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Frauen und Rechtsextremismus | APuZ 3-4/1992 | bpb.de

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APuZ 3-4/1992 Nationalismus und Ethnopluralismus. Zum Wiederaufleben von Ideen der „Konservativen Revolution“ Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern Frauen und Rechtsextremismus Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart Geistige Wurzeln des Linksterrorismus in Deutschland

Frauen und Rechtsextremismus

Ursula Brsl

/ 24 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Bislang sind in der Rechtsextremismus-Forschung zwei Sichtweisen vorherrschend: Zum einen befassen sich die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Rechtsextremismus überwiegend mit Organisationen, ihren Mitgliederstrukturen, Wahlergebnissen oder Programmatiken. Zum anderen -und dies bezieht auch diejenigen Vorfeld-Studien mit ein, die sich mit rechtsextremen Orientierungen beschäftigen -werden geschlechtsspezifische Fragestellungen weitgehend nicht berücksichtigt. Dies läßt sich u. a. damit erklären, daß Frauen bisher bei politisch „auffälligen“ Aktivitäten der rechtsextremen Szene wenig in Erscheinung getreten sind; ihr Anteil an der Wählerschaft rechtsextremer Parteien im Vergleich zu Männern ist geringer und ihr Organisationsgrad in rechtsextremen Gruppierungen relativ niedrig. Die Folge dieser wissenschaftlichen Sichtweisen ist, daß Rechtsextremismus vorrangig als ein männerspezifisches Problem gedeutet und entsprechend nach gesellschaftlichen Ursachen gefragt worden ist. Vor diesem Hintergrund wird unter der Maßgabe einer geschlechtsspezifischen Perspektive untersucht, ob Anhaltspunkte dafür existieren, daß es keine signifikanten Unterschiede in der Verbreitung rechtsextremistischer Orientierungen zwischen Männern und Frauen gibt. Da bisher keine empirischen Daten für die Problemstellung vorliegen, wird sich diesem Thema folgendermaßen genähert: Zunächst werden die Grundzüge und das Frauenbild der rechtsextremen Ideologie betrachtet und auf der Basis von Ergebnissen aus der Wahl-und Einstellungsforschung erste Interpretationsmuster zu rechtsextremistischen Affinitätskonstellationen bei Frauen diskutiert. Hier wird insbesondere überprüft, inwieweit diese Daten erste Aussagen zulassen und welche Aspekte unberücksichtigt bleiben. Ausgehend von der These, daß es keinen signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschied in der Akzeptanz von rechtsextremen Ungleichheitsideologemen gibt, werden anschließend frauenspezifische Ausprägungen rechtsextremistischer Orientierungsmuster als politische Umformungsprozesse der sozialen Lebenslage untersucht.

Die Diskussion um Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik hat in den letzten Monaten aufgrund zunehmender Gewaltbereitschaft und -anwendung gegenüber Flüchtlingen an Bedeutung gewonnen. Die rechtsextremen Subkulturen wie die Skinheads sind zum großen Teil die Träger dieser gewaltsamen Aktionen und können derzeit steigende Mitgliederzahlen verbuchen. Gleichzeitig bildet sich um diese Subkulturen eine Art Grauzone, deren Akteure sich nicht eindeutig zur rechtsextremen Szene zugehörig fühlen oder sogar eine relative Distanz hierzu aufweisen, aber deren Aktivitäten unterstützen. War in der Vergangenheit in wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt worden, daß vereinzelt auch Mädchen in diesen subkulturellen Zusammenhängen anzutreffen sind so muß nun eine allgemein zunehmende Zahl aktiver Mädchen und Frauen sowohl in rechtsextremen Subkulturen als auch in der Grauzone registriert werden.

Ist diese Entwicklung nun ein Indiz dafür, daß bisher in der sozialwissenschaftlichen Forschung das Problem „Frauen und Rechtsextremismus“ unterschätzt oder zu früh als ein männerspezifisches Phänomen klassifiziert worden ist? Wahlstatistiken und Umfrageergebnisse der letzten Jahre haben zumindest den Eindruck erweckt, als sei Rechtsextremismus eine männerspezifische Angelegenheit und Frauen seien im Vergleich wesentlich resistenter gegenüber antidemokratischen Politikkonzepten Derartige Einschätzungen werden jedoch nicht allein im Hinblick auf die aktuelle Situation brüchiger, sondern zeigen vielmehr ein grundsätzliches Problem der Rechtsextremismus-Forschung: So herrscht eine organisationsbezogene und geschlechtsunspezifische Sichtweise des Phänomens Rechtsextremismus vor.

Im folgenden soll nun untersucht werden, ob Anhaltspunkte dafür existieren, daß es keine gravierenden geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Verbreitung rechtsextremistischer Orientierungen gibt. Dabei muß geklärt werden, warum eine organisationsbezogene und eine geschlechtsunspezifische Perspektive verhindert, rechtsextreme Affinitätskonstellationen bei Frauen empirisch zu erfassen. Denn die Motivationen von Frauen, zumindest teilweise einer Ideologie der „natürlichen“ Ungleichheit zuzustimmen, differieren im Vergleich zu Männern: Sie sind das Resultat politischer Umformungsprozesse frauenspezifischer Lebenslagen, die nicht unbedingt in entsprechendes Wahlverhalten oder in einem Beitritt in eine rechtsextreme Organisation münden. Dieser Aspekt hat in die politische und wissenschaftliche Auseinandersetzung bisher kaum Eingang gefunden. Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß die Aneignung rechtsextremistischer Orientierungsmuster durch Frauen nur eine mögliche, aber radikale Ausdrucksform für die Widersprüchlichkeiten der eigenen Lebenssituation vor dem Hintergrund patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen und emanzipatorischer Bestrebungen ist -ein Problem, das sich insbesondere in der Erwerbsarbeit manifestiert. Andere, wesentlich unauffälligere Ausdrucksmöglichkeiten von politischen Umformungsprozessen sind Reaktionen wie Resignation, Rückzug in die Familie etc. Rechtsextremistische Orientierungen bei Frauen sind somit nur als exemplarisch für politische Umformungsprozesse frauenspezifischer Lebenslagen anzusehen, die die Problemlage besonders klar veranschaulichen.

