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Alleinerziehende in den zwölf Ländern der EG Familienform mit wachsender Bedeutung | APuZ 7-8/1994 | bpb.de

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APuZ 7-8/1994 Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Die Situation in den zwölf Ländern der EG Alleinerziehende in den zwölf Ländern der EG Familienform mit wachsender Bedeutung Familienpolitik und Armutsbekämpfung in den zwölf Ländern der EG

Alleinerziehende in den zwölf Ländern der EG Familienform mit wachsender Bedeutung

Erika Neubauer

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Anteil Alleinerziehender variiert in den EG-Ländem beträchtlich, ebenso wie ihre Zusammensetzung nach dem Familienstand. Ungeachtet dieser Unterschiede zeichnen sich über die Grenzen hinweg charakteristische Zusammenhänge ab: Überwiegend hat die Mutter das Sorgerecht übernommen, die Unterhaltszahlungen seitens des nichtsorgeberechtigten Eltemteils bleiben oft aus oder gehen unregelmäßig ein, und Eineltem-Familien gehören häufig zu den unteren Einkommensgruppen mit entsprechend niedrigem Lebensstandard. Als Folge tritt eine zum Teil langfristige Abhängigkeit von Sozialleistungen ein. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender werden -in den einzelnen Staaten in unterschiedlichem Ausmaß -Maßnahmen getroffen, die ihre Lage verbessern sollen. Obwohl diese in einigen Ländern beachtlich sind (z. B. Dänemark, Frankreich), ergibt sich dadurch keine grundlegende Änderung, wie aus den statistischen Daten hervorgeht. Soziale Unterstützung kann hier durchaus zu einer effizienten Hilfestellung beitragen. Dafür ist es notwendig, daß Alleinerziehende mit Kindern als gleichberechtigte Famifienform anerkannt werden und familienpolitische Maßnahmen an einer selbstbewußten Lebensgestaltung ausgerichtet sind.

I. Vorbemerkungen

Tabelle: Maßnahmen für Alleinerziehende in der EG Quelle: E. Neubauer/Ch. Dienel/M. Lohkamp-Himmighofen (Anm. 1), Kap. 10.

Das Zusammenleben mit einem alleinstehenden Elternteil ist eine Erfahrung, die zunehmend für Kinder zur Realität wird. Im Durchschnitt trifft diese Familiensituation nur für eine Zeitdauer von fünf bis sechs Jahren zu, weil die Mutter oder der Vater dann gewöhnlich einen neuen Lebenspartner gefunden haben (Heirat, Wiederheirat, nicht-eheliche Lebensgemeinschaft). Auch wenn die Phase des Alleinerziehens also meist begrenzt ist, weist sie charakteristische Zusammenhänge auf, und zwar EG-weit In jedem Land sind Eineltern-Familien wirtschaftlich benachteiligt und unterliegen der Gefahr des sozialen Abstiegs, der die Entwicklungschancen der Kinder beeinträchtigen kann. Hilfestellungen seitens des sozialen Umfeldes sowie der Gesellschaft sind daher dringend erforderlich und werden in unterschiedlicher Ausprägung auch erbracht. Um das Ausmaß sowie die Effizienz der vorhandenen Unterstützung einschätzen zu können, werden hier folgende Schwerpunkte behandelt: -Beschreibung der Situation Alleinerziehender; -Darstellung der ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen; -Diskussion des Unterstützungsbedarfs; -Folgerungen für die Ausgestaltung familien-politischer Maßnahmen.

Zuvor ist jedoch nach einer generell gültigen Definition für Alleinerziehende zu fragen. Dies ist kein leichtes Unterfangen, da die Begriffsbestimmung mit dem im jeweiligen Land vorzufindenden Bild von Familie zusammenhängt, das innerhalb der EG sehr unterschiedlich ausfällt. Als gemeinsame Ausgangsbasis wird daher die von einem Ausschuß beim Europarat gewählte Formulierung zugrunde gelegt: „Eineltern-Familien sind Familien, in denen ein Elternteil mit einem oder mehreren Kindern zusammenlebt. Der sorgeberechtigte Elternteil kann verwitwet, geschieden, getrenntlebend oder unverheiratet sein.“ Bei dieser Definition wurden genauere Differenzierungen bewußt ausgeklammert. So wird z. B. lediglich auf den Familienstand Bezug genommen und nicht näher ausgeführt, ob „Alleinerziehen“ voraussetzt, daß kein Zusammenleben mit einem Partner besteht. Damit wird die Schwierigkeit umgangen, eindeutige und objektiv nachprüfbare Kriterien für den Status einer Beziehung zwischen Personen aufzustellen. Denn es kann nicht kontrolliert werden, ab wann und für welche Zeitdauer ein Partner elterliche Funktionen übernimmt und den Alleinerziehenden entlastet. Aufgrund dieser weitgefaßten Begriffsbestimmung ist natürlich nicht auszuschließen, daß es sich bei einem Teil der Eineltern-Familien in Wirklichkeit um nichteheliche Lebens-gemeinschaften mit Kindern handelt.

