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Deutschland und die neue Weltordnung. Zwischen innenpolitischer Überforderung und außenpolitischen Krisen | APuZ 46/1992 | bpb.de

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APuZ 46/1992 Deutschland und die neue Weltordnung. Zwischen innenpolitischer Überforderung und außenpolitischen Krisen Aktuelle Aspekte deutscher Sicherheitspolitik „Ethnische Säuberung“: Ein Mittel zur Lösung von Nationalitätenproblemen? Probleme und Prinzipien internationaler Zusammenarbeit

Deutschland und die neue Weltordnung. Zwischen innenpolitischer Überforderung und außenpolitischen Krisen

Christian Hacke

/ 39 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Verfasser geht in diesem Aufsatz folgenden Fragen nach: Wie hat sich die Rolle Deutschlands seit 1989 verändert? Inwieweit hat sich die europäische Politik durch die revolutionären Entwicklungen verändert? Wie sehen die Wechselwirkungen zwischen beiden Entwicklungen aus? Wie wirken die europäischen und globalen Entwicklungen auf Deutschland und wie beeinflußt umgekehrt Deutschland die europäischen Strukturen und Prozesse? Dabei wird eine zurückhaltende Einschätzung der neuen innenpolitischen Rahmenbedingungen für die deutsche Außenpolitik vorgenommen. Zwar hat sich Deutschland geographisch und demographisch vergrößert, aber die schwierigen Übergangsprozesse bei der Vereinigung sind noch lange nicht abgeschlossen, sondern werden auf Jahre weitere Probleme mit sich bringen. Die außenpolitische Einschätzung der Rahmenbedingungen zeigt nach Osten überwiegend Unwägbarkeiten. Nach Westen wird Deutschlands Rolle statusmäßig, aber auch mit Blick auf den Handlungsspielraum weiter ansteigen. Gleichzeitig werden jedoch die Krisenerscheinungen, wie wir sie bisher nur in Mittel-und Osteuropa zu diagnostizieren glaubten, auch in den atlantischen Demokratien unübersehbar: Fremdenhaß aufgrund ungehemmter Zuwanderungen, Rechtsextremismus und wachsende wirtschaftliche Schwierigkeiten zeigen sich immer deutlicher. Abschließend plädiert der Verfasser für einen verantwortungsvollen Gebrauch von außenpolitischer Macht, bei der auch das Instrument des militärischen Einsatzes zur Wiederherstellung von Ordnung und Frieden nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

I. Einleitung

Wir befinden uns seit 1989 in einer Phase revolutionärer Veränderungen. Neue Kräfte und Strukturen werden erst in Umrissen erkennbar, denn unser politisch und analytisch geschultes Auge, jahrzehntelang an Frieden, Demokratie und Fortschritt gewöhnt, muß sich noch an die neuen revolutionären Veränderungen anpassen Chancen und Risiken der neuen Situation lassen sich deshalb vorerst nur schwer einschätzen.

Generell herrscht Unklarheit darüber, wie sich die Wiedervereinigung auf die Rolle Deutschlands in Europa und der Welt auswirken wird: Vergrößert sich der Handlungsspielraum und das Interessen-potential der Bundesrepublik? Übernimmt sie mehr außenpolitische Verantwortung, oder wird zunächst das problemgeladene Zusammenwachsen im Innern die meisten Energien der Deutschen absorbieren? Seitdem die alte deutsche Frage von der Geschichte beantwortet worden ist, tauchen also neue deutsche Fragen auf: 1. Wie hat sich die Rolle Deutschlands seit 1989 verändert? Inwieweit hat sich die europäische und internationale Politik durch den Zusammenbruch des Kommunismus verändert? Wie sieht die Wechselwirkung zwischen beiden Entwicklungen aus? 4. Wie wirken die europäischen und globalen Entwicklungen auf Deutschland ein und wie beeinflußt umgekehrt Deutschland die europäischen Strukturen und Prozesse? 2

II. Die neuen innenpolitischen Rahmenbedingungen für deutsche Außenpolitik

Außenpolitik wurde seit 1949 wie in keinem anderen Land bei uns zum Synonym für Status-quo-Denken 3. Die Deutschen haben sich seit 1949 daran gewöhnt, Politik und insbesondere Außenpolitik als kalkulierbar und fortschrittlich zu verstehen. Nachdem die Deutschen in diesem Jahrhundert zweimal für katastrophale Kriege verantwortlich bzw. mitverantwortlich zeichneten, haben sie seit 1949 positive friedenspolitische Beiträge in Europa und in der Welt geleistet. Dabei ist den Deutschen allerdings das Gefühl für eine angemessene Selbstbehauptung gegenüber Krisen, Krieg und Revolution verlorengegangen. Dies mag den Umstand erklären, warum heute inmitten außen-und innenpolitischer Umwälzungen ein großer Teil der politischen, wirtschaftlichen und geistigen Eliten wenig geeignet erscheint, den Wandel in Deutschland und Europa zupackend mitzugestalten. Diese Unfähigkeit der Eliten ist der Reflex bzw. spiegelt die allgemeine Einstellung der deutschen Bevölkerung zur politischen Stellung Deutschlands in Europa und in der Welt wider: Für viele erscheint Politik als unmoralisches Geschäft der , da oben', Außenpolitik nur als Händeschütteln der Staatschefs.

Die offenkundigen politischen Veränderungen seit der Vereinigung Deutschlands scheinen noch nicht voll ins Bewußtsein der Deutschen gerückt zu sein: Die deutsche Bevölkerung hat sich von 63, 5 auf knapp 80 Millionen, d. h. um ca. ein Fünftel, vergrößert. Das Territorium ist von 248000 auf 357000 Quadratkilometer angewachsen. Geopolitisch wird Deutschland eine Schwerpunktverlagerung nach Nordosten erfahren; das Land wird durch die Verlängerung der Ostseeküste maritimer. Rein territorial-und bevölkerungspolitisch gesehen hat sich Deutschland vergrößert. Gleichzeitig sind die letzten alliierten Vorbehaltsrechte weggefallen. Man könnte daher annehmen, daß der politische und außenpolitische Handlungsspielraum Deutschlands sich seit 1990 vergrößert hat. Aber eine jahrzehntelange Isolierung durch kommunistische Erziehung kann nicht in kurzer Zeit ausgelöscht oder durch demokratische Werte ersetzt werden. Langwierige politisch-pädagogische Übergangsprozesse und psychologische Schwierigkeiten sind die Folge. Der Zusammenbruch der kommunistischen Planwirtschaft, das furchtbare Erbe ideologischer Indoktrination und Bespitzelung tun ein übriges, um die ohnehin schwierigen Probleme noch zu vertiefen.

Psychologisch stehen Deutschland und die Deutschen, besonders im Osten, unter einem Schock; der Wandel zur Marktwirtschaft wird in den neuen Bundesländern gehemmt durch eine völlig andere Einstellung zur Arbeit, wie sie von der kommunistischen Planwirtschaft über Jahrzehnte ideologisch und praktisch vermittelt wurde. Deshalb wird das Bruttosozialprodukt zunächst verhältnismäßig langsam anwachsen, vermutlich von 2, 3 auf lediglich 2, 5 Billionen DM. Die Staatsverschuldung beträgt mittlerweile mehr als 1, 5 Billionen DM, der Aufbau der neuen Bundesländer wird im kommenden Jahrzehnt Summen in einer ähnlichen Größenordnung verschlingen. Die geleistete Wirtschaftshilfe der Deutschen für die Staaten der GUS und für die in Mittel-und Osteuropa beläuft sich bereits auf knapp 100 Milliarden DM.

Geistig und politisch haben sich in Deutschland die Fronten nach der Wiedervereinigung wieder verhärtet. Neue Mauern sind entstanden. Es wird mindestens eine Generation dauern, bis das neue Deutschland politisch, sozial und psychologisch die neuen Realitäten voll verarbeitet hat. Deutschland steht heute psychologisch, politisch, ökonomisch und finanzpolitisch auf unsicherem Fundament.

Die Fähigkeit der demokratischen Parteien, die zentralen Probleme zu lösen, scheint zu schwinden: Große Teile der Sozialdemokratie -programmatisch der Arbeiterbewegung und der Solidarität verpflichtet -achteten offenkundig die materiellen und geistigen Bedürfnisse der Menschen schon in der alten DDR nach Freiheit und Wohlstand zu gering. Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Schmidt wurde über Gebühr der Zusammenarbeit mit dem DDR-Regime das Wort geredet Dabei wurde der Wertegegensatz verwischt und nicht selten der diktatorische Charakter des Regimes übertüncht. Zugleich wurde das DDR-Regime in seiner Suche nach einer eigenen Identität und in der Zwei-Staatentheorie eher bestärkt. Die SPD lehnte den einheitlichen deutschen Nationalstaat entwicklungsgeschichtlich und vor allem zukunftsperspektivisch ab. Die SPD hat diese Vision für Deutschland als Idee von gestern verkannt und diejenigen diskreditiert, die für diese Idee eintraten. Folglich hat sich die SPD sowohl vor 1989 als auch nach der Wiedervereinigung erfolglos bemüht, deutsche Interessen in Europa und in der Welt zu definieren. Außenpolitische Realitätsferne und Provinzialität waren die Folge. Statt dessen versuchte die SPD mit Parteitagsresolutionen und trockener Programmatik die Wirklichkeit zu erfassen. Eine trotzige, weltfremde, ahistorische Einstellung zur nationalen Frage war die Folge. Selbstkritische Äußerungen deutscher Linksintellektueller oder Politiker, die sich zur Sicherung demokratischer Freiheit und der materiellen Lebensgrundlagen bekennen sowie die Werte der Bundesrepublik selbstbewußt darstellen, sind nach wie vor schwer vorstellbar.