Der Frage, wie sich dies im einzelnen vollzieht, wird später noch einmal nachgegangen. Zunächst soll das Frauenbild und die Rolle der Frau in rechtsextremen Politikkonzepten näher beleuchtet werden. Zwar gibt es bisher keine Untersuchungen darüber, ob Frauen die rechtsextreme Frauenpolitik befürworten oder nicht; aber ein Interview der Zeitschrift „Brigitte“ mit aktiven weiblichen Mitgliedern der „Republikaner“ scheint in diese Richtung zu weisen. Außerdem werden häufig rechtsextremistische Inhalte auf Ausländerfeindlichkeit reduziert; eine Sichtweise, die den Blick dafür verwehrt, daß Teile des rechtsextremen Spektrums über differenziertere und auch in sich logische gesellschaftspolitische Vorstellungen verfügen, in de-nen die Ausländerfeindlichkeit nicht der alleinige, herausragende Programmpunkt ist.

I. „Die nordische Frau als Trägerin der Menschwerdung“

Das spezifische rechtsextreme Frauenbild zu beschreiben ist nicht möglich, denn es gibt nicht die rechtsextreme Ideologie. Das rechtsextreme Spektrum mit seinen Wehrsportgruppen, Jugendorganisationen, Parteien oder dem subkulturellen Umfeld (z. B. Skinheads) hat sich in den letzten vier Jahrzehnten so stark ausdifferenziert und unterliegt beständigen Veränderungs-und auch Erneuerungsprozessen, daß sich entsprechend verschiedene rechtsextreme Fraktionen mit eigenen Politikkonzepten herausgebildet haben. Sie reichen von der Beschwörung nationalsozialistischer Traditionen bis hin zu Programmen, die weitgehend Berührungspunkte zum Rechtskonservatismus aufweisen. Eindeutig nazistische oder neonazistische Gruppierungen wie die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) oder die Deutsche Volksunion (DVU) sind in diesem Spektrum eher unterrepräsentiert. Die Bezüge zum Nationalsozialismus sind vor allem in den Veranstaltungsritualen (Ordnerdienste und ähnliches) und den Stil-ausprägungen zu suchen als in den Programmen

In den siebziger Jahren hat sich die sog. „Neue Rechte“ konstituiert, die mittlerweile als maßgeblich für die programmatische Entwicklung des rechtsextremen Spektrums angesehen werden kann. Sie formuliert in den entscheidenden Punkten die Grundelemente einer rechtsextremen Weltdeutung, die gleichzeitig als die Basis einer rechtsextremen „Stammkultur“ betrachtet werden können und die verschiedenen Politikkonzepte zu einer Ideologie bündeln. Ihre öffentliche Diskussionsplattform findet sie u. a. in Zeitschriften wie „criticon“ oder „Nation Europa“.

Im Gegensatz zum „alten“ Rechtsextremismus in der Nachkriegszeit bedient sich die „Neue Rechte“ vermehrt der Wissenschaft. In ihren intellektuellen Zirkeln wie dem „Thule Seminar“ in der Bundesrepublik oder der „Nouvelle Ecole“ in Frankreich werden Ergebnisse sowohl aus der Physik, Biologie, Anthropologie als auch aus anderen Gesellschaftswissenschaften verarbeitet. Sie greifen hierbei nicht nur auf einschlägige Wissenschaftler zurück, sondern auch auf Vertreter des Konservatismus. Hier sind z. B. die Namen der Anthropologen Konrad Lorenz und Arnold Gehlen zu nennen

Ziel der „Neuen Rechten“ ist die Konzipierung einer „neuen“ nordeuropäischen Gesellschaftsordnung mit der Rehabilitierung tradierter Werte und Normen zu einem geschlossenen Wertesystem. Dieses Wertesystem, das auf einer Ideologie der „natürlichen“ Ungleichheit der Menschen basiert, ist auch wesentlich für das geschlechtsspezifische Rollenverständnis. Um dieses Rollenverständnis verdeutlichen zu können, ist es zunächst notwendig, auf die Grundaussagen der rechtsextremen Ideologie einzugehen.

Der Ausgangspunkt ist ein naturalistisch und biologistisch begründetes Verständnis von der Ungleichheit der Menschen. Hiernach gibt es nicht den Menschen oder die Menschheit, sondern die Menschen, die sich entsprechend ihrer evolutionären unterschiedlichen Entwicklung (Begründung für den Rassismus), ihrer Intelligenz oder Geschlecht qua Geburt naturwüchsig voneinander unterscheiden. Aufgrund dessen sind alle Gesellschaften im sozialdarwinistischen Sinne hierarchisch gegliedert, und es kann keine universalistischen, für alle Menschen gültigen Postulate oder Rechte geben. Politische Systeme, die sich auf diese Grundprämisse des Universalismus berufen, werden somit abgelehnt Dieser Naturalismus ist auch das Fundament völkischen Denkens, das die Welt in biologische Nationen aufteilt, die sich als soziale (natürliche) Gruppen auf „exklusivem“ Boden von anderen separieren. Hieraus wird ein natürlicher Anspruch auf Territorialität eines Volkes hergeleitet. Diese biologische Nation ist jedoch nicht auf einzelne Staatsgebilde reduziert, sondern kann nach dem Selbstverständnis der „Neuen Rechten“ bspw. ganz Nordeuropa als Ausdruck einesseuropäischen Nationalismus umfassen Die Nordeuropäer gelten auf der Grundlage von Evolutionstheorien als die am weitesten entwickelten Menschen der Erde. Die USA wird hier ausgeklammert, da sie durch Zuwanderungen von Migranten aus Lateinamerika oder durch die Farbigen keine „reinrassische Einheit“ darstellen und aufgrund dessen zum „melting pot“ „verkommen“ sind. In den Augen der „Neuen Rechten“ droht nun auch Nordeuropa ein ähnliches Schicksal, das eine Neuorientierung in der Bevölkerungspolitik notwendig macht. Aber nicht nur der „melting pot“ ist die drohende „Tragödie“, sondern auch die „Überbevölkerung“ durch die zunehmende Zahl von Migranten bei gleichzeitigem Geburtenrückgang in der nordeuropäischen Bevölkerung.

Aber die Gefahr droht nicht nur von außen, sondern auch von innen durch die „Fehlentwicklungen“ in den politischen und ökonomischen Strukturen der heutigen kapitalistischen Gesellschaft: -Die „Neue Rechte“ wartet mit einer „Kapitalismuskritik“

auf, ohne die kapitalistische Produktionsweise an sich in Frage zu stellen: „Ursprünglich hatte die Durchsetzung des kapitalistischen Systems, getragen von einer eng begrenzten Elite von Industriekapitänen, einem gesellschaftlichen Selektionsprozeß entsprochen, der mit dem naturgesetzlichen Kampf ums Überleben und dem Erfolg des Stärkeren übereinstimmte. Das kapitalistische System hat aber, da es den vererbten Besitz von Geld zum entscheidenden Rangordnungsprinzip der Gesellschaft gemacht hat, den Kapitalismus zur Sklerose verurteilt und eine falsche Elite an der Macht gehalten.“ Dieser falschen Elite gilt es nun, den Kampf anzusagen und sie durch eine neue, natürlich-intelligente zu ersetzen.

