koalition der PS mit Parteien der rechten Mitte bzw.der Rechten erscheint freilich unter den bestehenden institutionellen Zwängen kaum möglich — vorausgesetzt, es gäbe in der PS und bei den bürgerlichen Zentristen überhaupt eine Mehrheit für diese Regierungsformel.

Die starke Schwächung der Wählerbasis der PCF hat für die PS freilich auch einen gravierenden Nachteil: Da sie nicht alle Wähler, die der PCF den Rücken kehren, zu sich herüberziehen kann, wird es für die Linke immer schwieriger, eine Mehrheit bei den Wahlen zu gewinnen. Die Uneinigkeit der Rechten und das Wahlsystem haben dieses Manko wenigstens insofern ausgeglichen, als sie der PS zur relativen Mehrheit im Parlament und zur strategischen Regierungsposition verhelfen haben

Nachfolgend wird noch kurz die vieldiskutierte Frage einer „Sozialdemokratisierung“ der PS aufgegriffen. Betrachtet man die soziale Heterogenität der Wählerschaft als Merkmal einer modernen sozialdemokratischen Partei (im Unterschied zum stärker ausgeprägten Klassencharakter der sozialistischen Parteien vor 1945), so ist die PS eine sozialdemokratische Partei, denn sie gewinnt Wähler aus allen sozialen Schichten. Ihre Sozialstruktur ähnelt von allen französischen Parteien am stärksten der sozialen Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung Gleichwohl sind noch gewisse Abweichungen feststellbar, die sich aber auch bei anderen sozialdemokratischen Parteien finden: Die PS-Wähler sind überrepräsentiert bei den jüngeren Jahrgängen, den Arbeitern, der unteren neuen Mittelschicht, den Lehrberufen sowie den nicht-praktizierenden Katholiken und den Religionslosen. Sie sind unterrepräsentiert bei älteren Wählern (und besonders Wählerinnen), den Selbständigen, den freien Berufen, der unselbständig beschäftigten neuen Oberschicht und den praktizierenden Katholiken.

Von den skandinavischen und mitteleuropäischen Schwesterparteien unterscheidet sich die PS durch ihre geringe Mitgliederzahl, ihre relativ schwache Organisation und das Fehlen einer mit ihr verbundenen gewerkschaftlichen Organisation. Diese Besonderheiten sind aus der spezifischen Geschichte der französischen Arbeiterbewegung und aus der französischen politischen Kultur zu erklären. Sie bewirken, daß die PS eher die Züge eines „(Präsidenten-) Wahlvereins“ trägt als die einer modernen Massen-und Apparatepartei.

Am spektakulärsten ist ihre ideologische Entwicklung. Zwei Jahre Regierungserfahrung (1981 bis 1983) und die Notwendigkeit, sich den wirtschaftlichen Zwängen der EG zu stellen, haben ausgereicht, aus einer marxistischen eine reformistische Partei zu machen. Der Forderung nach dem „Bruch mit dem Kapitalismus“ ist die Bekehrung zum Markt abrupt gefolgt. Auch ideologisch gehört die PS zur sozialdemokratischen Parteien-Familie, sie steht dabei nicht einmal mehr besonders weit links.

Die Kommunal-und Europawahlen haben der PS klargemacht, daß sie nun auch mit der grünen Herausforderung konfrontiert wird. Dank des Mehrheitswahlsystems ist sie dabei in einer günstigeren Lage als die SPD, denn den französischen Grünen wird der Einzug ins Parlament sehr viel schwerer fallen. Die PS kann durch eine stärkere Berücksichtigung grüner Themen und mit größerer Aussicht auf Erfolg als die SPD versuchen, die zur Partei der Grünen tendierenden Wähler zu halten bzw. zurückzugewinnen. Durch Absprachen mit der Führung der Grünen, die im übrigen deutlich weiter in der Mitte oder sogar rechts steht als die der bundesdeutschen Grünen, oder gar durch die Einführung der von den Grünen geforderten Verhältniswahl würde sich hingegen die PS eine Konkurrenz großziehen. So entspricht es durchaus den Interessen der PS, der grünen Partei die kalte Schulter zu zeigen, sich aber verstärkt Umweltfragen zuzuwenden

