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Die US-Außenpolitik zwischen Kontinuität und Neubestimmung | APuZ 17/1995 | bpb.de

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APuZ 17/1995 Die Innenpolitik der USA unter Präsident Clinton zwischen Reform und Gegenreform Die US-Außenpolitik zwischen Kontinuität und Neubestimmung Hat der kanadische Nationalstaat eine Zukunft? Aktuelle Probleme und Herausforderungen kanadischer Innenpolitik Die Außenpolitik Kanadas nach dem Ende des Ost-West-Konflikts

Die US-Außenpolitik zwischen Kontinuität und Neubestimmung

Charles M. Weston

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der außenpolitische Kurs Clintons ist an die Bereitschaft anderer Staaten gekoppelt, Verantwortung zu übernehmen und anfallende Kosten mitzutragen. Für eine Stärkung des bereits unter Bush eingeleiteten kostenbewußten außenpolitischen Multilateralismus sprechen mehrere Faktoren: der relative Rückgang der wirtschaftlichen Leistungskraft während der vergangenen Jahrzehnte, der die Kostenfrage bei allen auswärtigen Aktionen in den Vordergrund rückt; die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gesunkene Bereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft, weltpolitische Alleingänge der Führungsmacht zu akzeptieren; das starke Interesse der amerikanischen Bevölkerung an der Bewältigung drängender innen-und sozialpolitischer Aufgaben (z. B. die Verminderung der Steuerlast, Verbrechensbekämpfung, Reform der Fürsorge und Alterssicherung, Erneuerung des Bildungs-und Gesundheitswesens, Verbesserung der Infrastruktur), deren Lösung sich nicht mit der Rolle eines „allgegenwärtigen Weltpolizisten“ vereinbaren läßt.

I. Einleitung

Hinter der verbreiteten Kritik am Fehlen einer schlüssigen außenpolitischen Konzeption der Regierung Clinton steht häufig unausgesprochen die Überzeugung, es müsse eine zielgerichtete weltpolitische Strategie geben, die sich aus den Bedingungen des internationalen Systems und den nationalen Interessen ableiten läßt. Innenpolitische Handlungs-und Beziehungszusammenhänge, die über den Einfluß vielfältiger Interessengruppen und das fragmentierte politische System auf die außenpolitische Willens-und Entscheidungsbildung einwirken, erscheinen aus dieser Perspektive als Störfaktoren, die ein führungsstarker Präsident ausschalten muß.

Trotz ihres relativen Macht-und Einflußverlustes verfügen allein die USA nach wie vor über die volle Bandbreite den für eine Führungsrolle erforderlichen Machtressourcen. Dazu zählen nicht nur „harte Machtwährungen“ wie militärische Schlagkraft sowie wirtschaftlich-technische Leistungsund Wettbewerbsfähigkeit, sondern insbesondere auch ihre als „weiche“ oder „kooptive Macht“ bezeichnete Fähigkeit, durch Wahrnehmung einer politischen Führungsrolle die internationale Agenda so zu bestimmen, daß sich andere Staaten daran orientieren Ebenso gehören zu den „weichen“ Machtressourcen kulturelle und politische Ausstrahlungskraft sowie der zunehmende Einfluß internationaler Institutionen.

Die Vereinigten Staaten haben mit der Auflösung der Sowjetunion die Kompaßnadel zur Ausrichtung ihrer Außenpolitik verloren. Es fehlt eine klare Bedrohung „vitaler“ amerikanischer Interessen wie in der Nachkriegszeit, und ein beherrschendes -die Außenpolitik bestimmendes und organisierendes -Ziel ist nicht in Sicht. Zu fragen ist vor diesem Hintergrund, welche nationalen Interessen die USA -jenseits der selbstverständlichen Ziele der Friedenserhaltung und Wohlstandsmehrung -in einem durch gegenläufige weltpolitische und -wirtschaftliche Globalisierungsprozesse und innerstaatliche Zerfallsprozesse und Fragmentierung gekennzeichneten internationalen System verfolgen sollen und können.

II. Trend zum pragmatischen und kostenbewußten Internationalismus

Blickt man auf die öffentliche Meinung, so erweist sich, daß die amerikanische Bevölkerung ungeachtet ihrer Binnenorientierung weiterhin willens ist, den in ihrer politischen Kultur verwurzelten Anspruch auf eine aktive Weltordnungspolitik aufrechtzuerhalten Gerade die vielfältigen haushalts-, wirtschafts-und sozialpolitischen Binnen-probleme der Vereinigten Staaten halten aber den isolationistischen Impuls gegen die Kosten einer aktiven Weltpolitik des Landes am Leben. Deshalb wird ein internationales Engagement nur noch zu erheblich verringerten Kosten und im multilateralen Rahmen politisch durchzusetzen sein.

Ein kostenbewußter liberaler Internationalismus, wie ihn die Regierung Clinton verfolgt, kann sich nur dann breiter politischer Zustimmung sicher sein, wenn neben einem neuen gesellschaftlichen Konsens über die weltpolitische Rolle der USA auch ein „interinstitutioneller“ Konsens über die Rollenverteilung zwischen Präsident und Kongreß in der amerikanischen Außenpolitik erzielt wird In einem Verfassungsrahmen, der weniger darauf angelegt ist, die Effizienz des politischen Systems zu steigern, als vielmehr darauf, dem Machtmiß-brauch vorzubeugen, können gewichtige Entscheidungen nur von Präsident und Kongreß gemeinsam getroffen werden Die Legislative ist immer weniger geneigt, die dem Präsidenten im Zuge des Ost-West-Konflikts zugewachsenen beträchtlichen Privilegien weiterhin zuzugestehen. Die lokalen und regionalen Interessen der Parlamentarier, gekoppelt mit der Dezentralisierung und Zersplitterung der Entscheidungsstrukturen im Kongreß, erschweren die Konsensbildung im Hinblick auf eine neue außenpolitische Strategie, solange keine mehrere Politikfelder überlagernde Bedrohung vitaler amerikanischer Interessen erkennbar ist.

Wer eine konsistente weltpolitische Strategie erwartet, der wird in Zukunft von der amerikanischen Politik immer wieder enttäuscht sein, da hierfür weder die internationalen noch die innenpolitischen Voraussetzungen vorliegen.

