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Grüne Arbeitsplätze. Umweltpolitik und Strukturwandel der Beschäftigung | APuZ 37/1994 | bpb.de

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APuZ 37/1994 Das Dilemma der Umweltpolitik. Die Rückkehr der Verteilungskonflikte Von der ökologischen Vorsorge zur ökonomischen Selbstbegrenzung Von der ökologischen Vorsorge zur ökonomischen Selbstbegrenzung Verkehrspolitik und Ökologie. Umweltfreundlichere Gestaltung von Mobilität Grüne Arbeitsplätze. Umweltpolitik und Strukturwandel der Beschäftigung

Grüne Arbeitsplätze. Umweltpolitik und Strukturwandel der Beschäftigung

Jürgen Blazejczak/Dietmar Edler/Martin Gornig

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Dem Umweltschutzsektor können in Deutschland Anfang der neunziger Jahre insgesamt rund 680000 Arbeitsplätze zugerechnet werden. Damit erreicht der Umweltschutzbereich -bezogen auf die Beschäftigung -schon jetzt die Größenordnung von wichtigen Industriezweigen wie der Chemie oder dem Ernährungsgewerbe. Bei einer Fortentwicklung der Umweltpolitik im Westen und einer ökologischen Sanierung im Osten Deutschlands kann im Jahr 2000 mit einer Zahl von 1, 1 Millionen Arbeitsplätzen gerechnet werden, die durch den Umweltschutz ausgelastet sind. Spezifische Umweltschutzkenntnisse stellen immer mehr eine typische Querschnittsqualifikation dar. Typische Umweltschutzberufe im engeren Sinne -wie z. B. Umweltschutzberater, Umweltschutztechniker oder Umweltschutzbeauftragter -spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle. Nur etwa sieben Prozent der umweltschutzinduzierten Beschäftigung entfällt in Westdeutschland 1990 auf diesen Bereich. Die Wirkungen des Umweltschutzes reichen über den Umweltschutzsektor hinaus. Es ist damit zu rechnen, daß eine Ausweitung des Umweltschutzes mit einer Minderbeschäftigung in anderen Bereichen der Volkswirtschaft verbunden ist, der Beschäftigungssaldo für die gesamte Volkswirtschaft jedoch positiv ausfällt. Nach Modellsimulation machen solche Verdrängungseffekte der Weiterentwicklung der bisherigen, eher nachsorgenden Umweltpolitik in Westdeutschland ein knappes Viertel der Brutto-Beschäftigungseffekte aus. Auch bei forciertem Umweltschutz mit Schwerpunkt im Bereich des integrierten Umweltschutzes spricht wenig dafür, daß es zu einem Zielkonflikt zwischen Ökologie und Beschäftigung kommen muß. Im Vergleich zu einer reinen Fortentwicklung der bisherigen Umweltpolitik könnten allerdings die positiven Beschäftigungseffekte zunächst geringer ausfallen. Längerfristig aber dürften höhere Wachstums-und Beschäftigungseffekte zu erwarten sein.

I. Kontroverse und Konsens

Umweltschutzmaßnahmen sind aus gesamtwirtschaftlicher Sicht immer dann sinnvoll, wenn ihr Nutzen -der sich vor allem durch vermiedene Beeinträchtigungen des Wohlbefindens und der Gesundheit mißt -die Kosten übersteigt: einer zusätzlichen Rechtfertigung durch positive Beschäftigungseffekte bedürfen sie nicht. Genausowenig wäre eine Bedrohung von Arbeitsplätzen allein Grund genug, auf Umweltschutz, der nach Kosten-Nutzen-Erwägungen sinnvoll ist, zu verzichten. Unterlassener Umweltschutz zerstört die Wirtschafts-und letztlich die Lebensgrundlagen insgesamt. Warum sind dann die Beschäftigungswirkungfen des Umweltschutzes ein „Evergreen“ der wirtschaftspolitischen Debatte?

Die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen stellt ein allgemein akzeptiertes, hochrangiges wirtschafts-und gesellschaftspolitisches Ziel dar. Zu einer dauerhaft tragfähigen Entwicklung gehört auch ein hohes Beschäftigungsniveau. Daher liegt die Verknüpfung von Umwelt-und Beschäftigungspolitik nähe. Sich verschärfende Probleme sowohl in der natürlichen Umwelt als auch auf dem Arbeitsmarkt führten schon in den achtziger Jahren zur Entwicklung von Strategien, die gleichzeitig die ökologischen wie die ökonomischen Probleme lösen sollten. Seit der deutschen Vereinigung sind die Umweltprobleme in den neuen Bundesländern in den Vordergrund getreten. Sie treffen dort mit gravierenden Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt zeitlich und regional zusammen, so daß es nicht an Vorschlägen mangelt, umweltpolitische und arbeitsmarktpolitische Ziele zu verknüpfen.

Umgekehrt ist aber wohl kaum ein umweltpolitischer Vorschlag denkbar, bei dem nicht auch unter Hinweis auf die Kosten des Umweltschutzes und oft unter Verwendung von Schlagworten wie „Investitionsstau“, „Beeinträchtigung der Wettbewerbs-fähigkeit“ und „Produktionsverlagerungen ins Ausland“ auf negative Konsequenzen für die Beschäftigung verwiesen würde.