-Das gleiche gilt auch für die Ausgestaltung des politischen Systems, das zukünftig geprägt sein soll durch autoritäre Herrschaftsstrukturen, getragen von eben dieser natürlich-intelligenten Elite. Sie hat die Aufgabe, die sozialen Belange von oben her zu regeln. Denn die momentanen „Regime“ mit ihren „egalitären“ Tendenzen vermögen es nicht, die von ihnen angeprangerte soziale Ungleichheit als gesellschaftliches Strukturelement des zur Sklerose verkommenen Kapitalismus zu beseitigen.

Das Ziel, das sich hier verbirgt, ist die Vorstellung von einer „homogenen“ Gesellschaft, in der die soziale Ungleichheit aufgehoben wird „Homogenität“ ist in diesem Zusammenhang nicht gleichzusetzen mit einer egalitären Gesellschaft. Denn wie schon erwähnt, gelten innerhalb der Gesellschaft die naturgesetzlichen Ungleichheitsmerkmale als das Fundament der Rangordnungsprinzipien einer Gesellschaft. Lediglich die sozialen Komponenten einer Klassenzugehörigkeit als Ungleichheitskriterien werden abgelehnt.

Um diese „neue“ Gesellschaftsordnung realisieren zu können und die genannten Gefahren von Nordeuropa abzuwenden, rückt die Rolle der Frau in einer „neuen“ Bevölkerungspolitik ins Zentrum des Geschehens. Daneben gibt es noch andere Lösungskonzepte für Fragen „genetischer Fehlentwicklungen“ wie Straffälligkeit, Alkoholismus und geistige oder körperliche Behinderungen. Ihnen ist bspw. mit Zwangssterilisationen entgegenzutreten Die Frauen-und Familienpolitik aber ist entscheidend. Hier werden folgende Vorstellungen präsentiert: Zur Verhinderung einer weiteren „Rassenvermischung“ ist zukünftig die Zahl der Migranten zu reduzieren, und nordeuropäische Frauen haben nur noch mit nordeuropäischen Männern eine Familie zu gründen. Dies garantiert genetisch bedingte, hohe IQ-Werte. Ein rein quantitatives Bevölkerungswachstum in Nordeuropa ist allerdings nicht erwünscht. Erstens könnte dies wiederum zu einer existenzbedrohenden Bevölkerungsexplosion führen und zweitens „genetische Fehlentwicklungen“ forcieren. Um eben dies zu verhindern, ist die Kinderzahl pro Familie so zu reduzieren, daß diese Gefahren möglichst ausgeschlossen werden können. Es wird auch diskutiert, in bestimmten Fällen Frauen zu sterilisieren oder einen Schwangerschaftsabbruch zu erzwingen. „Die Vermehrung der Menschen unterliegt heute keinen natürlichen und kulturellen Beschränkungen mehr, deshalb ist Bevölkerungsexplosion unsere gefährlichste Existenzbedrohung.“

Die Existenzbedrohung liegt in der Überbevölkerung Nordeuropas, die zu sozialen Fehlanpassungen führt und Erscheinungen hervorbringt wie übertriebenes Rangstreben, Mißtrauen bis hin zu paranoia-ähnlichen Verdächtigungen gegenüber anderen oder auch übersteigerte Aggressivität. Diese übersteigerte Aggressivität tritt, auf der Grundlage eines natürlichen Aggressiontriebs, vor allem aber bei einer zu hohen Zahl von Migranten auf. Hiermit werden auch Übergriffe auf Wohnheime für Asylbewerber legitimiert als Ausdruck unterdrückter, aber naturgesetzlicher Territorial-ansprüche, die häufig nur durch solche Aktionen ein Ventil finden

Um aber Frauen nun verstärkt in diesem Zusammenhang in die Verantwortung zu nehmen, muß es eine Rückbesinnung auf die Funktion der Familie und die „angeborene“ Rolle der Frau in der Gesellschaft geben. Hierzu haben sich insbesondere die „Republikaner“, als Partei der „Neuen Rechten“, zu Wort gemeldet und ihre Positionen am eindringlichsten in ihrem alten Parteiprogramm von 1987 formuliert: „Frau und Mann sind im Falle gleicher Bedingungen und Anforderungen trotz ihrer Wesensunterschiede von gleichwertiger Tüchtigkeit im Leben und Beruf. Es ist jedoch insbesondere der Frau gegeben, durch Wärme und Hingabe ein Klima der Geborgenheit zu schaffen, in welchem Familie und Kinder gedeihen können. Hier liegt die besondere und von keinem , Hausmann’ oder Kollektiv erfüllbare Berufung der Frau.“ Und zu den Bestrebungen von Frauen, vermehrt in die Erwerbsarbeit einzusteigen, heißt es: „Diejenige Frau, welche sich gleichzeitig in Ehe, Familie und Beruf zu bewähren sucht, leidet oft an dieser Mehrfachbelastung und Selbstüberforderung. Sie fühlt sich ebenso unerfüllt -was oft zu psychischen Schäden führt -wie diejenige Frau, welche im Beruf alleinige Befriedigung sucht.“ Und so wird das Problem gelöst: „Wir streben daher an, daß auch der Frau die uneingeschränkte Möglichkeit zu einer qualifizierten Berufsausbildung gegeben wird, um größere Selbständigkeit zu gewinnen, daß sie aber ebenso ihre naturgegebene Fähigkeit als Mutter und Mittelpunkt der Familie voll zur Wirkung bringen kann. Das läßt sich durch die Gleichstellung und gleiche Wertung von Haus-und Erziehungsarbeit mit Berufsarbeit ... erreichen.“ Diese deutlichen Formulierungen finden sich jedoch im neuen Programm aus wahltaktischen Gründen nicht wieder. Denn es war erklärtes Ziel, vor allem den Frauenanteil unter den Wählern zu erhöhen und dieses allzu deutlich revisionistische Frauenbild erschien hierfür hinderlich.

