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Globalisierung, elektronische Netze und der Export von Arbeit | APuZ 42/1997 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 42/1997 Neue Medien -Chancen und Risiken. Tendenzen der Medienentwicklung und ihre Folgen Das fragmentierte Medien-Publikum Folgen für das politische System Über die Demokratie in der vernetzten Gesellschaft. Das Internet als Medium politischer Kommunikation Globalisierung, elektronische Netze und der Export von Arbeit

Globalisierung, elektronische Netze und der Export von Arbeit

Jörg Becker/Daniel Salamanca

/ 19 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Auslagerung von nicht zum Kernbereich eines Unternehmens gehörenden Tätigkeiten an Dritte wird heutzutage Outsourcing genannt. Geht es um Tätigkeiten aus dem Bereich der Informationsverarbeitung, so läßt sich Outsourcing auch zwischen zwei Computern bewerkstelligen. Der Beitrag untersucht solche Outsourcing-Aktivitäten zwischen Indien, Jamaica bzw. Osteuropa und den westlichen Industrieländern, und zwar im Bereich der Software-Herstellung und der Dateneingabe. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht scheinen die eher negativen Erfahrungen von Unternehmen in den Industrieländern die positiven zu überwiegen. Probleme der Qualitätskontrolle, des Projektmanagements und der Projektorganisation sowie des Urheberrechts und der Software-Piraterie hindern viele Betriebe daran, Arbeit in dieser Form auszulagern. Aus der Sicht der internationalen Arbeitsteilung scheinen die gegenwärtigen globalen elektronischen Netze alte Strukturen eher noch zu festigen als sie aufzubrechen.

I. Einleitung

Der berühmte kanadische Literaturwissenschaftler Marshall McLuhan -inzwischen zum Guru der medienwissenschaftlichen Postmoderne avanciert -prägte den Slogan vom „globalen Dorf“ und nahm damit vorweg, was heute jedermann behauptet: die These von der rasant fortschreitenden Globalisierung. Und in der Tat gibt es gerade im Bereich des Transportwesens und der neuen Informations-und Kommunikationstechnologien zahlreiche Beispiele, die gut als Beleg für solche Globalisierungstendenzen herhalten können. Zwei Beispiele aus der Presse mögen den Zusammenhang zwischen Globalisierung, Informationstechnologien und Arbeit verdeutlichen. Das erste Beispiel betrifft die Länder Frankreich/Marokko, und das zweite Beispiel bezieht sich auf die USA/Irland: „Jedes fünfte der gegenwärtig in Frankreich neu erscheinenden Bücher ist als Manuskript in der Firma Sagma in Casablanca für den Computersatz erfaßt worden. Im Auftrag namhafter französischer Verlage geben bei Sagma rund 60 Marokkanerinnen die Texte in den Computer ein. Nachdem französische Experten die Texte auf Orthographie-oder Tippfehler kontrolliert und nach den vorgegebenen Satzspiegeln formatiert haben, werden sie online an Verlage in Frankreich oder direkt an die Druckereien übermittelt.“ „Die Cigna, ein amerikanischer Dienstleister im Gesundheitsbereich, schickt jeden Tag 5 000 Arzt-, Krankenhaus-und Apothekenrechnungen nach Loughrea, einem verträumten 3500-Seelen-Städtchen in Westirland. Dort werden die Daten in den Computer gegeben, die Routinefälle bearbeitet und über zwei reservierte Glasfaserleitungen zurück nach Delaware geschickt. Dank der Zeitverschiebung kommen die Daten genau zu Arbeitsbeginn in den USA an.“

Bei beiden Beispielen geht es erstens um das soge-nannte Outsourcing, d. h. um die Auslagerung von nicht zum Kernbereich eines Unternehmens gehöre 000 Arzt-, Krankenhaus-und Apothekenrechnungen nach Loughrea, einem verträumten 3500-Seelen-Städtchen in Westirland. Dort werden die Daten in den Computer gegeben, die Routinefälle bearbeitet und über zwei reservierte Glasfaserleitungen zurück nach Delaware geschickt. Dank der Zeitverschiebung kommen die Daten genau zu Arbeitsbeginn in den USA an.“ 3

Bei beiden Beispielen geht es erstens um das soge-nannte Outsourcing, d. h. um die Auslagerung von nicht zum Kernbereich eines Unternehmens gehörenden Tätigkeiten an Dritte. Zweitens geht es bei diesen Beispielen nicht um Produktion, sondern um Tätigkeiten aus dem Bereich des Dienstleistungssektors. Drittens geht es um Outsourcing über Ländergrenzen hinweg und viertens haben beide Beispiele gemeinsam, daß es bei diesem grenzüberschreitenden Outsourcing um einen Online-Verkehr geht, d. h., daß zwei räumlich voneinander getrennte Computer direkt miteinander Daten austauschen.

In unserem Beitrag geht es also um das Phänomen von grenzüberschreitendem Online-Outsourcing, und zwar in zwei Bereichen: dem der Software-Technologie und dem der Datenerfassung, und dies deshalb, weil eine internationale Online-Auslagerung von Arbeit in diesen zwei Bereichen besonders intensiv zu finden ist 4.

