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Politische Kultur und politisches System in Griechenland | APuZ 51/1990 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 51/1990 Vom Ende der Diktaturen zum Binnenmarkt 1993. Griechenland, Portugal und Spanien auf dem Weg zurück nach Europa Spanien und Portugal zwischen Regime-Übergang und stabilisierter Demokratie Politische Kultur und politisches System in Griechenland

Politische Kultur und politisches System in Griechenland

Herbert R. Ganslandt

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Nach dem Sturz der PASOK-Regierung waren drei Parlamentswahlen erforderlich, um der Oppositionspartei NEA DIMOKRATIA für die Regierungsbildung eine knappe Mehrheit zu verschaffen. Angesichts der Finanzskandale, durch welche die moralische Integrität der alten Regierungspartei zutiefst erschüttert war, sind die von ihr dennoch erzielten Wahlergebnisse erklärungsbedürftig. Erklärungsbedürftig ist darüber hinaus das politische Verhalten in Griechenland ganz allgemein, das sich häufig westeuropäischen Beurteilungskriterien zu entziehen scheint. Der Beitrag versucht in einer Längsschnittskizze durch die Geschichte des neugriechischen Staates Determinanten der politischen Kultur nachzuspüren, durch die gegenwärtiges politisches Verhalten vermittelt wird. Hierbei wird insbesondere den Ursachen des bis heute nur unzureichend ausgebildeten abstrakten Institutionenverhältnisses nachgegangen. Die verzögerte Entwicklung des Staatsbegriffs wird mit dem Klientel-System in Verbindung gebracht, durch das eine nicht entwickelte agrarische Gesellschaft ihr von außen oktroyierte parlamentarische Institutionen Westeuropas verarbeitete, für die sie nicht reif war. Das Klientelsystem vermochte sich in verschiedenen Formen des Parteienklientelismus bis in die Gegenwart insbesondere deshalb zu erhalten, weil zwischen den konkurrierenden Parteien keine fundamentalen ökonomischen Interessengegensätze bestanden. Da der raschen Modernisierung des Landes keine entsprechende Industrialisierung folgte, entstanden hier nicht die für westeuropäische Parteien typischen Gegensätze zwischen einem produzierenden Bürgertum auf der einen und einer Arbeiterbewegung auf der anderen Seite. Der als Besitz verstandene Staat blieb bis in die sechziger Jahre hinein in den Händen einer relativ homogenen politischen Klasse. Erst 1974, nach der Diktaturperiode, entstand mit der bürgerlichen NEA DIMOKRATIA einerseits und der einer nur ihrem Programm nach sozialistischen, in Wirklichkeit sozialdemokratischen PASOK andererseits ein System alternierender Volksparteien mit relativ beständigen Lagern in der Wählerschaft.

Am 8. April dieses Jahres gelang es Konstantin Mitsotakis an der Spitze der konservativen „Neuen Demokratie“ (NEA DIMOKRATIA/ND) im dritten Anlauf die Wahlen zum griechischen Parlament zu gewinnen. Dreimal innerhalb von zehn Monaten waren die Bürger zu den Urnen gerufen worden, um die parlamentarischen Voraussetzungen einer Regierungsbildung zu schaffen, nachdem die Regierung Papandreou endlich durch ihren Rücktritt die Konsequenzen ziehen mußte. Sie war bis in die höchsten Spitzen des politischen Personals in eine endlose Folge von Finanz-Skandalen und Affären verwickelt, die durch die Presse Schicht um Schicht freigelegt worden waren. Sie reichten von Vorteils-annahme im Amt, Bestechung, Erpressung, Betrug zum Nachteil der EG und des griechischen Fiskus bis zu Strafvereitelung und eklatanten Verletzungen rechtsstaatlicher Garantien. Die Partei, die unter moralischen Vorzeichen angetreten war, hatte ihre Moral in zynischer Ausübung der Macht schnell verloren. Außerdem hatte sie enttäuscht: die Veränderung, die sie herbeiführen wollte, die „allaghi", war nicht eingetreten. Das alles war bekannt. Und trotzdem fiel es den griechischen Wählern auch in dieser Situation nicht leicht, sich für die bereitstehende parlamentarische Alternative zu entscheiden.

Zwar hatte die PASOK (Panhellenische Sozialistische Bewegung) in den vorgezogenen Wahlen vom 18. Juni 1989 eine Niederlage erlitten, mit 39, 1 Prozent der Stimmen aber eine so starke Position behalten, daß sie die Nea Dimokratia mit 44, 4 Prozent blockierte. Schließlich fanden sich, in Griechenland fast ein Wunder, die Linke (Kommunisten) und die Rechte (ND) bereit, zusammenzugehen. Das „unnatürliche“ Rechts-Links-Bündnis ermöglichte eine Übergangsregierung mit beschränktem Auftrag unter Tsannis Tsannetakis. Sie sollte Neuwahlen vorbereiten und die Durchführung parlamentarischer Untersuchungen der gegen die ehemalige Regierung erhobenen Vorwürfe sichern. Mitsotakis wollte sie als Grundlage eines Gerichts-verfahrens gegen Papandreou benutzen. Konstantin Karamanlis, vielfacher Ministerpräsident, ehemaliger und gegenwärtiger Präsident der Republik, warnte seinen Nachfolger aus tiefer Kenntnis der politischen Kultur des Landes vor einem solchen Schritt: „Einen Ministerpräsidenten schickt man nach Hause, man zieht ihn nicht vor Gericht.“ Im zweiten Urnengang am 5. November 1989 erreichte die PASOK 40, 7 Prozent der Stimmen und damit sogar wieder eine kleine, wichtige und signifikante Zunahme um 1, 6 Punkte. 40 Prozent aller Griechen, die zur Wahl gingen, stimmten in Kenntnis der Vorgänge für eine Partei, die nach den Maßstäben des rationalen Parlamentarismus in jeder Hinsicht versagt hatte. Die Oppositionspartei konnte leicht hinzugewinnen. Sie erreichte 46, 2 Prozent, mit denen sie jedoch auch nicht regieren konnte. Mitsotakis, der Papandreou öffentlich alle Ehre abgesprochen hatte, nahm mit ihm am Allparteien-Koalitionstisch Platz. Das Linksbündnis, das von der Koskotas-Affäre völlig unberührt war, ging mit 10, 9 Prozent als Verlierer aus der November-Wahl hervor. Seine Wähler honorierten nicht, daß sich die Partei in einer Situation des staatlichen Notstandes staatstragend verhalten hatte.

Erst im dritten Wahlgang am 8. April 1990 gab der griechische Wähler der Nea Dimokratia schließlich die Chance zu regieren. Sie erzielte 46, 9 Prozent der Stimmen, die Pasok aber immerhin noch 38, 6 Prozent; das Linksbündnis blieb mit 10, 2 Prozent in seinem Rahmen.

Die Regierung steht mit einer absoluten Mehrheit von einer Stimme im Parlament vor unlösbaren Aufgaben. Schon im Wahlkampf hatte Mitsotakis den Griechen nur harte Zeiten in Aussicht gestellt, die Abschaffung von Privilegien angekündigt und seine Landsleute aufgefordert, für weniger Geld mehr zu arbeiten. Papandreou kannte das Dilemma, in das sein Gegenspieler durch den Wahlsieg geraten mußte. Angesichts eines faktischen Staatsbankrotts, den er selber wesentlich herbeigeführt hatte, versprach er im Wahlkampf die Erhöhung der Renten. Unmittelbar nach seiner Wahl-niederlage kündigte er an, die notwendig unpopulären Maßnahmen der neuen Regierung zur Sanierung des Haushalts als politischen Hebel zu benutzen und die Regierung durch „außerparlamentarische“ Opposition zu destabilisieren. Die das Land lähmenden Septemberstreiks im öffentlichen Dienst, die von der Regierung als politische Streiks betrachtet wurden, scheinen allerdings nicht die beabsichtigte Wirkung gehabt zu haben: Sie wurden erfolglos abgebrochen. Hingegen gewann die konservative Partei die für sie traditionell schwierigen Kommunalwahlen.

