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Der Einfluß der Wirtschaftslage auf die Wahlentscheidung bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998 | APuZ 52/1998 | bpb.de

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APuZ 52/1998 Wer zu spät geht, den bestraft der Wähler. Eine Analyse der Bundestagswahl 1998 Die Bundestagswahl 1998: Ein Plebiszit gegen Kanzler Kohl? „Annäherung durch Wandel“? Das Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 1998 in Ost-West-Perspektive Der Einfluß der Wirtschaftslage auf die Wahlentscheidung bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998

Der Einfluß der Wirtschaftslage auf die Wahlentscheidung bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998

Hans Rattinger/Jürgen Maier

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Zusammenfassung

Als eine der zentralen Ursachen bei der Erklärung der Niederlage der Regierung bei der Bundestagswahl 1998 wird üblicherweise die schlechte Wirtschaftslage angeführt. Der vorliegende Beitrag untersucht anhand von Umfragedaten für die Bundestagswahlen 1994 und 1998, ob und in welchem Maße die durch die Wähler wahrgenommene Wirtschaftslage bei der Wahlentscheidung tatsächlich eine Rolle gespielt hat. Die empirischen Ergebnisse zeigen, daß die Beurteilung der Wirtschaftslage im Jahr 1998 deutlich schlechter ausfällt als noch vier Jahre zuvor. Ost-West-Unterschiede sind dabei nur hinsichtlich der Wahrnehmung der aktuellen allgemeinen und der individuellen ökonomischen Situation zu erkennen. Diese Unterschiede reflektieren die stärkere persönliche Betroffenheit der ostdeutschen Wähler von wirtschaftlichen Härten. Differenzen in der retrospektiven bzw.der prospektiven Bewertung der Wirtschaftslage haben sich zwischenzeitlich aufgelöst. Hinsichtlich der Zuweisung ökonomischer Problemlösungskompetenz zeigt sich, daß diese für die Regierungsparteien zwischen 1994 und 1998 nahezu unverändert blieb, für die SPD jedoch erheblich gewachsen ist. Die Analysen dokumentieren, daß der Einfluß ökonomischer Variablen auf die Wahlentscheidung begrenzt ist. Sowohl in Ost-als auch in Westdeutschland fällt dabei die größte Bedeutung der wahrgenommenen Wirtschaftskompetenz der Parteien zu. Unter den ökonomischen Variablen kann diese Determinante sowohl die Wahlabsicht bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998 als auch den Wechsel der Wahlabsicht zwischen den beiden Wahlen am besten erklären.

I. Einleitung

Tabelle 1: Bewertung der allgemeinen und der individuellen wirtschaftlichen Lage in Ost-und Westdeutschland, 1994 und 1998

Die Bundestagswahl 1998 endete mit einer Niederlage für die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP. Damit wurde nicht nur die mit dem Bruch der sozialliberalen Koalition im September 1982 eingeleitete Ära Kohl und damit verbunden die bisher längste Regierungszeit eines Bundeskanzlers beendet, sondern auch zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Bundesregierung im Rahmen von nationalen Wahlen abgewählt.

Als eine der wichtigsten Ursachen für die in dieser Deutlichkeit nur vom Institut für Demoskopie in Allensbach vorhergesagten Stimmenverluste von Union und FDP wird die schlechte Wirtschaftslage, insbesondere aber die hohe Arbeitslosigkeit gesehen. Führt man sich vor Augen, daß im Zuge der deutschen Einheit seitens der Regierungskoalition große Erwartungen hinsichtlich der Entwicklungen im ökonomischen Bereich geweckt wurden, wäre ein Effekt der durch den Wähler wahrgenommenen Wirtschaftslage auf das Wahl-verhalten bei der Bundestagswahl 1998 nicht überraschend. Dies gilt insbesondere für die neuen Bundesländer, wo mit der Vision eines zweiten „Wirtschaftswunders“ das Bild einer raschen Angleichung der ost-und westdeutschen Lebensverhältnisse entworfen wurde gleichzeitig aber die persönliche Betroffenheit von wirtschaftlichen Härten (z. B. Arbeitslosigkeit) deutlich häufiger auftritt als in den alten Bundesländern.

Daß zwischen der Wirtschaftslage dem Wahl-verhalten in der Bundesrepublik ein Zusammenhang besteht, kann sowohl für die Mikro-als auch für die Makroebene empirisch als gesichert angesehen werden Über die genaue Wirkungsrichtung ökonomischer Variablen besteht jedoch alles andere als Klarheit. Die sich vielfach widersprechenden Ergebnisse liegen dabei in den zumeist sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen der empirischen Analysen begründet, die neben der gewählten Analyseebene auch hinsichtlich des verwendeten Datentyps variieren können. Dar-über hinaus existieren unterschiedliche theoretische Vorstellungen über die Verknüpfung zwischen ökonomischen Faktoren und politischem Verhalten. Die klassische Annahme, die soge-nannte Anti-Regierungshypothese, geht von der einfachen Beziehung aus, daß eine schlechte Wirtschaftslage der Regierung schadet, die Opposition hiervon hingegen profitiert und vice versa Bei dem unterstellten Belohnungs-und Bestrafungsmechanismus wird allerdings übersehen, daß die verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedliche ökonomische Interessen verfolgen. Die Urteile über die Tauglichkeit der politischen Parteien, diese Interessen auch durchzusetzen, fallen dabei je nach Art des ökonomischen Problems höchst unterschiedlich aus. Nach der Auffassung der diesen Zusammenhang berücksichtigenden Klientel-hypothese hängt der Wahlerfolg einer Regierung somit nicht allein von der ökonomischen Situation, sondern vielmehr von der Art der vorliegenden Problemlage ab: Eine hohe Arbeitslosigkeit kommt aus dieser Perspektive Parteien des linken Spektrums zugute, während ein hohes Maß an Inflation eher bürgerlichen Parteien Vorteile verschafft Da sich beide Wirkungsmechanismen allerdings nicht immer gegenseitig ausschließen, kann aufgrund der empirischen Befunde häufig nicht eindeutig entschieden werden, welche der beiden Hypothesen zutrifft

