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Die Moderne, der Markt und die Moral | APuZ 51/1995 | bpb.de

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APuZ 51/1995 Die Moderne, der Markt und die Moral Christliche Sozialethik und Wirtschaftsethik Christliche Sozialethik und Wirtschaftsethik Christliche Sozialethik und Wirtschaftsethik Sozialethik, Marktwirtschaft und Gemeinsinn

Die Moderne, der Markt und die Moral

Hans-Joachim Höhn

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Zusammenfassung

Im November 1994 wurde vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland der Öffentlichkeit ein „Impulspapier“ vorgestellt, mit dem ein möglichst umfassender Diskurs über brennende Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Lage im wiedervereinten Deutschland angestoßen werden sollte. Im Mittelpunkt des Papieres stehen die Problembereiche Arbeitslosigkeit und „neue“ Armut, Erhalt der sozialen Sicherungssysteme, Umbau bzw. Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, Bewahrung der Schöpfung und Vollendung der inneren Einheit Deutschlands. Das Konsultationspapier der Kirchen spiegelt Konflikte, Pathologien und Krisensymptome der Gegenwartsgesellschaft. Zugleich ist es ein weiterer Ausdruck jener Schwierigkeiten, mit denen alle Initiativen zu kämpfen haben, welche die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und die Sicherung der Zukunftsfähigkeit eines Gemeinwesens nicht nur als ökonomisch-politische Steuerungsaufgabe, sondern auch als ethische Herausforderung betrachten und auf gesellschaftliche Solidarität als sozialethische Ressource setzen. Kritik wie Gegenkritik solcher Wortmeldungen vermögen solange nicht zu überzeugen, wie sie nicht mit der nötigen Tiefenschärfe erkennen lassen, daß sie die Epiphänomene einer „unsolidarischen“ Gesellschaft mit den Konstitutionsbedingungen moderner Sozialsysteme in Zusammenhang bringen können. Erst nach dieser Überprüfung läßt sich ermessen, worin die ethischen Existenzbedingungen liberaler Demokratien und einer technisch-industriellen Zivilisation bestehen und wie sie zu sichern sind. Und erst dann hat auch der von den christlichen Kirchen initiierte „Konsultationsprozeß“ eine Chance, die gesellschaftliche Urteilsbildung über notwendige Kurskorrekturen in Wirtschaft und Politik nachhaltig zu beeinflussen.

Vorbemerkungen

Im November 1994 wurde vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und vom Kirchen-amt der Evangelischen Kirche in Deutschland der Öffentlichkeit ein „Impulspapier“ vorgestellt, mit dem ein möglichst umfassender Diskurs über brennende Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Lage im wiedervereinten Deutschland angestoßen werden sollte Das Medienecho und die Resonanz der angesprochenen gesellschaftspolitisch aktiven Gruppen waren beträchtlich. Der erhoffte Diskussionsprozeß setzte tatsächlich ein. Ein Grund dafür mag der besondere Charakter des Papieres sein. Es handelt sich nicht um eine Neuauflage der in Hirtenbriefen, Denkschriften, Sozialenzykliken und Memoranden hinreichend dargelegten Grundsatzpositionen, die gewöhnlich im Stile eines sozialethischen Traktates verfaßt sind oder mit der Attitüde der Anklage, des Appells und der Mahnung an das soziale Gewissen formuliert werden. Ungewohnt an diesem Impulspapier sind sowohl sein Genus als auch sein Anliegen und Ziel. Der Text ist bewußt konzipiert als ein Entwurf, der die Diskussion ausdrücklich sucht Hier geht es nicht darum, den gesellschaftlichen Führungseliten ungefragt von seiten der Kirche wohlmeinende Ratschläge zu erteilen. Entscheidend ist vielmehr für den angestrebten „Konsultationsprozeß“, daß sich die Kirchen Rat holen und sich beraten, nicht zuletzt mit den von sozialen und wirtschaftlichen Problemen Betroffenen. Im Mittelpunkt des Papieres stehen die Problembereiche Arbeitslosigkeit und „neue“ Armut, Erhalt der sozialen Sicherungssysteme, Umbau bzw. Erneuerung der sozia­ len Marktwirtschaft, Bewahrung der Schöpfung, Vollendung der inneren Einheit Deutschlands. Geleitet sind die jeweiligen Problembeschreibungen und angedeuteten Lösungsperspektiven von drei Optionen, deren biblisch-christliches Fundament unverkennbar ist: die Option für die Armen und Schwachen, die Option für eine soziale Friedensordnung und die Option für eine ungeteilte Solidarität mit den Menschen in der „einen“ Welt. Für 1996 wird die Publikation einer Auswertung der bei den Kirchen eingegangenen Stellungnahmen erwartet.

Das Konsultationspapier der Kirchen spiegelt Konflikte, Pathologien und Krisensymptome der Gegenwartsgesellschaft wider. Zugleich ist es ein weiterer Ausdruck jener Schwierigkeiten, mit denen alle Initiativen zu kämpfen haben, welche die Herstellung sozialer Gerechtigkeit und die Sicherung der Zukunftsfähigkeit eines Gemeinwesens nicht nur als ökonomisch-politische Steuerungsaufgabe, sondern auch als ethische Herausforderung betrachten und auf gesellschaftliche Solidarität als sozialethische Ressource setzen. In einer Zeit knapper Wohlstandsreserven wird das soziale Klima unweigerlich rauher. Solidarität glaubt man sich nicht mehr leisten zu können. Sie wird auch nur selten vermißt. Neue Armut, Intoleranz gegenüber Minderheiten, Anschläge auf Ausländer und gesellschaftliche Asymmetrien werden nur noch dann bewußt, wenn sie schlagzeilenträchtig aufbereitet werden. Die Entsolidarisierung der (Zwei-Drittel-) Gesellschaft schreitet teilweise „legal“ voran: Bei einem betrügerischen Konkurs befriedigen Großbanken als erste ihre Ansprüche aus der Konkursmasse, Handwerksbetriebe gehen leer aus. Es ist keineswegs ein Ausdruck von Sozialneid, dies als Beleg für eine Umverteilung von unten nach oben zu halten. Staatsdiener, die ihr Mandat zum Abkassieren mißbrauchen, Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug sowie Korruption in Behörden sind alltägliche Phänomene. Man muß nicht zur Fraktion der Neokonservativen gehören, um in diesen Skandalen Indikatoren für eine grassierende Auszehrung gemeinschaftsbezogener Werte zu sehen. Egoismus ist in einer Gesellschaft, die den „Tanz um das goldene Selbst“ (U. Beck) einstudiert, offensichtlich kein Grund mehr, sich zu schämen. Solidarität wird in diesem Kontext zum Suchbegriff. Er hat sich ebenso rar gemacht wie die Sache, für die er steht

Die öffentliche Klage über diese Entwicklung geht meist einher mit der Forderung, die eingetretene moralische Erosion zu stoppen und neue Wertorientierungen zu stiften. Nicht selten wird dabei auch nach dem Staat gerufen, der ein Minimum unverzichtbarer, sozialintegrativer ethischer Über-zeugungen sichern soll. Allerdings hat sich der moderne Staat längst davon verabschiedet, die ethischen Existenzbedingungen seiner selbst in herrschaftliche Regie zu nehmen. Vielmehr zehrt er nur mehr passiv von ethischen Ressourcen, „die er innerhalb seines eigenen Regelwerks selbst nicht reproduzieren kann“ Wozu sich der liberale Staat allenfalls noch in der Lage sieht, ist die öffentliche, rechtlich verbürgte Garantie auf die Verfolgung privater Nutzenkalküle. Moral kommt dort über das Instrument des Rechts ins Spiel, wo es um gewaltfreie Formen der Konfliktaustragung und um die Verankerung gleicher, gemeinsamer Freiheiten und Pflichten für alle Bürger geht. Zugleich mehren sich aber auch die Stimmen, welche diese politischen Minimalprinzipien in einem gemeinsamen Ethos, in identitätsstiftenden ethischen Grundüberzeugungen verankert sehen wollen Kritiker geben solchen Forderungen aber nur dann Realisierungschancen, wenn die Pluralisierung ethischer Grundüberzeugungen und die Individualisierung der Lebensformen rückgängig gemacht werden könnten. Solchen Bestrebungen steht jedoch der Verlauf der neuzeitlichen Sozial-geschichte entgegen, der allenfalls unter Anwendung totalitärer Maßnahmen von Staats wegen umgekehrt werden könnte -zweifellos ein kontraproduktives Verfahren zur Rettung ethischer Grundwerte.