Die Regierung wurde durch die Streiks nicht destabilisiert. sie ging sogar gestärkt aus ihnen hervor. Aber das wird ihr angesichts der gigantischen Pro-B bleme des Landes wenig nützen. Die Pasok, die trotz aller Skandale 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte, weiß, daß die politischen Lager in Griechenland wieder ziemlich fest sind, daß alte Mechanismen der politischen Kultur des Landes noch immer funktionieren.

I. Determinanten der politischen Kultur Griechenlands

Tabelle: Ergebnis der Wahlen von 1977, 1981, 1985 (in Prozent)

1. Topographische Faktoren des Landes und deren Einflüsse Die Natur hat die gesellschaftliche Entwicklung Griechenlands nicht begünstigt. Ein Blick auf die Landkarte zeigt dies: Im Westen des insgesamt gebirgigen Landes zieht sich das dinarisch-hellenische Gebirge mit mehreren parallelen Ketten nach Süden und Abzweigungen nach Osten. Es erreicht im Norden wie im Süden Höhen von 2 500 m. Der Osten Griechenlands, Teile des östlichen Nord-und Mittelgriechenlands ebenso wie die meisten ägäischen Inseln werden von Gebirgsmassen eingenommen. Das Landschaftsbild wird durch Bruchbildungen charakterisiert. Im Inneren des Landes finden sich zahlreiche von Bergen umgebene Becken.

Griechenland war zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der Zeit seines Freiheitskampfes, kein europäisches Land mehr. Als von Italien ausgehend die Renaissance sich durchsetzte, wurde das Land von den dort einsetzenden sozialen, ökonomischen, politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklungen abgeschnitten, die den geographischen Raum Europa in einem Prozeß ständiger Auseinandersetzung mit anderen zu einem zivilisatorischen Begriff machten. An der entstehenden Neuzeit hatte Griechenland lange keinen Teil. Die bis vor kurzem insgesamt eher patriotische als. wissenschaftliche griechische Geschichtsschreibung hat die türkische Herrschaft häufig zu schwarz gemalt. Die Griechen besaßen nicht nur im Kirchenregiment, sondern auch in weltlichen Angelegenheiten eine durch Strukturen lokaler Selbstverwaltung ausgeübte relative Autonomie. Obwohl den Nicht-Muslims im osmanischen Reich in der Millet-Verfassung gewisse Rahmenbedingungen zur Bewahrung der religiösen, sprachlichen und kulturellen Identität gewährt wurden, wirkte die türkische Herrschaft langfristig in die Richtung eines sozialen Rückschritts. Ein Symptom dafür ist die in Griechenland bis in die Gegenwart spürbare Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen für die lebens-und arbeitsweltlichen Beziehungsgefüge Ihre allmähliche Überlagerung durch korporative Organisationsformen mit abstrakten Zielen in westlichen Ländern war dort ein Merkmal des Prozesses der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung. In Griechenland haben sich korporative Formen der Interessenaggregation spät und nur unzureichend entwickelt. Die Ursache dafür liegt in den Determinanten der politischen Kultur des Landes.

Die Topographie des Landes stellte eine Beschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten seiner Bewohner dar. Sie erschwerte auch der türkischen Fremdherrschaft die Kontrolle über die ihr unzugängliche Bergwelt. Die Berggemeinden, die Gemeinden in den von Gebirgen eingeschlossenen Tälern und die der vielen vom Meer umgebenen Inseln haben eigenständige Lebensräume geformt sowie eigene kleine Einheiten gebildet, in denen familiale und landsmannschaftliche Bindungen entstanden, die der gemeinsamen Nationalität vorgehen und starke Selektionskriterien bilden. Das natürliche Auf-sich-Bezogen-Sein wurde durch ein historisch bedingtes Auf-einander-Angewiesen-Sein ergänzt und verstärkt. Physische und sozioökonomische Fragmentierung zwischen den Hirtengesellschaften in den Bergen und den Bewohnern der Ebenen verstärkten lokale Bindungen im Inneren und Mißtrauen nach außen. Die angedrohte oder die angewendete Gewalt war weithin Bestandteil des aktiven Lebens wie des passiven Erlebens.

Der ständigen Gegenwart von Gewalt verdankten auch die „Armatolen" ihre sonderbare Existenz als legitimierte Banden christlicher Freischärler in türkischen Diensten Sie erhielten Amnestie und Freiheit, damit sie andere Räuber und Diebe (die Klephten der Berge), von Städten, Dörfern und wichtigen Pässen des ihnen anvertrauten Bezirks (Armatoh'ki) fernhielten. Die prekäre Gleichgewichtsbeziehung zwischen Armatolen und Klephten darf nicht als Lokalkolorit des westgriechischen Gebirgssystems betrachtet werden, vielmehr stellten diese beiden kriegerischen Sozialgruppen, zwischen denen der Übergang fließend war, bis zur staatlichen Unabhängigkeit Griechenlands einen integralen Bestandteil des türkisch-griechischen Sicherheitssystems in dieser Region dar. Die Anführerschaft wurde in bestimmten lokalen Familien sogar erblich. Auf der einen Seite durch ihre militärische Macht eine ständige Herausforderung der unsichtbaren Zentralgewalt, waren sie auf der anderen Seite durch ihre an die Erhaltung des sozioökonomischen Status der Unsicherheit gebundene Interessenlage ein Ordnungs-und Stabilisationsfaktor. Es ist nur folgerichtig, daß die Kapetani (Freiheitskämpfer) in den Unabhängigkeitskämpfen ihre früheren Amtsbezirke, sobald sie diese Türken entrissen hatten, als rechtmäßig eroberten Besitz betrachteten

Die Existenz dieser parastaatlichen militärischen Gewalt war nur möglich unter den Bedingungen topographischer und sozialer Fragmentierung in einer Region, die unter einer Fremdherrschaft mit flachen Hierarchien und ohne eigenen Verwaltungsunterbau im Zustand weitgehender Gesetzlosigkeit verblieb. Das außerstaatliche, aber staatlich manipulierte Elemente bewaffneter Banden blieb bestehen. Kontrollierte Gesetzlosigkeit behielt auch im neugriechischen Staat, zu Lasten der ländlichen Bevölkerung, noch lange Zeit ihre systemstabilisierende Funktion. Vor allem belastete sie die Ausbildung eines positiven Staatsbegriffs in der politischen Kultur des Landes. Kanalisierungsfunktion ähnlicher Art gegenüber gefährlichen sozialen Unruhen übernahm auch der dem Bandentum verwandte Irredentismus, der im griechischen Staat eine lange, unheilvolle Geschichte hat. 2. Die soziokulturelle Befindlichkeit bei Entstehung des neugriechischen Staates Eine der schwierigsten und letztlich nicht bewältigten Aufgaben des neuen Staates nach Erringung der Unabhängigkeit bestand darin, der Staatsgewalt in einer Bevölkerung Akzeptanz zu verschaffen, die Staatsgewalt bisher nur als Fremdherrschaft gekannt hatte. Ihr gegenüber hatte kein durch Leistung vermitteltes Vertrauensverhältnis entstehen können. Der Staat wurde als Feind betrachtet, gegen den jedes Mittel erlaubt war: Gewalt, Betrug und List. Auch gegenüber dem neuen, eigenen griechischen Staat, der außerstande war, die alten, Unsicherheit schaffenden Strukturen zu zerstören und sich in ihnen mit seinen aus Westeuropa übernommenen modernen Institutionen arrangierte, konnte deshalb nur schwerlich Vertrauen entstehen. Loyalitäten behielten personalistischen Charakter und beruhten weiterhin auf kurzfristiger, individueller, egoistischer Interessenverfolgung.