II. Zur Lebenslage Alleinerziehender

1. Verteilung von Alleinerziehenden auf die EG-Staaten

Das noch ungelöste Problem einer klaren Abgrenzung von anderen Familienformen spiegelt sich im unzureichenden Datenstand zur Situation von Eineltern-Familien wider. Hinzu kommt -insbesondere beim Vergleich von statistischen Angaben verschiedener Länder -, daß auch weitere wichtige Erhebungsmerkmale nicht aufeinander abgestimmt sind. Zum Beispiel variieren die Altersgrenzen der Kinder Alleinerziehender von Land zu Land. Um überhaupt Vergleiche anstellen zu können, muß daher häufig auf „Kinder ohne Alters-begrenzung“ ausgewichen werden. Damit verbieten sich allerdings Rückschlüsse auf die Belastung des sorgeberechtigten Elternteils z. B. im Hinblick auf Kinderbetreuung, weil dann auch erwachsene Kinder mit erfaßt werden. Auch bezüglich der Messung des Einkommens bzw.der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage weichen die Methoden je nach Nation voneinander ab, so daß strenggenommen keine Vergleichsbasis vorhanden ist. Aus diesen Gründen können zu vielen Fragen keine eindeutigen Ergebnisse vorgestellt werden, generalisierende Aussagen sind nur unter Vorbehalt möglich.

Außer diesen Einschränkungen besteht noch das Problem, daß für einige Länder kaum Daten zu Alleinerziehenden vorliegen, weil sie nicht getrennt erfaßt werden und/oder keine Differenzierungen etwa nach dem Familienstand oder nach der Anzahl der Kinder erfolgen. Das trifft vor allem für die Länder zu, in denen es relativ wenige Eineltem-Familien gibt und konservative Auffassungen von Familie vorherrschen. Auch wenn die Zahl der Eineltern-Familien in sämtlichen EG-Ländern steigende Tendenz zeigt, so sind doch erhebliche Unterschiede im jeweiligen Anteil an Ehepaar-Familien festzustellen. Zu den Staaten mit den meisten Alleinerziehenden gehören Dänemark, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland, während im Gegensatz dazu in den Ländern Irland, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland relativ wenige Alleinerziehende vorhanden sind. Beide Extremgruppen sollen kurz beschrieben werden, weil jeweils typische Zusammenhänge zutage treten, die auch bezüglich der familienpolitischen Leistungen interessieren.

Bei den Ländern mit beträchtlichem Anteil an Eineltern-Familien fällt auf, daß sowohl für Scheidungen als auch für außereheliche Geburten und für nichteheliche Lebensgemeinschaften die Prozentsätze ausgesprochen hoch liegen, also mehrere Ursachen für Alleinerziehen Zusammentreffen. Für Dänemark, das hinsichtlich Eineltern-Familien den obersten Rang einnimmt (1991: 22 Prozent, Kinder ohne Altersgrenze), läßt sich das anhand der Scheidungsquote von 14 Prozent (1989) sowie der Quote nichtehelicher Geburten von 46 Prozent (1989) eindeutig nachweisen. Bei dieser hohen Quote nichtehelicher Geburten ist allerdings zu berücksichtigen, daß ein Teil der in nichtehelicher Gemeinschaft Lebenden -die in Dänemark einen Höchstwert erreichen (1989: 23 Prozent der Paare) -die Eheschließung vor der Einschulung des Kindes „nachholt“. In anderen Ländern ist es eher üblich, möglichst noch vor der Geburt des ersten Kindes zu heiraten Auch wenn sich in dieser „Spitzengruppe“ bezeichnende Übereinstimmungen finden, lassen sich doch auch länderspezifische Ursachen-Konfigurationen erken­ nen. So ist im Vereinigten Königreich mit 16 Prozent Alleinerziehenden (1989: Anteil an Familien mit abhängigen Kindern) sowohl die Anzahl nicht-ehelicher Geburten (1989: 27 Prozent) als auch die Anzahl der Scheidungen (1989: 13 Prozent) außerordentlich hoch. In Frankreich wiederum befindet sich die Scheidungsquote auf relativ niedrigem Niveau, aber die nichtehelichen Geburten (1989: 28 Prozent) und die nichtehelichen Lebensgemeinschaften (1989: 12 Prozent) rangieren im oberen Bereich. Auch Deutschland hat weniger herausragende Quoten aufzuweisen, aber für nichteheliche Geburten, Scheidungen sowie nichteheliches Zusammenleben sind jeweils erhöhte Werte festzustellen.

Demgegenüber können die Länder, in denen wie z. B. in Portugal wenige Eineltern-Familien leben (1990: 6 Prozent, Kinder unter 18 Jahre), durch andere Zusammenhänge charakterisiert werden: Zugehörigkeit zur katholischen bzw. orthodoxen Kirche, nichteheliches Zusammenleben lediglich als Ausnahme bzw. als Vorstufe einer späteren Heirat und außerordentlich niedrige Scheidungsquote (ca. ein bis zwei Prozent der bestehenden Ehen). Irland stellt bezüglich Scheidungen ein Extrem dar, da Scheidungen nach einem 1986 gescheiterten Referendum nach wie vor durch die Verfassung ausgeschlossen sind. Als Ursachen für Alleinerziehen kommen hier also hauptsächlich Verwitwung oder außereheliche Mutterschaft in Betracht. Der Anteil nichtehelicher Geburten variiert in den einzelnen Ländern, wobei dies von einem sehr geringen Ausmaß (Griechenland 1990: 2 Prozent) über mittlere Ausprägungen (Italien 1990: 6 Prozent; Spanien 1989: 10 Prozent) bis zu Höchstwerten in Irland (1989: 13 Prozent) und Portugal (1990: 14, 5 Prozent) reicht.