Die Kontroverse darüber, ob durch ein Mehr an Umweltschutz per saldo mehr Arbeitsplätze geschaffen werden oder verlorengehen, wird vor allem in der politischen Diskussion nicht immer sorgfältig genug von der Frage getrennt, welchen Umfang die Beschäftigung im Umweltschutzsektor besitzt. Zurechnungen von Beschäftigten zum Umweltschutzsektor sind im Grunde nicht kontrovers. Sie beschreiben eine Dimension des Strukturwandels und können u. a. mit Analysen von Tätigkeitsund Qualifizierungsstrukturen verknüpft werden. Der durch Umweltschutzmaßnahmen ausgelöste Strukturwandel der Beschäftigung reicht aber über den Umweltschutzsektor hinaus. Wirkungsanalysen versuchen die Effekte umweltpolitischer Maßnahmen auf die Gesamtbeschäftigung in einer Volkswirtschaft -also auch die Folgeeffekte außerhalb des eigentlichen Umweltschutzsektors -zu erfassen.

Im Folgenden wird zunächst eine Abschätzung des Umfangs der Beschäftigung im Umweltschutzsektor zu Beginn der neunziger Jahre vorgenommen und ein Ausblick auf ihre mögliche Entwicklung in den neunziger Jahren gegeben Anschließend werden Tätigkeits-und Qualifikationsstrukturen im Umweltschutz dargestellt. Nach einer Diskussion der Mechanismen, über die Umweltschutz-maßnahmen die Strukturen der Beschäftigung außerhalb des Umweltschutzsektors zu verändern, wird über Modellsimulation zur Abschätzung des Nettobeschäftigungseffekts einer Weiterentwicklung des Umweltschutzes berichtet. Abschließend werden die Beschäftigungswirkungen eines stärker integrierten Umweltschutzes diskutiert.

II. Arbeit für den Umweltschutz

1. Beschäftigung im Umweltschutzsektor zu Beginn der neunziger Jahre

Die Ergebnisse von Zurechnungsanalysen sind -im Gegensatz zu denen von Wirkungsanalysen -im Grunde nicht strittig. Dennoch ist es nicht ganz leicht, diejenigen Beschäftigten auszumachen, die im engeren oder weiteren Sinne dem Umweltschutzsektor zuzurechnen sind. Dazu gehören alle die Personen, die in Produktionsunternehmen oder öffentlichen Einrichtungen unmittelbar mit Aufgaben des Umweltschutzes für die eigenen Zwecke ihrer Institutionen betraut sind. Außerdem sind auch diejenigen hinzuzurechnen, die direkt Bauten, Ausrüstungsgüter, Hilfs-und Betriebsstoffe sowie Dienstleistungen für Umweltschutzzwecke herstellen. Man kann aber noch weitergehen und auch jene Arbeitskräfte einbeziehen, die indirekt dem Umweltschutz zuarbeiten.

In Westdeutschland läßt sich die Zahl der Personen, die im Jahr 1990 unmittelbar mit Aufgaben des Umweltschutzes befaßt waren, auf gut 200000 Personen beziffern. Etwa die Hälfte davon entfällt auf die Gebietskörperschaften, darunter mehr als 50000 Personen bei der Abwasser-und Abfallbeseitigung und der Straßenreinigung sowie etwa 35000 Beschäftigte in Planungs-, Verwaltungsund Vollzugsbehörden. Jeweils etwa 30000 Personen dürften im produzierenden Gewerbe, im Altstoffgroßhandel sowie bei öffentlichen und privaten Entsorgungsunternehmen ausschließlich oder zeitweise mit Umweltschutzaufgaben befaßt gewesen sein.

Die im Inland wirksame umweltschutzinduzierte Nachfrage in Westdeutschland dürfte im Jahr 1990 insgesamt knapp 32 Milliarden DM (zu Preisen von 1988) betragen haben. Dabei entfallen etwa 15 Milliarden DM auf Umweltschutzinvestitionen, gut 9 Milliarden DM auf den laufenden Sachaufwand im Umweltbereich und knapp 8 Milliarden DM auf den Export von Umweltschutzgütern und -leistungen. Dadurch wurden insgesamt etwa 340000 Arbeitsplätze ausgelastet, davon etwa 200000 direkt durch die umweltschutzinduzierte Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen und fast 140000 indirekt durch die Produktion der dazu notwendigen Vorleistungen.

Insgesamt waren damit in Westdeutschland im Jahr 1990 knapp 550000 Arbeitsplätze durch den Umweltschutz ausgelastet. 1984 konnten dem Umweltschutzbereich in Westdeutschland erst rund 420000 Beschäftigte zugerechnet werden. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre kam es also zu einer deutlichen Erhöhung der Umweltschutzbeschäftigung, während sie in der ersten Hälfte der achtziger Jahre praktisch unverändert geblieben war.

In Ostdeutschland läßt sich die Zahl der unmittelbar mit Umweltschutzaufgaben befaßten Personen nur für einige Bereiche schätzen. So dürften im Jahr 1991 rund 8000 Personen mit Planungs-, Verwaltungs-und Vollzugsaufgaben im Umweltbereich befaßt gewesen sein. In der Abfall-und Abwasserbeseitigung und der Straßenreinigung waren 20000 Personen tätig, wenn man für diese Grundfunktionen ähnliche Pro-Kopf-Relationen wie in Westdeutschland annimmt. Hinzurechnen kann man in Ostdeutschland im Jahresdurchschnitt noch 60000 ABM-Beschäftigte, die mit Aufgaben des Umweltschutzes betraut waren.

In der Umweltschutzgüterindustrie Ostdeutschlands dürften 1991 rund 28000 Personen Beschäftigung gefunden haben. Unter der Annahme, daß der Anteil der umweltschutzrelevanten Bauleistung an der gesamten Bauleistung so hoch war wie in Westdeutschland, ergibt sich für das ostdeutsche Baugewerbe 1991 eine umweltschutzinduzierte Beschäftigung von 18000 Personen. Für den Gesamtumfang der Umweltschutzbeschäftigung in Ostdeutschland im Jahr 1991 dürfte die Untergrenze demnach bei gut 130 000 Personen gelegen haben.