Erste Ansätze eines Umdenkens werden unter dem Parteivorsitzenden Engholm erkennbar. Er bemüht sich, die politischen und vor allem die außenpolitischen Vorstellungen der SPD an die neuen Realitäten anzupassen. Bis heute hat die SPD aber kein kraftvolles Verhältnis zur politischen Macht und zu notwendigen verteidigungspolitischen Maximen gefunden. Weder in ihrer Führungsspitze noch im Bundestag hat die SPD genügend außenpolitisch versierte und realpolitisch geschulte Politiker aufzuweisen. Die Argumentation der SPD in Schlüsselfragen der deutschen Außen-und Sicherheitspolitik wirkt auch 1992 überwiegend antiquiert. Die dürftige außen-politische Konzeptionsfähigkeit der SPD ist eine der innenpolitischen Achillesfersen deutscher Außenpolitik.

Diese Haltung der SPD zu Schlüsselfragen der deutschen Politik seit 1989 wäre weniger gravierend, würde die Regierungspolitik der CDU/FDP-Koalition überzeugen. Kein Zweifel -den äußeren Aspekt der Vereinigung hat die Regierung Kohl/Genscher auf meisterliche Weise durchgeführt. So konnte die christlich-demokratisch/liberale Regierungskoalition mit Hilfe der westlichen Verbündeten und mit Unterstützung von Präsident Gorbatschow während des 2 + 4-Prozesses die historische Chance nutzen, die Vereinigung Deutschlands unter Bedingungen zu erreichen,wie allein Konrad Adenauer sie seit 1949 visionär anstrebte Aber so glänzend die Bundesregierung den äußeren Aspekt meisterte, so problematisch und kurzsichtig wurde der innenpolitische Aspekt der Vereinigung seit 1989 behandelt.

Während der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Lafontaine erkannte, daß die materiellen Kosten der Wiedervereinigung enorm sein würden, dies Argument aber neben anderen gegen eine Wiedervereinigung ins Feld führte, glaubte die Regierung Kohl/Genscher, den Aufbau der neuen Bundesländer ohne besonderen finanziellen Aufwand und ohne Steuererhöhungen durchführen zu können. Diese eklatante Fehleinschätzung ist in ihrer ökonomischen und psychologischen Folgewirkung auf Jahre hinaus nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig hat es der Bundeskanzler versäumt, eine Mentalität der nationalen Solidarität und der Opferbereitschaft in Deutschland zu fördern. Die Mehrheit der Deutschen war seit 1989 spontan bereit, auch materielle Opfer für die deutsche Einigung zu bringen. Bundeskanzler Kohl hat die psychologischen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungsfaktoren im Zuge des Vereinigungsprozesses völlig verkannt und dementsprechend die Entfaltung der Kräfte behindert statt gefördert.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß sich die innenpolitischen Bedingungen für deutsche Außenpolitik seit der Vereinigung verändert haben. Deutschland wird materiell, ökonomisch und demographisch an Stärke gewinnen. Aber politische Zweifel sind angebracht, wenn es um die Frage geht, ob Deutschland gewillt und fähig ist, mehr Verantwortung in Europa und in der Welt zu übernehmen. Die Zeiten der Ruhe der vergangenen Jahrzehnte haben eine offene, freundliche, aber zugleich auch eine illusionäre, moralisierend-pazifistische Grundhaltung bei der Bevölkerung wie bei den Eliten herausgebildet, mit der Deutschlands Interessen sowie die Stärkung von Frieden und Freiheit in Europa und in der Welt allein nicht gefördert werden können.

III. Das Problem der Fehleinschätzung der außenpolitischen Lage

Während sich die innenpolitischen Voraussetzungen für eine Außenpolitik des vereinigten Deutschlands seit 1989 teilweise drastisch ver-schlechten haben, haben neue Faktoren seit der Vereinigung die Interessen und den Handlungsspielraum der Bundesrepublik objektiv verbessern können: 1. Die ideologische Frontstaatenkonstellation, in der die Bundesrepublik und die DDR die jeweiligen Speerspitzen der Bündnissysteme bildeten, ist verschwunden. Das vereinte Deutschland könnte im Herzen Europas ein völlig anderes machtpolitisches Kraftfeld entwickeln und gleichzeitig neue integrationspolitische und ökonomische Impulse aufnehmen und abgeben. 2. Deutschland ist nicht mehr Aufmarschgebiet und potentielles Nuklearkriegsfeld in Europa, auf dem über Jahrzehnte ca. 1, 5 Millionen Soldaten stationiert waren, sondern Deutschland ist zum Vorbild für internationale Abrüstung geworden. 1994 werden nur noch ca. 470000 Mann auf deutschem Boden stationiert sein. 3. Mit der Vereinigung Deutschlands wurde einer der kompliziertesten und gefährlichsten Konflikt-stoffe der Weltpolitik, der seit 1945 beständige Unruhe und Gefahren ausstrahlte, ausgeräumt. Außerdem gibt es keine alliierten Vorbehalts-rechte mehr, Deutschland ist wieder vollständig souverän. Es könnte mehr internationale Verantwortung übernehmen, was auch von außen erwartet wird. 4. Die außenpolitischen Rivalitäten zwischen der DDR und der Bundesrepublik, vor allem in der Dritten Welt, sind verschwunden. Deutschland kann nicht mehr mit Blick auf den erhofften ökonomischen Vorteil je nach Interessenlage ausgespielt werden. Auch dadurch könnte sich der Handlungsspielraum für das vereinte Deutschland vergrößern.

Deutschland hat also von den revolutionären Veränderungen seit 1989 in überwiegendem Maße profitiert. Zudem ist der alte bipolare Rahmen und damit die Übermacht der beiden ehemaligen Supermächte zusammengebrochen; Machthohlräume sind im Entstehen begriffen. Eine neue Welt wird schemenhaft erkennbar, allerdings bisher ohne die gewünschte Ordnung sichtbar werden zu lassen.

Der Westen, insbesondere die Deutschen, empfand den revolutionären Zusammenbruch des Kommunismus als „glückliche Krise“ Glücklich, weil für die befreiten Menschen und Staaten nun die materielle und geistige Wertepalette der westlichen Zivilisation Wirklichkeit werden kann. Für die Deutschen wurde die Überwindung der Teilung ihres Landes zum herausragenden Glücks-moment der revolutionären Veränderungen. Der Krisenaspekt hingegen bezieht sich auf die Unwägbarkeiten der Übergangsperiode und des Vereinigungsprozesses. Dabei erwarteten wir ursprünglich, daß diese Übergangsperiode von der Diktatur selbstverständlich zur Demokratie führen werde und nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft ebenso selbstverständlich die freie und soziale Marktwirtschaft an ihre Stelle treten würde. In wenigen Jahren, so die ursprüngliche Hoffnung, würden Dresden oder Rostock aussehen wie Lübeck oder Wiesbaden. Mittel-und Osteuropa würden sich ganz ähnlich wie Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg schnell erholen. Erst einmal frei, würden diese Länder sich demokratisch, marktwirtschaftlich und untereinander kooperativgutnachbarschaftlich entwickeln.

Aber selten hat sich in der deutschen und europäischen Geschichte die Einschätzung der gesellschaftspolitischen Entwicklung in so kurzer Zeit so drastisch verändert wie innerhalb des letzten Jahres. Plötzlich scheint sich die Krise verändert zu haben: Der glückliche Aspekt scheint zu zerfließen, die Krise hingegen wächst an. Seit dem Zweiten Weltkrieg befinden sich ein Teil Europas sowie unmittelbar daran angrenzende Gebiete erstmals wieder im Kriegszustand.

Wie ist es zu dieser Fehleinschätzung und zu dieser gefährlichen Weiterentwicklung gekommen?

1. Wir haben im Westen die Fähigkeit und den Willen der Bevölkerung in Zentral-und Osteuropa zur Überwindung des kommunistischen Erbes überschätzt. Vaclav Havel wurde für uns die optimistische Personifizierung neuer demokratischer Möglichkeiten in Mitteleuropa. Die staatliche Auflösung der ÜSFR, der Rücktritt Havels und die problematische Zukunft der beiden Nachfolgestaaten sind ein typisches Beispiel für den rapiden Wandel: Er kündigt nicht mehr Fortschritt, sondern Krisen an.

2. Wir unterschätzten die Prägekraft kommunistischer Herrschaft, die in Mittel-und Osteuropa zwischen 40 und knapp 80 Jahren Menschen, Gesellschaften und Staaten in den Ruin getrieben hat. Nur wenige von uns im Westen können noch die Erfahrung und die Verhaltensweisen, unter totalitärer Herrschaft zu leben, nachvollziehen. Diese Diskrepanz im persönlichen und politischen Leben zwischen West-und Osteuropa ist tiefer, als wir angenommen haben. Ein unsichtbarer Graben oder eine unsichtbare Wand wird deshalb noch auf Jahrzehnte zwischen Ost-und Westdeutschen, zwischen Ost-und Westeuropäern bestehen bleiben.

3. Wir haben die Folgewirkungen der Pariser Vorortverträge nach dem Ersten Weltkrieg und die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit in Mittel-und Osteuropa verdrängt und statt dessen zu lange demokratisches Wunschdenken zugelassen. Jene zwei Jahrzehnte zeigten dort kaum Ansätze für demokratische Traditionsbildung. Es fragt sich, was für politische Strukturen in Mittel-und Osteuropa auch ohne den Zweiten Weltkrieg oder ohne sowjetische oder kommunistische Führung nach dem Krieg entstanden wären? Wo ist der große demokratische Führer der Zwischenkriegszeit, wo sind strukturelle Vorbilder, die die Menschen und Politiker dort heute als Vorbild für ihre eigene Entwicklung nehmen könnten?

