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Basisbezug in der Kommunalpolitik | APuZ 25/1990 | bpb.de

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APuZ 25/1990 Kommunalpolitik im politischen System der Bundesrepublik. Aufbau, Aufgaben und Problemlagen Demokratische Entwicklung und politische Kompetenz. Eine vergleichende Analyse des Kompetenzbewußtseins der bundesdeutschen und amerikanischen Bevölkerung Basisbezug in der Kommunalpolitik Die Machtstruktur deutscher und amerikanischer Städte in Abhängigkeit von institutionellen Rahmenbedingungen

Basisbezug in der Kommunalpolitik

Andreas Engel

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Wenn von der politischen Willensbildungsfunktion der Parteien die Rede ist, fallen schnell Begriffe wie „Basis“. „Basisarbeit“, „politische Willensbildung vor Ort“ oder „Basismobilisierung". Doch weder in der politischen Alltagssprache noch in der wissenschaftlichen Diskussion wird immer deutlich, wer überhaupt mit dieser vielzitierten Basis gemeint und welcher Art die Beziehung ist, die zwischen der jeweils angesprochenen politischen Instanz und „ihrer" Basis existiert. Aufgrund dieser unklaren Begriffsverwendung definiert der vorliegende Beitrag den Begriff der politischen Basis aus der Sicht politischer Akteure als Adressat ihres Basisbezugs. Der Basisbezug meint die relativ dauerhaften, direkten Kommunikationsbeziehungen, die aufgrund von Unterstützungserwartungen seitens der Partei bzw. aufgrund von Rechtfertigungserwartungen gegenüber Parteiakteuren von Seiten derjeweiligen Basis bestehen. Am Beispiel einer Befragung aktiver Parteimitglieder und -funktionsträger der lokalen Ebene werden die unterschiedlichen Adressaten und Formen des Basisbezugs in Abhängigkeit von der jeweiligen Position in der Parteiorganisation und der kommunalen Selbstverwaltung beschrieben.

Wenn von der politischen Willensbildungsfunktion der Parteien die Rede ist, wird sehr schnell die Rolle lokaler Parteiakteure diskutiert. Für den Bürger ist der jederzeit identifizierbare und ansprechbare [lokale Parteifunktionsträger oder] kommunale Mandatsträger . . . gleichsam primärer Adressat der meisten gegen Kommune und auch Staat gerichteten Ansprüche, Forderungen und Proteste“ Und innerhalb der Parteien, in denen selbst nach Meinung vieler Funktionsträger der Bürger-kontakt als zunehmend problematisch oder gestört angesehen wird, werden gerade die Vertreter in lokalen Parteiorganisationen mit der Forderung konfrontiert, durch intensivere Kontaktpflege „vor Ort“ die Defizite in der politischen Willensbildung durch mehr Bürgemähe zu korrigieren oder doch wenigstens zu kompensieren. Die Forderung nach größerer Basisnähe der Funktionsträger findet innerhalb wie außerhalb der Parteien nahezu uneingeschränkte Zustimmung.

Keineswegs ist jedoch immer deutlich, wer überhaupt jene vielzitierte Basis und welcher Art die Beziehung zwischen dem jeweils angesprochenen Repräsentanten und „seiner“ Basis ist: „Sind es (jeweils: nominell oder faktisch?) die Wähler oder Mitglieder der . . . Parteien, ist es ihre Klientel in den Basisgruppen [d. h.den kleinsten Organisationseinheiten der Parteien, Anm. d. Verf. ] . . ., sind es die Delegierten der Partei auf den verschiedenen Ebenen und in den verschiedenen Gremien?“ Geht es bei der Basisbindung einzelner Parteirepräsentanten oder -gremien um den Anspruch, in Übereinstimmung mit einer wie auch immer definierten Basis zu handeln; oder sind bestimmte Formen der direkten Kommunikation oder Interaktion zwischen beiden gemeint? Wer ist aktiv, wer passiv?

Aufgrund dieser unklaren Begriffsverwendung sowohl in der politischen Alltagssprache als auch in der wissenschaftlichen Diskussion versucht der folgende Beitrag, den Begriff der politischen Basis und einige seiner Komposita etwas präziser zu fassen. In der Beschreibung des Basisbezugs in lokalen Parteiorganisationen stützt er sich auf die Ergebnisse einer Befragung, die bei 1 802 Delegierten zu Kreisparteitagen durchgeführt worden ist

I. Zum Begriff der politischen Basis in der Parteienforschung

Tabelle 1: Ämterübernahme aktiver lokaler Parteimitglieder (Delegierte zu Kreisparteitagen)

In der Parteienforschung wird der Begriff der politischen Basis oder Parteibasis sehr uneinheitlich verwendet. Für nahezu jede politisch relevante Personengruppe kann die Bezeichnung als „Basis“ gefunden werden.

Wohl am häufigsten wird von der „Wähler-“ oder „Mitgliederbasis“ der Parteien gesprochen. In beiden Fällen dient die über die Stimmabgabe bzw. das formale Kriterium der Mitgliedschaft zum Ausdruck gebrachte Zustimmung zu einer Partei als Kriterium für die Definition der Beziehung, die zwischen einem Parteirepräsentanten und der Wähler-bzw. Mitgliederschaft besteht.

Eine etwas andere inhaltliche Akzentuierung erhält der Begriff, wenn weniger auf das Merkmal der Zustimmung oder Unterstützung als vielmehr auf die sozialen Ursachen abgehoben wird, die dieser gemeinsamen Präferenz für eine Partei (und nicht nur für einen Kandidaten) zugrundeliegen. Es wird dann von der „sozialen Basis“ einer Partei gesprochen, davon, „daß Parteien Teile des Volkes darstellen bzw. repräsentieren, . . . soziale Segmente also mit gemeinsamen Eigenschaften . . ., vor allem Klassen-, Schicht-und Gruppenzugehörigkeiten einerseits und Ideologien/Weltanschauungen und gesellschaftsgestaltende Konzeptionen andererseits“ Mit dem Blick auf die soziale Zusam-mensetzung der Parteien treten also gemeinsame politische Grundüberzeugungen als zentrales Bestimmungsmoment des Basisbegriffs in den Vordergrund, Wertorientierung und Einstellungen, die in gemeinsamen Lebenserfahrungen wurzeln und ein verbindendes Gruppenbewußtsein schaffen, das zuweilen als „Basiskonsens“ bezeichnet wird In diesem Sinne wird dann beispielsweise auch von „Arbeiterparteien, bürgerlichen oder Mittelstandsparteien oder von Volksparteien gesprochen, je nachdem, ob eine Partei überwiegend in einer bestimmten Klasse oder Schicht verankert ist oder ob sich ihre Mitglieder und Wähler (!) in ausgewogener Weise aus mehreren oder allen Klassen bzw. Schichten rekrutieren“ In Übereinstimmung mit der Basis zu handeln heißt in diesem Zusammenhang nicht nur, die Klassen-oder Schichtinteressen einer bestimmten Klientel zu vertreten; Basisbindung im sozialen Sinn bedeutet vielmehr, daß politische Repräsentanten aus demselben sozialen Milieu stammen und daß sie gemeinsame Lebenserfahrungen und -gewohnheiten mit den Mitgliedern der Basis verbindet. Zu ihr gehört auch die Teilnahme an den tradierten, milieuspezifischen Ritualen der Gemeinschaftsbildung in der Basis.

