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Ist Geschichte in Museen lehrbar? | APuZ 23/1994 | bpb.de

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APuZ 23/1994 Von einigen meiner deutschen Augenblicke. Eine Deutschstunde aus Anlaß der Eröffnung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn Begegnungen mit unserer eigenen Geschichte Zur Eröffnung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn am 14. Juni 1994 Die Gründung des Museums für Deutsche Geschichte in der DDR Ist Geschichte in Museen lehrbar?

Ist Geschichte in Museen lehrbar?

Heiner Treinen

/ 18 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Historische Museen bedürfen neben ihrer unbestreitbaren Aufgabe der Sammlung und Aufbereitung national-kultureller objekthafter Symbole einer zusätzlichen Legitimierung, die ihren unmittelbaren Nutzen für die Öffentlichkeit deutlich werden läßt. Es liegt nahe, den Bildungsauftrag historischer Museen bis hin zu ihrer Kennzeichnung als „Lernort“ zu charakterisieren. Evaluierungen lern-und bildungsbezogener Ausstellungen und Museumsabteilungen sowie Verhaltens-untersuchungen von Museumsbesuchern zeigen übereinstimmend, daß Strukturwissen über die jeweils behandelten Themenbereiche nicht innerhalb von Museen allein vermittelbar ist und daß selbst der Vermittlung spezifischer Geschichtskenntnisse durch Museen äußerst enge Grenzen gesetzt sind. Wissenszuwächse über Museumsbesuche sind nur in solchen Fällen zu erwarten, in denen individuelles Strukturwissen schon vor dem Museumsbesuch vorhanden ist und ein zielgerichtetes, aktives Eigeninteresse für einen bestimmten der vielen Gegenstandsbereiche in historischen Museen vorliegt. Weitere unabdingbare Voraussetzungen für anhaltende Wirkungen sind gegenstandsbezogene Kommunikationsmuster vor und nach Museumsbesuchen. Für den Großteil der Besucher historischer Museen treffen derartige Vorbedingungen nicht zu, vor allem für Besucher ohne Vorbereitung, Erstbesucher, Besucher ohne weiterführende Schulbildung, unfreiwillige Besucher und für Besucher ohne aktive Interessen. Sie alle benutzen das historische Museumswesen wie andere Massenmedien.

I. Kommunikation mit historischen Objekten im Museum

Kaum eine kulturelle Einrichtung tut sich schwerer als das Museumswesen, Funktionen, Sinn und Auftrag für die Öffentlichkeit eindeutig zu umreißen. Die Mehrzahl aller kulturellen Einrichtungen ist nachfrageorientiert, besitzt ein Klientel mit bestimmbaren Bedarfsorientierungen und richtet ihr Angebot auf eben diesen Empfängerkreis ein. Museen hingegen sind Einrichtungen, die Kulturgüter nach gültigen Kriterien erfassen, bewahren, wissenschaftlich aufbereiten und einem Publikum darbieten, das aktiv an der Nutzung des öffentlichen Kulturbesitzes teilnehmen will und vor allem erst einmal begreifen muß, daß die nach bestimmten Gesichtspunkten gesammelten und aufbereiteten Museumsinhalte nicht deshalb bedeutsam sind, weil sie vom Besucher geschätzt werden, sondern unabhängig hiervon als Teil der kollektiven, rational aufbereiteten Kulturausstattung einer Nation aufzufassen sind. Alle diese klassischen Aufgabensetzungen für Museen bestehen aus arbeitsteiligen, auf Spezialistentum gründenden Tätigkeiten, die nur über komplexe Umwege dem kulturellen Ganzen, der lebendigen Öffentlichkeit also, zugute kommen. Objekte sollen als materielle Zeit-zeugen oder Sachzeugen interpretiert und präsentiert werden; aber mit welchem Sinn und für wen?

Wissenschaftliche Disziplinen, ihre theoretischen Deutungsmuster, Begriffsschemata und materiellen Wirklichkeitsbezüge bestimmen den Kanon der Sammlungsobjekte und ihre Präsentationen weitgehend; darüber hinaus ist es der professionelle Kreis von Museumsfachleuten mit wissenschaftlichem Anspruch, der das Museumsgut seiner Deutung unterwirft, oder besser: die musealisierten Objekte zu Symbolen seines kodifizierten Selbstverständnisses macht. Im Extremfall führt dies zu Objektpräsentationen, die nur über den Rückgriff auf Spezialliteratur entschlüsselbar sind und damit wiederum eher den Fachverstand bedienen als „Laienbesucher“ und deren Interessen berücksichtigen.