II. Online-Outsourcing mit Indien

Indien gilt seit langem als Paradebeispiel für den Außenhandelserfolg eines Landes im Bereich von Software-Export 5. Legt man die indischen Export-einnahmen als Maßstab zugrunde, dann stimmt diese Einschätzung sicherlich. Kein anderes Ent-wicklungsland hat mit dem Export von Software so viel Einnahmen erzielen können wie Indien. Der Erfolg der indischen Software-Exportpolitik ist an drei Faktoren gebunden: 1. hochqualifizierte, aber relativ billige Informatiker, Programmierer und Software-Spezialisten; 2. fließende Englisch-kenntnisse; 3. Einbettung der Computer-und Software-Industrie in andere technisch-naturwissenschaftliche Infrastrukturen.

Allerdings muß man auch die folgenden Charakteristika des indischen Software-Booms beachten: 1. Der interne indische Markt ist relativ klein und kennt nur wenig Dynamik. Vor diesem Hintergrund ist es eine offene Frage, inwieweit der Exportboom anhalten kann, wenn er nicht sehr viel stärkere Marktimpulse vor Ort erhält als bisher. 2. Sieht man sich die ökonomische Leistung der 20 größten indischen Exportfirmen an, dann fällt der hohe Konzentrationsgrad der zum indischen Tata-Konzern gehörenden Software-Firmen auf. 3. Vergleicht man außerdem das Verhältnis des sogenannten on-site Service mit dem offshore Service, wird eine weitere Besonderheit deutlich. (Unter on-site Service ist die Arbeit „vor Ort“ zu verstehen, d. h. also am Ort des Kunden in den USA oder in Westeuropa; offshore Service meint dagegen die vom Kunden räumlich getrennte Arbeit.) Der sogenannte on-site Service überwiegt den offshore Service des indischen Software-Exports um ein Vielfaches. Analysen der Weltbank gehen sogar davon aus, daß 85-90 Prozent des gesamten indischen Software-Exports aus dem sogenannten body shopping besteht. Das vorübergehende Ausleihen indischer Programmierer an westliche Kunden ist ein risikoarmes Geschäft und bleibt ohne nennenswerte positive Auswirkungen auf das technische Know-how einer Software-Firma aus Indien. 4. Der Boom der indischen Software-Exportindustrie gründet nicht allein in dem Mix von hoher professioneller Qualität mit niedrigen Löhnen (etwa ein Zehntel der in Deutschland üblichen Löhne), sondern auch in der Schnelligkeit, mit der indische Firmen auf den Bedarf von Auftraggebern aus den Industrieländern reagieren.

Sieht man sich die deutsch-indischen Unternehmen in der Software-Technologie an oder die Projekte, Märkte und Auftraggeber der indischen Software-Häuser, die ihre ausländischen Kunden per direkter Satellitenstandleitung bedienen können, dann zeigt schon ein flüchtiger Blick auf die Firmennamen, daß es sich bei diesem indischen Markt nicht um kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) handelt, sondern um die weltweit wichtigsten internationalen Unternehmen. Die Firma Tata arbeitet für Kunden wie Citibank und Northern Telecom; das indische Software-Unternehmen Infosys zählt Nestle zu seinen Kunden; das Unternehmen Sonata fertigt Software für die Bayer AG an, und die Firma Ada Software in Kalkutta hat die deutsche Firma Mannesmann unter ihren Kunden.

Der Erfolg der indischen Software-Industrie ist derartig groß, daß sie sich inzwischen auch mit Niederlassungen in Europa einrichtet. Tata hat eine Niederlassung in Frankfurt/M., der indische Software-Consultant M. N. Dastur & Co. besitzt eine Filiale in Düsseldorf, und mit dem „Indo-German Export Promotion Project“ (IGEP) gibt es sogar ein Exportförderungsprogramm der (halbamtlichen) Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) für KMUs in der indischen Software-Industrie. Beauftragte vor einigen Jahren noch eine kleine englische Software-Firma ein indisches Unternehmen auf subcontractingBasis, so drehte sich das Verhältnis von (europäischem) Auftraggeber zu (indischem) Auftragnehmer nach einigen Jahren um. Die indische Firma kaufte den ursprünglichen Auftraggeber in England auf und geht seit kurzem aktiv und erfolgreich vor Ort auf Kundenwerbung.