Auf der Grundlage einer wesentlich weitergehenden Blut-und Bodenideologie verfolgt die der FAP nahestehende, nationalsozialistische „Deutsche Frauenfront“ (DFF), Gau Niedersachsen, eine Mystifizierung der Familie und der Frau. Die DFF spielt zwar im rechtsextremen Spektrum keine relevante Rolle, jedoch bezieht sie in dem nur von Frauen für Frauen verfaßten „Mädelbrief“, der monatlich erscheint, prägnant Stellung zum rechtsextremen Frauenbild und nimmt innerhalb des organisierten Spektrums eine extreme Position ein Diese Publikation ermöglicht einen tieferen Einblick in rechtsextreme Deutungsmuster zur Rolle der Frau in der Gesellschaft. So ruft die DFF auf zu einer „Rückbesinnung“ auf die Traditionen der natürlichen Keimzelle der Gesellschaft, auf die Familie als organisches Gebilde: „Eine Ehe kann sich aber nur dann aufbauen, wenn Mann und Frau in ihrem Bund die natürliche Ordnung sehen, die auf Anerkennung der Verschiedenheit von Mann und Frau beruht. Diese Verschiedenheit ist nicht zufällig, sondern sinnvoll aufeinander bezogen. Will man eine Gleichstellung beider Geschlechter erzwingen, so verstößt man nicht nur gegen ein menschliches Gesetz, sondern gegen eine höhere Ordnung. ... Die Natur hat Mann und Frau als zwei verschiedene Wesen hervorgebracht, und doch geht ihr Wille dahin, diese beiden Verschiedenheiten zu einem Wesen zu vereinigen.“ Die Eheschließung gilt als Voraussetzung zur Gründung einer Familie. Diese wiederum ist die natürliche Ordnung, die allein befähigt ist, den Grundstock für den Erhalt einer als organisch verstandenen „nordischen“ Gesellschaft zu legen. Dieses Postulat verlangt „ein neues tiefes Wissen vom Natürlichen, Organischen; es verlangt Anerkennung natürlicher Bindung von Blut, Alter und Geschlecht. Soll das Wesen der Familie in voller Tiefe begriffen werden, so muß der Gedanke des Volkes in seiner ganzen Tiefe erfaßt und erlebt werden.“ Auch hier rückt die Frau ins Zentrum sowohl familialer und erzieherischer als auch gesellschaftlicher Belange; von ihr ist die Existenz der „nordischen Rasse“ abhängig, die zunehmend durch das männliche Geschlecht in Gefahr gerät. Denn dadurch, daß Männer sich „irrtümlicherweise“ verstärkt Frauen anderer Nationalitäten zuwendeten, Gewalt gegen Frauen verübten und zunehmend zu ihnen ein funktionales Verhältnis entwickelten, sei die „nordische“ Frau entrechtlicht worden, zöge sich von Männern zurück und sei weniger bereit, Kinder zu zeugen. Der Untergang der abendländischen Kultur sei somit vorprogrammiert, wenn diesem Dilemma nicht Einhalt geboten werde. Nun soll den Männern ihr Unrechtsbewußtsein und ihre geistige Verirrung verdeutlicht und das Bild der Frau als mystisches Wesen aufgewertet werden. Hierzu noch ein plakatives Beispiel aus dem „Mädelbrief“: „Die instinktsichere, noch echte nordische Frau hat ein tieferes Wissen von den Rätseln des Menschendaseins als der Mann, dessen Wissen heute meist intellektualistisch, jedenfalls weit entfernt vom Blutwissen ist. So erscheint in den altisländischen Familiengeschichten, die unser geistiges Ahnengut noch am längsten und reinsten bewahrt haben, die Frau als Trägerin und Erhalterin der Sippe, die sie mit ihrem Leben schützt; sie erscheint dem Manne oft überlegen, weil sie mehr ahnt, mehr weiß, weiter sieht als er, und ist deshalb seine Beraterin.“ Die ideologische Triebfeder der DFF, die sich selbst zum Nationalsozialismus bekennt, ist nicht nur ein Naturalismus, sondern ein darüber hinaus weisendes organisches und metaphysisches Denken. Wird der geschlechtsspezifische Wesensunterschied von der „Neuen Rechten“ und den „Republikaner“ so naturgesetzlich funktional begründet, daß veränderte gesellschaftliche Anforderungen sich in programmatischen Erneuerungsprozessen niederschlagen können, sieht das bei der DFF anders aus, da deren organisches Frauen-und Familienverständnis aus der heutigen Sicht starr und unantastbar wirkt und nur durch eine metaphysische Überformung legitimiert werden kann. Der „Mädelbrief“ ist sicherlich ein extremes Beispiel für das Bild der Frau in der Ideologie der „natürlichen“ Ungleichheit der Menschen; es zeigt jedoch, trotz der Überhöhungen, in Verbindung mit der „Neuen Rechten“ und dem Programm der „Republikaner“ äußerst plastisch das naturalistische Verständnis von einem biologischen Wesensunterschied zwi-schen Mannern und brauen und die daraus resultierende geschlechtspezifische Rollenzuweisung und ihre Einbettung in eine Gesellschaft, die sich nach naturgesetzlichen Rangordnungsprinzipien strukturiert und nach außen separiert.

II. „Alles was deutsch ist, das bin ich. Alles, was ich bin, ist deutsch“.

Rechtsextreme Orientierungsmuster bei Frauen sind bisher kein Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Das heißt jedoch nicht, daß nicht auch Frauen bei einigen wenigen Umfragen mit erfaßt worden sind. Die Befragungsmethoden lassen jedoch von vornherein darauf schließen, daß frauenspezifische Ausprägungen keine Rolle gespielt haben. Dennoch bietet ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der Umfrage-und Wahl-forschung zumindest einen kleinen Ausschnitt für das Problem: Die Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien wie DVU, NPD oder „Die Republikaner“ weisen konstant bei Kommunal-, Landtags-und Europawahlen Ende der achtziger Jahre einen Frauenanteil von 30 Prozent auf. D. h., daß ein Drittel der Wähler dieser Parteien Frauen gewesen sind. Zwar gibt es regionale Unterschiede wie z. B. in Bayern, wo der weibliche Wähleranteil der „Republikaner“ etwas höher lag, jedoch ändert dies bundesweit nichts am Trend Werden hiermit die Vermutungen bestätigt, daß Rechtsextremismus vielleicht doch eher ein männerspezifisches Problem ist? Die Ergebnisse können allerdings auch anders gelesen und interpretiert werden. So votierten zwar bei der letzten Europawahl lediglich 4, 9 Prozent aller Frauen für die „Republikaner“, jedoch müssen dabei zwei Aspekte berücksichtigt werden. Erstens: Hätten Frauen das alleinige Stimmrecht bei Wahlen, so wäre die rechtsextreme Partei auch nur knapp an der Sperrklausel gescheitert. Zweitens: Die Wahlbeteiligung bei den Frauen war extrem niedrig So lag sie bspw. bei den jüngeren Frauen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren bei nur 45 Prozent. Es ist zwar spekulativ, aber dennoch eine Überlegung wert, wie hoch der Anteil der rechtsextrem wählenden Frauen wohl bei einer insgesamt höheren Wahlbeteiligung gewesen wäre.