Wo die Bevölkerungen in den sich entwickelnden westeuropäischen Ländern noch unter der absolutistischen Verwaltung die Erfahrung regelhaften Verfahrens einer hierarchisch gegliederten Bürokratie machten und im Mißbrauch die Abweichung vom Prinzip sahen, bot die auf Gewohnheitsrecht beruhende Selbstverwaltung auf sich selbst gestellter griechischer Gemeinden nur unzureichend Schutz vor Willkür und Übergriff. Diese unberechenbare Umwelt mußte vom Griechen als unsicher wahrgenommen werden. Er wappnete sich gegen sie: Es ist kein Zufall, daß weit bis in das 19. Jahr-hundert hinein die Waffe Bestandteil der Kleidung des griechischen Mannes blieb. Auch danach behielt er, für die Ausbildung der politischen Kultur prägend, die unsichtbare Waffe eines dem Fremden mißtrauisch gegenübertretenden Individualismus als Folge eines Syndroms verinnerlichter Unsicherheiten. Diese aus vielen Faktoren resultierende Verunsicherung ließ jene Verhaltensweisen entstehen, die von europäischen Reisenden im 18. Jahrhundert wahrgenommen und zutreffend beschrieben wurden. In seiner „Geschichte Griechenlands“ kommt George Finlay dem komplexen Entstehungszusammenhang dieses Verhaltens nahe: „Wahrheit und Ehrlichkeit standen dem Erwerb von Besitz im Wege; Falschheit und Täuschung waren zur Gewohnheit geworden, die von Fremden meist als Nationalcharakter und nicht als individuelle Eigenschaften betrachtet wurden.“ Es handelt sich, wie Finlay zu Recht feststellte, nicht um griechische Eigenschaften, sondern um Verhaltensweisen, wie sie als Überlebensstrategien für Gesellschaften typisch sind, die über lange Zeit im Zustand staatlicher, rechtlicher und ökonomischer Unsicherheit leben.

Die Internalisierung dieser Überlebensbedingungen in einer prinzipiell als gefährlich betrachteten Umwelt gehörte lange Zeit zur Sozialisation des Griechen. Sie hat den für modernes Staatsbewußtsein konstitutiven Lernprozeß eines allmählich wachsenden Verständnisses abstrakter Institutionen in Griechenland erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Politisches Verhalten wird bis in die Gegenwart durch diese Faktoren geprägt, auch wenn die Verbindungen nicht mehr so offensichtlich sind, wie noch vor einigen Jahrzehnten.

Mehr als eine „verspätete Nation“ ist Griechenland eine verspätete Gesellschaft. Das Land läßt sich schon bei der Entstehung des neugriechischen Staates vor 170 Jahren durch eine fast alle Bereiche und Ebenen des öffentlichen und des zivilen Lebens kennzeichnende Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen beschreiben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden politische Institutionen eingeführt, die das Land in dieser Hinsicht den entwickelten westeuropäischen Staaten gleichstellten. In wirtschaftlicher Hinsicht kann es noch heute als Entwicklungsland gelten. In der Literatur wird immer wieder und zu Recht darauf hingewiesen, daß die für Entwicklungsländer typische Asymmetrie zwischen rascher Modernisierung und verspäteter Industrialisierung auch für Griechenland gilt Als Modernisierung wird hier der Veränderungsprozeß verstanden, durch welchen ein unentwickeltes Land sich die institutionellen, ideologischen, kulturellen und zivilisatorischen Errungenschaften industriell entwickelter Länder aneignet. Sofern es einem solchen Land nicht gelingt, sich gleichzeitig auch industriell hinreichend zu entwickeln, verstetigt und vertieft der Modernisierungsprozeß den Gegensatz zwischen Form und Substanz im Inneren des Landes und dessen Abhängigkeit von den industrialisierten Zentren. 3. Die Entstehung des Klientelismus im alten Parteiensystem In einer Beziehung veränderte nach Erringung der Unabhängigkeit der Absolutismus des Wittelsbacher Staates die Situation in den vielen kleinen, auf sich bezogenen, sich selbst verwaltenden Einheiten aufden Bergen, in den Tälern, in der Ebene und auf den Inseln: Die Verbindung mit der neuen Hauptstadt wurde plötzlich lebenswichtig. In Athen, das auch nur ein Dorf gewesen war, saß plötzlich der Staat, und von Anfang an ein sehr zentralistischer Staat. Hier wurde über die Staatsfinanzen entschieden, hier wurden die Gesetze beschlossen und hier wurde verwaltet.

Die kleinen Einheiten, die unter der Türkenherrschaft eine bescheidene Autonomie und Autarkie gekannt hatten, sahen sich plötzlich genötigt, Beziehungen zur Zentralmacht anzuknüpfen — zu einer Macht, die weit entfernt und fremd war, der man mißtraute und deren Sprache man nicht sprach. Zwangsläufig mußte sich die in hohem Maße immobile, analphabetische Bauern-und Hirtengesellschaft der Hilfe von Mittlern bedienen Und diese Mittler standen in Gestalt der Primaten (der lokalen Notablen) bereit, deren Situation sich ebenfalls verändert hatte. Ihre traditionelle Machtposition in der Region konnten sie nur dadurch langfristig sichern, daß sie eine für die Bevölkerung wichtige, von ihr selbst nicht zu leistende neue Funktion übernahmen. Die Struktur, in der das für beide Seiten vorteilhafte Austauschverhältnis zwischen dem Klienten auf dem Land und dem Patron in der Stadt stattfand, war durch die Asynchronie zwischen dem modernen parlamentarischen Institut des allgemeinen Männerstimmrechts und einer un-differenzierten, analphabetischen bäuerlichen Gesellschaft vorgegeben. In der am Wahltag abgerufenen politischen Unterstützung zeigte sich die Fähigkeit des Patrons, den Staat für die Bedürfnisse seiner Klientel zu nutzen. In dieser Perspektive mußte der Staat dem Klienten zwangsläufig als die Beute des Siegers erscheinen. Um so mehr dem Griechen, der den Staat bisher nur als feindliche Fremdherrschaft gekannt hatte.