Obwohl derartige Ausstellungskonzeptionen nur noch gelegentlich umgesetzt werden, bleibt das Grundproblem jedoch erhalten, solange nicht die Grundsituation der Besucher, ihre Blickwinkel und Orientierungsprobleme mitberücksichtigt werden. Gerade Museumsfachleute neigen dazu, ihre eigenen professionellen Maßstäbe und Sichtweisen auf die potentiellen Museumsbesucher zu übertragen. Die Faszination authentischer Exponate mit objektivierbarem historischen Hintergrund wird ja nicht nur von Walter Benjamin mit dem Begriff der „Aura“ für Kulturobjekte gefaßt, um die gleichzeitige materiale Gegenwart des betreffenden Objektes zusammen mit dem nur emotional und kognitiv erschließbaren, geschichtsträchtigen kulturellen Sinngehalt bezeichnen zu können

Auch heute werden historische Museen als Orte umrissen, wo -mit der Sammlung historischer Güter und Symbole -unmittelbare Erfahrungsformen möglich seien, und nur dort könne Geschichte über den Weg eines authentischen Objektzugangs vermittelt werden. Gerade dies mache die Eigenart und die Unverwechselbarkeit des historischen Museums als kulturelle Institution aus. Es handele sich dementsprechend um eine Bildungseinrichtung und um einen Lernort eigener Art, der durch nichts zu ersetzen sei. Die Unmittelbarkeit der Anschauung geschichtsträchtiger Objekte verhelfe Menschen dazu, Geschichte nicht nur als trockenen Stoff dargeboten zu bekommen, sondern eine ganzheitliche Erfahrung zu machen, die kognitive Anmutungen mit emotionalen Erlebnissen verknüpfe und auf diese Weise nicht nur eine Vergegenwärtigung historischer Begebenheiten bewirke, sondern ihren Einfluß auf die Gegenwart handgreiflich werden lasse: Erst aus dem Geschichtserlebnis könne Geschichtsbewußtsein erwachsen.

Einsichten wie die von Walter Benjamin, Gottfried Korff Umberto Eco und anderen entsprechen in der Tat einem durchaus eigenen Bewußtsein und Selbstverständnis, nämlich dem der „Culturati“ und der „Literati“ -das heißt, der geistigen Elite. Es geht hier gar nicht um Bildung oder Lernvorgänge; tatsächlich handelt es sich um ein sensuali-stisch-ästhetisches Erlebnis, das aus dem Gegenteil von Entfremdung erwächst, nämlich aus dem vorweg erarbeiteten Objektwissen, seinen Deutungen und seinen vielfältigen Bedeutungsanmutungen.

Für das große Besucherpotential historischer Museen gelten diese Voraussetzungen jedoch nicht. Dabei ist darauf aufmerksam zu machen, daß dies keine empirische Aussage ist von der Art wie: „Besucher wissen nichts und sollen im Museum lernen.“ Es betrifft vielmehr die Klarlegung des Verhältnisses zwischen aufbereiteten Museumsobjekten einerseits und dem Betrachter andererseits -also die Kommunikationsvorgänge in Museen. Jede objektive Betrachtung derartiger kommunikativer Beziehungen in Museen muß von folgenden Voraussetzungen ausgehen:

-Betrachter kommunizieren nicht mit Objekten: Museumsobjekte sind Kommunikationsvorlagen und Kommunikationsangebote.

-Erlebnisse mit Objekten in Museen beziehen sich auf kommunikative Vorerfahrungen, auf Erwartungen und auf Antizipationen für noch in der Zukunft liegende Kommunikationen.

Dies wird insbesondere deutlich, wenn der Stellenwert von musealisierten Objekten und ihre Würdigung als bedeutsame Kulturgüter mitbedacht wird. Objekte in Museen werden nicht als sachliche Gegenstände ausgestellt, sondern als Vergegenständlichungen ideeller, also geistiger und kultureller Bedeutungsfelder -ob sie nun ästhetischer Art sind, einen Erinnerungswert aufweisen, zu Gedanken anregen sollen oder aber mit symbolisch-politischem Inhalt besetzt werden. Eine unmittelbare Erfahrung mit Objekten gibt es nicht; Entschlüsselungsakte sind notwendig; erfolgreiche Entschlüsselungsakte setzen motivationale Nähe zum Umkreis der ausgestellten Objekte und die kognitiven Voraussetzungen zur Entschlüsselung -nämlich weiterführende Bildung -voraus.

Entschlüsselungsakte erfordern Interpretationsund Selektionsleistungen. Beides bedarf wiederum der Kommunikationsvorgänge, die dem symbolischen Umkreis der betreffenden Objekte entstammen und darüber hinaus eine Art von gedachter Vorwegnahme von Kommunikationen mit ideellen oder realen Partnern darstellen. Derartige Voraussetzungen werden häufig übersehen; manchmal auch von denjenigen, die es eigentlich besser wissen müßten. Vorstellungen vom „Bildverstehen“ als einer sensualistischen Erfahrung mit besonderer hermeneutischer Kraft, die über die „Gestaltwahrnehmung“ verläuft -die also besondere Qualitäten, eine besondere Tiefendimension und Prägekraft besäße -, stecken dahinter. Damit hat es tatsächlich seine Richtigkeit, allerdings mit einem Pferdefuß: Art, Richtung und Inhalt des Bildverstehens bestimmen sich nicht oder nur am Rande durch das Exponat und seine Interpretation durch den Kurator, sondern vor allem durch die bereits im Kopf des Betrachters vorhandenen Deutungsschemata.

Die Schlußfolgerung für die Würdigung musealisierter, historisch bedeutsamer Objekte lautet also: Alltagstheorien bestimmen den Stellenwert der wahrgenommenen Objekte; sie bestimmen die jeweiligen Selektions-und Interpretationsvorgänge. Sofern Geschichtskenntnisse ausführlicher Art vorliegen, werden die Alltagstheorien durch wissenschaftliche Theorien, durch Hypothesen, durch vergleichende Bewertungen ersetzt, die wir dann „objektiv“ zu nennen gewohnt sind.

