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Globalisierung und Umweltpolitik Die Rolle des Nationalstaates | APuZ 23/1999 | bpb.de

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APuZ 23/1999 Ambivalenzen des Globalisierungsprozesses Chancen und Risiken der Globalisierung Politische Ökonomie der Globalisierung Mikro-Außenpolitik: Über die Rückgewinnung außenpolitischer Wirkungsmacht im Zeitalter der Globalisierung Globalisierung und Umweltpolitik Die Rolle des Nationalstaates

Globalisierung und Umweltpolitik Die Rolle des Nationalstaates

Ulrich Petschow/Susanne Dröge

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag zeigt zunächst die Dynamik der Entwicklung der Umweltpolitik in Deutschland und in der Europäischen Union auf und geht auf die konträre Diskussion um Wettbewerb und Umweltpolitik ein. Im Anschluß daran werden drei Schwerpunkte gesetzt: Erstens werden die für die Entwicklung der Umweltregulierung wichtigen ökonomischen und politischen Mechanismen identifiziert, und es wird der Bezug zum internationalen Regime der Welthandelsorganisation hergestellt. Zweitens werden die Erfolgsbedingungen internationaler Umweltabkommen skizziert und drittens die umweltpolitischen Handlungsmöglichkeiten des Nationalstaates aufgezeigt. Diesem wird für die Entwicklung der Umweltpolitik weiterhin eine bedeutende Rolle zukommen, auch im Rahmen der Globalisierungsprozesse.

I. Problem-und Handlungsebene der Umweltpolitik

Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Wirtschaft, aber auch der ökologischen Risiken erweist sich Umweltpolitik auf nationalstaatlicher Ebene als eine Politik mit begrenzter Reichweite. Aufgrund der zunehmenden weltwirtschaftlichen und umweltpolitischen Problemverflechtungen ist eine Lösung globaler Umweltprobleme allein auf der nationalstaatlichen Ebene nicht zu erreichen. Problem-und Handlungsebene fallen auseinander.

Entsprechend dem Prinzip der Subsidiarität, wie es z. B. in der Europäischen Union verfolgt wird, sollten lokale Umweltprobleme auf der lokalen Ebene und globale Umweltprobleme auf der globalen Ebene bekämpft werden. Dies setzt allerdings voraus, daß es auf den jeweiligen Ebenen entsprechend kompetente Akteure gibt, was auf der globalen Ebene bislang nicht der Fall ist. Deshalb kommt den nationalstaatlichen Akteuren, trotz des „Auseinanderklaffens“ von Problem-und Handlungsebene, eine große Bedeutung zu.

II. Globalisierung und Umwelt

Mit dem Schlagwort von der Globalisierung wird die Botschaft transportiert, daß im Zuge der verschärften internationalen Konkurrenz von Unternehmen und Standorten herkömmliche Formen der Sozialstaatlichkeit sowie Lohn-, Arbeits-und Umweltstandards nicht länger aufrechterhalten werden können. Gesprochen wird von einem „Epochenwechsel“

Die Globalisierung grenzüberschreitender ökonomischer Transaktionen ist seit den achtziger Jahren vielschichtiger geworden und für alle Akteure haben sich die Bedingungen geändert:

Erstens ist die Beschleunigung, Ausweitung und Vertiefung grenzüberschreitender ökonomischer Transaktionen Ausdruck des teilweisen Zusammenbruchs weltwirtschaftlicher Institutionen und Regime der Nachkriegsphase. Entstanden sind neue Märkte und neue Akteure sowie ein Liberalisierungsdruck, auf den die Mehrheit der Volkswirtschaften ihrerseits mit Liberalisierungsprojekten antworten. Das Ergebnis war und ist ein globaler Liberalisierungswettlauf zwischen den Nationalstaaten. Zweitens sind die Globalisierungsvorgänge Ausdruck einer Vertiefung des weltwirtschaftlichen Raumes. Auf die Bühne des globalen ökonomischen Geschehens sind neue ökonomische Räume (new emerging markets), neue Anbieter von Waren auf Kernmärkten der OECD-Ökonomien getreten. Globalisierung bedeutet (auch) eine Erhöhung der Konkurrenzintensität. Unter den Bedingungen ökonomischer Globalisierung sehen sich sowohl Unternehmen und einzelne Wertschöpfungsglieder als auch ganze nationale Räume mit ihren Produktions-, Sozial-und Umweltstandards erhöhter Konkurrenz ausgesetzt.

Der weitaus überwiegende Teil grenzüberschreitender Transaktionen konzentriert sich auf die Gruppe der Triadenökonomien (USA, Europa, Japan), weshalb der Prozeß der Globalisierung vielfach auch als Triadisierung bezeichnet wird.

Zwischen den betreffenden Ökonomien hat seit den achtziger Jahren eine enorme Verdichtung der ökonomischen Transaktionen stattgefunden. Innerhalb der Blöcke stehen die nationalen Räume miteinander in Konkurrenz; dies stellt den gegenwärtig am stärksten wahrnehmbaren Effekt der Globalisierung dar.

Die regionale Integration im Rahmen der Triade ist allerdings in ihrem Umfang begrenzt, was sich in Europa an dem Fehlen eines einheitlichen europäischen Sozial-, Steuer-und Umweltraumes zeigt.

In diesen Politikbereichen haben nach wie vor nationale Regelungen den Vorrang. Besonders deutlich wird dies in der Steuergesetzgebung. Hier werden den Unternehmen neue Bündel an Exit-Optionen angeboten und ein internationaler Steu23 ersenkungswettlauf generiert, der als ein „race to the bottom" bezeichnet werden kann -mit langfristig potentiell zerstörerischen Folgen für die nationalen Räume. Ziel einer Politik, welche dieser Entwicklung gegenzusteuern sucht, muß die Schaffung eines globalen Ordnungsrahmens sein, der auch die Umweltfrage integriert.