Die auch einer breiten Öffentlichkeit bekannten Auslagerungen von Software-Arbeiten sind die im Bereich der Luftfahrtgesellschaften. Die österreichische Luftfahrtgesellschaft AUA hat große Teile ihrer Buchhaltung (etwa 150 Arbeitsplätze waren davon betroffen) nach Indien verlagert, und auch die Swissair hat die Bearbeitung ihrer jährlich anfallenden etwa 20 Mio. Dokumente auf dem elektronischen Wege nach Indien ausgelagert. Seit 1987 erfüllt die Swissair-Niederlassung in Bombay für das gesamte Unternehmen die zentrale Aufgabe der sogenannten Purifizierung (Überprüfung von Buchungsständen, insbesondere Mehrfachbuchungen). Inzwischen hat die indische Firma Airline Financial Support Service Ltd. (AFS) der Swissair das sogenannte revenue accounting (computerisierte Berechnung der eigenen Erlöse, Guthaben und Verpflichtungen anhand der täglich aus aller Welt zu Zehntausenden eintreffenden Streckenvoucher) abgenommen. Waren mit diesen Abrechnungen bei der Swissair in der Schweiz früher etwa 170 Vollarbeitsstellen verbunden, so sind in diesem Bereich nach dem Joint-venture mit AFS nur noch 50 Personen tätig. Die Auslagerung der genannten Tätigkeiten nach Indien geschah vor dem Hintergrund von erhofften Einsparungen in Höhe von 8 bis 9 Mio. Franken jährlich. Diese wiederum gründeten sich darauf, daß die indischen kaum mehr als zehn Prozent der Schweizer Personalkosten ausmachen.Seit dem Dezember 1995 ist auch die Lufthansa mit ausgelagerter EDV in Indien präsent. Über die Firma Reservation Data Maintenance India Pvt. Ltd. (RDM) ist das zentrale Rechenzentrum der Lufthansa in Kelsterbach bei Frankfurt/M. mit einem EDV-Zentrum bei New Delhi verbunden. Die RDM ist ein deutsch-indisches Joint-Venture mit Mehrheitsbeteiligung der Lufthansa-Holding. Rund 200 Mitarbeiter der RDM sind in New Delhi u. a. damit beschäftigt, solche Flugtickets nachzuarbeiten, deren automatische EDV-Verarbeitung aufgrund fehlerhafter Daten oder durch Beschädigung nicht möglich ist. Über eine Satellitenleitung (plus Richtfunk) mit Deutschland verbunden, ist die RDM-Einrichtung in Indien eine Art (distanz-loses) Satellitenbüro. Mit dem gesamten elektronischen Lufthansanetz verknüpft, können weltweit die gleichen Arbeitsvorgänge von jedem mit der Sache vertrauten Lufthansa-Mitarbeiter an jedem Arbeitsplatz wahrgenommen werden. Die RDM-Mitarbeiter in Indien arbeiten in drei Schichten ä acht Stunden an allen sieben Tagen pro Woche an einem Computerarbeitsplatz. Sie verfügen über gute Deutschkenntnisse.

Handelt es sich bei der Auslagerung für die Lufthansa nur um ein kleines (aber technisch aufwendiges) Projekt, so sind die Auslagerungsdimensionen durch die British Airways (BA) viel umfassender. In einer Konzernstrategie des fast totalen Outsourcing geht diese wirtschaftlich erfolgreichste Luftverkehrsgesellschaft weiter als bislang jede andere Fluggesellschaft. Ähnlich wie der BA nur noch ein kleiner Teil der einst eigenen Flotte gehört, werden fast alle Dienste durch Leasing finanziert. In diesem Zusammenhang steht auch die geplante elektronische Verlagerung der gesamten BA-Administration nach Indien.

Alle großen internationalen Flugreservierungssysteme (Abacus, Amadeus Galileo und Sabre) sind inzwischen mit einem Firmensitz in Indien beheimatet. Wenn man weiß, daß einige Fluglinien inzwischen mehr Profit beim Verkauf von Nutzungsgebühren ihrer elektronischen Reservierungssysteme als mit dem Verkauf von Passagier-tickets erwirtschaften, dann wird die Bedeutung dieser Reservierungssysteme für die globale Tourismus-und Verkehrsbranche deutlich. Klar wird dann auch, wie erfolgreich die indische Software-Exportpolitik war, wenn sie es schaffen konnte, diese Branche nach Indien zu holen.

Das im März 1992 etablierte indisch-schweizerische Joint-venture unter Beteiligung der Swissair war für die indische Software-Exportindustrie ein Wendepunkt in ganz entscheidender Hinsicht: Der Auftrag an den indischen Partner war von der Swissair erst erteilt worden, nachdem die Inder in einer internationalen Ausschreibung deutlich bessere Software-Lösungen vorlegen konnten als mit ihnen um den Zuschlag konkurrierende SoftwareKonzerne aus den USA. Der indische Partner hatte neue Software modernster Architektur entwickeln können.

Für einige wenige Spitzenfirmen in Indien gilt inzwischen also, daß sie in jeder Hinsicht voll welt-marktfähig sind. Für den großen Teil der indischen Software-Exportindustrie gilt aber auch -und nach wie vor -, daß es sich überwiegend um Programmiertätigkeiten für Aufgabenstellungen vom sogenannten S-Typ handelt (also Programme, die vollständig durch eine formale Spezifikation beschrieben sind). Sogenannte P-Programme, die nur Näherungslösungen liefern oder E-Programme, die menschliche und soziale Aktivitäten automatisieren, bleiben die Ausnahme. Indien ist zum überwiegenden Teil und strukturell also nach wie vor eine Art verlängerte Werkbank der europäischen und amerikanischen Software-Industrie -allerdings die der ersten Generation; Osteuropa und die VR China verdrängen nun als neueste Generation Indien aus seiner bisherigen Rolle.

III. Online-Outsourcing mit Jamaika

Die weltweite Dynamisierung der Telekommunikation hatte auch in der Karibik erhebliche Modernisierungsschübe zur Folge. In Jamaika führten diese Modernisierungen die Jamaica Telephone Company (TOJ) und die britische Firma Cable & Wireless an. Parallel zur Modernisierung in der Telekommunikation ging die jamaikanische Regierung seit Mitte der achtziger Jahre die Idee einer auf den Export ausgerichteten informationsverarbeitenden Industrie bewußt an. Eine soge-nannte Dateneingabe-Industrie wurde aufgebaut Die Regierung in Kingston ging bei dem anvisierten Einstieg in diese auf den Export gerichtete informationsverarbeitende Industrie von folgenden Vorstellungen aus: 1. In der Nähe zu den USA und mit dem Englischen als gemeinsamer Sprache erhoffte sich Jamaika einen doppelten Kostenvorteil. 2. Eine Verbesserung der Telekommunikation und der Flugverbindungen zwischen beiden Ländern sollte Jamaika einen Zeitvorsprung verschaffen. 3. Relativ schnell auszubildendes Personal stand in Jamaika ebenfalls zur Verfügung.