In Deutschland können Anfang der neunziger Jahre dem Umweltschutzbereich folglich insgesamt rund 680000 Beschäftigte zugerechnet werden. Der Umweltschutzbereich besitzt damit zwar lediglich einen Anteil von rund zwei Prozent an der Gesamtbeschäftigung, aber er erreicht immerhin -bezogen auf die Beschäftigung -schon die Größenordnung von wichtigen Industriezweigen wie der Chemie oder dem Ernährungsgewerbe.

2. Ausblick auf das Jahr 2000

Überlegungen zum zukünftigen Beschäftigungsumfang im Umweltschutzsektor sind nur in Form von Szenarien möglich. Grundgedanke eines „Trend-Szenarios“ ist die Fortschreibung der bisherigen, eher auf nachsorgende Maßnahmen gerichteten Umweltpolitik. Dabei wird berücksichtigt, daß auf absehbare Zeit das Schwergewicht der deutschen Umweltschutzpolitik in Ostdeutschland liegen wird, mit dem Ziel, die dortigen Umweltbedingungen rasch zu verbessern. Die Einschätzung der im Jahr 2000 unter diesen Bedingungen zu erwartenden Umweltschutzausgaben in Ostdeutschland ist allerdings schwierig. Dies gilt schon für die Schätzung des Bedarfs, da Daten über den Zustand der Umwelt und der relevanten Infrastruktur immer noch unvollständig vorliegen. Inwieweit dann diesem Bedarf tatsächliche Investitionen folgen, hängt sowohl von dem Tempo der wirtschaftlichen Gesundung Ostdeutschlands als auch vom Umfang der Transfer-zahlungen aus Westdeutschland ab. Die folgende Schätzung geht von der Annahme aus, daß von einem Investitionsbedarf im öffentlichen und privaten Sektor bis zum Jahr 2005 von rund 245 Milliarden DM (zu Preisen von 1990) bis zum Jahr 2000 rund die Hälfte realisiert wird.

Danach ergibt sich im Jahr 2000 in Ostdeutschland eine Zahl von 270000 Beschäftigten, die mittelbar, d. h. ausgelöst durch die Nachfrage nach Umweltschutzgütern, für den Umweltschutz arbeiten. Abgeleitet u. a. aus dem Bestand an Umweltschutzanlagen im Jahr 2000 läßt sich in Ostdeutschland außerdem eine Zahl von 70 000 Personen abschätzen, die unmittelbar mit Umweltschutzaufgaben befaßt sein werden.

Die im Inland wirksame Nachfrage nach Umweltschutzgütern in Westdeutschland beläuft sich nach den Annahmen einer Fortsetzung der Umweltpolitik in Westdeutschland im Jahr 2000 auf rund 55 Milliarden DM (zu Preisen von 1988). Zur Befriedigung dieser durch Umweltschutz ausgelösten Nachfrage sind im Jahr 2000 bei einem weiteren Anstieg der Arbeitsproduktivität rund 460000 Personen notwendig. Zusätzlich ist eine Zahl von 290000 Personen zu erwarten, die unmittelbar Umweltschutzaufgaben wahrnehmen.

Insgesamt werden also im Jahr 2000 in Westdeutschland rund 750000 Personen entweder unmittelbar oder mittelbar zur Befriedigung der Nachfrage nach Umweltschutzleistungen in Westdeutschland und aus dem Ausland für den Umweltschutz arbeiten. Rechnet man die rund 40000 Arbeitsplätze hinzu, die in Westdeutschland durch die ökologische Sanierung in Ostdeutschland ausgelastet werden, erhöht sich die Zahl der Umweltschutzbeschäftigten in Westdeutschland auf 790000 Personen.

Für Deutschland insgesamt kann damit im Jahr 2000 bei einer Fortentwicklung der Umweltpolitik im Westen und einer ökologischen Sanierung im Osten mit einer Zahl von 1, 1 Millionen Arbeitsplätzen gerechnet werden, die durch den Umweltschutz ausgelastet sind. Die Bedeutung des Umweltschutzes für die Beschäftigung wird damit also deutlich höher sein als bisher. Die Zahl der Umweltschutzbeschäftigten in Gesamtdeutschland erhöht sich in den neunziger Jahren um mehr als 400000 Personen oder 60 Prozent. In Westdeutschland werden unter den Szenarienannahmen gut 2, 5 Prozent der Erwerbstätigen für den Umweltschutz arbeiten. In Ostdeutschland sind es 5 bis 6 Prozent. Dieser mehr als doppelt so hohe Anteil in Ostdeutschland ist vor allem durch den noch bestehenden Sanierungsbedarf begründet.

3. Querschnittsqualifikation Umweltschutz

Mit zunehmendem Umfang der Beschäftigung im Umweltschutzsektor stellt sich verstärkt die Frage, inwieweit dieser Entwicklung durch die Vermittlung umweltspezifischer Qualifikationen im Rahmen der Berufs-und Hochschulausbildung oder der Weiterbildung und Umschulung Rechnung getragen werden muß. Voraussetzung für die Beantwortung dieser Frage ist es, sich zunächst einen Eindruck von den Tätigkeitsprofilen der durch den Umweltschutz beschäftigten Personen zu verschaffen. Dabei können grundsätzlich vier Tätigkeitsprofile unterschieden werden

1. Bestimmte Arbeitsplätze existieren ausschließlich aufgrund von Umweltschutzregelungen bzw. -maßnahmen. Dabei überwiegen gleichzeitig Arbeitsinhalte, die die Anwendung umweltspezifischer Kenntnisse erfordern. Typische Beispiele hierfür sind: der Betriebsbeauftragte für Umweltschutz im Galvanikunternehmen, die Referentin für Umweltschutz einer Planungsbehörde oder der Entwicklungsingenieur in einem Betrieb, der sich auf die Erstellung von Umweltschutzgütern spezialisiert hat.