Die Wirkungen der Globalisierung auf die Umwelt hängen von einer . Vielzahl von Faktoren in den jeweiligen Ländern ab, so z. B. von dem Entwicklungsstadium, dem Grad der Marktöffnung, den ökonomischen Wachstumsbedingungen vor Ort sowie der Stellung des Landes im internationalen System. Verallgemeinerbare Aussagen sind daher nur begrenzt möglich. Zudem ist festzuhalten, daß sich auch die Ausformung des „traditionellen wirtschaftlichen Fortschritts-und Wachstumsmodells“ zwischen den Industriestaaten selbst stark unterscheidet (Beispiel Energieverbrauch USA -Europa). Doch läßt sich grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Verständnissen von Globalisierung unterscheiden:

Zum einen kann Globalisierung als die weltweite Durchsetzung eines wirtschaftlichen Entwicklungsmodells verstanden werden. Unabhängig von der Öffnung der Volkswirtschaften werden die Vorstellung von Entwicklung als industrieller Entwicklung und die damit verbundenen Konsummuster global übernommen. Zum anderen kann sie als ein umfassender Prozeß der Liberalisierung, der Einführung marktwirtschaftlicher Verhältnisse, des Abbaus von Handelshemmnissen und letztlich der Schaffung eines einheitlichen globalen Marktes aufgefaßt werden.

Beide „Typen“ sind auseinanderzuhalten, wenn ihre Auswirkung auf die Umwelt beurteilt werden soll. Beim ersten Typ wird der Schwerpunkt auf eine vom Weltmarkt abgekoppelte industrielle Entwicklung gelegt. So haben die ehemaligen sozialistischen Länder, die lange Zeit als Repräsentanten dieses Typs galten, einen besonders ressourcenintensiven Entwicklungspfad beschritten, der weder im ökologischen noch im ökonomischen Sinne nachhaltig war. Dies gilt auch für einige Entwicklungsländer, die ihre wirtschaftliche Entwicklung durch den Schutz ihrer Industrie mit Hilfe von Marktabschottungen fördern wollen. Beim zweiten Typ steht die Liberalisierung des Welthandels und der globalen Geld-und Finanzmärkte im Mittelpunkt. Diese kann bezogen auf die ökologische Nachhaltigkeit ambivalente Wirkungen haben. Infolge der Liberalisierung ist es möglich, daß es zu einer höheren Ressourceneffizienz und zum Austausch „sauberer“ Technologien kommt, zugleich besteht die Möglichkeit, daß existierende Umweltstandards in Frage gestellt oder unterlaufen werden bzw. -noch weitergehend -, daß bislang nachhaltige Wirtschaftsformen dem Zugriff des Weltmarktes ausgesetzt und in der Konsequenz zerstört werden Des weiteren kann das infolge der Globalisierung zu erwartende Wirtschaftswachstum zu einer erheblichen Gefährdung der natürlichen Umwelt führen (Skalen-Effekt).

III. Entwicklung der Umweltpolitik in Deutschland

Eine der ersten prononcierten Stellungnahmen, mit der auf die Konsequenzen der „Überflußgesellschaft“ hingewiesen wurde, war die „Grüne Charta“ von der Mainau aus dem Jahre 1961. Der umweltpolitische Problemdruck hat sich in der Folge kontinuierlich erhöht Der Beginn der deutschen Umweltpolitik kann auf das Jahr 1971 und die Vorlage des Umweltprogramms der Bundesregierung datiert werden In der Bundesrepublik Deutschland machten sich die Konsequenzen des wirtschaftlichen Wachstum in Teilbereichen früher bemerkbar als in anderen Ländern. Dies erklärt sich aus der dichten Besiedelung sowie aus dem wirtschaftlichen Wachstum im Gefolge des „Wirtschaftswunders“, welches insbesondere auch mit der Entwicklung der „klassischen“ ressourcenintensiven Industrien (Chemie, Stahl) verbunden war. Die wesentlichen benannten Umweltprobleme und die darauf ausgerichteten Politiken hingen zu diesem Zeitpunkt mit „hygienischen“ Problemen zusammen: Wasserverunreinigung, Abfallbeseitigung und Luftverschmutzung. Kennzeichen dieser wahrgenommenen Umweltprobleme war, daß sie zumeist nahräumlich manifest wurden und als direkte Beeinträchtigungen in den Regionen wirkten.

Für die internationale umweltpolitische Debatte mit Rückwirkungen auf Deutschland erwiesen sich die Konferenz von Stockholm (192) 7 sowie die Studie von Dennis Meadows „Die Grenzen des Wachstums“ als bedeutsam. Scheinbar wie eine Bestätigung der Thesen von Meadows kam es 1973/74 zu der Energiepreiskrise mit der Folge wirtschaftlicher Verwerfungen. Die folgenden konjunkturellen Schwierigkeiten insbesondere in der Industrie führten recht bald zu einem Einfrieren umweltpolitischer Maßnahmen (Konferenz auf Schloß Gymnich 1975), mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht zu gefährden. Das Diskussionsfeld Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz wurde eröffnet.

Der Stillstand der staatlichen Umweltpolitik wurde allerdings politisch nicht „belohnt“, erstarkte doch die Umweltbewegung gerade in dieser Zeit. Wichtige umweltpolitische Themen wie die Nutzung der Atomkraft, aber auch „neue“ Umweltprobleme wie das Waldsterben, Probleme in der Chemieindustrie (Seveso) sowie im Abfallbereich durch stillgelegte Deponien (Georgswerder) kamen Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre auf die Agenda. Einen wesentlichen Einfluß auf die Fort-entwicklung der deutschen Umweltpolitik hatten 1986 die Unfälle von Tschernobyl und des Chemiekonzerns Sandoz. In den frühen neunziger Jahren geriet die Durchsetzungsfähigkeit der Umweltpolitik mit der Debatte um die Globalisierung wiederum in die Defensive.

