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Partnerschaft für den Frieden | APuZ 39/1954 | bpb.de

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APuZ 39/1954 Partnerschaft für den Frieden Zur Geschichte und Bedeutung des 20. Juli

Partnerschaft für den Frieden

John Foster Dulles

Der amerikanische Außenminister John Foster Dulles nahm vor der UNO-Vollversammlung am 23. September in einer großen umfassenden Rede zu außenpolitischen Problemen Stellung. Die Rede hat folgenden Wortlaut:

INHALT DIESER BEILAGE

Ich bin zu dieser Eröffnungssitzung der 9. Vollversammlung in vollem Bewußtsein der Bedeutung dieses Anlasses gekommen. Diese alljährlich stattfindende Tagung der Vertreter von 60 Nationen stellt den hoffnungsvollsten Versuch von Menschen dar, den Frieden in Gerechtigkeit zu verwirklichen. Hier erweisen sich die gegenseitige Abhängigkeit in unserer Welt von heute und auch die gewaltigen Möglichkeiten für die Erreichung konstruktiver Ergebnisse, die aus den Bemühungen einer aufrichtigen Partnerschaft erwachsen können.

Das Wesen des Friedens Das amerikanische Volk glaubt aufrichtig an die Zielsetzung und Grundsätze, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind.

Dieses Dokument stellt einen Meilenstein in dem Verständnis der wahren Natur des Friedens dar. Darin wird anerkannt, daß der Friede nicht eine zur Inaktivität verdammende Idee ist, sondern Taten fordert. Es genügt nicht, den Krieg zu verabscheuen und ihn zu verdammen. Der Krieg wird seit Jahrhunderten von den Menschen gehaßt. Und doch hat es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen gegeben. Ein Grund dafür liegt in der Tatsache, daß die Menschen niemals mit den gleichen Mitteln den Frieden zu gewinnen suchten, mit welchen sie für den Sieg in einem Krieg arbeiten.

Die Menschheit wird sich niemals eines dauerhaften Friedens erfreuen können, so lange sie ihre ganzen Kräfte für kriegerische Aufgaben aufspart. Um den Frieden zu sichern, ohne wesentliche Freiheiten zu opfern, bedarf es ständiger Bemühungen, unermüdlichen Mutes und zuweilen der Bereitschaft, schwere Risiken einzugehen. Das ist der wahre Geist des Friedens.

Während des vergangenen Jahres haben viele Nationen aktiv für die Sache eines dauerhaften und gerechten Friedens zusammengearbeitet. Es hat Augenblicke gegeben, in denen es scheinen wollte, daß zwischen einem Weltkrieg und dem Frieden nur noch ein ganz kleiner Schritt lag. Diese gefährliche Situation besteht noch immer, aber wir sehen wenigstens die Gefahren und sind bemüht, die Sache des Friedens zu stärken.

Die Bemühungen des vergangenen Jahres dürfen nicht nur danach bewertet werden, ob sie auch tatsächlich zu konkreten Ergebnissen geführt haben. Die Tatsache, daß intelligente, entschlossene und gemeinsame Bemühungen um gerechte Regelungen gemacht worden sind, hat allein schon zum Frieden beigetragen. Dies läßt einen dynamischen Geist und eine Wachsamkeit erkennen, die jedem potentiellen Aggressor zur Warnung gereichen sollten.

In der Vergangenheit ist der Friede oft durch Versagen verloren worden. Lassen sie uns entschlossen dafür sorgen, daß so etwas nicht wieder der Fall ist. Ich kann natürlich nicht auf die mannigfachen Maßnahmen eingehen, die in der letzten Zeit innerhalb und außerhalb der Weltorganisation unternommen worden sind. Ich werd mich daher hauptsächlich auf die politischen Bemühungen beschränken, an denen die USA als aktiver Partner Anteil hatten.

Die Organisation der amerikanischen Staaten Lassen sie mich zuerst über die Organisation der amerikanischen Staaten sprechen. Das interamerikanische System basiert auf einer langen Tradition der Zusammenarbeit für Freiheit und Frieden in der westlichen Hemisphäre. Die Treue zu dieser Tradition und der Stolz darauf haben dazu geführt, dieser Hemisphäre solche Kriege zu ersparen, die in tragischer Form Europa und Asien im vorigen und in diesem Jahrhundert verwüstet haben. Im vergangenen März beschloß und verkündete die Caracas-

Konferenz der amerikanischen Staaten, daß — falls der internationale Kommunismus die Kontrolle der politischen Institutionen irgendeines der amerikanischen Staaten erlangen sollte — dies eine Gefahr für den Frieden und die Sicherheit aller darstellen und kollektive Maßnahmen zur Abwendung dieser Bedrohung erfordern würde.