2. Eine Beschäftigung, die ausschließlich durch Umweltschutz bedingt ist, muß aber nicht notwendigerweise auch mit direkt umweltschutz-relevanten Arbeitsinhalten in Verbindung stehen. Vielmehr können, selbst wenn die Beschäftigung ausschließlich Umweltschutzzwekken dient, an die eigentliche Tätigkeit ganz andere, davon unabhängige Qualifikationsanforderungen gestellt werden. Die Sekretärin der Umweltschutzabteilung im Chemieunternehmen, der Personalchef eines Entsorgungsunternehmens oder der Produktionsarbeiter, der Luftfilteranlagen montiert, sind Beispiele dafür. 3. Bestimmte Personen werden nur teilweise für Umweltschutzzwecke eingesetzt werden. Dabei können in diesem Teilbereich durchaus umweltspezifische Kenntnisse zur Anwendung kommen. Ein Beispiel dafür dürfte der für die Produktionssteuerung zuständige Mitarbeiter sein, der auch für die Minderung umwelt-gefährdender Abfallstoffe zuständig ist.

4. Letztlich kann bei durch Umweltschutzmaßnahmen teilweise gesicherter Beschäftigung der Bezug zum Umweltschutz so gering werden, daß er für die Einzelperson kaum noch wahrgenommen wird. Beispielhaft hierfür ist u. a.der Baggerführer im Tiefbau, der in gleicher Weise für Arbeiten an einer Kläranlage als auch beim Autobahnbau eingesetzt wird.

Um einen Überblick über die Bedeutung dieser vier Tätigkeitsprofile zu gewinnen, sind Informationen aus Bereichs-und Fallstudien mit dem quantitativen Raster der umweltschutzabhängigen Beschäftigung für 1990 in Westdeutschland verknüpft worden.

Danach sind es nur rund 200000 Beschäftigte, die ausschließlich mit Umweltschutzmaßnahmen -z. B. durch Umweltberatung, -planung etc. bzw. Erstellung von Umweltschutzleistungen -beschäftigt sind. Die übrigen Beschäftigungsimpulse (etwa 65 Prozent) fallen dagegen bei Personen an, die sich nur teilweise mit umweltschutzrelevanten Aufgabenfeldern befassen. Entsprechend können diese Beschäftigungseffekte sich auf eine sehr große Zahl von Personen verteilen. Nimmt man beispielsweise an, daß im Durchschnitt die Personen dieser Gruppe etwa 25 Prozent ihrer Arbeitszeit für Umweltschutzzwecke einsetzen, ergibt sich für Westdeutschland im Jahr 1990 eine Zahl von etwa 1, 5 Millionen Personen, die mit einem Teil ihrer Arbeitszeit im Umweltschutz tätig sind.

Ob Personen ausschließlich oder teilweise für Umweltschutzzwecke eingesetzt werden, ist allerdings nur ein erster Hinweis auf die Bedeutung spezifischer Umweltschutzqualifikationen. Auch in der Personengruppe, die ausschließlich in diesem Bereich tätig ist, können ganz andere Qualifikationsanforderungen im Vordergrund stehen. So ist häufig das Wissen um die Erstellung des Grundprodukts, z. B. einer Pumpe, eines Meßgerätes oder einer Baugrube, weit wichtiger als es Kenntnisse über deren mögliche Verwendung für den Umweltschutz sind. Nach diesen Überlegungen dürften es 1990 in Westdeutschland schätzungsweise nur etwa 40000 Personen gewesen sein, die ausschließlich im Umweltbereich tätig waren und dabei gleichzeitig überwiegend spezifische Umweltschutzqualifikationen eingesetzt haben. Typische Umweltschutzberufe im engeren Sinne -wie z. B. Umweltschutzberater, Umweltschutztechniker oder Umweltschutzbeauftragter -spielen damit bislang quantitativ eher eine untergeordnete Rolle. Nur etwa 7 Prozent der umweltschutzinduzierten Beschäftigungseffekte entfallen 1990 auf diesen Bereich. Bezogen auf die Gesamtbeschäftigung in Westdeutschland dürften Umweltschutzberufe also noch nicht einmal einen Anteil von 0, 1 Prozent erreicht haben.

Die eigentliche Bedeutung umweltspezifischer Qualifikationen liegt auf einer anderen Ebene. Spezifische Umweltschutzkenntnisse stellen immer mehr eine typische Querschnittsqualifikation dar. In einer Vielzahl von Berufen gewinnen beispielsweise Kenntnisse im Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen oder über die Anwendung von Umweltschutzanlagen an Bedeutung, ohne jedoch das jeweilige Berufsbild grundsätzlich zu verändern.

Für den weiteren Verlauf der neunziger Jahre zeichnet sich ab, daß ein größerer Teil der Erwerbstätigen mit umweltspezifischen Kenntnissen als Querschnittsqualifikation ausgestattet sein wird. Dies dürfte schon allein deswegen der Fall sein, weil im Laufe der Zeit immer mehr Personen beschäftigt werden, die im Rahmen ihrer Berufs-oder Hochschulausbildung umweltschutz-relevante Kenntnisse erworben haben. Darüber hinaus ist aber auch zu erwarten, daß umweltschutzspezifische Qualifikationen aufgrund des steigenden Umweltbewußtseins und der zunehmenden Umweltschutzmaßnahmen stärker Eingang in die Qualifikationsprofile finden. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei die Weiterbildung ein. Sie ist letztlich der einzige Weg, auch nach der Erstausbildung fundierte Zusatzkenntnisse im Umweltschutz zu erlangen. Ein besonders hohes Potential besteht hierbei in Ostdeutschland, da sich dort auch künftig sehr viele Menschen in der Weiterbildung und Qualifizierung befinden werden. Einen Beitrag leisten hier zudem auf den Umweltschutz ausgerichtete Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM).