Auch die Ausrichtung der Umweltpolitik in Deutschland hat sich seit ihrer Etablierung deutlich verändert. Auf der Ebene der Umweltprobleme stand -wie gezeigt -zu Beginn die Beseitigung direkt wahrnehmbarer Umweltschäden im Vordergrund. Im weiteren Verlauf traten zunehmend kontinentale und globale Umweltprobleme auf den Plan, die durch eine Situation des „open access“ im Hinblick auf die „global commons“ ausgelöst wurden (FCKW, Treibhauseffekt). Zugleich veränderte sich die Bedeutung der verschiedenen Verursacher der Umweltprobleme, die direkt durch die Industrie verursachten Probleme haben relativ zu denjenigen des Konsumbereichs abgenommen. Auf der Instrumentenebene hat sich wiederum eine Veränderung von einem „command and control“ -Ansatz (Verbote, Verordnungen) hin zu weicheren Instrumenten (freiwillige Vereinbarungen, Kennzeichnungspflichten) ergeben. Die Kritik an der anfangs praktizierten Umweltpolitik, es handele sich um eine Problem-verschiebung durch den Einsatz additiver Technologien (hohe Schornsteine, von der Luftverschmutzung zur Sonderabfallbeseitigung), hat zumindest in Teilbereichen Ansätze von integrierten Maßnahmen verstärkt.

Diese Bemühungen werden vor allen Dingen innerhalb der EU deutlich, die die Integration der Umweltpolitik in andere sektorspezifische Politiken betont. Grundlage dafür ist die Erkenntnis, daß Umweltpolitik allein nicht hinreichend ist, um die gesteckten umweltpolitischen Ziele zu erreichen. Vielmehr kommt es darauf an, daß Umwelt-aspekte in andere Teilpolitiken integriert werden, um nach Möglichkeit die Umweltauswirkungen bereits bei ihrer Entstehung zu vermeiden.

Eine darüber hinausgehende und erweiterte Sichtweise wird mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung vertreten. Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht zum einen die Wahrnehmung der Begrenzung der natürlichen Ressourcen (Quellen und Senken), und zum anderen wird verdeutlicht, daß Umwelt und Umweltbeeinträchtigungen letztlich durch sozio-ökonomische Prozesse verursacht werden. Eine nachhaltige Entwicklung kann demzufolge nur dann erreicht werden, wenn der Entwicklungsprozeß die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales integriert.

Die Erkenntnis, daß auch die vor-und nachgelagerten Produktionsstufen und vor allem auch der Konsum wesentlich zu den globalen Umweltproblemen beitragen und die in einem Land sichtbaren Umweltprobleme nicht „die ganze Wahrheit“ darstellen, hatte auch eine Erweiterung des Blickwinkels der Umweltpolitik zur Folge. Ausdruck dafür sind etwa im Bereich der ökologischen Produktpolitik die Ansätze der Produktlinienanalyse, der Ökolabels, aber auch das Konzept der „ökologischen Rucksäcke“ Diese Ansätze beziehen die Gesamtzusammenhänge von der „Wiege bis zur Bahre“ in die Betrachtung mit ein. Diese Entwicklung der Umweltpolitik zeigt, daß eine Sichtweise eröffnet wurde, die über die nationalstaatlichen Handlungsebenen hinausreicht und die vor dem Hintergrund des internationalen Regelwerks, z. B.der Welthandelsorganisation (WTO), Kooperation und Abstimmung mit anderen Staaten erforderlich macht.

IV. Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz

Die wirtschaftliche Situation Deutschlands hatte in den beschriebenen Phasen direkte Wirkungen auf die Umweltpolitik, vor allem dadurch, daß in wirtschaftlichen Krisenzeiten darauf verwiesen wurde, daß Umweltpolitik den Standort gefährde. Die Diskussion um Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit wird aber zumindest in neuerer Zeit durch zwei durchaus konträre Positionen geprägt:

Einerseits wird betont, und dies ist die vorherrschende Meinung, daß Regulierungen zu hohen Kosten und sinkender Produktivitätssteigerung führen und einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft bewirken. Andererseits stellen Umweltauflagen nach einer von Michael E. Porter/Claas v. d. Linde vertretenen Hypothese einen entscheidenden Faktor zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und der gesamten Wirtschaft dar

Die nach herrschender Meinung auftretenden Wirkungen auf einen Standort werden indirekt hervorgerufen, da umweltpolitische Maßnahmen an die unternehmerischen Aktivitäten vor Ort anknüpfen. Je nach Art der Regulierung (Abgabe/Steuer oder Standards) werden den Unternehmen direkt (über Abgaben) oder indirekt (durch Standards) höhere Kosten angelastet. In beiden Fällen müssen höhere Investitionen in den Umweltschutz erfolgen, was kurzfristig die Attraktivität eines Standortes beeinträchtigen kann. Ein Standort wird aber auch positiv beeinflußt, da eine Verbesserung der Umweltqualität vor Ort und die Anwendung neuer Umwelttechnologien in einer Region die Unternehmen veranlassen können, sich dort anzusiedeln, um von dem vorhandenen Know-how zu profitieren.

Die Zahlen über Investitionen in den Umweltschutz machen deutlich, daß die Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen bemerkenswert sind. In den meisten Zweigen des produzierenden Gewerbes ist der Anteil der Kosten für die Erfüllung von Auflagen an den gesamten Investitionen eher gering; sie betragen zwischen zwei und vier Prozent. Vergleichsweise hoch ist der Anteil der Investitionen in den Umweltschutz mit durchschnittlich 5, 1 Prozent im verarbeitenden Gewerbe.

Trotz dieser Kostenbelastung stellen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) und das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsinstitut Essen (RWI) auf der Grundlage empirischer Befunde über die unternehmerischen Anpassungsreaktionen fest, daß die den bundesdeutschen Unternehmen auferlegten Umweltschutzanforderungen bisher „verkraftbar“ gewesen sind bzw. nicht zu einer unzumutbaren Zunahme der Belastungen von Unternehmen geführt haben.

In der Sichtweise von Michael E. Porter/Claas v. d.

Linde sind nicht die statischen Kosteneffekte der Umweltregulierung entscheidend, sondern die Innovationsanreize, die von den gesetzlichen Standards ausgehen. Umweltstandards führen demnach zu Innovationen, die der Kostensenkung dienen und die Ressourcenproduktivität steigern. Damit werden die Kosten der Regulierung aufgefangen und die Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten oder sogar erhöht. Die These von Porter/v. d. Linde lautet, daß Umweltverschmutzung ein Zeichen von existierenden Ineffizienzen im privaten Sektor ist. Die Innovationen, mit denen Unternehmen auf Regulierungen reagieren, können in zwei Kategorien unterschieden werden: Erstens können neue Technologien zum Einsatz kommen, mit denen die Ressourcen, die in den Abfällen enthalten sind, verwertet werden. Zweitens läßt sich auf diese Weise die Ressourceneffizienz in der Produktion verbessern. Dies kann z. B. durch bessere Nutzung oder Substitution der Inputs erreicht werden.