Das Objektverstehen wird also geleitet durch Alltagstheorien -mit einer Besonderheit allerdings, die unserem Verständnis von „Theorie“ widerspricht. Denn im Gegensatz zur Kommunikation anhand sprachlicher und schriftlicher Medien erfolgt die Bildwahrnehmung zunächst nicht diskursiv, sondern assoziativ Man kann aus einem Objekt allein oder aus einer Objektansammlung die Bedeutung nicht einfach „dekodieren“, sondern man assoziiert Gestaltideen anhand von Objekten -im Zweifel unabhängig von ihrer geschichtswissenschaftlich zugemessenen Bedeutung. Bei fehlendem oder in irgendeinem Sinne unzureichendem Vorverständnis bedeutet dies die Unmöglichkeit, ohne zusätzliche mediale Hilfen und Unterstützungen den Hintergrund der Objekt-bedeutung zu entschlüsseln.

II. Lernvorgänge im Museum und ihre Voraussetzungen

Es liegen eine Reihe von Untersuchungen vor, die auf direktem oder indirektem Wege versucht haben, „Wirkungen“ von Museumsbesuchen auf den Wissensstand der Besucher zu messen oder zumindest Anzeichen für Kenntniserweiterungen im Anschluß an Museumsbesuche zu ermitteln Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Art der Kommunikationsstrukturen in Museen zu; hieraus sollen Grenzen und Möglichkeiten der Bemühun-gen um Erweiterung des Geschichtshorizontes von Besuchern abgeleitet und Grundzüge der kommunikativen Strukturen in Museen erörtert werden.

Eine der facettenreichsten Studien wurde zwischen 1987 und 1989 vom Haus der Bayerischen Geschichte zu dem Zweck initiiert, die Wirksamkeit einer problembezogenen Ausstellung zu prüfen, die mit hohem materiellen und didaktischen Aufwand zur Aufklärung über „Geschichte und Kultur der Juden in Bayern“ aufgebaut wurde

Beim Versuch der Würdigung empirischer Befunde für die Beantwortung der Frage nach dem Beitrag von Museumsbesuchen zum historischen „Lernen“ muß die Tatsache berücksichtigt werden, daß die Ergebnisse auf der Grundlage einer zielgerichteten Ausstellung mit einem einzigen dominierenden Themenaspekt gewonnen wurden. Für die Vielzahl historischer Museen gilt dies jedoch nicht: Sie enthalten eine Fülle von Exponaten und Abteilungen mit heterogenen Themenstellungen, Geschichtsepochen und insgesamt gesehen zahlreichen Themenbereichen mit nur geringfügigem Bezug zueinander. Das heißt: Die Ausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte stellte eine außergewöhnlich günstige Situation zur Gewinnung neuer Erfahrungen und Wissenszuwächse mit Blick auf historische Kontexte dar. Einige der im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Ergebnisse der Evaluierung des Ausstellungsertrags lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Insgesamt gesehen ergab der Vergleich des Kenntnisstandes vor und nach dem Ausstellungsbesuch eine durchschnittlich leichte, statistisch nur wenig bedeutsame Vermehrung der Kenntnisse über das Ausstellungsthema bei den Besuchern; das heißt: hier wirkte nicht die Ausstellung, sondern dr Zufall. Bei einer Aufgliederung der Besucher nach Bildungsstand stellte sich heraus, daß Besucher ohne Basiswissen über das Ausstellungsthema durch den Besuch kaum neue Kenntnisse hinzugewannen. Dies gilt ebenso für Menschen mit höherem, aber durchschnittlichem Wissen. Anders dagegen steht es mit kenntnisreichen Besuchern: Sie lernten in der Tat dazu und profitierten überdurchschnittlich vom Ausstellungsbesuch.

Trennt man in der Datenauswertung Schüler von den übrigen Besuchern, so stellt sich heraus, daß die Wissenserweiterung bei Schülern insgesamt gesehen geringer ausfiel als bei den „normalen“ Besuchern. Schüler, die im Klassenverbund die Ausstellung besuchten, lagen beim Informationsgewinn vor den einzeln das Museum besuchenden Schülern. Innerhalb der Schülergruppierungen zeigte sich, daß Haupt-und Berufsschüler die geringsten Vorkenntnisse und auch den geringsten Wissenszuwachs durch den Besuch der Ausstellung aufwiesen. Realschüler und insbesondere Gymnasiasten mit hohem Kenntnisstand lernten in der Ausstellung auch am meisten.

Wurde in der Schule vor dem Besuch über das Ausstellungsthema referiert, stieg der Wissenszuwachs durch den Besuch deutlich an. Das höchste Vorwissen besaßen solche Schüler, die sich aus eigenem Antrieb mit dem Thema befaßt hatten; auch bei ihnen hatte die Ausstellung Lerneffekte, obwohl die Informationszunahme insgesamt geringer war als in der Schülergruppe mit klassenbezogener Vorbereitung.