Hennis sieht im Wandel der Parteien vom Typ der „demokratischen Massenintegrationspartei auf Klassen-und Konfessionsbasis“ zur „Volkspartei oder weniger euphemistisch: der Allerweltspartei“ eine zentrale Ursache für den Verlust gerade der sozialen Basisbindung und führt darauf „Regierbarkeitsprobleme“ in der Bundesrepublik zurück. Durch die Lockerung sozialstruktureller Verankerungen würden die Parteien nicht nur eine stabile Wählerschaft verlieren, sie würden sich auch zusehends von ihrem „ideellen Umfeld“ entfremden. Durch den „Wegfall nahezu aller vorgegebenen, aller historischen Integrationsfaktoren durch soziale Lage, gemeinsame Interessen, gemeinsame historische Erfahrungen“ entfremdeten sich Parteiführung, Parteimitglieder-und Wählerschaft zusehends. Politische Zielvorgaben würden kaum mehr aus einem Prozeß von „Rat und Beratung, dem Mit-und Gegeneinander der Kräfte und Interessen“ hervorgehen, sondern in Kommissionen „mühselig“ erarbeitet. „Nichts an ihnen ist spontan, selbstverständlicher Ausdruck einer bestimmten Lage.“ Durch den Verlust von „Identifikationsmöglichkeiten . . . sozialer und geistiger Art“ nehme das Zusammengehörigkeitsgefühl ab, schwinde der „starke Charakter von . Gemeinschaft', von solidarischer Verbundenheit“

Eine weitere Akzentuierung erfährt der Basisbegriff, wenn von „unterschiedlich historisch gewachsenen sozioökonomischen und ideologisch-kulturellen Traditionszonen“ auf die „territoriale Basis“ einer Partei geschlossen wird. Damit sind einerseits regionale Verteilungen der Parteiunterstützung in den Milieus und unterschiedliche programmatische Ausrichtungen von Parteien in den regionalen Verbänden angesprochen. Andererseits wird der Begriff aber auch allgemein zur Bezeichnung der regionalen Grundeinheiten der Parteiorganisation verwendet.

Da Parteimitglieder vorwiegend in solchen regionalen Organisationseinheiten erfaßt und politisch aktiv werden, das Parteiengesetz darüber hinaus eine regionale Organisationsgliederung mit der Begründung vorschreibt, daß sie „den einzelnen Mitgliedern eine angemessene Mitwirkung an der Partei“ ermöglichen solle (§ 7 PartG), werden oft die satzungsmäßig kleinsten Organisationseinheiten mit der Parteibasis identifiziert und als Basis-oder Grundeinheiten bezeichnet Mit der Identifikation der organisatorischen Grundeinheiten als Parteibasis wird aber nicht nur im deskriptiven Sinn eine bestimmte Personengruppe definiert, es wird in der Regel auch der Anspruch erhoben, daß die innerparteiliche Willensbildung auf der Willensbildung in den Grundeinheiten basieren, der Basisbezug eine Willensbildung von „unten“ nach „oben“ garantieren soll.

Doch nicht nur die mehr oder weniger engagierte Mitgliedschaft in den Grundorganisationen, auch der aktive Kern der Parteimitglieder — die Versammlungsbesucher. die Wahlkämpfer und Aktivisten. die Inhaber von Parteiämtern bzw. politischen Ämtern und Mandatsträger — werden mitunter als „personelle Basis“ apostrophiert Schließlich werden auch Interessengruppen. Verbände, Vereine. Standesorganisationen — allgemein also Organisationen des „vorpolitischen Raumes“ der Parteien — zur Basis gezählt, sofern die Mitgliedschaft in ihnen häufig mit einer bestimmten Parteipräferenz einhergeht

Als gemeinsames Kennzeichen dieser Definitionen des Basisbegriffs in der Parteienforschung kann zusammenfassend festgehalten werden, daß mit ihnen zunächst eine Relation zwischen politischen Subjekten angesprochen wird, die in doppelter Hinsicht präzisierungsbedürftig ist Zum einen muß geklärt werden, welche Personen bzw. Personengruppen in Beziehung zueinander stehen, und zum anderen, welcher Art die Beziehung ist, durch die eine politische Gemeinsamkeit zwischen ihnen gestiftet wird.

Da in demokratischen politischen Systemen verbindliche Entscheidungen nach dem Prinzip der Gewinnung politischer Unterstützung getroffen werden, dient auch der Basisbezug in demokratischen Parteien primär dem Zweck, um politische Unterstützung für die Entscheidungsträger in den Parteien zu werben. So sind beim Aufbau des Basis-bezugs zwei politische Rollen mit aufeinander bezogenen Erwartungen beteiligt: die des um Unterstützung werbenden Parteiakteurs und die seiner Adressaten, von denen er Unterstützung erwartet. Der demokratische Basisbezug setzt also eine Rollendifferenzierung zwischen „zentralen Entscheidungsrollen und peripheren Partizipationsrollen“ voraus. „In den Entscheidungsrollen werden Entscheidungen getroffen und verantwortet, und es wird hierfür politische Unterstützung gesucht. In den Partizipationsrollen werden Entscheidungen durch die Artikulation von Werten. Interessen und Entscheidungsthemen nachgefragt, und es wird politische Unterstützung gewährt, z. B. durch generelle Anerkennung von Inhabern politischer Entscheidungsrollen oder durch Stimmabgabe für diese.“

Konstitutiv für den Basisbezug in Parteien sind daher einerseits die spezifischen Handlungen der Parteirepräsentanten, mit denen sie politische Entscheidungen rechtfertigen bzw. mit denen um Zustimmung geworben wird. Andererseits sind die Handlungen der Basis zu betrachten, mit denen Zustimmung (oder Ablehnung) zu politischen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht wird. Begrifflich kann diese Differenzierung mit den Substantiven „Legitimation“ für das Werben um Unterstützung und „Legitimierung“ für das Gewähren von Unterstützungsleistungen zum Ausdruck gebracht werden. Vorwiegend der erste Aspekt — das Verhalten der um Basisunterstützung werbenden Parteivertreter — soll Gegenstand der weiteren Überlegungen sein.