In Jamaika gab es 1985 erst zwei Dateneingabe-Firmen, 1990 dann schon 29 und 1993 waren es bereits insgesamt 49 Firmen. Alle diese Firmen haben sich auf den Export von informationeilen Dienstleistungen spezialisiert. Rund zwei Drittel dieser Firmen waren bzw. sind im Bereich der Dateneingabe tätig, also der Übertragung von an Papier gebundenen in elektronische Daten. Solche Daten können Personal-und Buchhaltungsdaten sein, Ein-und Verkaufslisten, Versicherungsformulare, Gerichtsurteile, Daten über das individuelle Kaufverhalten von Kreditkarteninhabern oder auch Börsendaten.

Die Daten kommen nach Jamaika meistens per Luftfracht oder per Kurier, und zwar in Form von Papier, Magnetbändern. Karten, Disketten oder Tonbändern. Die dann maschinenlesbar hergestellten Daten gehen -je nach Dringlichkeit und Genauigkeit -entweder offline oder auch online in die USA zurück. Die Datenübertragung zwischen dem Jamaica Digiport International und dem Ausland geschieht selbstverständlich paket-vermittelt (d. h. getrennte Übertragung bei einheitlichem Empfang von Nachrichten) und digitalisiert. Sie ist allerdings recht teuer und nur für Großkunden mit erheblichem Datenbestand sinnvoll. 1994 kostete die Miete für einen internationalen Satellitenkanal fast 2 000 US-Dollar pro Monat.

Eine der Voraussetzungen für den Aufbau der auf den Export ausgerichteten informationstechnologischen Industrie in Jamaika war die dortige Struktur des Arbeitsmarktes. Einstellungsbedingung ist ein High-School-Abschluß. Die Einarbeitungszeit beträgt -je nach Firma und Arbeit -zwischen zwei Wochen und drei Monaten. Die weitaus meisten Mitarbeiter sind zwischen 17 und 20 Jahre jung, da sich die Belastbarkeit gerade dieser Altersgruppe als besonders günstig für eine Arbeit erwiesen hat, die allerhöchsten Genauigkeitsansprüchen genügen muß. Die Dateneingabe erfordert sehr konzentriertes und geduldiges Arbeiten. Die Leistung der in diesen jamaikanischen Firmen arbeitenden Menschen liegt zwischen 10 000 und 15 000 getippten Zeichen pro Stunde. Nach einer Einarbeitungszeit erhalten die Mitarbeiter überwiegend nur Verträge als Zeitkraft für drei Monate. Bei unzureichender Auftragslage oder ungenügender Leistung des Mitarbeiters kann dieser sofort entlassen werden. Die meisten Unternehmen zahlen zusätzlich zu einem Grundgehalt einen Leistungsbonus. 1994 lag dieses Grundgehalt in Jamaika zwischen 400 und 550 US-Dollar pro Woche bei einer 40-Stunden-Woche. Mehr als 90 Prozent der etwa 2500 Mitarbeite 000 und 15 000 getippten Zeichen pro Stunde. Nach einer Einarbeitungszeit erhalten die Mitarbeiter überwiegend nur Verträge als Zeitkraft für drei Monate. Bei unzureichender Auftragslage oder ungenügender Leistung des Mitarbeiters kann dieser sofort entlassen werden. Die meisten Unternehmen zahlen zusätzlich zu einem Grundgehalt einen Leistungsbonus. 1994 lag dieses Grundgehalt in Jamaika zwischen 400 und 550 US-Dollar pro Woche bei einer 40-Stunden-Woche. Mehr als 90 Prozent der etwa 2500 Mitarbeiter in der jamaika-nischen Dateneingabe-Industrie sind Frauen 8.

Für die industrielle Entwicklung von Jamaika zeitigte die neue Dateneingabe-Industrie vielfältige und widersprüchliche Konsequenzen. Positiv ist zunächst einmal zu werten, daß es mehreren jamaikanischen Unternehmern erfolgreich gelang, in diese neue Industrie einzusteigen. Die Dateneingabe-Industrie ist infolgedessen auch heute noch (im Gegensatz z. B. zu der in Barbados) in jamaikanischer Hand. Eine völlig inkonsistente Regierungspolitik führte jedoch schon Ende der achtziger Jahre dazu, daß viele Firmen Bankrott anmelden mußten (mangelnde Einhaltung der Zusage von Regierungskrediten, Wegfall zugesagter Steuerbegünstigungen, Bevorzugung ausländischer Firmen mit größerem Kapital). Außerdem hatten viele jamaikanische Unternehmer die Technologiekosten und den mörderischen Preiswettbewerb mit ähnlichen Firmen auf den Philippinen, in Indien oder in Bangladesch unterschätzt.