VI. Konsensuelle Gesellschaft -bipolares Parteiensystem?

Neuere Analysen stellen immer häufiger in Frage, ob mit dem herkömmlichen Rechts-Links-Schema überhaupt noch das französische politische System am Ende der achtziger Jahre adäquat analysiert werden kann. Die gesellschaftliche und kulturell-ideologische Entwicklung in Frankreich in den letzten Jahren werden als Abschwächung, wenn nicht gar als Überwindung der Blockbildung interpretiert

Die durch die technologisch-wirtschaftliche Modernisierung bewirkte Schrumpfung des klassischen Arbeitermilieus und der Wandel der Arbeits-und Lebenswelt in großen Teilen der Arbeiterschaft führten zu einer Aufweichung der antagonistischen Klassenstruktur (Proletariat vs. Bourgeoisie). Die neue, in sich differenzierte, unselbständig beschäftigte neue Mittelschicht (cadres suprieurs, professions intermdiaires, employds) — die nicht in das überkommene Klassenkampfschema eingeordnet werden kann — ist zur wichtigsten Gruppierung, zur „groupe central“ (Giscard d’Estaing) beim Übergang von der Industrie-zur Dienstleistungsgesellschaft geworden. Dem gesellschaftlichen Wandel — der zwar nicht als Vereinheitlichung im Sinne einer „nivellierten Mittelstandgesellschaft“ übertrieben werden darf, der aber doch tendenziell eine Homogenisierung ist — entspricht eine Annäherung der ideologischen Positionen durch eine stärkere Orientierung an gemäßigt-pragmatischen Einstellungen, wie sie in der Mitte des politischen Spektrums vorherrschen. Auch hier sollte man aus der ideologischen Dtente nicht vorschnell einen umfassenden Konsens machen, aber die „ideologische Bürgerkriegssituation“ scheint doch vorbei zu sein.

Auf der Rechten wie auf der Linken sind die spezifischen Profile, der Gaullismus und der Marxismus — die Veranlassung gaben, von einem französischen Sonderweg innerhalb der westlichen Industriegesellschaften zu sprechen — bis zur Unkenntlichkeit verschwommen. Die „voluntaristischen und konstruktivistischen Visionen des Politischen“ sind von der großen Mehrheit aufgegeben worden.

Der Neogaullismus des RPR unterscheidet sich vor allem in der Wirtschafts-, aber auch in der Europapolitik kaum noch von der liberal-konservativen UDF. Das die gaullistische Wirtschaftsphilosophie ursprünglich kennzeichnende staatsinterventionistisch-colbertistische, eben entschieden voluntaristische Element wie auch der propagierte „dritte Weg“ einer Sozialverfassung zwischen Kapitalismus und Kollektivismus haben sich in einem ziemlich normalen Liberalismus quasi aufgelöst. Andererseits aber hat die Regierung Chirac von 1986 bis 1988 eindeutig aufgezeigt, daß der Sozialstaat nicht abgebaut werden soll. Der französische Wirtschaftsliberalismus wird nicht bis zur letzten Konsequenz, wird nicht bis zum Thatcherismus getrieben. Das Aufkommen der FN wirkt der Tendenz zwar entgegen, aber da sie keine geschlossene ideologische Position vertritt, sollte ihre Bedeutung in dieser Hinsicht nicht zu hoch eingeschätzt werden.