Die Effekte aus den durch strengere Auflagen bewirkten Innovationen können daher zu einer verbesserten Wettbewerbsposition einzelner Unternehmen führen, da neue Verfahren oder Produkte in der Regel kostengünstiger sind und ein Markt-vorsprung (early-mover advantage) durch schnelle Reaktion auf die staatlichen Vorgaben erreicht werden kann. Aus ihren Ergebnissen leiten Porter/v. d. Linde ab, daß Regulierungen generell wünschenswert sind, und zwar auch aus der unternehmerischen Perspektive. Empirische Untersuchungen, die sich mit dem Zusammenhang von Umweltschutz und Standortattraktivität beschäftigen, lassen allerdings keine eindeutigen Aussagen diesbezüglich zu. Der Nachweis dieser Zusammenhänge ist schwierig

V. Die Herausforderungen: Europäisierung und Globalisierung

Die ökonomische Globalisierung wurde auch durch das Binnenmarktprogramm der EU forciert. Die Liberalisierung auf europäischer Ebene war zugleich ein Antrieb für die Marktliberalisierung im globalen Maßstab, denn durch die Wettbewerbswirkungen wurden Nachahmer angestoßen Hier soll zunächst das Spannungsverhältnis von Liberalisierung und Umweltpolitik auf EU-Ebene beschrieben werden, bevor ein Blick auf die globale Ebene geworfen wird. 1. Mechanismen im Rahmen der europäischen Integration Der Integrationsprozeß in Europa läßt sich höchst unterschiedlich interpretieren. Fritz W. Scharpf betont, daß im Rahmen der Europäischen Union die „positive Integration“ marktgestaltender und -korrigierender Politiken weit hinter der „negativen“ -der liberalen -Marktintegration zurückbleibt Zentral im Fokus der Römischen Verträge (1957) und der Einheitlichen Europäischen Akte (1987) ist die negative Integration in Gestalt der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes. Die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof (EuGH) konnten den Gemeinsamen Markt auf immer mehr Sachgebiete ausweiten, ohne daß der Europäische Ministerrat dazu eine Entscheidung treffen mußte. Das heißt, die Markt-integration wurde automatisch und „politisch unreflektiert“ vorangetrieben. Hingegen hängt die positive Integration, deren Grundsätze eben nicht explizit durch den Vertrag fixiert sind, jeweils von Ministerratsentscheidungen ab und ist aufgrund der hohen Konsenserfordernisse kaum umsetzbar, wodurch ein liberaler Bias entsteht

In Europa geht die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes nicht gleichermaßen mit dem Aufbau einer politischen Union einher, so daß die nationalstaatliche politische Einbettung der Wirtschaft zerstört wird, ohne daß es auf höherer Ebene zu einer Reregulierung käme. Zwar können die Mitgliedsstaaten noch immer Marktsteuerung betreiben, dies wird allerdings zunehmend schwieriger.

Die rechtlichen Grundlagen des Marktes, also die vier Freiheiten -Güter-und Dienstleistungen, Arbeit und Kapital -und das Wettbewerbsrecht, welche bestimmte Politikinstrumente ausschließen bzw.deren Anwendung schwieriger machen, haben direkte Folgen für die nationale Politik: Die Autonomiespielräume der Mitgliedsstaaten werden zunehmend eingeschränkt, und keine Partei in Europa kann mehr ein Programm vertreten, das den Anforderungen der Verträge widerspricht. „Insofern haben wir fundamentale demokratische Freiheiten eingebüßt.“ Indirekte Autonomiebeschränkungen ergeben sich dadurch, daß die Grenzen der Mitgliedsstaaten durchlässig werden. Durch die vier Freiheiten können sich die mobilen Faktoren dem regulierenden Zugriff des Staates entziehen. Die mobilen Marktteilnehmer können zwischen den verschiedenen Rechtssystemen wählen und setzen die jeweiligen Nationalstaaten unter Konkurrenzdruck. 2. Entwicklung der Umweltpolitik in der EU Trotz der negativen Integration der wirtschaftlichen Liberalisierung des EU-Binnenmarktes hat sich eine EU-Umweltpolitik als gemeinschaftliches Handlungsfeld entwickelt, die in den Römischen Verträgen eigentlich keine Basis hat. Darüber hinaus konnte sogar eine Verbesserung der Umweltstandards durch materielle und durch prozedurale Vorgaben erreicht werden

Stellung des Umweltschutzes im Regelwerk der EU: Die Nivellierung bereits erreichter hoher Standards im Umweltschutz soll durch Artikel 100a Abs. 3 Vertrag über die Europäische Union (EUV) verhindert werden. Dieser legt „ein hohes Schutzniveau“ in Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Verbraucherschutz fest. Das heißt, daß entweder einige Mitgliedsstaaten ihre Normen verschärfen müssen oder aber, daß höhere Normen in einigen EU-Staaten bestehenbleiben, obwohl diese dann ein nicht-tarifäres Handelshemmnis darstellen. In zwei Fällen wurde bisher der nationale Umweltschutz über die Verwirklichung des Binnenmarktes gestellt: Im „Pfandflaschenurteil“ entschied der EuGH, daß Dänemark seine Vorschrift über die Verwendung von Pfandflaschen beibehalten kann, da sie dem Umweltschutz diene. Im Fall des deutschen Verbots von PCB (Polychlorierte Biphenyle), gegen das Frankreich mit dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung klagte, entschieden die Kommission und der EuGH für die Beibe-haltung der Ausnahmegenehmigung. Auch hier wurde festgestellt, daß der Schutz von Umwelt und Gesundheit im Vordergrund stehen