Die Betrachtung der Verteilung von Alleinerziehenden auf die EG-Staaten zeigt, daß der jeweilige Anteil Rückschlüsse auf die Zusammensetzung nach dem Familienstand zuläßt. Auf eine einfache Formel gebracht kann gesagt werden: Bei einem hohen Anteil Alleinerziehender in einem Land sind viele geschieden oder leben in Trennung; bei einem geringen Anteil ist dagegen eher mit verwitweten Müttern/Vätern zu rechnen. In Ländern, in denen Scheidungen stärker auf Vorbehalte stoßen oder verboten sind, leben allerdings offiziell Verheiratete zum Teil in Wirklichkeit getrennt. Da Ansprüche auf Unterhalt oder Sozialleistungen so nur schwer durchgesetzt werden können, sind solche Familien oft besonders schlecht gestellt.

2. Wirtschaftliche Lage Alleinerziehender

Auch wenn sich die Länder im Hinblick auf das Vorkommen von Eineltern-Familien sowie nach den Gründen für das Alleinerziehen unterscheiden, so sind doch erstaunlicherweise über die Grenzen hinweg viele Gemeinsamkeiten zu verzeichnen. Diese betreffen vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage.

Erwerbstätigkeit Zum einen hat eine Person allein die Erziehungsaufgaben zu übernehmen und für die Einkommenssicherung zu sorgen. Dies ist um so schwieriger, je jünger die Kinder sind. Zum anderen handelt es sich beim sorgeberechtigten Elternteil in sämtlichen Staaten mehrheitlich um die Mutter, die zudem als Frau am Arbeitsmarkt der Diskriminierung weiblicher Erwerbstätigkeit besonders ausgesetzt ist. Dieses Faktum, das für alle Länder zutrifft, äußert sich z. B. darin, daß der Durchschnittslohn von Frauen beträchtlich hinter dem von Männern herhinkt. Teilweise sind die Chancen der Mütter für eine Erwerbstätigkeit auch beeinträchtigt, weil sie wegen der Geburt eines Kindes die Ausbildung abgebrochen oder den Beruf aufgegeben haben. Jedenfalls sind Alleinerziehende im Durchschnitt häufiger und länger arbeitslos als andere Personengruppen.

Obwohl es alleinerziehenden Müttern vor allem bei fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen besonders schwerfällt, Familie und Beruf zu vereinbaren, üben sie doch in den meisten Ländern (Ausnahmen: Irland, Niederlande) häufiger eine Erwerbstätigkeit aus als verheiratete Mütter, außerdem sind sie öfter als diese vollzeitbeschäftigt. Alleinerziehende Mütter bemühen sich also offensichtlich um eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes. Gelingt ihnen das trotz aller Mehrfachbelastungen im Alltag, dann liegt ihr Einkommen im Durchschnitt höher als das anderer Eineltern-Familien, wie Vergleiche belegen Allerdings fällt der Einkommensvorteil wegen Besteuerung oder Wegfall von Transferleistungen zum Teil recht gering aus.

Unterhalt Eine weitere Einkommensquelle stellt grundsätzlich der Unterhalt für Kinder sowie Sorgeberechtigte dar, den der unterhaltspflichtige Elternteil zu entrichten hat. Allerdings bleiben in der überwiegenden Anzahl der Fälle die Zahlungen ganz aus oder erfolgen unregelmäßig; Untersuchungen und Erfahrungen aus verschiedenen Ländern bestätigen diesen Sachverhalt Darüber hinaus reicht der Betrag häufig nicht aus, um auch nur einen bescheidenen Lebensstandard der Familie zu gewährleisten.

Pension, Rente, Waisengeld Demgegenüber stehen sich verwitwete Alleinstehende meist weitaus besser, weil sie in der Regel nach dem Tode des Ehegatten eine Pension oder Rente erhalten; Kinder beziehen Waisengeld. Die Zahlungen gehen, wenn der Anspruch erst einmal geklärt ist, dann regelmäßig, Monat für Monat, ein. Außerdem liegt der Betrag gewöhnlich höher als bei Unterhaltsleistungen.

Sozialleistungen Aufgrund der geschilderten Einkommenssituation sind Alleinerziehende, deren Lebensunterhalt nicht durch Hinterbliebenenbezüge oder ausreichende Erwerbseinkünfte gesichert ist, ganz oder teilweise auf Sozialleistungen angewiesen. Für sie ist das Risiko der Armut eingetreten. Erfahrungsgemäß wird bei solchen Familien besonders bei den Ausgaben für Kultur, Bildung und Erholung zu „sparen“ versucht, also gerade bei den Bereichen, die für die Entwicklungschancen eines Kindes wichtig sind. Alarmierend ist hierbei vor allem die Tatsache, daß sich die Bedürftigkeit Allein-erziehender nicht nur auf „ärmere“ Länder beschränkt, sondern auch in Ländern mit allgemein hohem Wohlstandsniveau auftritt. In den Niederlanden waren z. B. 1990 unter den Sozialhilfe-empfängern 61 Prozent Alleinerziehende. Dort werden sie sogar nach dieser Leistung benannt (bijstandmoeders). Auch in Dänemark erhielten 1986 Eineltern-Familien häufiger als Paar-Familien Sozialhilfe (25 Prozent gegenüber 12 Prozent).

Den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend sind Alleinerziehende in den unteren Einkommensgruppen überrepräsentiert; auch in dieser Hinsicht gibt es keine Ausnahme bei den EG-Ländern. Weitere Zeichen ökonomischer Benachteiligung sind darin zu sehen, daß Eineltern-Familien vergleichsweise häufiger zur Miete wohnen oder in Sozialwohnungen einquartiert sind.