Noch wichtiger als die ideologische Anpassung des Gaullismus ist aber, daß der Marxismus nicht nur in der intellektuellen Szene diskreditiert ist, sondern auch auf der politischen Linken keine bedeutende Position mehr darstellt. Die PCF, die dem Marxismus-Leninismus treu geblieben ist, hat die ideologische Hegemonie verloren. Die PS, deren Parteiprogramm „Projet socialiste" von 1980 noch einen recht klaren, wenn auch mitunter aufgesetzt wir-kenden Marxismus propagierte, hat inzwischen ihr Bad Godesberg hinter sich gebracht. Während Michel Rocard mit seinem wirtschaftspolitischen Realismus und seinen marktwirtschaftlichen Vorstellungen in den siebziger Jahren in der Partei noch deutlich in der Minderheit war, ist heute die Partei „rocardisiert". Die „Pädagogik ökonomischer Sachzwänge“, der sie sich in der Regierungsverantwortung nicht entziehen konnte, hat erstaunliche Ergebnisse gezeitigt. Die Grundsätze einer bürgerlich-liberalen Wirtschafts-und Finanzpolitik werden nicht mehr in Frage gestellt; der Glaube an Markt und Wachstum ist — von der PCF abgesehen — Allgemeingut geworden.

Die Unterschiede, die es zwischen der PS und der gemäßigten Rechten noch immer gibt — z. B. bei der Vermögenssteuer oder der Frage weiterer Privatisierungen —, werden nicht zu einer Wahl der Gesellschaftsform („choix de societe“: der Wahlkampfslogan der PS von 1981) hochgespielt. Es geht nur noch um graduelle Differenzen bei den Reformabsichten — und deren Grenzen! —, bei der Rolle des Staates in der Wirtschaft oder in der Frage der Solidarität mit den sozial Schwachen Ein bezeichnendes Indiz für die Einebnung des ideologischen Grabens kann darin gesehen werden, daß den Kategorien „links“ und „rechts“ für die Lösung der wichtigen anstehenden Probleme in der Bevölkerung immer geringere Bedeutung beigemessen wird

Da sich der Konsensrauch auf die Verfassungsordnung sowie auf die Außen-und Sicherheitspolitik erstreckt — dagegen nur in geringerem Maße auf gesellschaftspolitische Fragen wie die Ausländerpolitik oder die Schulfrage —, stünde unter Berücksichtigung der Einstellungen zu den politischen Grundfragen einer Koalitionsregierung zwischen Sozialisten und Bürgerlichen nichts mehr im Wege. Meinungsumfragen lassen deutlich erkennen, daß eine sozialistisch-zentralistische oder sogar bis zur Rechten ausgedehnte Regierungsformel von einer starken Minderheit oder sogar von einer Mehrheit gewünscht wird; in jedem Falle wird sie einer rein linken oder einer rein rechten Regierung deutlich vorgezogen Es versteht sich von selbst, daß die Zustimmung bei denen, die eine solche Regierung bilden würden — PS und Zentristen —, besonders hoch ist, bei denen, die von ihr ausgeschlossen wären — Gaullisten und Kommunisten — besonders niedrig.

Die Fähigkeit Mitterrands, bei der Präsidentenwahl die Position der Mitte wesentlich glaubhafter zu vertreten als der Gaullist Chirac, ist eine der Ursachen für seinen überraschend klaren Erfolg. Da er keineswegs von allen seinen Wählern als Sozialist gewählt wurde verwundert nicht, daß sich unmittelbar nach seiner Wahl 47 Prozent für eine liberale, aber nur 38 Prozent für eine sozialistische Politik aussprachen