Gleichfalls wenig ermutigend erscheinen die Daten einer Umfrage von Infratest Sozialforschung, die in den Monaten Februar bis Juli 1989 während der letzten Hochphase der rechtsextremen Parteien bei Wahlen durchgefuhrt worden ist. Es sollte u. a. ermittelt werden, wie große der „harte Kern“ der Anhängerschaft der „Republikaner“ ist. Insgesamt zählten sich nach eigenen Bekunden vier Prozent der Männer und immerhin drei Prozent der Frauen zum engeren Kreis. Von einem Geschlechterverhältnis von 1: 3 wie bei den Wahlen kann hier nicht mehr die Rede sein

Die Kette von sich widersprechenden Umfrageergebnissen ließe sich noch weiter verfolgen. Hier sollen nur noch drei der bekanntesten kurz genannt werden: So kommt Heitmeyer in seiner viel-diskutierten Studie zu rechtsextremistischen Orientierungen bei Jugendlichen ähnlich wie die Shell-Jugendstudie ’ 81 zu dem Resultat, daß Affinitäten zu rechtsextremen Deutungsmustern bei Jungen stärker ausgeprägt sind als bei Mädchen Demgegenüber stellt eine Sinus-Studie von 1981 zu rechtsextremen Einstellungen in der bundesdeutschen Wahlbevölkerung fest: „Wir können davon ausgehen, daß Frauen und Männer gleichermaßen anfällig bzw. unerreichbar für rechtsextreme Ideologie sind.“ Bereits in der älteren Rechtsextremismus-Forschung der vierziger und fünfziger Jahre gab es erste Hinweise auf ähnliche Ergebnisse. So z. B. in den „Studien zum autoritären Charakter“ von Adorno u. a. konnten keine signifikanten Unterschiede in den autoritären Orientierungen bei Männern und Frauen nachgewiesen werden

Welche Position nun die Wirklichkeit widerspiegelt, bleibt vorerst Spekulation. Jedoch fällt ein Problem bei der Diskussion um Rechtsextremismus ins Auge: Sie ist männerspezifisch dominiert. Die Diskussion und die verschiedenen politischen Maßnahmen richten sich immer auf die häufig sehr auffällig auftretenden rechtsextremen Subkulturen wie Skinheads oder Hooligans bzw. bei Wahlen auf Parteien. Diese Zusammenhänge und Organisationen sind in der Regel von Männern dominiert. Die Gründe liegen zum einen in der geringen Akzeptanz von Frauen, denn bei den Skinheads oder Hooligans nehmen die Frauen allenfalls den Status von „Bräuten“ ein. Zum anderen sind die Aktionsformen der Subkulturen weitgehend durch Gewalt geprägt und zwar durch direkte personelle Gewalt. Diese Form der Gewaltakzeptanz und -ausübung ist die wesentliche Integrationsklammer in diesen Gruppen. Es hat sich jedoch immer wieder in verschiedenen Untersuchungen gezeigt, daß Frauen diese Gewaltform als gesellschaftliche Konfliktlösungsmöglichkeit zumeist strikt ablehnen und statt dessen vielmehr einer strukturellen Gewalt in Form von autoritären staatlichen Maßnahmen zu-stimmen. So befürworten sie eher hartes Durchgreifen bei der Bekämpfung von Kriminalität oder bei der „Ausländerrückführung“ 23. Diese Einstellungen beziehen sich sowohl auf Aktions-und Organisationsmuster als auch auf politische Programme von Parteien. Der Grund hierfür liegt in der Erfahrungswelt von Frauen, die in vielfältiger Art und Weise durch Gewalt von Männern gegenüber Frauen geprägt ist. D. h., daß Frauen selbst Opfer von Gewalttaten in Familie oder Beruf werden. Aber auch die frauenspezifische Sozialisation vermittelt einen anderen Umgang mit Konflikten und behält Männern die Gewaltanwendung vor.

Treten Frauen rechtsextremen Parteien bei, nehmen sie nicht nur untergeordnete Positionen ein, sondern sind durchaus bereit, auch in exponierten Funktionen politisch aktiv zu werden. So hat z. B. bei der EAP mit Zepp LaRoche seit vielen Jahren eine Frau den Vorsitz inne. Auch in den Bundes-und Landesvorständen der „Republikaner“ sind Frauen als stellvertretende Vorsitzende zu finden. Der dennoch relativ geringe Organisationsgrad bei Frauen im rechtsextremen Spektrum ist zwar bezeichnend, aber nicht übermäßig erstaunlich, da er Ausdruck eines allgemein feststellbaren Problems ist. So ist zwar in den letzten Jahren der Frauenanteil bei der SPD, den Grünen und Teilen der Gewerkschaften etwas gestiegen, jedoch sind Frauen in allen Parteien und Gewerkschaften unterrepräsentiert. Niedriger Organisationgrad und die geringe Wahlbeteiligung stehen in einem engen Zusammenhang mit der Lebenssituation von Frauen. Zumeist kommen vor allem die Nichtwählerinnen aus einem sozialen Umfeld, in dem nach wie vor ein traditionelles Frauenbild vorherrscht und die innerfamiliäre geschlechtsspezifische Rollenzuweisung eindeutig ist. Das Selbstkonzept der Frauen aus diesem Milieu „unterscheidet sich am stärksten dort, wo die eigene Geschlechtsrolle ins Spiel kommt: Ein konventionelles Frauenbild und traditionelle Vorstellungen vom Verhältnis der Geschlechter herrschen bei ihnen noch weiterhin vor. Eine Mehrheit der desinteressierten Nichtwählerinnen hält Politik für Männersache.“ Diese Erkenntnis ist nicht neu, jedoch erhält sie eine neue Dimension, wenn berücksichtigt wird, daß rechtsextreme Parteien es geschafft haben, Frauen aus dem Nichtwählerinnenpotential bei Wahlen für sich zu mobilisieren. Allerdings wäre es verkürzt, allein sozial-isoliertes Hausfrauendasein verantwortlich für rechtsextreme Orientierungen zu erklären. Die Ursachen sind weitreichender.