Kritik wie Gegenkritik solcher Wortmeldungen vermögen so lange nicht zu überzeugen, wie sie nicht mit der nötigen Tiefenschärfe erkennen lassen, daß sie die Epiphänomene einer „unsolidarischen“ Gesellschaft mit den Konstitutionsbedingungen moderner Sozialsysteme in Zusammenhang bringen können. Erst nach dieser Überprüfung läßt sich ermessen, worin die ethischen Existenzbedingungen liberaler Demokratien und einer technisch-industriellen Zivilisation bestehen und wie sie zu sichern sind. Und erst dann hat auch der von den christlichen Kirchen initiierte „Konsultationsprozeß“ eine Chance, die gesellschaftliche Urteilsbildung über notwendige Kurskorrekturen in Wirtschaft und Politik nachhaltig zu beeinflussen.

In den folgenden Überlegungen geht es vor diesem Hintergrund nicht um eine Wiederaufnahme der Frage, ob die Kirchen ein „allgemeinpolitisches Mandat“ beanspruchen dürfen oder ob die neuzeitliche Trennung von Legalität und Moralität nicht auch eine strikte Trennung von Politik und Religion nach sich ziehen muß. Es geht auch nicht um den Streit, ob es in einem weltanschaulich neutralen Staat nicht obsolet ist, auf religiöse Argumentationen und Autoritäten zurückzugreifen, um politisches Handeln zu legitimieren Vielmehr wird eine Erörterung des Verhältnisses von Politik und Ethik versucht, die „quer“ zu diesen Fragestellungen steht. Gefragt wird nach den sozio-kulturellen Plausibilitäts-und Akzeptanzbedingungen für eine normative Ethik, die konkrete inhaltliche Forderungen und Zielvorstellungen hinsichtlich der Humanität einer sozialen Ordnung formuliert Einer solchen Ethik scheint nicht nur die Pluralität der gesellschaftlich antreffbaren Wertmuster und moralischen Leitbilder entgegenzustehen, die zunächst einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über konkrete Inhalte und Normen moralischen Handelns unmöglich macht. Problematisch erscheint auch, wie gegen die Eigenlogik der technisch-instrumentellen und strategischen Vernunft in Wirtschaft, Technik und Politik Forderungen der ethischen Vernunft zur Geltung gebracht werden können Allerdings mehren sich auch die Stim­ men derer, die einer eilfertigen Kapitulation vor den technisch-ökonomischen Sachzwängen komplexer Gesellschaften widersprechen. Um die Notwendigkeit einer ethischen Dimension der Politik, die mehr sein will als die Exekution dieser Sachzwänge, wissen zudem jene Zeitgenossen, welche in der „aufgeklärten“ Annahme einer Wertneutralität der staatlichen Regelung sozialer Beziehungen längst eine zynische Angleichung menschlichen Miteinanders an technische Vorgänge erkannt haben

II. Auf dem Weg zur Entsolidarisierung der Gesellschaft?

In der Soziologie ist innerhalb weniger Jahre die Kategorie der „Individualisierung“ zur Leitvokabel bei der Beschreibung der wirkmächtigen gesellschaftlichen Trends avanciert. Sie fungiert gleichsam als „Container“ für die Reflexion soziokultureller Tendenzen, die vor allem durch folgende Faktoren bestimmt sind:

1. Erosion und abnehmende Bindungswirkung traditioneller Sozialzusammenhänge (z. B. Klasse, Schicht, Milieu, Konfession);

2. Lösung von Lebenslauf und Lebensstil aus überkommenen Standards (Rollen, geschlechtsspezifische Festlegungen, Weltanschauung);

3. Pluralisierung von Lebensformen, Moral-und Sinnsystemen

Diese Faktoren bedingen sowohl einen Zuwachs an Entscheidungsmöglichkeiten und subjektiv wählbaren Optionen auf seiten des Individuums als auch den Verlust einer kollektiv verbindlichen und plausiblen Sinn-und Identitätsmatrix im Raum des Sozialen. Sie nötigen das Individuum nicht nur zum Entwurf und zur Inszenierung der eigenen Biographie, sondern auch zu ihrer Einbin-düng in Beziehungen und soziale Netze. Alle notwendigen Koordinations-und Integrationsleistungen, von der Berufs-und Partnerwahl, der Mitgliedschaft in Vereinen über die Auswahl der passenden Schule für die Kinder und den Verbleib in einer Religionsgemeinschaft bis hin zur Verfügung über die Art der Bestattung, hat das Subjekt zunehmend eigenhändig vorzunehmen. „Chancen, Gefahren, Unsicherheiten der Biographie, die früher im Familienverbund, in der dörflichen Gemeinschaft, im Rückgriff auf ständische Regeln oder soziale Klassen definiert waren, müssen nun von den einzelnen selbst wahrgenommen, interpretiert, entschieden und bearbeitet werden.“ Das Leben verliert seine Selbstverständlichkeit, der soziale „Instinkt-Ersatz“, der es trägt und leitet, wird liquidiert, d. h., er „verflüssigt“ sich, die Individuen und die Gesellschaft geraten ins Schwimmen.

1. Individualität und Pluralität: Funktionserfordernis moderner Gesellschaften?

Vordergründig erscheint die Individualisierung des sozialen Lebens als späte Einlösung eines Versprechens, das zu Beginn der Moderne gegeben wurde: Emanzipation von allen Autoritäten, Traditionen und Institutionen, von obrigkeitlich verordneten Formen der Existenz, die der kritischen Prüfung (und Auswahl) durch die autonome Vernunft nicht standhalten können. Der moderne Mensch sollte soweit wie möglich ein „homo optionis“ sein, der wird, was er wählt, und aus sich macht, was er auswählt. Der tatsächliche Lauf der Dinge hat jedoch kaum zur umfassenden Selbstermächtigung des Subjekts geführt. Der gewonnenen Selbstverantwortlichkeit, Freiheit und Entscheidungskompetenz steht in komplexen Gesellschaften eine Abhängigkeit von ökonomisch, technisch und politisch definierten Lebensbedingungen gegenüber, die sich dem individuellen Zugriff entziehen. Diese „Außenleitung“ gilt auch für den Bereich der privaten Lebenswelt. Manche individualistischen Verhaltensweisen geben sich bei näherem Hinsehen als Übernahme gesellschaftlich vorgestanzter Verhaltensschablonen zu erkennen. Der weltanschauliche Maßanzug ist dann letztlich nichts anderes als ideologische Konfektionsware. Nur auf den ersten Blick stellt die Individualisierung des Sozialen das Subjekt über die Gesellschaft. Typisch für die Individualisierungsprozesse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist nicht nur die Tendenz, das zum Normalfall werden zu lassen, was früher nur wenigen Menschen zugemutet wurde: in Personalunion Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller des eigenen Lebens zu sein. Typisch ist ebenso der Umstand, daß Individualisierung soziostrukturell verankert ist, d. h., sie gehört zu den Funktionsbedingungen und -erfordernissen moderner Gesellschaften. Was vom Individuum aus betrachtet zunächst als Erweiterung seines Handlungsraumes erscheinen mag, erweist sich aus der Perspektive der Gesellschaft als funktionale Voraussetzung ihres Bestehens. Gefragt in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist das mobile, flexible Subjekt. Zu viele und zu enge soziale Bindungen (z. B. Familie, Kinder) sind nicht nur hinderlich für das eigene Fortkommen (Karriere), sondern auch für die ökonomische (betriebliche wie volkswirtschaftliche) Produktivität Flexible Arbeitszeiten nehmen auf feste Kinderbetreuungszeiten nur wenig Rücksicht.