Die von Mitterrand noch vor der Präsidentenwahl verkündete Absicht, eine eventuelle sozialistische Regierung zur Mitte hin zu öffnen, fand ein überwiegend positives Echo. Die Auflösung der Nationalversammlung, die in der Logik der Institutionen der V. Republik und sicher auch im Interesse Mitterrands und der Sozialisten lag, mußte allerdings den halbherzigen Öffnungsversuch erst einmal beenden, weil das Mehrheitswahlsystem wieder die Blockbildung erzwang. Damit wird das Dilemma deutlich: Die Institutionen der V. Republik mit einem dominierenden Präsidenten und das Mehrheitswahlsystem sind für die Stabilität und Effizienz der Exekutive nötig — aber sie verhindern, daß die gesellschaftlichen und ideologischen, konvergierenden Tendenzen politisch umgesetzt werden. Der Wunsch, von der Mitte aus regiert zu werden, von einer gleichzeitig reformerischen und gemäßigten Koalition, kann nicht realisiert werden. Es entsteht eine Verschiebung zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und den Antworten des politischen Systems. Die V. Republik erlaubt keine Regierung von der Mitte aus, sondern nur linke oder rechte Regierungen, die eine gemäßigte Politik der Mitte betreiben können Die Öffnung kann nicht als eine Regierungsformel, und insofern nicht (partei) politisch praktiziert werden, sondern lediglich ideologisch und programmatisch. Diese Form der Öffnung wird von der Regierung Rocard versucht, wobei sie personell wenigstens symbolisiert wird durch die Präsenz einiger Zentristen im Kabinett. Allerdings stehen nicht nur die Institutionen und das Wahlsystem einer Koalition der (linken und rechten) Mitte entgegen. Die Debatten in der PS lassen keinen Zweifel daran, daß gegen eine Fortführung der Öffnung bis zu einer förmlichen Koalition nach Art der „troisime force“ ein starker Widerstand besteht und daß die Partei in eine Zerreißprobe geriete. Es wird unterstrichen, daß die politische Reflexion und Aktion auf einer normalen und gesunden Konfrontation zwischen fortschrittlichen und konservativen Kräften beruhen müßten, während eine breite Koalition zwischen den Gemäßigten der beiden Grundströmungen oft nur eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners zustande brächte und zum Immobilismus zu führen drohte Außerdem bringe eine derartige Regierung die Gefahr mit sich, daß die Extreme in einer bequemen Opposition gegen eine Politik der Kompromisse erstarken würden.

Nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der Europawahl wurde die Kritik aus der Sozialistischen Partei an der als zu pragmatisch empfundenen Politik der Regierung besonders vernehmbar. Pierre Mauroy.der Erste Sekretär, mahnte, die PS müsse eine-Partei der Veränderung bleiben; sie dürfe nicht zu einer bloßen demokratischen Partei nach amerikanischem Beispiel „verkommen“ Vielmehr gelte es, die sozialistische Identität wieder stärker zu betonen. In der Tat kann die Regierung Mitterrand/Rocard mitunter den Eindruck erwecken, die Menschenrechte und die „republikanischen Werte“ seien an die Stelle des sozialistischen Kampfes gegen die gesellschaftlichen Ungleichheiten getreten

Die Zentristen sind mit ihrer eigenen Liste mit nur 8, 4 Prozent bei der Europawahl deutlich hinter ihren eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Sie können sich daher kaum ermuntert fühlen, die Öffnung — die sie wohl grundsätzlich wollen, aber nur sehr reserviert angehen — energischer voranzutreiben. *

Eine Rückkehr zur alten Bipolarisierung wird es aber schon deshalb nicht geben, weil die Linksunion als Regierungsbündnis kaum wiederzubeleben sein wird und sie auch nur unter besonders günstigen Umständen als mehrheitsfähig erscheint. Unter diesen Rahmenbedingungen läuft die Strategie der PS darauf hinaus, allein zumindest so stark zu werden, daß eine absolute Mehrheit der Rechtsparteien möglichst verhindert wird, so daß sie selbst das Gravitationszentrum für die reformerischen Kräfte auch der rechten Mitte werden kann. Dabei muß ihr das schwierige Unterfangen gelingen, für das Wahlbündnis mit der PCF links genug zu sein, sich aber dabei so weit zur Mitte hin zu orientieren, daß sie in der Regierung auch die Unterstützung der Zentristen findet, wenn diese erforderlich ist.