In den entwickelten Staaten Europas hatte es eine funktionierende staatliche Verwaltung gegeben, ehe das durch Parteien im Parlament vertretene Bürgertum die Gesetzgebungsgewalt für sich beanspruchte. In der Hand des Königtums war die Verwaltung im wesentlichen nur dessen Einfluß ausgesetzt gewesen. Die lange Verwaltungstradition mit ihren gewachsenen Strukturen hatte nicht zuletzt durch die Regölhaftigkeit des Verfahrens zu einer gewissen, auch vom Parlament zu respektierenden Unabhängigkeit der Verwaltung gegenüber Willküreinflüssen von außen geführt. Diese Unabhängigkeit erzeugte ihrerseits einen gewissen Vertrauensvorschuß hinsichtlich der Unparteilichkeit des Verwaltungshandelns auf Seiten der Gewaltunterworfenen — ein für die Ausbildung abstrakten Staatsbewußtseins in der politischen Kultur wichtiger Faktor. Anders in Griechenland, wo die Verwaltung mit dem Parlament zugleich entstand. Hier konnten Abgeordneten-Patrone, deren politische Stärke vom Umfang ihrer Klientel und damit von ihrer Durchsetzungsfähigkeit klientelischer Interessen abhing, eine noch formbare Verwaltung instrumentalisieren. Eine Folge im Bereich der Gesetzes-ausführung war, daß Durchführungsverordnungen, Ausführungsbestimmungen und verwaltungsinterne Anweisungen als Mittel einer — im partikularen Interesse erfolgenden — Interpretation auslegungsfähiger Gesetzesbestimmungen eingesetzt wurden. Diese Praxis verstärkte bei den Norm-adressaten die bereits vorhandene Auffassung, daß Gesetze durch den Einsatz von Beziehungen umgangen werden können; im Beamtenapparat schwächte sie die Bereitschaft, Entscheidungen ohne Rückversicherung bei Vorgesetzten zu treffen. Da sogar die Rekrutierungsmuster im öffentlichen Dienst bis in die Gegenwart durch klientelisehe Einflußnahme geprägt sind, ergriff die personalistische Betrachtungsweise des Staates auch die Verwaltung.

Das waren die Rahmenbedingungen für den bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts insgesamt erfolgreich verteidigten Besitz der politischen Macht in den Händen einer kleinen, geschlossenen Oligarchie sogenannter „politischer Familien“ (ta megäla tsäkia). Hier bereits spielte das „Besitzdenken“ hinsichtlich des Staates eine große Rolle, das bis in die Gegenwart das Verhältnis der jeweils Herrschenden zur Macht bestimmt. Da der Staat vereinnahmt, besetzt und durchdrungen wird, wirft der Übergang der Macht auf die andere Seite erhebliche Probleme auf. Dieser Zusammenhang könnte die Überreaktion des politischen Systems auf tatsächliche oder vermeintliche Veränderungen erklären, die seinen Bestand bedrohen

Anders als in den ökonomisch entwickelten Ländern, wo relativ homogene ökonomische Interessen die organisatorischen und ideologischen Vorausset-zungen für die Entstehung antagonistischer Parteien bildeten, fehlten in der noch undifferenzierten vorkapitalistischen Agrargesellschaft Griechenlands größere organisierbare soziale Gruppen. Die Berücksichtigung partikularer, heterogener Interessen, die selten verallgemeinerungsfähigen Charakter besaßen, erfolgte durch das Klientelsystem. Im Parlament standen sich infolgedessen nicht Programmparteien gegenüber, sondern Parteiführer, hinter denen jeweils temporäre Zusammenschlüsse von Patronen standen. Ziel des politischen Kampfes war der mit der Regierungsgewalt verbundene Zugang zu den Ressourcen des Staates. Dazu gehörten vor allem Stellen im öffentlichen Dienst, die in Griechenland angesichts ausbleibender Industrialisierung lange Zeit eine der wenigen Möglichkeiten sozialen Aufstiegs boten. Das Spoils-System (öffentlicher Dienst als „Siegerbeute“) — das 1910 offiziell abgeschafft, in wechselnden Formen faktisch aber weitgehend erhalten wurde — entsprach der klientelischen Interessenlage. Die Aufblähung des Staatsapparats bereits in dieser Periode war die Folge einer unproduktiven Arbeitsbeschaffungspolitik, aber auch die notwendige Folge des Widerspruchs zwischen den geborgten modernen parlamentarischen Formen des politischen Systems und einem vor-modernen Zustand der Gesellschaft. Der große griechische Politiker Charilaos Trikoupis machte schon 1874 in einem berühmten Zeitungsartikel unter dem Titel „Wer ist schuld?“ die Parteiführer, denen er Korruption vorwarf, für das Versagen des Parlamentarismus in Griechenland verantwortlich Er wollte das alte Parteiensystem, den Paleokomatismös, durch ein westeuropäischem Muster entsprechendes neues ersetzen. Er übersah dabei jedoch, daß in Griechenland die ökonomischen und sozialen Voraussetzungen für ein modernes Parteiensystem fehlten, und scheiterte mit seiner „Modernisierungspartei", für die er keine Wählerbasis zu finden vermochte. Der Modernisierung in Griechenland war keine Industrialisierung vorausgegangen.

II. Formveränderungen in den Strukturen politischer Organisation

1. Ein antagonistisches Parteiensystem ohne fundamentalen ökonomischen Interessengegensatz der Parteien Nach 1880 setzte eine rasche ökonomische Entwicklung ein. Sie hatte zwar keine weitreichende Industrialisierung zur Folge, aber die politische Szene veränderte sich. Es entstand eine bürgerliche Mittelschicht liberaler Orientierung, die sich auch politisch umorganisierte. Ihr gelang es im Laufe der ersten zehn Jahre des neuen Jahrhunderts, das politische Monopol der großen Familien aufzubrechen, die in den Formen des kompetitiven Parlamentarismus faktisch eine Herrschaft ohne Alternative ausgeübt hatten Der politische Diskurs nahm allgemeineren Charakter an; er beschränkte sich nicht mehr nur auf klientelische Bedürfnisse, ohne daß jedoch der Klientelismus deswegen verschwunden wäre. Er hörte auf, formbestimmend zu sein und wurde verdeckt durch den Kampf zwischen der politischen Rechten in der monarchistischen Volkspartei und der neu entstandenen republikanischen Liberalen Partei unter Führung von Venizelos. Das moderne Aussehen der beiden großen politischen Parteien täuschte allerdings. Gleiches traf auf die entstehende Kommunistische Partei Griechenlands zu, die als programmatische, ideologisch orientierte und straff organisierte Partei die einzige „moderne“ Partei schien, tatsächlich jedoch als von einer kleinen intellektuellen Gruppe gegründete Organisation ohne jeden Bezug zu einer möglichen Basis war. Hinzu kam, daß es angesichts der griechischen Verhältnisse unwahrscheinlich war, daß die „objektive Klassenlage“ von der zahlenmäßig kleinen Arbeiterschaft je als „subjektive Klassenlage“ würde begriffen werden können.

Die Anbindung und Einbindung des städtischen Lohnarbeiters in großfamiliale Netzwerke war viel zu groß, um ihn in breitem Umfang politisch-ideologisch ansprechbar zu machen. Er hatte — und dies gilt bis in die Gegenwart — die direkte Verbindung zum Land und zum ländlichen Leben nie verloren. Die Entwurzelung des aus seiner ländlichen Umwelt vertriebenen Großstadtarbeiters war in den westlichen Industrienationen ein wichtiger Grund für dessen Suche nach Geborgenheit in den alle Lebensbereiche abdeckenden Parteimaschinen. Erst später und aus anderen Gründen wird die Kommunistische Partei in Griechenland erstarken. Die weiterbestehenden Verbindungen zum Land — wohin die Städter nicht nur zu den großen Festen, sondern gezwungenermaßen auch zur Wahl zurückkehren — , stabilisierte die bestehenden Verhältnisse in beiden Richtungen. Sie ermöglichte auf der einen Seite eine Eingewöhnung in das städtische Leben, das nicht als schicksalshafter Bruch empfunden wurde, und schloß das Land durch die in den Ballungszentren lebenden, aber regelmäßig zurückkehrenden Familienmitglieder an die sich dort rasch vollziehende Modernisierung an. In dieser Beziehung war Athen bereits im 19. Jahrhundert eine moderne Hauptstadt. Den Parteien in Griechenland fehlten organisationsfähige ökonomische Interessen im Sinne von Klasseninteressen, die in den ökonomisch entwickelten Ländern Europas zur selben Zeit nicht nur die politische Auseinandersetzung bestimmten, sondern, was viel wichtiger war, den Formierungsprozeß der Weltanschauungsparteien vorantrieben. Aus den programmatischen, sich ideologisch begründenden Verteilungskämpfen großer, in Parteien organisierter sozialer Gruppen erwuchs in den ökonomisch entwickelte-ren Ländern ein vom Parteiführer unabhängiges, abstraktes Parteienverständnis. An ihre Stelle trat im Parteiensystem Griechenlands die Auseinandersetzung um nationale Fragen. Der Irredentismus, das mit der „Megäli Idea“ verfolgte Ziel eines Groß-Griechenlands und später die Frage nach der Staatsform waren die vorherrschenden Themen.