Die Position der nationalen Politik wird im EU-Vertragswerk im wesentlichen durch zwei Vorschriften gestärkt: Beachtung des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 3 EUV und der Erlaß einzelstaatlicher Bestimmungen nach Art. 95, zuvor Art. 100 a (4) EUV. Das Prinzip der Subsidiarität, das in Artikel 3 b des Maastrichter Vertrages 1992 für alle europäischen Politikbereiche festgeschrieben wurde, gilt im Umweltschutz bereits seit 1987. Vollzug und Durchführung der Umweltpolitik liegen bei den Mitgliedsstaaten. Strengere nationale Umweltanforderungen sind möglich. Die Gemeinschaft ergreift nur dann Maßnahmen, wenn die Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik dadurch besser erreicht werden können Weitere strengere nationale Bestimmungen, die über die Maßnahmen auf EU-Ebene hinausgehen, werden durch Artikel 95 des EUV ermöglicht. Mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages (1. 5. 1999) sind den Nationalstaaten zwei Abweichungen von einer EU-weiten Harmonisierung erlaubt. Erstens dürfen nationale Regelungen -wie bereits seit 1987 -beibehalten und zweitens neue nationale Standards eingeführt werden. In beiden Fällen muß die Kommission informiert werden und die Befugnisse sind eng ausgelegt. Im Fall neuer Maßnahmen müssen diese auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt sein und auf ein Problem reagieren, das sich nach Erlaß einer Harmonisierungsmaßnahme ergeben hat (Art. 95 EUV, neue Fassung).

Dynamik der Entwicklung des Politikfeldes „Umwelt“: Als Triebfeder für die Entwicklung der Umweltpolitik in Europa lassen sich im wesentlichen ökonomische und politische Mechanismen identifizieren. Die Basis der ökonomischen Mechanismen stellen Industrien in den Vorreiterländern dar, die sich durch die Verallgemeinerung höherer Standards Wettbewerbsvorteile versprechen (wie z. B. die deutsche umwelttechnische Industrie). In Teilbereichen existiert eine gleichgerichtete Interessenlage mit den Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Darüber hinaus führen strenge Umwelt-schutzvorschriften auch zu „Pull“ -Effekten in anderen Staaten. Die Vorreiterrolle kann also prägend wirken. So liefern die hohen Emissionsstandards bei Müllverbrennungsanlagen in Deutschland in den Nachbarländern eine wesentliche Argumentationshilfe für die dortige Umweltbewegung und werden als Vorbedingung für die Zustimmung für den Bau entsprechender Anlagen genutzt.

Politische Mechanismen wirken vor allem aufgrund des supranationalen Charakters der EU. Ein Teil der Kompetenzen der Nationalstaaten wird auf die EU übertragen, also auf die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Europäischen Gerichtshof. Diese supranationalen Organe sind an einer Ausweitung ihres Handlungsspielraumes interessiert. Damit kann ein institutioneller Kompetenzwettbewerb einhergehen, bei dem neue Politikfelder erschlossen werden. Auslöser für diesen Wettbewerb können die Vorschläge einzelner Mitgliedsländer sein, die von der Europäischen Kommission aufgegriffen werden. Die Kommission wiederum entscheidet in der europäischen Arena über die Agendagestaltung, indem sie dem Ministerrat Vorschläge unterbreitet. Zu einem regulativen Wettbewerb kann es kommen, wenn die Staaten versuchen, die Kommission mit innovativen Ideen zu beeinflussen, wie z. B. England mit dem Öko-Audit -freiwilliges Umweltmanagement für Unternehmen -und Deutschland mit der Großfeuerungsanlagenverordnung. Ideen und Vorschläge werden vielfach dann (von der Kommission) aufgegriffen, wenn es sich um Felder handelt, die auf der EU-Ebene noch keiner Regulierung unterliegen. Die Grenzen der nationalen Politik sind allerdings dann erreicht, wenn aufgrund der umfassenden Regulierung auf EU-Ebene die Mechanismen des positiven Regulierungswettbewerbs nicht mehr greifen können und Vorreiterrollen damit erschwert werden. 3. Mechanismen im Rahmen der Globalisierung Die Ausgangssituation auf der globalen Ebene ist der auf der europäischen Ebene zum Teil ähnlich.

Im Rahmen der Entwicklung des internationalen Handelsregimes erwiesen sich auch dort die Prinzipien der Liberalisierung als durchsetzungsstark. Die verschiedenen Handelsrunden des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade, seit 1995 eingebettet in die WTO, World Trade Organization) waren bisher auf Marktöffnung ausgerichtet, Zollschranken und nichttarifäre Handels-hemmnisse-wurden abgebaut. Auf OECD-Ebene wurden in letzter Zeit auch Verhandlungen über eine weitgehende Liberalisierung des internationalen Investitionsregimes geführt. Obgleich diese Verhandlungen auf der OECD-Ebene Ende letzten Jahres zunächst gescheitert sind, ist zu erwarten, daß ähnliche Initiativen in naher Zukunft wiederaufgenommen werden 2". Im Gegensatz zur EU existiert aber global keine relativierende supranationale Ebene -bzw. allenfalls in Ansätzen. Es gibt keine mit der EU vergleichbare Institution, sondern als internationale Organisationen von Gewicht sind die WTO (Handel) und die UN mit ihren Tochterorganisationen zu betrachten. Dabei hat die WTO allein Kompetenzen im Rahmen der Handelsliberalisierung. Kompetenzen im Hinblick auf Umwelt sind innerhalb dieses Regimes nicht vorhanden

Grundprinzipen des internationalen Handels und die Probleme der Umweltregulierung: Aus Gründen des Umweltschutzes kann es aber Ausnahmen vom freien Handel geben, die in Art. XX des GATT geregelt sind. Grundsätzliche Unterschiede bestehen allerdings in der Differenzierung von Produkt-und Produktionsstandards. Zunächst bleibt es den Nationalstaaten überlassen, Produkt-standards festzulegen und diese auch auf importierte Güter anzuwenden; dies gilt z. B. für das Verbot von Asbest oder auch für die Einhaltung von Mindeststandards wie z. B. Recyclingfähigkeit. Die Maßnahmen müssen allerdings nicht-diskriminierend ausgestaltet sein (Inländerbehandlung). Die Begründung für Importbeschränkungen ist „wissenschaftlich“ nachzuweisen, wobei es vor allem um potentielle Probleme geht wie z. B. beim Importverbot von Rindern, die mit Hormonen behandelt worden sind.