Außenminister Christopher soll bei einer internen Diskussion im State Department auf die Frage nach der übergreifenden Gesamtstrategie der gegenwärtigen amerikanischen Außenpolitik geantwortet haben, daß es ein solches Konzept nicht gebe. Nach seiner Erfahrung sei es vernünftiger, die sich stellenden Probleme jeweils pragmatisch von Fall zu Fall anzupacken

Das Dilemma amerikanischer Außenpolitik unter Clinton liegt darin, daß die Vereinigten Staaten noch immer an der Erwartung der mit einer weltpolitischen Gesamtstrategie ausgestatteten Führungsmacht gemessen werden, gleichzeitig aber nicht mehr bereit und fähig sind, die mit der alten Führungsrolle verbundenen Kosten zu tragen Das sogenannte „enlargement", die Erweiterung der Zone demokratischer Staaten mit marktwirtschaftlichen Strukturen, wird deshalb nicht die Rolle des „Containment“ als organisierendes und handlungsleitendes Ziel der Außenpolitik übernehmen können, auch wenn sich die Regierung Clinton bemüht, den außenpolitischen Entscheidungsprozeß auf dieses Ziel auszurichten. Wie schon während des Ost-West-Konflikts dient das Verhalten der USA in peripheren Konflikten -wie etwa in Somalia und Haiti -als Gradmesser für ihre Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit in vitalen Konflikten. Der Prozeß der Interessendjbfifferenzierung, der sich in einer Abkehr von der gjbflobalistischen Sicht amerikanischer Interessen manifestiert, ist jedoch unvermeidlich.

Die Regierung Clinton läßt im Einklang mit diesem Entwicklungstrend einen klaren außenpolitischen Denk-und Handlungsansatz erkennen: den eines äußerst kostenbewußten, wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund stellenden, liberalen Internationalismus Dieser pragmatische Ansatz enthält die Vorstellung einer amerikanischen Führungsrolle, die nicht mehr global und unilateral, sondern regional selektiv und multilateral ausgeübt wird. Übergeordnetes Ziel bleibt die weltpolitische Entlastung des Landes.

III. Interessenwahrnehmung unter veränderten innen-und weltpolitischen Rahmenbedingungen

Clinton konnte vor allem deshalb die amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Herbst 1992 zu seinen Gunsten entscheiden, weil er der amerikanischen Bevölkerung versprochen hatte, sich „wie ein Laserstrahl“ auf die wirtschaftliche Erneuerung des Landes zu konzentrieren. Ohne eine Stärkung der ökonomischen Leistungs-und Wettbewerbsfähigkeit Amerikas fehlten die Voraussetzungen für die Wahrnehmung globaler politischer und wirtschaftlicher Führungsaufgaben Dahinter stand das Wissen um die Vorrangigkeit der wirtschaftlichen und sozialen Probleme in den Augen der Wähler und damit die Erkenntnis, daß die Wiederwahl sowohl vom Nachweis eigener Problemlösungskompetenz und Führungsstärke als auch von vorzeigbaren wirtschafts-und innenpolitischen Erfolgen abhängt. 1. Außenpolitische Kontinuität und innenpolitischer Wandel „Kontinuität nach außen und Wandel im Innern“ lautet das erste interessenbestimmende Leitmotiv amerikanischer Außenpolitik unter Clinton, in dessen außenpolitischer Vorstellungswelt sich machtpolitisch realistische und idealistische Traditionen amerikanischer Außenpolitik verbinden. Dieser außenpolitische Handlungsansatz verknüpft Prinzip mit Pragmatismus, betont Demokratie und Menschenrechte, auch wenn -wie im Falle des Verhältnisses zur Volksrepublik China -Zielkonflikte mit strategischen und wirtschaftlichen Interessen Kompromisse erzwingen. Die außenpolitische Strategie Clintons ist an die Bereitschaft anderer Staaten gekoppelt, Verantwortung zu übernehmen und anfallende Kosten mitzutragen. Das damit verbundene Dilemma zeigte sich im Fall Bosnien-Herzegowinas. Entschiedene amerikanische Führung wäre erforderlich gewesen, um die Zustimmung der westeuropäischen Verbündeten zu militärischen Aktionen gegen die serbischen Angreifer zu gewinnen. Doch standen einer derartigen amerikanischen Führungsrolle die Interessen wichtiger Bündnispartner entgegen, so daß die für ein militärisches Eingreifen innenpolitisch in den USA unerläßliche multilaterale Einbindung nicht zustande kam.

Für eine Stärkung des bereits unter Bush eingeleiteten kostenbewußten Multilateralismus in der amerikanischen Außenpolitik sprechen mehrere Faktoren: der relative Rückgang der wirtschaftlichen Leistungskraft des Landes während der vergangenen Jahrzehnte, der die Kostenfrage bei allen auswärtigen Aktionen in den Vordergrund gerückt hat; die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gesunkene Bereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft, weltpolitische Alleingänge der Führungsmacht zu akzeptieren; das starke Interesse der amerikanischen Bevölkerung an der Bewältigung drängender innen-und sozialpolitischer Aufgaben (z. B. Verminderung der Steuerlast, Verbrechensbekämpfung, Reform der Fürsorge und Alterssicherung, Erneuerung des Bildungs-und Gesundheitswesens, Verbesserung der Infrastruktur), deren Lösung sich nicht mit der Rolle eines „allgegenwärtigen Weltpolizisten“ vereinbaren läßt.

Neben dem Interesse, das eigene Wohlergehen zu verbessern und sich dabei den „amerikanischen Traum“ zu erfüllen, wird die Wendung nach innen zusätzlich von dem Wunsch bestimmt, die Vereinigten Staaten wieder in die Rolle eines allseits geachteten Vorbilds für den Rest der Welt einzusetzen Eine weltpolitische Führungsrolle nach dem Ende des Kalten Krieges wahrzunehmen ist weniger denn je eine Frage militärischer Machtentfaltung, sondern hängt zum einen von der Sicherung wirtschaftlicher Leistungs-und Wettbewerbsfähigkeit, zum anderen aber von der Erfüllung der eigenen Vorbildfunktion ab.