Im folgenden soll genauer untersucht werden, ob und in welchem Maße die Wirtschaftsbedingungen, genauer gesagt ökonomische Perzeptionen, die Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl 1998 beeinflußt haben. Um einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Stärke möglicher Effekte zu haben, also um eine Aussage treffen zu können, ob der Einfluß ökonomischer Faktoren bei der Bundestagswahl 1998 besonders stark oder besonders schwach ausgefallen ist, wird parallel hierzu eine Analyse der Bundestagswahl 1994 durchgeführt. Ausgangspunkt der folgenden empirischen Untersuchungen ist die Beschreibung einiger Indikatoren zur Wahrnehmung der Wirtschaftslage zum Zeitpunkt der Bundestagswahlen 1994 und 1998. Daran schließt sich die Analyse an, inwieweit ökonomische Perzeptionen das individuelle Wahlverhalten bei den beiden nationalen Urnen-gängen erklären können. Abschließend wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die Wahrnehmung der ökonomischen Situation für ein gegenüber der jeweiligen Vorwahl verändertes Stimmverhalten der Wähler spielt.

Als Datenbasis stehen hierfür die ersten beiden Wellen einer Wiederholungsbefragung zur Verfügung. Diese wurden im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „Politische Einstellungen und politische Partizipation in Deutschland: Ein Langfristvergleich von Determinanten und Konsequenzen“ durchgeführt, das der erstgenannte Verfasser mit einer Reihe von Kollegen bearbeitet. Die erste Welle dieser Wiederholungsbefragung wurde zur Bundestagswahl 1994 mit jeweils rund 2000 zufällig ausgewählten Befragten in Ost-und Westdeutschland durchgeführt, wobei etwa die Hälfte der Personen in den beiden Landesteilen vor, die andere Hälfte nach der Bundestagswahl interviewt wurde. In der anläßlich der Bundestagswahl 1998 durchgeführten zweiten Welle wurde den im Jahr 1994 befragten Probanden erneut ein Fragebogen vorgelegt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen jedoch nur die Ergebnisse der Vorwahlbefragung vor, die 1 000 Befragte aus den alten und 500 Befragte aus den neuen Bundesländern umfaßt. Aus Gründen der Vergleichbarkeit stützen sich die folgenden Analysen auch für das Jahr 1994 lediglich auf die Daten der Vorwahlbefragung.

II. Die wahrgenommene wirtschaftliche Lage im Überblick

Tabelle 2: Wahrgenommene Lösungskompetenz der Parteien hinsichtlich ökonomischer Problemed in Ost-und Westdeutschland, 1994 und 1998

Die Beschreibung der wahrgenommenen Wirtschaftslage erfolgt anhand von drei Gruppen von Indikatoren: Die erste Gruppe umfaßt Bewertungen der allgemeinen und individuellen wirtschaftlichen Situation. In die zweite Gruppe fällt die den verschiedenen politischen Parteien bzw.der Regierung und der Opposition zugewiesene Kompetenz zur Lösung wahrgenommener ökonomischer Pro-bleme. Die dritte Kategorie wird von Variablen gebildet, die über die persönliche Betroffenheit der Befragten von ökonomischen Härten wie Arbeitslosigkeit, dem unfreiwilligen Wechsel des Arbeitsplatzes oder dem Ausscheiden aus dem Berufsleben informieren. 1. Bewertungen der allgemeinen und individuellen Wirtschaftslage Die allgemeine wirtschaftliche Lage wird 1998 in Westdeutschland von 22 Prozent der Wähler als schlecht oder sehr schlecht und von 26 Prozent als gut oder sehr gut bezeichnet; für etwas mehr als die Hälfte der Befragten ist die Situation der Wirtschaft weder gut noch schlecht (vgl. Tabelle 1). Damit unterscheidet sich die Wahrnehmung in den alten Bundesländern signifikant von den Urteilen der ostdeutschen Wähler, die zu 40 Prozent ein negatives Urteil über die aktuelle Wirtschaftslage fällen. Zwölf Prozent bezeichnen hier die Situation als günstig, 48 Prozent sind unentschieden. Vergleicht man die Wahrnehmung der allgemeinen Wirtschaftslage im Jahr 1998 mit den Zahlen aus 1994, so zeigt sich, daß die Urteile über den Zustand der nationalen Wirtschaft in Westdeutschland nur geringfügig, in Ostdeutschland hingegen deutlich schlechter ausfallen.