Im Gegensatz zu den Produktstandards stellen Prozeßstandards keine Rechtfertigung für import-beschränkende Maßnahmen dar. Diese Regelung mag Sinn ergeben, da sonst der Willkür Tor und Tür geöffnet sei und implizit die Restriktionen genutzt werden könnten, um protektionistische Ziele zu verfolgen. Allerdings ergeben sich daraus auch erhebliche Probleme. Von besonderer Bedeutung ist dies z. B. für den Schutz der Ozonschicht, die bekanntermaßen durch die Freisetzung von FCKW gefährdet wird. Nach den gängigen Regeln der WTO ist es nicht möglich, solche Produkte vom Import auszuschließen, die zwar kein FCKW enthalten, aber doch mit FCKW hergestellt worden sind.

Beide Fälle, Hormonfleisch und FCKW-Produkte, sind von Bedeutung, weil sie direkt oder indirekt nationale Handlungsmöglichkeiten im Grundsatz in Frage stellen können. Am Beispiel des Import-verbots für Hormonfleisch wird ein zentrales Problemfeld offensichtlich. Die Argumentation der EU lautet, daß das Hormonfleisch ein Gesundheitsrisiko darstellt. Die WTO fordert jedoch, daß das Risiko wissenschaftlich nachgewiesen wird, was bislang nicht bzw. nur unzulänglich erreicht werden konnte Wird eine Marktöffnung durchgesetzt, so könnte dies zur Konsequenz haben, daß die europäischen Bauern, mit dem Ziel, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, zu ähnlichen Maßnahmen greifen und die bestehenden europäischen Prozeßstandards ausgehebelt würden. 4. Umweltpolitik auf globaler Ebene Auch international ist festzustellen, daß Strukturen und eine politische Dynamik existieren, die Tendenzen der positiven (marktbegrenzenden)

Integration in sich tragen, welche die Basis für die Entwicklung eines internationalen Ordnungsrahmens bildet. Die globale Umweltregulierung findet im Rahmen der Multilateral Environmental Agreements (MEAs) statt. Die Teilnahme ist freiwillig, und nicht alle Länder treten diesen Abkommen bei. Eine entscheidende Frage für die Perspektiven von Globalisierung und Umwelt ist, wie die MEAs aufgewertet werden und ein umwelt-politisches Gegengewicht zur Liberalisierung im Rahmen des WTO-Regimes darstellen können.

Gegenwärtig existieren mehr als 170 multilaterale, völkerrechtlich gültige Verträge zum Umweltschutz. Darunter befinden sich das Saure-Regen-Regime, das Marpol-Abkommen oder -auch aktuell stärker diskutiert -das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht (FCKW) und das Kyoto-Abkommen zum Klimaschutz.

Das Montreal-Abkommen, u. a. mit dem Ziel des Ausstiegs aus der FCKW-Produktion, wurde durch die USA initiiert und in der Folge -durch einen Wandel der Haltung der EU -vorangetrieben. Dieser Wandel der EU-Position wurde wesentlich durch die Bundesregierung beeinflußt. Eine große Rolle spielten dabei auch internationale wissenschaftliche Netzwerke („epistemic community“),die über die nationalstaatlichen Ländergrenzen hinweg agieren

Das Kyoto-Protokoll von 1997 regelt zum ersten Mal verbindlich die Reduktion von Treibhausgasen (CO 2, Methan u. a.). Bei allen Schwächen, die diesem Protokoll zugeschrieben werden (keine hinreichenden Ziele, hot-air trading etc.), stellt es doch einen Meilenstein dar, denn es wird völkerrechtlich fixiert, daß eine Reduktion der Klima-gase erforderlich ist, und es werden Reduktionsziele benannt.

In beiden Fällen werden Grenzen der „global commons" zumindest anerkannt und Maßnahmen zur Reduktion der entsprechenden Emissionen vereinbart. Durch die Zuteilung der Verfügungsrechte wird letztlich die Situation des „open access“ im Hinblick auf die „global commons“ überwunden, und es wird ein Regelsystem geschaffen, das einer Übernutzung entgegenwirken kann. Diese Regime entwickelten sich ohne die Existenz eines zentralen Akteurs, im Prinzip durch die Anerkennung eines gemeinsamen Problems und die Kooperation zur Überwindung dieses Problems.

Entstehungsbedingungen internationaler Umwelt-regime: Michael Zürn faßt die Forschungsergebnisse vor allem amerikanischer Autoren zusammen und kommt zu dem Ergebnis, daß eine Institutionalisierung von kooperativem Verhalten stattfindet, wenn -zumindest ein unzufriedener Akteur existiert, der u. a. eindeutige Verletzungen von Gerechtigkeitskriterien anmahnen kann;

-ein transnationales Expertennetzwerk vorhanden ist, das angesichts großer Ungewißheiten eine Wissensautorität darstellt;

-es zumindest einen einflußreichen Akteur in dem jeweiligen Problemfeld gibt, der in der Lage ist, den Konfliktgegenstand mit anderen Themen zu koppeln

Positive Regelungen müssen angesichts eines stark asymmetrischen Interesses einen sach-und vertrauensorientierten Rahmen schaffen. Innerhalb dessen erhalten die Befürworter einer weitergehenden Regelung die Rückversicherung, daß ihre Vorleistungen nicht völlig umsonst sind, und die Bremser werden mit Nachsicht und Unterstützung an das neue Regelungsniveau herangeführt. Internationale Regime müssen demnach zumindest vier Bedingungen beinhalten, um der Logik positiver Regelungen gerecht zu werden Es handelt sich dabei um -die Schaffung eines kooperationsförderlichen vertraglichen Umfeldes;

-einen flexiblen Umgang mit unfreiwilligen Regelungsabweichungen;

-den Ausbau der umweltpolitischen Kapazitäten in weniger entwickelten Staaten und -den Umgang mit Nachzüglern.

Die Erfahrungen mit den internationalen Umwelt-abkommen lehren, daß auch ohne eine Zentral-instanz eine bedeutende, wenngleich nur langfristig zielführende und vielfach fragile positive Integration im Umweltbereich erreicht werden kann.

VI. Handlungsmöglichkeiten des Nationalstaates

Die umweltpolitische Sichtweise hat sich verändert. Standen zunächst vorrangig nahräumliche Umweltprobleme im Vordergrund, so sind die aktuell diskutierten Probleme in verstärktem Maße solche auf globaler Ebene. Entsprechend hat sich die Rolle des Staates im Rahmen dieser Prozesse geändert. Konnte er bislang relativ autonom Rahmendaten setzen, so ist er nun „gebundener Akteur in einer unübersichtlichen Arena globalisierter Problemlagen. Der Nationalstaat verliert an Gewicht, bleibt aber für die umweltpolitische Steuerung weiterhin unabdingbar. Daneben wird auch deutlich, daß eine Reihe weiterer Akteure an Bedeutung gewinnen, die auf der globalen politischen Arena agieren. Zu nennen sind, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die Unternehmen, deren Verhalten entscheidend für die Verbreitung von Standards ist, die Wissenschaft, von deren Risikoeinschätzung vielfach die Durchsetzung umweltpolitischer Initiativen abhängt, und die NGOs, die die Agendagestaltung im umweltpolitischen Sinne wesentlich beeinflussen. Das Konzept der Global Governance beschreibt die Herausforderungen an die Umweltpolitik und die unterschiedlichen Akteure treffend

Der Nationalstaat sollte für die Entwicklung der Umweltpolitik wenigstens drei Aufgaben wahrnehmen: Erstens müssen die nationalen Handlungsspielräume genutzt werden. Es geht zum einen um die Nutzung von „win-win“ -Situationen durch Innovationen und zum anderen um die Entwicklung von Vorreiterrollen. Zweitens soll er den Abbau von Subventionen betreiben, die negative Wirkungen auf die Umwelt haben, sowie die Entwicklung der Umweltpolitik gerade auch in solchen Bereichen fördern, die in nur geringem Umfang von außenwirtschaftlichen Beziehungen tangiert sind. Drittens sollte auf der europäischen und der globalen Ebene die Entwicklung eines ökologischen Ordnungsrahmens vorangebracht werden. Hier sollte der beschriebene Prozeß der Erweiterung internationaler Umweltabkommen unterstützt werden, um zu Problemlösungen auf globaler Ebene zu kommen.

Innovation: Eine Innovationsstrategie, welche die umweltpolitischen Probleme miteinschließt, stellt eine zentrale Option dar, die dazu geeignet sein kann, „win-win“ -Situationen zu erschließen. Solche Optionen werden durch das Markthandeln privater Akteure, aber auch durch den staatlichen Ressourceneinsatz in den nationalen Innovationsregimen erzeugt. Die Umsetzung komplexer Innovationen und Systemlösungen ist für die Attraktivität von Standorten von großer Bedeutung und sie ist eingebettet in die Veränderung des rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeldes. Entscheidend ist daher nicht allein die Orientierung auf Technik, sondern gerade „weiche“ Innovationsfaktoren spielen eine wesentliche Rolle. Im Spektrum der Umweltpolitik lassen sich zentrale Innovationsfelder identifizieren, wie Road-Pricing (Straßenbenutzungsgebühren), Kreislaufwirtschaftskonzepte, Dematerialisierung und Dienstleistungskonzepte Die dargestellte Standortdebatte um die Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Umweltpolitik greift insofern zu kurz.

Abbau ökologisch kontraproduktiver Subventionen:Der Zugriff des Weltmarktes auf die nationalen Märkte kann in Teilbereichen geeignet sein, Blockade-Strukturen in den jeweiligen Ländern aufzulösen. Im Bereich der Landwirtschaft, um ein Beispiel zu geben, führt die Begrenzung der Protektionsmöglichkeit aufgrund internationaler Abkommen wie dem GATT dazu, daß ökologisch kontraproduktive Subventionen im Rahmen der EU-Landwirtschaft zumindest in Frage gestellt werden. Die Honorierung ökologischer Leistungen, die mit einer angepaßten landwirtschaftlichen

Produktion verbunden sind, könnte an die Stelle der problematischen Subventionspraxis treten

Zudem existieren Handlungsspielräume, die nicht mit der Globalisierung in Verbindung zu bringen sind. Hier handelt es sich zum Teil um Probleme, die schon seit zehn oder zwanzig Jahren in der Umwelt-bzw. Naturschutzpolitik diskutiert werden. Stellvertretend kann auf die Diskussion um die Landwirtschaftsklausel im Bundesnaturschutzgesetz verwiesen werden. Dies gilt ähnlich für Maßnahmen des Bodenschutzes, die mit Globalisierungsprozessen nicht oder nur sehr begrenzt in Verbindung zu bringen sind.

Entwicklung des globalen Ordnungsrahmens: Die europäische Ebene spielt im Rahmen der Globalisierung eine wesentliche Rolle, weil die Globalisierung vorrangig als Triadisierungsprozeß zu interpretieren ist und von daher im Wettbewerb innerhalb der Triade auch um Standards entscheidende Impulse gesetzt werden können.

Darüber hinaus ist es unabdingbar, daß die Dynamiken, die im Rahmen der Entwicklung der internationalen Umweltabkommen identifiziert werden konnten, von Seiten Deutschlands, aber auch der EU genutzt werden. Dies wird insbesondere im Hinblick auf die Entwicklungsländer mit Transfer-zahlungen verbunden sein. Ziel dieser Bemühungen sollte es sein, die internationalen Umweltabkommen zu erweitern und zu stärken und zu einer Entwicklung eines globalen Umweltordnungsrahmens beizutragen. Parallel dazu ist es im Rahmen der internationalen Handelsordnung erforderlich, die ökologische Komponente zu befördern. Dies ist zumindest auf zwei Ebenen notwendig: zum einen durch die Anerkennung von ökologischen Mindeststandards sowohl für Prozesse als auch für Produkte und zum anderen durch eine dem Vorsorgeprinzip entsprechende, international akzeptierte Interpretation des Risikobegriffs.

Die differenzierte Bestandsaufnahme der Handlungsfelder nationaler Umweltpolitik unter dem Einfluß der Globalisierungsprozesse zeigt, daß ein Absenken des Niveaus des Umweltschutzes keineswegs zwangsläufig die Folge sein muß. Vielmehr ergeben sich neue Herausforderungen für die nationalen Akteure, die konstruktiv genutzt werden sollten, um Einfluß auf globale Entwicklungen zu nehmen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu Ulrich Petschow/Kurt Hübner/Susanne Dröge/Jürgen Meyerhoff, Nachhaltigkeit und Globalisierung -Herausforderungen und Handlungsansätze, Berlin-Heidelberg-New York 1998.

  2. Rolf S. Sieferle, Epochenwechsel: die Deutschen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Berlin 1994.

  3. Vgl. SRU-Sachverständigenrat für Umweltfragen, Jahresgutachten, Stuttgart 1994.

  4. Vgl. Wolfgang Sachs, Global Ecology: A New Arena of Political Conflict, London -New Jersey 1993.

  5. Der Zusammenhang der Entwicklung von Wohlfahrtsgeseilschaft und Umweltproblemen wird von Christian Pfister (Hrsg.), Das 1950er Syndrom, Bern u. a. 1995, dargestellt.

  6. Einen Überblick zur Umweltpolitik gibt J. Hucke, Umweltpolitik: Die Entwicklung eines neues Politikfeldes, in: Klaus v. Beyme/Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Politik in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1990.

  7. Vgl. Stockholmer Umweltkonferenz der UNO mit der Verabschiedung der Stockholmer Deklaration.

  8. Dennis Meadows u. a.. Die Grenzen des Wachstums. Be-. richt des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972.

  9. „Ökologische Rucksäcke“ bedeuten, daß Konsum und Produktion in einer Region durch Vorleistungsverflechtungen auch mit Umweltbelastungen in anderen Ländern verbunden sind.

  10. Vgl. Michael E. Porter/Claas von der Linde, Green and Competitie: Ending the Stalemate, in: Havard Business Revue, (1995) Sept. /Okt., S. 120-134.

  11. Vgl. DIW/RWI, Umweltschutz und Industriestandort. Der Einfluß umweltbezogener Standortfaktoren auf Investitionsentscheidungen, Mimeo 1992.

  12. „Although the long-run social costs of environmental regulation may be significant, including adverse effects on productivity, studies attempting to measure the effect of environmental regulation on net exports, overall trade flows, and plant-location decisions have produced estimates that are either small, statistically insignificant, or not robust to tests of model specification.“ Adam B. Jaffe u. a., Environmental Regulation and the Competitiveness of U. S. Manufacturing: What Does the Evidence Teil Us?, in: Journal of Economic Literature, 23 (1995), S. 132-163, hier S. 157; vgl. auch Richard B. Steward, Environmental Regulation and International Competitiveness, in: The Yale Law Journal, 102 (1993), S. 2062.

  13. Vgl. Erich Gundlach u. a., Fairneß im Standortwettbewerb? Auf dem Weg zur internationalen Ordnungspolitik, in: Kieler Diskussionsbeiträge Nr. 254, Kiel 1995.

  14. Vgl. Fritz W. Scharpf, Balancing Positive and Negative Integration: The Regulatory Options for Europe, in: MPIfG Discussion Paper 97/8; Philipp Genschei, Markt und Staat in Europa, in: Politische Vierteljahresschrift, 39 (1998) 1.

  15. Vgl. P. Genschei, ebd., 1998, S. 11.

  16. Ebd.. S. 12.

  17. Vgl. Adrienne Heritier u. a„ Ringing the Changes in Europe. Regulatory Competition and the Transformation of the State, Berlin 1996; Christoph Knill, Liberalisierung und Umweltschutz, in: Ökologisches Wirtschaften, Berlin 1998.

  18. Vgl. Europäische Kommission, Medienpakt Europäischer Umweltschutz, Brüssel 1995.

  19. Vgl. Task Force Environment and the Internal Market: Task Force Report „ 1992“ -The Environmental Dimension, Bonn 1990, S. 197 f.

  20. Gleichwohl ist festzustellen, daß im aktuellen Hormonfleischurteil der WTO der Begriff „Risiko“ erstmals intensiv diskutiert wurde und vor allem auch das Recht der Staaten zu Schutzmaßnahmen anerkannt wird. Welche Auswirkungen dies letztlich auf künftige Schiedssprüche haben wird, ist allerdings gegenwärtig nicht klar.

  21. Die Frage des wissenschaftlichen Nachweises ist umstritten. Die EU vertritt die Auffassung, daß die Umweltpolitik nicht erst dann aktiv werden dürfe, wenn die „letzte wissenschaftliche Gewißheit“ vorliegt. Entwicklungsländer wie z. B. Indien sehen darin den Versuch der Abschottung der Märkte und damit Protektionismus.

  22. Zu den internationalen Umweltabkommeri gibt der Band von Thomas Gehring u. a., Internationale Umwelt-regime, Opladen 1997. Die Dynamik des FCKW-Falls und die dabei wichtigen Netzwerkstrukturen und nationalen Politiken werden beschrieben von Reiner Grundmann, Politik-netzwerke und globale ökologische Probleme, in: Politische Vierteljahreszeitschrift, 38 (1996) 2; Michael Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, Frankfurt am Main 1998. Zürn faßt die Diskussion zusammen zu den positiven Effekten der internationalen Umweltabkommen und der Dynamik, die zu deren Zustandekommen geführt haben.

  23. Vgl. Peter M. Haas, Introduction. Epistemic Communities and International Policy Coordination, in: International Organization, 46 (1992); R. Grundmann, Konkurrierende Netzwerke, in: Ökologisches Wirtschaften, Berlin 1998.

  24. Vgl. M. Zürn (Anm. 23).

  25. Diese werden auch als C-4-Design bezeichnet: contractual environment, compliance management, capacity building, concern building.

  26. Vgl. Commission on Global Governance: Our Global Neighbourhood, hrsg. von der Stiftung für Frieden und Umwelt, Bonn 1995.

  27. Vgl. Alexander Gerybadze, Globales Management von Forschung und Innovation, Stuttgart 1997.

  28. Die Berlin-Konferenz über die Agenda 2000 hat allerdings Ergebnisse gezeitigt, die weder umweltorientiert noch GATT-konform sind.

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