Die Schlußfolgerungen aus dieser Untersuchungsreihe liegen auf der Hand:

-Je höher ein vorgängiger Kenntnisstand über das Ausstellungsthema ist, desto höher ist der Lernerfolg, und umgekehrt: Bei geringem oder durchschnittlichem Vorwissen ist der Lerngewinn durch Museumsbesuche vernachlässigbar.

-Freiwilligkeit des Ausstellungsbesuchs ist mit höherer Lernbereitschaft verbunden und erzielt bessere Lernerfolge.

-Das gleiche gilt für den Faktor „Interesse am Ausstellungsthema“, indiziert durch vorgängige eigene Beschäftigung mit dem Thema.

-Wird im Klassenverband das Thema vorwegbehandelt, so läßt sich ebenfalls ein Wissenszuwachs durch Ausstellungsbesuche erreichen.

Stellen die geschilderten Ergebnisse nun das Fazit für die Frage nach dem Stellenwert historischer Museen für Lernvorgänge der Besucher dar? Sie tun es in einem vielleicht unerwarteten Sinne, wie ein Vergleich zu Akzeptanz-und Wirkungsstudien aus scheinbar heterogenen Lebensbereichen zeigt. Wenn etwa Studenten ihre Dozenten, deren Vorlesungsstil und den Lernertrag beurteilen sollen, dann dient -wie zu erwarten ist -auch hier die eigene subjektive Studiensituation und nur ansatzweise die „objektive“ Leistung des Dozenten als Maßstab der schließlichen Bewertung Man schreibt der Leistung der Dozenten besonders dann einen hohen Lernertrag zu, wenn:

-der Besuch der Vorlesung auf freiwilliger Basis erfolgt, wenn also keine Pflichtveranstaltung vorliegt;

-das Interesse am Vorlesungsstoff hoch ist, indiziert durch die Bereitschaft, außerhalb der Veranstaltung den Stoff zu verarbeiten;

-der Vorlesungsstoff beliebt ist; das heißt, wenn im Rahmen des jeweiligen Fachgebietes der in der Vorlesung behandelte Stoff von der Mehrzahl der Studierenden als besonders attraktiv angesehen wird.

Dem Wechselspiel zwischen „Sender“ und „Empfänger“ im Museum und im Hörsaal liegt eine Reihe ähnlicher Faktoren zugrunde, die sich von klassischen Lernsituationen grundlegend unterscheiden und möglicherweise für Art und Umfang der Verarbeitung wahrgenommener Informationen verantwortlich sind.

Damit Vermittlungsabsichten im Sinne der Vermehrung von Kenntnissen oder auch der Vermittlung von Informationen aus fachlichen Diskursen oder der Sensibilisierung gegenüber historischen Entwicklungen wirksam werden, gibt es Zusammenhänge, die üblicherweise mit dem Ausdruck „Lernsituation“ umschrieben werden Voraussetzungen für derartige Lernsituationen sind:

-die Aufgeschlossenheit der Teilnehmer;

-die Möglichkeit der Rückkoppelung zwischen Teilnehmer, Vermittler und den dazugehörigen Symbolen;

-die eigene Aktivität der Teilnehmer;

-ein durch die Situation geschaffener direkter oder indirekter leichter Lerndruck;

-eine der Lernsituation entsprechend didaktisch aufbereitete, sachlogisch klare Exponatstruktur.

Dies alles setzt eine eindeutige Gruppensituation voraus, in der nicht nur die personale Ansprache garantiert ist, sondern auch eine gegenseitige Verstärkung der Teilnehmer stattfindet, was wiederum eine ungefähr gleiche Vorbildung oder Vorbereitung der Teilnehmer erfordert. Sofern der Museumspädagoge oder Museumsdidaktiker nicht Teil dieses Netzwerkes ist, muß er über diese Voraussetzungen informiert sein oder sich in vorbereitenden Gesprächen darüber informieren können.

Die vorstehenden Hinweise auf Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen sind deshalb angebracht, weil sie in Museen gewöhnlich fehlen -abgesehen von strukturierten Besuchergruppen, die sich bereits vor dem Museumsbesuch intensiv mit der Ausstellungskonzeption oder mit den Exponaten auseinandergesetzt haben.

Selbst Schulbesuche in Museen unterliegen einer Dynamik, die während des Besuches das Vorliegen einer Lernsituation nur in Ausnahmefällen wahrscheinlich werden läßt, eben weil im Selbstverständnis der Schüler der Museumsbesuch als Ausnahme vom Schulalltag mit seinen speziellen Lernanmutungen gesehen wird. So bedeutsam für Schüler die Anregung zum weiteren Umgang mit dem Gesehenen auch immer sein mag: Eine Lernsituation wird sich nur unter außergewöhnlichen Umständen im Museum selbst schaffen lassen.