II. Dimensionen des Basisbezugs lokaler Parteiakteure

Tabelle 2: Positionsspezifische Adressaten des Basisbezugs lokaler Parteiakteure

Um die vielfältigen, potentiell zum Aufbau einer Verbindung zwischen politischen Akteuren instrumentalisierbaren Aktivitäten zu systematisieren, schlägt Lawson vor. zwischen der unmittelbaren Teilnahme am politischen Prozeß (partizipativer Basisbezug) und der durch Repräsentation vermittelten Beteiligung zu unterscheiden (repräsentativer Basisbezug). Demokratietheoretisch knüpft diese Unterscheidung an die traditionsreiche Kontroverse über die „repräsentative oder plebiszitäre Komponente im modernen Verfassungsstaat“ bzw. an das freie oder imperative Mandat an. In bezug auf die Handlungsmaximen politischer Repräsentanten läßt sich das in diesem Disput angesprochene Problem auf die Frage zuspitzen: „Soll ein Repräsentant das tun. was die Repräsentierten wollen und ihm in verbindlicher Form mitteilen, oder sollte er frei sein zu handeln, wie er glaubt, daß es dem Gemeinwohl entspricht?“

Sieht man von der normativen Seite ab und faßt es als empirisches Verhaltensproblem lokaler Partei-akteure auf, dann geht es bei der Analyse des Basis-bezugs lokaler Parteiakteure darum, festzustellen.an welchen Handlungsmaximen und individuellen Rollendefinitionen sich lokale Parteivertreter orientieren, wenn sie um Unterstützung werben. 1. Der partizipative Basisbezug in lokalen Parteiorganisationen In einer ersten Konkretisierung kann beim partizipativen Basisbezug zwischen institutionalisierten (konstitutionellen) und nichtinstitutionalisierten Formen der unmittelbaren Beteiligung unterschieden werden Institutionalisierte Formen des partizipativen Basisbezugs finden im lokalen Bereich vor allem im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen statt, weshalb es auch gerechtfertigt ist, vom „Basisbezug im Kontext von Wahlen und Abstimmungen“ zu sprechen -Bei den nichtinstitutionalisierten (nicht konventionellen) Formen der unmittelbaren Einflußnahme geht es im wesentlichen um Versuche, den politischen Entscheidungsprozeß in konkreten Problemfällen zu beeinflussen, so daß auch vom „Basisbezug im Kontext der Problemlösung“ gesprochen werden kann

Für beide Arten des partizipativen Basisbezugs ist es charakteristisch, daß eine direkte Kommunikation zwischen Parteiakteuren und ihren Adressaten stattfindet. „Prototyp des direkten (unvermittelten) Kommunikationsprozesses ist der ohne Einschaltung technischer Mittel geführte Dialog“, bei dem die Wechselseitigkeit am Beispiel von Rede und Gegenrede „als Vorbedingung für . Verständigung* und . Verstehen*, für die Herstellung von . Consensus* . . . besonders deutlich wird.“ Die Funktion des um Zustimmung werbenden partizipativen Basisbezugs liegt ja gerade auch im Erzeugen des zumindest subjektiven Eindrucks, an einem „unmittelbaren, persönlichen, also nicht anderweitig vermittelten Informationsaustausch“ teilzunehmen. Der parteiinterne partizipative Basisbezug ist weitgehend formal geregelt. Organisierte Parteiveranstaltungen aller Art dienen dazu, den Informationsfluß unter den Positionsinhabern und Mitgliedern aufrechtzuerhalten. Partizipationsmöglichkeiten sind größtenteils satzungsmäßig reglementiert, in erster Linie dadurch, daß die Teilnahme an innerparteilichen Wahlen und Abstimmungen an formale Mitgliedschaften, Delegationen oder die Wahl in bestimmte Ämter gebunden ist, wenn auch nicht zu übersehen ist, daß die innerparteiliche Kommunikation über informelle persönliche Kontakte offenbar um so wichtiger wird, je aktiver Parteimitglieder sind

Der parteiexterne partizipative Basisbezug wird dagegen in stärkerem Maße durch informelle Kommunikationsbeziehungen aufrechterhalten. „Immer wenn aktive Parteimitglieder ihre politischen Meinungen in ihr privates oder soziales Leben hin-eintragen, wenn sie zu Hause mit Familienangehörigen, mit engeren persönlichen Freunden, im Beruf mit Arbeitskollegen, im Kontakt mit Nachbarn oder Verwandten politische Themen diskutieren, passiert zweierlei: Einerseits tragen sie Botschaften und Ansichten ihrer Partei in die Öffentlichkeit; andererseits werden sie unvermeidlich mit Ansichten und Anliegen des normalen [! ] Bürgers konfrontiert.“

Gemessen an der Häufigkeit politischer Gespräche bzw.der Anzahl politischer Kontakte können für aktive lokale Parteimitglieder drei voneinander ab-grenzbare Kommunikationsfelder nachgewiesen werden, die damit auch drei unterschiedliche Adressaten des Basisbezugs in lokalen Parteien aufzeigen

1. die Gemeindeparteiorganisation,

2. die Kreisparteiorganisation und

3. das außerparteiliche Kommunikationsfeld.