Angesichts der Hindernisse, die die Institutionen der V. Republik einer Koalition der Mitte entgegenstellen, angesichts des Widerstandes, auf die sie in den Parteiapparaten stößt, vor allem angesichts der ungewissen und risikoreichen Perspektiven (Anwachsen der Extreme, Instabilität der Regierung), die mit ihr verbunden sind, erscheint das Alternieren zwischen der Rechten und der Linken in Regierung und Opposition als die funktionale Organisation des politischen Konflikts (zumal in beiden Lagern die gemäßigten Kräfte dominieren). Der Pendelausschlag dieser „adversary politics“ kann somit in vernünftigen Grenzen gehalten werden, denn es handelt sich — anders als noch 1981 — um einen „weichen Machtwechsel“. Die Effizienz und die Integrationsfähigkeit des Parteiensystems sind mit einer abgeschwächten Bipolarisierung höher einzuschätzen als bei einer Regierung der Parteien der Mitte. Der von manchen Beobachtern befürchtete Rückfall in die Instabilität und den Immobilismus der IV. Republik steht nicht bevor.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Maurice Duverger, La Republique des citoyens. Paris 1982. S. 165 ff.

  2. Mit Parlament ist immer nur die Nationalversammlung gemeint.

  3. Vgl. Jacques Chapsal. La vic politique sous la V'Rcpubliquc. Bd. 2: 1974— 1987. Paris 19873 (mit weiteren Literaturverweisen).

  4. Vgl. ebd., S. 518ff.; Elisabeth Dupoirier/Grard Grunberg (Hrsg.), Mars 1986: la dröle de döfaite de la gauche, Paris 1986.

  5. Vgl. u. a. Maurice Duverger. La cohabitation des Franais, Paris 1987; Adolf Kimmel, Die .cohabitation*: Verfassungsprobleme und politische Praxis, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6— 7/87, S. 14ff.

  6. Zwar wurde auch General de Gaulle im Dezember 1965 zum zweiten Mal gewählt, die Erstwahl von 1958 war aber noch keine Direktwahl durch die Bevölkerung.

  7. Die Enthaltungen müßten sogar noch höher angesetzt werden, denn die Prozentanteile beziehen sich auf die Wahlberechtigten, die sich in die Listen eingetragen haben. Schon von diesem Recht machen aber nicht alle Gebrauch.

  8. Je nachdem, ob bei den Parlaments-und Kommunalwahlen ein zweiter Wahlgang nötig war und ob das Departement bei den Kantonalwahlen an der Reihe war.

  9. Zuverlässige Angaben sind nicht möglich; die offiziellen Zahlen sind bei allen Parteien weit überhöht. Colette Ysmal schätzt in ihrem Bericht auf dem Kongreß des französischen Politologenverbandes in Bordeaux vom Oktober 1988 (S. 4f.) die Mitglieder der gaullistischen RPR auf unter 100 000. die der UDF auf ca. 30 000. Die PS gibt inoffiziell etwa 120 (XX) Mitglieder an. die PCF dürfte nicht mehr als 200 000 haben.

  10. Um aus der Wirtschaftskrise herauszukommen, setzen Prozent ihre Hoffnung auf die verantwortlichen Politiker, 30 aber 41 Prozent auf die Unternehmer! Vgl. Le Figaro/Etudes Politiques, Elections legislatives 1988, Paris 1988, S. 23.

  11. Vgl. SOFRES (Hrsg.), Ltat de l’opinion. Cles pour 1989, Paris 1989, S. 103. Für Mitterrand 49 Prozent der Antworten auf die beiden einschlägigen Fragen, für Chirac 43 Prozent (26 Prozent bemängelten bei ihm seine „Aggrcs-sivität"), für Barre 62 Prozent! Vgl. eine andere Umfrage mit ähnlichem Ergebnis in: Le Monde/Dossiers et Documents. Les elections legislatives 5/12 juin 1988. Paris 1988, S. 14.

