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Neubeginn in der ostdeutschen Geschichtswissenschaft. Bilanz nach dem Zusammenbruch der DDR | APuZ 17-18/1992 | bpb.de

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APuZ 17-18/1992 Neubeginn in der ostdeutschen Geschichtswissenschaft. Bilanz nach dem Zusammenbruch der DDR Geschichtswissenschaft im SED-Staat. Erfahrungen eines „bürgerlichen“ Historikers in der DDR Entwicklungschancen und -barrieren für den geschichtswissenschaftlichen Nachwuchs in der DDR Die Geschichtswissenschaft in der DDR. Kritische Reflexionen

Neubeginn in der ostdeutschen Geschichtswissenschaft. Bilanz nach dem Zusammenbruch der DDR

Wolfgang Küttler

/ 30 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Fragen des Umbruchs und Neubeginns der Geschichtswissenschaft in den neuen Bundesländern sind erstens Probleme der Bilanz der bisherigen DDR Historiker, zweitens Fragen von Vergangenheit und Zukunft der Geschichtswissenschaft in ganz Deutschland und drittens eine Angelegenheit des Neuanfangs der Historiographie in Forschung und Lehre und damit der Wissenschaftspolitik, womit Interessen und Existenzen berührt sind. Der Umbruch von 1989 ist mit dem Ende der DDR auch das Ende ihrer stark in das System eingebundenen Geschichtswissenschaft. Umbruch und Verantwortung betreffen eine ganze Generation von Historikern, die Krieg und Nationalsozialismus erlebt hatten und mit sozialistischen Idealen damals einen Neuanfang in Deutschland erreichen wollten. In der SBZ und DDR war dieser Neubeginn von Anfang an schwer durch den Stalinismus belastet. Umbruch in der Geschichtswissenschaft ist zunächst eine Frage der Verantwortung der bisher etablierten Historiker, zu denen auch der Autor gehörte. Diese Verantwortung ist differenziert und individuell; sie betrifft aber auch das gesamte wissenschaftspolitsche System. Durch die These von der „Instrumentalisierung“ wird sie nur passiv erfaßt; es geht aber auch um die aktive Rolle, das Engagement der DDR-Historiker für das damals bestehende System. Der Umbruch erfordert zudem eine nüchterne Gesamtbilanz. DDR-Historiographie war zugleich Herr-Schafts- und Legitimationswissenschaft sowie Teil der „Ökumene der Historiker“. Sie hat national und international beachtete Leistungen aufzuweisen. Diese standen zumeist nicht neben der Ideologie und der Politik. Staat und Partei belasteten die Wissenschaft nicht nur, sondern förderten sie auch, weil die Legitimationsfunktion nur dadurch voll erreicht werden konnte. Der Neubeginn ist schwer. Altlasten und neue Belastungen erschweren die Arbeit in Forschung und Lehre. Die bisherigen Ansätze laufen Gefahr, bei den Versuchen der Neubestimmung nur frühere Tendenzen der internationalen Historiographie zu wiederholen. Marx-orientierte Richtungen sollten aber eine Chance haben.

I.

Bei den Beiträgen von W. Küttler, R. Eckert und K. H. Blaschke handelt es sich um Referate für die Tagung „Zur Geschichte der SBZ 1945-1949“, die im November 1991 von der Fachgruppe Geschichtswissenschaft der Gesellschaft für Deutschlandforschung unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Fischer, Bonn, veranstaltet wurde. Diese und weitere Referate werden, in z. T. erweiterter Fassung, in einem Sammelband dokumentiert, der voraussichtlich im Herbst dieses Jahres im Verlag Duncker & Humblot, Berlin, erscheinen wird.

Wenn es um die inhaltlichen Schwerpunkte des Neubeginns der Geschichtswissenschaft in Ostdeutschland nach dem Umbruch von 1989 geht, dann wird ein Thema von den verschiedensten Seiten immer wieder genannt: die gründliche Aufarbeitung der Vergangenheit in einem historischen Systemvergleich seit der Weimarer Republik -das heißt nicht nur die Analyse des realsozialistischen Systems in der DDR für sich oder mit Bezug zu anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks und auch nicht nur synchron zur Bundesrepublik, sondern im historischen Längsschnitt auch zum nationalsozialistischen Regime und zur ersten deutschen Republik Dieses Thema ist zwar durch die Erfahrungen aus der Zeit der DDR und im Umbruch für Geschichtsinteresse und Geschichtsorientierung in den neuen Bundesländern spezifisch; es betrifft jedoch darüber hinaus die historische Identität des wieder geeinten Deutschlands überhaupt und ist insofern Teil eines älteren und allgemeineren Problems, das schon ein Kernpunkt des Historikerstreits in der alten Bundesrepublik 1986/87 war

Für Fragen nach deutscher Identität ähneln sich -wenn auch einander in vielem völlig ungleich -die Umbrüche 1945 und 1989. Zumal im Kontext von Untersuchungen, die sich mit der Geschichte der sowjetischen Besatzungszone 1945-1949 befassen, erscheint der Vergleich mit der Situation der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 als sehr naheliegend, könnte man das Thema „Neubeginn nach dem Zusammenbruch“ auch komparativ verstehen -als Problem des Vergleichs unterschiedlicher Umbruchserfahrungen deutscher Historiker-generationen

In diesen übergreifenden Kontext gehören auch Überlegungen zur geschichtswissenschaftlichen Situation nach dem Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ in der DDR und damit auch nach dem Ende der DDR-Geschichtswissenschaft als selbständiger Größe. Zum einen deshalb, weil die Argumente des Streits um die DDR-Historiographie wie um die DDR-Historiker sehr oft an den Anfang dessen erinnern, was 1989 sein Ende fand. Denn dorthin reichen auch die biographischen Prägungen gerade jener Historikergeneration zurück, um die heute der Streit geführt wird -z. B. wenn es um die Qualität des damals so stark motivierenden Antifaschismus, um die sozialistischen Ideale der Gründerzeit der DDR und um ihre stalinistischen Beimischungen geht, die von Anfang an sehr stark waren. Die Ostdeutschen insgesamt und die dort geprägten Historiker -vor allem die ältere Generation und durch sie vermittelt auch die jüngere -haben zweierlei schwierige Vergangenheit zu bewältigen und zwei tiefgreifende Systembrüche zu verarbeiten. Zum anderen spricht das Argument der gemeinsamen Vergangenheit der deutschen Geschichtswissenschaft in beiden jetzt wieder vereinigten Teilen für eine Retrospektive auf die Zeit nach 1945. Damals wie heute geht es um die ganze Historiker-zunft, auch wenn der gravierende Unterschied besteht, daß der eigentliche Umbruch diesmal nur einen Teil des Ganzen anzugehen scheint. Wolfgang Mommsen sprach es bei seiner Eröffnungsrede auf dem 38. Historikertag in Bochum Ende September 1990 sehr klar aus, daß die westdeutschen Historiker in vieler Hinsicht ebenfalls von den Umstrukturierungsprozessen betroffen sind und zunehmend sein werden Inhaltlich, institutionell und personell geht es um die ganze deutsche Geschichtswissenschaft, ihre Strukturen, Perspektiven, Prinzipien und Richtungen; ferner um die Art und Weise, wie die Historiker sich im präzedenzlosen Prozeß der Einigung, in dessen innerer Gestaltung und äußerer Integration im größeren europäischen Rahmen orientieren, wie sie sich den Chancen und Gefahren stellen, die dieser Prozeß mit sich bringt

In diesem Sinne ist meine These, daß es einen Zusammenhang gibt zwischen der Art des Neu-beginns von 1945 in beiden Teilen Deutschlands und den inhaltlichen wie individuellen Voraussetzungen der Situation nach 1989. Wie schon erwähnt, erhebt sich die deutsche Identitätsfrage als Problem des Umgangs mit unserer Vergangenheit -so nicht zuletzt die Thematik des Historikerstreits von 1986 -heute für alle deutschen Historiker in ganz anderen Dimensionen und damit auch vor den Historikern der alten Bundesländer. Zusammenbruch und Neubeginn der Geschichtswissenschaft in Ostdeutschland ist darüber hinaus ein Teil des größeren Themas „Umbruch in Mittel-und Osteuropa“ als Herausforderung für Geschichtswissenschaft und Geschichtsbewußtsein im nationalen und europäischen Zusammenhang

Es gilt also zu unterscheiden zwischen dem Zusammenbruch und Neubeginn im Osten Deutschlands und dem Umbruch mit neuartigen Konsequenzen des Geschichtsdenkens für alle Deut-sehenund für alle Historiker; es ist höchste Zeit, beides im Zusammenhang zu diskutieren.