2. Funktionale Differenzierung: Herrschaft der Sachzwänge?

Die soziale Dynamik der Moderne ist in einem Maße durch Prozesse der Differenzierung gekennzeichnet, daß sie für die sozial-und ideengeschichtlichen Konturen dieser Epoche als definitorisch gelten können „Modernisierung“ erscheint im Rückblick vor allem als Umbau im Strukturgefüge neuzeitlicher Sozialsysteme, die zu Gesellschaften mit verteilten Zuständigkeiten werden. Die funktionale Auffächerung des sozialen Ganzen führt zur Ausbildung weitgehend selbständiger Handlungssphären, die eigenen (Binnen-) Rationalitäten folgen. Jedes Teilsystem (Wirtschaft, Technik, Bildung, Kunst, Religion etc.) konstituiert einen in sich geschlossenen Zusammenhang von Funktionen mit jeweils eigener Logik. Recht, Moral, Religion und Politik bilden keine einheitlichen Legierungen mehr. Für moderne Gesellschaften läßt sich kein einzelner archimedischer Punkt mehr ausmachen, von dem aus die verschiedenen Bereiche des sozialen Lebens eingeteilt und einander zugeordnet werden können. Jedes Teilsystem spricht nur auf Funktionsgrößen des eigenen Typs an. So kann die Wirtschaft gesellschaftliche Prozesse nur wahrnehmen und verarbeiten, sofern sie in Tatbestände von Produktion, Konsum, Umsatz und Rentabilität übersetzbar sind, und die Politik vermag sie nur zu bewältigen, soweit dies in Form administrativer Macht möglich ist. Gegeneinander abgeschlossen, erscheinen die Handlungslogiken der verschiedenen Teilsysteme als untereinander nicht vergleichbar. Was etwa in einer physikalischen Theorie „richtig“ ist, sagt nichts über die wirtschaftliche Brauchbarkeit, rechtliche Erlaubtheit oder pädagogische Relevanz des jeweiligen Sachverhaltes aus. Es fehlt jegliche substantielle Gemeinsamkeit, die hierfür einen allgemeinen Maßstab bereitstellen könnte.

Es gibt offenkundig auch kein soziales System mehr, das für die Sicherung der Einheit und Integration der Gesellschaft insgesamt und für die Solidarität ihrer Mitglieder untereinander zuständig wäre. Allenfalls kann dem Teilsystem „Wirtschaft“ die Funktion eines Leitsystems zugesprochen werden. Es ist allein schon deswegen dominant, weil auch alle anderen Systeme und die Prozesse, die in ihnen ablaufen, „geldvermittelt“ sind, d. h., überall wird produziert und vermarktet, angeboten und gekauft, wird etwas geleistet und bezahlt. Wo aber Gelder fließen, wo bezahlt wird, geschieht dies als Teil des Wirtschaftssystems. Das Geld ist die zentrale Verrechnungs-und Interaktionseinheit moderner Gesellschaften Es ist die Universalität des Geldes, die offensichtlich die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften durch die Geldbestimmtheit aller Vorgänge wieder entdifferenziert, d. h, vereinheitlicht. Diese Vereinheitlichung scheint die moderne Weise der Integration komplexer Gesellschaften zu sein. Es ist aber kaum mehr eine rhetorische Frage, ob diese Integration die Auszehrung von ethischen Ressourcen sozialen Handelns nicht bloß kaschiert und nur die etwas abgemilderte Form einer über die Köpfe der betroffenen Subjekte hinweggehenden Herstellung eines sozialen Zusammenhaltes darstellt

3. Zerreißproben: Koordination moderner Gesellschaften über Moral?

Was hält moderne Gesellschaften über die geld-bestimmte Kommunikation hinaus noch zusammen? Ist es das Bruttosozialprodukt, sind es „Zwangssolidaritäten“ im Gefolge einer ökologischen Risikogemeinschaft, die Gemeinsamkeit materieller Interessen oder, wie im Fall der Bundesrepublik Deutschland, die Hoffnung auf die Teilhabe am Wohlstand auf dem Wege einer „nachholenden Modernisierung“ der neuen Bun-desländer? Ist es nur noch der formale und abstrakte Rahmen des Rechts? Sind ethische Grundüberzeugungen nicht mehr tauglich, ein soziales Band zwischen den auf ihre Individualität bedachten Subjekten zu knüpfen Zahlreiche Zeitgenossen vertrauen auf ein „business as usual“, auf das Repertoire von Technokratie und Pragmatismus. Andere setzen darauf, daß Solidarität wieder „von unten“ entstehen wird. Not lehrt sie nicht nur beten, sondern läßt die Betroffenen auch wieder enger zusammenrücken. Die soziologischen Trendforscher sind jedoch skeptisch, daß sich diese Hoffnung erfüllt. Bei allgemein sinkenden oder stagnierenden Realeinkommen, bei einem abbröckelnden Wohlstandsniveau und anhaltender Arbeitslosigkeit werden die sozialen Verteilungskämpfe nicht zu einer „Re-Solidarisierung“, zur erneuten Ausbildung milieu-oder klassenspezifischer Zugehörigkeiten führen. Sie werden vielmehr ausgetragen vor dem Hintergrund diffuser Muster der Interessenvertretung. Und diese werden sich fernab vom Ideal der Gemeinwohlorientierung bewegen. Die Hoffnung, durch Appelle an das soziale Gewissen ein tief eingegrabenes Denken in den Kategorien des Eigennutzes und der Gruppeninteressen aufbrechen zu können, kommt in diesem Kontext einer Illusion gleich

Den überkommenen Integrationsmedien der Gesellschaft droht die Erosion, neue sind nicht in Sicht. Das für diese Situation verwandte problem-anzeigende Kennwort „Zerreißproben“ ist doppeldeutig und will ein Doppeltes deutlich machen. Es bezieht sich zunächst auf die auseinanderstrebenden Kräfte, die es problematisch erscheinen lassen, ob auf Dauer zusammenbleibt, was zusammengehört: System und Lebenswelt, Individualität und Sozialität, Legalität und Moralität. Zerreißproben ausgesetzt ist aber auch jede Sozialethik, der es um die Verwirklichung überindividueller Werte, Ziele und Güter geht. Sie hat dem Umstand Rechnung zu tragen, daß in differenzierten Gesellschaften die Möglichkeit moralischen Handelns durch die Sachzwänge und Eigenlogik der Teilsysteme signifikant eingeschränkt ist. Am deutlichsten wird dies im Bereich der Wirtschaft. Hier herrschen die Prinzipien der Konkurrenz und der Gewinnorientierung. Wer an ihrer Stelle altruistischen Grundsätzen folgt, wird bald vom Markt verschwinden. Wettbe-werb und Moral scheinen sich auszuschließen. Eine Realisierung von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität über die Mechanismen des Marktes scheint demnach undenkbar. Ethische Anliegen können offensichtlich nur noch gegen die Funktionslogik der modernen Wirtschaft durchgesetzt werden.

Elementar betroffen davon ist eine christlich inspirierte Wirtschaftsethik, die darauf insistiert, daß die fundamentale Zweckbestimmung des Produktionsprozesses im Dienst am Menschen besteht, und zwar im Hinblick auf seine materiellen und kulturellen Bedürfnisse. Abgelehnt wird in der katholischen Soziallehre jede Konzeption einer liberalen Marktwirtschaft, für die „der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht, ohne Schranken, ohne entsprechende Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft darstellt“ (Sozialenzyklika „Populorum Progressio“, Nr. 26) Hier wird genau das kritisiert, was nach landläufigem Verständnis Ökonomie konstituiert. Kann man aber Wirtschaftsethik gegen die Konstitutionsbedingungen der Wirtschaft betreiben? Kann man sich andererseits den Funktionsbedingungen der Wirtschaft anpassen, ohne genuin christliche wirtschaftsethische Postulate (z. B. Option für die Armen, Vorrang der Arbeit vor dem Kapital, Bestimmung der irdischen Güter für alle Menschen, Beteiligungsgerechtigkeit) preiszugeben?