Im außerparteilichen Kommunikationsfeld kann auf der lokalen Ebene zumindest noch zwischen der Präsenz in parteinahen gesellschaftlichen Vorfeld-organisationen (im Untersuchungsgebiet bei der SPD die Arbeiterwohlfahrt und die Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene, bei der CDU die Katholische Arbeitnehmerbewegung und die Caritas) und in Vereinen unterschieden werden (Heimat-, Schützen-, Musik-, Sportvereine, Feuerwehr oder karitative Organisationen)

Die Verbindung zu parteinahen Vorfeldorganisationen kann von lokalen Parteifunktionsträgern vor allem „im Sinne einer Stärkung innerparteilicher Hausmacht instrumentalisiert werden, . . .denn diese Organisationen liefern eine zusätzliche Plattform, das Kommunikationsnetz auszubauen, Informationen selektiert weiterzureichen und Mitglieder und Delegierte der eigenen Partei in diesen Organisationen zum Zweck der Unterstützung zu beeinflussen und in die entsprechenden Versammlungen zu dirigieren“

Vereinsarbeit wird immer wieder als eine „Standardaktivität jeder lokalen Partei“ und damit des Basisbezugs lokaler Parteiakteure betrachtet Außer der empirisch keineswegs gesicherten Annahme, daß Vereine ein wichtiges Stimmpotential für Wahlen bilden, kommt im Rahmen des partizipativen Basisbezugs lokaler Parteiakteure als weiteres Motiv der Vereinsaktivität hinzu, daß sie zur Intensivierung des politischen Kontaktes zu Teil-segmenten der sozial aktiven lokalen Wählerschaft eingesetzt werden kann. Auch an der Verankerung im Vereinswesen kann die für den Basisbezug typische, zweiseitige Kommunikationsbeziehung nachgewiesen werden: Einerseits wird die Teilnahme am Vereinsleben von Parteifunktionsträgern dazu benutzt, für die eigenen Vorhaben und Pläne direkt zu werben. Andererseits bietet dem Vereinsmitglied die Anwesenheit eines Parteipositionsinhabers im Verein die Gelegenheit, Kontakt aufzunehmen, was allein schon das politische Vertrauen in die Offenheit einer Partei (und mittelbar des politischen Systems) für die Willensbildung von „unten“ stärken kann.

Zusammenfassend kann für den partizipativen Basisbezug in lokalen Parteiorganisationen festgehalten werden, daß mit ihm jene sozialen Beziehungen gemeint sind, die als Kommunikationskanäle zum direkten Austausch von Unterstützungsappellen und Zustimmung instrumentalisiert werden können. Als Merkmal individueller Akteure bezeichnet er relativ dauerhafte, direkte Kommunikationsbeziehungen. die aufgrund bestimmter Unterstützungserwartungen (seitens der Partei) und Rechtfertigungserwartungen (seitens der jeweiligen Basis als Adressaten von Unterstützungserwartungen) bestehen. Als Merkmal der lokalen Parteiorganisation beschreibt der Basisbezug ein System oder Netzwerk von Rechtfertigungs-und Unterstützungsbeziehungen zwischen einzelnen Organisationsmitgliedern sowie parteiinternen und -externen Gruppen

2. Der repräsentative Basisbezug lokaler Parteiakteure

Mit der Bezeichnung „repräsentativer bzw. responsiver Basisbezug“ werden alle Aktivitäten zusammengefaßt, durch die Beziehungen zwischen zwei Systemeinheiten als Reaktion auf das Verhalten in der anderen entstehen, ohne daß es zur unmittelbaren Teilnahme kommt. Im Rahmen der empirischen Analyse des Verhaltens lokaler Parteiakteure ist bei den auf politische Repräsentation gerichteten Aktivitäten danach zu fragen, worüber Einverständnis hergestellt wird (inhaltlicher Bezug der Repräsentation) und durch welche Aktivitäten dies erreicht wird (Repräsentationsstil, „style of representation“)

Lokale Parteirepräsentanten stehen in der Frage des inhaltlichen Bezugs der Basisbindung, auf einer sehr allgemeinen Ebene, typischerweise vor dem Konflikt zwischen der Orientierung an der Gesamt-bürgerschaft ihres lokalen Wahlbezirks bzw.der lokalen Einheit, für die sie politische Verantwortung haben (oder zu übernehmen beabsichtigen), und der Beachtung spezifischer Gruppeninteressen. die möglicherweise schwerpunktmäßig in der lokalen Wählerschaft bzw. Mitgliederschaft ihrer Partei vertreten sind.

Hinsichtlich des Repräsentationsstils, also der Art und Weise, wie lokale Parteiakteure auf das Begehren der Rechtfertigung politischen Handelns seitens der Basis reagieren, wird in der demokratietheoretischen Diskussion zwischen der Rolle des an Instruktionen von seiner Basis gebundenen Delegierten und des allein auf sein Gewissen hörenden und auf sein eigenes politisches Urteilsvermögen vertrauenden Treuhänders (Mandatars) unterschieden. In empirischen Analysen zum Selbstverständnis politischer Repräsentanten konnte darüber hinaus die Rolle des „Politicos“ identifiziert werden, eines Akteurs, der je nach äußeren Bedingungen oder Adressaten entweder den einen oder anderen Repräsentationsstil zeigt

Diese drei Repräsentationsstile, die mit der Präferenz bestimmter Rechtfertigungsstrategien im Kon-text des Basisbezugs in Verbindung stehen, konnten auch in der empirischen Analyse von Einstellungen der Kreisparteitagsdelegierten im Untersuchungsgebiet nachgewiesen werden

Der Treuhänder ist demnach bestrebt, immer mit der größtmöglichen Anzahl von Adressaten Übereinstimmung zu suchen und diese als „seine“ Basis anzusehen. Letztendlich betrachtet er also die Wählerschaft seiner Partei bzw. die gesamte Bürgerschaft als politische Basis. Er vertritt die Auffassung, daß lokale Parteiakteure sich am Wohl des Ganzen zu orientieren haben und gerade im kommunalpolitischen Bereich die sachlichen Aspekte einer politischen Entscheidung hervorzuheben haben. Er erhebt den Anspruch, prinzipiell für Anfragen und Bitten eines jeden Bürgers offen zu sein und nicht nur für solche einer bestimmten Klientel. Vor Parteimitgliedern weist er auf die unterschiedlichen Interessen in der Wählerschaft hin, die bei Entscheidungen zu berücksichtigen seien, und fordert die Parteimitgliedern auf, in der Bevölkerung für die Ziele der Partei zu werben und im innerparteilichen Willensbildungsprozeß eher gemäßigt aufzutreten. Zusammengenommen charakterisieren diese Einstellungen die Disposition für ein Rechtfertigungsverhalten, das auch als „Strategie der Stimmenmaximierung“ beschrieben werden kann.