Ein weiterer Indikator, der auf die Bewertung der allgemeinen Wirtschaftslage abhebt, ist die Frage, wie sich die Wirtschaft in den vergangenen ein bis zwei Jahren entwickelt hat. 1998 sind 37 Prozent der Westdeutschen der Meinung, die ökonomische Situation habe sich verschlechtert, 18 Prozent sehen eine Verbesserung und für 44 Prozent ist die wirtschaftliche Lage unverändert. In den neuen Bundesländern fällt die retrospektive Beurteilung der Wirtschaftslage ähnlich aus wie in Westdeutschland: Hier nehmen 33 Prozent eine Verschlechterung und 19 Prozent eine Verbesserung der ökonomischen Situation wahr. 48 Prozent halten die Wirtschaftslage für stabil. Zieht man auch hier die Wahrnehmungen für das Jahr 1994 zu einem Vergleich heran, so zeigt sich, daß in den alten Bundesländern praktisch keine Veränderungen zu beobachten sind. In den neuen Bundesländern hat sich hingegen die retrospektive Beurteilung der Wirtschaftslage erheblich verschlechtert.

Fragt man die Wähler nach ihren Erwartungen bezüglich der Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage innerhalb des nächsten Jahres, so zeigen sich in Westdeutschland 26 Prozent der Wähler optimistisch, daß sich die Situation verbessern wird. Ein Fünftel der Befragten rechnet mit einer Verschlechterung der Wirtschaftslage. Die absolute Mehrheit (55 Prozent) geht jedoch davon aus, daß sich die ökonomische Situation nicht verändern wird. In Ostdeutschland finden sich ähnliche Verteilungen:

23 Prozent der Wähler nehmen an, daß sich die nationale Wirtschaftslage verbessert, 20 Prozent befürchten eine Verschlechterung und 57 Prozent des ostdeutschen Elektorats gehen für die Zukunft von einer unveränderten ökonomischen Situation aus. Im Vergleich mit 1994 fällt die Einschätzung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in den alten Bundesländern im Jahr 1998 etwas schlechter aus. In Ostdeutschland sind die Zukunftserwartungen nun erheblich skeptischer als noch vier Jahre zuvor.

Die individuelle Wirtschaftslage wird 1998 überwiegend positiv beurteilt (vgl. Tabelle 1). In den alten Bundesländern bezeichnen die Hälfte der Befragten ihre persönliche ökonomische Situation als gut oder sehr gut, zwölf Prozent nehmen sie als schlecht oder sehr schlecht und 38 Prozent als weder gut noch schlecht wahr. Die Verteilung in den neuen Bundesländern unterscheidet sich hiervon signifikant: Einerseits ist der Anteil derjenigen, die ihre Wirtschaftslage als günstig bezeichnen, deutlich geringer (41 Prozent), andererseits ist die Beurteilung der eigenen wirtschaftlichen Situation als schlecht verbreiteter (19 Prozent). 40 Prozent bezeichnen ihre Wirtschaftslage schließlich als teils gut, teils schlecht. Vergleicht man die Wahrnehmungen der individuellen Wirtschaftslage für das Jahr 1998 mit den diesbezüglichen Perzeptionen vier Jahre zuvor, so zeigen sich in Westdeutschland nun etwas, in Ostdeutschland deutlich pessimistischere Einschätzungen.

Auf die Frage, wie sich die persönliche Wirtschaftslage in den letzten ein bis zwei Jahren verändert hat, antworten 16 Prozent der Westdeutschen, daß sich diese etwas oder wesentlich verbessert habe. 23 Prozent nehmen eine Verschlechterung wahr, und 60 Prozent bezeichnen die individuelle ökonomische Situation als unverändert. Ein Fünftel der ostdeutschen Befragten sehen eine Verbesserung ihrer Wirtschaftslage, 22 Prozent nehmen eine Verschlechterung wahr, und 57 Prozent finden, daß sich die eigene ökonomische Lage nicht verändert hat. Zieht man auch hier einen Vergleich zur Situation zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 1994, so zeigt sich, daß die Bilanz in Westdeutschland 1998 nur geringfügig schlechter ausfällt. In den neuen Bundesländern wurde demgegenüber 1994 noch eine deutlich bessere Einschätzung über die Veränderung der persönlichen Wirtschaftslage abgegeben, als dies vier Jahre später der Fall ist.Schwach optimistisch fallen die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Entwicklung der individuellen ökonomischen Situation aus: In Westdeutschland glauben ein Fünftel der Befragten an eine Verbesserung ihrer Lage, zwölf Prozent sehen eine Verschlechterung, und 68 Prozent gehen von einer unveränderten Situation aus. In Ostdeutschland finden sich 17 Prozent, die eine günstigere persönliche Wirtschaftslage erwarten, zwölf Prozent halten eine Verschlechterung für wahrscheinlich, und 71 Prozent sind der Meinung, daß sich nicht viel verändern wird. Im Vergleich zu 1994 fallen die Zukunftserwartungen in den alten Bundesländern etwas pessimistischer, in den neuen Bundesländern hingegen deutlich zurückhaltender aus.