Die USA -durch den wirtschaftlichen Erfolg Asiens und den Systemkonflikt mit dieser Weltregion um die universale Geltung der Menschenrechte auch in ihrem Selbstverständnis herausgefordert -sind durchaus bereit, sich dem Wettbewerb um das leistungsfähigere System zu stellen. Diese Herausforderung wird nicht als existentielle Bedrohung empfunden, auf die man feindselig reagiert. Aus dieser Haltung erwächst der Wille, sich mittels eigener Anstrengungen in der globalen Konkurrenz wieder besser behaupten zu können Umgekehrt untermauert diese Einstellung auch die Tatsache, daß sich die amerikanische Öffentlichkeit zwar gelegentlich für protektionistische Tendenzen anfällig zeigt, eine protektionistische Politik aber politisch nicht durchgesetzt werden kann. 2. Wettbewerb statt Rückzug Die Regierung Clinton hat dementsprechend als zweites interessensteuerndes Leitmotiv amerikanischer Außenpolitik die Losung „compete, not retreat“ (den Wettbewerb führen, nicht sich zurückziehen) ausgegeben und damit einem Rückzug der USA aus der Weltwirtschaft sowie einer protektionistischen Abschottung ihres Binnenmarktes eine klare Absage erteilt. Anders als Bush betont Clinton die Notwendigkeit, die amerikanische Wirtschaft an die veränderten internationalen Wettbewerbsbedingungen anzupassen. Zugleich trägt er auf diese Weise der gestiegenen Internationalisierung der amerikanischen Wirtschaft Rechnung, deren Dynamik und Wachstum zunehmend vom Export abhängig sind. Seit 1988 wurden zwei Drittel des amerikanischen Wirtschaftswachstums im Exportsektor erwirtschaftet. Jede zusätzliche Milliarde US-Dollar an Exporten schafft 20000 neue Arbeitsplätze Deshalb betrachtet die Regierung Clinton die Steigerung der Ausfuhren als Schlüssel für das von ihr im Wahlkampf versprochene Wirtschafts-und Beschäftigungswachstum. Weitere Schwerpunkte liegen in der Wahrung und dem Ausbau der amerikanischen Führungsrolle in der Spitzen-und Zukunftstechnik, in der Verbesserung des amerikanischen Zugangs zu Forschung und Technologie im Ausland, in einer wirkungsvolleren Politikabstimmung im G-7-Rahmen sowie in der Einrichtung eines Nationalen Wirtschaftsrates (National Economic Council), in dem die Unteilbarkeit von Binnen-und Außenwirtschaftspolitik ihren institutionellen Ausdruck findet. Hinzu kommt die Zielsetzung, das amerikanische Engagement in den „Big Emerging Markets“ Ost-und Südostasiens, Lateinamerikas, Mittel-und Osteuropas und Südafrikas zu stärken

Außenwirtschaftspolitik als Teil der Außen-und Sicherheitspolitik hat unter Clinton strategische Bedeutung gewonnen. Wirtschaftliche Leistungskraft wird als Voraussetzung nationaler Sicherheit und der Fähigkeit angesehen, eine Führungsrolle übernehmen zu können. Diese neue Verknüpfung zwischen Sicherheits-und Außenwirtschaftspolitik, die dazu beiträgt, die Sicherheitspolitik zu einem Wettbewerbsvorteil auf wichtigen internationalen Märkten werden zu lassen, prägt derzeit die unilaterale Seite amerikanischer Außenwirtschaftspolitik. Gleichzeitig ist der außenwirtschaftliche Multilaterialismus der USA lebendiger denn je. Dies kam in der massiven Unterstützung der Regierung Clinton für das neue GATT-Abkommen und die Welthandelsorganisation (WTO)

ebenso deutlich zum Audruck wie in dem von der G 7 beschlossenen Wechselkurs-Stabilisierungsfonds für Mexiko in Höhe von 20 Mrd. US-Dollar.

Bezeichnend für • die außenwirtschaftliche Neuorientierung auf multilateraler Ebene ist jedoch der nachhaltige Einsatz der Regierung Clinton für die sogenannten neuen Themen der internationalen Handelsordnung: Arbeits-und Sozialstandards, Umweltnormen, Wettbewerbsordnung der am WTO-Regime mitwirkenden Länder Die Prinzipien des Freihandels und der Nichtdiskriminierung werden von den USA schwerpunktmäßig auf regionaler Ebene vorangetrieben. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) sowie die Bestrebungen, dieses auf Lateinamerika auszudehnen, belegen diesen Entwicklungstrend.

Es überrascht kaum, daß im Zuge dieser Politik in den Vereinigten Staaten auch die engen wirtschaftlichen Bindungen zu Europa stärker betont werden. Denn nun erweist sich, daß auf diesem Feld weitgehende Übereinstimmungen sozio-ökonomischer Vorstellungen und normativer Grundsätze wirtschaftlicher Ordnungspolitik bestehen, die gegenüber den asiatischen Wirtschaftsnationen fehlen. Deutschland und die übrigen EU-Staaten sollten dies als Chance begreifen, bei der Förderung solcher Elemente einer weltwirtschaftlichen Ordnungspolitik vertrauensvoll mit Amerika zusammenzuarbeiten.

Die Sorgen Europas gelten der Möglichkeit, daß die USA sich dem vermeintlichen Druck wirtschaftlicher Interessen an Markterschließung und Absatzsteigerung beugen und ihre Aufmerksamkeit von Europa nach Asien lenken könnten. Aus amerikanischer Sicht gibt es allerdings zwischen Europa und Asien beträchtliche Unterschiede, die eine derartige Interessenverlagerung unwahrscheinlich erscheinen lassen. Im Verlauf des Kalten Kriegs sind Europa und die USA zu einer festgefügten Atlantischen Gemeinschaft zusammengewachsen, die mehr ist als ein geopolitisches und ökonomisches Interessengeflecht. Ihre Grundlage ist die Einbindung Westeuropas in das von den USA angestrebte „Reich der Freiheit“ Gemeinsame Werte, aber auch eine weitgehende Angleichung der Lebensstile prägen die Gesellschaften beiderseits des Atlantiks. Die hohe Integrationsdichte der Atlantischen Gemeinschaft spiegelt sich auch in der Ausgewogenheit der gegenseitigen Wirtschafts-und Handelsbeziehungen wider.