IV. Online-Outsourcing mit Osteuropa

Die Situation des Fernmeldewesens, d. h.der Telekommunikation im allgemeinen, in den früheren RGW-Ländern (hier kurz: Osteuropa) ist mittlerweile recht gut dokumentiert 9. Für die Situation elektronischer Fachinformationen und Datenbanken, d. h. für die elektronisch abrufbaren Inhalte, liegen inzwischen auch exzellente Arbeiten vor 10. Anders sieht es mit der Situation der elektronischen Datenverarbeitung und der SoftwareIndustrie in Osteuropa aus. Hier fehlen gute Überblicksdarstellungen. Allerdings ist man hinsichtlich der westlichen Kenntnisse über osteuropäische Technologiepotentiale fast geneigt, die Regel aufzustellen: Über technologische Schwächen in Osteuropa war man im Westen sehr gut informiert, technologische Stärken Osteuropas waren im Westen hingegen völlig unbekannt. War die Telekommunikation in Osteuropa generell nur sehr schwach ausgebildet, so war das bei der Software-Industrie genau umgekehrt: Datenverarbeitung, Information und Dokumentation, Rechnerarchitekturen, Chip-und Computerbau und eben auch Software-Herstellung gehörten durchaus zu den Stärken der früheren RGW-Länder.

Schon in den siebziger und achtziger Jahren kamen westliche Firmen mit Informatikern und Software-Ingenieuren aus Osteuropa in Arbeitskontakt, vornehmlich aus Ungarn. Als „Gastarbeiter“ waren die meisten in Westeuropa tätigen ungarischen Akademiker Software-Spezialisten, Programmierer und Informatiker. Was Bulgarien betrifft, ist der Hinweis wichtig, daß dieses Land vor 1989 eine ausgesprochen starke Computerindustrie im Rahmen der Arbeitsteilung des RGW besaß. Allein in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre hatte Bulgarien fast 30 Computerzentren im gesamten Land aufgebaut. Unter Leitung der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften entstanden in den siebziger und achtziger Jahren sogar Expertensysteme, industrielle Anwendungen mit CAD/CAM (computerunterstützte Konstruktion und Fertigung) und Versuche mit Parallel-Rechnern

Auf dem riesigen russischen Binnenmarkt für elektronische Datenverarbeitung wird der Software-Markt inzwischen von ausländischen Produkten bestimmt. Doch gleichzeitig gibt es etwa 5 000 Software-Firmen, die an eigener System-und Anwendungs-Software arbeiten. Viele ausländische Software-Firmen haben russische Kleinbetriebe/Filialen gegründet, in denen hochspezialisierte und gut ausgebildete russische Software-Spezialisten für relativ hohe Löhne arbeiten. Gleichzeitig wanderten nach 1989 etwa fünf Prozent aller russischen Software-Spezialisten nach den USA, Westeuropa, Japan und Südkorea aus

Die gemeinsame Entwicklung von Software zwischen russischen und ausländischen Firmen über Teleworking mittels einer arbeitsteiligen Online-Verbindung ist bislang kaum verbreitet, gewinnt aber an Interesse. Das Hauptproblem bei solchen Projekten sind die damit notwendigerweise verbundenen langfristigen und umfassenden Planungs-und Managementaufgaben, die die bisherigen russischen Erfahrungen aber übersteigen.

Umfassende Erfahrungen mit dem Outsourcing von Software-Projekten nach Osteuropa hat das Münchener Unternehmen Rohde & Schwarz Die jetzigen Erfolge dieser Firma in Osteuropa sind im übrigen nur deswegen möglich, weil dieses Unternehmen bereits vor 1989 aktive Software-Kooperation mit osteuropäischen Partnern, besonders in Ungarn, betrieben hat. Bei Projektvergaben an Software-Häuser in Ungarn und Belarus fand Rohde & Schwarz in beiden Ländern technisch hervorragend ausgestattete Software-Firmen vor. Nach Abschluß von zwei Software-Projekten mit einer ungarischen und einer belarussischen Firma konnte Rohde & Schwarz eine Kostenersparnis von 50 Prozent verbuchen, mußte allerdings in Kauf nehmen, daß die Entwicklungszeit bei diesen zwei Projekten um die Hälfte länger war als bei einer geschätzten Eigenentwicklung.

Die Software-Kooperation zwischen der Daimler Benz-Tochter Debis und einem Software-Unternehmen in St. Petersburg scheint z. Z. noch Ausnahme-Charakter zu haben. Allerdings werden bei Debis Überlegungen angestellt, Software-Unter-aufträge nach Tschechien oder Ungarn zu vergeben. Für Debis, das eine eigene Abteilung für Outsourcing in die GUS-Länder hat, sprechen Kostengründe für eine Auslagerung nach Osteuropa, doch gibt es laut Presseberichten die damit verbundene Schwierigkeit, das exportierte Knowhow nach Abschluß eines Projektes wieder zurückzuführen. Ohne weitere Details sind der Tagespresse der letzten zwei Jahre noch folgende Beispiele zu entnehmen: IBM-Deutschland kooperiert mit einem Software-Unternehmen im belarussischen Minsk; dort werden Wartungsaufgaben per Satellit ausgeführt. Die Software AG läßt in Riga, Lettland, programmieren. Weitere deutsche Unternehmen haben Outsourcing-Projekte in Rumänien und Bulgarien. Im Rahmen des Projekts „Pro Trade“ fördert die GTZ in Eschbornsolche Software-Kooperation mit osteuropäischen Unternehmen.