4. Die Akzentverschiebung vom Glück zur Krise und zum Krieg wird am schärfsten in Jugoslawien erkennbar: Jahrzehntelang galt es als ein aufgeschlossenes und reformkommunistisches Land, mit engen Kontakten zum Westen und hochzivilisiert. Jugoslawien hatte offenkundig die schweren inneren historischen Belastungen überwunden. Die Aggression der Serben, der neue Rassismus der Führungsclique um Milan Milosevicz zeigt auf brutalste Weise, daß der Kalte Krieg in Wirklichkeit das politische, ethnische, religiöse und historische Konfliktpotential nur einfrieren konnte. Nach dem „Abtauen“ des Kalten Krieges kommen destruktive Kräfte wieder voll zur Entladung

5. Der neue Krisenaspekt in Mittel-und Osteuropa zeigt sich strukturell im Ansteigen von Kriminalität und Arbeitslosigkeit, im Sinken wirtschaftlicher Produktivität und nicht zuletzt in der erhöhten Attraktivität chauvinistisch-nationaler Denkhaltungen. Die Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit in diesen Staaten, die kommunistische Geschichte selbstkritisch aufzuarbeiten, verweist auf Probleme, die wir ebenfalls unterschätzt haben. Der Ausbruch von Unzufriedenheit, Rechtsextremismus und Fremdenhaß in Deutschland zeigt aber auch, daß wir zunächst vor allem bei uns selbst mit einer kritischen Aufarbeitung der Krisen beginnen müssen. 6. Der äußere Zusammenbruch des Kommunismus legt auch die inneren Krisenaspekte der westlichen Gesellschaft bloß: Wir waren und wir sind zu wenig selbstkritisch, zu optimistisch und zu selbstgefällig. Einerseits haben die Jahrzehnte des Kalten Krieges besonders den Deutschen stetigen materiellen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie soziale und politische Stabilität für einen langen Zeitraum beschert. Auf der anderen Seite hat diese Kontinuität lauwarmer Glückseligkeit uns schläfrig und unaufmerksam für die extremen Temperaturschwankungen im politischen und sozialen Leben seit 1989 gemacht. 7. Nach wie vor, so scheint es, leben speziell die Westdeutschen im vereinten Deutschland auf einer Insel der Glücklichen und Unberührten, während in Wirklichkeit das Glück im Schwinden begriffen ist, die Krise neben den innenpolitischen Schwierigkeiten des Vereinigungsprozesses auch über die veränderten außenpolitischen Bedingungen in das soziale, gesellschaftliche und politische Gefüge unseres Landes eindringt.

Nicht nur die Außen-und Innenpolitik scheinen sich also über die einander ähnlichen Krisenphänomene neu zu verschmelzen. Auch Ost und West sind, stärker als wir es bisher annehmen, seit 1989 schicksalhaft miteinander verbunden.

So ist nach 1989 -militärisch gesehen -eine unipolare Welt entstanden: Die USA sind heute als einzige Macht militärisch in der Lage, global ihren Willen durchzusetzen. Der Golfkrieg zeigte außerdem, daß allein die USA den Willen und die Fähigkeit zum Einsatz militärischer Macht aufbringen. Erweisen sich die USA politisch, ökonomisch und zivilisatorisch im Zustand einer Krise, so gilt dies militärisch nicht. Die USA sind auch nach dem Ende des Kalten Krieges weltweit die wichtigste Militärmacht geblieben. Allerdings reduzieren die wirtschaftspolitische Krise und die enorme Verschuldung der USA die Fähigkeit beträchtlich, Truppen auf eigene Kosten im großen Stil weltweit einzusetzen. Der absolute Charakter militärischer Macht der USA muß also relativiert werden. Die USA bleiben aber -global gesehen -die herausragende Ordnungsmacht, während die Nachfolgeorganisation GUS global und vor allem regional binnen Jahresfrist zu einer indirekt wirkenden Hauptbedrohung geworden ist. Herrschte noch vor kurzem eine bipolare Nukleararistokratie, so deutet *der Verkauf von sowjetischen Nuklearsprengköpfen an Länder der Dritten Welt und der Handel mit spaltbarem Material bzw. radioaktivem Uran aus der ehemaligen Sowjetunion heute auf einen bisher schier unvorstellbaren Wandel hin. Die militärische und ideologische Kraft des Sowjetimperiums hat sich in Luft aufgelöst, jetzt sind wir mit der Gefahr der Weitergabe von Atomwaffen und anderer konventioneller Waffen an unverantwortliche terroristische und politische Kräfte konfrontiert. Der nahezu unerschöpfliche Vorrat konventioneller Waffen erhöht die Gefahr der Verlängerung und Ausdehnung von Kriegen und Bürgerkriegen, wie das Beispiel Jugoslawien

IV. Der Zusammenbruch der bipolaren Welt und die Folgen für Deutschland

Herausragendes Merkmal des Wandels der internationalen Ordnung nach 1989 ist der strukturelle Zusammenbruch des Sowjetimperiums. Die Entwicklung der USA hingegen ist zwiespältig: Zum einen haben die Vereinigten Staaten entscheidend dazu beigetragen, daß im Wettlauf der beiden Systeme schließlich das freiheitlich-demokratische Weltteilsystem den Kalten Krieg überlebt hat, während das sozialistische Staatensystem nahezu vollständig zusammengebrochen ist. Andererseits ist aber unübersehbar, daß auch die Vereinigten Staaten -im Unterschied zum strukturellen Zusammenbruch der Sowjetunion -sich in einer Phase des sektoralen Niedergangs befinden Wichtige Sektoren der amerikanischen Innen-und Außenpolitik sind von Krisen erfaßt. Es scheint, als ob dabei der Prozeß des wechselseitigen Wettrüstens eine besondere Wirkung auf die Beziehungen zwischen beiden Staaten gehabt hat: Die USA haben die Sowjetunion, salopp ausgedrückt, schließlich totgerüstet. Dafür haben sich aber die USA selbst, das gilt besonders für die achtziger Jahre, krankgerüstet. Andererseits zeigten die Vereinigten Staaten Schwierigkeiten, nach der Strategie der Eindämmung der Sowjetunion die westeuropäische, insbe­ sondere die westdeutsche Politik der Entspannung in den achtziger Jahren voll mitzutragen. Präsident Reagan hat den Wertegegensatz zwischen freiheitlicher Demokratie und kommunistischer Diktatur gerade in Deutschland und Berlin immer wieder unmißverständlich deutlich gemacht, während viele Politiker und Intellektuelle schon bereit waren, diesen Wertegegensatz zu verwischen. In der Retrospektive erscheint dieser Gegensatz als glückliche Fügung: Westeuropäischer Entspannungs-Impetus einerseits sowie die militärische Stärke und ideologische Kompromißlosigkeit der USA andererseits haben sich offensichtlich ergänzt. Die revolutionären Ereignisse ab 1989 bestätigen diese zum Teil widersprüchliche und wohl weitgehend ungeplante Arbeitsteilung im Rahmen der transatlantischen Welt. zeigt. Potentiell am gefährlichsten bleibt das Erbe verrotteter Atomkraftwerke in den ehemaligen kommunistischen Staaten, die heute zum großen Teil ohne angemessene Beaufsichtigung und Kon-trolle auf fahrlässige Weise nach wie vor in Betrieb gehalten werden und Katastrophen ä la Tschernobyl jederzeit möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich machen War die alte Sowjetunion für vier Jahrzehnte der politische und militärische Bedrohungsfaktor Nr. 1 für die Sicherheit Europas und der Welt, so sind heute die Nachfolgestaaten im Rahmen der GUS und anderswo zu einer unübersehbaren ökologischen und ökonomischen Gefahr geworden, wobei die militärische Bedrohung und die ideologische Ausrichtung auf andere, ebenfalls totalitäre Strukturprinzipien zugenommen hat. Gleichzeitig hinterläßt der Zusammenbruch des alten Sowjetimperiums ein riesiges Machtvakuum, das nur mit großer Umsicht und Verantwortung aller europäischer Staaten und nicht zuletzt durch ein neues Verantwortungsbewußtsein in Moskau selbst friedenspolitisch aufgefüllt werden könnte. Die derzeitige Entwicklung läßt aber eine solche hoffnungsvolle Sicht kaum zu. Vielmehr müssen die Europäer damit rechnen, daß in Mittel-und Osteuropa sowie in den asiatischen Gebieten des ehemaligen Sowjetimperiums sehr viel gefährlichere Entwicklungen eintreten werden. Die Lehren der Geschichte zeigen, daß beim Zusammenbruch großer Imperien neue und nicht selten zunächst die rücksichtslosesten Kräfte in die Machthohlräume drängen

Deutsche Außenpolitik wird also in Zukunft mit völlig neuen Aufgaben und Problemen konfrontiert sein. Führungskunst, Mut und zugleich Vorsicht werden in viel höherem Maße gefordert sein als bisher. Aber es scheint, als ob der Westen seit 1989 seine potentiellen Kräfte und Möglichkeiten, die osteuropäische Landschaft mitzugestalten, zum Teil selbst blockiert. Weder die USA noch die Westeuropäer sind willens, sich im großen Stile zum Wohl der Menschen in Mittel-und Osteuropa zu engagieren. Prinzipiell gilt aber für die Zeit nach dem Kalten Krieg: Den USA mögen die Fähigkeiten für globale Machtausübung zum Teil abhanden gekommen sein, aber der Wille, politisch und insbesondere außenpolitisch Macht anzuwenden, ist ungebrochen geblieben, wie der Golfkrieg gezeigt hat. Umgekehrt wollen die Westeuropäer, insbesondere die Deutschen, und die Japaner ihre machtpolitischen Kapazitäten ökonomisch ausbauen, aber eine entsprechende Veränderung des politischen Willens, diese oder auch militärische Machtmittel einzusetzen, ist nicht zu sehen. Das Beispiel Jugoslawien zeigt, daß Westeuropa weder bereit noch gewillt ist, als außenpolitische Macht geschlossen aufzutreten.