Zwar hat sich der Anteil Asiens am gesamten US-Export in den Jahren 1984 bis 1992 von 25 auf 29 Prozent erhöht. Aber noch immer beträgt der Anteil Europas am amerikanischen Exportgeschäft 24 Prozent. Sprunghaft angestiegen sind hingegen die Einfuhren der Vereinigten Staaten aus dem pazifischen Raum, insbesondere aus Japan, aber auch aus den „Tigerstaaten“ Taiwan, Singapur, Südkorea, Hongkong und aus China. Das starke Handelsdefizit Amerikas mit der pazifischen Region sorgt für ständige Kontroversen über einen Abbau des Handelsungleichgewichts.

Ein aussagekräftiger Gradmesser für das Ausmaß wirtschaftlicher Verflechtung und die Verklammerung beiderseits des Atlantiks sind die Direktinvestitionen privater Unternehmen. Vergleicht man die Direktinvestitionen Europas, Amerikas und Asiens, so fallen die Unterschiede deutlich ins Auge: Knapp 50 Prozent aller amerikanischen Direktinvestitionen sind in Europa konzentriert, und 60 Prozent aller aus solchen Investitionen erzielten Gewinne stammen aus Europa. Auf europäische Unternehmen entfielen im Jahre 1993 etwas mehr als 60 Prozent der gesamten Direktinvestitionen in den USA. Sie sichern damit fast drei Millionen Amerikanern gutbezahlte Arbeitsplätze.

Obwohl das Ausmaß gegenseitiger Direktinvestitionen im asiatisch-pazifischen Raum im Verlauf der achtziger Jahre beträchtlich zugenommen hat, erreicht es nicht annähernd das Niveau der transatlantischen Direktinvestitionen. So waren im Jahre 1993 lediglich 16, 8 Prozent (1980: 10, 59 Prozent) aller amerikanischen Direktinvestitionen im asiatischen Raum konzentriert. Aus der asiatischen Region stammten 1993 23, 9 Prozent aller Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten, davon 21, 6 Prozent allein aus Japan

Präsident Clinton hat die Verknüpfung von innerer Erneuerung, weltweitem Wettbewerb und internationalem Engagement zu einem Kernelement amerikanischer Außenpolitik erhoben. Die Konkurrenz mit Europa und Asien führt daher nicht zu einem Rückzug der USA, sondern stärkt im Ge-genteil die Entschlossenheit des Landes, international engagiert zu bleiben.

Das Ende des weltumspannenden Ost-West-Konfliktes hat weder auf der globalen Ebene noch in der euro-atlantischen Region eine neue stabile Ordnung erzeugt, die die gewaltfreie Konfliktbearbeitung auf Dauer sicherstellt Insbesondere die sicherheitspolitische Lage in Europa ist auch nach dem Ende des Kalten Krieges noch keineswegs so gefestigt, daß man auf das abschreckende und ausgleichende Gewicht der Vereinigten Staaten und auf den Einsatz amerikanischer Führungskraft verzichten könnte. Die amerikanische Präsenz in Europa erfüllt heute und bis auf weiteres drei Funktionen -den Unwägbarkeiten der sowjetischen Erbfolgeauseinandersetzungen, die noch lange nicht zur Ruhe kommen werden, Festigkeit und Berechenbarkeit entgegenzusetzen, insbesondere im Nuklearwaffenbereich; -den Völkern Mittel-, Ost-und Südosteuropas, die sich in einem Sicherheitsvakuum fühlen, durch schrittweise Ausdehnung der Europäischen Union und NATO Stabilität und Vertrauen zu vermitteln sowie Rußland in seiner als „Nahes Ausland“ beanspruchten Interessen-sphäre zur Mäßigung anzuhalten; -zum Gleichgewicht in Westeuropa beizutragen und das Beziehungsgeflecht zur EU als handlungsfähigem Partner im Interesse gemeinsamer Problemlösung auszubauen.

Die Vereinigten Staaten haben in Abstimmung mit ihren europäischen Bündnispartnern beschlossen, etwa 100 000 Soldaten in Europa stationiert zu lassen, um noch bestehenden Risiken angemessen begegnen und neue Aufgaben meistern zu können. Deren Anwesenheit und mehr noch deren Eingliederung in gesamteuropäische Vorkehrungen zur gemeinsamen Wahrnehmung neuer Aufgaben zur internationaler Friedenssicherung (symbolisiert auf der einen Seite durch die Zusammenarbeit von WEU, NATO und OSZE beim Aufbau von Krisenreaktionskräften und der Ausführung humanitärer Missionen, auf der anderen Seite durch das „Partnership-for-Peace“ -Programm der NATO) werden die sicherheitspolitische Komponente der Atlantischen Gemeinschaft erhalten und wegen der nunmehr ausgewogenen Strukturen auf eine tragfähige Grundlage stellen Zwar wird es auch in Zukunft transatlantische Auseinandersetzungen um eine angemessene Lastenteilung geben, doch werden diese nicht zu einem völligen sicherheitspolitischen Rückzug der USA aus Europa führen.

Künftig geht es darum, den transatlantischen Dialog zum Zweck der Problemlösung zu verstetigen und eine gemeinsam erarbeitete Aufgabenagenda zu erweitern. Diese Agenda umfaßt Sachbereiche, bei denen sicherheits-und wirtschaftspolitische Aufgaben miteinander verknüpft sind: regional ausgewogenes Wirtschaftswachtum; wirksameres vorbeugendes Krisenmanagement; Transformations-und Stabilisierungshilfe für Mittel-, Ost-und Südosteuropa; Einschränkung der Waffenproliferation und Rüstungskontrolle; Verringerung globaler Umweltbelastungen; Eindämmung von Überbevölkerung und Migration; Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels Weder die sicherheitspolitischen Organsiationen (UN-Sicherheitsrat, NATO, OSZE) noch die internationalen Wirtschaftsinstitutionen (G 7, WTO, Weltbank, OECD) eignen sich, diese Art von Aufgaben in dem notwendigen Umfang wahrzunehmen. Mit der erweiterten Zusammenarbeit zwischen EU und USA könnte hier eine inhaltliche und institutionelle Lücke geschlossen werden.