Die bislang vorliegenden Erfahrungen deutscher Unternehmen mit dem Outsourcing von Software-Aufträgen nach Osteuropa sind sehr verschiedenartig. Eines der Hauptprobleme bei solchen Kooperationen ist das der Software-Piraterie, besonders in Bulgarien und Rußland (hier oft auch über den Umweg aus China). Zwar sind z. B. in Rußland inzwischen die weltweit wichtigsten Urheberrechtsgesetze in Kraft gesetzt worden; strafrechtliche Ausführungsbestimmungen haben das russische Parlament aber noch nicht passiert. Außerdem gibt es keine auf Copyright spezialisierten Gerichte und Anwälte, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten bei der alltäglichen Umsetzung von Normen in die Praxis. Die Probleme der Software-Piraterie löste ein amerikanisches Software-Unternehmen 1992 folgendermaßen: Indem man die Zusammenarbeit mit einem russischen Computerhersteller schriftlich vereinbarte, garantierte nun ein russisches Unternehmen für den Urheberrechtsschutz; und das funktionierte, weil das russische Unternehmen auf dem mafios-einheimischen Markt eine völlig andere Position hatte als die US-Firma.

V. Online-Outsourcing und Betriebswirtschaft

In der Europäischen Union gibt es z. Z. etwa 1, 2 Mio. Telearbeiter Diese Zahl steht in scharfem Kontrast zur antizipierten Zielsetzung der EU-Kommission, bis zum Jahr 2000 etwa 10 Mio. Telearbeitsplätze zu schaffen. Solche Diskrepanzen zwischen prognostizierten und tatsächlichen technologischen Wachstumsprozessen sind in der Diskussion um die Informationsgesellschaft seit den siebziger Jahren inzwischen Legion. Je länger solche Diskrepanzen kultiviert werden, desto ärgerlicher werden sie. Bereits 1985 wurde darauf hingewiesen, daß die Diffusionsgeschwindigkeit von Telearbeit sehr viel langsamer sein werde als allgemein angenommen Alle gegenwärtigen Zahlen bestätigen die damals vorgetragene Skepsis.

In der Diskussion um Telearbeit herrscht oft eine völlig unangebrachte Art von Unternehmerschelte nach folgendem Motto vor: Besonders der provinzielle deutsche Unternehmer sei innovationsfeindlich, verstünde die betriebswirtschaftlichen Vorteile von Telearbeit nicht und sei im Zeitalter der Globalisierung auch nicht in der Lage, die Lohn-kostenvorteile von internationaler Online-Auslagerung für sich zu realisieren.

Wie unangebracht diese Kritik ist, zeigt unsere systematische internationale Literaturauswertung zum Thema internationales Online-Outsourcing in den beiden Bereichen Software-Technologie und Datenerfassung, zeigen zusätzlich dazu vorgenommene telefonische Interviews mit Experten. Neben dem überall ins Feld geführten Argument des Lohnkostenvorteils für Firmen aus den Industrie-ländern lassen sich folgende weitere Argumentationsmuster für eine Online-Auslagerung von Arbeit finden: -Die meisten ausländischen Partnerfirmen sind klein. Das erlaubt ihnen ein großes Maß an Flexibilität und Dynamik gegenüber einem großen Auftraggeber aus der Industriewelt. Solche Firmen können sehr schnell auf wechselnde Markterfordernisse und Kundenwünsche reagieren. -Die ausländische Partnerfirma muß die Kosten für die technische Ausstattung aufbringen. -Der Auftraggeber kann eine ausländische Partnerfirma über eine Online-Anbindung stärker an sich binden als auf dem traditionellen Weg. -Bei vielen Outsourcing-Arbeiten geht es um Routinetätigkeiten, die den Partner kaum, den Auftraggeber überhaupt nicht belasten. -Internationales Online-Outsourcing kann die weltweit jeweils unterschiedlichen Zeitzonen überbrücken. Mit weltweiten Netzen und mit einer Zentrale kann unabhängig von Tag und Nacht rund um die Uhr gearbeitet werden. -Die Konkurrenz vieler Partnerfirmen in vielen Ländern der Dritten Welt mit ähnlicher/vergleichbarer Leistung ermöglicht dem Auftraggeber einen flexiblen Partnerwechsel je nach eigenem Bedürfnis.

-Bei Online-Outsourcing ist mit erheblicher Kosteneinsparung bei Fracht, Logistik und Distribution zu rechnen.

-Was Grewlich vom Planungsstab des Auswärtigen Amtes bereits 1983 konstatierte zeigt sich auch bei Online-Outsourcing-Prozessen in derGegenwart: Die internationale elektronische Vernetzung stärkt die Unternehmenszentralen in den Industrieländern und reduziert deren Töchter in kleinen Ländern bzw. in Entwicklungsländern zu Rumpfunternehmen.