Die Historiker sind allenthalben und zumal in Deutschland -leider allerdings oft in verhängnisvoller Weise -eine höchst politische Zunft gewesen und werden das sicher auch bleiben. Sich einmischen in die politischen Geschäfte, ist immer eines der Berufselixiere der Jünger oder auch Priester Klios gewesen, um den Buchtitel von Weber zu paraphrasieren In meiner Studie will ich ganz bewußt auf diese Situation von Geschichtswissenschaft in Deutschland heute eingehen, gewissermaßen als eine der Lehren aus einer ersten, sehr vorläufigen „Bilanz nach dem Zusammenbruch“, also dem Ende der DDR, im Kontext deutscher Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts. Denn ich meine, diese Bilanz kann -positiv gewendet und zukunftsträchtig -auch verstanden werden als der Versuch einer Perspektivbestimmung deutscher Historiographie nach 1989, gesehen aus der Sicht der Erfahrungen des Zusammenbruchs von Staat, Gesellschaftssystem, staatsoffiziellem Marxismus-Leninismus und Geschichtswissenschaft als Institution dieses Systems im Osten Deutschlands.

Thematische Schwerpunkte bleiben in meinen Ausführungen die Krise, der Zusammenbruch und die Möglichkeiten des Neubeginns von historischer Forschung und Lehre auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Aber der retrospektive und der perspektivische Blick soll dabei im Vergleich auch auf die Gesamtentwicklung der Historiographie in Deutschland gerichtet werden. Versuche von Bilanzen gibt es inzwischen viele: aus der Feder westdeutscher und ostdeutscher Kollegen, in journalistischen Feuilletons und auch im heftigen Medienstreit Dabei überwiegen emotionale Haltungen wie Anklage und Verteidigung; die tiefer--lotende Analyse kommt noch zu kurz, was bei der Brisanz des Themas und dem aktuellen Streit von Interessen und um Existenzen wohl unvermeidlich ist.

Bilanz ist in diesem Kontext dreierlei: erstens Bilanz der bisherigen DDR-Historiker im Umbruch hinsichtlich der Probleme von Verantwortung und Vergangenheitsbewältigung, d. h. im Hinblick auf die Zerfallskrise einer Historiographie, die an das. vergangene System gebunden war; zweitens Bilanz der DDR-Historiographie als Bestandteil deutscher und internationaler Geschichtswissenschaft, wobei es um die Gesamtentwicklung dieser Historiographie in den 40 Jahren ihres Bestehens, um die Substanz des Geleisteten und die Auswirkungen der Fehlentwicklungen und Belastungen im Hinblick auf den Inhalt, den Erkenntnisgewinn und auch um den Substanzverlust von Geschichte als Wissenschaft geht; drittens Bilanz der Anfänge des Neubeginns, d. h. die möglichen Perspektiven der Neugestaltung in einem ersten Versuch der Zwischenbilanz in einem noch offenen Prozeß.

In allen diesen Punkten war ich selbst vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten ein aktiv Beteiligter, war exponiert in der Theorie-und Methodenentwicklung engagiert und trage somit auch Verantwortung für das, was hier zur Debatte steht. Diese Verantwortung ist immer konkret und sehr unterschiedlich in jedem einzelnen Fall. Einige Arbeiten enthalten, lese ich sie heute, viel Inakzeptables; an anderes möchte man anknüpfen, und wieder anderes enthält Irrtümer, zu denen jeder Wissenschaftler das Recht hat -ein Recht, das freilich unter den Bedingungen der DDR und angesichts der Folgen des Meinungsmonopols einer einzigen Richtung selbstkritisch gesehen werden muß.

II.

Hinsichtlich der gesamten Entwicklung der DDR-Historiographie werden überwiegend drei Thesen als Erklärungsversuche für ihre Widersprüchlichkeit wie auch für die differenzierte Verantwortung der einzelnen vertreten: erstens die Instrumentalisierungsthese, von den Betroffenen in frühen, vorsichtig selbstkritischen Erklärungen dahingehend zusammengefaßt, die Historie dürfe nicht mehr wie bisher Magd der Politik sein; zweitens die These von der Herrschafts-und Legitimationswissenschaft, wodurch kreative Geschichtsforschung, Lehre und Geschichtsschreibung verkommen seien; drittens die Wüste-Oase-Theorie bzw. Nischenkonzeption, wonach wirkliche Wissenschaft nur als bewußt oder unbewußt von Politik und Weltanschauung verschonter, abgetrennter Fremdkörper in einem ansonsten wissenschaftsfremden und wissenschaftsfeindlichen System habe existieren können

Alle drei Thesen sagen jeweils etwas Richtiges aus, sind aber auch wieder einseitig und klischeehaft, verstellen den Blick auf ebenso wichtige andere Aspekte und reißen damit wesentliche Zusammenhänge eher auseinander. Ihre kritische Befragung ist daher grundsätzlich wichtig für die hier vorzunehmende Bilanz der in der DDR entstandenen und geprägten Historiographie. Die Versuche erster Antworten betreffen die drei Grundfragen des Themas: 1. Worin bestehen Schuld, Verantwortung, Verdienst und Leistung? 2. Welche Wissenschaftssubstanz birgt das Erbe der DDR in bezug auf die Geschichte? 3. Welche Chancen sind für die gesamtdeutsche Geschichtswissenschaft zu bilanzieren? 1. Die Verantwortung der DDR-Historiker Die Instrumentalisierungsthese bezieht sich primär auf die moralisch-politische Seite des Problems. Sie kann anklagen und entlasten und muß daher genau mit der Systemwirklichkeit verglichen werden. „Instrument“ sein bedeutet, als Mittel zum Zweck zu funktionieren, selbst mehr passiv denn aktiv einem fremden Meister zu dienen oder von diesem zum Dienst gezwungen zu werden. Diese Funktion wurde den DDR-Historikern seit Durchsetzung der Parteiherrschaft der SED tatsächlich zugedacht. Im ganzen wurden Forschung, Lehre und Geschichtsschreibung Instrumente einseitiger Parteilichkeit und Parteiherrschaft. Es war eine Indienstnahme nicht schlechthin für wechselnde und verschiedene, miteinander konkurrierende politische Zwecke, sondern der Dienst und die Indienstnahme für eine einzige Partei Darin bestand das besondere, modernen Wissenschaftstraditionen im Prinzip widersprechende Merkmal, das von den Historikern wie auch von den anderen mit Geschichte, Kultur und Gesellschaft befaßten Disziplinen besonders zu verantworten ist.

Die DDR-Historiographie war von Anfang an und trotz aller schließlich erreichten, international akzeptierten Professionalität vieler ihrer Teilgebiete zugleich Staats-und Parteihistorie, gewissermaßen Haus-, Hof-und Staatsaktion zum Ruhme des Regimes und seiner Repräsentanten, wie auch methodisch geregelte, rational betriebene Geschichtswissenschaft, Bestandteil der nationalen und internationalen Wissenschaftsentwicklung

Dieser Widerspruch zwischen einseitiger Parteihistorie und wirklicher Wissenschaft ist schwer zu begreifen und zu erklären; er hat auch kritischen Beobachtern von außen immer wieder Schwierigkeiten der Interpretation bereitet. Das aus der von vornherein gegebenen Widersprüchlichkeit zwischen einseitiger Idealisierung und Verwissenschaftlichung erwachsene Dilemma ist nun, da die stützende und manches schützende Hülle eines lange Zeit stabil erscheinenden Systems und der Rahmen eines politisch abgesicherten Theorien-und Meinungsmonopols gefallen sind, eigentlich der Grund für die tiefe moralisch-ethische und politische Krise der ehemals etablierten Zunft

Die erste Frage einer „Bilanz“ nach dem Zusammenbruch ist also die der Verantwortung für diesen Zusammenbruch und seine Konsequenzen.