Ein zusätzliches Element der Bündnissicherung liegt in dem erklärten Ziel einer Ost-Erweiterung der Atlantischen Gemeinschaft. Das Eintreten der Vereinigten Staaten für die Ausdehnung der Atlantischen Gemeinschaft als einer Zone des Friedens, des Wohlstandes und der politischen Stabilität ist ein stichhaltiger Beleg für das fortdauernde Interesse Amerikas an einem Engagement in Europa. Unterstützt wird das Ziel der Erweiterung durch die Erfahrungstatsache, daß Demokratien bisher niemals gegeneinander Krieg geführt haben und der Friede vornehmlich ein Produkt der demokratischen Herrschaftsordnung ist

Für die Staaten Mittel-, Ost-und Südosteuropas vom Baltikum bis zum Balkan ist die Rolle der USA klar definiert: Sie sehen in Amerika den einzig zuverlässigen und den gewichtigsten Garanten ihrer Sicherheit vor potentiellen Bedrohungen durch Rußland Die EU/WEU vermag diese Rolle einstweilen noch nicht auszufüllen. Darin liegt der tiefere Grund dafür, warum Polen so hartnäckig auf einen baldigen NATO-Beitritt drängt.

Zugleich sprechen aber folgende Faktoren für die Berücksichtigung russischer Interessen durch die USA und für die Fortdauer des amerikanisch-russischen Bilateralismus: -Das von der Sowjetunion geerbte nukleare Potential verschafft Rußland noch immer die Parität mit Amerika in der weltweiten Rüstungskontroll-und Nonproliferationspolitik. Beispielhaft für das enge amerikanisch-russische Zusammenwirken auf diesem Feld war der 1994 vereinbarte Kernwaffen-Abbau in der Ukraine, in Weißrußland und Kasachstan sowie die Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrages durch die Ukraine Dies ermöglichte die Inkraftsetzung des START-I-Vertrages, der die strategischen Kernwaffen der USA und Rußlands um 40 Prozent vermindert. -Beim weltpolitischen Krisen-und Konfliktmanagement sowie bei der Gestaltung der Weltwirtschaft arbeiten beide Staaten zusammen, wie das Mitwirken Rußlands in der Bosnien-Kontaktgruppe und im Nahostfriedensprozeß oder die Teilnahme Rußlands an den jährlichen G-7-Gipfeltreffen beweisen. Ebenso ist der Beitrag der USA bei der Gewinnung westlicher Partner zur politischen und wirtschaftlichen Transformation Rußlands und anderer Nachfolgestaaten der Sowjetunion unentbehrlich. -Die Vereinigten Staaten und Rußland stehen einander als Hauptpartner und Hauptkontrahenten im Pazifik gegenüber, zumindest solange es zu keinem dauerhaften japanisch-russischen Ausgleich in der Kurilen-Frage kommt, Nordkorea an seinem Nuklearprogramm festhält und China noch nicht die entscheidenden Schritte zur Systemtransformation unternommen hat.

Auf die Regierung Clinton, deren Hauptaugenmerk der wirtschaftlichen Leistungs-und Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes gilt, übt der asiatisch-pazifische Raum wegen seiner hohen ökonomischen Wachstumsraten und seiner ungebremsten wirtschaftlichen Dynamik große Anziehungskraft aus. Davon unberührt bleibt die grundlegende sicherheits-und wirtschaftspolitische Bedeutung Westeuropas, zu der noch die Wertegemeinschaft und bewährte Kooperationsbeziehung hinzugezählt werden. Präsident Clinton handelt wie ein Unternehmer: Er erhöht seinen Einsatz dort, wo sich die größten Gewinnchancen eröffnen, ohne darüber die alten verläßlichen Handelspartner und die engen Beziehungen zu ihnen zu vernachlässigen 3. „Gemeinsam, wo wir können, allein, wo wir müssen“

In den letzten Jahren ist deutlich geworden, daß die Mehrheit der Amerikaner eine mit hohen Kosten verbundene weltpolitische Führungsrolle der USA nicht unterstützt. Sie ist aber bereit, zu Problemlösungen im Verbund mit anderen Staaten beizutragen. Dieser Grundeinstellung trägt die Regierung Clinton mit dem dritten interessenbestimmenden Leitmotiv ihrer Außenpolitik Rechnung: „Gemeinsam handeln, wo wir es können, und allein handeln, wo wir es müssen.“ Ein Schlüssel-problem Amerikas unter Clinton besteht jedoch darin, eine klare Definition der nationalen Interessen zu formulieren, die es ermöglicht, genau zu bestimmen, wann gemeinsames Vorgehen möglich und wann unilaterales Vorgehen nötig ist.

Im Zuge der Bestrebungen Clintons, eine stärker auf internationale Zusammenarbeit, Arbeits-und Kostenteilung hin orientierte Außenpolitik zu verfolgen, kommt den Vereinigten Staaten eine bedeutende, aber keine entscheidende Rolle zu. Die UN-Politik Clintons fügt sich in den Entwicklungstrend der Re-Multilateralisierung amerikanischer Außenpolitik ein Als eines seiner Hauptziele bezeichnete Clinton nach Amtsantritt die Stärkung der UN. Die Aufgeschlossenheit der derzeitigen Regierung für multilaterales Vorgehen auch im UN-Rahmen zeigte sich zum einen in ihrer Unterstützung der ehrgeizigen „Agenda für den Frieden“, die friedenserhaltende und -erzwingende Militärmissionen als Aufgabe ebenso vorsieht wie die Aufstellung von jederzeit abrufbaren Blauhelmverbänden. Andererseits trat die Regierung Clinton für die Schaffung eines arbeitsfähigen Krisenstabes am Sitz der Vereinten Nationen in New York ein und erklärte sich bereit, US-Soldaten künftig auch unter einem UN-Kommandeur an friedenssichernden Maßnahmen der Weltorganisation mitwirken zu lassen.