Faßt man die verschiedenen Indikatoren der Wahrnehmung der allgemeinen bzw.der individuellen Wirtschaftslage zu jeweils einer Gesamtbewertung zusammen, so kann man die generelle Beurteilung der ökonomischen Situation übersichtlich darstellen. Für die allgemeine Wirtschaftslage zeichnen sich dabei sowohl für 1994 als auch für 1998 signifikante Unterschiede zwischen Ost-und Westdeutschland ab. Während in den alten Bundesländern die Einschätzung der ökonomischen Situation innerhalb dieses Zeitraums weitgehend stabil geblieben ist und im Mittel eine neutrale Einschätzung der ökonomischen Situation widerspiegelt, verschlechtert sich die Wahrnehmung der Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern erheblich: Die positive Einschätzung der Wirtschaftslage im Jahr 1994 wird durch eine pessimistische Grundhaltung im Jahr 1998 abgelöst. Hinsichtlich der Einschätzung der persönlichen Wirtschaftslage zeigen sich für das Jahr 1998 keine systematischen Unterschiede zwischen den beiden Landesteilen: Sowohl in West-als auch in Ostdeutschland fällt die Beurteilung der eigenen ökonomischen Situation leicht positiv aus. 1994 schätzten die Befragten ihre Wirtschaftslage allerdings noch deutlich günstiger ein, wobei in Ostdeutschland optimistische Beurteilungen häufiger anzutreffen waren als in den alten Bundesländern. Insgesamt wird hier also eine eindeutig günstige Einschätzung der eigenen Wirtschaftslage im Jahr 1994 durch nur noch schwach positive Urteile im Jahr 1998 abgelöst. 2. Wahrgenommene Lösungskompetenz bezüglich ökonomischer Probleme 1998 trauen 22 Prozent der West-und 21 Prozent der Ostdeutschen den Unionsparteien zu, die als zentral erachteten ökonomischen Probleme am besten zu lösen (vgl. Tabelle 2). Umgekehrt bedeutet dies jedoch, daß mehr als drei Viertel aller Befragten in beiden Landesteilen der Meinung sind, daß CDU und CSU nicht über die besten Konzepte verfügen, um die wirtschaftspolitischen Probleme in der Bundesrepublik zu bewältigen. Betrachtet man die Verteilung der wahrgenommenen Problemlösungskompetenz etwas genauer, so zeigt sich, daß Personen, die der CDU/CSU grundsätzlich Kompetenz im ökonomischen Sektor zubilligen, in aller Regel nicht der Meinung sind, daß diese zur Lösung aller genannten Probleme in der Lage seien. Vergleicht man die Kompetenzzuweisung für die Unionsparteien zwischen 1994 und 1998, so wird deutlich, daß insgesamt nur geringfügige Verschiebungen zu erkennen sind, die wahrgenommene Wirtschaftskompetenz von CDU/CSU also praktisch unverändert ist.

Völlig anders stellt sich die Situation für die SPD dar: Hier sind 32 Prozent der Westdeutschen und 27 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, daß die besten Konzepte zur Lösung der ökonomischen Probleme von den Sozialdemokraten angeboten werden. Damit hat sich das Vertrauen in die wirtschaftspolitischen Instrumente der SPD erhöht, denn 1994 teilten nur 19 Prozent in den alten und 21 Prozent in den neuen Ländern diese Auffassung. Eine Inspektion der . Verteilung der wahrgenommenen Problemlösungskompetenz macht auch hier deutlich, daß die SPD im Regelfall nur für ein genanntes ökonomisches Problem als lösungskompetent erachtet wird.

Die den sonstigen Parteien zugewiesene Problemlösungskompetenz ist äußerst gering: Sowohl FDP als auch Bündnis 90/Die Grünen, PDS und Republikaner werden sowohl 1994 als auch 1998 von maximal zwei Prozent der Befragten in Westdeutschland als kompetent erachtet, die wirtschaftlichen Probleme in der Bundesrepublik zu lösen. In den neuen Bundesländern weicht dieses Bild nur für die PDS ab, die 1994 von vier und 1998 von sieben Prozent der Befragten wirtschaftspolitische Kompetenz zuerkannt bekommt. Faßt man die Lösungskompetenz der verschiedenen Parteien nach ihrer Zugehörigkeit zur Regierung bzw. zur Opposition zusammen, so zeigt sich nochmals, daß die Opposition 1998 sowohl in West-als auch in Ostdeutschland einen erheblichen Kompetenzvorsprung bei der Lösung wirtschaftspolitischer Fragen aufweist. Damit stellt sich die Situation fundamental anders dar als noch 1994, als CDU/CSU und FDP in den alten Bundesländern einen leichten Kompetenzvorsprung vorweisen konnten. In den neuen Bundesländern wurde den Oppositionsparteien bereits 1994 mehr wirtschaftspolitische Kompetenz zuerkannt als den Regierungsparteien. Allerdings war der diesbezügliche Unterschied vergleichsweise gering. 3. Persönliche Betroffenheit von ökonomischen Härten In Westdeutschland gaben zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 1998 rund fünf Prozent der Befragten an, arbeitslos zu sein (vgl. Tabelle 3). Damit hat sich dieser Anteil gegenüber der Vorwahl erhöht. Ein entgegengesetzter Trend zeigt sich im ostdeutschen Fall. Hier waren 1998 14 Prozent der Befragten arbeitslos. 1994 lag der Arbeitslosenanteil noch bei 17 Prozent.

Zwischen 1994 und 1998 mußten 10 Prozent der Befragten aus den alten Bundesländern den Verlust des Arbeitsplatzes verzeichnen -ebenfalls ein höherer Anteil als zwischen 1990 und 1994. In den neuen Bundesländern liegt dieser Anteil mit 25 bzw. 29 Prozent erheblich höher als in den alten Ländern.

Sechs Prozent der westdeutschen Befragten haben zwischen 1994 und 1998 einen unfreiwilligen Wechsel des Arbeitsplatzes vorgenommen -in etwa so viele wie zwischen 1990 und 1994. In Ostdeutschland hat dieser Anteil von 20 Prozent (1990-1994) auf 14 Prozent (1994-1998) abgenommen.