Neben der verstärkten Bedeutung der Querschnittsqualifikation Umweltschutz ist im Zusammenhang mit der Zunahme der Beschäftigung im Umweltschutzbereich aber auch zu erwarten, daß Umweltschutzberufe an Gewicht gewinnen. Mit den steigenden Ausgaben für den Umweltschutz wird es z. B. für Betriebe, die Umweltschutzleistungen produzieren oder für private und öffent-liehe Stellen, die Umweltschutzanlagen und -Vorschriften überwachen, immer rentabler, Spezialisten für diese Tätigkeiten einzusetzen. Die Zahl der Personen, die ausschließlich für Umweltschutzzwecke eingesetzt werden und dabei überwiegend spezifische Umweltschutzqualifikationen anwenden, wird wahrscheinlich stark zunehmen. Bezogen auf die Gesamterwerbstätigkeit dürfte der Anteil von spezifischen Umweltschutzberufen auf absehbare Zeit allerdings bescheiden bleiben.

III. Arbeit durch den Umweltschutz

1. Probleme bei Wirkungsanalysen

Wirkungsanalysen verlangen eine sorgfältige Identifikation möglicher Wirkungsketten zwischen Umweltschutzmaßnahmer und Beschäftigung. Dies ist allerdings mit Schwierigkeiten verbunden. Mittels theoretischer Modelle kann lediglich auf die Existenz bestimmter Mechanismen hingewiesen werden; oder anders ausgedrückt: es können mit ihrer Hilfe die Bedingungen für ein bestimmtes Ergebnis gezeigt werden.

Aber auch die Möglichkeiten, die Beschäftigungswirkungen des Umweltschutzes empirisch zu bestimmen, sind begrenzt. Umweltpolitische Maßnahmen lösen vielfältige Anpassungsreaktionen bei einzelnen Wirtschaftssubjekten aus. Diese schlagen sich in Form von Beschäftigungswirkungen auf der sektoralen, regionalen oder anderen Strukturebenen nieder. Im Ergebnis kann es auf makroökonomischer Ebene zu Mehr-oder Minderbeschäftigung kommen, allerdings können strukturelle Beschäftigungswirkungen auch bei unveränderter gesamtwirtschaftlicher Beschäftigung eintreten. Ein konsistenter Brückenschlag von mikroökonomischen Anpassungsprozessen zu strukturellen und makroökonomischen Folgewirkungen ist nicht möglich. So können auf unterschiedlichen Ebenen lediglich einzelne Facetten des komplexen Wirkungsspektrums des Umweltschutzes auf die Beschäftigung mit unterschiedlichen Methoden und Modellen erfaßt werden.

2. Positive und negative Strukturwirkungen

Umweltschutzmaßnahmen sind immer gleichzeitig mit positiven und mit negativen Beschäftigungswirkungen verbunden. Manche Autoren unterscheiden zwischen positiven Ausgaben-und negativen Finanzierungseffekten d. h.der Mehr-beschäftigung durch die Durchführung einer Umweltschutzmaßnahme und der Minderbeschäftigung durch die geringere Nachfrage derjenigen, die die Lasten dafür zu tragen haben. Sie betonen, daß diese beiden auslösenden Ströme notwendigerweise gleich groß sind, so daß es zu einem per Saldo positiven Beschäftigungseffekt nur kommen kann, wenn die Intensität der Beschäftigungseffekte aufgrund der Ausgabenerhöhung größer ist als aufgrund der Finanzierung dieser Ausgaben. Diesem Argument ist allerdings entgegenzuhalten, daß in dynamischer Sicht die Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen letztendlich auch über die Mobilisierung ungenutzter Ressourcen und eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit erfolgen kann. a) Positive Teilwirkungen Die Ausgaben, die für Umweltschutzmaßnahmen getätigt werden, führen zu zusätzlichen Einkommen, die ihrerseits wieder zu einem Teil verausgabt werden und so Multiplikatorprozesse auslösen. Wird die durch Umweltschutzmaßnahmen ausgelöste Mehrproduktion als dauerhaft eingeschätzt, werden die Kapazitäten angepaßt, ist mit einer Belebung der Investitionstätigkeit (Akzeleratorprozesse) zu rechnen. Dabei kann es zu einem Aufbau neuer Wirtschaftsbereiche, z. B. einer Umweltschutzgüterindustrie, kommen.

Soweit Unternehmen durch Umweltschutzmaßnahmen Kosteneinsparungen erzielen, steigt bei Weitergabe der Kostenentlastung nach Maßgabe der Preiselastizitäten, worunter die relative Änderung der nachgefragten Menge bei kleiner Änderung eines Preises zu verstehen ist, der Absatz im In-und Ausland; Produktion und Beschäftigung nehmen zu.

Vor allem beim Einsatz von Instrumenten, bei denen es den Unternehmen überlassen bleibt, in welcher Weise sie die angestrebten Ziele erreichen, kann die Umweltpolitik auch starke Innovationsanreize entfalten. Dies verbessert die Position inländischer Unternehmen im internationalen Qualitätswettbewerb.