III. Subjektive Verarbeitungsmuster frauenspezifischer Lebenslagen

„Wir sind dazu da, dem Mann das Leben schön zu machen.“ „Die holen die ganzen Neger rein.“ „Der Schönhuber gefällt mir. Der ist für uns Arbeiter, für uns Deutsche. Und gegen Ausländer.“ „Bei den anderen Parteien wird die Frau doch nur wie ein besserer Mann behandelt.“ „Neugeborenes, nicht Lebenstüchtiges sollte man gleich .. ." 25 Diese und ähnliche Äußerungen machten Frauen gegenüber der Zeitschrift „Brigitte“. Sie sind aktive Mitglieder der Partei „Die Republikaner“ und sowohl Arbeiterinnen, Hausfrauen und/oder Arbeitslose als auch Frauen mit hochqualifizierten Ausbildungen in allen Altersgruppen. Diese politischen Meinungen sind durchaus nicht repräsentativ für die politischen Einstellungen von Frauen und sagen noch nichts über die Verbreitung rechtsextremer Orientierungen aus. Sie sind aber in doppelter Hinsicht beeindruckend: So greifen diese Frauen u. a. das rechtsextreme Frauenbild positiv auf, und zwar unabhängig von ihrer sozialen Schichtzugehörigkeit.

Was veranlaßt nun Frauen, solche politischen Positionen einzunehmen, Mitglied einer rechtsextremen Organisation zu werden oder rechtsextrem zu wählen? Die Suche nach Motiven für diese Reaktionen sind m. E. in den spezifischen Lebenslagen von Frauen zu suchen sowie in den gesellschaftlichen Handlungsspielräumen, die Frauen in unterschiedlicher Art und Weise, je nach sozialem Umfeld, zur Verfügung stehen. Das Hauptaugenmerk bei der Motivsuche soll auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und ihre Veränderungsprozesse gerichtet sein, die die Lebensbedingungen von Frauen prägen.

Vor dem Hintergrund, daß sich die Sozialisation und Lebensbedingungen nach wie vor nach der Maßgabe patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen geschlechtsspezifisch entwickeln, die grundsätzlich verantwortlich für die Weichenstellungen in der Lebenslage und für die Bedingungen der Erfahrungswelt von Frauen sind, treten infolge von Modernisierungsprozessen zunehmend Individualisierungstendenzen hinzu. Die Modernisierung der Gesellschaft scheint jedoch auch positive Signal-wirkungen in bezug auf die Teilhabe von Frauen an Bildung und Erwerbsarbeit mit sich gebracht zu haben. So hat die Berufstätigkeit in den Lebens-konzepten an Stellenwert gewonnen, und die Frauenerwerbsquote ist auf nahezu 40 Prozent gestiegen Es entsteht der Eindruck, als ob die Lebensgestaltung individueller und mit mehr Entscheidungsfreiheit vorgenommen werden kann. Dennoch kristallisieren sich schwerwiegende Widersprüche zwischen den objektiven Lebensbedingungen, der objektiven Lebenspraxis und dem Lebenskonzept von Frauen heraus. Folgende Rahmenbedingungen haben Einfluß auf die soziobiographische Entwicklung: -Die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse sind gekennzeichnet durch erhöhte geographische und soziale Mobilitätsanforderungen und Segmentationsprozesse auf dem Arbeitsmarkt. Ein Phänomen, das für beide Geschlechter maßgeblich ist. Hierzu gehören u. a. Faktoren wie veränderte Berufsstrukturen, Arbeitsplatzunsicherheiten, Flexibilisie-rungstendenzen am Arbeitsplatz und in der Arbeitszeit sowie die Auflösung von Normalerwerbsbiographien -Gleichzeitig lösen sich zunehmend traditionelle Bezüge wie soziale, familiale und religiöse Milieus auf, und traditionelle Normen und Werte als Integrationsmomente werden z. T. in Frage gestellt. Lebensplanungen und die Lebenspraxis individualisieren sich zunehmend

Diese beiden genannten Punkte bedeuten für beide Geschlechter tiefgreifende Veränderungen und Brüche in den Lebenslagen. Jedoch wird häufig übersehen, daß diese Entwicklungen in der spätbürgerlichen Gesellschaft für Frauen wesentlich radikalere Brüche mit sich bringen als für Männer. Denn auch in der hochindustrialisierten Gesellschaft werden die patriarchalischen Strukturen zumindest noch auf absehbare Zeit Gültigkeit behalten und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in ihrer Grundstruktur nicht aufgehoben. Somit wird der Frau weiterhin die Reproduktionsarbeit gesellschaftlich zugeteilt

So entstehen gravierende Widersprüche in der Lebensrealität von Frauen. Einerseits hat es die oben genannten positiven Signalwirkungen gegeben, die auch dazu geführt haben, daß nicht mehr von einem geringeren Qualifikations-und vor allem Bildungsniveau der Frauen gesprochen werden kann oder der Anspruch auf eine unabhängige Lebensführung gestiegen ist, aber andererseits sind die strukturellen Ungleichheitsverhältnisse zwischen den Geschlechtern bestehen geblieben. Das bedeutet, daß Frauen nach wie vor hohe Zugangsbarrieren zum Ausbildungs-und Beschäftigungsbereich haben. So werden sie weiterhin überwiegend in sogenannten frauenspezifischen Berufen mit niedrigerer Bezahlung und höherem Arbeitsplatzrisiko ausgebildet. Folglich bleiben ihnen bestimmte männerdominierte Bereiche verschlossen und die beruflichen Aufstiegs-möglichkeiten in Spitzenpositionen der Wirtschaft, Politik oder öffentlichen Verwaltungen sind noch rar.

Hieraus entwickeln sich drei Widersprüchlichkeiten: 1. Die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten in der Lebenslage von Frauen haben sich erhöht und unterliegen gleichzeitig objektiven Beschränkungen auf dem Arbeitsmarkt. 2. Die aus diesen Freiräumen gewonnenen Ansprüche an das eigene Lebenskonzept werden konterkariert durch die Zuweisung der Reproduktionstätigkeit. Eine geschlechtsspezifische Rollenzuweisung wird seit Beginn der achtziger Jahre zudem flankiert durch eine konservative Politik der Aufwertung von Familie und Mutterdasein. 3. Die Zuweisung von Reproduktionsarbeit steht in einem Widerspruch zu den sozialen und geographischen Mobilitätsansprüchen in der Erwerbsarbeit.

So unterliegen Frauen wesentlich stärker sozialen und historischen Kontinuitätsbrüchen und individuellen Konflikten. Einerseits entsprechen die Sozialisationsnormen und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der frauenspezifischen Normalbiographie, andererseits haben sich neue Handlungsperspektiven für Frauen geöffnet, die auf ein familienunabhängiges Leben zielen.