Schließlich sind in Westdeutschland rund 11 Prozent der Befragten zwischen 1994 und 1998 aus dem Berufsleben ausgeschieden. Auch bezüglich des Erlebens dieser ökonomischen Härte ist ein Zuwachs zu beobachten -die relative Größe dieser Gruppe belief sich zwischen 1990 und 1994 noch auf sieben Prozent. In Ostdeutschland zeigt sich erneut eine gegenläufige Entwicklung: Schieden zwischen 1990 und 1994 noch 16 Prozent der Befragten aus dem Arbeitsleben aus, so lag der Anteil zwischen 1994 und 1998 bei 10 Prozent und damit unter dem westdeutschen Vergleichswert.

Insgesamt sind also Ostdeutsche in weit höherem Maße von ökonomischen Härten -(aktuelle und frühere) Arbeitslosigkeit, unfreiwilliger Wechsel des Arbeitsplatzes und Ausscheiden aus dem Berufsleben -betroffen als westdeutsche Befragte. Vergleicht man die Situation vor der Bundestagswahl 1998 mit der Lage vor den nationalen Wahlen 1994, so zeigt sich jedoch, daß die Betroffenheit von ökonomischen Härten in Ostdeutschland tendenziell geringer, in Westdeutschland aber größer geworden ist.

III. Wirtschaftslage als Erklärungsfaktor für das Wahlverhalten bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998

Tabelle 3: Persönliche Betroffenheit von Arbeitslosigkeit, unfreiwilligem Wechsel des Arbeitsplatzes und Ausscheiden aus dem Berufsleben in Ost-und Westdeutschland, 1994 und 1998

Nachdem die Wahrnehmung der Wirtschaftslage bzw. die Betroffenheit der Wähler von ökonomischen Härten für 1998 in Ost-und Westdeutschland beschrieben und mit der Situation zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 1994 verglichen wurde, stellt sich anschließend die Frage, ob und -falls zutreffend -in welchem Ausmaß ökonomische Variablen einen Einfluß auf das Wahlverhalten ausüben.

Wahlverhalten wird im folgenden mit der Wahlabsicht, also der intendierten Stimmabgabe bei der Bundestagswahl, gemessen. Zur Erklärung des Wahlverhaltens werden neben den beiden Indikatoren, die die Bewertung der aktuellen bzw.der individuellen Wirtschaftslage zu einem Maß zusammenfassen, auch die Kompetenzzuweisungen gegenüber den einzelnen Parteien herangezogen. Die Variablen der Gruppe „Betroffenheit von ökonomischen Härten“ werden hingegen aus Mangel an Erklärungskraft aus dem Modell entfernt Um den Effekt der ökonomischen Faktoren nicht zu überschätzen, wird die Parteiidentifikation als weitere Determinante des Wahlverhaltens in das Modell einbezogen.

Die Ergebnisse der Regressionsanalyse zeigen, daß das Stimmverhalten durch die spezifizierten Modelle sehr gut erklärt werden kann: Der Anteil der erklärten Streuung liegt zwischen 33 und 67 Prozent Der Erklärungsbeitrag der ökonomischen Variablen ist allerdings höchst unterschiedlich und beträgt 1998 maximal sechs Prozent in West-und zehn Prozent in Ostdeutschland. 1994 bewegt sich die Erklärungsleistung der ökonomischen Variablen in einem ähnlichen Rahmen (West: maximal sechs Prozent, Ost: maximal sieben Prozent).

Die Bewertung der allgemeinen und der individuellen Wirtschaftslage spielt bei der Erklärung der Wahlabsicht nur eine untergeordnete Rolle. Für erstgenannte Variable ist 1998 nur bezüglich der Wahlabsicht für die SPD und die Opposition (Westdeutschland) bzw. die Wahlabsicht für die FDP (Ostdeutschland) ein signifikanter Effekt zu erkennen. 1994 konnte noch in fünf Fällen (West: CDU/CSU, Republikaner, Opposition; Ost: PDS, Opposition) ein signifikanter Effekt auf die Wahl-absicht nachgewiesen werden. Die gemessenen Zusammenhänge weisen allesamt ein positives Vorzeichen auf, d. h„ eine günstige Beurteilung der allgemeinen Wirtschaftslage fördert die Stimmabgabe für die Regierung bzw. die sie konstituierenden Parteien CDU/CSU und FDP. Eine negative Einschätzung der Lage der nationalen Ökonomie begünstigt hingegen eine Stimmabgabe für eine der Oppositionsparteien.

Noch seltener als die Wahrnehmung der allgemeinen ökonomischen Situation übt die Perzeption der persönlichen Wirtschaftslage einen Einfluß auf die Wahlabsicht aus. Allerdings findet sich in Ostdeutschland sowohl für 1994 als auch für 1998 ein signifikanter Effekt (1994: Bündnis 90/Die Grünen, 1998: SPD); in den alten Bundesländern ist die Wahrnehmung der eigenen ökonomischen Situation hingegen nicht so dominant. Die Richtung der gemessenen Effekte ist dabei nur für 1994 theoretisch plausibel: Je schlechter die persönliche Wirtschaftslage wahrgenommen wird, desto häufiger wird eine Wahlabsicht für Bündnis 90/Die Grünen vorgegeben. Für 1998 liegt hingegen ein positiver Zusammenhang zwischen der Wahl-absicht für die SPD und der wahrgenommenen individuellen Wirtschaftslage vor. Günstige Bewertungen der eigenen wirtschaftlichen Lage korrespondieren also hier mit einer Stimmabgabe für die Sozialdemokraten.

