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Internationaler Wissenschaftleraustausch als Investition in die Zukunft | APuZ 41/1996 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 41/1996 Kulturpolitik im Spektrum der Gesellschaftspolitik Kulturpolitik unter Reformdruck Kulturdialog für das 21. Jahrhundert. Die Arbeit der Goethe-Institute im Ausland: Erfahrungen und Herausforderungen Internationaler Wissenschaftleraustausch als Investition in die Zukunft Kultursponsoring aus Sicht der Wirtschaft

Internationaler Wissenschaftleraustausch als Investition in die Zukunft

Manfred Osten

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Zusammenfassung

Die Standortdebatte hat inzwischen auch den Wissenschaftsbereich erfaßt; Ausgangspunkt der Debatte ist die internationale Attraktivität des Hochschul-und Wissenschaftsstandortes Deutschland. Dem stärkeren Wettbewerb im Zuge der fortschreitenden Globalisierung müssen sich auch die deutschen Hochschulen stellen. Trotz steigender Zahlen ausländischer Studierender hat Deutschland nicht genügend teil an der weltweit expandierenden Mobilität der Studenten, vor allem jener aus Asien. Demgegenüber erfreut sich Deutschland im (postgraduierten) Wissenschaftsbereich immer noch großer Beliebtheit. Bei der Alexander von Humboldt-Stiftung ist der Bewerberandrang nach wie vor ungebremst. Eine besondere Herausforderung stellt die Hilfe bei der Reform des Hochschul-und Wissenschaftssystems in Mittel-und Osteuropa dar. Während die gegenwärtige Debatte vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten geführt wird, ist internationaler Wissenschaftleraustausch nicht nur für die Innovationsfähigkeit der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch unter historischen und kulturellen Aspekten von herausragender Bedeutung. Denn die Studenten und Nachwuchswissenschaftler von heute sind die Eliten von morgen, denen in zukünftigen Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle zukommt und die als Multiplikatoren in ihren Heimatländern wirksam werden. Das Engagement für den internationalen Austausch von Wissenschaftlern liegt im vitalen Interesse Deutschlands und darf daher keinesfalls als Steinbruch für weitere Sparmaßnahmen dienen.

Die Standortdebatte hat inzwischen auch den Wissenschaftsbereich erfaßt; daß Wirtschafts-und Wissenschaftsstandort korrelieren, leuchtet unmittelbar ein. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist der Ausgangspunkt dieser Debatte: Es geht um die internationale Attraktivität des Hochschul-und Wissenschaftsstandortes Deutschland. Von Johann Wolfgang von Goethe, dem großen Bewunderer und Freund Alexander von Humboldts, stammt bereits das treffende Diktum: „Es gibt keine patriotische Kunst und keine patriotische Wissenschaft. Beide gehören wie alles hohe Gut der ganzen Welt.“ Ein Wort, das durch die Globalisierung aller Lebensbereiche an Gewicht gewonnen hat. Denn Globalisierung bedeutet nicht nur schnellere Überwindung der Distanzen und neue Kommunikationsmöglichkeiten. Globalisierung beinhaltet auch mehr Wettbewerb. Diesem Wettbewerb müssen sich auch die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen stellen.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Universitäten

Ein Indikator für unsere Wettbewerbsfähigkeit ist das Interesse begabter junger Leute aus aller Welt, in Deutschland ein Studium aufzunehmen. Zwar hat sich der Anteil der ausländischen Studenten in Deutschland seit 1975 (damals 47 000, d. h. 5, 8 Prozent aller Studierenden) erhöht (1994: 137 000, d. h. 7, 6 Prozent aller Studierenden doch hat sich inzwischen auch die internationale Mobilität der Studenten weltweit vervielfacht. So studieren zum Beispiel in den USA zur Zeit 450 000 Ausländer, darunter 82 000 Chinesen, während bei uns nur 5 000 Chinesen eingeschrieben sind. Auch mit Blick auf Japan sieht dieser Vergleich nicht besser aus: 43 000 japanische Studenten in den USA, 1 500 in Deutschland.