Es geht angesichts des hohen wissenschaftspolitischen Einsatzes und der existentiellen Fragen immer auch um Be-und Entlastung der einen oder der anderen, schließlich auch um Verdammung des Ganzen durch äußere und innere Kritiker oder um trotzig-aufbegehrende Widerstandshaltung im Niederlagenbewußtsein der besonders Betroffenen. In dieser Hinsicht birgt die These von der „Instrumentalisierung“, von der Magd-Funktion, zweierlei Einseitigkeit: Erstens delegiert sie die Verantwortung nach oben und außen -auf die Partei, den Staat, die jeweils höheren Leitungen und nicht selten überhaupt von der DDR auf deren Fremdbestimmung durch die Sowjetunion.

In der Tat war jedoch das Dulden, Mittragen und Mitgestalten dieser „Instrumentalisierung“ personell -nach* Fachgebieten und Generationen sehr differenziert und sehr verschieden -oft auch innerhalb von Institutionen, Forschungsrichtungen und sogar einzelnen Biographien zugleich vorhanden. Die aktive Rolle der Historiker als eines politisch engagierten Teils der Elite des Systems ist damit weder zu leugnen noch zu verwischen. Zum einen sollten hier die guten Seiten nicht vergessen werden -der Schwung des antifaschistischen Neubeginns, der Aufbruch ehrlicher sozialistischer Ideale, die Aufopferung für den Aufbau einer neuen Form von Geschichtswissenschaft in Deutschland. Wer das Recht auf eine eigene Geschichte für alle Individuen und Gruppen bejaht, muß auch diese Identität einer ganzen Generation zunächst jedenfalls akzeptieren, genauso wie die Historiker der ehemaligen DDR heute auch -was ebenfalls oft schwer fällt -die harte Kritik genau anhören und aushalten sollten, die ihnen aufgrund der Systemfunktion, die sie nun einmal hatten, entgegenschlägt. Nichts geleugnet werden darf also zum anderen auch im Bösen: die Intoleranz einer ungeduldigen Revolution, die Verballhornung und Vereinseitigung des Geschichtsbildes, das verhängnisvolle Vermischen von Weltanschauung und Wissenschaft, von Seinsollen und Wirklichkeit, die nicht nur politische, sondern auch theoretische und methodologische Intoleranz. Nur der Hinweis auf „Instrumentalisierung“

kann als Erklärung also auch zur Apologie geraten, wo doch die eigene Verantwortung unabweisbar ist

Die andere Gefahr ist gegensätzlicher Art: Es wird mit dieser These nämlich unterstellt, DDR-Historiographie habe nur als ein solches Instrument gedient, und das sei auch nur bei Historikern der Ostblockländer möglich gewesen. Damit wird die Verknüpfung von Politik und Historie verkannt, wie sie überall besteht. Nicht nur gerät dann die besondere Belastung einseitiger Parteiabhängigkeit aus dem Blick, sondern auch der Umstand, daß Geschichte immer eine politische Funktion hat, auch im Westen, wenn es sich nicht um reine Stoffhuberei handeln soll, und daß substantielle Geschichtswissenschaft ein solches Engagement nicht ausschließt, sondern ebenso damit verbun-den ist wie mit theoretischen und konzeptionellen Vorannahmen

Es gab Wissenschaft in der DDR also nicht nur außerhalb politischer Orientierung oder Fixierung, sondern auch zusammen mit politischem Engagement. Einfach nur von „ideologischer“ und „politischer Belastung“ zu sprechen, ist darum zu einfach. Es geht bei der spezifischen Vergangenheitsbewältigung immer um die einseitige politische Monopolisierung, das Monopol einer Weltanschauung und deren unkritische, andere schädigende Ausübung -nicht um Politik und weltanschauliche Werte schlechthin, ohne die Historie nicht betrieben werden kann und die überall in einem Spannungsverhältnis zu den Normen der Wissenschaft stehen 2. Herrschaft und Wissenschaft Diese Bemerkung führt zum zweiten Hauptgesichtspunkt einer Bilanz: zur legitimierenden Rolle der DDR-Historiographie in ihrer Gesamtentwicklung. Was bedeutet es wissenschaftstheoretisch und -geschichtlich, wenn apodiktisch festgestellt wird: Sie war Herrschaftswissenschaft im SED-Staat?

Im Sinne eines vorwiegend und einseitig befolgten Legitimierungsauftrags trifft die damit verbundene Aussage zunächst zu. Die führenden Kreise benutzten Geschichte als direkte Rechtfertigung ihrer Politik. Politische Entscheidungen, Parteibeschlüsse galten als gesetzte Norm. In ihre „Weisheit“ war einzudringen, sie sollten also zugleich als Erklärungsmuster vor allem für die DDR-und Zeit-sowie für die Partei-und Arbeiterbewegungsgeschichte -vermittelt aber auch für alle anderen Bereiche -dienen Gerade damit war aber auch verbunden, daß DDR-Historiker die andere Bedeutung von „Herrschaftswissenschaft“ niemals ausfüllen konnten und durften: nämlich wirklich historisches Wissen für die Realisierung und Gestaltung in der Gesellschaft, für eine effektive Ausübung von Herrschaft bereitzustellen. Wer das kritisch wagte, bekam es sehr bald mit dem Machtmonopol der Führungskreise in Partei und Staat zu tun Daß so etwas in den Geistes-und Sozialwissenschaften nicht oder kaum möglich war, ist ja einer der Gründe für das Scheitern des Systems, für seine Innovationsunfähigkeit.

Dennoch betrifft das Verdikt der Herrschafts-und Legitimationswissenschaft zentral auch die wissenschaftsinterne Substanz. Der Legitimationsauftrag betraf nicht nur die öffentliche Funktion, sondern auch den Forschungsinhalt und die Intention der erzeugten Historiographie selbst, mehr noch aber die Lehre an den Universitäten und ganz und gar den Schulunterricht. Hier hat dieses Verdikt zweifellos seine Berechtigung. Aber auch die professionelle Forschung war einbezogen, wobei es wiederum um die Einseitigkeit der Beziehung zur Politik und um deren oft grob wissenschaftsfremde Haltung geht. Denn die Gegenfrage ist auch hier angebracht, wo denn Historie ganz ohne Legitimation herrschender Politik auskommt. In der DDR ging es jedoch um das Monopol einer ganz bestimmten Legitimationsrichtung, das auch die Felder anerkannter Forschung einschloß. Gerade auch die mit einer gewissen Öffnung der Forschungs-und Diskussionsspielräume verbundene erweiterte Erbe-und Traditionserschließung seit Ende der siebziger Jahre zeigt diese Funktion in aller Deutlichkeit

Zweifellos waren die jetzt immer aufwendiger veranstalteten Kampagnen einer politisch intendierten Jubiläumshistorie sichtbarer Ausdruck der Herrschaftslegitimation und der Verbrämung aktueller Politik. So hatte die langfristige Vorbereitung des Luther-Jahres 1983 unter der Schirmherrschaft von Erich Honecker zweifellos damit zu tun, die parteigemäße Auffassung von einer „Kirche im Sozialismus“ kultur-und wissenschaftspolitisch umzusetzen; und so wies die Preußen-Debatte von Anfang an in den Versionen, die ihr hochgestellte Politiker gaben, ganz unabhängig von den persönlichen wissenschaftlichen Vorstellungen der beteiligten Historiker auch jenen Hang zur Law-and-order-Schau, zum realsozialistischen „ora et labora“ mit dem Segen der „preußischen Tugenden“ auf, den unbefangene 1989 Beobachter von außen vor -sehr zum Erstaunen der DDR-Historiker -als durchaus im Gegensatz zum revolutionären und demokratischen Anliegen des klassischen Marxismus und der Arbeiterbewegung sahen

Dieser Legitimierungszwang von außen wurde jedoch durch das ehrliche Bedürfnis vieler ergänzt, durch ihre Arbeit wirklich zur Legitimierung eines Systems beizutragen, mit dem sie sich von Anfang an -manche unbedingt, manche kritisch -identifiziert hatten. Mit der wachsenden Krise und Überlebtheit des Systems mehrten sich auf diese Weise Tendenzen der dogmatischen Abschottung, der Sterilität und fehlenden Innovationsbereitschaft auch innerhalb der Forschung und Lehre -so z. B. in bezug auf neue Trends der Sozialgeschichte in den siebziger Jahren, der Alltags-und Mentalitätsgeschichte in den achtziger Jahren