Nicht nur Kritik an den USA, sondern auch Selbstkritik tut not. Westeuropäer, und vor allem die Deutschen glauben, den Veränderungen und Herausforderungen allein mit nichtmilitärischen Mitteln begegnen zu können. In Wirklichkeit ist aber eine kraftvolle Einwirkung ohne das Element militärischer Macht nicht möglich, wie das Beispiel der serbischen Aggression täglich beweist. Fehlt es den USA an einer angemessenen Bereitschaft, den Staaten Mittel-und Osteuropas wirtschaftlich zu helfen, so fehlt es den Westeuropäern an der Bereitschaft, risikobewußt Bürgerkrieg und Krieg zu stoppen.

Die USA haben ihren politischen Modellcharakter für die internationale Politik, insbesondere für die westliche Welt, verloren. Zentrale Bereiche der Wirtschaft sind veraltet, das Bildungs-und soziale System zeigt schwere Versäumnisse. Der Anstieg der Kriminalität ist bedrohlich; Staat und Gesellschaft sind über Gebühr verschuldet. Manche Zeichen deuten darauf hin, daß sich die USA am Vorabend einer revolutionären Situation von Unzufriedenheit und Aggressivität befinden könnten. Die Kriminalität, der Niedergang einst blühender Städte bzw. Stadtteile und nicht zuletzt die sporadisch aufflackemden bürgerkriegsähnlichen Tumulte, wie jüngst in Los Angeles und anderen Städten, könnten erste Warnsignale darstellen Der ökologische Bewußtseinsgrad von Regierung und Bevölkerung ist erschreckend gering; der politische Bewußtseins-und Bildungsgrad bei großen Teilen der Bevölkerung, aber auch der politischen Eliten, ist erstaunlich lückenhaft. Wirtschaftlich gesehen lebt Amerika seit Jahren auf Pump der Weltwirtschaft. Neben der Lösung vieler anderer Probleme ist eine angemessene nukleare Entsorgung der USA zwingend notwendig. Sie würde heute, wenn sie sofort in Angriff genommen würde, mehr als 250 Milliarden Dollar kosten.

Die neue Weltordnung aus der Sicht der US-Regierung reflektiert den Führungsanspruch der USA im Zuge des kommunistischen Niedergangs unter Berücksichtigung europäischer Unfähigkeiten und den amerikanischen Willen zur Weltmacht in der Zeit nach dem Kalten Krieg Der Sieg der von den USA angeführten UNO-Truppen über die irakischen Streitkräfte schien die unipolare Rolle der USA militärisch zu bestätigen. Leider zeigt sich heute, daß der Golfkrieg nicht zu einer neuen Regional-oder Weltordnung geführt hat, sondern lediglich zur Wiederherstellung des Status quo im Nahen und Mittleren Osten. Saddam Hussein wurde nicht gestürzt, der arabisch-israelische Konflikt hat sich nicht vermindert, die politischen, ökonomischen, ökologischen und militärischen Verwüstungen des Krieges sind allerdings enorm. Weder konnten die USA einen Demokratisierungsprozeß im befreiten Kuwait befördern, noch ist die politische Maklerrolle der USA im Nahen und Mittleren Osten seit dem Golfkrieg gestärkt worden. Beim Golfkrieg zeigte sich die Diskrepanz zwischen subjektiver Intention und objektiver Wirkung von politischen und militärischen Entscheidungen. Präsident Bush wollte durch einen Sieg über den Irak die weltpolitische Führungsrolle der USA festigen und einen regionalpolitischen Fortschritt erreichen. Die objektiven Folgen des Golf-krieges weisen jedoch vielfach in völlig andere Richtungen. Ähnlich verhielt es sich mit der Politik von Glasnost und Perestroika von Michail Gorbatschow: Seine subjektive Intention war die Reform und Stärkung des Sowjetimperiums. Die objektive Wirkung hingegen war ein struktureller Zusammenbruch. Größer könnte die Diskrepanz nicht sein. Beide Beispiele demonstrieren, daß Intention und objektive Wirkung von Politik und insbesondere der Außenpolitik besonders in Krisen und Kriegen -wie sie jetzt in den revolutionären Umbruchzeiten wieder auftauchen -keine Sache von geplanten Optionen, sondern Ausdruck von Dilemmata und Unwägbarkeiten sind.

Das Sowjetimperium ist zusammengebrochen, aber auch die USA nehmen zivilisatorisch und weltpolitisch nicht mehr den Rang ein, den sie zur Zeit des Kalten Krieges besaßen. Vielmehr ist die Vision von Aldous Huxleys „Schöner neuer Welt“, in der die Menschen sich immer banaler amüsieren und damit zugleich in ihrer Freiheit verkommen, nicht nur mit Blick auf die USA, sondern auch für Westeuropa und Deutschland von beklemmender Aktualität geworden. Fällt die atlantische Zivilisation nach dem Zusammenbruch des Kommunismus der eigenen Schwäche und Kraftlosigkeit zum Opfer? Geht es dem Westen wie der Römischen Republik, nachdem sie am Ende des II. Punischen Krieges Karthago und Hannibal bezwungen hatte? Lassen, wie damals, auch heute nach jahrzehntelanger Anspannung die Kräfte nach? Ist der Wille zur Selbsterhaltung der Neigung zu Egois-mus und Zerstreuung gewichen? Geht uns der Sinn für das Gemeinwohl ebenso verloren wie die Fähigkeit zur Hilfe mit Augenmaß und auch zur kraftvollen Selbstbehauptung?

Die neue Welt wächst vorerst wild und ohne Ordnung. Westeuropäer und Deutsche kritisieren die amerikanischen Vorschläge zur Weltordnung, ohne selbst angemessen ordnungspolitisch aktiv zu werden Die neuen Handelsmächte in Westeuropa, aber auch Japan, sind seit den achtziger Jahren im Weltwirtschaftssystem aufgestiegen. Aber sind sie bereit, ihre Wirtschaftskraft in politischen Einfluß umzusetzen? Sind die neuen reichen Demokratien bereit, zu teilen bzw. zu helfen oder gar die entstandenen Machthohlräume innerhalb und vielleicht sogar außerhalb Europas ordnungspolitisch mit Demokratie, materieller Wohlfahrt und Frieden aufzufüllen? Oder besteht der wirkliche Krisencharakter im Weltsystem heute darin, daß die USA seit den späten siebziger Jahren im Begriff sind, die geistige und politische Führungsrolle zu verlieren, aber keine andere Macht oder Macht-gruppierung in der Lage ist, dieses Vakuum auszufüllen?

Die jahrzehntelange Strahlkraft des westlichen Teils des Kontinents auf die Menschen in den kommunistischen Diktaturen ist geblieben, aber Westeuropa selbst zeigt Kraft-und Entschlußlosigkeit nach außen wie nach innen. Idee und Wirklichkeit der europäischen Integration rücken ins Kreuzfeuer der Kritik. Das dänische und französische Referendum verweisen auf tiefreichende Ängste vor dem Verlust nationaler Identität und vor bürokratischer Reglementierung aus Brüssel. Seit Maastricht steckt der europäische Integrationsprozeß in der tiefsten Krise seit der Gründung der EWG 1957. Hatte man in Westeuropa und vor allem in Deutschland geglaubt, daß die Kräfte des Nationalismus und politischen Radikalismus -vor allem von rechts -endgültig gebannt seien, so stellen wir heute fest, daß diese Kräfte nicht nur in Osteuropa, sondern auch in den westeuropäischen Demokratien anwachsen. Chauvinismus und Fremdenhaß verstärken sich in dem Maße, in dem Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Überfremdung um sich greifen und gleichzeitig nicht selten eine problematische, realitätsferne Asylpolitik diese Krisen weiter verschärft.

Die reichen westeuropäischen Demokratien stehen plötzlich den Folgen des Zusammenbruchs der kommunistischen Regime und Gesellschaften nicht nur ratlos gegenüber, sondern sie werden von diesen Veränderungen selber mit betroffen. Wirschauen nicht mehr distanziert auf die Krisen im Osten, sondern wir sind selbst Teil der Krise geworden. Diese rapiden Veränderungen machen deutlich, daß drei zentrale außenpolitische Strukturprinzipien, die die Bundesrepublik und Westeuropa bis 1989 ausgezeichnet haben -Handelsstaaten, Entspannungsprimat und zivilisatorisches Vorbild -, nicht mehr ausreichen, um die zukünftigen Probleme zu meistern. Diese Strukturprinzipien bedürfen der Weiterentwicklung und Ergänzung.

V. Die Rolle der Bundesrepublik in der Atlantischen Zivilisation

Die Bundesrepublik war zum weltweiten Vorbild des Handelsstaates im Sinne von Richard Rosecrance geworden Die wirtschaftspolitische Erfolgsdimension in der Außenpolitik von Bundeskanzler Erhard bis Bundeskanzler Kohl wurde zum Schlüssel deutschen Ansehens in der Welt. Rosecrance hat im Sinne von Max Weber den Handelsstaat idealtypisch als Abgrenzung vom Militärstaat verstanden Für eine weitergehende Differenzierung des außenpolitischen Selbstverständnisses der Bundesrepublik reicht diese Chiffre jedoch nicht aus. Auch sozialistische Staaten, Militärdiktaturen von links und rechts, Monarchien oder Oligarchien lassen sich als Handelsstaaten bezeichnen. Der entscheidende Unterschied liegt in der Abgrenzung der freien und sozialen Marktwirtschaft zur sozialistischen Planwirtschaft. Das andere signifikante Merkmal für den Handelsstaat Bundesrepublik liegt in seiner politischen Einbettung: in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zugleich ihrer integrationspolitischen Verzahnung mit den westeuropäischen und nordatlantischen Demokratien.