Die außenpolitische Praxis zeigte aber der geplanten Kurskorrektur in der amerikanischen UN-Politik bald eindeutige Grenzen auf. Clinton mußte wegen der Opposition des Pentagon davon abrücken, amerikanische Soldaten für eine schnelle Eingreiftruppe der UN zur Verfügung zu stellen. Ferner verweigerte das Repräsentantenhaus im September 1993 die Bewilligung von 30 Mio. US-Dollar für zukünftige amerikanische Beteiligungen an friedenssichernden Operationen sowie von zehn Mio. US-Dollar für die Einrichtung eines UN-Krisenstabes in New York

Breiten Rückhalt in der eigenen Bevölkerung und im Kongreß genießt Clinton jedoch für seine Unterstützung einer Reform des Weltsicherheitsrates, d. h.dessen Erweiterung um Japan, die Bundesrepublik Deutschland und andere Nationen als ständige Mitglieder, mit dem Ziel einer kostenmäßigen und politischen Entlastung. In diesem Sinne ist auch die Erwartung der amerikanischen Regierung zu verstehen, daß ein ständiger Sitz im Weltsicherheitsrat die aktive Beteiligung an Aufgaben der internationalen Friedenssicherung voraussetzt. Der Begriff des „selbstbewußten Multilateralismus“ (assertive multilateralism) bringt die für Clinton charakteristische Balance zwischen der Bereitschaft zu multilateralem Handeln und der Betonung eigener Interessen auf einen griffigen Nenner.

Welche Grenzen einem UN-gestützten multilateralen Engagement der USA nach Ende der Ost-West-Konfrontation nicht nur innenpolitisch, sondern auch bündnispolitisch und auf internationaler Ebene gesetzt sind, erwies sich im Verlauf der internationalen Bemühungen um eine Konfliktbeilegung im ehemaligen Jugoslawien Clinton sah sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, die Zustimmung der wichtigsten Verbündeten, der eigenen militärischen Führung, der Öffentlichkeit sowie des Kongresses für eine Politik zu gewinnen, die eine militärische Bearbeitung dieser Konflikte unter Einschluß kollektiver Zwangsmaßnahmen vorsah. Im Falle Bosnien-Herzegowinas vermochte sich Clinton mit seinen Plänen für die Konfliktbeilegung unter Einbeziehung harter militärischer Schläge gegen serbische Stellungen gegenüber den NATO-Partnern nicht durchzusetzen. Zwar entschloß sich die NATO auf maßgebliches Drängen Amerikas im Sommer 1993 zu gemeinsamen militärischen Aktionen aus der Luft, um der andauernden Belagerung Sarajevos und weiterer Gebiete durch serbische Truppen entgegenzuwirken. Voraussetzung dafür war jedoch eine vom Weltsicherheitsrat ausgesprochene Anforderung solcher Einsätze, die wegen der Bedenken der UN-Befehlshaber vor Ort und einiger truppenstellender Staaten ausblieb. Die schwerwiegende Folge dieser Entscheidungsblockade war ein beträchtlicher Autoritäts-und Glaubwürdigkeitsverlust der UN und der NATO, deren künftiges Zusammenwirken eindeutiger politischer und militärischer Kompetenzzuweisung bedarf.

Die entscheidene Einschränkung des multilateralen militärischen Engagements der Vereinigten Staaten liegt in der Tatsache begründet, daß der Präsident die Notwendigkeit eines Streitkräfteeinsatzes vor dem Kongreß und der amerikanischen Öffentlichkeit legitimieren muß. Die Kritik des Kongresses und der Öffentlichkeit bringt die Erwartung zum Ausdruck, daß die Regierung Clinton die amerikanischen Interessen bei multilateralen Auslandsengagements klarer definiert.

Ergänzend dazu hat Außenminister Christopher vier neue Kriterien aufgestellt die amerikanische Interventionsentscheidungen in Zukunft leiten sollen: Das Ziel der Intervention muß politisch klar definiert und für die amerikanische Öffentlichkeit nachvollziehbar sein; die Bevölkerung muß das Vorhaben unterstützen; die Operation muß eine hohe Erfolgschance haben, multilateral eingebettet und finanzierbar sein; es muß für den Fall eines Mißerfolges eine „Exit-Strategie" geben, die den raschen Rückzug aus dem Kampfgebiet erlaubt.

Die Interventionen in Somalia, Bosnien und Ruanda beleuchten, einen wichtigen Tatbestand: Die Welt kann zwar vielfältige Mittel und Ressourcen mobilisieren, um Hungernde zu retten und menschliches Leid zu lindern, verfügt aber über kein Konzept, staatliche Zerfallsprozesse aufzuhalten. Moralisch-humanitärer Impuls ersetzt in der Regel ein auf gemeinsam definierten Interessen beruhendes politisches Lösungskonzept. Die Lehren aus den Einsätzen in Somalia, Bosnien, Ruanda etc. sind aber auch in anderer Hinsicht eindeutig: Vorbeugende Konfliktverhütung, also frühzeitiges Handeln, ist bei ethnonationalen und ethno-sozialen Konflikten noch dringender geboten als bei anderen Konflikten. Die Hauptaufgabe vorbeugender Konfliktverhütung besteht jedoch nicht darin, unverzüglich eine Lösung zu finden -dazu sind diese Konflikte zu verworren und vielschichtig -, sondern ihr Abstürzen in einen Strudel ungebremster Gewaltausübung zu verhindern 4. Regionalspezifische Interessen der USA Das Ende des Ost-West-Konflikts hat nicht nur die Entfesselung lange schlummernder innerstaatlicher und ethno-nationaler Konflikte begünstigt, sondern auch Möglichkeiten für die Einhegung und Regelung von Konflikten in Weltregionen eröffnet, die für die Außenpolitik der USA nach wie vor von großer Bedeutung sind. Dazu gehört weiterhin der Nahe und Mittlere Osten, in dem Amerika folgende strategische Interessen verfolgt den freien Fluß des Erdöls zu vernünftigen Preisen, die Sicherheit Israels, einen stabilen und dauerhaften arabisch-israelischen Frieden, die Stabilität befreundeter arabischer Staaten, die Eindämmung Iraks, Irans und Libyens sowie die Verhinderung der Weiterverbreitung von MassenVernichtungswaffen und Trägermitteln.