Das Spannende bei der Literaturauswertung und den Experteninterviews sind jedoch nicht so sehr diese Pro-Argumente, sondern die Kontra-Argumente der Gegner solcher internationalen Online-Auslagerungen: -Die Partner für Online-Auslagerung sind meistens kapitalarm, nicht sonderlich innovativ, entsprechen nicht den in den Industrieländern hohen Qualitätsanforderungen und sind mit der Übernahme umfangreicherer und zeitintensiver Projekte überfordert. -Online-Outsourcing führt einen erheblichen Mehraufwand an Projektorganisation und -management mit sich. -Projekte mit entfernten Partnern erfordern zu Hause eine zusätzliche Kernmannschaft. -Es gibt zahlreiche praktische Probleme einer personalen Kommunikation mit solchen Partnern. -Wird eine Projektpartnerschaft von der Ebene der Personenkommunikation auf die der technischen Kommunikation verschoben, entstehen zusätzliche Kosten. -Sprach-und Kulturkonflikte bei internationalen Projekten sind stets auch Organisations-, Management-, Effizienz-und Zeitkonflikte. -Gerade Projekte im Bereich von Naturwissenschaft, Technik und Ingenieurwissenschaften neigen dazu, Probleme im interkulturellen Bereich zu vernachlässigen. -Die Telekommunikationsinfrastruktur ist fast überall bei den für Online-Outsourcing in Frage kommenden Ländern nicht gut genug. Wie umfassend und schnell sie auch immer in den Partnerländern modernisiert wird, stets hinkt sie hinter der Modernisierung in den Industrieländern und der damit dort ansteigenden Erwartungshaltung hinterher. -Aufgrund der wenig differenzierten Binnenmärkte ist der Wettbewerbsdruck innerhalb von vielen Partnerländern nicht groß. Deswegen gibt es bei vielen Partnern mangelnde Gewährleistung, Pflege und Weiterentwicklung der einmal angeschafften technischen Ausstattung. -Eine Kontrolle der Produktqualität über Distanz ist schwierig. -Online-Outsourcing wirft zahlreiche, z. T. offene Rechtsprobleme in vielen Ländern auf. Auch in diesem Bereich von Außenhandel gibt es Exportkontrollen und -beschränkungen. Gerade sie sind für viele Länder ein höchst delikates Problem.

-Eine Garantie für die Rückfuhr des zu Projekt-anfang exportierten Know-how bei Projektende ist kaum zu geben. -Software-Piraterie ist weitverbreitet, wird gerade auch durch Online-Outsourcing stimuliert und kann nur schwierig unterbunden werden.

Ein ganz besonderes Gewicht kommt bei internationalem Outsourcing von Datenverarbeitung als auch von Software-Technologien dem Urheberrecht zu, weil es als Rechtsfigur im Rahmen des Rechts an intellektuellem Eigentum von sehr grundsätzlicher Bedeutung ist. (Und selbst Juristen wissen oft nicht, daß Art. 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 dem Urheberrecht sogar Menschenrechtsqualität zu-spricht.) Ein Blick auf den Umfang von Software-Piraterie, den in Ländern der Dritten Welt die amerikanische Industrie für 1993 auf knapp sechs Mrd. US-Dollar schätzte, zeigt, wie gravierend dieses Problem ist. Mit den großen Piraterie-Ländern China und Indien sitzen aus amerikanischer Sicht aber genau die gleichen Länder auf der Anklagebank, die andererseits wichtige Partnerländer für informationelles Outsourcing sind. Offensichtlich gilt auch hier die alte Volksweisheit, nach der man sich nicht waschen kann, ohne nicht gleichzeitig naß zu werden. Vorteile sind eben nicht ohne Nachteile zu bekommen. Noch einmal anders formuliert: Wer Betriebswirtschaft nicht eng als Finanzmanagement begreift, sondern den größeren strukturellen Rahmen von Recht, Organisation, Kultur, technologischer Dynamik und Ausbildungsqualität der Unternehmensmitarbeiter mitbedenkt, kann gute Gründe gegen internationales Online-Outsourcing ins Feld führen. In den meisten Fällen, so ein vorläufiges Resümee, sprechen diese umfassenderen betriebswirtschaftlichen Gründe eher gegen als für eine Strategie des internationalen Online-Outsourcing.

VI. Online-Outsourcing und internationale Arbeitsteilung

In die allgemeine Diskussion um eine internationale Arbeitsteilung kam in den siebziger und achtziger Jahren Bewegung, da von einigen Autorenunterstellt wurde, drei wesentliche Bedingungen weltwirtschaftlichen Handelns hätten sich drastisch verändert: -weltweites Überangebot potentieller Arbeitskräfte; -zunehmende geographische Unabhängigkeit wegen der schnellen Entwicklung von Transport-und Informationstechnologien; -Fragmentierung der Produktion und deswegen steigende Möglichkeit zu kostensparendem Outsourcing.