Positive Beschäftigungswirkungen können auch dadurch hervorgerufen werden, daß Umweltschutz-maßnahmen die Qualität der Produktionsfaktoren und damit die Standortqualität verbessern. b) Negative Teilwirkungen Umweltschutzmaßnahmen, die nicht von sich aus wirtschaftlich sind, führen per saldo zu Kostenbelastungen. Ohne daß die marktfähige Produktion zunimmt, gehen die Vorleistungs-, Kapital-oder Arbeitsproduktivität in den Sektoren, die die Maßnahmen durchführen, zurück. In Abhängigkeit von der Marktform sowie dem Ausmaß an staatlicher Regulierung oder interner Preissubventionierung werden die höheren Stückkosten in den Preisen weitergegeben. In diesem Fall kann es je nach Marktbedingungen zu Absatz-und Beschäftigungseinbußen kommen. Über die Verflechtung der Unternehmen setzt sich dieser Effekt dann auch in nachgelagerte Bereiche fort.

Die negativen Beschäftigungswirkungen sind um so stärker, je höher die Preiselastizität der Nachfrage ist. Wenn jedoch die Absatzeinbußen gering ausfallen, werden die Abnehmer bei begrenzten Budgets ihre Nachfrage nach anderen Produkten einschränken müssen. Wird statt dessen die Ersparnis eingeschränkt bzw. die Kreditaufnahme ausgeweitet, kann es über die Finanzmärkte zu Zinssteigerungen, Investitionseinschränkungen und schließlich Beschäftigungseinbußen kommen (finanzielles crowding-out).

Umweltschutzbedingte Kostenerhöhungen bedeuten eine Verringerung der Kapitalrentabilität bei Ersatz-und Erweiterungsinvestitionen. Zusätzlich kann die Investitionsneigung der Unternehmen dadurch beeinträcht werden, daß sich -falls die Überwälzungsmöglichkeiten eingeschränkt sind -die Gewinne verringern. Auch nichtquantifizierbare umweltbezogene Faktoren spielen bei Entscheidungen über und Umsetzung von Investitionsvorhaben eine wichtige Rolle. Von besonderer Bedeutung sind dabei Verwaltungsabläufe beim Vollzug des Umweltrechts sowie die Rechtsmittel, die Investoren und Dritten zur Verfügung stehen (institutionelles crowding-out). Bei voll ausgelasteten Kapazitäten -auch in Teilbereichen der Wirtschaft -kann es zudem zu negativen Beschäftigungsteilwirkungen durch die Verdrängung von „produktiven“ Investitionen durch Umweltschutzinvestitionen kommen (reales crowding-out).

Soweit eine im internationalen Vergleich vorauseilende Umweltpolitik zu stärkeren Kostensteigerungen bei inländischen Unternehmen führt, verschlechtert sich deren Position im Preiswettbewerb gegenüber ausländischen Konkurrenten auf In-und Auslandsmärkten. Inwieweit dies zu Beschäftigungseinbußen führt, hängt vor allem von der Preiselastizität der Nachfrage und dem Monopol-grad ab. Auch kann die höhere Kostenbelastung durch Wechselkursänderungen ausgeglichen werden, dabei bleiben allerdings strukturelle Verschiebungen bestehen.

Umweltschutzbedingt höhere Kosten werden häufig aber auch als Belastungsfaktor für die Standort-qualität angesehen. Die Standortnachteile können einerseits Folge der tatsächlichen Kostenunterschiede, andererseits aber auch in der Erwartung eingeschränkter Entwicklungsmöglichkeiten begründet sein. Soweit es deswegen zu Standortverlagerungen ins Ausland oder zur Substitution von inländischer Produktion durch importierte Vorleistungen kommt oder ausländische Investitionen im Inland unterbleiben, gehen im Inland Arbeitsplätze verloren. Allerdings kann die Umweltqualität auch eine bedeutende Rolle als positiver Standortfaktor spielen.

Nicht nur Kostenerhöhungen, auch partielle Kostensenkungen, die* mit Umweltschutzmaßnahmen verbunden sind, können negative Beschäftigungswirkungen zur Folge haben. Durch eine geringere Nachfrage nach Vorleistungen, Kapitalgütern oder unmittelbar nach Arbeitskräften werden negative Multiplikator-Akzeleratorprozesse ausgelöst. Auch Zusatzerlöse, die durch den Umweltschutz erzielt werden, können Arbeitsplätze gefährden, etwa dann, wenn durch das Angebot von Recycling-Produkten traditionelle Anbieter verdrängt werden.

3. Ergebnisse von Modellsimulationen

Umfang und Struktur der Beschäftigungseffekte von Umweltschutzmaßnahmen hängen immer von den konkreten Bedingungen ab. Für eine quantitative Wirkungsanalyse können empirisch getestete Modelle verwendet werden, die möglichst viele der relevanten Wirkungsmechanismen berücksichtigen, indem dort Elemente verschiedener Erklärungsansätze nebeneinander verwandt werden. So hängt in solchen Modellen die Investitionsgüternachfrage nicht nur von der Höhe der Produktion, sondern auch vom Zinssatz ab. Daneben spielen die relativen Preise der Produktionsfaktoren und Finanzierungsbedingungen eine Rolle für die Investitionstätigkeit.

Nach den Ergebnissen eines solchen Modells führt eine Fortsetzung der Umweltpolitik entsprechend den bisherigen Trends -anders als ihr „Einfrieren" auf dem Stand von 1990 -im Jahr 2000 in Westdeutschland zu einer Mehrbeschäftigung von fast 185000 Personen. Aus den Zurechnungsanalysen für die Jahre 1990 und 2000 ergibt sich dagegen eine Zunahme von 240000 Personen, die für den Umweltschutz arbeiten. Daraus läßt sich auf einen Verdrängungseffekt von 55000 Arbeitsplätzen schließen, die aufgrund der Weiterentwicklung der Umweltpolitik gegenüber dem Stand von 1990 in anderen Bereichen der Volkswirtschaft verloren-gehen. Die Verdrängungseffekte der Weiterentwicklung der Umweltpolitik in Westdeutschland machen also ein knappes Viertel der Brutto-, Beschäftigungseffekte aus.