Die amerikanische Nahostpolitik unter Clinton betont den Zusammenhang zwischen politischer Stabilität, wirtschaftlich-sozialer Entwicklung, Demokratisierung, Menschenrechtsfragen und religiösem Extremismus weitaus stärker, als dies vergangene US-Regierungen getan haben. Die USA verstehen sich in der Nahost-und Mittelostregion als Akteur, der seine strategischen Interessen wahren will und gleichzeitig den Nahostfriedensprozeß im Interesse der Stabilisierung der Region unterstützt. Bestimmend ist der Wunsch, daß die regionalen Akteure ihre Angelegenheiten stärker als bisher selbst regeln und die USA nicht überall als „Feuerwehr“ gefordert sind. Damit rückt -und dies gilt auch für Europa und Deutschland, ungeachtet ihrer bis 1999 zugesagten Finanzhilfe von knapp einer Mrd. DM für den wirtschaftlichen Aufbau im Gaza-Streifen und auf der Westbank -die bedeutsame Frage in den Vordergrund, mit welchen Instrumenten man die Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens flankierend unterstützen will.

Amerika ist vital daran interessiert, die Entstehung einer regionalen Vormacht in der Golfregion zu verhindern. Ein regionales Sicherheitssystem, das zur Bannung dieser Gefahr beitragen könnte, ist nicht in Sicht. Der Irak, der in absehbarer Zeit mit der Aufhebung der UN-Sanktionen rechnen kann, verfügt auch ohne nukleare Rüstung über das Potential, als Hegemonialmacht aufzutreten. Als größtes Risiko gilt aus amerikanischer Sicht das Nuklearprogramm Irans Die Proliferationsproblematik, Irans Ablehnung des arabisch-palästinensisch-israelischen Friedensprozesses, Staats-terrorismus und die Menschenrechtsfrage bleiben für die USA die zentralen Konfliktpunkte. Mit dem Ausbau ihrer vertraglich geregelten militärischen Präsenz am Persischen Golf und dem Beginn eines offenen Dialogs mit dem Iran wollen die Vereinigten Staaten verhindern, bei wichtigen Entwicklungen in der Region übergangen zu werden.

In der eigenen Hemisphäre waren die USA jahrzehntelang eine klassische Hegemonialmacht. Sie bleiben aus der Perspektive Latein-und Mittel-amerikas nach wie vor der wichtigste externe Akteur. So stellen die Vereinigten Staaten für Latein-und Mittelamerika immer noch den bedeutendsten Wirtschaftspartner dar, und zwar als Handelspartner, Investor und als Gläubiger Die Beziehungen der USA zu den Staaten Latein-und Mittelamerikas gestalten sich insbesondere nach der erfolgreichen Demokratisierung des gesamten Subkontinents entspannter und konstruktiver. Aufgrund ihres marktwirtschaftlichen Reformkurses und des NAFTA üben Schlüsselstaaten der Region wie Brasilien, Argentinien, Chile, Venezuela und Mexiko eine wachsende Anziehungskraft auf private Investoren aus.

Die Isolierungs-und Boykottpolitik gegenüber Kuba und das Eingreifen in Haiti sind nicht Ausfluß einer klassischen Interventionspolitik, sondern entspringen einem humanitär und demokratisch begründeten Engagement und einer Strategie zur Eindämmung der Flüchtlingsströme.

IV. Fazit

Die Vereinigten Staaten wollen ihre Rolle als Führungsmacht der demokratischen Welt auch künftig wahrnehmen, sind aber mehr als zuvor auf handlungsfähige Partner angewiesen. Die noch vor der staatlichen Vereinigung der Bundesrepublik angebotene Partnerschaft bei den Führungsaufgaben weist auf dieses Erfordernis hin. In dem Maße, wie die USA „Mitspieler“ für eine solche Partnerschaft gewinnen, werden sie sich auch in Zukunft für das Ziel einer demokratisch verfaßten Weltgemeinschaft einsetzen, die sie als Verwirklichung ihrer eigenen Bestimmung ansehen.

Immerhin bejahen nach einer Anfang 1995 in Auftrag gegebenen Umfrage des renommierten Chicago Council on Foreign Relations 65 Prozent der Amerikaner eine aktive weltpolitische Rolle ihres Landes -eine Zunahme gegenüber den achtziger Jahren Die Vereinigten Staaten werden allein durch ihre Vorbildfunktion und die damit verknüpfte Fähigkeit, die internationale Tagesordnung entscheidend beeinflussen zu können, auch künftig eine zentrale weltpolitische Rolle spielen.

Clintons außenpolitische Probleme erwachsen nicht aus Stimmungslagen im eigenen Land, sondern aus dem Urteil der Wähler, die im November 1994 beide Häuser des Kongresses in die Macht der Republikanischen Partei überantwortet haben In Wahrheit erkennt auch die republikanische Kongreßmehrheit, daß weder Abkehr noch Auftrumpfen zu einer konsistenten Außenpolitik gehören. Aus diesem Grund wird der Kongreß der Regierung Clinton keine grundlegende außenpolitische Kurskorrektur aufzwingen

Weder Abkapselung noch Alleingänge funktionieren in der heutigen Welt. Die vielschichtigen Herausforderungen lassen sich nur im Verbund meistern -ob es sich um Waffenproliferation, ethno-nationale Konflikte oder religiös inspirierten Terrorismus, Umweltgefährdungen, Protektionismus oder die ungebändigte Dynamik eines Weltmarktes handelt, der weder Regierungen noch Zentralbanken gehorcht. Die Vereinigten Staaten sind in dieser unübersichtlichen Weltlage deshalb gut beraten, sich mit ihren Partnern auf ein Höchstmaß an gemeinsamem Handeln und ein Mindestmaß an nationalen Alleingängen zu verständigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Joseph S. Nye, Jr., Bound to Lead. The Changing Nature of American Power, New York 1990, S. 25-35; zur Erläuterung der „weichen“ Machtwährung siehe ders,, Soft Power, in: Foreign Policy, 80 (Herbst 1990), S. 153-171.

  2. Vgl. Gebhard Schweigler, „America First“? Die öffentliche Meinung und die amerikanische Außenpolitik, in: Matthias Dembinski/Peter Rudolf/Jürgen Wilzewski (Hrsg.), Amerikanische Weltpolitik nach dem Ost-West-Konflikt, Baden-Baden 1994, S. 23-67.

  3. Die Republikanische Partei brachte im Februar 1995 das isolationistisch gefärbte „Gesetz zur Erneuerung der Nationalen Sicherheit“ („National Security Revitalization Act“) ins Repräsentantenhaus ein. Vgl. zur Kritik an dieser Gesetzesvorlage Warren Christopher/William J. Perry, A Bill to Mairn American Foreign Policy, in: International Herald Tribune (IHT) vom 14. 2. 1995, S. 8; siehe auch Josef Joffe, American Siegfried, in: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 16. 2. 1995, S. 4.

