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Migration und Migrationspolitik in Luxemburg | Luxemburg | bpb.de

Migration und Migrationspolitik in Luxemburg

Birte Nienaber Nicole Holzapfel-Mantin Adolfo Sommarribas

/ 11 Minuten zu lesen

Luxemburg hat eine lange Geschichte der Einwanderung. Heute sind fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes ausländische Staatsangehörige – meist aus anderen EU-Mitgliedstaaten.

Das Europadenkmal in Schengen (Luxemburg): Die meisten Zugewanderten im kleinen Flächenstaat Luxemburg stammen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. (© picture-alliance/dpa, Oliver Dietze)

Geschichte der Migration

Das Großherzogtum Luxemburg blickt auf eine lange Migrationsgeschichte seit dem Mittelalter zurück. An Klöster angegliederte Unterkünfte für Pilger/-innen und die strategische Lage der Festung Luxemburg förderten die Migration.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Luxemburg eine massive Zuwanderung sowohl von gering als auch von hoch qualifizierten Arbeitskräften (hauptsächlich Deutschen). Diese Entwicklung lässt sich auf die florierende luxemburgische Stahlindustrie zurückführen, die wiederum mit dem Beitritt Luxemburgs zum Interner Link: Deutschen Zollverein im Jahr 1842, dem Ausbau der Eisenbahn im Jahr 1859 sowie der politischen Konsolidierung und Entmilitarisierung nach dem 1867 unterzeichneten Externer Link: Zweiten Londoner Vertrag zusammenfiel, der es Luxemburg ermöglichte, ein neutrales Land zu bleiben. All diese Ereignisse erleichterten den grenzüberschreitenden Handel und den Transport von Waren und Personen. Der Mangel an Arbeitskräften in der einheimischen Bevölkerung trieb qualifizierte Arbeitskräfte aus Deutschland, wie zum Beispiel Ingenieur/-innen, sowie Arbeiter/-innen aus Italien nach Luxemburg. Letztere zirkulierten jedoch auf der Suche nach den besten Arbeitsbedingungen und den höchsten Gehältern zwischen den benachbarten Regionen Lothringen, Luxemburg und Saarland.

Die Einwanderung aus Deutschland wurde Ende des Zweiten Weltkriegs gestoppt, gleichwohl wurden zusätzliche Arbeitskräfte für das Baugewerbe und die Landwirtschaft benötigt. So wurde die Zuwanderung auf der Grundlage bilateraler Abkommen fortgesetzt. Anfänglich versuchte die luxemburgische Regierung Zuwanderung aus Italien zu initiieren, was von der italienischen Regierung aber zunächst abgelehnt wurde. 1948 schlossen Luxemburg und Italien schließlich doch ein bilaterales Abkommen, welches bis zur Gründung der Interner Link: Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1957 verlängert wurde. 1950 folgte ein bilaterales Abkommen mit den Niederlanden zur Anwerbung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte. Mit dem Inkrafttreten der Interner Link: Römischen Verträge am 1. Januar 1958 kamen die Bürger/-innen der sechs Unterzeichnerstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande) in den Genuss der Freizügigkeit der Arbeitnehmer/-innen. Seit Mitte der 1960er Jahre kamen dann portugiesische Migrant/-innen, die in der französischen Nachbarprovinz Lothringen gearbeitet hatten, nach Luxemburg, um vor allem im Bau- und Reinigungsgewerbe oder als Hausangestellte zu arbeiten. Im Jahr 1970 wurde daraufhin ein bilaterales Abkommen zwischen Portugal und Luxemburg unterzeichnet. Luxemburg schloss zudem mehrere bilaterale Abkommen zur Arbeitsmigration aus Drittländern außerhalb der EWG (der späteren EU), die jedoch recht restriktiv waren. So wurde beispielsweise 1970 ein bilaterales Abkommen mit der Sozialistischen Föderativen Republik Interner Link: Jugoslawien unterzeichnet, das die Familienzusammenführung ausschloss, um die dauerhafte Einwanderung aus einem "nicht katholischen" Land zu verhindern. Aus demselben Grund waren auch bilaterale Arbeitsabkommen mit asiatischen oder nordafrikanischen Ländern nicht vorgesehen.