Der Umgang mit diesem Konflikt ist jeweils abhängig von den sozio-ökologischen und -biographischen Handlungsinstrumentarien. Entweder wird versucht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, was aufgrund der bereits erwähnten Anforderungen nicht nur zu einer Mehrfachbelastung führt, sondern gleichzeitig zu einer Begrenzung beruflicher Perspektiven. Andererseits ist häufig eine Verarbeitung dieser Situation nur schwer möglich und durchhaltbar, so daß Frauen den Rückzug in die Familie und die traditionelle Mutterrolle antreten. Als dritte Reaktion ist letztendlich nur noch die Anpassung an bzw. Unterordnung unter die nach männlichen Verhaltensmustern strukturierte Erwerbsarbeit möglich. Das bedeutet aber auch eine Aneignung entsprechender Leistungs-, Konkurrenz-und Mobilitätsansprüche und der Verzicht auf Kinder.

IV. Rechtsextremistische Orientierungen und politische Umformungsprozesse

In welchem Zusammenhang steht nun die oben skizzierte widersprüchliche Lebensrealität von Frauen mit der Herausbildung rechtsextremistischer Orientierungsmuster? Zunächst muß festgehalten werden, daß die geschilderten Umgangsformen mit den konfliktreichen Erfahrungen im Lebenskonzept weitreichende individuelle Konsequenzen haben. Sowohl der Versuch der Vereinbarung von Familie und Beruf unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen als auch der Rückzug in die traditionelle Frauenrolle vor dem Hintergrund veränderter Ansprüche an das eigene Lebenskonzept erfolgen zumeist erzwungen. Entscheiden sich Frauen nicht „freiwillig“ zu diesen Wegen, sondern aufgrund der enttäuschten Erwartungen im Berufsleben und aufgrund des zu hohen Drucks, entsteht häufig ein „Vakuum“ in der bereits herausgebildeten Identität und ein Konflikt mit der Rollenzuweisung und -erwartung, die nicht nur von „außen“ an Frauen gestellt, sondern auch von „innen“ durch ihre Sozialisation vermittelt wird.

Die politischen Umformungsprozesse, die sich aus dieser Situation ergeben, münden nicht automatisch in rechtsextreme Orientierungen. Jedoch liegt hier ein Gefahrenpotential, das nicht zu unterschätzen ist. Denn zur Ausfüllung des „Identitätsvakuums“ bietet die rechtsextreme Ideologie Interpretationsmöglichkeiten. Die Verunsicherung von Rollenzuweisungen kann kompensiert werden durch eine Aufwertung eben dieser tradierten Geschlechterrollen und der Reproduktionstätigkeit. Das rechtsextreme Frauenbild garantiert eine „Gleichwertigkeit“ von Familienarbeit und vollzieht eine Abgrenzung in ihrer Ungleichheitsideologie zu anderen sozialen Gruppen, wie bspw. zu Ausländern.

Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, denn den genannten Folgen der ambivalenten und konfliktreichen Lebensrealität wird eine Hebung des Selbstwertgefühls entgegengesetzt und den Frauen ein hochbewerteter Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Eine Zustimmung zu diesen Politikkonzepten ist aber nur dadurch möglich, daß tradierte Werte und Normen gesellschaftlich akzeptiert und Bestandteile der politischen Kultur sind.

Das oben geschilderte Frauenbild vor allem der „Neuen Rechten“ und der „Republikaner“ ist nicht nur eine rechtsextreme Spezialität, sondern weit verbreitet, und zwar nicht nur in ähnlicher Form in konservativen Konzepten. Das Verständnis von einem Wesensunterschied zwischen den Geschlechtern sowie die „natürliche“ Bestimmung der Frau als Mutter und Zentrum der Familie ist eine weitverbreitete Orientierung und bietet eine andere Sinnstiftung in der genannten Konfliktsituation. Gleichzeitig kann sich eine Abgrenzung von den Parteien und Bewegungen vollziehen, denen unterstellt wird, daß sie Frauen männerspezifische Verhaltensweisen abverlangen.

Der politische Umformungsprozeß der frauenspezifischen Lebenserfahrung in rechtsextreme Orientierungen ermöglicht somit eine „Neubewertung“ der eigenen Rolle und eine „positive“ Abgrenzung von anderen sozialen Gruppen durch die Ideologie der „natürlichen Ungleichheit“. Daß Frauen noch weniger als Männer ihrer Frustration durch nach außen gewendete Aggressivität und direkte Gewaltanwendung ein Ventil verschaffen, ist oben schon geklärt worden. Dafür dominiert hier eher der Ruf nach einem autoritären Staat, der sich bezeichnenderweise auch gegen männliche Gewalt richtet, wie verschärfte Strafverfolgung bei Sexual-verbrechen.

Die politischen Umformungsprozesse sind im Zuge der Individualisierungstendenzen darüber hinaus durch fehlende kollektive Verarbeitungsmöglichkeiten geprägt. Die sich auflösenden sozialen und kulturellen Milieus wären allerdings auch nicht die geeignete Plattform gewesen, die Konflikte produktiv anzugehen, da sie auch Träger tradierter geschlechtspezifischer Rollenzuweisungen waren und noch sind. Alternative kollektive Zusammenhänge haben sich bisher jedoch nicht herausgebildet, die eine Perspektive zur Bewältigung der Widersprüche in der Lebenspraxis von Frauen bieten könnten.

V. Schlußbemerkung

Frauen sind bisher bei politisch „auffälligen“ Aktionsformen der rechtsextremen Szene wenig in Erscheinung getreten; ihr Anteil an den Wählerstimmen rechtsextremer Parteien ist im Vergleich zu Männern gering, und ihr Organisationsgrad in den Gruppierungen des rechtsextremen Spektrums ist relativ niedrig. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, ihnen implizit einen gewissen Grad an Immunität gegenüber rechtsextremen Politik-konzepten zuzuschreiben und sie in wissenschaftlichen Untersuchungen zu vernachlässigen.

Obwohl bislang keine eindeutigen empirischen Daten vorliegen, konnte allerdings in der hier vorgenommenen Betrachtung auf einige Anhaltspunkte hingewiesen werden, die die Vermutung untermauern, daß keine signifikanten Unterschiede in der Verbreitung rechtsextremistischer Orientierungsmuster zwischen Männern und Frauen vorhanden sind. Jedoch verweisen die Ausprägungsmerkmale und die Motivation von Frauen, rechtsextremen Ungleichheitsideologe-B men zumindest teilweise zuzustimmen, auf geschlechtsspezifische Divergenzen.

Sowohl Anhaltspunkte als auch Divergenzen ergeben sich aus der frauenspezifischen Sozialisation und der sozialen Lebenslage, die wiederum durch spezifische sozio-kulturelle Brüche und historische Widersprüche gekennzeichnet sind. Sie lassen es notwendig werden, neue methodische und methodologische Überlegungen in die Rechtsextremismus-Forschung aufzunehmen, um der Komplexität gesellschaftlicher Ursachen, Bedingungen und Ausprägungen rechtsextremistischer Orientierungen sowie möglicher Gefährdungspotentiale Rechnung zu tragen.