III. Das historische Museum als Massenmedium eigener Art

Diese fehlenden Grundlagen, die zu einem erfolgreichen Lernen innerhalb des Museums hinführen können, haben etwas mit der Struktur von Museen selbst zu tun. Das Museumswesen stellt im Unterschied zu anderen Bildungseinrichtungen eine Institution dar, die ihrer Struktur nach symbolische Inhalte an ein umfangreiches, heterogenes und verstreutes Publikum verbreitet. Aus diesem Grund ist mit wenigen Ausnahmen die Darbietung der Exponate sowie ihre Deutung nicht auf die Bedürfnisse eindeutig identifizierbarer Besucher-gruppierungen mit ihren je spezifischen Vorstellungen, Vorlieben und Wissensvoraussetzungen ausgerichtet. Dies hat zur Folge, daß Exponataufbau und Zusatzinformationen für das Publikum eher nach fachlichen als nach didaktischen Kriterien aufbereitet werden. Da die Experten nur in seltenen Fällen aufgrund der Heterogenität der Besucher eindeutige Rückmeldungen erhalten, sind es vor allem ihre Vorstellungen von kulturellen Werten, die dem Publikum vermittelt werden. Sie entsprechen weitgehend der jeweiligen Sprach-form der Experten, wie sie auch in wissenschaftlichen Publikationen und Katalogen niedergelegt sind Aus diesen wenigen Bemerkungen wird deutlich, daß trotz aller Unterschiede Museen Eigenheiten von Massenmedien aufweisen; und genau hieraus ergeben sich eine ganze Reihe von Problemen, wenn Museumsdidaktiker versuchen, Museums-inhalte besucherorientiert zu gestalten. Wir finden nämlich, daß bei Besuchern durchweg Handlungsund Interpretationsformen auftreten, die ebenfalls aus massenmedialen Anmutungen bekannt sind. Der massenmedialen Informationsauswahl entspricht ein kulturelles „window-shopping“ in Museen. Die Verweildauer vor einzelnen Exponaten ist extrem kurz; zum Teil derart gering, daß nicht einmal der kognitive Gehalt kurzer Texte wahrgenommen wird. Gleichzeitig bemüht sich der überwiegende Teil der Besucher, das gesamte Museum bzw. die gesamte Ausstellung mit allen Inhalten zu besichtigen.

Dies erinnert wiederum an Verhaltensweisen, wie sie massenmedialen Situationen entsprechen. Einige Gründe hierfür lassen sich leicht entschlüsseln. Das Verhältnis des Besuchers zum Objekt und der dahinterstehenden Interpretation ist „asymmetrisch“ und nur in seltenen Ausnahmen interaktiv: Informationen und der Hintergrund der Darbietung von Exponaten können vom Betrachter nicht mitbestimmt werden; die Informationsdarbietung über diese Punkte ist einseitig. Der massenmedialen Motivationsbasis entspricht das Neugierverhalten eines Großteils der Besucher, das mit der ständigen Suche nach zusätzlichen Anreizen gekoppelt ist. Analog zur Verarbeitung massenmedialer Ausstrahlungen ist die Informationssuche und Informationsverwertung weniger zielgerichtet als expressiv, weniger kognitiv als emotional orientiert. Ebenfalls analog zu den Wirkungen massenmedialer Ausstrahlungen sind für Lernprozesse weniger die Absichten der Kuratoren entscheidend als vielmehr individuell vorhandene Verarbeitungsstrukturen und Überzeugungen der Besucher; diese können sich sogar gegen scheinbar offensichtlich dargebotene Bedeutungsmuster durchsetzen. Historische Objekte in musealen Präsentationen stellen für die Vielzahl der Besucher also Symbole dar, die in einem für die meisten unbekannten, aber statushohen Interpretationszusammenhang stehen.

Und ebenso wie im Fall von Massenmedien -seien dies nun Printmedien oder elektronische Medien -besteht auch für Ausstellungsbesucher ein außerordentlich hoher Informationsüberschuß. Lediglich ein Bruchteil der dargebotenen Exponate und Inhalte wird im Gedächtnis gespeichert; dies gilt in gleichem Maße für didaktisch orientierte Exponataufbereitungen

Fassen wir zusammen: Lerneffekte über museale Darbietungen im Sinne der Vermittlung von Geschichtskenntnissen sind nur dann zu erwarten, wenn vor den Museumsbesuchen Strukturwissen erworben wurde und wenn gleichzeitig ein spezielles Interesse aktiviert wird, das den Museums-und Ausstellungsbesuch auf ein Thema beschränkt oder aber auf einen speziellen Deutungszusammenhang hin fokussiert.

Die Sichtweise von Analytikern massenmedialen Verhaltens auf die Verarbeitungsweisen durch die Empfänger steht in totaler Konkurrenz zu pädagogischen und didaktischen Ausrichtungen, die einen normativen Ausgangspunkt haben, also stärker das „Sollen“ gegenüber der tatsächlichen Befindlichkeit von Menschen hinsichtlich medialer Einflüsse betonen. Pädagogen und Didaktiker sind an Befindlichkeiten orientiert, bei denen Menschen unter dem Einfluß lernbezogener, zielgerichteter Einflüsse stehen. Vorausgesetzt und mitgedacht wird eine kommunikative Situation, welche Widerstände gegenüber zielgerichtetem Lernen durch Orientierung aneinander überwinden hilft, sowie eine kollektiv wirksame Unterordnung unter eine gemeinsame, instrumentelle, ziel-und zweckbestimmte Autorität, um die Kluft zwischen dem eigenen Wissen und dem noch nicht realisierten Wissen zu schließen