3. Fazit

Als Fazit bleibt festzuhalten, daß Alleinerziehen oft mit einem Absinken des Lebensstandards ver-bunden ist und die Gefahr der gesellschaftlichen Ausgrenzung in sich birgt. Witwen und alleinerziehende Väter sind dabei meist besser situiert, aber die Mehrheit der Eineltern-Familien hat mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, die sich auf alle Lebensbereiche erstrecken. Besonders beeinträchtigt sind ledige und durch Scheidung/Trennung betroffene Mütter. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Alleinerziehende zunehmend zur familienpolitischen Zielgruppe werden bzw. werden müssen.

III. Maßnahmen für Alleinerziehende in den EG-Ländem

Familien mit alleinstehendem Elternteil kommen grundsätzlich jene Leistungen zugute, die in einem Lande Familien generell zur Verfügung stehen wie z. B. Kindergeld oder Erziehungsurlaub. Darüber hinaus können Alleinerziehende aber -je nach nationaler Gesetzeslage -weitere Leistungen beanspruchen, die zur Angleichung an den Lebensstandard anderer Familien bzw. zum Ausgleich besonderer Aufwendungen wie z. B. Kinderbetreuungskosten beitragen sollen. Der Vergleich der in den einzelnen Ländern vorhandenen Maßnahmen zeigt, daß der Notwendigkeit einer gezielten Hilfestellung höchst unterschiedlich begegnet wird. Insgesamt ergibt sich ein differenziertes Leistungsspektrum, das im Folgenden kurz vorgestellt wird (vgl. die Übersicht). Die jeweilige Höhe finanzieller Leistungen muß dabei weitgehend außer Betracht bleiben.

Renten Am verbreitetsten sind Maßnahmen, die beim „klassischen“ Auslöser für Alleinerziehen, dem Tod des Ernährers, der Familie weiterhin den Lebensunterhalt sichern sollen. Dieses Risiko wird gewöhnlich durch die (gesetzliche) Rentenversicherung abgedeckt, wobei sich die Ansprüche der Hinterbliebenen aus der früheren Erwerbstätigkeit des Ehegatten/Vaters ableiten. Um auch Notlagen aufzufangen, in denen solche Ansprüche nicht bestehen, existieren in manchen Ländern Witwen-und/oder Waisenrenten, bei denen die Bezugsbedingungen gelockert wurden (z. B. Belgien, Niederlande) oder vorherige Beitragszahlungen entfallen (z. B. Dänemark, Irland). Als andere Variante können auch Zahlungen an die verwaisten Kinder erfolgen, und zwar entweder als Zuschlag zum Kindergeld (Belgien, Vereinigtes Königreich) oder als spezielle Kinderbeihilfe (Dänemark).Steuerermäßigung Steuerermäßigungen sind ebenfalls „übliche“ Maßnahmen, die den Schwierigkeiten Alleinerziehender, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, sowie den mit außerhäuslicher Erwerbstätigkeit einhergehenden erhöhten Ausgaben für Kinder Rechnung tragen sollen. Solche Nachlässe werden -ausgenommen in Griechenland, Portugal und Spanien -in unterschiedlicher Höhe und Ausgestaltung in allen EG-Ländern gewährt. Am häufigsten geschieht das über erhöhte Steuerfreibeträge für Kinder einer bestimmten Altersgruppe, zum Teil können auch zusätzliche Aufwendungen abgesetzt werden (z. B. in Deutschland). Besonders zu erwähnen ist Frankreich, wo Alleinerziehende steuerlich stark begünstigt werden. Bei dem dort gebräuchlichen System des Familiensplitting, das nicht nur die Ehegatten, sondern auch die Kinder berücksichtigt, rechnet das erste Kind mit einem ganzen Anteil, während es bei verheirateten Eltern oder bei Verwitweten nur mit einem halben Anteil zählt. Von dieser Steuerregelung können nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern besonders profitieren.

Unterhaltsvorschußzahlungen Unterhaltsvorschußzahlungen wurden bisher in Belgien, Dänemark, Deutschland und Frankreich eingeführt, weil es allzuoft vorkommt, daß die Beträge, die sorgeberechtigten Müttern und ihren Kindern zustehen, nicht oder nur sporadisch eingehen. In Abhängigkeit von den jeweiligen Vorschriften tritt dann die öffentliche Hand in Vorleistung und erwirbt damit das Recht, die Forderungen beim zahlungssäumigen Vater einzutreiben. Auf diese Weise wird die Mutter bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche unterstützt. Im Vereinigten Königreich wurde im April 1993 eine spezielle „Child Support Agency“ eingerichtet, die als Vermittlungsstelle sowohl bei der Festlegung des Unterhaltsbetrages als auch beim Geltendmachen der Forderungen behilflich sein soll. Der Erfolg dieser Agentur bleibt abzuwarten.

Leistungen, die das Einkommen aufdas Existenzminimum aufstocken Relativ häufig oder, genauer ausgedrückt, in sieben EG-Ländern können finanziell benachteiligte Eineltern-Familien Leistungen beziehen, die ihr Einkommen auf das Existenzminimum aufstocken. Diese bestehen in Beihilfen oder in großzügigeren Bestimmungen für die Sozialhilfe bzw. das garantierte Mindesteinkommen, die dem Mehrbedarf Alleinerziehender gerecht werden sollen. Voraussetzung für den Bezug der Leistungen ist allerdings, daß die Einkommensverhältnisse einschließlich Erwerbseinkünften sowie Ersparnissen offengelegt werden, um die Bedürftigkeit anhand amtlicher Bedarfssätze nachzuweisen.