Wie aggressiv der Kommunismus anderswo auch beurteilt wird, wissen wir in dieser Hemisphäre ohne Ausnahme, daß das Eindringen des Kommunismus hier ernste Konflikte heraufbeschwören würde, wie wir sie zuvor noch nicht kennengelernt haben.

In Guatemala bahnte sich eine deutlich wahrnehmbare Bedrohung des Friedens und der Sicherheit dieser Hemisphäre an. Die amerikanischen Staaten tauschten ihre Ansichten über diese Gefahr aus und waren gerade dabei, ihr gemeinsam entgegenzutreten, als die Bevölkerung Guatemalas diese Bedrohung aus eigenen Kräften zunichte machte. In diesem Zusammenhang bestand für die Vereinten Nationen Anlaß, die in unserer Charta verkörperten Prinzipien anzuwenden, die unter Bestätigung der weltumspannenden Autorität dieser Organisation die Anwendung regionaler Abkommen vor einer Anrufung des Sicherheitsrates vorsehen. (Artikel 33 und 52.) Diese Bestimmungen waren in San Franzisko in einer langen Debatte ausgehandelt worden, als unsere Charta angenommen wurde. Die amerikanischen Staaten traten damals dafür ein, daß ihre bereits in der Praxis erprobten wechselseitigen Beziehungen in den Rahmen der Vereinten Nationen gestellt und nicht durch sie ersetzt werden sollten, da diese ihrer Ansicht nach infolge des Vetorechtes im Sicherheitsrat nicht immer verläßlich sein könnten. Aus diesem Grunde traf man den Entschluß, die regionalen Abkommen zu einem wesentlichen Bestandteil des Friedenssystemes der Vereinten Nationen zu machen.

In diesem Jahre bewies die Organisation der amerikanischen Staaten erneut, daß sie bereit, fähig und willens ist.den regionalen Frieden aufrechtzuerhalten. Dadurch wurden die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen untermauert und die Basis für einen Frieden in der westlichen Hemisphäre fest ausgebaut.

Deutschland Vergangenes Jahr erklärte ich an dieser Stelle, daß die Teilung Deutschlands nicht ohne ernste Risiken aufrechterhalten werden kann. In dem Bemühen, dieses Risiko auszuschalten, reiste ich im Januar dieses Jahres nach Berlin, um mit den Außenministern der drei anderen Besatzungsmächte zu beraten. Wir brachten dann zusammen mit Großbritannien und Frankreich einen Vorschlag für die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen vor, die von den Vereinten Nationen oder einer vergleichbaren anderen unparteiischen Körperschaft überwacht werden sollten. Die Sowjetunion kam mit Gegenvorschlägen, die auf eine Erweiterung des sowjetischen Machtbereichs bis zum Rhein hinausliefen. Darin liegt der Grund, daß die gefährliche Teilung Deutschlands noch immer fortbesteht. Ich darf aber auch hinzufügen, daß auch noch etwas anderes nach wie vor besteht: unsere Entschlossenheit, aus dem Geiste des Friedens heraus dieser grausamen, Deutschland zugefügten Ungerechtigkeit ein Ende zu machen. Österreich Im vergangenen Jahr sprach ich auch davon, daß ein österreichischer Staatsvertrag längst überfällig ist. Ich betonte, daß zwischen den Besatzungsmächten kein „wesentlicher Punkt der Unstimmigkeit" mehr Bestand. Auf der Berliner Konferenz wurden von den drei Westmächten die letzten Unstimmigkeiten beseitigt, indem diese von allen Artikeln, bei denen noch Meinungsverschiedenheiten bestanden, die sowjetischen Versionen akzeptierten. Es schien für kurze Zeit so, als ob der österreichische Staatsvertrag unterzeichnet werden könnte. Aber dann stellte die Sowjetunion eine neue Bedingung. Sie erklärte, daß sie Österreich von der sowjetischen Besetzung nicht befreien werde, bevor nicht ein deutscher Friedensvertrag abgeschlossen sei.