  12. Vgl. neben den Wahlanalysen, die auf diese Frage meist intensiv eingchen.den Sammelband von Nonna Maycr/Pasca Perrineau (Hrsg.). Le Front National ä decouvert. Paris

  13. Bei der Präsidentenwahl 1974 kam Le Pen auf nur 0. 75 Prozent der abgegebenen Stimmen; 1981 scheiterte seine Kandidatur sogar, weil er die erforderlichen 500 Unterschriften (von Parlamentariern. Gencralrätcn. Bürgermeistern) nicht zusammenbrachtc. Bei den Parlamcntswahlen vom März 1978 kam die FN auf 0. 75 Prozent, im Juni 1981 auf nur 0. 2 Prozent.

  14. Die einzige FN-Abgcordnctc ist inzwischen aus der Partei ausgeschlossen worden.

  15. Bei der Parlamentswahl 1988 traten RPR und UDF schon im ersten Wahlgang als URC mit einem gemeinsamen Kandidaten an. wodurch die Chancen der FN, im zweiten Wahlgang als stärkste Partei der Rechten noch präsent zu sein, erheblich geschmälert wurden.

  16. Betrug der Anteil der gaullistischen Wähler innerhalb des rechten Blocks bis 1973 zwischen 65 Prozent und 79 Prozent, so erreichte er danach nicht mehr 50 Prozent. Vgl. Le Figaro/Etudes politiques (Anm. 10), S. 16.

  17. Vgl. das Wahlverhalten bei den Präsidenten-und Parlamentswahlen 1988 in den Tabellen. Der Verlust der gaullistischen Arbeiterwähler, besonders im Industriegebiet Nord-frankreichs, hatte allerdings schon unter Pompidou begonnen.

  18. Der jüngste Verstoß Giscard d’Estaings nach der Europawahl, bei der RPR und UDF mit einer gemeinsamen Liste angetreten waren — die Zentristen aber mit einer eigenen -, wurde von Chirac zurückgewiesen. Vgl. Le Monde vom 23. Juni 1989.

  19. Aus der umfangreichen Literatur nur: Jean Ranger, Le dclin du Parti communiste franais, in: Revue franaise de Science politique, 36 (1986), S. 46ff.; Francois Platone, in: E. Dupoirier/G. Grunberg (Anm. 4), S. 189ff.; Erich Schmitz, Der Niedergang der Kommunistischen Partei Frankreichs, in: Politische Vierteljahresschrift, 28 (1987) 4, S. 403 ff. (mit weiterer Literatur).

  20. Bei der Kommunalwahl 1989 verlor die PCF zwei ihrer drei Städte mit über 100 000 Einwohnern und sieben von 53 (1977 hatte sie sogar noch in 72 regiert!) zwischen 30 000 und 100 000 Einwohnern. Die Verluste fallen in den kleineren Gemeinden noch höher aus. Insgesamt wurde die PCF aus einem Viertel der Rathäuser hinausgewählt. Vgl. Le Monde vom 27. April 1989.

  21. Es hätte im Juni 1988 nur sehr geringer Stimmenverschiebungen bedurft, um der PS allein oder aber der Rechtskoalition zur absoluten Mehrheit zu verhelfen. Vgl. Jean-Luc Parodi, in: Le Figaro/Etudes Politiques, Elections legislatives 1988, S. 52ff.

  22. Vgl. Tabelle 3. sowie für die Entwicklung seit 1978 Journal des Elections, (1988) 1, S. 18.

  23. In diesem Sinne sind die jüngsten Beschlüsse der Parteiführung zu verstehen; vgl. Le Monde vom 4. Juli 1989. Aus den neueren deutschsprachigen Analysen zur PS sind hervorzuheben: Hans Manfred Bock. Die stufenweise Auflösung der Linksunion und die Perspektiven der Linksparteien in Frankreich, in: Lothar Albertin u. a. (Hrsg.), Frankreich-Jahrbuch 1988. Opladen 1988, S. 63ff. und Claus Leggewie, Die Sozialistische Partei Frankreichs: Sozialdemokratie oder Postsozialismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6-7/87, S. 35 ff.