Maßnahmen, die unabhängig vom Einkommen gewährt werden Maßnahmen, die unabhängig vom Einkommen gewährt werden und nicht nur Witwen/Waisen zustehen, gibt es demgegenüber erst in drei EG-Ländern in nennenswerter Höhe: -Im Vereinigten Königreich sind Eineltern-Familien berechtigt, zusätzlich zum Kindergeld das sog. Alleinerziehendengeld zu erhalten; dabei ist die Anzahl der Kinder ohne Belang. -In Frankreich besteht mit der Familienunterstützungshilfe eine Maßnahme, die einerseits Unterhaltsvorschußzahlungen vorsieht, andererseits aber auch greift, wenn ein Kind nur von einem Elternteil anerkannt wird. -In Dänemark sind sowohl die „normale Kinder-beihilfe“ wie die „extra Kinderbeihilfe“ Leistungen, die zusätzlich zur „allgemeinen Familienleistung“ Alleinerziehenden mit Kindern bis zum Alter von 18 Jahren gezahlt werden.

Fazit Innerhalb der EG hat sich im Laufe der Zeit ein ansehnliches Arsenal an Maßnahmen für Allein-erziehende entwickelt, wobei Renten für Witwen und Waisen die längste Tradition haben. Weit verbreitet sind, davon abgesehen, Steuererleichterungen sowie Beihilfen für Eineltern-Familien, deren Einkommen nachweislich unterhalb der Sozialhilfeschwelle liegt. Ein Anspruch auf Unterhaltsvorschußzahlungen und auf einkommensunabhängige Leistungen ist dagegen erst in wenigen Ländern gegeben. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, daß sich Alleinerziehende zwar zunehmend als familienpolitische Zielgruppe etablieren, jedoch mit recht unterschiedlichem Anspruchsniveau und starkem Leistungsgefälle. Dabei sind in den Ländern mit den höchsten Anteilen an Allein-erziehenden die Maßnahmen ziemlich umfassend und richten sich auch gezielt auf die Eineltern-Familien, die durch nichteheliche Geburt, Trennung oder Scheidung entstanden sind.

IV. Ansatzpunkte zur wirksamen Unterstützung von Eineltem-Familien

Die beschriebenen Maßnahmen tragen zwar zur Einkommenserhöhung bei, haben aber nicht verhindern können, daß Alleinerziehende nach wievor benachteiligt sind. Die bereits vorhandenen familienpolitischen Leistungen reichen noch nicht aus, um den Lebensstandard von Eineltern-Familien dem allgemeinen Wohlstandsniveau anzugleichen. Aus diesem Grunde ist zu untersuchen, wie Maßnahmen effizienter gestaltet werden können

Zu diesem Zweck wird ein anderer Ausgangspunkt gewählt und von der Frage ausgegangen, welche Faktoren eine Person befähigen, Belastungen und problematische Situationen erfolgreich zu bewältigen. Denn Alleinerziehen ist eine Herausforderung mit neuen Aufgabenstellungen und Schwierigkeiten (Verlust des Partners, Übernahme der alleinigen Verantwortung für das Kind, Wohnungs-und Arbeitssuche etc.), für die es geeignete Lösungsstrategien zu entwickeln gilt. Solche Streßsituationen werden nach vorliegenden Forschungsergebnissen nur schwer überwunden, wenn Personen den Eindruck haben, den Belastungen hilflos ausgesetzt zu sein und die Lage nicht beeinflussen zu können Sie fühlen sich nicht selten überfordert und resignieren. Demgegenüber gelingt die aktive Bewältigung von Schwierigkeiten besser, wenn Personen die Kontrolle über die Situation behalten, weil sie die eigenen Kräfte dann eher mobilisieren können. Wichtige Voraussetzungen dafür sind ein positives Selbstwertgefühl sowie die Gewißheit, von anderen Menschen respektiert zu werden und durch soziale Netzwerke gegen Beeinträchtigungen gefeit zu sein. Überlegungen, welche Maßnahmen in der Phase des Alleinerziehens wirkungsvolle Unterstützung bieten können, müssen nach diesen Befunden zum einen bei der Frage ansetzen, wie Alleinerziehende in der Gesellschaft wahrgenommen werden und wie sie sich selbst einschätzen. Zum anderen ist entscheidend, welche Hilfssysteme ihnen zur Verfügung stehen und welches Gewicht diese für die Bewältigung des Alltags haben.

Zur sozialen Wahrnehmung Alleinerziehender ist festzustellen, daß mit ihrer zahlenmäßigen Zunahme auch die Akzeptanz in der Gesellschaft zugenommen hat. Vor allem in den Ländern mit hohen Anteilen an Eineltern-Familien wird diese Lebensform inzwischen völlig anerkannt. Auch die Diskriminierung nichtehelicher Kinder ist durch die familienrechtliche Gleichstellung mit ehelichen Kindern zumindest auf gesetzlicher Grundlage abgebaut worden. Diese generelle Aufwertung haben die Alleinerziehenden selbst wesentlich for-eiert, indem sie über ihre eigenen Interessenvertretungen die Gleichberechtigung als Familie gefordert haben (z. B. Gingerbread im Vereinigten Königreich, Verband alleinstehender Mütter und Väter [VAMV] in Deutschland). Gleichzeitig wird dadurch auch ein positives Selbstbild gefördert und die Verarbeitung von Schuldgefühlen erleichtert. Darüber hinaus werden Kontakte vermittelt, gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt und konkreter Beistand geleistet, z. B. durch Informationen und Beratung bei rechtlichen Problemen.