Wer allerdings die politische und ökonomische Ordnung der Bundesrepublik seit Jahrzehnten kritisiert und ihre angebliche Krisenanfälligkeit herbeigeredet oder bemängelt hat, im gleichen Atemzug aber die Defizite sozialistischer Planwirtschaft eher großzügig bewertete, der tut sich natürlich heute schwer, nach 1989 liberale Handelsstaatsprinzipien, wie in der Bundesrepublik entwickelt, als wegweisend anzuerkennen. Gerade die deutsche Politikwissenschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten ausgiebig und lustvoll mit den Krisenaspekten des Kapitalismus beschäftigt Allerdings scheint man darüber bewußt vergessen zu haben, daß die Krisenaspekte des Sozialismus einer viel dringlicheren Untersuchung bedurft hätten. In den Sozialwissenschaften war es eben nicht chic, sich mit dem Niedergang des Kommunismus und der sozialistischen Planwirtschaft zu beschäftigen oder gar die Übergangsprobleme zu erörtern, die dann real ab 1989 in Europa eingetreten sind.

Intellektuell unvorbereitet und politisch auf die Schönwetterperiode des Status quo fixiert, wurden die politischen Entscheidungsträger im Westen und vor allem in der Bundesrepublik plötzlich mit Problemen konfrontiert, die seit dem Zusammenbruch Deutschlands 1945 undenkbar schienen. Auf diesem Hintergrund erscheinen die Leistungen der Bundesrepublik seit 1989 nicht nur negativ. Die Staaten in Mittel-und Osteuropa erhalten von der Bundesrepublik mehr materielle und finanzielle Hilfe als von allen anderen Staaten der Welt. Leider haben sich die anderen westeuropäischen und die nordamerikanischen Handelsstaaten bisher nicht zu einem vergleichbaren Engagement und zu entsprechenden Hilfeleistungen entschließen können. Sollte das Wohlstandsgefälle zwischen Ost-und Westeuropa weiterhin anwachsen, kann es zu Hungerkrisen, Bürgerkriegen und zu unübersehbaren Wanderungsbewegungen und Fluchtwellen aus dem Osten nach Mittel-und Westeuropa kommen. Aus humanitären Gründen -aber auch im eigenen Interesse -müssen deshalb die reichen Nationen der Welt, vor allem in Westeuropa und in Nordamerika, ihre egoistische Einstellung ändern. Die wirtschaftliche Stärke und der Reichtum der EG, der nordamerikanischen Demokratien und Japans zwingen zu größerer Verantwortung gegenüber den Armen, Bedrückten und Verfolgten. Bei der Formulierung der Interessenprioritäten für ein außenpolitisches Rahmenprogramm des neuen vereinigten Deutschlands gehört dieser Interessen-punkt an die oberste Stelle. Deutschland muß noch stärker als bisher seine wirtschaftliche Kraft und vor allem seine politische Rolle im Rahmen der G 7, in der Weltbank und beim IWF zugunsten der Hungernden und Unterdrückten einsetzen. Der friedenschaffende Einsatz militärischer Macht erhält unter dieser Zielperspektive eine eindeutige Legitimierung. Warum sind Einheiten der Bundeswehr, sei es im Rahmen der deutsch-französischen Brigade oder im Aufträge der UNO, z. B. nicht zum Einsatz in Somalia gekommen, um dort Hilfs-lieferungen zu schützen und direkt an die Armen und Bedürftigen zu verteilen? Deutsche Politiker, so scheint es, sind unfähig, das Element der militärischen Macht konstruktiv und im humanitären Interesse, wie zum Beispiel in diesem Fall, einzusetzen. Wieder waren es die Amerikaner allein, die in Somalia mit Hilfslieferungen und eigenen Truppen zu Hilfe geeilt sind. Die Deutschen beschränkten sich auf einige Lufttransporte.

Unter dem Primat des Handelsstaates werden die außenpolitischen Schlüsselrollen der Bundesrepublik in Zukunft durch Integration in das westeuropäisch-atlantische Staatensystem geprägt sein. Rollenkontinuität und gleichzeitige Statusaufwertung sind für diesen Aspekt deutscher Außenpolitik charakteristisch. Die EG bietet den Deutschen auch weiterhin den optimalen Rahmen zur Durchsetzung eigener Interessen und gleichzeitig die Möglichkeit, gemeinsam mit den anderen Demokratien wirtschaftliche Prosperität und liberal-demokratische Entwicklung von Staat und Gesellschaft zu sichern sowie Rückfälle in nationalstaatliches Denken und Handeln zu vermeiden. Das amerikanische Angebot von 1989, mit den USA „Partner in Leadership“ zu werden, ist ein Angebot zur erweiterten außenpolitischen Verantwortlichkeit der Bundesrepublik und zu verstärkter internationaler Arbeitsteilung.

Deutschland scheint aber weder als Handelsstaat noch als Teil der demokratischen westlichen Welt bereit zu sein, für diese Strukturprinzipien tatkräftig einzutreten, wenn dies mit Risiken verbunden ist. Vergißt Deutschland dabei seine eigene Geschichte? Es hat allen Grund, den Vereinigten Staaten, aber auch den anderen Partnern im Westen für die Unterstützung während der vergangenen Jahrzehnte zu danken. Auch die zweite Geburt der Bundesrepublik wäre 1990 ohne Amerikas nachhaltige Unterstützung nicht Wirklichkeit geworden.

Real haben sich die ökonomischen Machtgewichte zwischen den USA und Westeuropa seit den achtziger Jahren zugunsten Westeuropas verändert. Dieser Prozeß wurde durch die europäische Revolution und durch die deutsche Wiedervereinigung beschleunigt. Aber politisch gesehen scheinen die Westeuropäer und die Deutschen nur für Schönwetterperioden geeignet zu sein. Zu Zeiten von Krisen, Not und Krieg sind es nach wie vor die USA, die mutiger zupacken, während die Westeuropäer -und vor allem die Deutschen -ängstlich und unentschlossen abseits stehen, selbst wenn, wie im Falle Jugoslawien, das eigene Haus zu brennen anfängt. Die Friedensrhetorik vom „Haus Europa“ und den Menschenrechten erweist sich im Angesicht des Krieges dort als Makulatur. Die gesamte diplomatische Geschäftigkeit der westeuropäischen Staaten kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie nicht in der Lage und nicht willens waren bzw. sind, die Aggressoren abzuschrecken und den Konflikt einzudämmen.

Das Wesenselement der europäischen Integration -nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch gesehen herausragendes Bestimmungsmerkmal und Stolz der westeuropäischen Zivilisation -hat seine Strahlkraft auch dadurch völlig verloren, weil es offenkundig nur dazu dient, den eigenen Wohlstand untereinander zu maximieren. Integrierte Hilfe -sei sie wirtschaftlich oder militärisch -blieb für die Menschen, die auf diese Hilfe im untergegangenen Jugoslawien hofften, eine Illusion. In der historischen Distanz wird vielleicht eines Tages Westeuropas heutiges Versagen mit Blick auf Jugoslawien als der Anfang vom Ende eines Teils unserer Zivilisation und unseres europäischen Selbstverständnisses angesehen werden. Die zunehmende Aversion gegenüber „Europa“ ist nicht zuletzt auch durch diese Unfähigkeit zu entschlossenem, gemeinsamem Handeln verursacht. Die Flucht in nationalen und individuellen Egoismus sowie der Zerfall der politischen Verantwortung und Kultur sind Anzeichen von Niedergang und Schwäche unserer Zivilisation, die noch vor zwei Jahren so selbstbewußt den Niedergang der kommunistischen Welt beobachtete. Zivilisationen werden nicht nur Opfer des Untergangs durch Aggression. Sie schrumpfen und verfallen nicht selten von innen heraus, wenn der Wille zur verantwortungsbewußten Machtausübung, zur Aufrechterhaltung von Menschenrechten, Disziplin und Respekt, wenn schließlich der Wille zu aktivem und sinnvollem Leben schwindet. Der wachsende Trend zu Okkultismus, religiösem Fundamentalismus, zu politischem Extremismus oder zu kurzsichtigem materiellem Erfolg, kurz, die um sich greifende Ratlosigkeit in der jüngeren Generation zeigt, daß wir auch unter diesem Aspekt umdenken müssen.

Nach der amerikanischen und französischen Revolution vor 200 Jahren steht die atlantische Zivilisation heute inmitten einer dritten Revolution: Es gilt, den Freiheitsrevolutionen begleitend zum Erfolg zu verhelfen und gleichzeitig sich selbst zu erneuern. Daß dabei sinnvolle Hilfe zur Selbsthilfe besonders schwierig ist, wenn den Menschen und Gesellschaften über Jahrzehnte die materiellen, geistigen und psychologischen Voraussetzungen und Hilfsmittel geraubt wurden, ist offenkundig

VI. Deutschlands neue Rolle mit Blick auf Mittel-und Osteuropa

War die Lieblingsrolle der Deutschen der fünfziger und sechziger Jahre die des unpolitischen Händlers, so schuf in den siebziger und achtziger Jahren die Entspannungspolitik eine neue deutsche Identität -die des moralisch engagierten Entspannungspolitikers. Wiedergutmachung und Aussöhnung wurden zentrale ostpolitische Interessen. Während noch die CDU-Kanzler von Adenauer bis Kiesinger ostpolitisch ohne eigene Prägekraft blieben und sich im klaren Freund-Feind-Raster des Kalten Krieges wohler fühlten als im komplizierten Netzwerk eines multipolaren Entspannungssystems, wurden die sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt zu Symbolgestalten deutschen Entspannungswillens. Das paradoxe Ergebnis der Entspannungspolitik der siebziger und achtziger Jahre war, daß sie in Deutschland nur begrenzt erfolgreich blieb, da die DDR ihre Politik der Abgrenzung weiterhin praktizierte. Aber diese Entspannungspolitik erweiterte den ostpolitischen und vor allem den globalen Handlungsspielraum der Bundesrepublik beträchtlich. Sie verschaffte der Bundesrepublik großes Ansehen in der Welt

Die zukünftige Ostpolitik des neuen vereinten Deutschlands kann deshalb auf eine große ostpolitische Tradition der alten Bundesrepublik aufbauen. Ohne ihren Platz im westlichen Bündnis zu verlassen, hat die Bundesrepublik Deutschland seit den sechziger Jahren intensiv mitgewirkt, Brücken zwischen Ost und West zu bauen. Berechenbarkeit, Standhaftigkeit und Kooperation mit den Freunden schafften eine neue deutsche außen-politische Tradition, für die es kein Äquivalent in der Geschichte Deutschlands gibt. Gleichzeitig haben nur wenige Länder substantiell zur Entspannung zwischen West und Ost und zur Wiederannäherung der Völker Osteuropas und Westeuropas soviel beigetragen wie die Bundesrepublik. Der Aufstieg zur europäischen Entspannungsvormacht wurde zugleich zur zentralen Voraussetzung dafür, daß nach den revolutionären Veränderungen von 1989 die Mehrheit der vom Kommunismus befreiten Völker und die neuen Regierungen in Mittel-und Osteuropa sich nicht gegen die Wiedervereinigung Deutschlands stellten, sondern diese so­ gar zum Teil nachdrücklich begrüßten. Während deutsche Linksintellektuelle Schreckgespenster vom „Vierten Reich“ an die Wand malten, befürworteten Politiker, wie zum Beispiel Vaclav Havel, die Wiedervereinigung Deutschlands als einen Beitrag für Frieden, Freiheit und Fortschritt in Europa.