Hinzu kommt, daß von den außereuropäischen Studenten in Deutschland nur ca. 20 Prozent mit deutschen Stipendien gefördert werden. Nimmt das Interesse an deutschen Stipendienangeboten in einigen Regionen der Welt ab? Der wissenschaftliche Nachwuchs in Indonesien zum Beispiel studiert mittlerweile heute lieber in den USA oder in Australien. So konnten im Sonderprogramm Indonesien 1993 in Ermangelung ausreichender Bewerbungen nur noch 23 statt wie noch 1988 50 Stipendien verliehen werden. Immerhin: Zwölf der Mitglieder im Kabinett in Jakarta sprechen noch Deutsch. Sie gehören zu den rund 20 000 Indonesiern, die bisher in Deutschland studierten, darunter der indonesische Forschungsminister Josuf Habibie

Die Ursachen der verblassenden Attraktivität Deutschlands für ausländische Studenten sind hinreichend analysiert worden: Während die Qualität der Ausbildung an deutschen Hochschulen außer Frage steht, wirken sich unter anderem die Sprach-barriere, bürokratische Hemmnisse durch ausländerrechtliche Regelungen sowie lange und nicht berechenbare Studienzeiten negativ in einer Kosten-Nutzen-Aufstellung aus. Ein besonderes Problem ist zudem die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse in Deutschland (und deutscher Studienabschlüsse im Ausland!). In diesem Sinne haben Außenminister Kinkel und Wissenschaftsminister Rüttgers im Sommer 1996 die Initiative ergriffen: Damit Deutschland den Anschluß an die internationale Wissenschaft nicht verliert, sollen unter anderem international ausgerichtete Studiengänge geschaffen werden, die je zur Hälfte mit deutschen und ausländischen Studenten besetzt und in einer Fremdsprache abgehalten werden können. Auch das deutsche Graduiertenrecht soll daraufhin überprüft werden, ob gleichzeitig mit oder anstelle von deutschen Abschlüssen international anerkannte Abschlüsse verliehen werden können.

In der gegenwärtigen Debatte sollte allerdings stärker als bisher zwischen dem Studenten-und dem Wissenschaftleraustausch differenziert wer-den. Im Bereich der internationalen Wissenschaftskooperation erfreut sich Deutschland nämlich immer noch großer Beliebtheit: Von den zum Beispiel von der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) geförderten ausländischen Post-Doktoranden wählen inzwischen rund 80 Prozent der Wissenschaftler deutsche Universitäten, 10 Prozent Max-Planck-Institute und 10 Prozent sonstige außeruniversitäre Forschungseinrichtungen als Standort für die Durchführung ihrer wissenschaftlichen Forschungsvorhaben. Der Bewerberandrang ist also nach wie vor ungebrochen, auch wenn aus Mittel-und Osteuropa die Zahl der Bewerbungen, die nach dem Zusammenbruch des Sozialismus drastisch angestiegen war, sich inzwischen auf ein „normales Maß“ eingependelt hat.

Verwirrung stiftete eine Auswertung des EU-Programmes „Human Capital and Mobility“, inzwischen umbenannt in „Training and Mobility for Researchers", nach der in der Bewerbungsrunde 1994 nur 10 Prozent der Antragsteller an einem Deutschlandaufenthalt interessiert waren. Hieraus wurde der Schluß gezogen, die Attraktivität des Forschungsstandortes Deutschland habe nachgelassen. Jedoch war in einem 10-Jahres-Vergleich allein die Zahl der Bewerbungen aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union um ein Humboldt-Forschungsstipendium um 40 Prozent gestiegen, die Max-Planck-Gesellschaft förderte 80 Prozent mehr Wissenschaftler aus EU-Ländern. Die Gesamtzahl der durch diese beiden Organisationen sowie durch die Helmholtz-Gesellschaft und den Deutschen Akademischen Austausch-dienst (DAAD) geförderten EU-Gastwissenschaftler für das Jahr 1994 betrug insgesamt 1 500. Diese Zahl überstieg damit das Stipendienkontingent der durch die EU geförderten Wissenschaftler um das Zwanzigfache. Von einem Rückgang des Interesses an Forschungsaufenthalten in Deutschland kann deshalb nicht die Rede sein.