Trotz dieser positiven Entwicklungen darf nicht übersehen werden, daß es -natürlich in den Ländern unterschiedlich -noch viele Bereiche gibt, in denen Alleinerziehende mehr oder weniger offene Diskriminierungen erfahren. Diese wirken besonders beeinträchtigend, wenn sie Bemühungen vereiteln, eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu finden. Es kann auch heute noch Vorkommen, daß die Kinder in der Schule mit negativen Vorurteilen konfrontiert werden.

Die sozialen Beziehungen Alleinerziehender sowie die ihnen von Verwandten, Freunden, Nachbarn etc. geleisteten Hilfen sind ebenfalls überwiegend positiv zu beurteilen; entsprechend ihrer stärkeren Belastung erhalten sie im allgemeinen mehr Unterstützung als Ehepaar-Familien. Bei näherer Betrachtung zeichnen sich jedoch Unterschiede ab. Diese lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß getrenntlebende sowie geschiedene Mütter vergleichsweise wenige soziale Kontakte haben und auch weniger Hilfe empfangen. Dies hängt offensichtlich mit den Auswirkungen des Trennungsprozesses zusammen, der in der Regel den Verlust der Freunde und Verwandten zur Folge hat, die dem anderen Partner nahestanden. Häufig wird dann auch der Wohnort gewechselt, so daß neue Kontakte angebahnt werden müssen. Außerdem führen nicht selten anhaltende Konflikte zwischen ehemals Verheirateten dazu, daß ein sorgeberechtigter Elternteil nicht mehr mit der Unterstützung des anderen rechnen kann.

Auch bei dem insgesamt beachtlichen Ausmaß informeller Hilfen sind doch viele Eineltern-Familien auf Dienstleistungen der öffentlichen Hand angewiesen. Das ist der Fall, wenn keine entsprechenden Kontakte vorliegen oder private soziale Netzwerke dazu nicht in der Lage bzw.selbst überfordert sind. Davon abgesehen kann oft auch nur von Fachkräften Hilfe geleistet werden.

Die vorgestellten Ergebnisse legen nahe, daß eine wirksame^ Unterstützung Alleinerziehender von ihrer Fähigkeit zur Selbsthilfe auszugehen hat und die dafür notwendigen Voraussetzungen schaffen muß. Die Konsolidierung ihrer Lebensverhältnisse wird erleichtert, wenn -die Situation transparent erscheint und Strategien zur Verbesserung der Lage bekannt sind; -die soziale Stellung nachhaltig gestärkt wird, um verbliebene Diskriminierungen zu entkräften, und -private Kontakte sowie Hilfsbeziehungen ausgebaut und vertieft werden können.

Die soziale Unterstützung, die beim Zusammenwirken dieser Bedingungen erlebt wird, erhöht das Vertrauen in die eigenen Kräfte. Dadurch können auch schwierige Situationen in dem Bewußtsein in Angriff genommen werden, sie zu meistern und -soweit nötig -ausreichenden Beistand zu erhalten. Das heißt, soziale Unterstützung trägt dazu bei, konkrete Hilfen effizienter zu machen, weil sie aus Abhängigkeiten herausführt. Bei der Gestaltung familien-wie auch gesellschaftspolitischer Maßnahmen kommt es also darauf an, das Selbstbewußtsein und die Eigenständigkeit von Hilfeempfängern nicht anzutasten, sondern nach Möglichkeit noch zu fördern.

V. Anforderungen an die Familienpolitik

Ein Konzept der Stärkung der Fähigkeit zur Selbsthilfe ist schwer in geeignete Formen der Hilfestellung umzusetzen, weil Unterstützung einerseits und Autonomie andererseits grundsätzlich als Gegenpole erscheinen. Außerdem wurden zu diesem Ansatz bisher keine repräsentativen Untersuchungen durchgeführt. Daher werden im Folgenden verschiedene Maßnahmenkomplexe daraufhin geprüft, inwieweit sie dazu beitragen können, persönliche Unabhängigkeit zu fördern und vorhandene Kompetenzen zu stützen.