  24. So insbesondere Franois Furet/Jacques Julliard/Pierre Rosanyallon, La Rpublique du Centre, Paris 1988. Ferner verschiedene Beiträge in den Publikationen von Le Figaro/Etudes Politiques zu den Präsidenten-und Parlamentswahlen 1988; auch die Aufsätze von Gilbert Ziebura (S. 13 ff.) und Adolf Kimmel (S. 49 ff.) im Frankreich-Jahrbuch 1988 (Anm. 23) gehen auf diese Frage ein.

  25. Pierre Rosanvallon. in: F. Furet u. a. (Anm. 24), S. 138.

  26. De Gaulle nannte den Wirtschaftsplan einmal „eine glühende Verpflichtung“.

  27. Vgl. die Umfrageergebnisse in Le Figaro/Etudes Politiques (Anm. 21), S. 42 f.

  28. Umfragen in SOFRES (Hrsg.), L’etat de l’opinion 1989, S. 134 f.: Im März 1988 erklären 48 Prozent die Kategorien für überholt, gegenüber 38 Prozent im März 1981.

  29. Die verschiedenen Umfragen erbringen zwar voneinander abweichende Zahlen, aber die Tendenz ist eindeutig. Vgl. Le Monde vom 28. Oktober 1988; Jrme Jaffre, France au centre, victoires socialistes, in: Pouvoirs Nr. 47, Paris 1988, S. 174; SOFRES (Anm. 27), S. 119.

  30. Im Unterschied zu den Präsidentenwahlen von 1974 und 1981, als für die Wähler Mitterrands sein Programm und seine Parteizugehörigkeit am wichtigsten waren, war 1988 für 54 Prozent seiner Wähler seine Persönlichkeit entscheidend, während sich nur 8 Prozent am Programm und 24 Prozent an der Partei orientierten. Vgl. Le Figaro/Etudes politiques (Anm. 10), S. 30; J. Jaffr (Anm. 29), S. 173.

  31. Vgl. J. Jaffr (Anm. 29), S. 172.

  32. In diesem Sinne Pascal Perrineau, in: Le Figaro/Etudes politiques (Anm. 21), S. 47.

  33. Diese Koalition der IV. Republik von 1947 bis 1951 reichte von den Liberal-Konservativen bis zu den Sozialisten, schloß nur die Kommunisten auf der Linken und die Gaull. sten (RPF) auf der Rechten, die beide das Regime grundsätzlich ablehnten, aus.

  34. Soz. B. Henri Emmanuelli, die „Nummer Zwei“ der PS, nach Le Monde vom 2. /3. Juli 1989. Ähnlich der RPR-Generalsekretär Alain Jupp (Le Monde vom 17. Februar 1989): „Le consensus . . . est castrateur ... la dialectique est cratrice.“

  35. Le Monde vom 2. /3. Juli 1989.

  36. Vgl. Furet und Julliard, in: F. Furet u. a. (Anm. 24), insbes. S. 63f„ 96.

  37. Vor allem Maurice Duverger prangert in zahlreichen Zeitungsartikeln und in neuen Büchern (sein letztes: La nostalgie de l’impuissance, Paris 1988) diese Gefahr an.

Weitere Inhalte

AdolfKimmel, Dr. phil., geb. 1938; Promotion (Neuere Geschichte) an der FU Berlin 1967; Habilitation (Politikwissenschaft) an der Universität des Saarlandes 1979; Professor für Politikwissenschaft an der Universität Würzburg. Veröffentlichungen u. a.: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Spiegel der französischen Presse 1930— 1933, Bonn 1969; Die Nationalversammlung im politischen System der V.französischen Republik, Köln 1983; (Hrsg.) Eurokommunismus, Köln 1977; (Hrsg.) Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, München 1987; zahlreiche Aufsätze in Zeitschriften und Sammelwerken, vor allem zum politischen System Frankreichs.