Die eingangs kurz skizzierte Entwicklung in den rechtsextremen Subkulturen und deren Grauzone lassen zudem vermuten, daß in Zukunft auch Mädchen und Frauen ihr gesellschaftlich-politisch „unauffälliges“ Verhalten ändern werden und eine Umorientierung in der wissenschaftlichen Diskussion um so dringender werden lassen. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein Perspektivenwechsel von einer geschlechtsunspezifischen bzw. männer-spezifischen zu einer geschlechtsspezifischen Sichtweise der Rechtsextremismusproblematik. Dies betrifft nicht nur die organisationsbezogene Rechtsextremismus-Forschung, sondern ebenso die Vorfeld-Studien, deren Erkenntnisinteresse von der Orientierungsmuster-Perspektive geleitet wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. H. -J. Wirth, „Die Leute weichen uns auf der Straße aus, weil sie Muffe haben“, Anmerkungen von Hans-Jürgen Wirth über die Skinheads aus sozialpsychologischer Sicht: „Sich fühlen wie der letzte Dreck“, in: Frankfurter Rundschau vom 22. Januar 1990, S. 12.

  2. Vgl. hierzu infas-Report Europawahl 1989, Bonn-Bad Godesberg 1989; Beratungsgruppe „Projekt R“, „Weder verharmlosen, noch dämonisieren.“ Sozialwissenschaftliche Befunde über die Wählerschaft rechtsextremer Gruppierungen und die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen des parlamentarischen Aufkommens der Partei „Die Republikaner“, hrsg. vom Informationsdienst der SPD intern, Bonn 1989, S. 16; D. Roth, Sind die Republikaner die fünfte Partei?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41-42/89, S. llf.; J. Hofmann-Göttig, Die Neue Rechte: Die Männerparteien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41-42/89, S. 28ff.

  3. Vgl. W. Heitmeyer, Rechtsextremistische Orientierungen bei Jugendlichen, Weinheim-München 19893, S. 23.

  4. Vgl. B. Meyer, Mädchen und Rechtsradikalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (1991) 5, S. 602.

  5. Vgl. hierzu P. Dudek/H. -G. Jaschke, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Bd. 1, Opladen 1984; Dudek und Jaschke kommen in einer Fallstudie zur NPD zu dem Ergebnis: „Die nach rechts verweisenden NS-Symbole sind weitgehend überbewertet, die rechtskonservativen Elemente unterbewertet worden.“ Ebd., S. 350. Ähnliches gilt m. E. auch für die Partei „Die Republikaner" und ihren regionalen Absplitterungen.

  6. Vgl. P. Moreau, Die neue Religion der Rasse. Der Biologismus und die kollektive Ethik der Neuen Rechten in Frankreich und Deutschland, in: I. Fetscher (Hrsg.), Neokonservatismus und , Neue Rechte*, München 1983, S. 121 ff. Einen detaillierten Überblick über die Ideologie der „Neuen Rechten“ bieten auch Th. Assheuer/H. Sarkowicz, Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und die neue Rechte, München 1990.

  7. Vgl. P. Moreau (Anm. 6), S. 119.

  8. Zu den verschiedenen nationalistischen Konzepten in der rechtsextremen Ideologie vgl. R. Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik. Entwicklung-Ursachen-Gegenmaßnahmen, Opladen 1989, S. 26.

  9. P. Moreau (Anm. 6), S. 135.

  10. Vgl. ebd., S. 134.

  11. Vgl. ebd., S. 159.

  12. Waldmann, ein führender Vertreter des „Thule Seminars“; zit. nach ebd., S. 130.

  13. Vgl. ebd., S. 136f.

  14. Der „Mädelbrief" dient als Agitationsorgan der DFF, das abonniert werden kann. Meines Wissens ist er bisher nur in Bremen zu Werbungszwecken in der Öffentlichkeit verteilt worden.

  15. Der „Mädelbrief“, hrsg. von der DFF, Gau Niedersachsen, Nr. 3, Sept. 1987, S. 6ff.

  16. Vgl. ebd., S. 11. Die orthographischen Fehler in den Zitaten des Programms der „Republikaner“ und des „Mädelbriefs“ entstammen den Originalen.

  17. Vgl. Beratungsgruppe . Projekt R‘ (Anm. 2), S. 16.

  18. Vgl. K. Möller, Über die Verlockung traditioneller Frauenbilder und Klischees. Die Anfälligkeit von Mädchen und Frauen für den Rechtsextremismus/Entfremdung von der Politik, in: Frankfurter Rundschau vom 26. Dezember 1990, S. 10.

  19. Vgl. ebd.

  20. Vgl. W. Heitmeyer (Anm. 3), S. 142ff.

  21. Fünf Millionen Deutsche: „Wir wollen wieder einen Führer haben ...“, Die Sinus-Studie über rechtsextremistische Einstellungen bei den Deutschen, Hamburg 1981, S. 87.

  22. Vgl. Th. W. Adorno u. a., Studien zum autoritären Charakter, Frankfurt/M. 1973, S. 100.

  23. Ebd., S. 10.

  24. Vgl. C. Lohmeier, Wie immun sind Mädchen gegen Rechtsextremismus, in: Deutsche Jugend, (1991), S. 36.

  25. Vgl. G. Silier, Junge Frauen und Rechtsextremismus. Zum Zusammenhang von weiblicher Lebenserfahrung und rechtsextremistischem Gedankengut, in: Deutsche Jugend (1991), S. 24; H. Kem/Chr. F. Sabel, Gewerkschaften im Prozeß der industriellen Reorganisation. Eine Skizze ihrer strategischen Probleme, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, (1989) 10, S. 610ff.; M. Baethge u. a., Jugend: Arbeit und Identität, Lebensperspektiven und Interessenorientierung von Jugendlichen, Opladen 1989, S. 38ff.

  26. Vgl. U. Beck, Jenseits von Klasse und Stand? Soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten, in: R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheit, in: Soziale Welt, 1983, SB 2, S. 36.

  27. Vgl. E. Beck-Gernsheim, Das halbierte Leben. Männerwelt Beruf, Frauenwelt Familie, Frankfurt/M. 1980, S. 64ff.

Weitere Inhalte

Ursula Birsl, Dipl. Sozialwirtin, geb. 1962; Studium der Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen; wiss. Mitarbeiterin für gewerkschaftliche Kooperationsprojekte am Seminar für Politikwissenschaft an der Universität Göttingen. Veröffentlichung: (zus. mit Joachim Bons, Frank Halfmann, Thomas Seidl) Das Fest der Arbeit. Die Geschichte der Göttinger Maifeiern, Göttingen 1990.