Die Entwicklung Luxemburgs zu einem Dienstleistungs- und Finanzzentrum in den 1980er Jahren zog Arbeitsmigrant/-innen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern an. Bei den heute in Luxemburg ansässigen ausländischen Staatsangehörigen handelt es sich mehrheitlich um EU-Bürger/-innen. Die Zuwanderung nach Luxemburg hat sich im Laufe der Zeit jedoch diversifiziert und umfasst nun auch eine zunehmende Zahl von Drittstaatsangehörigen. Die kapverdische Gemeinschaft kam im Zuge der portugiesischen Einwanderung nach Luxemburg und ist seither die größte Einwanderungsgruppe aus Subsahara-Afrika. Die Kriege auf dem Gebiet der ehemaligen Republik Jugoslawien von 1991 bis 2001 führten zu Fluchtbewegungen auch nach Luxemburg, wo sich bereits eine jugoslawische Einwanderergemeinschaft gebildet hatte. In den letzten Jahren sind viele Nachkommen von Luxemburger/-innen, die vor etwa 100 Jahren nach Brasilien auswanderten, um auf der anderen Seite des Atlantiks eine Stahlindustrie aufzubauen, nach Luxemburg eingewandert. Aufgrund des Einbürgerungsgesetzes von 2017, das Eingewanderten mit luxemburgischen Vorfahren die Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft ermöglicht, ist der Anteil der Einbürgerungen der Nachkommen recht hoch.

Die Migration diversifiziert sich indes weiter. Einerseits wird sie durch die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes des Großherzogtums gefördert, der sich auf den Finanz- und Dienstleistungssektor konzentriert; dies trägt zur Ansiedlung von Migrant/-innen aus den USA, China und Indien bei. Andererseits führt die umfangreiche Ankunft von Asylsuchenden aus Syrien, Irak und Eritrea seit 2015 und, seit Februar 2022, von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zu einer weiteren Diversifizierung der Migration.

Aktuelles Profil der Einwanderungsbevölkerung

Das demografische Profil Luxemburgs ist durch einen hohen Anteil an ausländischen Einwohner/-innen gekennzeichnet. Am 1. Januar 2023 lebten 660.809 Menschen in Luxemburg, von denen 47,4 Prozent ausländische Staatsangehörige waren. Der Anteil der Ausländer/-innen ist in den letzten Jahren stetig gewachsen.

Die große Mehrheit der ausländischen Staatsangehörigen in Luxemburg sind EU-Bürger/-innen (78,4 Prozent). Obwohl der Anteil der Drittstaatsangehörigen zunimmt (auch aufgrund von Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine), sind die fünf zahlenmäßig bedeutsamsten ausländischen Nationalitäten in Luxemburg Angehörige von EU-Staaten mit einer langen Geschichte der Migration nach Luxemburg: Portugal, Frankreich, Italien, Belgien und Deutschland. Die Mehrheit (51,5 Prozent) der ausländischen Bevölkerung ist männlich. Ausländische Staatsangehörige machen mehr als 50 Prozent der Haupterwerbsbevölkerung (25 bis 54 Jahre) aus.

Zwar wohnen in allen Gemeinden Luxemburgs ausländische Staatsangehörige; allerdings ist ihre geografische Verteilung ungleichmäßig: Am höchsten ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung in der Hauptstadt Luxemburg-Stadt (70,8 Prozent), am niedrigsten in der ländlichen Gemeinde Wahl (20,4 Prozent). Neben der Bedeutung der Nachbarländer Luxemburgs, die unter den Top Fünf der Herkunftsländer ausländischer Staatsangehöriger vertreten sind, spielt das Grenzpendeln nach Luxemburg aus Deutschland, Frankreich und Belgien – d.h. aus der Großregion – eine bedeutende Rolle. Im Jahr 2021 pendelten unter der Woche täglich 207.530 Grenzgänger/-innen nach Luxemburg. Dies entspricht 47 Prozent der Gesamtbeschäftigten in Luxemburg und diversifiziert die Bevölkerungsstruktur an Werktagen noch zusätzlich.

Einblicke in die luxemburgische Migrations-, Integrations- und Asylpolitik

Die luxemburgische Gesetzgebung zu Einwanderung und Asyl wird durch die Umsetzung europäischer Richtlinien geprägt und spiegelt auch die sich verändernde Bedeutung der Einwanderung für Luxemburg und deren sozioökonomischen Auswirkungen wider. Im Laufe der Zeit wurde die Gesetzgebung nuancierter und detaillierter, um den zunehmenden Migrationsbewegungen nach Luxemburg sowie den immer vielfältigeren Profilen der Einwandernden Rechnung zu tragen.