Die Politik wurde nicht weniger personalistisch, nur weil sie allgemeiner wurde. Immer noch waren es Parteiführer, die Parteien schufen. Durch charismatische, patriarchalische und autoritäre Führer stiegen Parteien auf, mit ihnen stiegen sie ab und verschwanden. Aber hinter den fusionierenden, sich spaltenden, neugegründeten oder verschwindenden Parteien entstanden in dieser Zeit größere, stabile politische Gruppierungen, die sich im Prozeß des Parteienwandels erhielten. Aus ihnen entwickelten sich die politischen Lager der Rechten, des Zentrums und der Linken. Damit hatte sich der Rahmen, in dem Parteiführer Politik machten, gegenüber dem alten Parteisystem entscheidend geändert. Unter dem Regime des Paleokomatismös, der alten politischen Familien, besaß das politische System gegenüber der Gesellschaft, und der einzelne Politiker gegenüber seiner Partei, erhebliche Autonomie. Fehlende Programmatik erleichterte wechselnde Koalitionen, und nicht selten wechselten Politiker mitsamt ihrer persönlichen Klientel die Partei. Unter dem neuen, als Folge der Ausbildung politischer Gruppierungen zentralisierten Klientelismus wurde der Parteiführer auf nationaler Ebene stärker und zugleich unabhängiger vom Kreis seiner Patrone mit traditioneller Klientel Seine politischen Führereigenschaften verschafften ihm, besonders in der städtischen Bevölkerung, eine eigene Gefolgschaft, deren klientelische Erwartungshaltung sich zumindest tendenziell weniger auf seine Person und mehr auf die Partei und den Staat richteten. Dadurch erhielt das personalistisch-populistische Moment als Ausdruck einer vom lokalen Patron auf den nationalen Führer übertragenen emotionalen und affektiven Bindung eine Bedeu-tung für die Gewinnung politischer Unterstützung, die auch weiterhin zunehmen wird. 2. Vom Klientelismus der lokalen Patrone zur Patronage-Partei nationaler Führer Das Netz der lokal verorteten klientelischen Beziehungen war mit Ausweitung und Ausdifferenzierung der Staatsaufgaben größer und dichter geworden. Der Kreis der lokalen Notablen hatte sich erweitert. In den Hauptorten gab es jetzt Ärzte, Notare, Rechtsanwälte und Lehrer, vor allem auch die Staatsbeamten aus den örtlichen Dienststellen, die als politische Meinungsführer und als parteipolitische Mittler zur Verfügung standen. Der alte Klientelismus hatte seine Form geändert, er orientierte sich stärker parteilich Aber das bedeutete keineswegs, daß die beiden großen, sich in die Regierung teilenden Parteien Griechenlands — die konservative Volkspartei und spätere Nationalradikale Union auf der Rechten und die Zentrums-Union als Nachfolgerin der liberalen Venizelos-Partei — deshalb aufgehört hätten, Patronage-Parteien zu sein. Das gilt für die Periode zwischen den Weltkriegen, die mit der Metaxas-Diktatur endete, ebenso wie für die zwischen dem Bürgerkrieg und der Diktatur der Obristen. Auch sie bildeten eine Art Machtkartell, nicht so hermetisch wie das der megäla tsäkia, aber mit verhältnismäßig geringem Personalaustausch. Und noch eine Eigenschaft des alten Systems hat sich in dem nur scheinbar alternierenden neuen System erhalten: die Furcht, die Macht könne an eine Partei außerhalb dieses Kartells verloren gehen.

Diese Furcht galt nach dem zweiten Weltkrieg der Kommunistischen Partei Griechenlands, der einzigen Partei, die sich im Jahre 1936 der Metaxas-Diktatur widersetzt hatte. Kommunisten hatten sich auch als erste im Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht organisiert. Die Partei war gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen und während der Besatzungszeit in Griechenland präsent gewesen, während die übrigen Parteien im Exil in Kairo den Kontakt zur griechischen Realität verloren hatten. Angesichts einer in zwei Machtblöcke zerfallenden Welt war die Furcht, die Macht in Griechenland könne den Kommunisten zufallen, nicht nur berechtigt, sondern auch begründet. Aus dieser Situation entstand der tragische, bis heute nicht vergessene und in jeder seiner drei Runden grausame Bürgerkrieg, der Griechenland, mit politischen Folgen bis über die Diktaturperiode hinaus, in zwei Lager spaltete: Auf der einen Seite befand sich ein erneuertes Macht-Kartell aus der Vorkriegsperiode, bestehend aus der politischen Rechten, der Nationalradikalen Union (ERE), und der politischen Mitte, der Zentrums-Union mit den dahinter stehenden politischen Gruppierungen. Auf der anderen Seite stand eine durch die Regierungen verfolgte, bespitzelte und in ihrer politischen Betätigung behinderte Linke, die sich nach dem Verbot der Kommunistischen Partei in der EDA, der Einheitlichen Demokratischen Linken, eine vorläufige politische Vertretung schuf.

Soweit mußte die politische Geschichte nacherzählt werden, um deutlich zu machen, daß die Struktur des Parteiensystems unverändert geblieben war. Die Veränderung bestand darin, daß das nach Kriegsende wieder regierende Machtkartell die politische Linke ausgrenzte, nachdem der Bürgerkrieg gegen die Kommunisten gewonnen und in einem weißen Terror nach alttestamentarischer Art Rache für die von Kommunisten begangenen Grausamkeiten geübt worden war. Das Machtkartell versuchte nicht, das Verhältnis zur politischen Linken des Landes zu normalisieren. Alle Regierungen gaben sich für Verfolgungen her, die bis in die sechziger Jahre andauerten und sich unter Anwendung rechtsstaatlich zweifelhafter Mittel gegen alles, was links war oder schien, richteten. Dieser rigorose Antikommunismus war verständlich, solange eine kommunistische Gefahr tatsächlich angenommen werden konnte. Das war in den sechziger Jahren aber schon lange nicht mehr der Fall — der Ausschluß der Linken wurde zur Strategie des Machterhalts. Das regierende Kartell hatte sich daran gewöhnt, mit Sondergesetzgebung, Nebenverfassung und polizeistaatlichen Mitteln seine Macht zu sichern. Über ein Jahrzehnt gab es zu den Regierungen des Kartells faktisch wieder keine Alternative.