Für die diversifizierte Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes Deutschland spricht die Hochschulstatistik der Humboldt-Stiftung. Nahmen 1975 nur 13 Universitäten die Hälfte aller Humboldt-Forschungsstipendiaten auf, so waren es 1985 15 und 1995 21 Universitäten. 1978 waren insgesamt 48 Universitäten und Hochschulen Gastgeber von Humboldt-Forschungsstipendiaten, 1993 waren es bereits 75. Die Tatsache, daß 1995 zwölf Universitäten in Ostdeutschland Gastgeber für 70 Forschungsstipendiaten waren, kann als Indiz gelten, daß auch die neuen Bundesländer verstärkt in diese Entwicklung mit einbezogen sind.

Daß hiervon auch die deutschen wissenschaftlichen Partner profitieren, liegt auf der Hand. Jeder ausländische Wissenschaftler bringt etwas Wichtiges nach Deutschland mit: gesicherte Erkenntnisse und interessante neue Fragestellungen. Dazu die Neugier und den Elan, die Gastwissenschaftler auf Wanderschaft auszeichnen. Deshalb kann schon die bloße Anwesenheit eines Gastwissenschaftlers die Atmosphäre eines Institutes positiv beeinflussen und die Arbeit beflügeln. Daß allein dadurch die Forschung eine neue Qualität bekommen kann, ist immer wieder zu hören. Deshalb ist der ideelle Gewinn gar nicht hoch genug zu veranschlagen. Ohne diesen internationalen Dialog würde die deutsche Wissenschaft provinziell werden. Die Förderung der internationalen Dialogfähigkeit deutscher Wissenschaftler ist hierfür eine unerläßliche Voraussetzung. Daß 1995 rund 12 400 deutsche Studenten und Graduierte über den Deutschen Akademischen Austauschdienst mit einem Auslandsaufenthalt gefördert wurden, ist daher eine erfreuliche Bilanz, die ergänzt wird durch 155 junge deutsche Nachwuchswissenschaftler, die mit einem Feodor-Lynen-Stipendium der AvH an die Forschungsinstitute ehemaliger Humboldtianer gingen. (Über das Feodor-Lynen-Programm wurden , seit 1979 über 1 500 deutsche Nachwuchswissenschaftler gefördert.) Erfreulich ist auch, daß in diesem Bereich mit der Einigung zwischen Bund und Ländern über das neue Hochschulsonderprogramm (HSP III) Planungssicherheit bis zum Jahr 2000 erzielt werden konnte.

Wissenschaftskooperation stiftet Integration

Der Studenten-und Wissenschaftleraustausch darf freilich nicht primär unter ökonomischen oder nationalen Aspekten gesehen werden, wie dies die derzeitige Debatte suggeriert. Es liegt auch aus historischen, kulturellen und wissenschaftlichen Gründen im Interesse Deutschlands, den internationalen Wissenschaftleraustausch besonders zu pflegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der internationale Wissenschaftleraustausch entscheidend mit dazu beigetragen, daß Deutschland wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen wurde. Gastwissenschaftler haben einen großen Anteil am Wiederaufbau von Wissenschaft und Forschung in Deutschland gehabt. Sie haben durch langfristige Aufenthalte in Deutschland und im Anschluß daran durch jahrelange weitere Zusammenarbeit vom Heimatland aus neueGrundlagen für internationales Geben und Nehmen gelegt.

Eine historische Herausforderung für die deutschen Kultur-und Wissenschaftsbeziehungen hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zusammenbruch des Sozialismus ergeben: die Neustrukturierung des Hochschul-und Wissenschaftsbetriebes in den Ländern Mittel-und Osteuropas (MOE). Denn Bildung und Wissenschaft haben bei der Schaffung demokratischer Strukturen in diesen Ländern eine überragende Bedeutung. Mit den Stipendien-und Personenaustauschprogrammen des DAAD, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der AvH werden hier vor allem Multiplikatoren und künftige Entscheidungsträger erreicht. Schon zu Zeiten des Kalten Krieges hatte die Humboldt-Stiftung, die nur nach Qualitätskriterien auswählt und keine Länder-oder Fächerquoten kennt, Wissenschaftler aus Mittel-und Osteuropa unterstützt. Von 1954 bis 1990 kamen rund 3 200 Wissenschaftler aus diesen Ländern zu einem langfristigen Forschungsaufenthalt nach Deutschland. Nach den politischen Umwälzungen des Jahres 1989 wurden viele der Humboldtianer in verantwortliche gesellschaftliche und politische Positionen berufen und waren bzw. sind am Transformationsprozeß maßgeblich beteiligt. Als ein Beispiel mag hier der Vorsitzende des ungarischen Verfassungsgerichts, Professor Solyom, gelten.