Die mit Abstand wichtigste ökonomische Determinante ist die den Parteien zugewiesene Kompetenz zur Lösung wirtschaftspolitischer Probleme. Abgesehen von kleinen Ausnahmen (FDP, in Ostdeutschland 1994 bzw. Westdeutschland 1998) finden sich hier nur positive und statistisch hoch signifikante Zusammenhänge mit der Wahlabsicht. Generell gilt also: Je mehr einer Partei wirtschaftspolitische Kompetenz eingeräumt wird, desto stärker ist auch die Tendenz, diese Partei zu wählen. Zwei Anmerkungen sind zu dieser Beziehung vorzunehmen: Erstens ist das relative Gewicht dieses Effektes bei CDU/CSU. SPD und FDP am größten. Für den Wahlerfolg der anderen Parteien ist die Bedeutung der ihnen zugewiesenen Wirtschaftskompetenz tendenziell von geringerer Bedeutung. Zweitens ist der Einfluß der Wirtschaftskompetenz auf die Wahlabsicht 1998 in den alten Bundesländern in aller Regel größer als 1994. Für die neuen Bundesländer ist eine diesbezügliche grundsätzliche Verschiebung der Gewichte für die individuelle Wahlentscheidung nicht zu beobachten.

Die Parteiidentifikation schließlich ist -und das ist aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für das Wahl-verhalten, aber auch für die Herausbildung spezifischer Einstellungen wenig überraschend -die insgesamt wichtigste Variable zur Erklärung der Wahlabsicht. Für alle geschätzten Modelle finden sich höchst signifikante und vom Vorzeichen her positive Beziehungen mit der Wahlabsicht. Je stärker die psychologische Bindung an eine Partei ausgeprägt ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß diese gewählt wird.

IV. Wirtschaftslage als Erklärungsfaktor für die Veränderung des Wahlverhaltens bei den Bundestagswahlen 1994 und 1998

Wie stellt sich nun der Einfluß der wahrgenommenen Wirtschaftslage auf die besonders interessante Gruppe von Wählern dar, die zwischen 1990 und 1994 bzw. zwischen 1994 und 1998 von der Regierung zur Opposition gewechselt sind?

Zunächst ist festzuhalten, daß die Unterschiede zwischen der skizzierten Wählergruppe und dem Rest des Elektorats bezüglich der ökonomischen Perzeptionen sehr begrenzt sind. So finden sich in Westdeutschland weder 1994 noch 1998 größere Differenzen in der Beurteilung der allgemeinen und der individuellen Wirtschaftslage. In Ostdeutschland können ebenfalls nur wenige Wahrnehmungsunterschiede nachgewiesen werden: Zum einen zeigt sich, daß für 1994 die retrospektive Beurteilung der Wirtschaftslage bei den von der Regierung zur Opposition gewechselten Wählern zurückhaltender ausfällt als im Rest des Elektorats. Zum anderen ist zu erkennen, daß die Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der allgemeinen und der persönlichen Wirtschaftslage bei den ehemaligen Wählern der Regierung, die nun für eine der Oppositionsparteien votieren wollen, deutlich höher gesteckt sind, als bei den anderen Wählern. Hinsichtlich der Kompetenzbeurteilung der Regierungs-bzw. Oppositionsparteien bestehen zwischen den beiden Wählergruppen nur für 1994 größere Unterschiede. Dabei räumen diejenigen, die 1990 für die Regierung votierten, 1994 ihre Stimme jedoch für eine Oppositionspartei abgeben wollen, der Regierung deutlich weniger ökonomische Kompetenz ein als der Rest der Wählerschaft. Dieser Zusammenhang besteht allerdings nur in den neuen Bundesländern. Umgekehrt -und dies gilt sowohl für West-als auch für Ostdeutschland -weisen Wechselwähler des beschriebenen Typs der Opposition signifikant mehr Wirtschaftskompetenz zu als andere Wähler-gruppen. Hinsichtlich der persönlichen Betroffenheit von wirtschaftlichen Härten unterscheiden sich schließlich jene Personen, die ehemals eine Parteipräferenz für die Regierung aufwiesen, nun jedoch für die Opposition stimmen wollen, praktisch nicht vom Rest der Wählerschaft. Überprüft man den Einfluß der verschiedenen Faktoren auf den Wechsel der Wahlabsicht ebenfalls im Rahmen eines multivariaten Modells, so eigt sich, daß ökonomische Perzeption nur in den neuen, nicht jedoch in den alten Bundesländern von Bedeutung ist. Allerdings ist die Erklärungskraft wirtschaftlicher Wahrnehmungen auch in Ostdeutschland mit maximal drei Prozent erklärter Varianz sehr begrenzt. Ein Blick auf die signifikanten Effekte zeigt, daß 1994 ausschließlich die Wirtschaftskompetenz für die Erklärung der Veränderung der Wahlabsicht eine Rolle spielt. Dabei sind zwei gegenläufige Beziehungen zu erkennen: Einerseits ist die Wahrscheinlichkeit, entgegen der Stimmabgabe bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl nun für die Regierung zu votieren, um so höher, je größer das Vertrauen in die ökonomischen Konzepte von CDU/CSU und FDP ist. Andererseits -und dieser Effekt ist nahezu doppelt so groß wie der zuvor angeführte Zusammenhang -erhöht sich mit wachsendem Vertrauen in die wirtschaftspolitische Kompetenz der Opposition die Tendenz, sich von der Regierung ab-und einer Oppositionspartei zuzuwenden. 1998 ändert sich das Bild etwas: Während der Einfluß der ökonomischen Kompetenz der Regierungsparteien auf den Wechsel der Wahlabsicht bezüglich seiner Richtung stabil ist und gegenüber 1994 auch nur geringfügig an Stärke gewinnt, der Einfluß der Kompetenzzuweisung an die Opposition auf den Wechsel der Wahlabsicht jetzt aber nicht mehr signifikant ist, kann nun ein negativer Effekt der Beurteilung der individuellen Wirtschaftslage beobachtet werden: Je besser diese ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, von einer erneuten Stimmabgabe für die Regierung abzusehen und statt dessen für die Opposition zu votieren.