Seit 1990 hat die alte Ostpolitik ihre ursprüngliche Funktion verloren; eine neue Ostpolitik steht vor völlig veränderten Bedingungen. Ein neues mittel-und osteuropäisches Staatensystem ist erst im Entstehen begriffen. Bilaterale Beziehungen zu neuen bzw. wiedererstandenen Staaten müssen sich erst allmählich entwickeln. Weder die Bundesrepublik noch die Europäische Gemeinschaft haben bisher ein überzeugendes Konzept für die ostpolitischen Notwendigkeiten der nächsten Jahre entwickeln können, das an die Stelle der alten Entspannungspolitik treten könnte. Nun da der Kommunismus zusammengebrochen ist, könnte der Westen -insbesondere Deutschland -kraftvoller, selbstbewußter und zugleich genügsamer und selbstloser die Beziehungen zu den Staaten in Mittel-und Osteuropa gestalten. Hatte Deutschland zu Beginn dieses Jahrhunderts zweimal Furcht und Schrecken in Mittel-und Osteuropa verbreitet, so verkörpert es heute Hoffnung. Dort stehen die Länder an einer Weggabelung, wobei die eine zu Demokratie, Pluralismus und Integration führen könnte, die andere hingegen zum sich abgrenzenden chauvinistisch-autoritären Nationalstaat.

Nach dem Zusammenbruch kommunistischer Regime entwickelt sich in dieser Region eine außerordentliche Variationsbreite verschiedener Staats-und Regierungsformen: vom Idealtypus Demokratie über politische oder militärische, semi-autoritäre oder totalitäre Regime bis hin zu militärischen oder ideologisch geformten Diktaturen. Deshalb muß der Westen dort besonders helfen, wo demokratische Entwicklungen begünstigt werden. Eine solche Politik der Anreize soll die Länder auch zu mehr gutnachbarschaftlicher Kooperation bewegen. Wir müssen allerdings verstehen, daß aufgrund der jahrzehntelangen kommunistischen Unterdrückung zunächst die Sehnsucht nach nationaler Unabhängigkeit Vorrang hat. Aber die mittel-und osteuropäischen Staaten dürfen den gutnachbarschaftlichen und integrationspolitischen Primat in der Außenpolitik, wie von den westlichen Demokratien praktiziert, nicht nur rhetorisch mit Blick auf EG und NATO formulieren, sondern sie müssen diesen mit den unmittelbaren Nachbarn praktizieren. Nur wenn die Staaten in Mittel-und Osteuropa untereinander Kooperationsfreudigkeit entwickeln, kann eine integrationspolitische Perspektive mit der EG oder der NATO realisiert werden.

Aber nicht nur Hoffnung, sondern auch Angst vor westlicher Dominanz geht in Osteuropa um. Verantwortungsbewußte Ostpolitik der Deutschen bedarf deshalb großer Sensibilität. Auch gilt es, eine Dankesschuld besonders gegenüber den Ungarn, Tschechen und Slowaken abzutragen. Aber jenseits von historischen Belastungen und aktuellen Verpflichtungen gibt es nicht nur Schwierigkeiten. Die Deutschen können an jahrhundertealte Freundschaften und gemeinsame Interessen in ihren Beziehungen zu Mittel-und Osteuropa anknüpfen. Hinzu kommt die zivilisatorische Attraktivität und die entspannungspolitische Tradition sowie die wirtschaftspolitische Kraft, die in Zukunft Stil-und substanzbildend in Osteuropa wirken kann, wenn wir mutig zupakken und mithelfen, anstatt beiseite zu stehen oder nach Manchester-Kapitalismus-Manier auftreten.

Der deutschen Ostpolitik könnten sich in den kommenden Jahren große Perspektiven eröffnen. Mittelfristig allerdings droht das Damoklesschwert der finanziellen Überdehnung. Umgekehrt zeigen die letzten zwei Jahre, daß die Hilfe des Westens nicht selten an engstirniger Bürokratie in Mittel-und Osteuropa ebenso scheitert wie an problematischen politischen und ökonomischen Entwicklungen der Länder selbst.

Bereits 1947 hatte George F. Kennan visionär die Probleme von heute erkannt: „Einer der gefährlichsten Momente für die Stabilität der Welt wird kommen, wenn eines Tages die russische Herrschaft anfangen wird, zu zerfallen.“ Wir stehen am Anfang dieses Prozesses, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen und noch stärker auf die Staaten Westeuropas und die atlantische Welt auswirken wird, als wir heute annehmen. Deutschland muß auch darauf achten, daß seine eigenen ökonomischen und politischen Interessen nicht gefährdet werden. Nur ein gesundes und starkes Deutschland kann Hilfe leisten. Nüchternheit und Augenmaß sind ebenso notwendig. Deutsch-sowjetische Kooperationsgeschäfte stehen heute schon im Schatten mancher Konkurse. Die ansteigenden Wirtschaftskrisen in den ehemals kommunistischen Staaten könnten auch die deutsche Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen.

VII. Die sicherheitspolitischen Rollen des neuen Deutschland

Die Integration der Bundeswehr in die NATO und der demokratische Primat der Politik haben dazu geführt, daß seit knapp vier Jahrzehnten eine revolutionäre Wende in der deutschen Sicherheitspolitik zur Überwindung und Tilgung des klassischen Machtstaatsgedankens in Deutschland geführt hat. Alle bundesdeutschen Streitkräfte sind in die NATO integriert. Deutschland hat seinen nicht-nuklearen Status schon früh vertraglich festgeschrieben. Seit den achtziger Jahren ist Deutschlands Schrittmacherrolle in der Abrüstung unverkennbar.

Deutschland hat auch militärisch entscheidend zur Sicherung der atlantischen Staatengemeinschaft beigetragen. Die Anerkennung des Primats der Politik für die deutschen Streitkräfte, ihre strikt verteidigungspolitische Ausrichtung und bündnis-politische Integration machen die Bundeswehr auch in Zukunft zu einem Instrument, das die Sicherheit Europas vergrößert. Über drei Jahrzehnte hat sie eine Völkergemeinschaft mit geschützt, die sich im Wettbewerb mit dem Kommunismus als die politisch, wirtschaftlich und zivilisatorisch stärkere Kraft erwiesen hat -ohne daß ein Schuß in militärischer Konfrontation abgegeben worden ist. Der Frieden war also tatsächlich der Ernstfall! Nach dem Ende des West-Ost-Konflikts und angesichts der Lehren aus dem Golfkrieg muß sich Deutschland, muß sich Europa allerdings auf neue Herausforderungen vorbereiten. Diese sicherheitspolitische Vorbildrolle Deutschlands wird übrigens deutlich in der Bitte vieler GUS-und anderer Staaten, die Reorganisation und den Neuaufbau ihrer Streitkräfte nach dem Vorbild und mit Beratung der Bundeswehr durchzuführen -für viele ostentative Bundeswehr-Gegner vielleicht ein Anlaß zu mehr Nachdenklichkeit. Auch im Vereinigungsprozeß hat die Bundeswehr eine herausragende und konstruktive Rolle gespielt. Die Auflösung der NVA und die teilweise Übernahme bzw. Eingliederung des Personals in die Bundeswehr wurde unter schwierigen politischen und menschlichen Bedingungen auf vorbildliche Weise vollzogen, wie dies auch von ehemaligen NVA-Soldaten anerkannt wird

Militärische Macht wurde in der Geschichte der Bundesrepublik bisher als nachgeordnet verstan-den, quasi als Versicherungspolice. Krieg in Europa war im Zeitalter des Kalten Krieges zwar denkbar, aber wenig wahrscheinlich, denn die Vernichtungs-Intensität wäre hoch gewesen. Darin lag die überzeugende Logik der Abschreckung. Heute jedoch sind Kriege in Europa und an dessen Rändern wieder wahrscheinlicher geworden, die Intensität dieser Kriege wird aber geringer sein als vermutete Auseinandersetzungen zur Zeit des Kalten Krieges. Dies ist eine wenig tröstliche Perspektive, denn die wachsenden Unsicherheiten innerhalb und außerhalb Europas sowie die gleichzeitig steigende Verantwortung der UNO für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Frieden und Ordnung zwingt auch die Bundesrepublik zu einem größeren Beitrag im Rahmen der UNO. Die Bundeswehr wird nicht nur wie früher mit den Verbündeten den NATO-Raum schützen, sondern könnte auch außerhalb der NATO-Grenze friedenspolitisch tätig werden.

