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20. November 1945: Beginn der Nürnberger Prozesse | Hintergrund aktuell | bpb.de

20. November 1945: Beginn der Nürnberger Prozesse

Redaktion

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Am 20. November 1945 begann das erste Verfahren des Internationalen Militärgerichtshof gegen Hauptverantwortliche der NS-Verbrechen. Es gilt als Meilenstein für das Völkerstrafrecht.

Die Richter im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wurden von den vier Siegermächten gestellt – Frankreich, USA, Großbritannien und Sowjetunion. (© picture-alliance, akg-images)

Die Terrorherrschaft des Interner Link: Nationalsozialismus und der Interner Link: Zweite Weltkrieg brachten Leid und Zerstörung über Europa und die Welt. Die Nationalsozialisten begingen unzählige Kriegsverbrechen und ermordeten Interner Link: sechs Millionen Jüdinnen und Juden sowie Interner Link: Hunderttausende Sintize und Sinti, Romnija und Roma. Auch andere gesellschaftliche Gruppen wurden Interner Link: Opfer von Verfolgung und Ermordung, darunter Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und politisch Oppositionelle. Über 50 Millionen Menschen – Soldaten und Soldatinnen wie Zivilistinnen und Zivilisten – verloren während des Zweiten Weltkriegs durch Interner Link: Kriegshandlungen und ihre Folgen das Leben.

Interner Link: Bereits seit Anfang der 1940er Jahre hatten die späteren Siegermächte darüber verhandelt, wie diese Verbrechen nach Kriegsende zu sühnen seien. 1942 wurde die "Interalliierte Kommission zur Bestrafung von Kriegsverbrechen" gegründet. Im Oktober 1943 gründeten 17 alliierte Staaten die "United Nations War Crimes Commission", um die juristische Verfolgung von Kriegsverbrechen vorzubereiten. Die Sowjetunion trat dieser Organisation nicht bei. In der Moskauer Deklaration, die im selben Monat verabschiedet wurde, einigten sich Großbritannien, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten darauf, deutsche Kriegsverbrecher an die Länder auszuliefern, wo sie ihr Verbrechen begangen haben.

Gründung des Internationalen Militärgerichtshofs

Um die Strafverfolgung zu vereinheitlichen, wurde am 8. August 1945 das Statut für den Internationalen Militärgerichtshof (auch "Londoner Statut" oder "Nürnberger Charta") veröffentlicht, in dem die Rechtsgrundlagen für das Vorgehen gegen die nationalsozialistischen Verbrechen festgelegt wurden.

Das von der Sowjetunion, Großbritannien, den USA und Frankreich ausgearbeitete Statut sah diverse Tatbestände vor: "Verbrechen gegen den Frieden", "Kriegsverbrechen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Unter Kriegsverbrechen fielen demnach u. a. das Misshandeln oder die Ermordung von Kriegsgefangenen. Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit galten Verbrechen an der Zivilbevölkerung, etwa die Ermordung oder die Deportation zur Zwangsarbeit oder die Verfolgung aus rassistischen, politischen oder religiösen Gründen. Zudem schufen die Alliierten einen neuen, bislang im internationalen Recht nicht vorgesehenen Straftatbestand: die "Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskriegs".

Als Ort für den Internationalen Militärgerichtshof wurde Nürnberg ausgewählt: Dort hatten die Nationalsozialisten unter anderem die Interner Link: sogenannten Rassengesetze verabschiedet und die Interner Link: NSDAP ihre Reichsparteitage inszeniert. Verhandelt wurden in Nürnberg Verbrechen, die sich nicht auf das Gebiet eines Staates beschränkten.

Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher

Die Verhandlung gegen die Interner Link: Hauptangeklagten begann am 20. November 1945. Die Alliierten wollten ursprünglich 24 Männer vor Gericht laden. Ein Angeklagter galt jedoch als nicht verhandlungsfähig, gegen einen weiteren wurde in Abwesenheit verhandelt. Und Robert Ley, einst Leiter der Deutschen Arbeitsfront, entzog sich dem Gerichtsverfahren durch Selbstmord. Deshalb mussten sich letztlich nur 21 Angeklagte beim Prozess persönlich verantworten. Andere Kriegsverbrecher wie der Diktator Adolf Hitler selbst, sein Propagandaminister Joseph Goebbels sowie SS-Chef Heinrich Himmler hatten kurz vor oder nach Kriegsende Suizid begangen.

Als Hauptangeklagte fanden sich auf der Anklagebank führende nationalsozialistische Politiker, darunter Hermann Göring, unter Hitler Wirtschaftsminister und Luftwaffenchef, oder Julius Streicher, Gauleiter von Franken. Er hatte als Herausgeber des Propagandablatts "Stürmer" die Bevölkerung gegen Jüdinnen und Juden sowie Oppositionelle aufgehetzt. Ebenso angeklagt waren der NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop sowie der frühere Reichskanzler Franz von Papen, der als Schlüsselfigur auf dem Weg zu Hitlers Machtergreifung gilt. Außerdem machten die Alliierten mehreren Militärs den Prozess – so etwa Großadmiral Karl Dönitz, dem, nach Hitlers Tod, letzten Staatsoberhaupt des NS-Staats. Und auch Albert Speer, Hitlers wichtigster Architekt, der als Rüstungsminister die Waffenproduktion auf Kosten von Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern massiv gesteigert hatte, musste sich in Nürnberg für seine Taten verantworten.

Unzählige Beweise gesichtet

Der Gerichtshof begann seine Arbeit am 18. Oktober 1945. Die Ankläger und Richter kamen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion. In den folgenden Monaten sichtete das Gericht unzählige Beweisdokumente und hörte zahllose Zeugen an. Wie bei jedem rechtsstaatlichen Verfahren erhielten auch die Angeklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Der Prozess sollte auch der demokratischen Umerziehung der deutschen Bevölkerung dienen und sie über die nationalsozialistischen Verbrechen informieren. Weltweit war das mediale Interesse groß, doch der deutsche Rundfunk sowie die neugegründeten deutschen Zeitungen berichteten besonders umfassend über das Geschehen in Nürnberg. Zwar gab es mitunter auch Kritik an der Prozessführung. Doch die Beweisführung wurde von vielen Beobachtern als stringent gelobt. Insbesondere den Holocaust belegten die Ankläger nachdrücklich. Filmaufnahmen aus den Konzentrationslagern dokumentierten den nationalsozialistischen Völkermord. Im Jahr 1947 wurde schließlich eine 42 Bände umfassende Dokumentation sämtlicher Beweise veröffentlicht.

Die Verteidiger, allesamt deutsche Juristen, hatten weitgehenden Zugang zu den Beweismitteln. Manche von ihnen versuchten den Prozess pauschal zu Unrecht als Siegerjustiz zu diskreditieren. Ein Vorwurf, der allerdings auch außerhalb rechtsextremer Kreise diskutiert wurde, war der Umstand, dass das Führen eines Angriffskriegs als Völkerrechtsbruch angeklagt war – darin sahen manche Juristen damals einen Verstoß gegen den rechtlichen Grundsatz, dass es keine Strafe für eine Tat geben dürfe, die zur Zeit der Ausführung noch nicht unter Strafe stand ("nulla poena sine lege"). Allerdings hatte Deutschland den Interner Link: Briand-Kellogg-Pakt unterzeichnet. Das Reich hatte sich damit verpflichtet, auf den Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Streitfälle zu verzichten. Der NS-Staat und die Wehrmacht hatten dagegen verstoßen.

Letztlich war die Debatte über die Rechtmäßigkeit dieses Straftatbestands jedoch ohnehin eher theoretischer Natur. So verweist der Historiker Wolfgang Benz darauf, Interner Link: "dass zur Verurteilung der Männer auf der Anklagebank die herkömmlichen deutschen Strafgesetze völlig ausreichten". Zudem wurde kein einziger Verurteilter nur wegen des neuen Straftatbestands verurteilt.