Theoretiker von Massenkommunikationsverhalten haben einen anderen Satz von Verhaltensdispositionen und äußeren Anmutungen im Auge, bevor sie ihre Analysen beginnen. Zentral für derartige Analysen ist eine Grundsituation, in der eine unbestimmte Vielzahl von Menschen mit heterogenen Haltungen und Wissensvoraussetzungen gleichen Reizen ausgesetzt wird, wobei die Zielbezüge der Teilnehmer ebenfalls sehr heterogen sind. Im Unterschied zu pädagogisch relevanten Situationen liegt also kein „Lernziel“ vor; im Gegenteil: Die an massenmedialen Ausstrahlungen beteiligten Personen mögen zwar interessiert sein, in erster Linie jedoch ist das Eingehen auf die Inhalte am Unterhaltungswert ausgerichtet. Man läßt Ereignisse und Sendungen eher an sich vorüberziehen (oder zieht an ihnen vorüber wie im Museum), bis Anregungen erfolgen, die durch eigenes Vorwissen und über erworbene Verarbeitungsmodi induziert werden. Es ist kein Zufall, daß Massenkommunikationsforscher bereits früh zu der Erkenntnis kamen, die Ausstrahlung gleicher Inhalte an zahlreiche Menschen ohne interaktiven Zusammenhang miteinander habe keineswegs eine identische kritische oder unkritische Übernahme der Inhalte zur Folge. Vielmehr fanden sie bei der Analyse von Wirkungen im Sinne von Wissens-zunahme und Einstellungsveränderungen heraus, daß erst im nachhinein, also nach Beendigung des einseitigen asymmetrischen medialen Einflusses, Wirkungen zu erzielen waren -dann nämlich, wenn die über Medien erfahrenen Inhalte auch von außen verstärkt werden konnten

Mit diesen Bemerkungen soll keineswegs angedeutet werden, die Institution des Museumswesens sei ein Massenmedium wie jedes andere. Wichtigster Unterschied zu allen anderen Massenmedien ist die Tatsache, daß die massenmediale Funktion von Museen wider Willen eingetreten ist. Die Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis der Museumsfachleute und dem der Mehrheit der Besucher ist dem Museumswesen von seinem Ursprung her eigen und bis heute nicht aufgehoben, was im übrigen auch weder wünschenswert noch der öffentlichen Bedeutung förderlich wäre. Die Bestrebungen der Museumskuratoren sind darauf gerichtet, einem gedachten Besucher den rationalen Nachvollzug des Sinns von Exponaten und von Zusammenhängen zu ermöglichen, die außerhalb des Exponats liegen, aber mitreflektiert werden müssen, um den Gehalt der Ausstellung erschließen zu können -natürlich eher den Sinn und den Gehalt, der vom Fachverstand der Aussteller her von zentraler Bedeutung ist. Sofern nun feststeht, daß dieses Ziel kaum erreicht wird, weil in massenmedialen Situationen der jeweilige individuelle Bestand an Wissen und Reflexionsfähigkeit entscheidender ist als der ausgestrahlte Inhalt, so scheinen die Ziele der Museumsdidaktiker verfehlt zu sein -Analysen von Erlebnissen der Besucher deuten jedoch auf das Gegenteil hin.

Museale Objekte besitzen einen komplexeren Anmutungswert, als die beigefügten Verständnis-zusätze (Beschreibungen, Erläuterungen) suggerieren -ein Sachverhalt, den höchstens diejenigen außer acht lassen, die das Museum ausschließlich oder vorwiegend als Lehr-und Lernanstalt auffassen. Neben den Museumsdidaktikern wissen dies aber vor allem die Besucher. Der totale Sinnesreiz -oder besser die Erwartung eines solchen -ist mit übergroßer Wahrscheinlichkeit Hauptanziehungspunkt für Museumsbesuche, auch wenn die Komplexität schließlich doch nicht wahrgenommen werden mag. Der unmittelbare Reiz bedeutungsgeladener Objekte besteht gerade darin, daß -eben wegen ihrer Komplexität -auch solche Assoziationsketten abgerufen werden können, die nicht oder nur im peripheren Sinn Teil der musealen, offiziellen Bedeutungszuweisung sind. Zwar wird in solchen Fällen der „kollektive • Kulturgehalt“ der betreffenden Objekte, der ja Bestandteil pädagogisch-didaktischer Arbeit sein soll, kaum berührt; es können aber Verbindungen zu persönlichen Vorlieben gefunden werden, die dann den Erlebnisgehalt eines Museumsbesuchs ausmachen. Tritt eine solche Verbindung von Objekten oder Exponatreihungen mit einem individuellen Vorverständnis ein, dann erhalten für die Erinnerung die wahrgenommenen Objekte eine Art Kettenfunktion: Sie können als Ausgangspunkt für die Aufnahme, Verarbeitung und komplexe Speicherung von Informationen dienen und damit die Voraussetzung für die Aufnahme neuen Wissens schaffen.