III. Die parastaatlichen Machtzentren Hof und Militär

Die Kennedy-Ära brachte Bewegung in die politische Szene Griechenlands. Mit dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg war eine neue urbane Mittel-schicht entstanden, die dem patriarchalischen Stil der Politik entwachsen war und stärker an einem politischen Prozeß auf nationaler Ebene beteiligt sein wollte. Das Machtkartell verschob sich leicht zur linken Mitte. Die Liberalisierungspolitik der Regierung Georgios Papandreou (Zentrums-Union), der in vielen Reden große Erwartungen weckte, bestärkte sie in ihrer Forderung. Auch die Linke faßte wieder Mut. Andreas Papandreou, Minister im Kabinett seines Vaters, versuchte, eine wachsende linksliberale Strömung zu organisieren und politisch nutzbar zu machen. Sein Vater warnte davor, zu weit nach links zu gehen. In der Tat drohte Gefahr aus zwei Richtungen: aus dem Machtkartell der regierenden Parteien einerseits und aus den beiden in Griechenland traditionell verbundenen parastaatlichen Machtzentren Hof und Militär andererseits. In deren Sicht war das, was auf der linken Seite des politischen Spektrums geschah, gefährlich. Die Rechte und die rechte Mitte sahen das Kartell und damit den Besitz der Macht in Gefahr. Das Militär sah aus mehreren Gründen seinen starken politischen Einfluß schon des längeren gefährdet: Die Periode des west-östlichen Tauwetters hatte die Bedeutung des Militärs als Ordnungsgarant im Inneren und Beschützer des Staates bei Gefahr von außen drastisch verringert. Das zeigte Folgen für die materielle Situation der Militärs sowie für ihren sozialen Status in der Gesellschaft. Das Parlament andererseits war in den letzten Jahren selbstbewußter und unabhängiger geworden. Karamanlis (ERE), bei Antritt der Ministerpräsidentenschaft seiner ersten Ära im Jahre 1955 eine unbedeutende Figur des Hofes, hatte im Laufe einer achtjährigen Regierungszeit den Einfluß von Hof und Militär zurückgedrängt und das Parlament gestärkt. Er wurde gefährlich und von König Paul 1963 unter einem Vorwand zum Rücktritt gezwungen. Auch in Georgios Papandreou täuschte sich der Hof. Nach Karamanlis arbeitete er ebenfalls in diese Richtung. In den Parlamentswahlen von 1964, den letzten vor dem Putsch der Obristen, hatte er 52, 7 Prozent der Stimmen (und damit eine starke Position) erlangt.

Der neue König, Konstantin II., folgte der Interventionspraxis seines Vaters und benutzte ein verfassungsrechtlich zweifelhaftes Mitspracherecht bei der Ernennung des Verteidigungsministers, um durch einen erzwungenen Rücktritt den Ministerpräsidenten daran zu hindern, die Entpolitisierung des Militärs durchzusetzen Wieder wurde der Staat als Besitz betrachtet. Unter diesem Aspekt war die vermeintliche Gefährdung des Staates durch die Linke gleichzeitig die Legitimierung der Besitzverteidigung mit allen Mitteln.

Die politische Entwicklung mündete in eine Destabilisierung der Demokratie. Die konservative Nationalradikale Union nahm den Antrag des Königs zur Regierungsbildung an. Aber auch einige Abgeordnete aus der Zentrums-Union, darunter der derzeitige Ministerpräsident Mitsotakis, unterstützten diesen Versuch und gaben ihre Stimme für die „Regierung der Verräter“ ab. Es gelang nicht mehr, das System zu stabilisieren. Demgegenüber nahm das politische Gewicht Georgios Papandreous in der Opposition zu, sein Wahlsieg in den für Mai 1967 ausgeschriebenen Parlamentswahlen war kaum zweifelhaft.

Aber auch das Gewicht der von Andreas Papandreou geführten linken Strömung nahm zu, der Ruf nach Veränderung wurde laut. Der Zentrumspolitiker Georgios Papandreou erkannte die darin liegende Gefahr, es kam zu einem Bruch mit seinem Sohn. In dem Versuch, die Demokratie zu retten, schloß er eine Links-Koalition aus und einigte sich mit der gemäßigten Rechten auf eine Mitte-Rechts-Koalition für den Fall, daß er die absolute Mehrheit verfehlen sollte. Damit sollte der Versuchung des Militärs entgegen gearbeitet werden, sich wieder eine Garantenstellung für innere Ordnung im Kampf gegen den Kommunismus anzumaßen und dadurch gleichzeitig seine geschwächte politische Position zurückzuerobern. Aber die Demokratie war nicht mehr zu retten. Es hält sich das Gerücht, Generalität und König hätten über Möglichkeiten beraten, wie die linke Gefahr zu beherrschen sei. Aber nicht die Generalität, sondern die Obristen putschten am 21. April 1967.

Sieben Jahre herrschte Diktatur in Griechenland. Am 23. Juli 1974 brach das Obristen-Regime in Athen zusammen. Unmittelbare Ursache dafür war der gescheiterte Plan der Junta, die Einigung mit Zypern militärisch herzustellen. Tiefere Ursachen waren die unüberwindlich gewordenen innenpolitischen Schwierigkeiten. Die Diktatur hatte keines der Probleme gelöst, zu deren Lösung sie angetreten war. Aber das für Griechenlands innere Verfassung schwere Problem der Stellung des Militärs im politischen System hatte sich mit dem Zusammenbruch der Diktatur erledigt. Das Problem des zweiten außerkonstitutionellen politischen Machtzentrums erledigte sich bald danach durch das Referendum, in welchem sich die Griechen gegen die Rückkehr der Monarchie entschieden.

IV. Vom Kartell der Staatsparteien zum alternierenden System der Volksparteien

1. Kontinuität und Diskontinuität In der Not des Staates wurde Konstantin Karamanlis aus dem Pariser Exil gerufen, um das Land in die Demokratie zurückzuführen. Er war der dafür geeignetste unter den erfahrenen Politikern von Rang. Seine willkürliche Entlassung durch den König hatte ihn zu einem Opfer des Hofes gemacht. Noch wichtiger war, daß seine Abwesenheit von Griechenland vor und während der Diktaturperiode ihn davor bewahrt hatte, in jene politischen Intrigen hineingezogen zu werden, die 1965 zuerst den Sturz der Zentrums-Regierung herbeigeführt und in ihrem weiteren Verlauf die Destabilisierung der Demokratie eingeleitet hatten, an deren Ende der Putsch der Obristen stand. Nach dem Zusammenbruch der Diktatur waren infolgedessen die traditionellen politischen Kräfte des Landes weitgehend desavouiert: Desavouiert und ohne Chancen stand am rechten Rand des Parteienspektrums die Nationale Formation (Ethniki Parätaxis), in der sich ohne Aussichten monarchistische, autoritaristisehe und reaktionäre Kräfte sammelten.

Karamanlis berücksichtigte die Erblasten seiner alten Partei am Anfang seiner zweiten Ära. Er ließ die ERE nicht Wiederaufleben, sondern zog es vor, als Parteiführer einer unbelasteten neugegründeten Partei, der NEA DIMOKRATIA, in die für November 1974 ausgeschriebenen Parlamentswahlen zu gehen. In der politischen Mitte verbanden sich Teile des alten Zentrums — in der Hoffnung, den Makel des Verrats und der Mitschuld an der Zerstörung der Demokratie zu tilgen —, mit Kräften bürgerlichen Widerstands gegen die Junta zur EK — ND, Zentrums-Union — Neue Kräfte (Enosis Kentrou — Nes Di'namis).