Es kann keinen Friedensvertrag mit Deutschland geben, solange Deutschland nicht wiedervereinigt ist. So ist auch Österreich weiterhin ein auf unbestimmte Zeit besetztes Land. Dennoch akzeptieren wir es nicht als endgültig, daß dem unglücklichen Österreich — dem ersten Opfer der Aggression Hitlers und dem Lande, dem die in der Moskauer Deklaration von 1943 enthaltenen Versprechen auf Freiheit und Unabhängigkeit galten — Gerechtigkeit versagt wurde. Die drei Westmächte, unbeirrbar in ihrem Friedensstreben, haben die Sowjetunion erneut in den jüngsten Tagen aufgefordert, den österreichischen Staatsvertrag zu unterzeichnen — eine Tat, die weit eher als ein phrasenreicher Wortschwall zeigen wird, ob andere Fragen nutzbringend erörtert werden können.

Die Einheit Die Frage der Schaffung des Friedens in Europa wurde durch den kürzlichen Rückschlag bei der Vollendung der europäischen Verteidigungsgemeinschaft noch mehr kompliziert. Diese Konzeption entsprang der Einsicht, daß die beste Garantie für einen dauerhaften Frieden in Europa in einer organischen Einheit liege, die Frankreich und Deutschland einschließen würde, ferner, daß diese Einheit, die einen Zusammenschluß der militärischen Kräfte dieser beiden Mächte und anderer europäischer Staaten brächte, eine Garantie für ihren nicht-aggressiven Charakter darstellen werde. Solche Streitkräfte könnten überhaupt nicht zum Einsatz kommen, es sei denn, daß die gesamte Gemeinschaft die Notwendigkeit einer Defensiv-Aktion für gegeben erachtet.

Die Stimmen der kommunistischen Abgeordneten haben mehr bewirkt als nur die parlamentarische Mehrheit zustande zu bringen, die dazu führte, daß die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in einem Lande aufgeschoben wurde. Sie brachten es zuwege, die Teilung Europas, die wiederholt Kriege heraufbeschworen hat, aufrcchtzuerhalten.

Die betroffenen freien Völker akzeptieren jedoch die Beibehaltung dessen, was sich historisch als der gefährlichste Brandherd der Welt erwiesen hat, keinesfalls mit Resignation. Sie sind sich der Gefahr bewußt, und sie arbeiten aktiv darauf hin, sie zu überwinden.

Korea Als ich im vergangenen Jahr hier über Korea sprach, konnte ich von einem Waffenstillstand berichten. Ich sagte, daß es zu diesem Waffenstillstand nicht gekommen sei, weil die kommunistischen Aggressoren den Frieden liebten, sondern weil sic auf eine wirkungsvolle militärische Schranke gestoßen waren. Ich sagte weiter, „Die politische Korea-Konferenz wird, wenn die Kommunisten an ihr teilnehmen, einen besseren Prüfstein abgeben." — Sieben Monate harter Verhandlungen waren nötig, um die politische Konferenz zustande zu bringen. Als sie schließlich in Genf stattfand, wurde von Seiten der Vereinten Nationen die Einigung Koreas auf der Basis freier gesamtkoreanischer Wahlen vorgeschlagen, die von der LINO überwacht werden sollten. Dieser Vorschlag wurde von der kommunistischen Seite verworfen. Die Kommunisten bestanden darauf, daß die Vereinten Nationen selbst als ein Instrument der Aggression behandelt und von jeder weiteren Tätigkeit in Korea ausgeschlossen werden müssen.

Dieser Gegenvorschlag, der eine Beleidigung der Vereinten Nationen darstellte, wurde von denen verworfen, die stolz die Maßnahmen der LINO in Korea als das erste Beispiel in der Geschichte feierten, daß eine internationale Organisation in der Praxis wirksam gegen eine bewaffnete Aggression eingeschritten ist.

Die Vereinigten Staaten sind nicht der Ansicht, daß sich die Einigung Koreas erst nach einem anderen Krieg vollziehen lasse. Wir haben jeden uns zur Verfügung stehenden Einfluß geltend gemacht, um eine friedliche Lösung des Koreaproblems herbeizuführen, und wir haben nicht den Glauben verloren, daß eine solche Lösung möglich ist.