Wichtig für derartige Langzeitwirkungen von Besuchen historischer Museen und Ausstellungen auf Inhalt, Art und Form von Geschichtsbewußtsein sind kommunikative Akte im nachhinein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß Museumsbesuche einen hohen Status besitzen; das heißt: daß die Erwähnung von Museumsbesuchen das Selbstwertgefühl des Sprechers zu bestätigen vermag. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind hier wiederum die Angehörigen der Bildungsschichten bevorzugt es sei denn, der Öffentlichkeitsarbeit historischer Museen gelingt ein Zugriff, der historische Fragen außerhalb des symbolischen Zusammenhangs mit dem Etikett „weiterführende Bildung“ stellt.

Damit langfristige Wirkungen der angedeuteten Art eintreten können, sind zusätzliche Reize neben der unmittelbaren Objektanschauung erforderlich -nämlich solche, die der Sinneswahrnehmung eine Qualität geben, die sie aus dem kontinuierlichen Strom von Eindrücken heraushebt. Solche Zusatzreize bestehen nicht nur darin, daß innerhalb der Ausstellung durch Stellung oder Hängung, durch Vereinzelung oder durch mediale Ausstattung den Exponaten besondere Reizqualitäten verliehen werden; mindestens ebenso wichtig ist es, daß der Besucher sich vorweg auf die Anschauung vorbereitet hat. Das muß nicht aus eigenem Antrieb allein erfolgen. Häufig werden -über massenmediale Verbreitung -historische Ausstel-lungen schon vor der Eröffnung zu kulturellen Ereignissen, die beim besuchswilligen Publikum kenntniserweiternde Kommunikationen fördern. Derartige Situationen sind außergewöhnlich; mit Ausnahme medienwirksamer Wechselausstellungen läßt sich ein hoher öffentlicher Aufmerksamkeitsgrad lediglich in den überregional bekannten, großen Museen erreichen.

Aus der besucherorientierten Museumsforschung besitzen wir Hinweise, daß und mit welchem Effekt der massenmediale Anteil an der Besuchs-situation in historischen Museen durchbrochen werden kann. Verhaltensanalysen von Museums-besuchern in historischen Ausstellungen zeigen -wie erwähnt -regelmäßig eine außerordentlich kurze Verweildauer vor Einzelobjekten, mit der Tendenz, die gesamte Ausstellung zu durchwandern -zumindest gilt dies für die Mehrzahl aller Besucher. Persönliche Merkmale der Besucher (Interessenlage, Grad der formalen Schulbildung, kognitive Nähe zu den ausgestellten Objekten) besitzen kaum einen Einfluß auf das von uns als massenmedial charakterisierte Verhalten Erst die Unterscheidung nach Erstbesuchern und Mehrfachbesuchern der gleichen Ausstellung läßt Verhaltensunterschiede erkennbar werden, und hier vermag gleichzeitig eine Erklärung für unterschiedliche Verhaltensäußerungen und den damit vermutlich einhergehenden Lerneffekten zutage zu treten. Erstbesuche (oder wiederholte Besuche unterschiedlicher Wechselausstellungen im gleichen Haus) lassen sich idealtypisch als „Orientierungsphase“ mit Blick auf die dargestellten historischen Inhalte kennzeichnen. In dieser Phase neigen Besucher zum kulturellen „window-shopping“; Texte werden häufig nur angelesen, unauffällige Exponatreihungen eher vernachlässigt. Als Grundtendenz lassen sich Motivationen vermuten, die einem Großteil des Freizeitverhaltens eigen sind: Menschen wollen ausgehen, sich vergnügen, während sie gleichzeitig erwarten, daß im Museum die eigene Vergangenheit und Gegenwart dargestellt wird. Man geht ferner davon aus, daß im Museum bekannte und hochgeschätzte Objekte auftauchen und daß ihre historischen Zusammenhänge fachwissenschaftlich, das heißt im Besucher-verständnis objektiv gedeutet werden.

In der Orientierungsphase werden Unterschiede im Strukturwissen und in den Vorkenntnissen sich noch nicht in Verhaltensunterschieden äußern. Allerdings werden auch eher beiläufige Objektwahrnehmungen bei entsprechend vorgebildeten Besuchern eher zu „Verarbeitungsprozessen“ führen, die mit dem Ausdruck „Lernen“ bezeichnet werden können, doch wird diese Verarbeitung zunächst eher assoziativ sein. Anders als im Falle des Umgangs mit Texten wirkt die Anschauung von authentischen Objekten stärker emotionalisierend auf die Betrachter -auch dann, wenn der darauf-folgende Verarbeitungsmodus eher individuellen Vorgaben entspricht und sich keineswegs nach den angebotenen Deutungsmustern richten wird.

Erst im Falle von Mehrfachbesuchern zeigen sich bereits im Verhalten Ansätze, die auf eine intensivere geistige Beschäftigung hindeuten. Die Auswahl der besuchten Abteilungen ist gezielter, die Verweildauer vor den Objekten länger; der Zusammenhang mit vorab erworbenem Struktur-wissen und Kenntnissen wird dichter; die Kommunikation mit Gleichgesinnten innerhalb und außerhalb der Ausstellung über das ausgewählte Thema verstärkt sich.