Zum Repräsentationsstil des Delegierten paßt am besten eine Rechtfertigungsstrategie, die als programmatisch konsequent bezeichnet werden kann. Bei ihr versuchen Parteiakteure, mit einer gegebenenfalls geringen Anzahl von Adressaten größtmögliche Übereinstimmung herzustellen, was letztendlich als Ausführen bzw. Umsetzen der politischen Instruktionen der Basis interpretiert werden kann. Dies setzt natürlich voraus, daß der Delegierte mit den Forderungen der Basis zumindest im Grundsatz übereinstimmt, wenn es für ihn nicht auf eine völlige politische Selbstverleugnung hinauslaufen soll. Im Konfliktfall ist sein Rechtfertigungsverhalten allerdings in der Tat durch einseitige Anpassung an die Wünsche der Basis gekennzeichnet. Im Gegensatz zum stimmenmaximierenden Treuhänder, der potentiell alle Bürger als seine Basis definiert, sieht sich der programmatisch konsequente Delegierte eher als Vertreter der Stammklientel der Partei. Und in bezug auf die Rolle der Parteimitglieder als Repräsentanten der Basis vertritt er die Auffassung, daß sie sich hauptsächlich aktiv am innerparteilichen Willensbildungsprozeß beteiligen sollen.

Schließlich entspricht dem „Politico“ ein Rechtfertigungsverhalten, das mit Uppendahl als „Responsivitätsstrategie" bezeichnet werden kann und Elemente der Stimmenmaximierungsstrategie und des programmatisch Konsequenten vereint. Dieser Akteur versucht ebenfalls, „ein Höchstmaß an Übereinstimmung zwischen sich und seinen Adressaten zu erreichen, nun aber, indem er seine eigene Position auf die der Adressaten zubewegt, mit dem gleichzeitigen Versuch, etwa divergierende Positionen unterschiedlicher Adressaten zu . integrieren* oder „auf einen Nenner* zu bringen“ Der Politico legt sich nicht auf eine bestimmte Personengruppe als Adressat des Basisbezugs fest. Er variiert je nach der Situation die für ihn verbindliche Basis und läßt sich bei der Auswahl seiner Basis durchaus auch von den an ihn herangetragenen Forderungen leiten. Mal ist der Politico stärker Repräsentant der Parteimitglieder (oder eines Teils von ihnen), mal mehr der Wähler (oder einer bestimmten Wählergruppe). Von den Parteimitgliedern erwartet er, daß sie sich sowohl am innerparteilichen Willensbildungsprozeß beteiligen, als auch sich in der Wählerschaft für die Partei einsetzen.

III. Positionsabhängige Formen des Basisbezugs lokaler Parteiakteure

Tabelle 3: Positionsspezifische Repräsentationsstile

/Eine verbreitete Vorstellung über Parteien geht davon aus, daß Parteiangehörige weitgehend gemeinsame Ziele verfolgen und an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, um Unterstützung zu werben. Doch in einer Organisation, in der „der Rivalität, dem Streit und der Intrige . . . Eintracht und das Wir-Gefühl gegenüber[-stehen] . . . und nicht selten egoistische Interessen und Vorteilsbeschaffung mit selbstloser Hingabe an die Sache, Gesinnung und Partei“ kollidieren ist kaum zu erwarten, daß gerade beim Werben um Unterstützung von allen die gleichen Adressaten angesprochen und immer die gleichen Rechtfertigungsanreize zur Zustimmung angeboten werden.

Eine zentrale Frage der empirischen Analyse des Basisbezugs lokaler Parteiakteure lautet daher, ob Adressaten und Rechtfertigungsformen von den Positionen geprägt sind, die jene in der kommuna-len Selbstverwaltung oder in der lokalen Parteiorganisation wahrnehmen.

Auf Sorauf geht ein Untersuchungsansatz zurück, der Parteien als Interaktionssystem mit den drei Bereichen a) formale Parteiorganisation (Organisation der Mitgliedschaft), b) Partei in den öffentlichen Ämtern und c) Partei in der Wählerschaft unterscheidet Alle drei Segmente der Partei kommen auf der lokalen Ebene als Adressaten des Basisbezugs in Frage.

Die Beziehungen der Wähler zu Funktionsträgern in der Mitgliederorganisation oder zu politischen Repräsentanten sind überwiegend passiv. Sie gehen zur Wahl, bekennen sich auch gelegentlich öffentlich zu ihrer Partei, am innerparteilichen Willensbildungsprozeß nehmen sie aber nicht — oder nur sehr sporadisch — teil. Umgekehrt richten auch die Funktionsträger meist nur in Phasen besonders intensiver öffentlicher Diskussion ihre Aufmerksamkeit auf die Wählerschaft, hauptsächlich also in Wahlkämpfen, denn in der Sicherung einer ausreichend stabilen und großen Wählerbasis liegt schließlich der wesentliche Anreiz des Wählerbasisbezugs.

Die Partei als Dachverband der gewählten kommunalen Mandatsträger und Amtsinhaber steht in einem doppelten politischen Verantwortungsverhältnis. Weil ihre Mitglieder für die lokale Bürgerschaft verbindliche Entscheidungen fällen (oder dagegen opponieren), treten sie vor der Gesamtbürgerschaft für eine von ihnen zu verantwortende politische Entscheidung (oder Entscheidungsoption) ein. Aufgrund satzungsmäßig geregelter Nominierungsverfahren stehen lokale Mandatsträger aber auch in einer abhängigen Beziehung zur Parteimitglieder-organisation und haben daher auch die besonderen Interessen der Parteimitglieder und -funktionsträger auf lokaler Ebene zu berücksichtigen. Es stellt sich die Frage, welche Adressaten jeweils dominant sind und welche Formen des Basisbezugs zu beiden unterhalten werden.