V. Zusammenfassung

Die Arbeit von Regierungen wird häufig an der wirtschaftlichen Lage gemessen. Dies trifft zumindest für ihre parlamentarischen Gegenspieler und die Medien zu. Ein ähnlicher Zusammenhang wird im allgemeinen auch für die Wählerschaft angenommen. Die empirische Basis, auf die sich die Annahme einer entsprechenden Beziehung stützt, dürfte dabei vor allem die Häufigkeit sein, mit der in den letzten Jahren Probleme aus dem ökonomischen Sektor, vor allem aber die Reduzierung der hohen Arbeitslosigkeit, als zentrale Aufgaben der bundesdeutschen Politik genannt werden.

Auch bei der Bundestagswahl 1998 ist die Niederlage von CDU/CSU und FDP häufig auf die ungenügende Performanz ihrer Wirtschaftspolitik zurückgeführt worden. Dieser Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage und Wahlverhalten liegt -obwohl 1998 sowohl in West-als auch in Ostdeutschland eine deutlich schlechtere Beurteilung der ökonomischen Situation als 1994 zu beobachten ist -in den vorliegenden Analysen jedoch nur begrenzt vor: Während Bewertungen der allgemeinen und der individuellen Wirtschaftslage (ebenso wie die persönliche Betroffenheit von wirtschaftlichen Härten) praktisch keine Rolle bei der Erklärung der individuellen Wahlentscheidung spielen, zeigen sich für die Problemlösungskompetenz, die einer Partei in puncto Wirtschaft zugewiesen wird, deutliche Effekte. Das Vertrauen in die wirtschaftspolitischen Instrumente der politischen Akteure ist somit die stärkste Determinante des Wahlverhaltens aus der Gruppe der ökonomischen Variablen. Im Vergleich zur Bundestagswahl 1994 ist der Einfluß der Problemlösungskompetenz auf die Wahlabsicht 1998 gewachsen.

Bemerkenswert ist schließlich, daß -obwohl die Wähler in den neuen Ländern nach wie vor in erheblich stärkerem Maße persönlich von wirtschaftlichen Härten betroffen sind -die 1994 noch deutlich erkennbaren Unterschiede in der Wahrnehmung der ökonomischen Situation zwischen Ost-und Westdeutschland 1998 nur noch in der Beurteilung der aktuellen Wirtschaftslage bestehen. Alle anderen Einstellungsunterschiede haben sich hingegen weitgehend aufgelöst. Weiterhin findet sich in den neuen Bundesländern eine etwas größere Skepsis gegenüber der Problemlösungskompetenz der beiden Volksparteien. Die sich daraus ergebenden Unterschiede für das Wahlverhalten sind aber einmal mehr eher gradueller als kategorieller Natur.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Werner Glastetter/Günter Högemann/Ralf Marquardt, Die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland 1950-1989, Frankfurt a. M. 1991.

  2. Vgl. z. B. Gebhard Kirchgässner, Economic Conditions and the Popularity of West German Parties: A Survey, in: European Journal of Political Research. 14 (1986). S. 421439; ders., On the Relation Between Voting Intention and the Perception of the General Economic Situation: An Empirical Analysis for the FRG, 1972-1986, in: European Journal of Political Economy, 7 (1991), S. 497-526; Hans Rattinger, Wirtschaftliche Konjunktur und politische Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1980; ders.. Allgemeine und persönliche wirtschaftliche Lage als Bestimmungsfaktoren politischen Verhaltens bei der Bundestagswahl 1983, in: Dieter Oberndörfer/Hans Rattinger/Karl Schmitt (Hrsg.), Wirtschaftlicher Wandel, religiöser Wandel, Wertwandel: Folgen für das politische Verhalten in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1985, S. 183-218; ders., Collective and Individual Economic Judgments and Voting in West Germany, 1961 -1984, in: European Journal of Political Research, 14 (1986), S. 393-419; ders., Unemployment and Elections in West Germany, in: Helmut Norpoth/Michael S. Lewis-Beck/Jean-Dominique Lafay (Hrsg.), Ecönomics and Politics: The Calculus of Support, Ann Arbor 1991, S. 49-62; ders. /Walter Puschner, Ökonomie und Politik in der Bundesrepublik Deutschland. Wirtschaftslage und Wahlverhalten 1953-1980, in: Politische Vierteljahresschrift, 22 (1981), S. 264-286; ders. /Jürgen Krämer, Economic Conditions and Voting Preferences in East and West Germany, 1989-94. in: Christopher J. Anderson/Carsten Zelle (Hrsg.), Stability and Change in German Elections: How Electorates Merge, Converge, or Collide, Westport 1998, S. 99-120. Einen systematischen Überblick über die relevante Literatur zu diesem Thema bieten: Helmut Jung, Wirtschaftliche Einstellungen und Wahlverhalten in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Quer-und Längsschnittanalyse von 1971 bis 1976, Paderborn 1982; ders., Ökonomische Variablen und ihre politischen Folgen: Ein kritischer Literaturbericht, in: Dieter Oberndorfer/Hans Rattinger/Karl Schmitt (Hrsg.), Wirtschaftlicher Wandel, religiöser Wandel und Wertwandel. Folgen für das politische Verhalten in der Bundesrepublik, Berlin 1985, S. 61-95.