Erstens: Grundbedingung ist, Eineltern-Familien ein angemessenes Einkommen zu sichern, weil sie sonst durch niedrigen Lebensstandard sozial ausgegrenzt werden. Im Vergleich zu anderen Allein-erziehenden sind Witwen und Waisen in den EG-Ländern materiell am besten versorgt. Daher wird im Hinblick auf andere Eineltern-Familien die Ausfüllung einer „Lücke im Sozialsystem“ angemahnt Für ledige Mütter, Geschiedene und Getrenntlebende stehen lediglich in einigen Staaten Maßnahmen zur Verfügung, wobei entsprechende Hilfen meist auch nur beim Nachweis der Bedürf-tigkeit gewährt werden. Wenngleich die Existenz dieser Leistungen prinzipiell positiv zu werten ist, werden Alleinerziehende so in den untersten Einkommensgruppen festgehalten. Außerdem besteht die Gefahr, dadurch indirekt die Arbeitslosigkeit zu begünstigen. Gewöhnlich sind nämlich einkommensabhängige Leistungen ähnlich der Sozialhilfe mit zusätzlichen Sachleistungen gekoppelt. Diese entfallen, wenn das Einkommen z. B. wegen aufgenommener Erwerbstätigkeit die „Bedürftigkeitsgrenze“ übersteigt. Infolgedessen besteht nur ein geringer Anreiz zur Aufnahme von Erwerbstätigkeit. Auch das Antragsverfahren ist zu überdenken. So gilt es zu klären, ob und inwieweit es negative Effekte hat. Dies ist vor allem der Fall, wenn entwürdigende Nachweise gefordert werden, die das Selbstwertgefühl treffen. Zum Beispiel mußten bis vor kurzem in Irland, wo Scheidungen ausgeschlossen sind, alleinerziehende Mütter Belege dafür beibringen, daß sie (a) vom Ehemann verlassen worden waren und (b) vergeblich versucht hatten, Unterhalt von ihm einzutreiben. Aufgrund dieser Vorschrift konnten viele Eineltern-Familien die dringend notwendige Unterstützung nicht erhalten. Erst nachdem Gutachten die fatalen Folgen offenbart hatten, wurde das Verfahren Ende 1990 geändert Ähnlich beeinträchtigend wirkt sich auch ein überhebliches Verhalten von Sachbearbeitern in der Sozialverwaltung aus. Aus diesen Gründen sind einkommensabhängige Leistungen wenig geeignet, die Selbständigkeit zu fördern. Im Gegenteil, sie führen eher zu resignierendem Verharren auf sehr niedrigem Lebensstandard; ein belastendes Nachweisverfahren verstärkt diese Tendenz. Um solche Wirkungen zu vermeiden, sind Leistungen zu empfehlen, die unabhängig vom Einkommen bezogen werden können. Die Anspruchsberechtigung sollte dabei lediglich auf das Kriterium des Alleinerziehens sowie das Kindesalter abstellen, der Leistungsmodus dem Kindergeld ähnlich sein. Vorschußzahlungen für den Unterhalt der Kinder sind ebenfalls als Leistungen unverzichtbar, weil sie in Vorleistung eines bestehenden Anspruches entrichtet werden, die Rechts-position gegenüber dem Unterhaltspflichtigen verbessern können und zur Stabilisierung der Einkommenssituation beitragen.

Zweitens: Alleinerziehende sind über vorhandene Maßnahmen und Dienstleistungen sowie über ihre jeweiligen Rechte detailliert zu informieren; außerdem müssen die Ämter und dort zu erhaltende Beratungsangebote gut erreichbar sein. Darüber hinaus sollte auch der Zugang zu Behörden erleichtert werden, z. B. durch Öffnungszeiten, die auch von erwerbstätigen Müttern wahrgenommen werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß viele Alleinerziehende wegen hoher Mietkosten in Stadtrandgebieten wohnen und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Drittens: Eineltern-Familien, in denen sich schwere Belastungen kumulieren (z. B. Minderjährigkeit der Mutter, behindertes Kind, Armut), müssen rasche und umfassende Hilfe erhalten, um Deprivationserscheinungen zu verhindern. Grundsätzlich ist es besser, Probleme schon im Anfangsstadium ins Auge zu fassen, weil dadurch eine Eskalation zu starken Beeinträchtigungen vermieden werden kann. Eine präventiv orientierte Vorgehensweise kann zudem Kosten sparen helfen. Viertens: Eine Verbesserung der materiellen Bedingungen zieht oft „von selbst“ eine Ausweitung und Vertiefung der sozialen Kontakte nach sich, weil dann z. B. wieder in die Wohnung eingeladen werden kann oder vielleicht ein Auto zur Verfügung steht. Ebenso kann Kinderbetreuung, die parallel zu Veranstaltungen, Fortbildungskursen etc. angeboten wird, Alleinerziehenden die Teilnahme erleichtern. Auch die Förderung von Wohnformen, die das Zusammenleben mehrerer Generationen oder Wohngemeinschaften ermöglichen, kann Sozial-und Hilfsbeziehungen steigern. In diesem Kontext ist auch das Verhältnis zwischen früheren Partnern anzusprechen, das oft durch weiterschwelende Konflikte belastet wird, die zum Abbruch der Kontakte führen. Daher ist nach Wegen zu suchen, wie die von beiden Eltern übernommene Verantwortung für ihre Kinder auch nach der Trennung realisiert werden kann (z. B. Paargespräche in neutraler Umgebung, Vermittlung zwischen Partnern zur Regelung der Verpflichtungen gegenüber Kindern).

Fünftens: Selbsthilfegruppen Alleinerziehender gewinnen wachsende Bedeutung, da sie soziale Unterstützung gewährleisten (persönliche Anteilnahme, Informationen, soziale Kontakte, gegenseitige Hilfe, Aufwertung von Eineltern-Familien). Dieser Aufgabenstellung entsprechend müssen sie materiell und ideell gefördert werden, um eine kontinuierliche Weiterarbeit zu sichern. Sechstens: Die (Wieder-) Eingliederung in den Arbeitsmarkt stellt die beste Hilfe für eine eigenständige Lebensführung dar. Vorhandene Maßnahmen sind daher auf diese Zielsetzung abzustimmen, die auch von den Alleinerziehenden selbst angestrebt wird Wie vorliegende Untersuchungsergebnisse zeigen, ist die wirtschaftliche Lage durch Erwerbseinkünfte maßgeblich zu verbessern. Steuerliche Erleichterungen können dann dazu beitragen, daß die Einkommenshöhe für den angemessenen Unterhalt der Familie ausreicht. Als Voraussetzung für die Übernahme eines Arbeitsplatzes kann es allerdings notwendig werden, einen aus Rücksicht auf ein Kind versäumten Ausbildungsabschluß nachzuholen oder den Aus-bildungsstand anzuheben. In diesen Fällen ist für die entsprechenden finanziellen Mittel sowie Kinderbetreuung während der Ausbildungszeiten zu sorgen. Auch bei Ausübung der Erwerbstätigkeit muß die Betreuung der Kinder gewährleistet sein.