Mit der institutionalisierten Parteiorganisation (der Partei der Mitglieder) wird der formale Parteiapparat identifiziert, „in dem man die formal gewählten Parteivorsitzenden und die Aspiranten auf die öffentlichen Ämter findet, die große Zahl der regional und funktional abgrenzbaren Parteivorstände, die eingeschriebenen Mitglieder und die Aktivisten der Partei“

Da die institutionalisierte Parteiorganisation, neben den Parteivertretern im staatlichen Bereich bzw.dem der kommunalen Selbstverwaltung, von den Bürgern weitgehend mit der Partei identifiziert wird, muß davon ausgegangen werden, daß die Bürger auch von ihr Rechtfertigung und Begründung des Parteihandelns verlangen. Weil aber die Kompetenz zur Umsetzung politischer Ziele in politische Entscheidungen bei den Amts-und Mandats-trägern liegt, können Repräsentanten der institutionalisierten Partei gegenüber Bürgern leicht in einen Rollenkonflikt geraten, der darin besteht, daß sie für politische Entscheidungen einstehen sollen, die von den politischen Amts-und Mandatsträgem zu verantworten sind und unter Umständen den aus der Mitgliederwillensbildung hervorgegangenen Zielvorstellungen widersprechen. Wie sich Repräsentanten der institutionalisierten Parteiorganisation in dieser Situation verhalten, ist ebenfalls eine offene Frage der empirischen Analyse des Basisbezugs lokaler Parteiakteure.

Innerparteilich ist zwischen den Funktionsinhabern und den „aktiven Helfern“ ohne Parteiamt zu unterscheiden. Das Angewiesensein auf die Mitarbeit und Unterstützung durch die aktiven Parteimitglieder — nicht zuletzt bei der Wiederwahl — drängt die Parteiführung, gegenüber den politischen Interessen ihrer aktiven Helfer offen zu sein. Auf der lokalen Ebene können folglich vier spezifische politische Rollen unterschieden werden, für die jeweils unterschiedliche Adressaten des Basisbezugs in Frage kommen.

Das aktive Parteimitglied (ohne politisches Amt) ist innerhalb der Partei Hauptadressat des Mitgliederbasisbezugs der Parteifunktionsträger. Andererseits wird von ihm erwartet, daß es außerparteilich die Partei gegenüber dem Bürger vertritt (Wählerbasisbezug der Parteiaktivisten).

Die Funktionsträger in der institutionalisierten Parteiorganisation müssen sich zum einen um die Unterstützung der aktiven Parteimitglieder bemühen, da sie in der Wahrnehmung und Ausübung ihrer Ämter nicht zuletzt von der formalen Unterstützung in Abstimmungen auf Parteiversammlungen abhängig sind (Mitgliederbasisbezug der Partei-funktionsträger). Wie die aktiven Parteimitglieder stehen sie aber auch vor der Erwartung der Mandatsträger und Amtsinhaber in der kommunalen Selbstverwaltung, diese im Wählerbasisbezug zu unterstützen (Wählerbasisbezug der Parteifunktionsträger). Zum dritten müssen die an der innerparteilichen Willensbildung beteiligten Mandatsträger und Inhaber öffentlicher Wahlämter berücksichtigt werden, die einerseits gegenüber den aktiven Parteimitgliedern und Funktionsträgern in der Mitgliederorganisation ihre Politik in den öffentlichen Funktionen rechtfertigen müssen (Parteibasisbezug der kommunalen Mandatsträger und Amtsinhaber); andererseits sind sie auf die Unterstützung der Wähler angewiesen (Wählerbasisbezug der kommunalen Mandatsträger und Amtsinhaber).

Schließlich ist noch jener nicht geringe Anteil lokaler Akteure zu berücksichtigen, die sowohl Positionen in der lokalen Mitgliederorganisation als auch Mandate oder Ämter in den kommunalen Vertretungen wahrnehmen und die als Mehrbereichsakteure bezeichnet werden sollen. Ihr Anteil an der aktiven Parteimitgliedschaft gibt bereits eine erste Auskunft über den positionell vermittelten Basisbezug zwischen lokaler Mitgliederorganisation und kommunaler Ratsfraktion. Tabelle 1 gibt Aufschluß über die Positionsübernahmen in den verschiedenen Sektoren der Parteiorganisation.

Nach Tabelle 1 liegt der Anteil der Mehrbereichsakteure an der Aktivmitgliedschaft im Vergleich zu den anderen Akteursgruppen deutlich am höchsten, wenn auch bei der FDP verständlicherweise niedriger als bei den anderen Parteien. Für den Basisbezug in lokalen Parteiorganisationen folgt aus dieser Beobachtung, daß innerhalb der lokalen Gliederungen der Mitgliederorganisationen kommunale Amts-und Mandatsträger — sei es als Inhaber einer singulären Position oder als Mehrbereichsakteure — sehr stark repräsentiert sind (56, 6 Prozent). Mit anderen Worten: Die „Basisrückkopplung“ durch die „Kombination von Partei-undParlaments-bzw. Regierungsämtern“ ist auf der lokalen Ebene sehr eng, um nicht zu sagen dominant.

Für die nach typischen Positionen unterschiedenen vier Gruppen lokaler Parteiakteure werden nun anhand des vorliegenden Datenmaterials Aussagen über die eigene Wahrnehmung und Einschätzung bezüglich der Adressaten, Inhalte und Stile der Rechtfertigung politischen Handelns im Kontext des Basisbezugs gemacht.

1. Adressaten des Basisbezugs lokaler Parteiakteure

Die Rekonstruktion der Adressaten des Basisbezugs lokaler Parteiakteure stützt sich auf fünf Fragen, die auf einer Rangskala messen, als wessen Vertreter sie sich in erster Linie fühlen: als Vertreter ihres Ortsteils/Stadtteils/Wohnbezirks, als Vertreter ihrer Gemeinde bzw. Stadt, als Vertreter ihrer Region (Landkreis), als Vertreter ihrer Partei oder als Vertreter eigener Interessen bzw.der von Gleichgesinnten. Mittels einer Faktorenanalyse kann der durch die fünf Fragen aufgespannte Einstellungsraum auf zwei Dimensionen reduziert werden. Die erste Dimension beschreibt den Gegensatz zwischen der Vertretung der Gemeinde/Stadt versus der Repräsentanz spezifischer Interessengruppen. Die zweite Dimension macht deutlich, daß lokale Parteiakteure zwischen der Vertretung des Orts-bzw. Stadtteils und der Partei unterscheiden. Die vier Akteursgruppen unterscheiden sich nach ihren Positionen signifikant in der Beachtung einzelner Adressatengruppen (vgl. Tabelle 2). „Nur" -Mandatsträger und Mehrbereichsakteure definieren sich eher als Repräsentanten der Gemeinde bzw.der Gesamtbürgerschaft, einfache Parteimitglieder und Parteifunktionsträger geben eine stärkere Orientierung gegenüber Interessengruppen bzw.der Partei als Interessenverband an. Damit wird ein erster positionsabhängiger Unterschied im Basisbezug lokaler Parteiakteure deutlich.