Südostasien Auf der Genfer Konferenz haben die kriegführenden Parteien sich gleichfalls mit dem Problem der Schaffung des Friedens in Indochina auseinandergesetzt. Ein acht Jahre währender Konflikt, der immer mehr an Heftigkeit zunahm, wurde beigelegt. Wir können uns alle glücklich schätzen. daß das Töten zu einem Ende gebracht wurde. Auf der anderen Seite dürfen wir unsere Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß Hundertausend eigenen mehrere Menschen aus Nordvietnam auf ihren Wunsch hin in die nicht von den Kommunisten beherrschten Gebiete evakuiert wurden, und daß darüber hinaus noch Millionen Menschen gegen ihren Willen einem fremden Despotismus ausgeliefert Sind. In diesem Falle wurde die Einstellung der Feindseligkeiten teuer erkauft, und das endgültige Ergebnis läßt sich noch nicht absehen.

Erne Folge war jedoch, daß den am südostasischen Raum interessierten Nationen klar die Bedeutung einer kollektiven Organisation zur Verteidigung gegen weitere Aggressions-Handlungen vor Augen geführt wurde. In Manila sind in diesem Monat acht Nationen zusammengekommen. Diese haben einen Vertrag ausgearbeitet und unterzeichnet, der für eine kollektive Verteidigung gegen eine Aggression eintritt.

Selbstbestimmung Die Manila-Konferenz führt zu weit mehr als zu einer Ausweitung des Gebietes der kollektiven Sicherheit. Sie nahm eine Pazifik-Charta an. Darin proklamierten die acht Länder — asiatische und nichtasiatische Staaten —, die in Manila zusammenkamen, in erhabenen Worten die Prinzipien der Selbstbestimmung, der Selbstregierung und der Unabhängigkeit. Diese Charta und der Geist der Zusammenarbeit, der sie aus der Taufe hob, sollten ein und für alle Male den Mythos beseitigen, daß zwischen Ost und West ein unvereinbarer Gegensatz besteht. Die Völker Asiens, die bereits die Freiheit haben oder die die Freiheit suchen, müssen nicht angesichts des neuen Imperialismus schwach, geteilt und ohne Unterstützung bleiben, angesichts eines Imperialismus, der bereits 300 Millionen Menschen, die einst in 15 wirklich unabhängigen Ländern lebten, unter die koloniale Knechtschaft gebracht hat.

Atomenergie Das vergangene Jahr hebt sich besonders durch die eingehenden Bemühungen zur Regelung der Frage der Atomenergie hervor. Die Vereinigten Staaten haben sich bereiterklärt, ihre führende Position auf diesem Gebiete mit anderen Ländern auf solche Weise zu teilen, daß sich viele Nationen an einem großen neuen Vorhaben zum Wohle der Menschheit beteiligen können. Wir hofften, die Atomenergie, bislang ein Instrument des Todes, zu einer Quelle des Segens für das menschliche Leben zu machen.

Ich erinnere mich noch auf das lebhafteste an den 8. Dezember 1953, als Präsident Eisenhower hier seinen Vorschlag unterbreitete, alle Nationen im Besitze spaltbaren Materials sollten unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen an der Schaffung einer internationalen Atom-bank zusammenarbeiten. Dieser Behörde sollten sie alle spaltbares Material zuweisen, das dann für produktive und nicht für destruktive Zwecke verwandt werden sollte.

Ich war Zeuge dieses dramatischen Augenblicks und erlebte den allgemeinen Beifall, mit dem dieser Vorschlag ausgenommen wurde — ein Beifall, der in allen Teilen der Welt seinen Widerhall fand.

Da öffentlich geführte Verhandlungen mit der Sowjetunion oftmals die Tendenz zu zeigen scheinen, in einem Propaganda-Wettstreit zu enden, schlug Präsident Eisenhower vor, diese neuen Verhandlungen geheim zu führen. Die Regierung der Vereinigten Staaten unterbreitete nach Beratungen mit anderen Nationen einen konkreten und detaillierten Vorschlag, um Präsident Eisenhowers große Konzeption in die Tat umzusetzen. Ich selbst traf mehrere Male in Berlin und Genf mit dem sowjetischen Außenminister zusammen, um diese Frage zu erörtern. Wir sind durchaus bereits, einer Veröffentlichung aller im Rahmen dieser Verhandlungen zwischen der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion ausgetauschten Dokumente zuzustimmen.