Fällt die Antwort auf beide Fragen negativ aus, manövriert sich eine Wirtschaftsethik frühzeitig ins gesellschaftspolitische Abseits, sie erhält reinen Appellcharakter. Wirtschaftsethiker ähneln dann jenen Fußballfans, die vom Spielfeldrand aus den Steilpaß in den gegnerischen Strafraum beklatschen, Foulspiel reklamieren oder die Auswechselung des Schiedsrichters fordern. Eine solche Wirtschaftsethik würde -um im Bild zu bleiben -sich auf einzelne Spielzüge konzentrieren und z. B. die Ausführung ökonomischer Standardsituationen verbessern wollen. Eine affirmative Antwort auf die oben gestellten Fragen, die vor allem von ethisch aufgeschlossenen Ökonomen vertreten wird, geht dagegen davon aus, daß die Grundprinzipien der modernen Wirtschaft nicht außer Kraft gesetzt werden müssen, um moralisches Handeln zu ermöglichen. Vielmehr lassen sie sich so gestalten, daß sie im Dienst ethischer Anliegen stehen. Wirtschaftsethik wäre dann jenes Unternehmen, das die Moralität oder Immoralität einer Ökonomie in der Rahmenordnung wirtschaftlichen Handelns ortet, weniger in den Handlungen innerhalb dieser Ordnung. Sie kümmert sich weniger um Spielzüge als um Spielregeln. Eine ethische Theorie der Ökonomie ist dann in der Weise möglich, daß auf die Kompatibilität ethischer Imperative mit der Funktionslogik einer modernen Marktwirtschaft abgestellt wird. Für die Methode einer solchen Theorie bedeutet dies ein Zweifaches: 1.den Nachweis, daß die Funktionslogik der Wirtschaft von sich aus anschlußfähig für ethische Überlegungen ist, und 2. das Bemühen, ethische Normen gesellschaftlich zu „implementieren“, d. h. mit den soziologisch feststellbaren empirischen bzw. ökonomischen Existenzbedingungen moderner Gesellschaften zu vermitteln, um auf diese Weise ihre soziale Geltung und Befolgung zu ermöglichen.

Vorher ist aber noch zu zeigen, daß auch aus sozial-und ideengeschichtlicher Sicht marktwirtschaftliche Prinzipien keineswegs etwas a priori ethisch Obsoletes verkörpern. Sie lassen sich beziehen auf das ethische Projekt der Moderne mit den Leitideen Emanzipation und Autonomie. Allerdings drohte immer auch die (ökonomische) Halbierung dieses Projektes.

III. Das Projekt der Moderne -Gesellschaftliche Entwicklung individueller Freiheit

Die Moderne beginnt mit dem Appell zur Befreiung von selbst-und fremdverschuldeter Unmündigkeit. Ihr Ziel ist die Emanzipation von allen Autoritäten, Traditionen und Institutionen, die der kritischen Prüfung durch die autonome Vernunft nicht standhalten. Das Individuum soll zum Souverän werden -Mann und Frau ein je eigener Mensch. Aber der Moderne geht es um mehr als nur um das Individuum. Für sie bildet das rechte Verhältnis von Bürger und Staat, von Individuum und Institution, oder grundsätzlicher: von Personalität und Sozialität, eine Schlüsselfrage. Genau das war das ethisch-politische Projekt der Moderne: einen Prozeß in Gang zu setzen, der auf der gesellschaftlichen Verwirklichung der subjektiven Freiheit aller und ihres vernünftigen Selbstbestimmungswillens beharrt. Entstehen sollte eine Gestalt menschlichen Miteinanders, in der die Freiheit des einzelnen „konkret“ wird d. h., in der es zu einer Vermittlung des individuell Besonderen mit dem gesellschaftlich Allgemeinen kommt. Diese Vermittlung geschieht durch die dreifache „Aufhebung“ der individuellen Freiheit ins gesellschaftlich Allgemeine: durch a) das Bewahren der subjektiven Freiheit mit ihrem Vermögen zur kreativen Gestaltung und kritischen Veränderung der Lebensverhältnisse, b) das Aufsprengen einer sich auf die Befriedigung privater Bedürfnisse versteifenden Individualität und c) die Verlagerung der Realisierung individueller Freiheit auf die Ebene der solidarischen Verantwortung für das soziale Ganze.

Die Freiheit und die Identität des einzelnen wird somit nur konkret, wenn er sich nicht vom Gesamtsystem des Sozialen ins Private zurückzieht. Nur durch das unnachgiebige Einbringen der subjektiven Freiheit und ihrer Vernunft lassen sich die komplexen Formen des Sozialen als das erhalten, weswegen es sie gibt: als soziale Form personaler Existenz.

Für das ethische Projekt der Moderne steht das Begriffspaar „Emanzipation und Solidarität“, ihr ökonomisches Projekt firmiert unter dem Titel „Wettbewerb und Wohlstand“. Beide Projekte schließen sich keineswegs aus Denn in einem ethisch-politischen Horizont steht auch das Werk von Adam Smith, mit dem die moderne Nationalökonomie beginnt Sein Plädoyer für die Marktwirtschaft hat durchaus sozialethische Gründe. Es geht ihm um Strukturen, die den Armen in der Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Seinen Neuansatz formuliert er aus der Einsicht, daß unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft die mittelalterliche Caritas als Hilfe für die Bedürftigen ineffizient geworden ist. Seine Kernthese lautet, daß eine funktionierende Marktwirtschaft mit Markt und Wettbewerb, mit Investition und Wachstum die wirksamere Form von Solidarität darstellt. Genauer: Die Marktwirtschaft ist ein optimales Mittel zur Realisierung gesellschaftlicher Solidarität. Grundlage allgemeinen Wohlstandes ist nach Smith die Produktivität der menschlichen Arbeit. Diese Produktivität kann durch Arbeitsteilung enorm gesteigert werden. Das entscheidende Problem ist dabei die Koordinierung der arbeitsteiligen Prozesse. Die moderne Wirtschaft ist gekennzeichnet durch anonyme Austauschprozesse, lange Handlungsketten mit zahlreichen Akteuren und wachsenden Interdependenzen. Das Ergebnis ökonomischen Handelns hängt immer weniger vom Tun eines einzelnen Handlungssubjektes ab, sondern immer mehr von dem, was die anderen tun. Eine auf den guten Willen der Beteiligten, ihre Tilgend oder ihr Wertebewußtsein setzende Koordinierung muß wegen der Komplexität der Prozesse zu kurz greifen. A. Smith plädiert daher für eine Entkoppelung des ethisch und gesellschaftlich gewünschten Resultates und Zieles der Wirtschaft von den Motiven der beteiligten Akteure. Der Wohlstand aller hängt nicht vom Wohlwollen der einzelnen ab. „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Bauers und Bäkkers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“ Damit ist das entscheidende Stichwort gefallen: Allgemeiner Wohlstand kann nach Smith dadurch erzielt werden, daß Handelnde ihren eigenen Interessen folgen bzw. dieses Handeln so koordiniert wird, daß es zu gesellschaftlich erwünschten Ergebnissen führt. Diese Koordinationsleistung wird nach Smith durch die Instanzen Wettbewerb und Markt erbracht.

Der Wettbewerb fördert und belohnt Kreativität und Innovation. Er belohnt die Einführung neuer und erfolgreicher Produkte, Dienstleistungen und Verfahren mit Pioniergewinnen und zwingt die Konkurrenten, mit den am Markt führenden Qualitätsstandards zumindest gleichzuziehen oder preislich zu unterbieten. Bei gleichen Preisen begünstigt der Markt die besten Güter, weil sie die meisten Käufer finden. Bei gleicher Qualität begünstigt er die billigsten Güter, weil sie sich am besten verkaufen. Überdies zwingt die Konkurrenz zu einem sparsamen Umgang mit Kapital und Rohstoffen, da diese Kosten unmittelbare Auswirkungen auf die Gestaltung des Preises haben. Im Marktgeschehen findet eine ständige Wahl statt. Jeder einzelne Marktteilnehmer entscheidet, wie-viel er in die Produktion oder den Kauf eines Gutes steckt. Keine Instanz schreibt ihm sein Verhalten vor. Insofern können Markt und Wettbewerb auch als ökonomische Grundfiguren konkreter Freiheit gelten. Über das je individuelle Streben nach Gewinn (Anbieter) oder Bedürfnis-befriedigung (Nachfrager) lassen Wettbewerb und Markt gesellschaftlichen Wohlstand entstehen, d. h. ein Ergebnis ökonomischen Handelns, das kein Beteiligter bewußt angestrebt hat. Den Wohlstand aller erklärt Smith als die über Markt und Wettbewerb vermittelte sozial erwünschte Folge von Handlungen, die zunächst und je für sich nur etwas individuell Erwünschtes intendierten. Die ethische Qualität einer Marktwirtschaft bemißt sich also nach der ethischen Qualität ihrer Koordinationsinstanzen und der Effizienz ihrer Koordinationsleistungen bezüglich der gesellschaftlich erwünschten Resultate und nicht nach der ethischen Qualität der Akteure