Das sogenannte „Out-of-Area“ -Problem für den Einsatz deutscher Streitkräfte bedarf der Lösung. Über vier Jahrzehnte hat sich unser Blick konzentriert und zugleich verengt auf den Schutz des Bündnisgebietes, obwohl der Artikel 6 der NATO-Satzung lediglich das Gebiet definiert, aber keine politische Grenze für militärischen Einsatz allgemein gültig festlegt

Seit 1989 haben sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen radikal verändert. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums sind neue sicherheitspolitische Krisenlagen entstanden, die mit den traditionellen Instrumenten und Begrenzungen nicht mehr zu bewältigen sind. Die NATO -vor allem die Bundesrepublik -muß deshalb zu einem neuen Allianzverständnis kommen, das nicht nur den Fall der kollektiven Selbstverteidigung vorsieht, sondern zusätzlich neue Elemente der Bedrohung berücksichtigt und entsprechende Instrumente zur Verfügung stellt. Ohne Zweifel sind die Grenzen heute zwischen „In-“ und „Outof-Area“ fließend geworden. Das Ende des Kalten Krieges, neue Krisen und Kriegslagen in Europa sowie neue globale Verflechtungen haben die Unterscheidungslinien verwischt. Mittel-, Ost-und Südosteuropa sind zwar formell „Out-of-Area“; politisch, wirtschaftlich und heute auch militärisch sind sie aber untrennbar Bestandteil einer europäischen Wirklichkeit, die die sicherheitspolitischen Interessen zumal der europäischen NATO-Länder berührt. In einem nahen Umfeld der wachsenden Unsicherheiten außerhalb des NATO-Bereiches kann Verantwortung nicht übernommen werden, wenn die alte Trennung nach „In-“ und „Out-ofArea“ nach wie vor aufrechterhalten bleibt. Angesichts der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen innerhalb und außerhalb Europas wirkt sie anachronistisch. Der fließende Übergang von innerstaatlichem Konflikt und Bürgerkrieg zu klassischer Kriegsführung ist in Jugoslawien deutlich nachzuvollziehen. Das vom Westen entwickelte Konzept der ineinandergreifenden Institutionen NATO -KSZE -EG -WEU ist konkret im Fall Jugoslawien wirkungslos geblieben.

Die NATO wie auch die EG bleiben die beiden zentralen Institutionen, in denen die Bundesrepublik außenpolitische Verantwortung mittragen muß. Sie muß diese allerdings erweitern. NATO und EG bilden weiterhin den institutionellen Doppelkem für die Lebensfähigkeit der Bundesrepublik und darüber hinaus für die atlantische Zivilisation -das herausragendste Merkmal der internationalen Staatenwelt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: „Die atlantische Zivilisationsgemeinschaft (ist) vermutlich die letzte Chance abendländischer Kultur“, so Hannah Arendt Atlantische Zivilisation darf aber nicht gleichbedeutend sein mit naiver Harmonisierung der Werte und Interessen, sondern muß für konstruktive und selbstbewußte Konfliktfähigkeit stehen -nach innen wie nach außen.

VIII. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Es war das Schicksal Deutschlands bis 1945, daß Machtpolitik -ohne liberal-demokratische und humane Vision -zu einer Politik von Gewalt und Unterdrückung degenerierte. Deutschland fehlte im Vergleich zu westeuropäischen und nordamerikanischen Demokratien bis 1945 eine vitale und attraktive außenpolitische Vision mit universalem Standard Das hat sich seit 1949 verändert. Die Bundesrepublik entwickelte sich zu einem liberal-demokratischen Staat vorbildlicher Prägung mit einer Außenpolitik, die in Stil und Substanz heute eine eigene, würdige Tradition besitzt: Integration in die atlantische Staatengemeinschaft und eine globale Virion von Frieden und Freiheit.

Die außenpolitischen Interessen und der Handlungsspielraum sowie die Rollen der Bundesrepu­ blik lassen sich aber auf der Grundlage der vierzigjährigen Tradition von Handelsstaat, Entspannungsvormacht in Europa und auf der Grundlage der zivilisatorischen Errungenschaften allein nicht mehr definieren. Auch reicht der außenpolitische Primat von Kooperation und Integration -wie bisher entwickelt -nicht mehr aus, um die neuen Herausforderungen zu meistern. Was fehlt, ist ein neues außenpolitisches Selbstverständnis, in dem eine neue Balance zwischen Macht und Ethik, zwischen Verantwortung und Interesse, zwischen nationalem Handlungsspielraum und globalen Verpflichtungen gefunden wird. Eine kraftvolle Diplomatie, gestützt auf den Willen, militärische Macht dann einzusetzen, wenn Diktatur und Aggression erneut um sich greifen, sind ebenso unabdingbar.

Deutschlands Außenpolitik des guten Beispiels hat in der Welt einen guten Klang. Doch die einseitige Betonung des friedlichen Verhaltens läßt vergessen, daß der Einsatz von militärischer Macht zur Wiederherstellung von Frieden und Freiheit nicht ausgeschlossen werden kann. Deutschland muß deshalb ein realistisches Verständnis für den Zusammenhang von Macht und Ethik entwickeln: „Nicht der Gebrauch der Macht verdirbt die Menschen, vielmehr geschieht dies durch Anwendung einer Gewalt, die unrechtmäßig erscheint, und durch den Gehorsam gegenüber einer Macht, die sie für angemaßt und tyrannisch halten.“

Verantwortliche Machtpolitik ist mehr als nur Schutzschirm für eine florierende Wirtschaft, mehr als nur eine gefällige Formel für außenpolitische Schönwetterperioden, die beide schneller zu Ende gehen können, als programmatische Friedens-postulate vermuten lassen. Deshalb muß die politische Führung, muß auch politische Bildung den Zusammenhang von Macht, Verantwortung und Interessenwahrnehmung in der Außenpolitik deutlicher machen als bisher. Nicht die Vorurteile gegenüber der Macht zu schüren, sondern diese abzubauen im Hinblick auf ein nüchternes, realitätsgerechtes Verständnis erscheint heute vordringlich: „Nichts vielleicht ist in unserer Geschichte so selten und so kurzfristig gewesen, wie echtes Vertrauen auf Macht; nichts hat sie hartnäckiger zur Geltung gebracht als das Platonisch-christliche gegen den Glanz, der der Macht eigen ist, weil sie dem Erscheinen und dem Schein selbst dient; nichts schließlich hat sich in der Neuzeit allgemeiner durchgesetzt als die Überzeugung, daß Macht korrumpiert.“

Konrad Adenauers politische Leistung bestand darin, eine glaubwürdige Verbindung zwischen Macht und Politik geschaffen zu haben. Deshalb hat ihn Karl Jaspers zum abendländischen Staatsmann par excellence erklärt: „Für alles, was Adenauer gelungen ist, brauchte er die Macht. Um die für die Bundesrepublik und das gesamte Abendland in dieser Weltsituation an diesem Ort richtige Politik zu verwirklichen, um die Dinge in die Richtung der abendländischen Solidarität zu treiben, um der Bundesrepublik den wirtschaftlichen Aufschwung, eine neue Selbständigkeit zu verschaffen, brauchte er die Macht, für die er auf die Stimmen bei den Wahlen angewiesen ist.“

Adenauers Nachfolger im Amt haben sich alle darum bemüht, daß Deutschland einen wirkungsvollen Beitrag zum Aufbau der atlantischen Zivilisation leistet. Seit 1989 hat sich allerdings die politische Konstellation in Europa und der Welt verändert. Vordringlich ist deshalb eine realistische Konstellationsanalyse, bei der nicht nur Ideal-, sondern auch Realfaktoren angemessen berücksichtigt werden Machtverschiebungen innerhalb der atlantischen Welt sowie im Ost-West-Verhältnis treten zugunsten Westeuropas und Deutschlands stärker zutage. Aber es fehlt der Mut und der Wille, diese neuen Handlungsspielräume kraftvoll, sensibel und verantwortungsbewußt zu nutzen.

Dabei muß der Attitüde „Wir sind wieder wer“ in Deutschland von Anfang an energisch begegnet werden Die deutsche Außenpolitik muß, ganz in der Tradition des Außenministers Genscher, durch Bescheidenheit und gleichzeitig durch diplomatische Raffinesse gekennzeichnet bleiben Daß Deutschland wie auch Japan und andere Staaten im Rahmen der internationalen Organisationen wie UNO, IWF und Weltbank mehr Verantwortung übernehmen müssen, ist unbestritten. Daß der deutsche Außenminister aber selbst die Forderung erhebt, Deutschland müsse einen Sitz im ständigen Sicherheitsrat erhalten, zeigt, daß er sein politisches Fingerspitzengefühl noch verbessern kann. Die Forderung ist von der Sache her nicht ohne Berechtigung, denn der Rat spiegelt die Machtverhältnisse von 1945, nicht aber die von 1992 wider. Aber angelsächsische Geschmeidigkeit und Lässigkeit oder französische Raffinesse in der Tradition von Talleyrand wären angebrachter gewesen. Auch sein Ausspruch „Wir wollen wieder stärker in der Weltpolitik mitmischen“ ist eher für eine deutsche Skatrunde geeignet als für die Rhetorik der internationalen Diplomatie Die politische Sprache ist ein hochsensibles Instrument, von dem man differenziert Gebrauch machen sollte.

Auch der Weggang des versierten außenpolitischen Beraters des Bundeskanzlers, Horst Teltschik, vor zwei Jahren hat zur Folge, daß man im Bundeskanzleramt weniger kompetent, dafür orientierungsloser agiert. Die überlegte und sensitive Führung auf der Hardthöhe allein kann den Eindruck nicht verwischen, daß die deutsche Außenpolitik, im ganzen gesehen, vor Führungsproblemen steht. Eine außenpolitisch weitgehend desinteressierte Bevölkerung, eine verschwindend kleine kompetente außenpolitische Elite, aber rapide anwachsende außenpolitische Probleme könnten zu Konstellationen führen, die Deutschland in Europa und in der Welt in schwierige Gewitterzonen bringen, ohne daß wir einen erfahrenen Kapitän oder 1. Offizier auf der Brücke haben.