Diese Tendenzen wirkten sich stärker noch konzeptionell und hinsichtlich der Wertorientierung der Historiographie aus. Am intensivsten ist dieses Problem in bezug auf die Defizite des Antifaschismus diskutiert worden, der zweifellos zu den prägenden Impulsen der Gründergeneration der DDR-Historiographie zählte. In der offiziösen Auffassung und Handhabung wurde er dann aber ein für allemal staats-und parteieigen, brauchte nicht immer aufs neue erworben, erinnert und er-stritten zu werden; der Faschismus wurde auf die herrschenden Klassen von einst delegiert und der reale Sozialismus für die DDR einfach teleologisch gesetzt

Diese schweren Belastungen festzustellen, beantwortet aber noch nicht die andere substantielle Frage: Womit und wie hat die DDR-Historiographie in den unterschiedlichen Phasen ihrer Existenz die deutsche und internationale Geschichtswissenschaft beeinflußt, d. h. ihr Impulse gegeben und neue Erkenntnisse eingebracht? Das betrifft wiederum die DDR-Geschichtswissenschaft als Ganzes ebenso wie ihre Vertreter und Generationen in deren biographischer Differenziertheit. Beides reicht weit in die vergangenen 40 Jahre und z. T. bis 1945 zurück, ist also eine Frage der wissenschaftsgeschichtlichen Gesamtbilanz. Diese ist viel schwieriger als jede aktuelle Meinungsbildung; sie kann und sollte aber jetzt schon -wenn auch noch in ersten, unzulänglichen Versuchen -in Angriff genommen werden. Denn diese können helfen, die Debatte zu versachlichen. Es gehört zu den konsensfähigen Prämissen einer jeden historischen Betrachtungsweise, daß ein beliebiger Vorgang nicht allein vom Ende her beurteilt werden kann. Wie für 40 Jahre DDR, so gilt das auch für ihre Geschichtswissenschaft

So gesehen bedeutet eine Bilanz also, nach dem Platz dieser Form von Geschichtsforschung und Historiographie in der „Ökumene der Historiker“ zu fragen -ganz in dem Sinne, wie es K. D. Erdmann mit der Beschreibung dieses Phänomens anhand der Geschichte der internationalen Historikerkongresse herauszuarbeiten versucht hat: nämlich die Interdependenz zweier verschiedener und gegensätzlicher Auffassungen von Geschichtswissenschaft in einer scientific community aufzuzeigen, wie sie sich seit den beginnenden sechziger Jahren zwischen den Historikern aus Ost und West ausgeprägt hatte

Der Neubeginn nach 1945 brachte in der SBZ und dann in der DDR zugleich Verluste wie Impulse für eine neue Geschichtswissenschaft in Deutschland. Die Verluste ergaben sich zunächst vor allem aus der Abwanderung oder Verdrängung des bisher vorhandenen geistigen Potentials, in der schrittweisen Errichtung des Themen-, Methoden-, Forschungs-und Darstellungsmonopols der parteigestützten marxistischen Richtung. Diese wurde von einer Generation getragen, die es zweifellos mit dem Neubeginn nach dem Faschismus ernst meinte, mit den verhängnisvollen Traditionen deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert rigoros brechen wollte und sich auf eine zugleich demokratische und sozialistische Perspektive orientierte. Dieser Neubeginn mündete sehr bald in die Ausgrenzung nichtmarxistischer Geschichtsforschung und Lehre; er war gleichzeitig von Anfang an auch schwer durch stalinistische Deformationen des Marxismus selbst belastet. Aber er brachte einen später auch wissenschaftlich zu Buche schlagenden Vorsprung im Bruch mit konservativen Paradigmen der deutschen Historiographie, in der Gegenstandserweiterung auf sozialökonomische, klassengeschichtliche und revolutionär-demokratische Aspekte der deutschen Geschichte

Was also von außen als Bruch mit den Traditionen der Wissenschaft überhaupt erschien und auch mit düsteren Methoden der geistigen Intoleranz, der inquisitorischen Aburteilung abweichender Auffassungen und der grobschlächtigen Vereinseitigung des Geschichtsbildes einherging, erwies sich auch als Startbedingung für eine andere Sicht und Forschungsorientierung, die zweifellos als produktive Herausforderung wirkte.

Bisher wenig beachtete oder völlig verdrängte Aspekte -die Revolutionsgeschichte von 1848/49, ihre Vorläufer und Ergebnisse, die Arbeiterbewegung, die demokratischen Traditionen der neuzeitlichen deutschen Geschichte -wurden, wenn auch einseitig, selektiv und mit überhöhtem politischen Legitimierungsstreben im Hinblick auf das aktuelle Geschehen in der Sowjetischen Besatzungszone und in der frühen DDR, jetzt in den Mittelpunkt von Forschung und Lehre gestellt. Hier konnten eine Zeitlang namhafte Vertreter der alten Schule wie Karl Griewank anknüpfen, und hier wäre auch ein breites, pluralistisches Spektrum zu integrieren gewesen, hätten nicht die gegenläufigen Tendenzen der kommunistischen und marxistisch-leninistischen Gleichschaltung sowie die -zweiseitig wirkenden -Begleiterscheinungen des Kalten Krieges derartige Ansätze von vornherein schwer belastet und z. T. mit tragischen Folgen für die einzelnen (Nichtweiß, Lintzel, Griewank) gänzlich verhindert

Auch und gerade auf so brisanten und politiklastigen Feldern wie der Geschichte der beiden Weltkriege sowie der Analyse des Faschismus wurden in den fünfziger und sechziger Jahren Ansätze herausgearbeitet, die dann auch auf die internationale Forschung Einfluß hatten Der amerikanische Historiker Konrad Jarausch hat -um ein gewichtiges Beispiel zu nennen -erst kürzlich in einer Studie über das Versagen des ostdeutschen Antifaschismus klar akzentuiert, daß zunächst wichtige Anregungen aus der rigorosen Faschismuskritik der DDR-Historiographie kamen -hinsichtlich der ökonomischen Faktoren der Rolle von Industrie und Banken, der Leistung des kommunistischen Widerstands usw.

Der Impuls dieses gewiß insgesamt schwer belasteten Neubeginns, der das Prägezeichen des Stalinismus deutlich erkennen ließ, war also zweifellos auch mit einem Schritt zur produktiven Veränderung der Geschichtswissenschaft in Deutschland verbunden -als bewußte und sehr einseitige Kampfansage an die bis in die fünfziger Jahre vorherrschende konservative Kontinuität der westdeutschen Historiographie. Dort nämlich war die Wahrung der Tradition mit dem Beharren auf dem bisherigen Historismus-Paradigma und damit der z. T.sehr dezidierten Abgrenzung gegenüber anderen Forschungsrichtungen in West-und Osteuropa bezahlt worden

Bereits mit den sechziger Jahren prägte sich die dominierend gewordene marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft voll als professionelle Disziplin aus, entwickelte traditionelle und neue Branchen und Teildisziplinen, brachte auch erste Synthesen als Ergebnis konzeptioneller Orientierung und entsprechender konkreter Forschungen hervor. Seit Ende der sechziger Jahre gewann dieser Vorgang eine neue Qualität, und zwar verursacht durch inner-und außerwissenschaftliche Entwicklungen, die A. Fischer und G. Heydemann in ihrer Einleitung zum ersten Band von „Geschichtswissenschaft in der DDR“ umfassend und zutreffend beschreiben Wichtig ist vor allem, zu betonen, daß auch die Herrschafts-und Legitimierungsfunktion der Geschichte für das System selbst mit dessen weiterer realgeschichtlicher Differenzierung und Ausformung eine wissenschaftliche Professionalisierung erzeugte, ja unvermeidlich hervorbringen mußte -

nicht nur für die internationale Reputation, sondern auch zum Zwecke der inneren Stabilisierung.