Diese Relation ist nicht ohne weiteres auf andere Situationen anzuwenden. Sie ist einmal von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Zum anderen ist wichtig, daß die Weiterentwicklung der Umweltpolitik sich in diese Rahmenbedingungen einpaßt.

Bei Einführung einer Energiesteuer, deren Aufkommen u. a. zu einer Verringerung der Lohn-kostenbelastung verwendet wird, wird als Ergebnis eines dadurch ausgelösten beschäftigungsfördernden Strukturwandels nach 10 Jahren -je nach Annahmen -eine zusätzliche Beschäftigung von 330 000 bis 800 000 Personen errechnet

Unter Umständen sind aber auch negative Nettobeschäftigungseffekte eines verstärkten Umweltschutzes denkbar. So könnten bei einer weiteren starken Ausweitung der Umweltschutzaufwendungen, ohne daß damit gleichzeitig eine Steigerung der Gesamteffizienz der Wirtschaft verbunden wäre, die Verdrängungseffekte zunehmen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden.

IV. Beschäftigungswirkungen integrierten Umweltschutzes

Ökonomische Spielräume für einen forcierten Umweltschutz ergeben sich daher vor allem in Verbindung mit integriertem Umweltschutz, bei dem ökologische Lösungen im Zusammenhang mit einer Modernisierung der Produktionsprozesse insgesamt stehen.

Bei der empirischen Analyse der Folgewirkungen eines verstärkten Einsatzes von integrierten Umweltschutztechnologien bewegt man sich auf einem Gebiet der Forschung, auf dem verallgemeinerbare, belastbare Ergebnisse nur schwer bzw. mit großem Aufwand zu gewinnen sind. Anders als bei den klassischen end-of-pipe-Technologien des nachsorgenden Umweltschutzes, die in der Regel additiv zum Einsatz kommen, ohne daß der Produktionsprozeß selbst neu gestaltet werden muß, erfordern integrierte Umweltschutztechnologien ein Redesign des gesamten Produktionsprozesses. Die Umsetzung der Grundprinzipien des integrierten Umweltschutzes erfordert also den Einsatz eines breiten Bündels neuer, innovativer Technologien. Im Kern geht es bei der Analyse der Folgewirkungen integrierter Umweltschutztechnologien also um die generelle Frage, wie moderne Technologien auf Wachstum und Beschäftigung in einer Volkswirtschaft wirken.

Ein Weg zur Beantwortung dieser Frage kann darin bestehen, beginnend auf der Ebene einzelner, konkreter integrierter Umweltschutztechnologien die gesamtwirtschaftlichen Folgewirkungen zu untersuchen.

Die detaillierte Analyse einzelner integrierter Umweltschutztechnologien weist darauf hin, daß durch die Forcierung des Umweltschutzes in bestimmten Bereichen noch technologische Spielräume ausgenutzt werden können, die per saldo die Kostenbelastung der Volkswirtschaft nicht erhöhen und gesamtwirtschaftlich positive Beschäftigungsimpulse setzen können.

Untersuchungen der zuletzt genannten Art sind kostenintensiv und aufwendig, weil sie die Erhebung vieler technikorientierter Einzelinformationen sowie die Anwendung eines detaillierten Analyseinstrumentariums voraussetzen. Sie sind deshalb bisher nur für wenige Technologien durchgeführt worden. Beispielhaft seien hier die Ergebnisse einer Studie über die integrierte Umweltschutztechnologie , Abwärmenutzung mit Hilfe von Wärmetauschern* vorgestellt

Betrachtet wird eine Situation, in der -ausgelöst durch umweltpolitische Instrumente, etwa durch eine Abwärmenutzungsverordnung oder Energie-steuern -die Anwendung von Wärmetauschern in der Industrie forciert wird. Die wichtigsten potentiellen Anwenderbranchen für eine verstärkte Nutzung dieser Umweltschutztechnologie sind die Bereiche Eisen und Stahl, Nahrungsmittel, Steine und Erden sowie die Chemische Industrie. Bei einer Forcierung der Anwendung kann bis zum Jahr 2000 von einem zusätzlichen Investitionsvolumen von 6, 7 Milliarden DM (in Preisen von 1980) in die Wärmetauschertechnologie ausge-gangen werden. Durch diese Investitionen ändert sich der Produktionsprozeß in den Anwenderbranchen. Außerdem werden auch Produktions-und Beschäftigungsänderungen in vorgelagerten Branchen ausgelöst. Vor allem verringern sich die Bezüge aus den energieliefernden Bereichen. Damit ist ein deutlicher Rückgang der Einfuhren verbunden, da ein erheblicher Teil der eingesparten Primärenergie importiert wird. Die Energiekosten-einsparungen für die Anwenderbranchen nehmen mit Fortschreiten des Diffusionsverlaufs deutlich zu, weil der Bestand an Wärmetauschern in den Sektoren wächst. So steigen die zusätzlich eingesparten Energiekosten von ca. 300 Millionen DM zu Beginn auf rd. 8, 7 Milliarden DM im Jahr 2000.

Gesamtwirtschaftlich stehen diesen Kosteneinsparungen die Mehraufwendungen für Investitionen in die neu installierten Wärmetauscher gegenüber. Per saldo verringert sich durch die forcierte Anwendung dieser integrierten Umweltschutztechnologie aber die Kostenbelastung in den Anwender-branchen. Unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge stehen die bei den Anwendern anfallenden Kosteneinsparungen dem Wirtschaftskreislauf weiterhin zur Verfügung. Hier sind prinzipiell zwei Verhaltensweisen (und deren Kombination) denkbar: Zum einen können die Anwender die erzielten Kostenreduktionen nutzen, um die Preise für ihre Produkte zu senken. Dies führt ceteris paribus zu einer erhöhten Nachfrage nach ihren Produkten. Zum anderen können die erzielten Kosteneinsparungen als zusätzliche Einkommen an Kapitaleigner und Beschäftigte weitergegeben werden, die dieses zusätzliche Einkommen entsprechend ihrer Konsumgewohnheiten verausgaben können.

Unter Berücksichtigung der Kreislaufeffekte dürfte der gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekt eines forcierten Einsatzes von Wärmetauschern zur Wärmerückgewinnung aus Abwärme per saldo positiv ausfallen. Er beträgt im Zeitraum 1996 bis 2000 je nach der Reaktion auf die Kosteneinsparungen zwischen 65000 und 75000 Personen. Dennoch gibt es Sektoren, die von dieser Maßnahme negativ betroffen sind. Es sind dies vor allem die energieerzeugenden Bereiche, wobei vom Umfang her in erster Linie die Elektrizitätserzeugung und der Bergbau mit Beschäftigungseinbußen zu rechnen haben.

Die für diese untersuchte Einzeltechnologie mit einem mikroorientierten Forschungsansatz erzielten Ergebnisse lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf andere Technologien übertragen und sind damit nicht ohne weiteres zu verallgemeinern.

Dennoch dürften die Beschäftigungseffekte integrierter Umweltschutztechnologien bei einer Gesamtbewertung positiv sein. Im Vergleich zu einer reinen Fortentwicklung der bisherigen Umweltpolitik könnten allerdings die positiven Beschäftigungseffekte zunächst geringer ausfallen. Zwar sind auch beim integrierten Umweltschutz zusätzliche Investitions-und laufende Ausgaben für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen notwendig, ihnen stehen aber unmittelbar auch Reduktionen wirtschaftlicher Aktivitäten, z. B. durch die Senkung des Energieverbrauchs, entgegen.

Längerfristig aber dürfte zu erwarten seien, daß die Wachstums-und Beschäftigungseffekte sogar höher ausfallen. Durch einen integrierten Ansatz der Umweltpolitik werden weit stärker als bei nachsorgenden Umweltschutzmaßnahmen Innovationsanreize geschaffen. Diese beziehen sich nicht nur auf die Umwelttechnik selbst, sondern erfassen von vornherein den gesamten Produktionsprozeß. Entsprechend werden die dadurch notwendigen Investitionen sehr viel breiter angelegt sein, als dies bei end-of-pipe-Technologien der Fall ist. In der Folge kommt es zu Effizienzgewinnen, die weit über den engen Bereich des Umweltschutzes hinausgehen, so daß im Zusammenhang mit Produktivitätseffekten hohe positive Wachstums-und Beschäftigungseffekte zu erwarten sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Rolf-Ulrich Sprenger, Beschäftigungswirkungen der Umweltpolitik -eine nachfrageorientierte Untersuchung. Berichte des Umweltbundesamtes, 4/89, Berlin 1989.

  2. Die im voliegenden Beitrag zusammengefaßten Forschungsergebnisse sind ausführlicher dargestellt in: Jürgen Blazejczak/Dietmar Edler/Martin Gornig, Beschäftigungswirkungen des Umweltschutzes -Stand der Perspektiven -Synthesebericht, Berichte des Umweltbundesamtes, 5/93, Berlin 1993; Jürgen Blazejczak/Dietmar Edler (Hrsg.), Beschäftigungswirkungen des Umweltschutzes -Abschätzung und Prognose bis 2000 -Einzelanalysen. Texte des Umwelt-bundesamtes, 42/93, Berlin 1993.

  3. Vgl. Christoph Nitschke/Ulrich Schumann, Berufsprofile und Beschäftigungsstrukturen im Umweltschutz in der Metall-und chemischen Industrie. Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von CEDEFOP-Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung, Berlin-Luxemburg, 1990.

  4. Vgl. Horst Zimmermann/Jürgen Bunde, Umweltpolitik und Beschäftigung -Systematik der Wirkungen umweltpolitischer Maßnahmen auf die Beschäftigung, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht, 10 (1987) 4.

  5. Siehe auch den Beitrag von Gerd Winter in diesem Heft.

  6. Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Wirtschaftliche Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform, Berlin 1994.

  7. Vgl. J. Blazejczak/D. Edler/M. Gornig (Anm. 2), Teil VII: Technikorientierte, mikroökomisch fundierte Analysen.

Weitere Inhalte

Jürgen Blazejczak, Dr. rer. oec., Dipl. -Ing., geb. 1948; Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Berlin; seit 1978 wissenschaftlicher Referent für Produktion und Umwelt in der Abteilung Strukturforschung im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (mit anderen) ökologische Sanierung und wirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern, Berlin 1992; (mit anderen) Umweltschutz und Industriestandort -Der Einfluß umweltbezogener Standortfaktoren auf Investitionsentscheidungen, Berlin 1993. Dietmar Edler, Dr. rer. pol., geb. 1954; Studium der Volkswirtschaftslehre in Bielefeld; seit 1980 wissenschaftlicher Referent für Forschung und Technologie in der Abteilung Industrie und Technologie im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Ein dynamisches Input-Output-Modell zur Abschätzung der Auswirkungen ausgewählter neuer Technologien auf die Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1990. Martin Gornig, Dipl. -Vw., Dipl. -Ing., geb 1960; Studium der Volkswirtschaftslehre und der Stadt-und Regionalplanung in Berlin; seit 1988 wissenschaftlicher Referent für Regionalforschung in der Abteilung Strukturforschung im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Bernd Görzig/Erika Schulz), Quantitative Szenarien zur Bevölkerungs-und Wirtschaftsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2000, Berlin 1994.