Beim DAAD wurden über die regulären Programme hinaus zahlreiche Förderprogramme eingerichtet. Der Austausch mit den MOE-Staaten hat sich seit dem Umbruch in Osteuropa damit beim DAAD vervierfacht. 1995 umfaßte das DAAD-Austauschprogramm mit den MOE-Staaten über 13 400 Hochschulangehörige. Über ein spezielles Förderprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft können Wissenschaftler aus den MOE-Staaten zu Informationsund Forschungsaufenthalten nach Deutschland kommen. 1994 und 1995 wurden auf diese Weise jeweils über 1 300 Wissenschaftler gefördert. Darüber hinaus nahmen in diesem Programm 1994 rund 700 und 1995 rund 1 200 Wissenschaftler aus MOE-Staaten an Kongressen in Deutschland teil. Auch im Bereich der Beratungshilfe ist die DFG entscheidend beteiligt: Sie berät die Reformstaaten in Grundfragen der Forschungsförderung, der Administration und der Selbstverwaltung der Wissenschaft und hat inzwischen eine Reihe von Kooperations-Vereinbarungen mit entsprechenden Partnerorganisationen in den MOE-Staaten getroffen. 1992 wurde bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie eine „Koordinierungs-und Beratungsstelle für die Zusammenarbeit mit Hochschulen in Mittel-und Osteuropa bei der Hochschulerneuerung“ eingerichtet. Themenschwerpunkte der z. Z. 1 600 Kooperationen sind die Anpassung der Hochschulstrukturen an die veränderten Gesellschafts-und Wirtschaftsbedingungen, Anpassung und Erneuerung der Curricula analog der Entwicklung neuer Lehrmaterialien (vor allem in den Geisteswissenschaften) sowie der Aufbau praxisorientierter Studiengänge nach dem Vorbild deutscher Fachhochschulen.

Hinzu kommt das Sonderprogramm des Auswärtigen Amtes zur Förderung der deutschen Sprache in Mittel-und Osteuropa, das zunächst für die Jahre 1993 bis 1995 aufgelegt war und inzwischen fortgesetzt und ausgeweitet wurde (1994 13 Mio. DM, 1995 50 Mio. DM, 1996 73 Mio. DM).

Mit den Augen der anderen

Die Frage nach der Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland wird auch künftig wesentlich mitbestimmt vom Deutschlandbild im Ausland. Über die Alexander von Humboldt-Stiftung wurde seit 1953 über 17 000 Wissenschaftlern aus 123 Ländern mit einem Forschungsstipendium oder Forschungspreis ein langfristiger Forschungsaufenthalt in Deutschland ermöglicht. Während dieses Aufenthaltes wurde ein differenziertes Deutschlandbild erworben, das in den meisten Fällen am Schluß des Aufenthaltes eindeutig positiver war als zu Beginn. Hinzu kommt, daß auch die begleitenden Ehepartner und Kinder eine eigene Vorstellung von Deutschland gewinnen konnten: Die Familie lebte Tür an Tür mit deutschen Familien, der Gastwissenschaftler arbeitete mit Kollegen im Labor oder im Archiv, die Kinder gingen in den Kindergarten und in die Schule. Neue Freundschaften wurden geknüpft.