2. Zum Repräsentationsstil lokaler Parteiakteure

Der Repräsentationsstil lokaler Parteiakteure wurde in der Befragung rekonstruiert, um Aufschluß über Dispositionen für bestimmte Rechtfertigungsstrategien zu gewinnen. Wiederum konnten mit einer Faktorenanalyse drei Dimensionen nachgewiesen werden, die den Rollenmerkmalen des Treuhänders, Delegierten und Politicos entsprechen (vgl. Tabelle 3).

Die Stimmenmaximierungstrategie wird am ehesten von Mehrbereichsakteuren verfolgt, also jenen, die in beiden Handlungsfeldem der Partei verankert sind. Am wenigsten wird sie von den „reinen“ Parteifunktionsträgem bzw.den „Nur“ -Mandatsträgern angenommen.

Parteifunktionsträger identifizieren sich am ehesten mit der Rolle des an Instruktionen gebundenen Delegierten, aber auch „Nur“ -Mandatsträger neigen dieser Rollenauffassung zu. Singuläre Positionsinhaber scheinen auf lokaler Ebene am ehesten bereit zu sein, die Vorstellungen ihrer jeweils unterschiedlichen Klientel zu übernehmen (Partei-funktionsträger als Delegierte von Interessengruppen; Mandatsinhaber als Delegierte ihrer Gemeinde). 3. Politische Interessenschwerpunkte lokaler Parteiakteure

Weiterhin kann anhand von Fragen zum ebenen-spezifischen politischen Interesse (vgl. Tabelle 4) nachgewiesen werden, daß Funktionsträger aus dem Bereich der institutionalisierten Parteiorganisation das stärkste bundespolitische Interesse aufweisen. kommunale Mandatsträger das geringste. Kommunale Mandatsträger und Amtsinhaber sowie Mehrbereichsakteure interessieren sich dagegen wie erwartet signifikant stärker für kommunal-politischeThemen. Neben dem bereits festgestellten personellen Übergewicht von Mandats-und Amtsinhabern aus dem kommunalen Bereich ist somit auch eine klare Einstellungs-und Interessen-diskrepanz zu den Parteiaktivisten und -funktionsträgem feststellbar. Die Mehrheit der lokalen Parteiakteure ist also nicht nur in der Kommunalpolitik aktiv, sie perzipiert auch überwiegend die lokale Wählerschaft als Hauptadressaten der politischen Rechtfertigung (Wählerbasisbezug) und hat deutliche Interessenschwerpunkte im kommunalpolitischen Bereich.

IV. Ergebnisse

Tabelle 4: Positionsspezifische Interessen-schwerpunkte lokaler Parteiakteure

Die dargestellten Ergebnisse zeigen, daß Parteiakteure aus dem Bereich der kommunalen Selbstverwaltung und Mitglieder der institutionalisierten Parteiorganisation klar voneinander unterscheidbare Adressaten-und Rechtfertigungspräferenzen im Kontext des Basisbezugs ausbilden.

Die positioneile Verankerung im kommunalpolitischen Handlungsfeld korrespondiert mit einer stärkeren Präferenz für die Gesamtbürgerschaft als Adressat des Basisbezugs, kommunalpolitischen Themen als inhaltlichem Bezug und der Präferenz für die Delegiertenrolle.

Aktive Mitglieder und Funktionsträger in der institutionalisierten Parteiorganisation sehen ihre Rolle dagegen eher als die eines Interessenvertreters mit größerer Aufmerksamkeit für bundespolitische Themen und parteiprogrammatische Grundsatzfragen sowie als eines an politische Verpflichtungen gebundenen Delegierten.

Bei Mehrbereichsakteuren — also Parteivertretern. die sowohl Positionen in der lokalen Parteiorganisation als auch im kommunalpolitischen Bereich besetzen — dominieren offenbar die Einstellungs-und Verhaltensmuster aus der kommunalpolitischen Arena sowie im Unterschied zu Einzelpositionsinhabern die Stimmenmaximierungsstrategie. Der Basisbezug ist also — mit eindeutigen positionellen Unterschieden auf der Individualebene — in lokalen Parteiorganisationen sehr stark von kommunalpolitischen Gesichtspunkten geprägt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. J. J. Hesse, Bürger und Parteien auf lokaler Ebene: Die Kommune als Ort der gesellschaftlichen und politischen Integration?, in: J. Raschke (Hrsg.). Bürger und Parteien. Ansichten und Analysen einer schwierigen Beziehung. Bonn 1982, S. 239.

  2. H. Fogt, Basisdemokratie oder Herrschaft der Aktivisten? Zum Parteiverständnis der Grünen, in: Politische Vierteljahresschrift. 25 (1984), S. 99. Fogt stellt diese Fragen zwar ausschließlich in bezug auf DIE GRÜNEN, doch auch für die anderen Parteien sind sie natürlich nicht beantwortet.

  3. Eine wesentlich umfangreichere Darstellung der Untersuchung, die über die hier behandelte Fragestellung hinaus auch die Abhängigkeit des Basisbezugs lokaler Partciakteure vom Wählerkontext zum Thema hat, ist nachzulesen in Andreas Engel, Wahlen und Parteien im lokalen Kontext. Eine vergleichende Untersuchung des Basisbezugs lokaler Partei-akteure in 24 nordhessischen Kreisparteiorganisationen von CDU, FDP und SPD, Frankfurt/M. u. a. 1988.

  4. R. Stöss, Einleitung: Struktur und Entwicklung des Parteiensystems der Bundesrepublik — Eine Theorie, in: ders. (Hrsg.). Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980. Bd. 1: AUD bis EFP. Opladen 1983. S. 27.

  5. Vgl. H. Schmollinger/R. Stöss, Sozialstruktur und Parteiensystem, in: D. Staritz (Hrsg.), Das Parteiensystem der Bundesrepublik. Geschichte — Entstehung — Entwicklung. Eine Einführung, Opladen 19802. S. 253.