Die Bundesregierung erscheint außenpolitisch kraftlos; gleichzeitig hat die parlamentarische Opposition weder personell noch programmatisch eine überzeugende Alternative anzubieten. Um nicht nur außenpolitisch handlungsfähiger zu werden, müssen die inneren Grundlagen neu strukturiert werden. Oder haben wir heute ein Ideal von politischer Führung, die Tugenden wie Recht, Ordnung, Zivilcourage und Bescheidenheit vernachlässigt? Permissive Führung in der Politik, aber auch in der Erziehung, könnten Tüchtigkeit, Entscheidungsfähigkeit und damit die Lebensfähigkeit von Staat und Gesellschaft langfristig gefährlich beeinflussen. Sind wir heute mit einer extrem permissiven und populistischen Form von Demokratie konfrontiert, die nicht länger in der Lage ist, Ordnung, Gerechtigkeit, Toleranz und Menschenrechte zu garantieren? Die aber auch nicht in der Lage ist, die Interessen von Staat und Gesellschaft zu definieren und durchzusetzen? Max Frisch hat in seinen Tagebüchern darauf hingewiesen, daß Mittelmaß offenbar ein zwingender Bestandteil von Demokratie ist. Aber muß es sich so intensiv ausweiten, wie es heute bei Eliten und in der Bevölkerung in wachsendem Maße zu beobachten ist?

Im Kern geht es um eine neue Balance zwischen Innen-und Außenpolitik, die allerdings nicht nur die Deutschen, sondern auch andere entwickeln müssen. Wir Deutschen haben es allerdings schwerer: Wir müssen eine schwierige Übergangsperiode im Innern bewältigen und zugleich nach außenSelbstbescheidenheit deutlich machen. Im Stil zurückhaltend, substantiell aber mutig zupackend -diese neue Balance müssen wir erst finden und akzeptieren. Es gibt für uns Deutsche nach der Vereinigung keine Nische mehr in der europäischen oder globalen Politik.

Eine krisenartige Zuspitzung der Situation könnte sich für die Deutschen dann ergeben, wenn im Inneren schwere Erschütterungen eintreten -beispielsweise durch das Zusammentreffen von nachhaltig hohen finanziellen Belastungen durch den Vereinigungsprozeß und weiterhin ungehemmtem Zustrom von Zuwanderern trotz anhaltend hoher Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und einer nicht mehr steuerbaren Staatsverschuldung -, gleichzeitig aber Deutschland durch außenpolitische Krisen gesteuert werden muß und sogar der Einsatz von Streitkräften zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Frieden aufgrund von UNO-Beschlüssen zwingend wird.

Deutschland wird vermutlich schneller als erwartet mit solchen simultanen außen-und innenpolitischen Krisen konfrontiert werden, bevor es den Vereinigungsprozeß konsolidiert hat und bevor es außenpolitisch angemessen gereift ist. Weil die politische Führung -noch -nichts tut, um die Bevölkerung auf mögliche Schwierigkeiten dieser Art vorzubereiten, stehen uns unruhige Zeiten bevor.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur angemessenen Wahrnehmung historischer Perspektiven paßt die Charakterisierung: „Ranke sei ein großes Okular“, so Graf Yorck im Briefwechsel mit Wilhelm Dilthey, zitiert nach: Hans Freyer, Weltgeschichte Europas, Stuttgart 1954, S. 79.

  2. Vgl. hierzu Christian Hacke, Neue deutsche Fragen. Übernimmt die Bundesrepublik Deutschland in Europa und in der Welt von morgen mehr Verantwortung?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Januar 1991, S. 8.

  3. „Weder die sozial-liberale Koalition, noch die christlich-liberale Koalition hatten ihrer Deutschlandpolitik jemals konkrete Perspektiven der Vereinigung zugrunde gelegt. Mit der unerwarteten Umwälzung in der DDR endete eine seit Brandts Regierungserklärung von 1969 von allen Bundesregierungen betriebene Politik der kleinen Schritte, die unter Anerkennung des Status quo diesen zu überwinden suchte; erstmals muß nun aber eine Antwort auf die Frage gefunden werden, was jenseits des Status quo liegt.“ Matthias Zimmer, Nationales Interesse und Staatsraison. Zur Deutschlandpolitik der Regierung Kohl 1982-1989, Paderborn 1992, S. 239.

  4. Vgl. Brigitte Seebacher-Brandt, Die Linke und die deutsche Einheit, Berlin 1991.

  5. Vgl. hierzu Horst Teltschik, 329 Tage: Innenansichten

  6. Zum Begriff „glückliche Krise“ vgl. Christian Hacke, Chancen für ein europäisches Deutschland, in: Wilhelm von Stemburg (Hrsg.), Geteilte Ansichten über eine vereinigte Nation, Frankfurt/M. 1990, S. 85 ff.

  7. Vgl. zu den inneren Spannungen den Roman von Ivo Andric, Die Brücke über die Drina, München 1962.

  8. Zur sog. Niedergangsdebatte der USA vgl. David Calleo, The Imperious Economy, Cambridge, Mass. 1982; Paul Kennedy, Aufstieg und Fall der großen Mächte, Frankfurt/M. 1989; Joseph Nye, Bound to lead. The changing Nature of American Power, New York 1990.

  9. Vgl. Die Gefahr eines neuen Atomunfalls wird im Osten immer größer -warten bis zum nächsten Gau?, in: Hamburger Abendblatt vom 25. September 1992, S. 1.

  10. Vgl. Karl Christ, Der Untergang des Römischen Reiches, Darmstadt 1970.

  11. Vgl. John Silber, Ist Amerika zu retten? Moral und Ethik einer Weltmacht, Frankfurt/M. 1992.

  12. Vgl. die Rede von Präsident Bush vom 13. April 1991, in: Europa-Archiv, (1991) 10, D 254ff; zum Problem der Verschuldung s. David Calleo, The Bankrupting of America: How the Federal Budget Is Impoverishing the Nation, New York 1992.

  13. Vgl. hierzu E. Badian, Römischer Imperialismus, Stuttgart 1980; Joseph Vogt, Die Römische Republik, Freiburg-München 1973 (1932 zuerst erschienen).

  14. Vgl. Stefan Fröhlich, Die USA und die neue Weltordnung, Bonn-Berlin 1992.

  15. Vgl. Richard Rosecrance, Der neue Handelsstaat, Frankfurt/M. 1987.

  16. Zum Idealtypus Max Webers vgl. Wolfgang J. Mommsen, Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt/M., S. 208ff.

  17. Vgl. beispielsweise hierzu die Beiträge von Elmar Altvater, Claus Offe und Wolf-Dieter Narr in: Martin Jänicke (Hrsg.), Herrschaft und Krise, Opladen 1973, S. 170ff.

  18. Vgl. Hans-Joachim Maaz, Der Gefühlsstau: Ein Psychogramm

  19. Vgl. hierzu Christian Hacke, Weltmacht wider Willen. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949-1988, Stuttgart 1988.

  20. Zitiert nach: Thomas Etzold/John Lewis Gaddis (Hrsg.), Containment. Documents On American Policy And Strategy, 1945-1950, New York 1978, S. 64ff.

  21. Vgl. Ulrich Weisser, NATO ohne Feindbild. Konturen einer europäischen Sicherheitspolitik, Bonn-Berlin 1992.

  22. Vgl. Jörg Schönbohm, Zwei Armeen und ein Vaterland, Berlin 1992.

  23. Vgl. hierzu David Law/Michael Rühle, Die NATO und das , Out-of-Area‘-Problem, in: Europa-Archiv, (1992) 15-16, S. 439ff.

  24. Hannah Arendt, Über die Revolution, München 1965, S. 278.

  25. Vgl. hierzu Christian Hacke, Germany and the New Europe, in: David Calleo (Ed.), From the Atlantic to the Urals. National Perspectives on the New Europe, Arlington 1992, S. 85-108.

  26. Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, München 1976, S. 294ff.

  27. H. Arendt (Anm. 24), S. 216ff. Zum Problem der Macht im Sinne von Hannah Arendt s. auch Karl-Heinz Dreier, Wenn die Macht unmerklich verfällt, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 24. April 1992, S. 14; hierzu grundsätzlich ders., Hannah Arendt zur Einführung, Hamburg 1992.

  28. Karl Jaspers, Freiheit und Wiedervereinigung, München 1960, S. 87.

  29. Vgl. Gottfried-Karl Kindermann (Hrsg.), Grundelemente der Weltpolitik. Eine Einführung, München 1986, S. 106ff.; Alfred Schütz, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, Frankfurt/M. 1981.

  30. Willy Brandt umriß Deutschlands Rolle in der Welt vorbildlich: „Nationales Selbstbewußtsein ist etwas anderes als Überheblichkeit und Überschätzung des eigenen Wertes gegenüber anderen Völkern. Es ruht in einem sicheren Urteil der eigenen Kraft, Leistung und Tugend -und der eigenen Begrenztheit.“ Zit. in: Spiegel, Nr. 42 vom 12. 10. 1992, S. 21.

  31. Vgl. Hans-Dietrich Genscher, Unterwegs zur Einheit, Berlin 1991.

  32. Vgl. hierzu das Interview von Außenminister Kinkel, in: Welt am Sonntag vom 23. August 1992, sowie Claus Gennrich, Kinkel und der Sitz im Rat -Briten und Franzosen mokieren sich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. September 1992, S. 3.

Weitere Inhalte

Christian Hacke, Dr. phil., geh. 1943; seit 1980 Professor für Politikwissenschaft/Intemationale Politik an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Veröffentlichungen u. a.: Die Ära Nixon/Kissinger. Konservative Reform der Weltpolitik, Stuttgart 1983; Amerikanische Nahost-Politik, München-Wien 1984; Von Kennedy bis Reagan. Grundzüge der amerikanischen Außenpolitik, Stuttgart 1984; Weltmacht wider Willen. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1988.