Soweit die Theorie. Für ihre Umsetzung in die sozialen Verhältnisse der Gegenwart muß man im Blick auf real existierende Marktgesellschaften wohl schwarz sehen. Und das färbt auf die Theorie ab -grau ist auch diese. Auf den ersten Blick spricht auch in einer sozialen Marktwirtschaft zuviel dagegen, um sie als Ort und Medium konkreter Freiheit zu qualifizieren. Es sind vor allem drei Schwachstellen, an denen die Mängel einer Marktwirtschaft hervortreten

1. Aufhebung des Wettbewerbes: Der ökonomische Wettbewerb hat die Tendenz, vorüberge­ hende Startvorteile in Dauervorteile umzuwandeln, d. h., neue Anbieter vom Markt fernzuhalten, die Preisbildung durch Kartelle und Absprachen zu verzerren. 2. Soziale Schieflagen: Auf dem Markt können sich nur Leistungsträger behaupten. Nur wer über Geld oder ökonomisches Leistungspotential verfügt, kann das Marktgeschehen mitbestimmen, nicht aber diejenigen, die buchstäblich nur ihre Haut zu Markte tragen können in der Hoffnung, daß dafür jemand Verwendung hat. Außerdem belohnt der Markt Leistungen weniger danach, ob dringende Bedürfnisse erfüllt werden, als vielmehr nach der kaufkräftigsten Nachfrage. 3. Ausbeutung öffentlicher Güter: Die Marktsteuerung funktioniert nur bei solchen Gütern, welche die Nachfragenden durch einen eigenen Kosten-bzw. Leistungsbeitrag nutzen können. Bei einer Reihe von Gütern drückt jedoch der Preis nicht alle Kosten aus. Er sagt nicht die Wahrheit, wenn individuelle und soziale Kostenrechnungen voneinander abweichen. Bei einem privaten Gut muß der Nutzer allein für die Kosten aufkommen, bei einem öffentlichen Gut wie etwa der Umwelt gilt dies nicht.

Eine zentrale wirtschaftsethische Herausforderung der Moderne besteht darin, gesellschaftlich erwünschtes moralisches Handeln einzelner Akteure vor der ökonomischen Ausbeutung durch Konkurrenten zu schützen und (im Gegenzug) auf Markt-vorteile bedachtes, strategisches Handeln so zu koordinieren, daß es zu gesellschaftlich erwünschten Ergebnissen führt. Eines ist vorab klar: Ein Lösungsansatz muß kompatibel sein mit der Struktur moderner Gesellschaften. Ihre funktionale Differenzierung, arbeitsteilige Komplexität und weltanschauliche Pluralität steht jeder Verhaltens-koordinierung entgegen, die auf gemeinsame Ziele, Wertvorstellungen oder Handlungsmotive abstellt. Eine solche Koordinierung setzt einen sehr weitgehenden inhaltlichen Konsens unter den Mitgliedern der Gesellschaft voraus. Ein solcher inhaltlicher Konsens ist aber immer seltener anzutreffen und immer schwieriger herstellbar.

IV. Implementierung ethischer Normen über eine ökonomische Rahmenordnung

Neben der Integration einer Gesellschaft über eine einheitliche Wertordnung und Zielhierarchie ist noch eine andere Koordinationsmöglichkeit denkbar: eine Koordination über Regeln, über die Rahmenbedingungen des Handelns. Hier gelten andere Konsensanforderungen. Hier geht es um die allgemeine Zustimmungsfähigkeit von Verfahren, Prozessen und Strukturen, die es Akteuren erlauben, unterschiedliche Ziele zu verfolgen. Die Moderne ist geradezu charakterisiert durch den Übergang zu dieser Art sozialer Koordination. Hier übernehmen abstrakte Verfahrensregeln und Rahmenordnungen die Koordinationsaufgabe Dadurch wird es den verschiedenen Akteuren möglich, innerhalb dieses Rahmens unterschiedliche Ziele zu verfolgen, ohne den Zusammenhalt des Ganzen zu gefährden. Soziale Handlungsregeln ermöglichen sozial erwünschte Handlungsfolgen trotz heterogener individueller Handlungsziele und -motive. Handlungen können hierbei aus Eigeninteresse erfolgen und gleichwohl im Sinne des Gemeinwohls koordiniert werden. Meist wird diese Aufgabe von Rechtsnormen erfüllt, die für alle Akteure gleichzeitig und gleichermaßen gelten. Sie sind zur Sicherstellung dieser Funktion mit einem Sanktionsapparat ausgestattet. In diesem Zusammenhang sind die Handlungsmotive der beteiligten Subjekte sekundär: So kann sich ein Autofahrer an eine Geschwindigkeitsbeschränkung halten, und zwar aus Rücksicht auf die Umwelt, aus Angst vor einem Bußgeld, um Benzin zu sparen oder weil das Auto sowieso nicht schneller ist.

Für eine gemeinwohlorientierte Koordination eigeninteressierter Handlungen ergibt sich für eine Wirtschaftsethik zunächst die Konsequenz, daß der gesellschaftliche Ort der Moral die ökonomische Rahmenordnung sein muß. Sie ist so zu konzipieren, daß ethische Ansprüche in die Funktionslogik der Wirtschaft übersetzbar werden, d. h., daß sich moralisches Handeln auch als ökononomisch rational erweist. Wie will man sonst jemanden ethisch zu einer Handlungsweise verpflichten, die ihre ethische. Begründung in einem allgemein erwünschten Resultat hat, das ein einzelner Akteur allein nicht herstellen kann? Ethisch begründet und allgemein erwünscht ist zum Beispiel der schonende Umgang mit der Umwelt. Ein Individuum allein kann dieses Ziel nicht realisieren. Was ethisch rational ist, erscheint unter den derzeit herrschenden Wettbewerbsverhältnissen als ökonomisch unvernünftig. Warum soll ein Unternehmen für Produktionsabfälle eine Recyclinganlage bauen, wenn seine Konkurrenten dies nicht tun, damit Kosten sparen und Wettbewerbsvorteile erringen? Mit ethischen Argumenten eine umweltschonende Ökonomie zu fordern ergibt hier nur Sinn, wenn die allgemeine Befolgung der geforderten Verhaltensmaxime hinreichend gesichert ist. Und das bedeutet für einen ökonomisch denkenden Menschen: daß ihm Handlungsanreize geboten werden, die mit der Logik des Wettbewerbes und des Marktes kompatibel sind. Aber umgekehrt gilt auch: Markt und Wettbewerb können nur dann sozial erwünschte Wirkungen hervorbringen, wenn sich ihre Kräfte im Rahmen einer Handlungsordnung entfalten, die dem Wirtschaftsgeschehen vorgeordnet ist.