Das historische Museum wird für Besucher dann zur Stätte der herrschaftsfernen Auseinandersetzung mit einem Faszinosum: Die für geschichtliche Entwicklungen eher beiläufigen Gehalt tragenden Objekte und Exponate können an das subjektive Erlebnis des Museumsbesuchs derart gekoppelt werden, daß neben der räumlichen auch eine sensualistisch anregende Nähe entsteht. Hiermit werden zusätzliche Gedächtnisspuren gebahnt, die den Gehalt der vermittelten Eindrücke emotional-bildhaft verstärken und damit Vertiefungen vorhandener historischer Bewußtseinslagen ermöglichen. Gleichzeitig scheint durchgängig ein weiteres Grundmotiv bei Besuchern wirksam zu sein, das vor allem bei der Nutzung qualitativer Forschungsverfahren zum Ausdruck kommt: Man will sich über die musealen Darbietungen „eine eigene Meinung bilden“.

Dies ist durchaus realistisch, weil keine objekt-bezogene Didaktik denkbar ist, die alle handlungsund bildungsrelevanten Dimensionen der ausgestellten Objekte abzudecken imstande wäre. Auswahl und Abfolge der Darbietung musealisierter Objekte werden durch systematische, historische Gesichtspunkte bestimmt; und dies wiederum edeutet, daß nur ein Bruchteil der wahrnehmungsbestimmenden Objektaspekte der didaktischen Würdigung unterliegen. Das Museumswesen hat der Tendenz zur Unanschaulichkeit wissenschaftsbezogener Darlegungen widerstanden; historische Objekte werden in ihrer Ganzheit angeboten und nicht in ihrer von Historikern hervorgehobenen speziellen Bedeutung allein Dem historischen Museumswesen kann kein eindeutiger Zweck zugeschrieben werden. Es stellt eine Ausnahme im Zeitalter der wissenschaftlichen Rationalität dar: Seine Organisation ist diffus, seine Wirkungen sind unbestimmt. Genau dies sind Merkmale, die im soziologischen Sprachgebrauch mit dem Terminus „Kultur“ insgesamt verknüpft sind; und die Bedeu-tung von Kultur besteht gerade darin, für alle funktionsspezifischen Einrichtungen sowie für Menschen in völlig unterschiedlichen Lagen eine nicht bestreitbare, gemeinsame, mentalitätsformende Grundlage abendländischer Lebensformen zu vermitteln und aufrechtzuerhalten, die allen arbeitsteiligen Strukturen übergeordnet ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/M. 1963, S. 18.

  2. Vgl. Gottfried Korff, Die Popularisierung des Musealen und die Musealisierung des Populären, in: Gottfried Fliedl (Hrsg.), Museum als soziales Gedächtnis?, Klagenfurt 1988, S. 9-23.

  3. Vgl. Umberto Eco, Das Foucaultsche Pendel, München 1989, S. 14.

  4. Vgl. Pierre Bourdieu, Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt/M. 1970.

  5. Vgl. Chandler Screven, Exhibit evaluations -a goalreferenced approach, in: Curator, (1976) 1, S. 271-290.

  6. Vgl. Siegfried Lamnek/Otto Schwenk, Alltagswissen und Einstellungen. Ergebnisse einer qualitativen Studie zur Ausstellung: „Geschichte und Kultur der Juden in Bayern“, München 1989; Siegfried Lamnek, Die Evaluation von Evaluationsstudien, in: Haus der Bayerischen Geschichte (Hrsg.), Besucherforschung und Vermittlungsstrategien in historischen Ausstellungen, München 1991, S. 33-51.

  7. Vgl. Helmut Kromrey, Studentische Vorlesungskritik, in: Soziologie, (1993) 1, S. 39-56.

  8. Vgl. Heiner Treinen, Museumspädagogik und Besucher-verhalten, in: Sowi, (1981) 4, S. 213-219.

  9. Vgl. Bernhard Graf/Heiner Treinen, Besucher im technischen Museum, Berlin 1983, S. 119-158.

  10. Vgl. Heiner Treinen, Was sucht der Besucher im Museum? Massenmediale Aspekte des Museumswesens, in: G. Fliedl (Hrsg.) (Anm. 2).

  11. Vgl. Klaus Weschenfelder/Wolfgang Zacharias, Handbuch Museumspädagogik, Düsseldorf 1988.

  12. Vgl. Wolfgang Donsbach, Die Selektivität der Rezipienten, in: Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.), Medien-wirkungen, Bonn 1992, S. 25-70.

  13. Vgl. Hans-Joachim Klein/Monika Bachmayer, Museum und Öffentlichkeit, Berlin 1981.

  14. Vgl. B. Graf/H. Treinen (Anm. 9), S. 195ff.

  15. Vgl. Krysztof Pomian, Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1988.

Weitere Inhalte

Heiner Treinen, Dr. oec. publ., geb. 1931; Inhaber des Lehrstuhls für Sozialwissenschaftliche Methodenlehre und Sozialstatistik an der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen u. a.: Ansätze zu einer Soziologie des Museumswesens, in: Günter Albrecht u. a. (Hrsg.), Soziologie, Opladen 1973; Was sucht der Besucher im Museum?, in: Gottfried Fliedl (Hrsg.), Museum als soziales Gedächtnis, Klagenfurt 1983; Zwei Aspekte des Museumswesens: Das Museum als Kulturträger und als Massenmedium, in: Klaus Schaller (Hrsg.), Universität, Wissenschaft, Gesellschaft, Sankt Augustin 1990.