Zwölf Todesurteile, drei Freisprüche

Am 30. September und 1. Oktober 1946 sprachen die Richter schließlich ihre Urteile: Zwölf Angeklagte wurden zum Tode durch Strang verurteilt, darunter neben Streicher und Ribbentrop auch Wilhelm Frick, der bis 1943 Reichsinnenminister war. Göring beging nur wenige Stunden vor der Vollstreckung seines Todesurteils Selbstmord. Die Verfahren gegen von Papen und Hjalmar Schacht, Reichswirtschaftsminister bis 1937, sowie den Abteilungsleiter im Reichspropagandaministerium Hans Fritzsche endeten mit Freisprüchen.

Die restlichen Angeklagten verurteilte das Gericht zu langjährigen und teils lebenslangen Haftstrafen – abzusitzen in einem Gefängnis in Berlin-Spandau. Bis auf den einstigen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß kamen allerdings alle Gefangenen in den zwei Jahrzehnten nach dem Prozess frei. Der zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte Heß brachte sich 1987 in seiner Zelle um.

Große Bedeutung für das Völkerrecht

Dass erstmals der Straftatbestand "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor einem internationalen Gericht verhandelt wurde, hatte in den nachfolgenden Jahrzehnten maßgeblichen Einfluss auf die völkerstrafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen. 1948 beschloss die UN-Vollversammlung die Interner Link: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie eine Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord.

Der ursprüngliche Plan der drei Westmächte und der Sowjetunion, dem Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof weitere Verfahren gegen Nazi-Verbrecher unter gemeinsamer Gerichtshoheit der Alliierten folgen zu lassen, zerschlug sich aufgrund des ab 1946 rasch aufkommenden Kalten Kriegs. Die vier Besatzungsmächte urteilten das NS-Unrecht in ihren Zonen selbst ab – teils in unterschiedlichem Ausmaß. Besonders konsequent ging die Sowjetunion vor. Interner Link: In der sowjetischen Besatzungszone wurden bis 1949 8.059 Personen wegen NS-Verbrechen rechtskräftig verurteilt, weitere 4.829 in der dort gegründeten DDR. In den drei Westzonen und ab 1949 in der Bundesrepublik wurden insgesamt 6.498 Personen verurteilt.

Wegen NS-Verbrechen rechtskräftig durch deutsche Gerichte Verurteilte (Interner Link: Hier finden Sie die Grafik als hochauflösende PDF-Datei) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die meiste Beachtung fanden nach dem ersten Nürnberger Prozess die zwölf Nachfolgeprozesse, die die Amerikaner in Nürnberg unmittelbar im Anschluss an das Hauptkriegsverbrecher-Tribunal führten. Sie dauerten bis Mitte 1949 und zeigten, in welchem Ausmaß die Führungseliten verschiedener gesellschaftlicher Bereiche die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gestützt haben. Die Verfahren richteten sich gegen die Eliten aus Verwaltung, Wirtschaft und diverser NS-Organisationen. Im sogenannten Ärzteprozess wurden das nationalsozialistische "Euthanasie"-Programm und Menschenversuche einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Ab 1946 kam es zudem zu mehreren Prozessen gegen mutmaßliche Täter der Novemberpogrome – diese Verfahren überließen die Alliierten der deutschen Gerichtsbarkeit.

Auch angesichts des beginnenden Kalten Kriegs erlahmten die Anstrengungen der Alliierten eine umfassende Aufarbeitung der NS-Verbrechen zu erreichen insbesondere in Westdeutschland bereits nach einigen Jahren. Weite Teile der bundesdeutschen Strafjustiz versagten bei der Aufarbeitung der Nazi-Gräueltaten. Manchen NS-Verbrechern wurde allerdings der Prozess gemacht – eines der wichtigsten Verfahren war der Frankfurter Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965. Auch in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Verfahren gegen ehemalige KZ-Wachleute.

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