Die politische Linke wies eine beträchtliche Vielfalt auf. Zwei kommunistische Parteien, deren politische Betätigung Karamanlis sofort legalisiert hatte, warben um Wähler. Da gab es die traditionelle und moskauhörige Kommunistische Partei Griechenlands, KKE (Kommunistikö Komma Ellädos) und eine 1974 von ihr abgespaltene eurokommunistische Partei mit dem Namen Kommunistische Partei Griechenlands (Inland), (Kommunistikö Koma Ellädos, edoterikö). Beide verbanden sich für die bevorstehenden Wahlen mit der alten EDA, der Einheitlichen Demokratischen Linken (Eniea Dimokratik» Aristerä), zur Vereinigten Linken (Enomeni Aristerä).

In der EDA überlebten für Griechenlands politische Kultur bis heute wichtige kollektive Erinnerungen: an den Widerstand der Linken gegen die deutsche Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg, an die Grausamkeiten des blutigen Bürgerkriegs nach Kriegsende und an die unversöhnliche Verfolgung und Ausgrenzung der Linken durch pseudodemokratische Regierungen der Rechten während des Kalten Krieges der fünfziger Jahre, als die Kommunistische Partei verboten und die EDA das einzige Sprachrohr der Linken war.

Noch eine Neugründung gab es im Jahre 1974 im linken Parteienspektrum. Andreas Papandreou gründete im September (zu spät für die bevorstehenden Wahlen) die Panhellenische Sozialistische Bewegung, PASOK. Papandreou, der vom Ausland aus Widerstand gegen das Obristenregime organisiert und nach dessen Sturz mehrere Widerstandsgruppen in der PASOK geeinigt hatte, suchte ebenfalls im Unken Wählerraum nach politischer Unterstützung.

Das Ergebnis der ersten freien Wahlen 1974 sah folgendermaßen aus (in Prozent):

ND: 54, 3 EK-ND: 20, 4 PASOK: 6 Vereinigte Linke: 9, 5

Karamanlis hatte mit seiner Partei die absolute Mehrheit der Stimmen gewonnen. Dieses Ergebnis ist häufig als Ausdruck der Ausnahmesituation betrachtet worden, wie es auch der Wahlslogan „Karamanlis oder die Panzer“ suggeriert. Vergleicht man es mit den von der pohtischen Rechten — unter anderen Parteinamen — in der Zeit zwischen dem Ende des Bürgerkrieges und dem Beginn der Diktatur, also zwischen 1950 und 1967 erzielten Ergebnissen, ist der Unterschied nicht so groß. Die Rechte lag während dieses Zeitraumes und in acht Parlamentswahlen zweimal über 50 Prozent (1952 und 1961) und im Durchschnitt trotz des Tiefs von 35, 7 Prozent im Jahre 1964, als die Zentrums-Union mit Georgios Papandreou 52, 7 Prozent der Stimmen erzielte, bei 43 Prozent der abgegebenen Stimmen. Vom Zentrum, der anderen der beiden herrschenden politischen Kräfte in Griechenland aus betrachtet, ist die Veränderung wesentlich größer. Mit einem Ergebnis von 20, 4 Prozent war es bei den ersten freien Wahlen gegenüber dem Ergebnis der letzten freien Wahl im Jahre 1964 um 22 Punkte abgerutscht.

Die konservative Partei NEA DIMOKRATIA hat insgesamt gesehen ihre Stellung als starke politische Kraft in den nachfolgenden Wahlen (vgl. Tabelle) gehalten. Das Zentrum hingegen ist von 52, 7 Pro-zent im Jahre 1964, von Wahl zu Wahl etwa die Hälfte ihrer Stimmen einbüßend, auf Null gesunken. Die von Andreas Papandreou 1974 gegründete PASOK konnte von Wahl zu Wahl ihre Stimmen-zahl fast verdoppeln und stieg in nur drei Parlamentswahlen von 13, 6 auf 48, 0 Prozent.

Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen erscheint noch deutlicher, wenn man den Aufstieg der linken Mitte unter Georgios Papandreou in den frühen sechziger Jahren zur Erklärung heranzieht. Damals entstand eine neue Mittel-schicht mit politischen Aspirationen, die das gegenüber der Gesellschaft noch immer relativ autonome, regierungsverwöhnte und strukturellen Reformen abgeneigte Kartell aus der Rechten und rechter Mitte unbefriedigt ließ. Die von dem populistischen Parteiführer Georgios Papandreou geweckten Erwartungen konnten weder erfüllt noch enttäuscht werden: Sie wurden von der Junta lediglich unterdrückt und kamen in den siebziger Jahren wieder hervor. Andreas Papandreou nahm sie auf und verstärkte sie. Nur Karamanlis konnte Griechenland in die Demokratie zurückführen, aber die Regierungszeit seiner neuen Partei erschien in den Augen der inzwischen weiter gewachsenen Mittel-schicht von Jahr zu Jahr mehr und mehr als bloße Fortsetzung der Regierungen der vordiktatorischen Periode. Im Wahlergebnis von 1977 zeigt sich, daß Stimmen nicht nur aus dem Zentrum um eine, sondern auch aus dem rechten Lager um zwei Stellen nach links zur PASOK rückten, die im Regierungsprogramm wie im Wahlkampf auf die sozialistische Ideologie ihres Parteiprogramms und die verbale Radikalität verzichtet hatte 13).

Andreas Papandreou, der die große Rede ebenso beherrscht wie sein Vater, gelang es, eine im Vergleich zu Westeuropa leicht phasenverschobene Aufbruchstimmung gegenüber mehreren zum Aufbruch bereiten Bevölkerungsgruppen in Worte zu fassen. Was er unter dem schillernden Begriff „Allaghi" (Veränderung, Wandel) anbot, verstand der Linke als Versprechen systemtranszendierender Veränderung, der Liberale als Ankündigung überfälliger Reformen. Immer weiter nach rechts verschob sich die Linie, jenseits derer die NEA DI„MOKRATIA trotz einer insgesamt positiven Regierungsbilanz als reformunfähig betrachtet wurde.

Demgegenüber gelang es Papandreou, das Bild seiner unter radikaldemokratischen Vorzeichen angetretenen Partei so zu verändern, daß sie als Partei der „soziopolitischen Veränderung“ auch im bürgerlichen Lager wählbar wurde, ohne daß er dadurch seine linke Wählerschaft verprellte, die dies für Wahltaktik hielt. Seine frühen Ausfälle gegen NATO und EG waren vergessen. 2. Die ambivalente Rolle der PASOK im Modernisierungsprozeß des Parteiensystems Papandreou besaß vor und nach dem Wahlsieg in seiner Partei, die er beherrschte, den Spielraum, die Parteilinie zu bestimmen. Wer sich ihr nicht fügte, wurde rigoros ausgeschlossen. Der erste Parteitag fand zehn Jahre nach der Gründung statt, und sein Programm bestand im wesentlichen aus einer Rede des Parteiführers. Papandreou machte die Partei nicht zu einer modernen Partei mit demokratischen Entscheidungsstrukturen — bei allem Gewicht, das ein Parteiführer auch in westeuropäischen Parteien besitzt. Er trug ebensowenig dazu bei, das Parteiwesen zu entpersonalisieren. Im Gegenteil, Papandreous politische Massenwirkung beruht letztlich nicht auf der Programmatik der Partei, die außer den Intellektuellen auch niemand zur Kenntnis genommen hat, sondern auf seinem Charisma Dabei setzte er populistische Elemente in einem Maße ein, das Vergleichbares in westeuropäischen Parteien erheblich übersteigt. Der von Papandreou benutzte politische Diskurs ist im Vergleich zum patriarchalischen Diskurs des alten Machtkartells insofern modern, als er die Massen, die er auf seine Person fixiert, zugleich einbezieht.