  4. Vgl. Jürgen Wilzewski, Passivität, Mitsprache oder Dominanz? Der Kongreß und die imperiale Präsidentschaft nach 1945, in: M. Dembinski u. a. (Anm. 2), S. 94.

  5. Vgl. Reinhard Meiers, Suche der USA nach kohärenter Außenpolitik, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 3. /4. 4. 1994, S. 5.

  6. Vgl. David C. Hendrickson, The Recovery of Internationalism, in: Foreign Affairs, 73 (1994) 5, S. 43.

  7. Vgl. Peter Rudolf, Ansätze zur Rationalität: Internationales System und nationale Interessen, in: Gebhard Schweigler (Hrsg.), Zur weltpolitischen Rolle der USA, SWP-IP 2854, August 1994, S. 15.

  8. Vgl. James Schlesinger, New Instabilities, New Priorities, in: Foreign Policy, 85 (Winter 1991/92), S. 23.

  9. Vgl. G. Schweigler (Anm. 2), S. 59.

  10. Vgl. ebd., S. 62.

  11. Vgl. Andreas Falke, Geht Amerika neue Wege in der Handelspolitik?, in: Politische Studien, 44 (1993), S. 76.

  12. Vgl. John Stremlau, Clinton’s Dollar Diplomacy, in: Foreign Policy, 97 (Winter 1994/95), S. 18.

  13. Vgl. Jens van Scherpenberg, Weltwirtschaft, in: G. Schweigler (Anm. 7), S. 58.

  14. Vgl. Gebhard Schweigler, Die USA zwischen Atlantik und Pazifik, in: SWP-S 401, Oktober 1994, S. 10.

  15. Vgl. ebd., S. 57.

  16. Vgl. Ernst-Otto Czempiel, Von der Staatenwelt zur Gesellschaftswelt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. 2. 1995.

  17. Vgl. dazu Michael Stürmer, Was folgt auf die Pax Americana?, in: NZZ vom 21. /22. 8. 1994, S. 37; Zbigniew Brzezinski, A Plan for Europe, in: Foreign Affairs, 74 (1995) 1, S. 26-42; Richard Holbrooke, America, A European Power, in: Foreign Affairs, 74 (1995) 2, S. 55-68.

  18. Vgl. G. Schweigler (Anm. 14), S. 54.

  19. Vgl. Reinhard Rummel, Der Dialog zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, SWP-AP 2876, November 1994, S. 6; Henry Kissinger, Die Atlantische Gemeinschaft neu begründen, in: Internationale Politik, 50 (1995) 1, S. 24ff. sowie Daniel Hamilton, USA und Europa: Die neue strategische Partnerschaft, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 9/1994, S. 13-21.

  20. Vgl. E. -O. Czempiel (Anm. 16).

  21. Vgl. Christoph Royen, Rußland und Mittelosteuropa, in: G. Schweigler (Anm. 7), S. 38.

  22. Vgl. Clinton’s Accomplishments After Two Years In Office, in: U. S. Information And Texts (USIT) vom 24. 1. 1995, S. 9 f.

  23. Vgl. Emst-Otto Czempiel/Kerstin Dahmer/Matthias Dembinski/Kinke Gerke, Die Weltpolitik der USA unter Clinton, HSFK-Report 1-2/1994, Frankfurt am Main, S. 61.

  24. Vgl. Stephen S. Rosenfeld, For Clinton A Larger Question Looms in Somalia, in: IHT vom 11. 1. 1993, S. 8.

  25. Vgl. Volker Rittberger/Claudia Dederke/Gabriele. Kittel, Langsame Wiederannäherung. Das Verhältnis zwischen USA und UN unter den Präsidenten Reagan, Bush und Clinton, in: Vereinte Nationen, 42 (1994) 2, S. 47.

  26. Vgl. ebd., S. 51.

  27. Vgl. Michael Mandelbaum, The Reluctance to Intervene, in: Foreign Policy, 95 (Sommer 1994), S. 3-18; Richard K. Betts, The Delusion of Impartial Intervention, in: Foreign Affairs, 73 (1994) 6, S. 20-33.

  28. Vgl. Christopher Daase, Regel oder Ausnahme? Der Golfkrieg und die Zukunft der amerikanischen Interventionspolitik, in: M. Dembinski u. a. (Anm. 2), S. 378f.

  29. Vgl. Winrich Kühne, Fragmenting States and the Need for Enlarged Peacekeeping, SWP-KA 2869, Oktober 1994, S. 10.

  30. Vgl. Johannes Reissner, Naher und Mittlerer Osten, in: G. Schweigler (Anm. 7), S. 48f.

  31. Vgl. Warren Christophers Rede vor der John F. Kennedy School of Government in Cambridge, Massachusetts, am 20. 1. 1995, in: USIT vom 24. 1. 1995.

  32. Vgl. Manfred Wöhlcke, Lateinamerika, in: G. Schweigler (Anm. 7), S. 41.

  33. Vgl. Thomas L. Friedman, It Isn’t True, That Americans Have Renounced a Role in the World, in: IHT vom 6. 3. 1995, S. 4.

  34. Vgl. Josef Joffe, Gesucht: Eine neue Außenpolitik, in: SZvom 4. /5. 3. 1995, S. 4.

  35. Vgl. Paul F. Horvitz, The Global Stage: New Congress Unlikely to Alter Script, in: IHT vom 7. /8. /1. 1995, S. 1.

Weitere Inhalte

Charles M. Weston, Dr. phil., geb. 1951; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Kommunikationswissenschaften an der American University in Washington, D. C., der University of Colorado in Boulder sowie an den Universitäten Regensburg und München; von 1987 bis 1991 wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Politikwissenschaft der Universität Passau; seit 1991 Referent für Außenpolitik in der CSU-Landesleitung in München. Veröffentlichungen u. a.: Die „erzwungene Partnerschaft“. Möglichkeiten und Grenzen strategischer Rüstungskontrolle am Beispiel des SALT-Prozesses von Johnson bis Reagan, München 1987; Transatlantische Neuorientierung. Amerikanisch-europäische Bündnispolitik nach der Ära des Kalten Krieges, München 1993; zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften.