Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Spanien in der westlichen Verteidigung | APuZ 2/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 2/1954 Zwei Stimmen zu anglo-amerikanischen Unstimmigkeiten Spanien in der westlichen Verteidigung

Spanien in der westlichen Verteidigung

Lawrence Fernsworth

Wir entnehmen mit Genehmigung des Verlages der amerikanischen Zeitschrift „FOREIGN AFFAIRS“ (Juli 1953) den folgenden Artikel von Lawrence Fernsworth.

Am 26. 9. 1953 wurde in Madrid der spanisch-noramerikanische Beistandspakt geschlossen. Der Artikel ist vor Abschluß des Vertrages erschienen.

Niemand bezweifelt, daß Spanien zum Westen gehört, jedoch nur wenige sind sich darüber im klaren, welche Rolle es im Rahmen der westlichen Verteidigung spielen kann. Der spanische Staatschef, Francisco FRANCO, und der portugiesische Premierminister Dr. Antonio de OLIVEIRA SALAZAR, veröffentlichten am 15. April 1952 eine gemeinsame Erklärung, in der sie darauf hinwiesen, daß die iberische Halbinsel einen einzigen und unteilbaren strategischen Block darstelle und dies daher „ade-quate Maßnahmen erfordere, um eine Politik für die Verteidigung beider Länder innerhalb des allgemeinen Aufbaus der westlichen Verteidigung durchzuführen.“ Zum gleichen Zeitpunkt, als diese beiden Persönlichkeiten ihre Konferenz nahe der portugiesischen Grenze abhielten, begannen Militär-und Wirtschaftsexperten der Vereinigten Staaten und Spaniens in Madrid Besprechungen mit dem Ziel, Spanien in das Schema der westlichen Verteidigung einzubeziehen. Diese Besprechungen wurden nach der Ankunft des neuernannten amerikanischen Botschafters, James C. DUNN, im April 195 3 wiederaufgenommen. Ähnliche Besprechungen mit Portugal waren unnötig, da dieses Land Mitglied des Nordatlantikpakts ist.

Der geologische Zufall, der Portugal von der spanischen Hochebene trennt, sowie weitere geographische und historische Tatsachen haben Portugals politische Trennung von Spanien verankert. Die Anerkennung der strategischen Einheit der beiden Länder ist nichtsdestoweniger für die militärischen Planer von größter Bedeutung. Spanien stellt in strategischer Hinsicht eine Schanze, eine Festung auf dem europäischen Kriegsschauplatz dar, wobei mit der letzten Bezeichnung der Teil Europas und des Atlantiks gemeint ist, der westlich einer gedachten Linie von der skandinavischen Halbinsel bis zum persischen Golf liegt-Innerhalb dieses größeren Kriegsschauplatzes wird Spanien als ein unerläßliches Bollwerk im Operationsgebiet des Mittelmeeres und als eine Brücke zwischen Nordafrika und der europäischen Halbinsel angesehen. Hannibal Benutzte Spanien zwar als Brücke für seinen Angriff auf Rom, in Wirklichkeit hat es aber auf Grund der natürlichen Hindernisse zwischen ihm und dem übrigen Europa selten als Brücke gedient. Die vergrößerte Reichweite und Wirksamkeit von See-und besonders von Luftstreitkräften, für die schwer passierbare Gebirge heutzutage kein schwieriges Hindernis mehr sind, haben der Stellung Spaniens eine neue Bedeutung verliehen.

Jemand, der mit Spanien vertraut ist, kann wohl verstehen, warum dieses Land der Schlösser in den Augen der militärischen Planer eine ausgedehnte Festung ist. Es ist von massigen Gebirgswänden und dem Meer umgeben. Seine Gebirgsketten fallen zur Küste ab, wobei sie nur schmale Landstreifen zwischen sich und dem Wasser lassen. Sein Inneres wird von Gebirgszügen mit tiefen Tälern kreuz und quer durchzogen. Das Zentralgebiet besteht aus einer bergigen Hochebene, die zweidrittel des Landes einnimmt. Die Durchschnittshöhe der „meseta“ vom Fuße der Berge aus beträgt 600 Meter. Die Durchgangsstraßen und Eisenbahnlinien steigen und winden sich an den steilen Abhängen dieser Berge wie die Pfade der einheimischen Gemsen oder wilden Ziegen. Dies sind die geographischen Gegebenheiten, die die Festung Spanien aus den europäischen Kriegen herausgehalten haben, außer, wenn Armeen durch Elemente innerhalb der Festung selbst zum Einmarsch aufgefordert wurden.

So wurde Spanien auch durch seine Lage zu einem zentralen Faktor in dem seit über 250 Jahre währenden Kampf um die Macht im Mittelmeerraum. Die spanischen Erbfolgekriege (1701— 1713) wurden wegen des Problems ausgetragen, ob die zukünftigen Könige Spaniens Habsburger oder Bourbonen sein sollten. Obwohl die Bourbonen, Mitglieder der herrschenden Familie von Frankreich, auf dem Throne saßen, annullierte England dieses französische Vorrecht durch die Besetzung Gibraltars (1702) und der Insel Menorca mit seinem bezaubernden landumgebenen Tiefwasserhafen (1708) -Dadurch machte England einen gewaltigen Fortschritt in seinen Bestrebungen, den Mittelmeerraum zu beherrschen. Der Vertrag von Utrecht (1713) sah vor, daß Spanien niemals eine politische — und daher auch keine militärische — Union mit Frankreich bilden sollte.

Während der Napoleonischen Kriege macht Spanien den fatalen Fehler, einer der Satelliten Napoleons zu werden. Es wurde gezwungen, das Territorium von Louisana an Frankreich abzutreten (1800) und seine südamerikanischen Kolonien begannen ihm zu entgleiten. Nelson brach bei Trafalgar (1805) die vereinigte Seemacht Spaniens und Frankreichs, während Wellington den spanischen Volksarmeen half, die Franzosen aus dem Lande zu treiben-Spanien ist seitdem keine bedeutende See-oder Militärmacht mehr gewesen. Der Besitz von Malta stärkte die Position Englands im Mittelmeer so sehr, daß es im Frieden von Amiens im Jahre 1802 Menorca an Spanien übergab.

Die Napoleonischen Kriege hatten daher die zweifache Auswirkung, daß nämlich Spanien einmal von seinen politischen Verwicklungen mit Frankreich freigemacht und außerdem in die Rolle einer neutralen Macht in europäischen Konflikten versetzt wurde. In dieser Rolle blieb es jedoch weiterhin ein bedeutender Faktor im politischen Gleichgewicht des Mittelmeerraums. Seine Neutralität während des ersten Weltkrieges war für die alliierten Mächte von äußerster Bedeutung, weil dadurch verhindert wurde, daß der gesamte Mittelmeerraum zum Kriegsschauplatz wurde. Die Intervention der Axenmächte auf der Seite des Generals Franco im letzten Bürgerkrieg war ein weiterer Versuch, dieses Gleichgewicht zu stören. Der republikanische Präsident Don Manuel Azana wies zu damaliger Zeit in einer Rede an seine Minister mit den Worten daraufhin: „Es ist ihnen gelungen, die beiden Westmächte, England und Frankreich, die stets an der Wahrung des Gleichgewichts interessiert waren, gerade in dieser Sphäre, in der sich Spanien jahrzehntelang befunden hatte, matt-zusetzen.“ Sowjetrußland griff ebenfalls in die Auseinandersetzung ein, um das traditionelle Gleichgewicht im Mittelmeerraum zu sprengen.

Im zweiten Weltkrieg versuchten die Axen-mächte Spanien zu einer Operationsbasis zu machen und so Frankreich und seine Alliierten in einer Falle zwischen Rhein und Pyrenäen zu fangen; ihr Plan mißlang jedoch.

Welche grundsätzlichen Faktoren tragen nun dazu bei, Spaniens gegenwärtigen Platz in der Strategie der westlichen Verteidigung zu bestimmen? In welchem Ausmaß sind sein Gebiet und seine Hilfsquellen „eine Bastion der Verteidigung, ein lebenswichtiges Verbindungsglied eines freien und friedlichen Europas", wie der Befehlshaber der sechsten amerikanischen Flotte, Vizeadmiral John H. Cassady, während eines Höflichkeitsbesuchs der sechsten US-Flotte in Spanien im Januar 1953 sagte? Bei jedem Versuch, diese Frage zu beantworten, muß die Rolle Spaniens als verbindendes Glied zwischen dem europäischen Kontinent und Nordafrika in Rechnung gezogen werden; ferner die vermutliche Stärke und Wirksamkeit der spanischen Landstreitkräfte; die Stärke der Pyrenäen als eine Verteidigungsbarriere; und die Stärke und Schwäche seiner Verbindungslinien, der bestehenden und geplanten Flugbasen und der Häfen.

II Historisch gesehen verlief der militärische Verkehr zwischen Nordafrika und Spanien über den Mittelmeerseeweg fast nur in einer Richtung; und fast immer haben die Eindringlinge angchalten, bevor sie Spanien erreichten. Die spanische Halbinsel wurde nicht Wie Großbritannien als ein Damm für den Übergang zu anderen Teilen des Kontinents oder der davor-lagernden Insel benutzt. Spanien scheint mehr eine Sackgasse für wandernde Völker aus Europa und Eindringlinge aus Afrika als eine Brücke zwischen den beiden Kontinenten gewesen zu sein. Ein Hauptgrund hierfür liegt in den besonderen geographischen Gegebenheiten Spaniens; Seine zentrale Hochebene, die vielfältigen Bergketten und die Barriere der Pyrenäen. Das Land verfügt über keine natürlichen Wege oder Verkehrsmöglichkeiten, weder zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantik, noch zwischen Nordafrika und dem europäischen Kontinent. Seine Hauptflüsse fließen entweder zurück in das Mittelmeer oder nach Süden und Westen in der Europa 'entgegengesetzten Richtung.

Die ersten Einwanderungen nach Spanien kamen zweifellos aus Afrika, vielleicht über eine Landbrücke, die bestand, bevor der Atlantik durchbrach zum Mittelmeersee und die Straße von Gibraltar bildete. Die frühen karthagischen und späteren arabischen Berberinvasionen kamen ebenfalls aus Afrika. Zu Zeiten des Bürgerkrieges brachen die Axenmächte von Nordafrika herein. Weitreichende Luftstreitkräfte haben jedoch die Situation grundlegend geändert. Obwohl Spanien in Bezug auf die Land-verbindungen vielleicht noch die alte Saokgasse ist und vielleicht auch weiterhin bleiben wird, so ist die Halbinsel jedoch in Bezug auf den Luftverkehr wenn nicht direkt eine Brücke, so doch zumindest zu einer wichtigen Station zwischen den beiden Kontinenten geworden. Und sie bietet auch die Möglichkeiten, um als behelfsmäßige Absprungbasis für weitreichende Luftoperationen zu dienen.

Als „Vorposten“ Europas bietet Spanien den militärischen Strategen auch die Aussicht, in einer Notlage ein europäisches Bollwerk gegen eine Invasion aus dem Osten zu bilden und als ein Evakuierungszentrum für alliierte Streitkräfte und zum Rückzug gezwungene Zivilbevölkerung zu dienen. Alle Pläne für die Verwendung der Halbinsel im Falle, daß die Russen einen überragenden Sieg in einem Zug durch Deutschland und Frankreich erringen würden, werden natürlich von den Franzosen und Deutschen als „Defätismus“ bezeichnet. Die beiden Länder sind nämlich über alle Vorschläge aufgebracht, daß in den westlichen Verteidigungsberechnungen auch von einer Kriegstheorie die Rede sein könnte, bei der die westeuropäischen Länder einer russischen Besetzung preisgegeben werden. Es bleibt jedoch die Tatsache bestehen, daß, falls der Feind die Pyrenäen erreichen sollte, Europas letzte Stellung nur an den Pyrenäen bezogen werden könnte. Die nächste Linie für die Verteidigung oder den Gegenangriff würde in Nordafrika liegen. -III Welche Hilfe könnten spanische Landstreitkräfte leisten? Die spanischen Soldaten würden sich in ihrer Heimat gut bewähren. Sie zeichnen sich besonders als Guerillakämpfer aus, und sie kennen die Struktur ihres Heimatlandes, wie es niemals ein Fremder kann. In dem äußersten Fall einer Invasion würde ihre natürliche Taktik darin bestehen, den GEGNER zur Erschöpfung zu bringen, so wie sie es taten, als Napoleons Armeen Spanien überrannten. Sie würden wohl in der Lage sein, hinhaltend zu kämpfen, so daß die europäischen Armeen Zeit hätten, die Frontlinien neu zu ordnen. Es darf nicht vergessen werden, daß Spanien über einen starken Kader an Berufssoldaten — die Fremdenlegion und die Berbereinheiten — in Spanisch-Marokko einigen kleineren -und nordafrikani schen Kolonien verfügt. Kurz gesagt, zur Verteidigung der Pyrenäen oder bei einer möglichen Ausweitung eines Krieges auf die Halbinsel würden die Streitkräfte Spaniens eine willkommene Verstärkung darstellen.

Ob die spanische Armee jedoch zum Einsatz als Expeditionsstreitkräfte geeignet wäre, ist eine andere Frage. Der Spanier ist ein leidenschaftlicher, hartnäckiger Kämpfer, wenn es um die Verteidigung seiner Heimat, seiner Pueblos und seiner besonderen Anschauung von Dingen geht, um die es sich zu kämpfen lohnt. Er hat jedoch einen angeborenen Widerwillen gegen Kriege im Ausland. So paradox wie es scheinen mag, der Mensch, der unter außergewöhnlichen Umständen ein solch hervorragender Kämpfer sein kann, ist grundsätzlich ein Mensch des Friedens und der Behaglichkeit. Nichts ist ihm lieber, als in Ruhe in seinem Dorf oder in seiner Stadt zu leben. Dies ist immer so gewesen. Selbst im 16. Jahrhundert unter Karl V-und Philip II., die ihre Kriege nach Flandern und Holland trugen, kämpfte der Spanier mit Widerwillen und wurde schließlich besie-gt. Dieser Umschwung vom Krieg auf fremder Erde wurde von einem der besten Soldaten seiner Zeit, der auch einer der berühmtesten Balladensänger war, Garcilaso de la Vega, zum Ausdruck gebracht:

(Er fiel im Alter von 31 Jahren in der Provence). Und jeder von uns hat den Krieg empfunden, Krieg und immer wieder Krieg und Exil, Hunger und Furcht, und jeder von uns ist es bis zum Äußersten überdrüssig sein eigenes Blut an einer Lanze entlang fließen zu sehen und am Leben zu bleiben, weil diese ihr Ziel verfehlte. Und alles ist vorbei, seiest der Name des Hauses, der Heimat und die Erinnerung.

Und was hat es für einen Zweck gehabt? ...

Die Heldentaten der Konquistadoren in der Neuen Welt trugen jedoch dazu bei, die hervorragenden Eigenschaften der spanischen Soldaten hervorzuheben, wenn ihre Herzen im Kampfe dabei sind. Hier bot sich dem einzelnen Soldaten die Möglichkeit, sowohl das große Abenteuer in Verbindung mit Ruhm und dem Erwerb von Reichtümern zu erleben, als auch seinen Anteil zum Werden der Größe Spaniens beizutragen. Einbildungskraft und Fhrgeiz wurden aufgerüttelt, so wie es niemals in den schmutzigen Kriegen des Kontinents der Fall sein konnte, die zum großen Teil mit gedungenen Söldnern geführt wurden. Die Scharen der Konquistadoren waren keine regulären Armeen. Sie setzten sich in der Hauptsache aus dem Adel zusammen; die Angehörigen jeder Gruppe dienten niemandem anders als ihrem Führer unter dem König. Als aber ein Versuch unternommen wurde, im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts wirkliche Expeditionsstreitkräfte auszuschicken, um die aufständischen südamerikanischen Kolonien zu unterwerfen, so war dies ein völliger Fehlerfolg. Fast das Gleiche ereignete sich in den Bemühungen, den Aufstand in Cuba niederzuschlagen und später im spanisch-amerikanischen Krieg. Die gescheiterte Marokko-Expedition im Jahre 1921 ist noch frisch in der Erinnerung aller Spanier. „Anual" ist immer noch der Ausdruck ihrer Angst, in einen Krieg geschickt zu werden. Bei der marokkanischen Festung Anual wurden nämlich 15 000 Spanier von den Ryfkabylen niedergemetzelt oder gefangengenommen; ein Teil der Gefangenen wurde gegen Lösegeld freigelassen und die restlichen starben in der Gefangenschaft. Dieses Unglück traf das Land schwer. Die Truppen weigerten sich einfach, sich zu neuen Expeditionen einzuschiffen, und der Geist der Rebellion, der das Land erfaßte, führte zu der Militärdiktatur Primo de Riveras im Jahre 1923. Während des Bürgerkrieges kämpften die Truppen auf beiden Seiten mit großer Tapferkeit. Die im zweiten Weltkrieg an die Rußlandfront entsandte Blaue Division hat sich jedoch nicht auszeichnen können.

Seit mindestens 150 Jahren — das heißt seit Beginn des 19. Jahrhunderts — wurde der spanische Soldat ständig in Kriege geschickt, bei denen es um Dinge ging, an die er glauben sollte, es aber oft nicht tat. Während des spanischen Krieges 1808— 1814 desertierte ein Regiment der Krone nach dem anderen und ging zu den Aufständischen über. Während des Verfassungsaufstandes im Jahre 1820 schlossen sich die meisten Unteroffiziere und Mannschaften dem Oberst Rafael de Riego an. Nirgendwo anders als in Spanien könnte es zu einer Situation gekommen sein, wie im Carlistenkrieg der „Aufstand der Unteroffiziere“ in der Nacht des 12. August 1836. Damals zwang ein Ausschuß der Unteroffiziere über die Köpfe der Offiziere hinweg das Königin-Regiment die Verfassung von Cadiz zu proklamieren. Die Befürchtungen und Hoffnungen der Mannschaften und Unter-offiziere der spanischen Armee, die ausschließlich vom Lande stammen müssen, in Rechnung gestellt werden, wenn man die vermutliche Leistungsfähigkeit der spanischen Soldaten in Kriegen im Ausland einschätzen will.

Auf dem Papier hat Spanien eines der größten stehenden Heere Europas. Nach einigen spanischen Quellen soll es zwischen 3 50 000 und 400 000 Mann stark sein; das erscheint jedoch übertrieben; wahrscheinlich beträgt die tatsächliche Stärke rund 250 000 Mann oder 22 Divisionen. Es ist aufgefallen, daß nicht mehr als drei Bataillone — also die normale Regimentsstärke — zu gleicher Zeit an den Manövern in den Pyrenäen unter dem gegenwärtigen Regime teilgenommen haben. In Spanien besteht eine 18monatige Dienstpflicht für die Armee. Der Generalstab Millionen Mann mobilisieren behauptet zu können, eine derartige Zahl könnte tatsächlich aber nie mobilisiert werden, ohne die Wirtschaft des Landes zu zerstören. Ein Fliegeroffizier sagte am 18. Dezember 1952 im Cortes: „Die Armee könnte gegenwärtig nicht einmal den Minimalerfordernissen für die nationale Sicherheit nachkommen“.

Die bestehende Armee ist schlecht bezahlt, unzureichend ausgebildet, schlecht bekleidet und ernährt, und es fehlt ihr jegliche moderne Ausrüstung. Alles was mit dem Ausdruck „Infrastruktur" für die Unterhaltung einer Armee und die physiologische Vorbereitung eines Landes auf einen Krieg bezeichnet wird, fehlt. Der Wiederaufbau der Armee würde praktisch bedeuten, von vorn anfangen zu müssen-Im Falle eines Krieges in Europa würde Spaniens Armee in der Heimat für Ordnung sorgen und im Falle einer Invasion den Heimatboden verteidigen können. Es würde unklug sein, mit mehr zu rechnen.

IV .

Im Verlauf der Geschichte stellen die Pyrenäen — diese Hochgebirgskette, die die Halbinsel so scharf vom restlichen Kontinent teilt — einen wirksamen Wall gegen Angreifer dar. Es ist wohl richtig, daß in vorrömischer Zeit die wandernden Kelten über hohe Pässe und durch schmale Hohlwege nach Spanien hereingekommen sind, wie auch viel später die barbarischen Sueven, Alanen, Vandalen und Hunnen die gleichen Wege benutzten. Aber kein römisches Expeditionsheer mit seinen Pferden, Karren und sonstiger beweglicher Ausrüstung konnte jemals diese Berge überqueren. Nach Jahrhunderten noch blieben mehrere Pässe reine Saumpfade, oft so steil wie Klippen, und an einigen Stellen gibt es noch nicht einmal Saumpfade. Nie wurden diese Wege befahren.

Im 8. Jahrhundert erkannte Karl der Große den Vorteil dieser gewaltigen Barrikaden als Schutzwall gegen den Einfall der Araber und Berber nach Frankreich, und er schuf mehrere Pufferstaaten, die sogenannte Spanische Mark, von der Andorra und die spanische Enklave Val d'Aran an der Grenze Frankreichs noch sichtbare Merkmale sind. Als Verteidigungslinie weisen die Pyrenäen jedoch den gleichen schwerwiegenden Mangel wie die Maginot-Linie auf — sie können in der Flanke umgangen werden: an beiden Seiten fallen ihre Kämme zum Meere ab. Die Römer kamen zuerst nach Spanien, nicht über die Pyrenäen, sondern auf dem Seewege von Marseille her; später aber fanden sie ihren Weg durch den als Col de Perthus bekannten Durchgang, einem niedrigen Paß nahe dem Mittelmeer. Seit jenen Tagen ist der Perthus-Paß der bevorzugte Weg einfallender Armeen gewesen, und er ist auch das Haupttor für den Eisenbahn-und Straßenverkehr nach und von Spanien. Die einzige vorhandene Verteidigung besteht aus einigen veralteten Batterien auf tiefgelagerten Hügeln und einer mittelalterlichen Festung bei Figueras.

Am nördlichen Ende der Pyrenäen, wo das Gebirge gleichfalls zum Atlantik abfällt und dann südlich entlang der spanischen Küste verläuft und die Cantabrischen Berge bildet, erreicht eine weitere Durchgangsstraße aus der Richtung Bayonne und Biarritz kommend Spanien. Hier ist das Gelände ziemlich flach. An diesen nördlichen Ausläufern gibt es außerdem zwei zweitrangige Straßen, von denen eine durch den Paß von Roncesvalles (ca. 1000 m hoch) geht, der durch das Rolandslied berühmt wurde, der ritterlichen Ballade, die als Vorbild für Mißgeschicke von Spaniens eigenem fahrenden Ritter, Don Quichote, diente. Während der Carlistenkriege, die 1834 begannen, spielte der Baskengeneral Tomas Zumalacrregui mit seinen Gegnern einfach Versteck in den gebirgigen Labyrinthen, wobei er die Regierungsstreitkräfte zur Erschöpfung brachte und sie zum gejagten Wild machte.

Die Kämpfe zwischen den französischen und spanischen Streitkräften in den Jahren 1793/94 geben der heutigen Zeit noch eine weitere Lehre. Damals ergriffen die spanischen Revolutionsstreitkräfte die Initiative, brachen in Frankreich ein und besetzten die französschen Gebirgsstädte auf dem Wege nach und in die Stadt Perpignan selbst. Der Durchbruch erfolgte durch den östlichen Paß der Pyrenäen. Ihr General, Antonio Ricardos, hatte nicht darauf geachtet, seine Nachschublinie zu sichern. Die französischen Streitkräfte umgingen ihn durch einen weniger günstigen Paß und plünderten den spanischen Nachschub. Ende des Jahres zogen sich die Spanier in Auflösung nach Spanien zurück. Den Franzosen gelang es, den Ebro zu überqueren und Madrid zu bedrohen.

Von Frankreich aus laufen fünf Einsenbahnlinien auf Spanien zu. Auf den beiden Haupt-linien, die durch die beiden Pässe an den Ausläufern der Pyrenäen bei Port Bou oberhalb des Mittelmeeres und bei Irun verlaufen, verkehren die Durchgangszüge. Die spanischen Schienen sind breiter als die Normalspurweite des Kontinents, um in Kriegszeiten den Eisenbahnverkehr von außerhalb zu erschweren. Starke Truppenbewegungen nach Spanien müßten mit ziemlicher Sicherheit über diese beiden Hauptlinien geleitet werden-Eine weitere wichtige Linie aber erreicht jetzt die spanische Grenze von Toulouse her. Auf ihr laufen durchgehende Wagen von Paris — eine der beiden französischen Linien, die sich bei La Tour de Carol vereinigen, und sie verbindet die spanische Seite der Grenze durch eine elektrische Nebenbahn mit Puigcerda. Die weitere französische Linie, die an diesem Punkt endet, kommt von Perpignan. Von Prades her wird die elektrische Dampflinie zu einer elektrischen Bergbahn, die ihren an Naturschönheiten reichen Weg durch tiefe Schluchten, über hohe Pässe und über Brücken von schwindelnder Höhe nimmt, die von Bomben leicht ausgeschaltet werden könnten und für Truppenbewegungen von zweifelhaftem Wert wären.

Die spanische elektrische Linie, die den Passagier-und Frachtverkehr auf diesen Strecken übernimmt, windet sich in einer dreistündigen Fahrt durch die Vorhügel der Pyrenäen nach Barcelona. Es ist eine weitere an Naturschönheiten reiche Strecke, die für mittelstarken Verkehr gebaut wurde, jedoch entsprechend ausgebaut für begrenzte militärische Zwecke verwendbar wäre. Die fünfte Eisenbahnlinie ist eine ziemlich unsichere Angelegenheit: sie läuft von'der französischen Stadt Pau an den spanischen Grenzposten Canfranc, wo man über Jaca nach Spanien hinein gelangt.

Vom Standpunkt des Luftstrategen jedoch bilden die Pyrenäen keine Barriere, so wie es für Bewegungen von Erdtruppen der Fall ist. Die Bergspitzen sind nicht so hoch wie die Alpenzüge; die meisten Berge sind zwischen 2 100 und 2 700 m hoch; der höchste, Pico de Aneto, etwas östlich von der Mitte, hat 3 100 m. Das Problem würde darin bestehen, die Bewegungen der Landstreitkräfte mit Luftabwehrmaßnahmen zu koordinieren — es ist kein zu schwieriges militärisches Problem, aber natürlich eine für die Verteidigung notwendige Angelegenheit. Es ist keine Frage strategischer Kriegführung, die nur unmittelbar mit Spanien als Festung zusam-menhängt

V Das Problem der Nachrichtenübermittlung und das Verkehrswesen, dem eine moderne Armee in Spanien gegenüberstehen würde, ist gewaltig. Ein Verkehrsnetz im Sinne der modernen Kriegführung besteht fast überhaupt nicht. Die weitspurigen Eisenbahnen sind eingleisig, der Wagenpark ist veraltet, der Straßenuntergrund ist verwahrlost, die großen Durchgangsstraßen liegen vernachlässigt und die Telephonund Telegraphenleitungen sind geflickt und unzuverlässig.

Während seiner sechsjährigen Diktatur gelang es Primo de Rivera in Spanien ein verhältnismäßig gutes Straßensystem zu schaffen. Aber selbst wenn sie nicht schlecht behandelt und unzureichend ausgebessert wurden, so könnten sie niemals das Gewicht von Panzerfahrzeugen und motorisierten Armeen der modernen Kriegführung oder auch nur des Nachschubs aushalten. Abgesehen davon wurden sie nicht so angelegt, um möglichst schnell von einem Teil des Landes zu einem anderen zu gelangen. Viele gehen von Stadt zu Stadt und von Pueblo zu Pueblo. Sie folgen den Windungen der Täler und Flüsse oder der Gebirgsabhänge; andere Straßen führen den Reisenden erst meilenweit entgegengesetzt der Richtung, die er eigentlich einschlagen will. Die beste Straße von Barcelona nach Madrid geht südlich der Küste entlang nach Valencia und dann nach Norden. Im allgemeinen laufen die Straßen aus den verschiedenen Gegenden bei Madrid, in der Mitte des zentralen Hochplateaus, zusammen. Die Eisenbahnstrecken sind in der gleichen Weise angelegt worden und vereinen sich bei Madrid wie die gekrümmten Speichen eines Rades. Einige nehmen einen schlangengleichen Verlauf um die Peripherie. Keine durchschneidet Spanien in graden Linien.

Das einstmals hervorragende Telephonnetz, das von der International Telephone Company, einer amerikanischen Tochterfirma vor über dreißig Jahren gebaut wurde, ist, seitdem es von der Regierung übernommen wurde, schlechter geworden. Der Telegraphendienst ist ebenfalls unzuverlässig; in einigen Städten sind die Schalter nur einige Stunden am Tage auf und an manchen Tagen überhaupt nicht. Falls Spanien auf Verteidigung vorbereitet werden sollte, müßte das gesamte Nachrichten-und Verkehrssystem von Grund auf erneuert und verbessert werden. Eisenbahnlinien müßten erneuert und die Hauptlinien zweigleisig gebaut und neues Wagen-und sonstiges Material angeschafft werden. Obwohl die Bevölkerungsziffer sich seit dem Bürgerkrieg um etwa fünf Millionen erhöht hat, ist trotz der Bemühungen, die Kriegsschäden zu beheben, weniger rollendes Material als vorher vorhanden. Es gibt noch viele altertümliche von Amerikanern gebaute Holzwagen, die von amerikanischen Linien vor Jahren ausrangiert wurden; die an einigen Wagen befestigten Schilder zeigen, daß sie im Jahre 1891 in Oswego, im Staate New York, gebaut wurden. Die Kosten für den Wiederaufbau des spanischen Nachrichten-und Verkehrsnetzes ist mit einer Milliarde Dollar veranschlagt worden — eine Schätzung, die nicht übertrieben zu sein scheint.

Die Verwendbarkeit von Luftstützpunkten ist weitestgehend vom Nachrichtenwesen abhängig. Sie würden in Spanien eine dreifache Aufgabe zu erfüllen haben; Die Unterstützung einer Armee, die die Pyrenäen verteidigt; als Sprungbrett für einen Angriff auf einen Feind auf der anderen Seite des Gebirges und, was das Wichtigste wäre, den Einsatz von Langstrekkenbombern zu erleichtern. Ohne Nachrichten-und Verkehrswesen können die Nachschublager, Radarstationen, Warnsysteme, Kasernen und die gesamte komplizierte Maschinerie des Luft-zeitalters nicht geschützt und versorgt werden, und eine Basis kann nicht funktionieren. Aber die Vorteile von Luftstützpunkten in Spanien nimmt die Aufmerksamkeit der militärischen Planungsstäbe in Anspruch, die einzelne „Operationsgebiete” als Teile größerer Gebiete ansehen-Daher gehört Spanien zum europäischen Operationsgebiet, das wiederum der Mittelpunkt des Atlantischen Kriegsschauplatzes ist. Es wäre das Ziel strategischer Bombenangriffe von Stützpunkten — sei es in Marokko, Frankreich oder Spanien — innerhalb des europäischen Operationsgebietes, die Querverbindungen im Mittleren Osten zu schützen und die wichtigsten unter Feindkontrolle stehenden Gebiete zu treffen — zum Beispiel das Gebiet des Kaspischen Meeres mit seinen Ölfeldern und seinen See-und Landverkehrswegen von Rußland nach dem Mittleren Osten.

In einem globalen Verteidigungsschema gehört Spanien zu einer der drei eurasischen Hauptflanken, die gegen Rußland und seine voraussichtlichen Verbündeten geschützt werden müssen. Die eine Flanke ist die Malaiische Halbinsel und die sich anschließenden Indonesischen Inseln, eine weitere ist die Skandinavische Halbinsel mit der Verlängerung zum amerikanischen Kontinent über Island und Grönland. Die dritte ist die von Frankreich,

Spanien und Portugal selbst gebildete Flanke, die gleichfalls über insulare Erweiterungen und Verästelungen in Form der Balearen, von Madeira, der Canarischen Inseln und der Azoren verfügt. In diesem größeren Zusammenhang liegt in den Augen des Luftstrategen der Hauptvorteil spanischer Luftstützpunkte nicht darin, daß dort Bombenflugzeuge näher diesem oder jenem Ziel stationiert sind als Verbände in Frankreich, Nordafrika oder England. Die Sicherheit liegt vielmehr in der Anzahl der Stützpunkte. Je mehr Luftstützpunkte vorhanden sind, die der Gegner auszuschalten versuchen muß, um so mehr muß er seine Luftstärke verzetteln.

In diese Konzeption müssen natürlich noch die für die Ausrüstung der Stützpunkte verfügbaren Hilfsquellen, sowie die Vor-und Nachteile der örtlichen Gegebenheiten einbezogen werden. Ferner sind das zerklüftete Gebiet um Madrid und im Norden, sowie die exponierte Lage einiger Gegenden, wie Barcelona, Valencia und die Insel Mallorca Faktoren, die im Zusammenhang mit der Errichtung von Luftstützpunkten in Spanien in Erwägung gezogen werden müssen. Der Binnenhafen Sevilla und die benachbarten Seehäfen Cadiz und Huelva am Atlantik westlich von Gibraltar bieten günstige Bedingungen für strategische Basen, wo Luft-und Seestreitkräfte gemeinsam operieren könnten. Gibraltar verfügt jetzt über hervorragende Luftbasen und verbindet schon die Halbinsel mit der Konzeption des atlantischen Raumes. Portugal bietet Möglichkeiten für Luftstützpunkte am äußersten Ende der Halbinsel und auf den Azoren.

Auf dem Papier verfügt Spanien gegenwärtig über 40 Flugplätze, 40 000 Mann Personal und 400 Flugzeuge. In Wirklichkeit werden nur wenige der Flugplätze benützt; die meisten wurden während des Bürgerkrieges angelegt. Wieviele der 40 000 Mann qualifiziert sind, weiß niemand. Wenn überhaupt, so könnten nur wenige der 400 Flugzeuge in einem modernen Krieg eingesetzt werden. Die gesamte Ausrüstung ist veraltet. Der Vorschlag, Luftstützpunkte in Spanien anzulegen, erfordert einen völligen Neuaufbau, buchstäblich von Grund auf.

VI Es besteht kein Zweifel, daß Spanien hervorragende Häfen besitzt, die erstklassige Flottenstützpunkte abgeben würden. In der neuen Konzeption eines Krieges sind Flottenoperationen und Luftstrategie untrennbar miteinander verbunden. Die spanischen Küsten und Inseln haben eine Anzahl tiefer Häfen, die die Natur selbst für den Schutz und den Dienst der Seefahrt im Kriege geschaffen zu haben scheint. Auf drei Punkte kann im besonderen hingewiesen werden: Die zerklüfteten Küsten bei Ferrol in Galicien, die sich in nordwestlicher Richtung zum Atlantik hin öffnen; Cadiz mit seinen Klippen westlich von Gibraltar und die Balea-ren, besonders mit dem Tiefwasserhafen Mahon an der Küste von Menorca.

El Ferrol und La Coruna und die angrenzenden Tiefwasserhäfen am Nordwestende der Halbinsel bewachen die Anfahrt an die Westküste von Frankreich und den englischen Kanal. Es würde gefährlich sein, wenn sie in Feindeshand wären. Es war La Coruna, wo die spanische Armada seinerzeit Unterschlupf suchte und wieder instandgesetzt wurde, nachdem sie 158 8 auf dem Weg nach England in einen Sturm geraten war. Obwohl El Ferrol über Trockendocks verfügt, würden diese modernen Kriegsschiffen nicht genügen.

Cadiz ist zugleich ein Mittelmeer-und ein atlantischer Hafen. Es wurde von jenen abenteuerlichen Seefahrern, den Phöniziern, gegründet und bildete ihre Operationsbasis für diesen Teil der Welt — es war der westlichste Teil, der der Menschheit damals bekannt war-Ein besonderer Schlupfwinkel in der Bucht von Cadiz ist der Hafen Santa Maria, wo eine Flotte gut geschützt liegen könnte. Von dem nahe gelegenen Huelva setzte Columbus das erste Segel auf seiner Fahrt in die Neue Welt. Etwa 80 Kilometer den Guadalquivir aufwärts liegt der Tiefwasserhafen Sevilla, der von Schiffen bis zu 12 000 t erreicht werden kann.

Dieses Gebiet wäre für koordinierte Luft-und Seeaktionen ideal. Flottenaktivität könnte in jeder Richtung hin erfolgen: nördlich und südlich im Atlantik; ostwärts durch das Mittelmeer und entlang der Seewege zwischen Nordafrika und Europa. Auf der Mittelmeerseite liegt der Unterseeboothafen Cartagena, der gegebene Punkt für eine moderne Unterseebootsbasis, die in Verbindung mit den Einsätzen der Haupt-flotte verwendet werden könnte, gleichgültig, ob diese in Cadiz oder sonstwo stationiert ist.

Valencia und Barcelona haben die geräumigsten Häfen in Spanien für Handelszwecke. Barcelonas Hafen ist künstlich angelegt und leicht angreifbar, wie auch in -gewissem Grade der Hafen von Valencia. Valencia hat jedoch Binnenbuchten, die Schutz bieten. Beide Häfen würden wahrscheinlich für Hilfszwecke geignet sein. Die kanarischen Inseln und besonders der Hafen Santa Cruz auf der Insel Teneriffa verfügen über Flottenanlagen, die für die Verteidigung des Südatlantik besonders geignet sind.

Von der Balearischen Inselgruppe ist Mallorca die größte der sogenannten „Drei Schwestern im Mittelmeer“. Diese Insel hat ausgedehnte Buchten bei Palma, seinem wichtigsten Hafen, und bei Alcudia im Nordwesten. Während des ersten und des zweiten Weltkrieges waren deutsche Unterseeboote bei Alcudia entweder geheim stationiert oder Vorrichtungen für sie geschaffen worden, und von dieser Basis aus griffen deutsche Flugzeuge für Nordafrika bestimmte alliierte Schiffe an. Radarstationen an der Küste von Spanisch-Marokko meldeten jede Bewegung alliierter Schiffe in der Straße von Gibraltar. Beide Häfen auf Mallorca liegen aber offen und wurden während des Bürgerkrieges von den Aufständischen mit Leichtigkeit besetzt.

Die nördlich gelegene Insel Menorca jedoch verfügt über einen ausgezeichneten vom Land umgebenen Hafen — Mahon —, der vollendeten Schutz für Schiffe bietet. Auf hohen Klippen liegen Geschützstellungen, die zur Seeseite die gefährlichen Punkte aufzeigen, und das Wasser wird sehr oft durch die Stürme der „sechs Winde“ aufgewühlt. In den Hafen gelangen die Schiffe durch einen engen, von Klippen (auf denen alte weißgewaschene Forts stehen) beschatteten Kanal. Der Kanal windet sich schlangengleich um mehrere befestigte Inseln und erweitert sich dann zu einem tiefen schmalen Becken, das von allen Seiten von Klippen umgeben ist. Darüber hingestreckt liegt die weißgewaschene Stadt Mahon. Es wird gewöhnlich gesagt, daß alle Flotten der Welt in diesem Hafen ankern könnten. Für einen Feind würden sie überhaupt nicht sichtbar sein, und in einem toten Winkel liegend, könnten sie nur durch ein Wunder bei Beschuß von der See her getroffen werden. Im Bürgerkrieg bewiesen Flakbatterien, daß sie eine starke Verteidigung gegen Luftangriffe darstellen können. Die Flickschuster, Käse-macher, zahlreiche Friseure und Fischer von Menorca trotzten in Zusammenarbeit mit einer kaum glaublich kleinen Garnison 31 Monate lang den Anstrengungen der deutschen und italienischen Flugzeuge, eine Lücke in ihre Verteidigung zu brechen. Falls England, das einst Menorca besaß, noch in den kürzlichen -Weltkrie gen im Besitz der Insel gewesen wäre, würde die Geschichte der deutschen Seeüberfälle im ersten und der Luftüberfälle im zweiten Weltkrieg anders ausgesehen haben.

Die spanische Flotte, die aus sechs Kreuzern, 22 Zerstörern und acht Unterseebooten besteht, würde im Falle eines neuen Krieges für den Westen praktisch nutzlos sein. Alle Schiffe sind veraltet und mehrere können nicht einmal mehr seetüchtig gemacht werden, sie besitzen keine moderne Ausrüstung-Die offizielle Personalstärke beträgt 23 000 Mann. Hier ergibt sich wieder die politische Frage; beim Ausbruch des Bürgerkrieges nahmen die republikanisch gesinnten Matrosen ihre Offiziere gefangen, töteten viele und setzten sich in den Besitz der Schiffe. Die Westmächte müßten, falls sie mit Spanien verbündet wären, entweder die spanische Flotte abschreiben oder dem Land eine neue geben.

In Verbindung hiermit und in der Tat mit einem Plan, Spanien mit neuen Marineeinrichtungen zu versehen, sollte der Gerechtigkeit halber daran erinnert werden, daß das gegenwärtige Regime expansionistische Ziele verfolgt. Aus dem Programm der Falange geht hervor, daß Spanien „den Willen eines Empires“ geltend machen müsse und daß „Unsere Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft so stark und so zahlreich sein müssen wie es nötig ist, um Spanien seinen gerechten Platz in der Hierarchie der Nationen zu sichern“. Auf der anderen Seite würde die Benutzung der spanischen Häfen nicht nur in großem Maße zur Verteidigung des Mittelmeeres beitragen, sondern auch die Alliierten Flotteneinheiten mehrere hundert Meilen den nordatlantischen Zielen näher stationieren als auf Basen in anderen Teilen des Mittelmeeres.

Darüber hinaus flankiert spanisches Territorium beide Seiten der Straße von Gibraltar, dem Tor nach Nordafrika, das von den militärischen Experten als eine Festung und Operationsbasis für den gesamten europäischen Kriegsschauplatz bezeichnet wird. Während des zweiten Weltkrieges machten amerikanische und britische Marine-streitkräfte einen Weg von Gibraltar her frei, auf dem der Krieg nach Nordafrika getragen wurde. Damit öffneten sie ebenfalls eine viel größere Straße, um den Krieg über Sizilien und Italien nach Europa zurückzubringen. Nordafrika wurde dadurch eine Drehscheibe für die Verteidigung des europäischen Kontinents.

VII .

Diese Ausführungen geben einen Eindruck der Vor-und Nachteile eines Verteidigungsbündnisses mit Spanien. Sie sind natürlich unvollständig und lassen alle politischen Aspekte dieser vielschichtigen Frage, die allgemein bekannt sind, außer acht. Es wird kein Versuch unternommen, die wichtige Frage zu beantworten, welches die Ziele der spanischen Regierung in der Erwägung eines Bündnisses sein mögen und wie sie mit den Zielen der Vereinigten Staaten und der anderen Länder der NATO übereinstimmen würden. Durch Artikel 10 des Nordatlantik-vertrages ist Einstimmigkeit der Signatarstaaten erforderlich, wenn ein neues Mitglied in diese Organisation ausgenommen werden soll. Würde Spanien für die Mitglieder dieser Körperschaft annehmbar sein und, falls nicht, sollte eine Verbindung durch die Vereinigten Staaten oder Portugal oder beide mit Spanien aufrechterhalten werden? Wie würde die spanische Bevölkerung auf die Anwesenheit einer beträchtlichen Anzahl ausländischer Truppen in ihrem Lande und wie auf die Möglichkeit reagieren, daß Spanien einem Angriff ausgesetzt sein könnte? Welche Folgen würden aus einer „Amerikanisierung" des spanischen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens entstehen — das heißt einfacher ausgedrückt, welche Auswirkungen würden größere amerikanische Geldsummen dort zeitigen? Diese Auswirkungen könnten erstaunlich sein, aber nur ein voreiliger Mann würde sie vorauszusagen versuchen.

Die gesamte Kostenlast der Projekte, wie sie oben umrissen wurden, würde auf die Vereinigten Staaten fallen und inoffizielle Schätzungen für kombinierte MSA-Unterstützung und militärische Einrichtungen schwanken zwischen einer und drei Milliarden Dollar. Schon seit 1948 streckten spanische Regierungskreise Fühler nach einer 700-MiIlionen-Dollaranleihe von den Vereinigten Staaten aus. Sie nahmen Verhandlungen mit der MSA im Jahre 1952 auf und forderten über eine Milliarde Dollar. In einem ersten Voranschlag im Jahre 1951 empfahl Sidney C. Sufrin, Leiter einer amerikanischen Wirtschaftsmis-sion, die Bereitstellung von 400 Millionen Dollar aus MSA-Mitteln. Diese Schätzung war in einem Bericht eines Unterausschusses des ameri-kanischen außenpolitischen Senatsausschusses enthalten. Aus Berichten aus Madrid geht hervor, daß General Franco nicht geneigt ist, weniger als eine Milliarde Dollar für den Anfang außer den Kosten für militärische Einrichtungen in Erwägung zu ziehen, die direkt von den Vereinigten Staaten bezahlt werden müßten. Nichtamtliche Schätzungen eines Eih-Milliarden-Dollarprogramms für einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren wurden bereits gemacht, als die Verhandlungen 1952 begannen.

Die spanische Auffassung wurde von General Franco mit den Worten zum Ausdruck gebracht: „Falls die allgemeine Lage eine Zusammenarbeit von Spanien verlangt, so ist es Voraussetzung zu seiner gesamten und schnellen wirtschaftlichen Gesundung beizutragen und ihm zu helfen, seine militärischen Vorbereitungen abzuschließen.“ In westlichen Ländern herrscht eine gewisse Einsicht, daß eine Unterstützung der wirtschaftlichen Wiedergesundung Spaniens einen Schritt darstellen könnte, Spaniens Rückkehr in das demokratische Lager zu fördern; andere Länder erklären, daß die ins Auge gefaßte wirtschaftliche, technische und militärische Unter Stützung lediglich der Stärkung des spanischen totalitären Regimes dienen würde. Weiter wird die Ansicht vertreten, daß die moralische Posi tion der freien Welt gefährdet werde, wenn man dem gegenwärtigen spanischen Regime die Hände reiche. Viele glauben vielleicht, daß es in dieser schwierigen und prekären Situation, de die westliche Kultur gegenübersteht, klug wäre sich von der alten Ansicht zu lösen und sich zu bemühen, die Besonderheiten der Situation Spa niens zu verstehen und Kosten, Vorteile und Sicherheiten vernünftig abzuschätzen.

Fussnoten

Weitere Inhalte