  3. Hier ist an die Unterscheidung zwischen Analysen auf der Individual-und Untersuchungen auf der Aggregatebene zu denken. Seltener sind hingegen Kontextuntersuchungen, also Analysen, die die Mikro-und die Makroebene miteinander in Beziehung setzen.

  4. Erstens muß hier nach dem verwendeten Datentyp differenziert werden: So finden sich neben objektiven ökonomischen Daten (z. B. Arbeitslosenquote, Inflationsrate) zahlreiche Untersuchungen, die auf der Analyse subjektiver Daten, also vor allem Wahrnehmungen der ökonomischen Situation, basieren. Zweitens muß eine Unterscheidung nach dem jeweiligen Bezug der Daten vorgenommen werden: Einerseits können sich die verwendeten Daten auf die wirtschaftliche Lage von Individuen beziehen, andererseits kann der Fokus auch auf die ökonomische Situation von Aggregaten (z. B. sozialen Gruppen, Nationen) gerichtet werden.

  5. Vgl. Anthony Downs, An Economic Theory of Democracy, New York 1957.

  6. Empirische Belege für diesen Wirkungszusammenhang finden sich auch für die Bundesrepublik. Vgl. z. B. Douglas A. Hibbs, On the Demand for Economic Outcomes: Macroeconomic Performance and Mass Political Support in the United States, Great Britain, and Germany, in: Journal of Politics, 44 (1982), S. 426-462; Hans Rattinger, Arbeitslosigkeit, Apathie und Protestpotential: Zu den Auswirkungen der Arbeitsmarktlage auf das Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 1980, in: Max Kaase/Hans-Dieter Klingemann (Hrsg.), Wahlen und politisches System. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1980, Opladen 1983, S. 257318; ders., Collective and Individual Economic Judgment (Anm. 2).

  7. Eine Diskussion der beiden theoretischen Zugänge findet sich bei D. Roderick Kiewiet, Macroeconomics and Micropolitics, Chicago 1983.

  8. Die Benennung erfolgt im Rahmen einer offenen Frage nach den wichtigsten Problemen, die es gegenwärtig in der Bundesrepublik zu lösen gilt. Als ökonomische Probleme werden im folgenden die Nennungen zusammengefaßt, die sich auf die Arbeitsmarktsituation, die Preis-und WährungsStabilität, die Wirtschaftslage oder die Wirtschaftspolitik beziehen.

  9. Das geringe Ausmaß an Problemlösungskompetenz, das vor allem der „Wirtschaftspartei“ FDP zugewiesen wird, ist überraschend. auf den ersten Blick Plausibel wird dieser Befund jedoch, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Zuweisung von Lösungskompetenzen u. a. stark durch die individuelle Parteibindung beeinflußt wird. Ein Blick auf die Verteilung der Parteiidentifikationen im Elektorat macht deutlich, daß sowohl in Ost-als auch in Westdeutschland nur etwa zwei für die angeben, eine FDP Parteiidentifikation was das insgesamt geringe Vertrauen in die wirtschaftspolitischen Instrumente der Liberalen erklären kann.

  10. Die unter diese Rubrik subsumierten Variablen - aktuelle bzw.frühere Arbeitslosigkeit, unfreiwilliger Wechsel des Arbeitsplatzes, Ausstieg aus dem Berufsleben -üben nur selten einen signifikanten Effekt auf die Wahlabsicht aus. Bei den wenigen Ausnahmen, die 1994 (West: FDP, Republikaner; Ost: SPD. Bündnis 90/Die Grünen, Opposition) und 1998 (West: CDU, Bündnis 90/Die Grünen. Regierung; Ost: PDS, Opposition) zu beobachten sind, zeigt sich, daß die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit wirtschaftlichen Härten deutlich wichtiger für die Wahlentscheidung sind als eine aktuell vorliegende Arbeitslosigkeit. Mit Ausnahme von Westdeutschland (1998) bzw. Bündnis 90/Die Grünen (1994 und 1998) kommen solche Erfahrungen den Oppositionsparteien zugute.

  11. Der Anteil der erklärten Streuung ist ein Maß für die Güte des angelegten Erklärungsmodells. Maximal können 100 Prozent der Streuung aufgeklärt werden; dann wird das zu erklärende (abhängige) Merkmal durch die in das Modell einbezogenen (unabhängigep) Erklärungsvariablen vollständig determiniert. Stehen die Erklärungsvariablen hingegen in keinerlei Zusammenhang mit der abhängigen Variablen, erreicht der Anteil der erklärten Streuung den Minimalwert von null.

  12. Zum Konzept der Parteiidentifikation vgl. Angus Campbell/Philip E. Converse/Warren E. Miller/Donald E. Stokes, The American Voter, Chicago 1960.

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Hans Rattinger, Dr. phil. habil, geb. 1950; seit 1982 Inhaber eines Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Universität Bamberg; 1987-1989 Gastprofessor an der University of Toronto und der Georgetown University in Washington. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg, mit Jürgen W. Falter und Klaus G. Troitzsch) Wahlen und politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1989; (Hrsg, mit D. Munton) Debating National Security: The Public Dimension, Frankfurt a. M. 1991. Jürgen Maier, Dipl. -Pol., geb. 1968; Studium der Politikwissenschaften in Bamberg; seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Hans Rattinger) Wahlbeteiligung und Wahlnorm in der Bundesrepublik Deutschland: Eine Kausalanalyse, in: Politische Vierteljahresschrift, 36 (1995).