  6. R. Stöss, Vorbemerkung, in: D. Staritz (Anm. 5). S. 13.

  7. O. Kirchheimer, Der Wandel des westeuropäischen Parteiensystems. in: Politische Vierteljahresschrift. 6 (1965),

  8. W. Hennis. Parteistruktur und Regierbarkeit. in: ders. /P. Graf Kielmannsegg/U. Matz (Hrsg.). Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung. Bd. 1. Stuttgart 1977. S. 181.

  9. Ebd.. S. 190.

  10. Ebd.. S. 188.

  11. Ebd., S. 192.

  12. Vgl. H. Kaack. Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems. Opladen 1971. S. 470— 482; K. v. Beyme. Parteien in westlichen Demokratien. München 1982. S. 231; W. Weeck, Funktionen und funktionelle Merkmale der politischen Parteien in der modernen Demokratie. Prolegomena zu einer Theorie des innerparteilichen Willensbildungsprozesses. Freiburg 1982. S. 120; N. Lammert, Aufgabengerechte Organisationsstrukturen in Kreisverbänden. Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer Reform der Parteiarbeit in der Großstadt, in: J. Klein/K. -J. Kierey/N. Lammert. Bürgemahe Organisation großstädtischer Parteien, Melle 1983, S. 25. 27, 50, 57.

  13. F. Ronneberger/J. Walchshöfer. Parteien als Kommunikationssysteme. in: O. W. Gabriel u. a. (Hrsg.). Struktur-Probleme des lokalen Parteiensystems. Bonn 1975. S. 121. 125. 132.

  14. Vgl. H. Kaack (Anm. 12). S. 477-479.

  15. Vgl. K. G. Troitzsch. Mitglieder und Wähler: Der demokratische Basisbezug, in: Politische Bildung. 2 (1981). S. 51.

  16. R. Münch. Politischer Partizipationsbedarf und politische Partizipationskrisen — Ursachen und Lösungsmöglichkeiten. in: L. Albertin/G. C. Bchrmann/O. W. Gabriel/R. Münch. Politische Beteiligung im repräsentativen System. Teil 1. Bonn 1979. S. 41.

  17. Ebd.. S. 4.

  18. E. Fraenkel. Deutschland und die westlichen Demokratien. Stuttgart u. a. 19735. S. 113.

  19. Eigene Übersetzung von H. F. Pitkin. The Concept of Representation. Berkley-Los Angeles 1967. S. 145.

  20. Zur generellen Unterscheidung zwischen konventionellen und unkonventionellen Formen der politischen Partizipation vgl. S. A. Bames/M. Kaase, Political Action. Mass Participation in Five Western Democracies, Beverly Hills-Lon-'don 1979.

  21. Vgl. H. Kaack, Parteiensystem und Legitimation des politischen Systems, in: ders. /U. Kaack (Hrsg.), Parteien-Jahrbuch 1975. Dokumentation und Analyse der Entwicklung des Parteiensystems der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1975, Meisenheim 1978, S. 358.

  22. Vgl. ebd.

  23. H. Reimann, Kommunikations-Systeme. Umrisse einer Soziologie der Vermittlungs-und Mitteilungsprozesse, Tübingen 19742, S. 130 f.

  24. W. Falke. Die Mitglieder der CDU. Eine empirische Studie zum Verhältnis von Mitglieder-und Organisationsstruktur der CDU 1971-1977, Berlin 1982, S. 184f.

  25. Vgl. ebd.. S. 185.

  26. M. Güllner/D. Marvick, Aktivisten in einer Parteihochburg: Zum Beispiel Dortmund, in: Transfer. Bd. 2. Wahlforschung: Sonden im politischen Markt. 1976. S. 128.

  27. Vgl. A. Engel (Anm. 3). S. 132-143.

  28. Vgl. ebd.. S. 140f.

  29. W. Hom/H. Kühr. Kandidaten im Wahlkampf. Kandidatenauslese. Wahlkampf und lokale Presse 1975 in Essen. Königstein 1978. S. 20.

  30. Vgl. K. Simon. Lokale Vereine — Schule der Demokratie? Zum Einfluß lokaler Freizeitvereinigungen auf die politische Beteiligung der Bürger in der Gemeinde, in: O. W. Gabriel (Hrsg.). Bürgcrbetciligung und kommunale Demokratie. München 1983, S. 261.

  31. Vgl. A. Engel (Anm. 3). S. 20.

  32. H. Eulau/J. Wahlke/W. Buchanan/L. C. Ferguson. The Role of the Rcprescntativc: Some Empirical Obscrvationson the Theory of Edmund Burke, in: H. Eulau/K. Prewitt. Labyrinths of Democracy: Adaptions. Linkages. Representation and Polities in Urban Politics. Indianapolis-New York 1973. S. 113f.

  33. Vgl. H. Uppcndahl. Repräsentation und Responsivität, Bausteine einer Theorie responsiver Demokratie, in: Zeitschrift für Parlamcntsfragen. 12 (1981). S. 123— 134.

  34. Vgl. A. Engel (Anm. 3). S. 128-132.

  35. A. Engel/K. G. Troitzsch, Wahlkampf in vier Wahlkreisen. Zur Analyse des Bundestagswahlkampfs 1980 auf lokaler Ebene, Koblenz 1983. S. 29.

  36. R. Roth/E. Wiesendahl. Strukturbesonderheiten politischer Parteien. Zur politischen Soziologie der Organisationswirklichkeit in Parteien, Bremen 1985. S. 6.

  37. F. J. Sorauf. Party Politics in America. Boston 1968. S. II.

  38. W. Falke (Anm. 24). S. 18.

  39. H. Kaack, Zur Struktur der politischen Führungselite in Parteien. Parlament und Regierung, in: H. Kaack/R. Roth. Handbuch des deutschen Parteiensystems, Bd. 1: Partei-strukturen und Legitimation des Parteiensystems. Opladen 1980. S. 205.

Weitere Inhalte

Andreas Engel, Dr. phil., geb. 1954; Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie an den Universitäten Köln und Bonn; seit 1988 wissenschaftlicher Angestellter im Anwendungsschwerpunkt Sozialwissenschaft des Diplom-Studiengangs Informatik an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Rheinland-Pfalz, Abteilung Koblenz. Veröffentlichungen u. a.: Wahlen und Parteien im lokalen Kontext. Eine vergleichende Untersuchung des Basisbezugs lokaler Parteiakteure in 24 nordhessischen Kreisparteiorganisationen von CDU, FDP und SPD, Frankfurt/M. u. a. 1988.