Er modernisierte das griechische Parteiwesen, indem er seiner Partei Basisorganisationen bis hinunter in die kleinsten Dörfer gab. Dadurch machte er die PASOK zu einer Massenpartei und zwang durch diese Vorgehensweise die NEA DIMOKRATIA, den selben Weg einzuschlagen. Die Einführung von berufsspezifischen Basisgruppen über das ganze Land konnte allerdings auch parteiklientelischen Zwecken dienstbar gemacht werden Die Einrichtung lieferte der Partei vor allem genauen Kenntnisstand darüber, wer ihr als Mitglied angehörte und wer nicht. Unter den Bedingungen der griechischen politischen Kultur beförderten die „kladikes" („Zweiglein“, Basisgliederungen) einen Parteiklientelismus neuer Art. Sie machten die Entscheidung des parteilosen Einzelnen, der regierenden Partei nicht anzugehören, um so schwerer, als die PASOK bei der Rekrutierung von Personal auch die klientelische Begünstigung von Parteimitgliedern pflegte und ihr vor rationalen Selektionskriterien eindeutig den Vorrang gab. In dieser Hinsicht steht sie voll in der Tradition der griechischen Parteien. So ist der im Vergleich zu westeuropäischen sozialdemokratischen Parteien außerordent-lieh hohe Mitgliederstand der PASOK auch kritisch, unter klientelischen Gesichtspunkten, zu sehen.

Ebensowenig ist die PASOK als Regierungspartei frei von dem hier mehrfach als Einstellung der verschiedenen politischen Klassen behandelten Besitz-denken in Hinblick auf den Staat. Es genügt hier, auf die verschiedenen Finanzskandale ihrer Amtsinhaber hinzuweisen. Aber auch die der Stimmen-beschaffung dienende Errichtung von 93 000 Stellen im öffentlichen Dienst allein im letzten Jahr vor dem Sturz der Regierung gehört in diesen Bereich und damit in die Kontinuität zum alten Parteiensystem, in der die PASOK steht.

Anders als viele geglaubt haben, ist die PASOK nicht zur großen Umgestalterin des politischen Systems geworden. Die Partei hat unter ihrem Parteiführer Papandreou jedoch trotz aller Kontinuität einen Modernisierungsschub ausgelöst. Das politische Personal ist ausgewechselt, mehr Griechen sind näher an die Politik herangeführt und dabei ernüchtert worden. Der Sturz Papandreous hat den Glauben an die große politische Retter-Figur zerstört. Die Wahlen der Jahre 1989/90 hatten das zunächst unbegreifliche Ergebnis, daß die PASOK nicht in wesentlich höherem Maße verlor. In dem guten Abschneiden einer diskreditierten Partei kam das Unvermögen vieler alter PASOK-Wähler zutage, der Partei wegen ihres Versagens diesmal die politische Unterstützung zu verweigern und die parlamentarische Alternative zu wählen. Das bedeutet Kontinuität und Wandel: Es gibt in Griechenland immer noch und wieder zwei große politische Lager, wie in der Zeit vor der Diktatur, denen gegenwärtig zwei Parteien zuzuordnen sind, die NEA DIMOKRATIA auf der einen, die PASOK auf der anderen Seite. Aus einer Reihe von Gründen, zu denen programmatische Übereinstimmung, ideologische Identifizierung und klientelische Beziehung gehören, bleiben genügend Stammwähler in ihrem Lager Anders als in der vor-diktatorischen Zeit bilden diese Parteien kein Machtkartell ohne Alternative, sie stehen sich konkurrierend gegenüber. Die NEA DIMOKRATIA wollte seit ihrer Gründung nichts anderes sein als eine Partei der rechten Mitte. Die PASOK war als Regierungspartei alles andere als eine sozialistische Partei, und sie wird in einemjetzt alternierenden Parteiensystem nach und nach in die Rolle einer sozialdemokratischen Partei hineinwachsen. Dahin zwingt sie die politische Vernunft und die Erbschaft des linken Zentrums. „Das Zentrum“, sagten Kenner, als es in den Wahlen von 1977 gegen Null ging, „ist tot, es lebe das Zentrum.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Vassilios Vuidaskis. Tradition und sozialer Wandel auf der Insel Kreta. Meisenheim 1977.

  2. Dazu immer noch grundlegend: Gcorge Finlay, A History of Grecce. Bd. VI. New York 1970 (Nachdruck der 2. Auflage Oxford 1X 77), S. 10 IT.

  3. Vgl. Jahn S. Koliopoulos. Brigandage and Irredentism in Ninctcenth Century Grcccc. in: M. Blinkhorn/T. Vcrcmis (Hrsg.). Modern Grcccc: Nationalism and Nationality. Athens 1990.

  4. G. Finlay (Anm. 2). Bd. V. S. 12.

  5. Vgl. Keith R. Legg. The Nature of the Modern Grcck State, in: J. T. A. Koumoulides (Hrsg.). Grcccc in Transition. Essays in the History of Modern Grcccc 1821 — 1974. London 1977. S. 284.

  6. Vgl. Ren Lemarchand/Keith R. Legg, Political Clientelism and Development: A Preliminary Analysis, in: Comparativc Politics, 4 (1972/73), S. 149 ff.

  7. Vgl. Kostas Vergopoulos, Crise Economique et Modemisation, in: Les Temps Modernes, La Grece en Mouvement, 41 (1985) 473, S, 821.

  8. Vgl. Alexandros I. Svolos. Die neue Verfassung und die Grundlagen der politischen Ordnung, Athen 1929 (griech.), S. 354.

  9. Vgl. Keith R. Legg. Politics in Modem Greece, Stand-ford, California 1969, S. 31 ff.; Dimitris Kitsikis, Evolution de l’lite politique grecque, in: M. B. Kiray (Hrsg.), Social Stratification and Development in the Mediterranean Basin, Paris 1973.

  10. Vgl. Nikos Mouzelis, Capitalism and the Development of the Greek State, in: R. Scase (Hrsg.), The State in Western Europe, London 1978, S. 248 ff.

  11. Vgl. Alex Weingrod, Patronage and power. in: Ernest Gellner/John Waterbury (Hrsg.). Patrons and Clients in Mediterranean Societies. London 1977, S. 41 ff.

  12. Vgl. Dimitris Charalambis, Die Machtstruktur in Griechenland nach dem Bürgerkrieg. Armee und politische Krise (griech.), Athen 1984.

  13. Vgl. die sehr detaillierte Darstellung Nikolaus Wenturis, Das Politische System Griechenlands. Eine soziopolitische Analyse, Stuttgart 1984, insbes. S. 144ff.

  14. Vgl. Angelos Elephantis, PASOK: Populismus oder Sozialismus, in: POLITIS. Okt. 1977. (griech.); Nikos Mouzelis, On the Greek Elections. in: New Left Review, März/April 1978.

  15. Vgl. Nikos Mouzelis, Continuites et Changements en Politique Grecque: D’Elefterios Venizelos ä Andreas Papandreou, in: Les Temps Modernes (Anm. 7), S. 903.

  16. Vgl. Heinz Jürgen Axt, Die Wahlen in Griechenland 1989. Veröffentlichung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dez. 1989.

Weitere Inhalte

Herbert R. Ganslandt, Dr. phil., geb. 1936; Studium der Rechtswissenschaft, der Philosophie, der Politischen Wissenschaft und der Romanistik; seit 1975 Professor für Politische Wissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen zu den Themenbereichen Politische Philosophie, Geschichte der politischen Theorie und der Wissenschaftstheorie.