Diese Interdependenz läßt sich weiter veranschaulichen anhand des Problems, wie der ökonomischen Ausbeutung des öffentlichen Gutes „Umwelt“ entgegengewirkt werden kann. Es gibt hier zum einen die Möglichkeit des moralischen Appells, der auf die Überzeugungskraft ethischer Argumente setzt und zu oft registrieren muß, daß die faktische Kraft des Normativen der normativen Kraft ökonomischer Kalküle unterliegt. Zum anderen gibt es die Möglichkeit staatlicher Interventionen in einzelne ökonomische Spielzüge, wobei auf dirigistischem Weg die Prinzipien einer freien Marktwirtschaft aufgehoben würden. Die Alternative zu diesen beiden Wege besteht darin, die Gewinnkalküle der konkurrierenden Unternehmen so zu beeinflussen, daß es für alle ökonomisch rational wird, sich umweltschonend zu verhalten. Eine Reihe von Theorieentwürfen und konkreten Instrumenten für den ökologischen Umbau der Ökonomie mit ökonomischen Mitteln wartet bereits auf ihre praktische Umsetzung

Die Bandbreite reicht von Plädoyers für eine ökologische Steuerreform über die Verpflichtung von Unternehmen zur Veröffentlichung sogenannter „Öko-Bilanzen“ (mit Angaben über Ausmaß und Arten produzierten Abfalls, Wege der Entsorgung, Recyclingquote) bis zur Einrichtung eines Marktes für „Verschmutzungsrechte“. Sie stellen Versuche dar, schrittweise einen entscheidenden Konstruktionsfehler des industriellen Wirtschaftssystems zu beheben. Dieser Konstruktionsfehler besteht vereinfachend gesprochen in der Kostenlosigkeit der Inanspruchnahme von Naturleistungen und Natur-gütern, die ökologisch knapp geworden sind. Bisher spielten sie bei der Berechnung der Produktionskosten kaum eine Rolle. Bei der Produktion anfallende Umweltschäden -z. B. Belastungen der Luft -wurden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Hauptaufgabe einer ökologischen Wirtschaftspolitik ist es, mit den Mitteln der Industriegesellschaft einen Handlungsrahmen für die Wirtschaft zu schaffen, der zu einer allmählichen Internalisierung der Umweltkosten führt. Es geht weiterhin darum, die knappe Ressource Umwelt unter Marktbedingungen zu nutzen; diese Nutzung aber wird schonender und sparsamer verlaufen, wenn sie für die Unternehmen Kosten verursacht. Als Exempel für eine marktwirtschaftliche Lösung dieses Problems bietet sich der Handel mit Verschmutzungszertifikaten an: Zunächst wird für eine bestimmte Region eine Obergrenze für industriell bedingte Luftverschmutzung festgelegt. Sämtliche in der Region angesiedelten Industrie-betriebe erhalten Zertifikate, die sie berechtigen, einen bestimmten Anteil Stickoxid oder Schwefel-oxid auszustoßen. Mit diesen Zertifikaten kann gehandelt werden. Wenn eine Firma ihren Schadstoffausstoß reduziert, kann sie ihre überschüssigen Verschmutzungsrechte an Firmen verkaufen, die über ihren ursprünglich zugestandenen Anteil hinaus Schadstoffe produzieren. Eine Reduzierung der Umweltbelastung wird dadurch erreicht, daß die Obergrenze für die gesamte Luftverschmutzung der Region Jahr für Jahr um zehn Prozent gesenkt wird. Die Folge ist, daß die Verschmutzungsrechte immer knapper und immer teurer werden. Die Unternehmen erhalten damit einen ökonomischen Handlungsanreiz, ihre Schadstoff-emission zu senken. Der erste Smogmarkt dieser Art, der „Regional Clean Air Incentives Market“, wurde 1994 in Südkalifornien eingerichtet.

V. Die Suche nach den ethischen Ressourcen moderner Gesellschaften

Das Modell einer Wirtschaftsethik, die als Ethik der ökonomischen Rahmenordnung konzipiert ist, besticht durch seine Grundidee, daß hier nicht gegen die Logik des Marktes gesellschaftlich erwünschte Ergebnisse durchgesetzt werden, sondern daß der Markt in den Dienst dieser Ziele gestellt wird. Dennoch ist es nur bedingt geeignet, die Zerreißproben zu bestehen, denen moderne Gesellschaften unterworfen sind Es ist weder sozialgeschichtlich zu erhärten noch theoretisch zu begründen, daß eine ethisch anspruchsvolle soziale Rahmenordnung institutionalisierbar ist, die hinsichtlich ihrer Genese und ihrer Akzeptanz ohne eine explizit moralische Motivation auf seiten der Akteure auskommt. Das ethische Anspruchsniveau der Moderne besteht gerade darin, daß jede Rahmenordnung als Legitimitätsvoraussetzung die begründbare Zumutbarkeit ihrer lebensweltlichen Folgen und Nebenwirkungen für alle Betroffenen unterstellen und ausweisen muß Unbeantwortet bleibt auch die Frage, wie ein gesellschaftlicher Konsens über Rahmenbedingungen erreicht werden kann angesichts der faktischen Pluralität von Werthierarchien und Leitbildern gelingenden Lebens. Die Reduktion auf eine formale Institutionen-, Regel-oder Verfahrensethik, die von konkreten Inhalten abstrahiert und aufgrund ihrer Formalität in einer wertpluralen Gesellschaft konsensfähiger ist als „materiale“ Moralsysteme, weicht dieser Problematik aus und verkennt, daß auch scheinbar „wertneutrale“ Regelungsmechanismen die Zulässigkeit bestimmter Inhalte präjudizieren. Zudem ist die Verständigung über Regeln des Zusammenlebens immer erst das Resultat einer Reflexion gelungenen oder scheiternden Zusammenlebens. Eine Entkoppelung von Fragen der Genese und der Geltung von Strukturen einer Rahmenordnung ist weder heuristisch fruchtbar noch dient sie ihrer Funktionalität. Eine Gesellschaftsordnung, die geschichtsvergessen und subjektlos wird, schneidet sich von ihren eigenen Wurzeln ab; ein lebensweltlich nicht verankertes, formales Freiheitskonzept höhlt sich auf Dauer aus. „Das praktische Bewußtsein der Freiheit bildet sich nicht aus einer Theorie des Selbstbewußtseins, sondern daraus, daß Geschichten der Freiheit -und das heißt immer: Geschichten erlittener Unfreiheit -erzählt und erinnert werden.“ Für moderne, pluralistische und säkulare Gesellschaften heißt dies, daß die Aufrechterhaltung eines Systems von freiheitsverbürgenden Rechten nur gewährleistet ist, wenn deren normativer Gehalt zugleich Bestandteil einer kulturellen Lebensform ist, an deren Bestand alle Mitglieder der Gesellschaft interessiert sind. Den Kern dieser soziokulturellen Lebensform bilden heute das ökonomische und das ethisch-politische Projekt der Moderne in ihrer gegenseitigen Verwiesenheit und wechselseitigen Bedingtheit: die Realisierung konkreter Freiheit auf dem Wege der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit sowohl im Bereich der Politik als auch im Bereich der Wirtschaft.

Die Realisierung dieser konkreten Freiheit ist aber angewiesen auf ethische Ressourcen, die in wertpluralen und hochgradig individualisierten Gesellschaften auf einem regenerativen Niveau gehalten werden müssen. Auf der Erfüllung dieser Aufgabe insistiert auch eine normative Sozialethik, die die Lebenswelt der Menschen und die gesellschaftliche Rahmenordnung in ein kritisch-konstruktives Verhältnis setzt. Sie will zum einen die personale Identität und Freiheit der Individuen zur Geltung bringen, indem sie die Achtung vor der Würde des einzelnen fordert. Zum anderen will sie in demselben Maße auch die Beziehungen intersubjektiver Anerkennung schützen, durch die Menschen als Angehörige einer gemeinsamen Lebenswelt eine soziale Identität erwerben. Diesen beiden komplementären Aspekten entsprechen die Prinzipien der Gerechtigkeit und der Solidarität. Während das eine gleichmäßige Achtung und gleiche Rechte für jeden einzelnen postuliert, fordert das andere ein Einstehen für das Wohlergehen des Nächsten und gegebenenfalls die advokatorische Vertretung seiner Interessen. Gerechtigkeit bezieht sich auf die gleiche Freiheit autonomer, d. h. unvertretbarer und sich selbst bestimmender Individuen, während sich Solidarität auf das Wohl der in einer sozialen Lebensform miteinander verbundenen Subjekte bezieht.