Das erste umfassende Asylgesetz wurde im Jahr 2006 eingeführt. Im Anschluss an die Neufassung der Externer Link: Richtlinie 2013/32/EU verabschiedete Luxemburg das Gesetz über internationalen Schutz und vorübergehenden Schutz. Mit der Überarbeitung der luxemburgischen Verfassung im Jahr 2023 wurde das Asylrecht in der Verfassung verankert und so der bestehende nationale Rechtsrahmen im Asylbereich (Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, EU-Besitzstand usw.) ergänzt. Der neue Verfassungstext trat am 1. Juli 2023 in Kraft.

Die ersten integrationspolitischen Maßnahmen wurden in Luxemburg 1993 entwickelt. Es gab zunächst jedoch keine klare Definition des Begriffs "Integration". Die Integration ausländischer Einwohner/-innen folgt bis heute einem Mainstreaming-Ansatz und wird von verschiedenen Akteuren auf lokaler und zentraler Ebene gesteuert. Die Integrationspolitik hat sich seit der Einführung des Gesetzes von 2008 über die Aufnahme und Integration von Ausländern im Großherzogtum Luxemburg weiterentwickelt, welches den Begriff "Integration" erstmals definierte. Das Gesetz versteht Integration als einen zweiseitigen Prozess, der die gesamte Gesellschaft einbezieht: ausländische und einheimische Einwohner/-innen gleichermaßen. Die derzeitige Integrationsstrategie Luxemburgs ist in den mehrjährigen Nationalen Aktionsplänen für Integration (PAN Integration) festgelegt und wird durch zwei Hauptprogramme umgesetzt: den Aufnahme- und Integrationsvertrag (Contrat d’accueil et d’intégration, CAI) und den begleiteten Integrationsprozess (Parcours d’intégration accompagné, PIA).

Das luxemburgische Integrationsgesetz befindet sich seit 2020 in einem umfassenden Reformprozess. Das Ministerium für Familie, Integration und die Großregion konsultierte ein breites Spektrum von Akteuren und beauftragte die Interner Link: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit einer Studie über die luxemburgische Integrationspolitik. Der neue Gesetzentwurf zielt unter anderem darauf ab, den derzeitigen Ansatz der "Integration" durch einen Ansatz zu ersetzen, der auf dem Konzept des "interkulturellen Zusammenlebens" basiert. Dieses ist breiter angelegt, da es beispielsweise zum Ziel hat, "Vielfalt als Reichtum und Vorteil für die Entwicklung einer interkulturellen Gesellschaft" zu etablieren.

Andere Gesetze und politische Maßnahmen, die einen allmählichen Wandel in der Wahrnehmung der Einwanderung in Luxemburg widerspiegeln, sind die Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts und des Wahlrechts. So ließ Luxemburg 2008 die doppelte Staatsbürgerschaft zu und vereinfachte 2017 die Voraussetzungen für den Erwerb der luxemburgischen Staatsbürgerschaft, so dass dieser seither durch Option möglich ist. Im Jahr 2022 wurde das Wahlgesetz geändert, um ausländischen Bürger/-innen die Teilnahme an Kommunalwahlen zu erleichtern. Alle ausländischen Staatsangehörigen, die sich legal in Luxemburg aufhalten, können nun an den Kommunalwahlen teilnehmen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und der Dauer ihres Aufenthalts. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, "unsere nicht-luxemburgischen Bürger/-innen in den demokratischen Prozess einzubeziehen", da das Interner Link: Wahlrecht ein wesentlicher Faktor der Integration sei.

Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel

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ist Professorin für politische Geographie an der Universität Luxemburg und koordiniert die nationale Kontaktstelle Luxemburg des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN). Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Migration und Grenzstudien.

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der nationalen Kontaktstelle Luxemburg des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) am Fachbereich Geographie und Raumplanung der Universität Luxemburg.

ist Experte für Migrationsrecht an der nationalen Kontaktstelle Luxemburg des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) und Justiziar in Projekten der Universität Luxemburg.