Diese Ziele waren unter modernen Wissenschaftsbedingungen nämlich nur dadurch wirksam zu verfolgen, daß Wissenschaft in bestimmten Grenzen ernstgenommen und gefördert wurde. SED und DDR-Staat belasteten und behinderten die Geschichtswissenschaft nicht nur, sondern sie förderten sie auch -nicht etwa nur im Sinne einseitiger „Kaderpolitik“ und Aufblähung der Partei-*und DDR-Geschichte, sondern auch dadurch, daß seriösen wissenschaftlichen Richtungen Mittel-und Aktionsmöglichkeiten bereitgestellt und ihnen in bestimmten Grenzen auch Freiraum für wissenschaftlichen Meinungsstreit, später zunehmend auch internationale Kontakte eingeräumt wurden.

Alles immer unter den Prämissen des Systems und seiner Ausleseprinzipien, aber dennoch auch oft mit dem Resultat, daß günstige Bedingungen für die Forschung geschaffen wurden

Eine inhaltliche Analyse dieser innerwissenschaftlichen Fortschritte kann hier nicht erfolgen. Wirtschafts-und Agrargeschichte, sozialgeschichtliche Aspekte der mittelalterlichen Geschichte (Hanse-forschung, Stadtgeschichte), Forschungen zur alten Geschichte, wichtige Bereiche der frühneuzeitlichen deutschen Geschichte (Reformation und Bauernkrieg, These der frühbürgerlichen Revolution), die Geschichte der bürgerlichen Revolution von 1848/49 und die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft (preußische Reformen, Vormärz, reformerischer Weg der bürgerlichen Umgestaltung), die Geschichte und Vorgeschichte der beiden Weltkriege und trotz vieler gravierender Defizite auch die Imperialismus-und Faschismus-forschung sind hier zu nennen

In diesem Kontext sind folgende Punkte besonders hervorzuheben: Erstens wurden Erkenntnisgewinne und akzeptierte wissenschaftliche Leistungen durchaus nicht nur oder vorwiegend am Rande oder jenseits des Marxismus und seiner offiziellen Interpretation, sondern in vielen Gebieten in deren Rahmen -als Impuls und Grenze zugleich -erzielt. Was Georg Iggers für die Sozialgeschichte feststellt, gilt für die DDR-Geschichtswissenschaft gerade in ihren Leistungsfeldern allgemein: Die von ihm neu herausgegebenen Texte der DDR-Sozialgeschichtsforschung „sind in ihren Grundannahmen marxistisch oder wenigstens dem geistigen Erbe des Historischen Materialismus verpflichtet... Ich glaubte, wie ich auch jetzt noch glaube, daß die in diesem Band repräsentierte Geschichtsschreibung gerade wegen ihrer marxistischen Sichtweise einen Beitrag zur gegenwärtigen internationalen Sozialgeschichte zu leisten vermag.“ Diese Einschätzung betrifft im genannten Sammelband so unterschiedliche Autoren wie Jürgen Kuczynski, Helga Schultz, Hartmut Zwahr, Jan Peters und Hartmut Harnisch und sie bezieht sich natürlich nicht auf die staatsoffizielle Doktrin und deren parteiamtliche Auslegung, sondern auf kreativ in der Forschung eingesetzte marxistische Theorie und Methode.

Dieses Urteil könnte -sicherlich mit entsprechenden anderen Gewichtungen und Belastungen-auch auf die umfangreichen Forschungen zur deutschen Geschichte des 16. Jahrhunderts bezogen werden, die ohne den theoretischen Interpretationsrahmen der Konzeption der „frühbürgerlichen Revolution“ nicht zu denken wären und es träfe ebenso auf die revolutionsgeschichtlichen Arbeiten zu 1848/49, zur bürgerlichen Umgestaltung und Modernisierung im 19. Jahrhundert wie zu den neuzeitlichen bürgerlichen Revolutionen insgesamt zu Die formationsgeschichtlichen und revolutionstheoretischen Ansätze, die sich an Marx, Engels und auch Lenin orientierten, sind für die erzielten Ergebnisse auf beiden Forschungsfeldem mit konstitutiv -sowohl in ihrem anerkannten Erkenntnisgewinn, der nicht neben der angewandten Theorie steht, wie oft behauptet wird, als auch in ihren Grenzen: der System-und Machtfixiertheit, der einseitigen Sichtweise auf die Fortschrittskraft von Revolutionen, der Überforderung der Rolle der Massen in der Geschichte, der Unterschätzung von Ideen, Normen und Werten als systemprägende Faktoren. Diese kritischen Einschränkungen sind ebenso an die Adresse der in dieser Phase stark intensivierten fachmethodologischen und theoretischen Bemühungen, d. h. in diesem Falle u. a. auch an meine eigenen Arbeiten zu richten

Mit dieser Entwicklung verstärkten sich zweitens auch die Konvergenzen und kompatiblen Forschungsfelder der west-und ostdeutschen Historiographie. Als Rahmenbedingung wirkte dafür die Entspannungspolitik nach 1970, als innerwissenschaftlicher Impuls die Veränderungen der Gegenstandsfelder und Konzepte auf beiden Seiten Es gab eine gewisse Interdependenz zwischen der marxistischen Debatte über die ökonomischen Gesellschaftsformationen einerseits und der westlichen Diskussionen zur Sozialwissenschaft und Geschichte andererseits, der Momente sowohl der Annäherung als auch der fachspezifischen Auseinandersetzung in konkreten Forschungsfragen entsprachen. Allerdings war die damit beginnende Kommunikation nach wie vor durch Vorurteile, Abschottung und ideologische Ausgrenzung seitens der Wissenschaftspolitik der DDR, aber auch durch entsprechende Vorbehalte und pauschale Negation von westlicher Seite belastet

Jedenfalls begann damit drittens der schwierige Prozeß einer vorsichtigen internationalen Öffnung der DDR-Geschichtswissenschaft, der wiederum ambivalente Tendenzen aufwies: Auf der einen Seite ermöglichte die wachsende Kommunikation mit der westlichen Historiographie auch größere Chancen für die Forschung, auf der anderen Seite verschärfte sich der innere Selektionsdruck, was etwa in den „Reiseprivilegien“ nur für eine Minderheit etablierter Wissenschaftler zum Ausdruck kam.

Viertens entwickelte sich die DDR-Historiographie auch im Vergleich zu den anderen osteuropäischen Ländern auf eine besondere Weise. Die enge Interdependenz zur westdeutschen Geschichtswissenschaft erzwang -bei allen damit verbundenen zusätzlich politischen Belastungen -doch langfristig eine größere wissenschaftspolitische Flexibilität als beispielsweise in der Tschechoslowakei nach 1968, in der Sowjetunion selbst, in Rumänien und Bulgarien. Andererseits konnte sich in der DDR eine oppositionelle Historiographie nie entfalten, und es fehlten auch weiterwirkende nichtmarxistische Schulen und Institutionen wie z. B. in Polen

Insgesamt ergaben sich damit sehr widersprüchliche Voraussetzungen, mit denen die DDR-Historiographie nach 1985 in die nunmehr offenkundige Systemkrise eintrat. 3. Schwieriger Neubeginn Damit ist das dritte hier zu behandelnde Problem berührt: das der weiteren Perspektiven, die sich aus der Bilanz als Chancen und Belastungen des Neubeginns ergeben. Zunächst ist festzustellen: Die DDR-Historiographie als solche ist am Ende, ihre Institutionen sind oder werden aufgelöst. Die Probleme, die aus ihrer Entwicklung erwuchsen, sind aber gravierend geblieben und wurden durch die Schnelligkeit der Einigung sowie durch die schroffe Wendung zu einem völlig anderen Wissenschaftssystem eher noch verstärkt.

Daher vor allem versagt die Theorie der Nischen und Oasen vor der Wirklichkeit dieser Landschaft, die sowohl voll bestellt als auch insgesamt krank war. Nischen und Oasen politikferner „reiner“ Wissenschaft gab es in der Tat, und sie waren auch, wie in den Diskussionen beschrieben, oft einzige Zuflucht derer, die, ohne die DDR zu verlassen, dennoch relativ abseits von der herrschenden Politik und unbehelligt ihre Wissenschaft betreiben wollten. Die behaglichen Nischen aber setzen schon vom Bilde her den öden, leeren Saal und die in größerer Zahl als angenommen gefundenen Oasen wiederum die allgemeine Wüste voraus. Das pauschale Verdikt über die DDR-Geschichtswissenschaft nebst anderen benachbarten Disziplinen bleibt bestehen: eigentliche Wissenschaft sei nur in der Entfremdung vom System möglich gewesen

Es war aber nicht so, daß die reine Wissenschaft, befreit von den Fesseln des Systems, wie ein Phönix aus der Asche der DDR erstehen konnte und daß ihre Repräsentanten die Erneuerung von selbst hätten betreiben können. Die Stimme der etablierten Historiker und überhaupt der Gesellschaftswissenschaftler blieb im Umbruch schwach. Sie beharrten in der Mehrheit selbst bei kritischer Aufgeschlossenheit darauf, daß sich der Sozialismus und die marxistische Geschichtswissenschaft erneuern würden und sollten, ohne zunächst den prinzipiellen Bruch der Kontinuität zu begreifen. Die Erwartungen der westdeutschen Kollegen waren in dieser Hinsicht offensichtlich zu hoch gespannt. Der Verbandsvorsitzende Wolfgang Mommsen sprach sie in Bochum Ende September 1990 nochmals nachdrücklich aus: „Die Überwindung der ideologischen Residuen des bisherigen Wissenschaftssystems in der DDR wird in erster Linie von den betroffenen Kollegen selbst geleistet werden müssen. Aber ohne die materielle und ideelle Hilfe von westdeutscher Seite wird dies nicht möglich sein.“

Diese Erwartung -das war zum Zeitpunkt des Bochumer Historikertags schon abzusehen und an den scharfen Auseinandersetzungen z. B. um den Sitz im Büro des Internatioalen Historikerkomitees beim Weltkongreß in Madrid kurz zuvor deutlich geworden -erfüllten die Kollegen der etablierten Historikerzunft aus der ehemaligen DDR zum großen Teil nicht. Viele Gründe sind dafür anzuführen: Verhaftetsein im alten System; Verzweiflung über das Scheitern aller Illusionen, es zu erneuern; Fixierung der eigenen Hoffnungen auf die Illusion eines dritten Weges zwischen dem westlichen System und dem gescheiterten „realen“ Sozialismus; Verbitterung bei den kritischen Geistern, die, aus dem ursprünglichen sozialistischen Impuls gekommen, diesem treu geblieben und gerade deshalb vom gewesenen Regime geschädigt worden waren, sich nun aber von neuen Präzeptoren und Siegern überrannt fühlten Der Zunft der DDR ging es 1989 ähnlich wie der alten deutschen Historikerschule beim Neubeginn von 1945 -sie begriff ihn nur teilweise, suchte sich abzuschotten Erst heftiger innerer und äußerer Druck mußte nachhelfen. Und nun droht der Kahlschlag neben der Ausdörrung infolge der tiefen Krise auf allen Gebieten und der nur zähflüssigen Erneuerung ebenso wie wegen der nicht so recht absehbaren Perspektiven neuer Strukturen an Stelle der aufgelösten Forschungsinstitute.

Dennoch haben zu Recht viele weitsichtige Betroffene und Beteiligte aus West und Ost die Chancen, die Möglichkeiten und die kreativen Potenzen eines gemeinsamen Neubeginns derer, die es wirklich wollen und sich auf das Wagnis einlassen, angemahnt In der Tat sind die Herausforderungen dazu groß, die von der allgemeinen Umbruchsituation der beginnenden neunziger Jahre herrühren. Keine der gängigen Schulen und Richtungen war und ist voll gerüstet, sie zu meistern. Hat der Marxismus, hat die an ihm und dem deformierten Zustand, den er in den osteuropäischen Ländern als Staatsdoktrin angenommen hatte, orientierte Historiographietradition, die aus der DDR kommt, eine Chance, hier kreative Beiträge zu leisten?

Die Chancen sind zur Zeit kurzfristig eher skeptisch zu beurteilen. Wirkliche Altlasten behindern ebenso wie die Befindlichkeit des Zeitgeistes, der eher einen völligen Kontinuitätsbruch empfiehlt. Auch die vorhandenen Oasen -als „Filetstücke“ leicht integrierbar -bringen den Neubeginn nicht, zumal sie oft tatsächlich theorieferne Forschungsgebiete betreffen. Auch bei den vielen anderen für förderungswürdig befundenen Projekten ist die Perspektive noch schwer auszumachen. Einige entstammen durchaus einer theorieorientierten, auf Marx rekurrierenden Wissenschaftsauffassung, oder sie orientieren sich an den Konzepten der Modernisierung, der historischen Sozialwissenschaft, der Alltagsgeschichte. Daneben stehen reine Empirie und auch Erscheinungen allzu rascher Kehrtwende, die nicht überzeugen konnten

Objektiv aber sind die Chancen gegeben, und ihre Wahrnehmung wäre ein wichtiger Schritt in die künftige deutsche Historiographiegeschichte. „Wenn es in absehbarer Zeit“, schreibt Winfried Schulze beim Resümee einer ersten Analyse der Debatten um die DDR-Historiographie, „eine gemeinsame deutsche Geschichtswissenschaft geben wird, für die jetzt die Weichen gestellt werden, sollte man sich der Erfahrungen dieses Jahrhunderts erinnern. Bei allem Vorrang der drängenden Tagesfragen, der sozialen Sicherung oder der politischen Überprüfung wird sich auch das Nachdenken über die neue Situation in unserem Land lohnen, die mit dem Verschwinden der bisherigen intellektuell oft genug sedierenden, zuweilen aber auch anregenden Alternative DDR’ entstehen wird.“ Das größere Deutschland werde an sich selbst und an die oft ängstlich berührten Nachbarn neue Fragen historischer Identität stellen; es gelte, die in der alten Bundesrepublik erreichte „erfreuliche europäische und internationale Orientierung zu bewahren, ja eher noch zu verstärken“ Ähnlich mahnte jüngst Jürgen Kocka -wie in Bochum schon Wolfgang J. Mommsen -an, daß mit dem Verschwinden des realen Sozialismus noch lange nicht die Probleme der Verwirklichung des westlichen Gesellschaftsmodells gelöst seien; seine Universalisierbarkeit stoße vor allem in der Dritten Welt an Grenzen. „Die Umbrüche von 1989/90“, schließt Kocka seine Bilanz daraus für die Konsequenzen der sozialgeschichtlichen Forschung, „haben den Blick auf diese welthistorischen Probleme freigemacht. Ein Ende der Geschichte ist ebenso wenig abzusehen wie ein Ende der historischen Theoriebildung.“ Es hängt also von der Initiative der einzelnen -der erneuerungsbereiten Älteren und mehr noch der Jüngeren -und vor allem auch von den schließlich gewährten Bedingungen ab, ob hierzu etwas aus der Entwicklung der ehemaligen DDR-Historiographie zu neuen Formen wachsen und sich profilieren kann.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. die konzeptionellen Ausführungen über künftige zeithistorische Forschungen, in: Wissenschaftsrat. Stellungnahme zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften, vom 5. 7. 1991 (Ms.), S. 74ff.; H. Weber, „Weiße Flecken“ in der DDR-Geschichtsschreibung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 11/90, S. 7ff.

  2. Vgl. vor allein M. Stürmer, Geschichte in geschichtslosem Land, und J. Habermas, Eine Art Schadensabwicklung. Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung, beide in: Historikerstreit. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen JudenVernichtung, München 1987, S. 36ff. und 62 ff.

  3. Beispiele für die Zeit bis 1945 geben u. a. F. Ringer, The Decline of the German Mandarins. The German Academic Community from 1890 to 1933, Cambridge, Mass., 1969; H. Schleier, Die bürgerliche deutsche Geschichtsschreibung der Weimarer Republik, Berlin (Ost) 1975, S. 257ff.; W. Weber, Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft 1800-1970, Frankfurt/Main 1985.

  4. Vgl. W. J. Mommsen, Rede zur Eröffnung des 38, deutschen Historikertages, in: Die 38. Versammlung deutscher Historiker, Stuttgart 1991, S. 10f.

  5. Vgl. J. Kocka, Die Geschichtswissenschaft in der Vereinigungskrise. Thesen zur Podiumsdiskussion über die Lage der Geschichtswissenschaft in der DDR auf dem Historikertag in Bochum am 27. 9. 1990, ebd., und Postskript März 1991, beides in: Initial, (1991) 2, S. 132ff.

  6. Vgl. J. Kocka, Revolution und Nation 1989. Zur historischen Einordnung der gegenwärtigen Ereignisse, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, XIX/1990, S. 479ff.

  7. Vgl. G. G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Her-der bis zur Gegenwart, München 1971.

  8. Vgl. W. Weber (Anm. 3).

  9. Vgl. W. Schulze, „Das traurigste Los aber traf die Geschichtswissenschaft“. Die DDR-Geschichtswissenschaft nach der „deutschen Revolution“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (GWU), (1990) 11, S. 683ff.; ferner die Materialien einer Tagung deutscher und amerikanischer Historiker in der Historischen Kommission Berlin am 10. /11. 12. 1990: K. H. Jarausch (Hrsg.), Zwischen Parteilichkeit und Professionalität. Bilanz der Geschichtswissenschaft der DDR, Berlin 1991; Umstrittene Geschichte. Beiträge zur Vereinigungsdebatte der Historiker. Zusammengestellt und bearbeitet von W. Geßner, in: Initial, (1991) 2; Wende welcher Geschichte?, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (ÖZG), 2 (1991) 1. Demnächst erscheint: R. Eckert/W. Küttler/G. Seeber (Hrsg.), Krise -Umbruch -Neubeginn. Eine kritische und selbstkritische Dokumentation der DDR-Geschichtswissenschaft 1989/90. Mit einem Nachwort von J. Kocka, Stuttgart 1992.

  10. Eine kritische Zusammenfassung der einschlägigen westdeutschen Pressestimmen geben W. Schulze, Das traurigste Los (Anm. 9), und K. H. Jarausch, Vom Zusammenbruch zur Erneuerung. Überlegungen zur Krise der ostdeutschen Geschichtswissenschaft. Einführung, in: Zwischen Parteilichkeit und Professionalität (Anm. 9), S. 13ff.; vgl. auch A. Graf, Wende und Wände. Zur Selbstfindung der (DDR-) Geschichtswissenschaft, in: ebd., S. 35 ff. Am schärfsten kritisch in dieser Richtung: Materialien des Unabhängigen Historikerverbandes der DDR, in: Initial, (1991) 2, S. 187ff.

  11. Vgl. dazu aus unterschiedlicher Sicht den Beitrag von K. Blaschke in diesem Heft; St. Wolle, Das Versagen der Historiker, in: Das Parlament vom 14. 9. 1990, S. 19f.; J. John/W. Küttler/W. Schmidt, Für eine Erneuerung des Geschichtsverständnisses in der DDR, in: Einheit, 44 (1989) 12, S. 146 ff.

  12. Vgl. H. Weber (Anm. 1); K. H. Jarausch (Anm. 10); H. Bleiber, 40 Jahre DDR-Geschichtswissenschaft -Leistungen und Grenzen, in: Österreichische Osthefte, 33 (1991), S. 556ff.; W. Küttler, Zwischen Wissenschaft und Staatsaktion. Zum Platz der DDR-Historiographie in der „Ökumene der Historiker“, in: Initial, (1991) 2, S. 142ff.

  13. Vgl. R. Eckert/W. Küttler/G. Seeber (Anm. 9), Teil II: Krise und Umbruch der DDR-Geschichtswissenschaft; F. Klein, Was wird aus der Wissenschaft der DDR, in: Das Parlament vom 14. 9. 1990, S. 19.

  14. Vgl. K. H. Jarausch (Anm. 10), bes. S. 21 ff.

  15. Das Problem verdeutlichen Beispiel des am Berlin-Jubiläums und der dazu erschienenen historischen Literatur in Ost und West W. Ribbe, Kritische Anmerkungen zur historischen Berlin-Forschung der DDR, und P. Jelavich, Kulturgeschichtliche Bemerkungen zur Berlin-Historiographie, beide in: K. H. Jarausch (Hrsg.) (Anm. 9), S. 91 ff., S. 107ff.

  16. Grundsätzlich dazu: R. Koselleck/W. J. Mommsen/J. Rüsen (Hrsg.), Objektivität und Parteilichkeit (Theorie der Geschichte, Beiträge zur Historik, Bd. 1), München 1977.

  17. Typisch dafür u. a.: W. Eckermann/H. Mohr (Hrsg.), Einführung in das Studium der Geschichte, Berlin (Ost) 19793, S. 30ff.

  18. Vgl. M. Kossok, Klio -die Muse mit dem Januskopf. Gedanken zur Krise der ostdeutschen Geschichtswissenschaft, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, (1991) 3, S. 92.

  19. Vgl. W. Schmidt, DDR-Geschichtswissenschaft im Umbruch. Leistungen -Grenzen -Probleme, in: R. Eckert/W. Küttler/G. Seeber (Anm. 9). Die gesamte Erbe-Debatte ist dokumentiert in: H. Meier/W. Schmidt, Erbe und Tradition in der DDR. Die Debatte der Historiker, Berlin (Ost) 1988.

  20. Vgl. G. G. Iggers, Einige Aspekte neuer Arbeiten in der DDR über die neuere Deutsche Geschichte, in: Geschichte und Gesellschaft, 14 (1988), S. 542ff. Ausführlich jetzt H. Brinks, Die DDR zwischen Einheit und Abgrenzung. Höhepunkte aus der deutschen Geschichte als Paradigmen politischen Wandels. Luther, Friedrich II. und Bismarck, Diss., Groningen 1991.

  21. Vgl. H. Schultz, Was bleibt von der Geschichtswissenschaft der DDR?, in: ÖZG, 2 (1991) 1, S. 22ff.

  22. Vgl. O. Groehler, Zur Geschichte des deutschen Widerstandes. Leistungen und Defizite, in: R. Eckert u. a. (Anm. 9); K. H. Jarausch, Das Versagen des ostdeutschen Antifaschismus, in: Initial, (1991) 2, bes. S. 119f.

  23. Vgl. G. G. Iggers, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Ein anderer historischer Blick. Beispiele ostdeutscher Sozialgeschichte, Frankfurt/M. 1991, bes. S. 8-19; Ch. Kießmann, Die DDR-Geschichtswissenschaft aus der Sicht der Bundesrepublik, in: Zwischen Parteilichkeit und Professionalität (Anm. 9), S. 43ff.

  24. Vgl. K. D. Erdmann, Die Ökumene der Historiker. Geschichte der internationalen Historikerkongresse und des Co-mit International des Sciences Historiques, Göttingen 1987, bes. S. 424 ff. und 459ff.

  25. Vgl. A. Fischer/G. Heydemann, Weg und Wandel der Geschichtswissenschaft und des Geschichtsverständnisses in der SBZ/DDR seit 1945, in: dies. (Hrsg.), Geschichtswissenschaft in der DDR, Bd. I: Historische Entwicklung, Theorie-diskussion und Geschichtsdidaktik, Berlin 1988, S. 7ff. Aus DDR-Sicht W. Berthold, Marxistisches Geschichtsbild -Volksfront -antifaschistisch-demokratische Revolution. Zur Vorgeschichte der Geschichtswissenschaft der DDR, Berlin (Ost) 1970.

  26. Vgl. A. Fischer, Neubegin in der Geschichtswissenschaft. Zum Verhältnis von „bürgerlichen“ und marxistischen Historikern in der SBZ/DDR nach 1945, in: GWU, (1980) 3, S. 149ff.; G. G. Iggers, Geschichtswissenschaft in der ehemaligen DDR aus der Sicht der USA, in: Zwischen Parteilichkeit und Professionalität (Anm. 9), S. 59f.; ausführlich, aber noch von der offiziösen DDR-Konzeption bestimmt: H. Heitzer/K. H. Noack/W. Schmidt (Hrsg.), Wegbereiter der DDR-Geschichtswissenschaft. Biographien, Berlin (Ost) 1989.

  27. Die Ergebnisse waren große Synthesen, die ab Ende der sechziger Jahre erschienen: Autorenkollektiv, Leitung F. Klein, Deutschland im ersten Weltkrieg, Berlin (Ost) 1968/69; Autorenkollektiv, Leitung W. Schumann, Deutschland im zweiten Weltkrieg, Bd. 1-6, Berlin (Ost) 1974-1985; als theoretisches Resümee: D. Eichholtz/K. Gossweiler (Hrsg.), Faschismus-Forschung. Positionen, Probleme, Polemik, Berlin (Ost) 1980.

  28. Vgl. K. H. Jarausch (Anm. 9),'S. 117f.; A. Hillgruber, „Deutschland im zweiten Weltkrieg“ -Anmerkungen zu einem Standardwerk der DDR-Geschichtsschreibung, in: HZ, (1976) 223, S. 358ff.

  29. Vgl. G. Heydemann, Geschichtswissenschaft im geteilten Deutschland. Entwicklungsgeschichte, Organisationsstruktur, Funktionen, Theorie-und Methodenprobleme in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR, Frankfurt/M. -Bern 1980; jetzt besonders W. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989.

  30. Vgl. A. Fischer/G. Heydemann (Anm. 25), bes. S. 16ff.

  31. Vgl. zu diesem Aspekt besonders W. Röhr, Entwicklung und Abwicklung der Geschichtswissenschaft. Polemische Bemerkungen zu den Voraussetzungen einer Urteilsbildung über Historiker und historische Institutionen der DDR, in: Initial, (1991) 4 und 5, hier H. 4, S. 432-434.

  32. Vgl. H. Bleiber (Anm. 12); W. Küttler, Marxistische Geschichtswissenschaft -Was bleibt? Das Beispiel DDR, in: K. H. Jarausch/J. Rüsen/H. Schleier (Hrsg.), Geschichtswissenschaft vor 2000. G. Iggers zum 65. Geburtstag, Bielefeld 1991; in der Außensicht A. Fischer/G. Heydemann (Hrsg.), Geschichtswissenschaft in der DDR, Bd. II: Vor-und Früh-geschichte bis Neueste Geschichte, Berlin (West) 1990.

  33. G. G. Iggers, Einleitung, in: ders. (Anm. 23), S. 8.

  34. Ebd., S. 25 ff., und die wiederabgedruckten Beiträge der genannten Autoren, ebd., S. 36ff., S. 41 ff., S. 70ff., S. 93ff.

  35. Vgl. M. Steinmetz (Hrsg.), Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland (Studienbibliothek DDR-Geschichtswissenschaft, Bd. 5), Berlin (Ost) 1985; zur Außensicht vgl. R. Wohlfeil, Reformation als „frühbürgerliche Revolution“? Die deutsche Reformation in der Historiographie der DDR, in: A. Fischer/G. Heydemann, Bd. II (Anm. 32), S. 177 ff.

  36. Vgl. W. Schmidt, Bürgerliche Revolution und proletarische Emanzipation in der deutschen Geschichte, Berlin (Ost) 1990; M. Kossok/W. Küttler, Die bürgerliche Revolution: Grundpositionen einer historisch-vergleichenden Analyse, in: M. Kossok (Hrsg.), Vergleichende Revolutionsgeschichte -Probleme der Theorie und Methode, Berlin (Ost) 1988, sowie die vorzügliche analysierende Studie von G. Heydemann, Die deutsche Revolution von 1848/49 als Forschungsgegenstand der Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR, in: A. Fischer/G. Heydemann, Bd. II (Anm. 32), S. 505 ff.

  37. Vgl. u. a. E. Engelberg/W. Rüttler (Hrsg.), Formationstheorie und Geschichte. Studien zur historischen Analyse ökonomischer Gesellschaftsformationen im Werk von Marx, Engels und Lenin, Berlin (Ost) 1978; K. Naumann, Ökonomische Gesellschaftsformation und historische Formationsanalyse, Köln 1983.

  38. Vgl. in Gegensatz und Dialog J. Kocka, Zur jüngeren marxistischen Sozialgeschichte. Eine kritische Analyse unter besonderer Berücksichtigung sozialgeschichtlicher Ansätze in der DDR, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 1972, S. 491ff., u. H. Schleier, Zu den Theorien über die Entwicklung der Gesellschaft im spätbürgerlichen deutschen Geschichtsdenken, in: E. Engelberg/W. Küttler (Anm. 37), S. 669ff. (Abschnitt: „Sozialgeschichtliche Alternativkonzeptionen in der BRD“).

  39. Vgl. u. a.den Marx-Weber-Vergleich bei J. Kocka, Sozialgeschichte. Begriff -Entwicklung -Probleme, Göttingen 1977, S. 9-40; W. Küttler/G. Lozek, Marxistisch-leninistischer Historismus und Geschichtsanalyse, in: E. Engelberg (Hrsg.), Probleme der Geschichtsmethodologie, Berlin (Ost) 1972, S. 33 ff.

  40. Vgl. N. Naimark, Politik und Geschichtswissenschaft im osteuropäischen Kontext, in: K. H. Jarausch (Anm. 9), S. 125 ff.

  41. Vgl. G. Seibt, Oasen in Sicht. Wissenschaft im Test: Die Akademie der DDR wurde evaluiert, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. 7. 1991, S. 23; St. Wolle (Anm. 11); I. Stark, Zur Situation der Altertumswissenschaften in der DDR, in: R. Eckert u. a. (Anm. 9). Das Bild von der Wüste prägte der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, H. F. Zacher, relativierte es aber später entscheidend zugunsten der Oasen, vgl.sein Interview: „Wir müssen Alarm schlagen“, in: Berliner Zeitung vom 3. 6. 1991, S. 5.

  42. W. J. Mommsen (Anm. 4), S. 12.

  43. Vgl. K. Pätzold, Sich totstellen oder wehren? Das ist die entscheidende Frage. Gedanken eines Historikers zur „Abwicklung“ in den neuen Bundesländern, in: Neues Deutschland vom 29. /30. 12. 1990, S. 13; im Kontrast dazu G. Herz-berg, Der Unabhängige Historikerverband stellt sich vor, in: Initial, (1991) 2, S. 189.

  44. Vgl. W. Schulze (Anm. 9); E. Schulin (Hrsg.), Deutsche Geschichtswissenschaft nach dem 2. Weltkrieg 1945-1965, München 1989.

  45. Vgl. aus amerikanischer Sicht besonders Ch. Maier, Gibt es einen Sieger der Geschichte? Ostdeutschland und DDR-Vergangenheit, in: K. H. Jarausch (Anm. 9), S. 197ff.

  46. Vgl. W. Zapf/G. Thum (Hrsg.), Zur Lage der sozialwissenschaftlichen Forschung in der DDR. Konferenzbericht. Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, Berlin (West), 1990, S. 32f.; Wissenschaftsrat, Stellungnahme (Anm. 1), S. 24ff., S. 140 ff.

  47. W. Schulze (Anm. 9), S. 699.

  48. J. Kocka, Überraschung und Erklärung. Was die Umbrüche von 1989/90 für die Gesellschaftsgeschichte bedeuten könnten, in: M. Hettling/G. Huekamp u. a. (Hrsg.), Was ist Gesellschaftsgeschichte? Positionen, Themen, Analysen. Hans-Ulrich Wehler zum 60. Geburtstag, München 1991, S. 20.

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Wolfgang Küttler, Prof. Dr. sc. phil., geb. 1936; 1974-1991 Leiter der Forschungsstelle Methodologie und Geschichte der Geschichtswissenschaft am Zentralinstitut für Geschichte, seit 1990 Institut für deutsche Geschichte der ehern. Akademie der Wissenschaften der DDR; seit Januar 1992 im Forschungsschwerpunkt Wissenschaftsgeschichte und -theorie (Fördergesellschaft wissenschaftliche Neuvorhaben der Max-Planck-Gesellschaft), Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Lenins Formationsanalyse der bürgerlichen Gesellschaft in Rußland vor 1905, Berlin 1978; Max Weber und die Geschichtswissenschaft, Berlin 1989; (Mitautor und Herausgeber:) Formationstheorie und Geschichte, Berlin 1978; Das geschichtswissenschaftliche Erbe von Karl Marx, Berlin 1983; Gesellschaftstheorie und geschichtswissenschaftliche Erklärung, Berlin 1985.