Eine solche Sichtweise wurde von den meisten Experten inzwischen aufgegeben. Es gibt eine allgemeine Rückkehr zu den bewährten Theorien über die internationale Arbeitsteilung. Bei Anerkennung der Tatsache, daß sich aufgrund der dynamischen Bewegung bei den Informationstechnologien eine Globalisierung von Arbeit, Produktion und privater Lebenswelt herstellt, muß gleichzeitig auch festgehalten werden, daß zunehmende Peripherisierung, Regionalisierung und Provinzialisierung nicht auszuklammernde Teile von Globalisierungsprozessen darstellen. Diese Prozesse vollziehen sich sowohl auf globaler als auch auf innergesellschaftlicher Ebene in jedem Land. Kann die so viel beschworene Internet-Diffusion einerseits als gutes Beispiel für Globalisierung angesehen werden, so gilt gleichzeitig auch folgender Trend Die allermeisten Internet-Nutzer sind und bleiben Amerikaner, und in Manhattan kommunizieren die Nutzer elektronischer Netze am allermeisten mit anderen Menschen nur in Manhattan. Anders formuliert: Globale elektronische Netze bilden auf elektronischer und informationeller Ebene lediglich die Strukturen der internationalen Arbeitsteilung ab, wie sie historisch hinlänglich bekannt sind; sie verdoppeln sie, sie heben sie nicht auf. Auch in der High-Tech-Politik spricht vieles mehr für eine Kontinuität als für eine Diskontinuität der gegebenen Arbeitsteilung. Mögen asiatische Länder auch in vielen High-Tech-Bereichen gegenüber den USA aufgeholt haben, so wäre es doch leichtfertig, daraus auf einen Rückschritt der amerikanischen High-Tech-Kapazitäten zu schließen, gar (wie in der Politologie vor knapp zehn Jahren üblich) von einem „Hegemonieverlust“ der USA zu reden. Ein Leistungsvergleich des Washingtoner Council on Competitiveness, der die Leistungsfähigkeit verschiedener Länder in der elektronischen Datenverarbeitung untereinander verglich, lehrt vielmehr etwas anderes: Mögen einige Länder auch im Teilbereich der elektronischen Komponenten (Mikroelektronik, Bauelemente, Verbindungs-und Kopiertechnik, Informationsspeicherung) aufholen, so bewegen sich im gleichen Zeitraum die USA im Teilbereich der Informationstechnologien (Software, Computer, Visualisierungstechniken, Mensch-/Maschine-Schnittstellen, Datenbanksysteme, Netzwerke, mobile Fernmeldesysteme, digitale Signalverarbeitung) weiter nach vorne Die internationale Arbeitsteilung hebt sich im High-Tech-Bereich also nicht auf, sie dreht sich „lediglich“ um einige Umdrehungen weiter und schneller.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Marshall McLuhan, Die Gutenberg-Galaxis, Bonn 1995, S. 39.

  2. Zit. nach Forum (hrsg. von der IG Medien), (1996) 2, S. 38.

  3. Lothar Schnitzler, Made in Nirgendwo, in: Lutz Becker/Johannes Ehrhardt (Hrsg.), Business Netzwerke. Wie die globale Informations-Infrastruktur neue Märkte erschließt, Stuttgart 1996, S. 126.

  4. Wenn auch empirisch veraltet, so ist die folgende Arbeit über die Software-Produktion in Singapur und Indien analytisch nach wie vor unübertroffen: Edda Stegmann/Burckhardt Platz/Bernward Kaatz, Tendenzen der Beteiligung der Dritten Welt an der Internationalisierung der Software-produktion, Hamburg 1989 (= Bericht 141 des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg).

  5. Zum Flugreservierungssystem Amadeus vgl. Ursula Holtgrewe/Bernd Richter, Die Elektronisierung des Handels, mit einem Vorwort von Jörg Becker, Düsseldorf 1991, S. 19 ff.

  6. Vgl. dazu ausführlich Beverley Mullings, Telecommunications Restructuring and the Development of Export Information Processing Services in Jamaica, in: S. Hopeton Dunn (Hrsg.), Globalization, Communications and Caribbean Identity, Kingston 1995, S. 163-184.

  7. Vgl. Maria-Anna Courage/Alexander Vasilevic Butrimenko, Elektronische Informationsdienste in Osteuropa 1994-95, 3 Bde., (GMD), St. Augustin 1996.

  8. Vgl. Karl Stroetmann/Veli Stroetmann, Country Analysis Bulgaria. General development with special reference to the telematics industries, (Empirica), Bonn 1995 (unv. Ms.).

  9. Vgl. dies., Country Analysis Russia. General developments with special reference to the telematics industries, (Empirica), Bonn 1995 (unv. Ms.).

  10. Vgl. Uwe Ullrich, Erfahrungsbericht: Ungarn und Weißrußland. Risiken und Chancen der Software-Auftragsentwicklung in Osteuropa, (Rohde & Schwarz), München 1995 (unv. Ms.).

  11. Vgl. Norbert Kordey/Werner B. Korte, Telearbeit in Europa, in: Office Management, (1995) 10, S. 73-78.

  12. Vgl. Jörg Becker, Soziale Folgen neuer Informationsund Kommunikationstechnologien (= HSFK-Forschungsbericht, 12/1985), Frankfurt a. M. 1985.

  13. Vgl. Klaus W. Grewlich, Transnationale Informationsund Datenkommunikation, in: Außenpolitik, (1983) 1, S. 6779.

  14. Vgl. Saskia Sassen, Emerging Segmentations in Electronic Space, in: Peter Klaus Dencker (Hrsg.), Labile Ordnungen, (Hans-Bredow-Institut), Hamburg 1997, S. 18-24.

  15. Vgl. Andrew S. Rappaport/Shmuel Halevi, Chip-und Softwaredesign: Das Eldorado der Computerbauer, in: Harvardmanager, (1992) 2, S. 105-117.

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Jörg Becker, Dr. phil., geb. 1946; Studium der Germanistik und Politikwissenschaft; Geschäftsführer der KomTech. Gesellschaft für Kommunikations-und Technologieforschung mbH in Solingen; z. Z. Gast-professor für Angewandte Informatik an der Technischen Universität Wien und für Politikwissenschaft an der Universität Gesamthochschule Essen. Zahlreiche Veröffentlichungen über internationale und deutsche Kultur-, Medien-und Technologiepolitik. Daniel Salamanca, Dr. phil., geb. 1950; Studium der Kommunikations-und Politikwissenschaft in Concepciön/Chile, Bochum und Marburg; Lehrbeauftragter am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Münster (SS 1996); Mitarbeiter der KomTech. Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung mbH in Solingen; Korrespondent der in Madrid erscheinenden Fachpublikation für Kommunikationsfragen „Telos".