Die Wahrnehmung und Aufarbeitung sozialer Konflikte und Asymmetrien kann vor diesem Hintergrund nicht an Experten oder Instanzen der sozialen Rahmenordnung delegiert werden. Sie muß dort erfolgen, wo diese erfahren und erlitten werden. Als vorrangige politische Aufgabe muß daher eine Dynamisierung von Strukturen und Prozessen der sozialen Verständigung, Willens-und Urteilsbildung in Angriff genommen werden. Sofern man hierbei die ethische Vernunft zu Wort kommen lassen will, geschieht dies am ehesten über ein Theorie/Praxis-Ensemble, das eine rationale Willens-und Urteilsbildung in Aussicht stellt, welche die Interessen eines jeden einzelnen zum Zuge kommen läßt, ohne das soziale Band zu zerreißen, das sie miteinander verknüpft. Dieses Band hat wiederum nur Bestand, wenn alle Subjekte davon absehen, ihre bloß individuellen und nicht verallgemeinerbaren Ansprüche gesellschaftlich durchzusetzen. Erst dieses Ethos sichert demokratischen Verfahren der Urteilsbildung und Entscheidungsfindung gesellschaftliche Akzeptanz und Wirksamkeit. Erst dann trifft auch die These zu, daß nur im Medium des demokratischen Diskurses dessen eigene Grundlagen dauerhaft gesichert werden können

Ein solcher Diskurs ist heute das entscheidende politische Merkmal pluralistischer Gemeinwesen, die sich als „Zivilgesellschaften“ beschreiben lassen. Diese setzen sich zusammen aus Vereinigungen, Organisationen und sozialen Bewegungen, „welche die Resonanz, die die gesellschaftlichen Problemlagen in den privaten Lebensbereichen fipden, aufnehmen, kondensieren und lautverstärkend an die politische Öffentlichkeit weiterleiten“ Auf eine solche Zufuhr öffentlich diskutierter Ansprüche, Interessen und Lösungsvorschläge sind die demokratischen Institutionen angewiesen, sollen sie gesellschaftlich gewünschte Auswirkungen sozialen und ökonomischen Handelns durch allgemein bindende Entscheidungen herbeiführen.

Der von den christlichen Kirchen initiierte „Konsultationsprozeß“ kann zu einem Prototyp einer derartigen „deliberativen Politik“ (J. Habermas) werden, die sich „in einem offenen und inklusiven Netzwerk von sich überlappenden subkulturellen Öffentlichkeiten mit fließenden zeitlichen, sozialen und sachlichen Grenzen“ vollzieht. Die Vitalität einer demokratischen Kultur ist angewiesen auf Medien und Foren einer nichtvermachteten Kommunikation, in der „neue Problemlagen sensitiver wahrgenommen, Selbstverständigungsdiskurse breiter und expressiver geführt, kollektive Identitäten und Bedürfnisinterpretationen ungezwungener artikuliert werden können“ als es parlamentarische Tagesordnungen zulassen. Unter dieser Rücksicht stellt der Konsultationsprozeß als solcher einen wichtigen Beitrag zu einer deliberativen Demokratie dar. Insofern ist hier durchaus der Weg schon das Ziel und der Prozeß bereits eine politische Botschaft Gleichwohl soll doch dieser Weg auch ein eigenes Ziel und der Prozeß ein eigenes Ergebnis haben. Am Ende müssen die Kirchen aus der Rolle des Diskursveranstalters wieder heraustreten und ein eigenes Wort zur sozioökonomischen Situation unseres Landes formulieren

Dieses Wort wird um so deutlicher gehört werden, je entschiedener auf der Analyseebene die ökonomischen Asymmetrien unserer Gegenwartsgesellschaft benannt werden, das Kräftespiel der Interessengruppen im politischen Entscheidungsprozeß reflektiert wird und neue Wege zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit gewiesen werden. Am Ende wird es zu einer Anfrage an die Kirchen selbst werden, welche handlungsorientierende Kraft sie ihren sozialethischen Optionen (für die Armen, für die Bewahrung der Schöpfung, für ungeteilte Solidarität) nach den vielen Konsultationen noch zumessen werden. Es ist denkbar, daß auch diese Herausforderung zu einer Zerreißprobe führt. Sie sollten es darauf ankommen lassen, diese Optionen nicht den hinreichend bekannten Disziplinierungs-und Domestizierungsversuchen zu opfern, die von politischen und ökonomischen Lobbies ausgehen. Die Herabstufung des christlichen Ethos zum Ethos einer „weltanschaulichen Tendenzgemeinschaft“ zählt zu den am häufigsten praktizierten Strategien, ein politisches Christentum in ein politisches Niemandsland abzudrängen. Eine demokratische Streitkultur verträgt durchaus die Provokationen des Christentums, seien diese in der Emphase biblisch-existentieller Rede oder mit dem verhaltenen Pathos philosophischer Nachdenklichkeit vorgetragen.

Dem typisch Christlichen, das auch in der Moderne noch nicht abgegolten ist, geht es „um die Erfahrung von nichtnivellierender Gleichheit und individuierender Gemeinsamkeit, um die Erfahrung einer Nähe über die Distanz zu einem in seiner Differenz anerkannten Anderen hinweg, um die Erfahrung einer Verschränkung von Autonomie und Hingabe, einer Versöhnung, die die Differenzen nicht auslöscht, einer zukunftsorientierten Gerechtigkeit, die solidarisch ist mit dem ungesühnten Leid vergangener Generationen, um die Erfahrung der Reziprozität freigebender Anerkennung, eines Verhältnisses, in der ein Subjekt dem anderen assoziiert ist, ohne der entwürdigen-den Gewalt des Tausches zu unterliegen -einer höhnischen Gewalt, die Glück und Macht des einen nur um den Preis des Unglücks und der Ohnmacht des anderen zuläßt“ An diese Erfahrungen zu erinnern, um der ethischen Amnesie der Gesellschaft Widerstand zu leisten, ist nicht das Geringste, was Christen ihren Zeitgenossen schul-den. Was damit an Zumutungen in Richtung Wirtschaft und Politik verknüpft ist, führt fraglos zu kontroversen Diskussionen und neuen Zerreißproben. Aber Streiten verbindet auch -erst recht das Streiten für soziale Gerechtigkeit. Das „abschließende“ Wort der Kirchen zum Konsultationsprozeß, über das im Februar 1996 die Beratungen beginnen, braucht kein „Konsenspapier“ zu werden. Es wäre vielleicht wirkungsvoller, würde es sich erneut um ein „Impulspapier“ handeln.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Diskussionsgrundlage für den Konsultationsprozeß über ein gemeinsames Wort der Kirchen, hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1994.

  2. Vgl. Friedhelm Hengsbach/Bemhard Emunds, Der Prozeß ist die Botschaft. Die Konsultation über ein wirtschaftsund sozialpolitisches Wort der beiden Kirchen, in: Stimmen der Zeit, 119 (1994), S. 651-662; Marianne Heimbach-Steins, Sehen -Urteilen -Handeln. Zur Methodik des Konsultationsprozesses, in: Stimmen der Zeit, 213 (1995), S. 604614.

  3. Vgl. hierzu etwa Karl Otto Hondrich/Claudia Arzberger, Solidarität in der modernen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1992; Friedhelm Hengsbach/Matthias Möhring-Hesse (Hrsg.), Eure Armut kotzt uns an! Solidarität in der Krise, Frankfurt a. M. 1995.

  4. Helmut Dubiel, Ungewißheit und Politik, Frankfurt a. M. 1994, S. 10b.

  5. Zur Diskussion über die normativen Grundlagen westlicher Demokratien zwischen den Vertretern „liberaler“ und „kommunitaristischer“ Gesellschaftsmodelle vgl. Günter Frankenberg (Hrsg ), Auf der Suche nach der gerechten Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1994; Micha Brumlik/Hauke Brunkhorst (Hrsg.), Gemeinschaft und Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1993; Andreas Beierwaltes, Das Ende des Liberalismus? Der philosophische Kommunitarismus in der politischen Theorie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/95, S. 24-31.

  6. Vgl. hierzu umfassend Philipp Schmitz, Wohin treibt die Politik? Über die Notwendigkeit von Ethik, Freiburg -Basel -Wien 1993.

  7. Zur Unterscheidung einer normativen Ethik von Konzeptionen einer „formalen“ bzw. „Metaethik“, die auf die Frage „Wie sollen wir leben, was sollen wir tun?“ primär mit der Reflexion auf die Bedeutung ethischer Grundbegriffe und mit einer Analyse der Struktur und Logik von Werturteilen antwortet, vgl. Annemarie Pieper, Einführung in die Ethik, Tübingen 199T; Ulrich Steinvorth, Klassische und moderne Ethik. Grundlinien einer materialen Moraltheorie, Reinbek 1990.