Eine 1994 durchgeführte Auswertung der Abschlußberichte der Stipendiaten ergab unter anderem: Während die Bürokratie (insbesondere das Ausländeramt) zu 80 Prozent negativ beschrieben wird, sind die Kommentare über Kindergärten, Schulen und das Erziehungswesen, die staatliche Ordnung und allgemein das gesellschaftliche Klima ganz überwiegend positiv. Das überragendeThema in allen Resümees sind „die Deutschen“: Immerhin 59 Prozent der Kommentare sind sehr positiv. „Fremdheit“ und „Andersheit“ besser verstehen zu lernen -hierin lag und liegt die große Chance, die der wissenschaftliche Austausch bietet. Nicht nur der Gastwissenschaftler lernt die deutsche Kultur und Mentalität kennen, sondern in der gemeinsamen Arbeit bietet sich auch den deutschen Wissenschaftlern die Gelegenheit, andere Kulturen, andere Denk-und Sichtweisen kennen-und verstehen zu lernen. Wolf Lepenies hat in einem Vortrag mit dem Titel „Das Ende der Überheblichkeit“ gefordert, der Westen solle sich aus der Tradition fortdauernder Belehrung lösen und mehr als bisher anderen zuhören und von anderen lernen. Tatsächlich bedürfen wir einer nach innen gerichteten Kulturpolitik mit dem Ziel, die Dialogfähigkeit gegenüber fremden Kulturen und Mentalitäten zu fördern. Die Humboldt-Gastwissenschaftler eröffnen uns diese Möglichkeit. Umgekehrt nehmen sie in der Regel intensiv am kulturellen Leben in Deutschland teil und lernen -mit ihren Angehörigen -während des Aufenthaltes auch die deutsche Sprache: So nahmen von 1953 bis 1993 insgesamt 8 684 Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung und 1 014 Ehepartner an einem Deutschkurs auf Kosten der Stiftung teil. Aufgrund der Tatsache, daß viele Wissenschaftler aus Mittel-und Osteuropa bereits Deutsch sprechen und die Bewerber in den Gei-steswissenschaften schon bei der Antragstellung gute Deutschkenntnisse vorweisen müssen, ist diese Zahl beachtlich hoch.

Auf diese Weise wurde und wird über mehrere Generationen hinweg ein realistisches Deutschlandbild ermöglicht. Die Bindungen an Deutschland halten oft ein Leben lang. Ein früherer Gast-wissenschaftler ist in der Regel auch nach der Rückkehr in sein Heimatland an den aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft, Kultur und Politik in Deutschland interessiert. 90 Prozent der Humboldtianer bleiben in der Wissenschaft und wirken damit in ihrer Eigenschaft als Hochschullehrer auch als Meinungsbildner. Andere nehmen führende Positionen in Wirtschaft und Politik in ihren Heimatländern ein und wirken so als Multiplikatoren, die für unsere gesamten Außenbeziehungen wichtige Partner bilden. Ohne diese vielfältigen Verbindungen wäre die deutsche Wissenschaft -aber auch Politik und Wirtschaft -provinzieller. Das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland wäre geringer ohne den Einfluß dieser „diplomatischen Vorhut“.

Bei aller Einsicht in die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen ist deshalb davor zu warnen, im Bereich der internationalen Wissenschaftskooperation zu sparen. Dies ist ein für die deutschen Zukunftsinteressen vitaler Bereich. Es ist zugleich ein hoch sensibler Bereich, für den der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft kürzlich mit Verve plädiert hat: „Wer schlank werden möchte, sollte doch nicht gerade am Gehirnvolumen einzusparen suchen.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. In dieser Zahl enthalten ist jedoch auch ein hoher Anteil von „Bildungsinländern“, d. h. von Studenten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erworben haben.

  2. Vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 25 vom 13. 6. 1996, S. 32.

  3. Vgl. Die Zeit vom 24. 11. 1995.

Weitere Inhalte

Manfred Osten, Dr. jur., geb. 1938; nach 26 Jahren im Auswärtigen Dienst (Stationen: Ungarn, Frankreich, Kamerun, Tschad, Australien, Japan) seit Januar 1995 Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung. Zahlreiche Publikationen zur Philosophie, Musik, Literatur, insbesondere zur japanischen Kultur und Literatur; zuletzt erschien: Die Erotik des Pfirsichs. 12 Portraits japanischer Schriftsteller, Frankfurt/Main 1996.