Die im einzelnen vorgebrachten Forderungen stimmen weitgehend mit denen überein, die im Interesse von Familien mit Kindern bereits seit Jahrzehnten erhoben werden, wie beispielsweise die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das bedeutet, je effizienter eine Politik für alle Familien ausgestaltet ist, desto eher erübrigen sich Sondermaßnahmen für Alleinerziehende. Nach vorliegenden Daten sind diese Voraussetzungen bisher in keinem EG-Land erfüllt Familien sind immer noch gegenüber anderen Haushalten benachteiligt, wobei sich bislang keine entscheidenden Änderungen abzeichnen. Unter diesen Bedingungen bleiben Eineltern-Familien weiterhin außerordentlich verletzlich, weil die mit der Sorge für Kinder verbundenen Verpflichtungen und Belastungen nur schwer von einer einzigen Person aufgefangen werden können. Die speziell für Alleinerziehende eingeführten Maßnahmen müssen daher aufrechterhalten und nach Möglichkeit ausgebaut werden. Dabei sollten die Leistungen im Sinne einer sozialen Unterstützung, die eine autonome Lebensführung begünstigt, so ausgestaltet sein wie „für andere Familien auch“.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieser Aufsatz beruht auf den Ergebnissen einer Studie im Auftrag des Bundesministers für Familie und Senioren (BMFuS) „Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?“ Sie wurde 1993 in der Schriftenreihe des BMFuS als Band 22, Teil 1 und Teil 2, veröffentlicht. Soweit nicht anders angegeben, gehen einzelne Daten aus dieser Studie hervor. Da der vorliegende Beitrag auf Daten basiert, die vor Inkrafttreten des Maastrichter „Vertrages über die Europäische Union“ (EU) erhoben wurden, wird im Text die Bezeichnung EG verwendet.

  2. Varieties of Welfare Provision and Single-Parent Families (PS-FM). Second Meeting (Strasbourg, 12-14 December 1988). Consolidated Report. Council of Europe, Steering Committee on Social Policy (CDPS), Straßburg 1989 (PSFM[88] 23).

  3. Vgl. Torben Fridberg, Lone Parent Families in Denmark. Danish National Institute of Social Research, Kopenhagen 1988.

  4. Vgl. Jonathan Bradshaw/Jane Miliar, Lone Parent Families in the UK, London 1991, S. 23f. (Department of Social Security, Research Report, 6).

  5. Vgl. Erika Neubauer, Alleinerziehende Mütter und Väter -Eine Analyse der Gesamtsituation, (Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Band 219); Stuttgart 1988, S. 39-41; Lone Parent families in the European Community. Final Report. Commission of the European Communities/Family Policy Studies Centre, London 1989, S. 64 (V/545/89 -EN); Peter Ward, Financial Consequences of Marital Breakdown. Combat Poverty Agency, Dublin 1990, Tab. 4 und 5 (Research Report Series, 6).

  6. Vgl. Erika Neubauer/Elizabeth Hormann, Economic and Social Support of Single-Parent Families: Needs and Reality, in: Community Alternatives, 5 (1993) 1, S. 67-84.

  7. Vgl. Richard S. Lazarus, Psychological stress and the coping process, New York 1966.

  8. Vgl. B. Cantilion, Lone Parent Families in Belgium. Report for the E. C. Lone Parent Study. University of Antwerp, Centre for Social Policy, Antwerpen 1988, S. 13.

  9. Vgl. P. Ward (Anm. 5), S. 81.

  10. Vgl. Stellungnahme der Fachgruppe Sozial-und Familienfragen, Bildungswesen und Kultur der EG-Kommission zum Thema „Alleinerziehende“, Europäische Gemeinschaften, Wirtschafts-und Sozialausschuß, Brüssel 1991 (CES 835/91 fin [E] E/JK/K/js).

  11. Vgl. Jo Roll, Lone Parents in the European Community: Trends and Policies, in: Gabriel Kiely/Valerie Richardson (Hrsg.), Family Policy, European Perspectives, Dublin 1991, S. 76.

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Erika Neubauer, Dr. phil., geb. 1942; von 1962 bis 1966 Studium der Sozialwissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg mit Abschluß als Diplom-Sozialwirt, von 1977 bis 1981 Promotionsstudium an der Universität Bonn; 1983 Gründung der Gesellschaft für Familienforschung e. V. (GEFAM) gemeinsam mit weiteren Sozialwissenschaftlerinnen; Durchführung von Forschungsprojekten zu den Bereichen „Frauen“ und „Familie“. Veröffentlichungen u. a.: Schwangerschaftsabbruch als soziales und personales Problem, Weinheim und Basel 1982; (zus. mit Ute Steinbrecher u. Susanne Drescher-Aldendorff) Gewalt gegen Frauen: Ursachen und Interventionsmöglichkeiten, Stuttgart -Berlin -Köln 1987; Alleinerziehende Mütter und Väter. Eine Analyse der Gesamtsituation, Stuttgart -Berlin -Köln 19882; (zus. mit Christiane Dienel und Marlene Lohkamp-Himmighofen) Zwölf Wege der Familienpolitik in der Europäischen Gemeinschaft -Eigenständige Systeme und vergleichbare Qualitäten?, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie und Senioren, Bd. 22, Teil 1 und 2, Stuttgart -Berlin -Köln 1993.