  8. Zu Recht und Grenzen dieser Skepsis vgl. Josef Wieland (Hrsg.), Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1993; Bernd Biervert (Hrsg.), Sozialphilosophische Grundlagen ökonomischen Handelns, Frankfurt a. M. 1990.

  9. Zu den Modernisierungsschüben in Technik, Ökonomie und Wissenschaft, denen stets auch ein gesteigerter „Moral-bedarf“ folgt, vgl. Otfried Höffe, Moral als Preis der Moderne, Frankfurt a. M. 1993.

  10. Einen instruktiven Querschnitt der soziologischen Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen bieten Ulrich Beck/Elisabeth Beck-Gernsheim (Hrsg.), Riskante Freiheiten. Individualisierung in modernen Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1994.

  11. Ebd., S. 15

  12. Zu den zahlreichen Deregulierungs-, Entgrenzungs-, Flexibilisierungs-und Mobilisierungspostulaten der Gegenwart vgl.den materialreichen Band von Peter Gross, Die Multioptionsgesellschaft, Frankfurt a. M. 1994.

  13. Vgl. Hans van der Loo/Willem van Reijen, Modernisierung. Projekt und Paradox, München 1992, bes. S. 81-117.

  14. Zur Plausibilität dieser These vgl. Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1988.

  15. Vgl. Helmut Kaiser, Geld: Seine „ethische“ Rationalität, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik, 38 (1994), S. 115-133.

  16. Vgl. Bernhard Peters, Die Integration moderner Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1993.

  17. Vgl. zum Ganzen die instruktive Dokumentation einer Tagung zum Thema „Individualisierung und Solidarität“. Über die Gefährdung eines Grundwertes, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1993.

  18. Zu den Grundzügen und -linien wirtschaftsethischer Aussagen in der katholischen Soziallehre vgl. Karl H. Peschke, Wirtschaft aus christlicher Sicht, Trier 1992.

  19. Vgl. hierzu vor allem die Arbeiten von Karl Homann, Wirtschaftsethik. Die Funktion der Moral in der modernen Wirtschaft, in: Josef Wieland (Hrsg.), Wirtschaftsethik und Theorie der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1993, S. 32-53; ders., Ökonomik und Ethik, in: Günter Baadte/Anton Rauscher (Hrsg.), Wirtschaft und Ethik, Graz -Wien -Köln 1991, S. 9-29; dersVIngo Pies, Wirtschaftsethik in der Moderne. Zur ökonomischen Theorie der Moral, in: Ethik und SozialWissenschaften, 5 (1994), S. 3-12.

  20. Vgl. Georg W. F. Hegel, Rechtsphilosophie § 260. Zur Aktualität dieser Denkfigur vgl. Hans-Joachim Höhn, Konkrete Freiheit und soziale Gerechtigkeit, in: Wilhelm Emst (Hrsg.), Gerechtigkeit in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, Freiburg i. Ue. -Freiburg i. Br. 1992, S. 85-108.

  21. Keineswegs ist also von vornherein die Legitimität einer Wirtschaftsordnung zu bestreiten, die auf Wettbewerb und Konkurrenz beruht. Aber ebensowenig steht außer Frage, daß zum normativen Selbstverständnis der Moderne auch die gesellschaftliche Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit über die Realisierung sozialer Gerechtigkeit zählt. Vgl. hierzu Eduard Kimman, Marktwirtschaft und Aufklärung -Ideengeschichtliche Hintergründe, in: Johannes Müller/Walter Kerber (Hrsg.), Soziales Denken in einer zerrissenen Welt, Freiburg -Basel -Wien 1991, S. 84-92.

  22. Vgl. Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen (1776), München 1978. Zu Person und Werk vgl. Manfred Trapp, Adam Smith. Politische Philosophie und politische Ökonomie, Göttingen 1987; Heinz D. Kurz (Hrsg.), Adam Smith (1723-1790). Ein Werk und seine Wirkungsgeschichte, Marburg 1991.

  23. A. Smith, ebd., S. 17.

  24. Vgl. Karl Homann, Wettbewerb und Moral, in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften, 31 (1990), S. 34-56; ders., Gerechtigkeit und Wirtschaftsordnung, in: W. Emst (Hrsg.) (Anm. 20), S. 115-133.

  25. Vgl. hierzu Friedhelm Hengsbach, Wirtschaftsethik. Aufbruch -Konflikte -Perspektiven, Freiburg -Basel -Wien 19912, S. 32 ff.; Karl Homann, Art. „Marktversagen“, in: Georges Enderle u. a. (Hrsg ), Lexikon der Wirtschaftsethik, Freiburg -Basel -Wien 1993, S. 646-654.

  26. Vgl. Bernhard Peters, Die Integration moderner Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1993.

  27. Vgl. aus der ständig wachsenden Literatur Anselm Görres/Henner Ehringhaus/Emst Ulrich v. Weizsäcker, Der Weg zur ökologischen Steuerreform, Hildesheim 1995; Gerhard Maier-Rigaud, Schritte zur ökologischen Marktwirtschaft, Marburg 1994; Alfred Endres, Umweltökonomie. Eine Einführung, Darmstadt 1994; Frank Beckenbach/Hans Diefenbacher (Hrsg.), Zwischen Entropie und Selbstorganisation. Perspektiven einer ökologischen Ökonomie, Marburg 1993; Lutz Wicke, Umweltökonomie, München 19913; Joachim Weimann, Umweltökonomik, Berlin 19912.

  28. Zur Kritik an dem von K. Homann/I. Pies in Anm. 19 skizzierten Entwurf vgl. die Debatte in: Ethik und SozialWissenschaften, 5 (1994), S. 13-93.

  29. Zur Einlösbarkeit dieses Postulates vgl. Peter Ulrich, Transformation der ökonomischen Vernunft, Bern -Stuttgart 19933; ders., Diskursethik und Politische Ökonomie, in: Bernd Biervert/Martin Held (Hrsg.), Ethische Grundlagen der ökonomischen Theorie, Frankfurt a. M. -New York 1989, S. 70-99; ders. (Hrsg), Auf der Suche nach einer modernen Wirtschaftsethik, Bern -Stuttgart 1990, S. 179226.

  30. Wolfgang Huber, Erinnerung, Erfahrung, Erwartung, in: Christian Link (Hrsg.), Die Erfahrung der Zeit, Stuttgart 1981, S. 326.

  31. Vgl. Albrecht Wellmer, Bedingungen einer demokratischen Kultur, in: M. Brumlik/H. Brunkhorst (Hrsg.) (Anm. 5), S. 180.

  32. Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechts-staats, Frankfurt a. M. 19933, S. 443.

  33. Ebd., S. 373.

  34. Ebd., S. 374.

  35. Vgl. Friedhelm Hengsbach, Der Prozeß ist die Botschaft, in: Marianne Heimbach-Steins u. a. (Hrsg ), Brennpunkt Sozialethik, Freiburg -Basel -Wien 1995, S. 69-85.

  36. Zu einer näheren Bestimmung des gesellschaftlichen Ortes und des genuinen Beitrages der christlichen Kirchen in einer Zivilgesellschaft vgl. Joachim von Soosten, Civil Society. Zum Auftakt der neueren demokratietheoretischen Debatte mit einem Seitenblick auf Religion, Kirche und Öffentlichkeit, in: Zeitschrift für evangelische Ethik, 37 (1993), S. 139-157.

  37. Jürgen Habermas, Texte und Kontexte, Frankfurt a. M.

Weitere Inhalte

Hans-Joachim Höhn, Dr. theol. habil., geh. 1957; Studium der Philosophie und katholischen Theologie in Frankfurt, Rom, Freiburg und Bonn; seit 1991 Professor für Systematische Theologie an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln. Veröffentlichungen u. a.: Kirche und kommunikatives Handeln, Franktfurt a. M. 1985; Vernunft -Glaube -Politik. Reflexionsstufen einer Christlichen Sozialethik, Paderborn 1990; (Hrsg.) Theologie, die an der Zeit ist, Paderborn 1992; Gegenmythen. Religionsproduktive Tendenzen der Gegenwart, Freiburg -Basel -Wien 1994; (Hrsg.) Krise der Immanenz. Religion an den Grenzen der Moderne, Frankfurt a. M. 1996.