Wir hofften und glaubten, daß — wenn die Sowjetunion sich den Vereinigten Staaten, Großbritannien und den übrigen Nationen anschließen würde, die über spaltbares Material und Kenntnisse in der Atomtechnik verfügen — diese Tat der Zusammenarbeit einen Rahmen schaffen werde, der sich auch auf weitere Gebiete ausdehnen würde.

Der von uns unterbreitete Plan konnte niemanden schaden. Er wurde mit der Hoffnung motiviert, daß hierdurch die dunkelste Wolke beseitigt würde, die über der Menschheit schwebt. Seine anfänglichen Dimensionen waren nicht so weitgehend, daß sie die militärischen Fähigkeiten der Sowjetunion hätten beeinträchtigen können, und es gab keinen offensichtlichen Grund für seine Ablehnung. Lind vor allem war dieser Plan praktisch, leicht durchführbar und nicht von einer ins einzelne gehenden Überwachung abhängig.

Dennoch wurde der Vorschlag von der Sowjetunion im vergangenen April praktisch zurückgewiesen. Diese Zurückweisung erfolgte nicht wegen angeblicher Mängel des Planes selbst. Diese hätte man sicherlich in Verhandlungen eliminieren können. Die sowjetische Haltung lief praktisch auf folgenden Standpunkt hinaus: Wir werden nicht an der friedlichen Entwicklung der Atomenergie mitarbeiten, wenn man nicht von vornherein übereinkommt, zunächst einmal auf jene atomaren Mittel zu verzichten, die für die freien Nationen die stärkste Verteidigungshandhabe gegen jede Aggression darstellen.

Bis zum heutigen Tag hat die Sowjetregierung keine Bereitschaft erkennen lassen, sich an der Verwirklichung des Planes von Präsident Eisenhower außer unter dieser völlig unannehmbaren Bedingung zu beteiligen. Als es gestern bekannt wurde, daß ich heute zu dieser Frage Stellung nehmen werde, brach die Sowjetunion ihr fünfmonatiges Schweigen mit einer Note, in der sie ihrer Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen Ausdruck gab. Aber diese Note enthielt noch immer keinerlei Hinweis darauf, daß die Sowjetunion ihre Position aufgegeben habe.

Die Vereinigten Staaten sind auch weiterhin zu Verhandlungen mit der Sowjetunion bereit. Aber wir werden nicht länger mehr unsere Bemühungen um die Errichtung einer internationalen Atomenergiebehörde zurückstellen.

Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, Präsident Eisenhowers Vorschlag nicht solange hinhalten zu lassen, bis er tot ist. Er wird ständig genährt und weiterentwickelt werden. Wir werden auf seine Verwirklichung drängen und zwar in enger Partnerschaft mit den Ländern, die, durchdrungen von den Idealen der UNO-Charta diese große neue Kraft zu einem Werkzeug des Menschenfreundes und Staatsmannes machen können und nicht lediglich zu einer furchterregenden Erweiterung des Kriegsarsenals. Die Vereinigten Staaten schlagen vor, daß ein neuer Punkt auf die Tagesordnung gesetzt wird, der es uns ermöglicht, über unsere Bemühungen um-die Erschließung und Entwicklung der ungeheuren Möglichkeiten für eine friedliche Verwendung der Atomenergie zu berichten. Diese Bemühungen waren und werden auch weiterhin auf folgende Ziele ausgerichtet sein: 1. Die Schaffung einer internationalen Behörde, zu deren Mitgliedern schon von Anfang an Staaten aus allen Teilen der Erde gehören werden. Es steht zu hoffen, daß eine derartige Behörde schon im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen wird.

2. Die Einberufung einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz, um dieses umfangreiche Gebiet eingehend zu erörtern; sie soll bereits im Frühjahr 1955 unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zusammentreten.

3. Die Eröffnung einer Reaktor-Ausbildungsschule in den Vereinigten Staaten im kommenden Jahr, auf der Wissenschaftler aus anderen Ländern in den mit der Erschließung der Atomenergie zusammenhängenden Fragen unterwiesen werden, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Verwendung für friedliche Zwecke.

4. Die Einladung einer großen Anzahl von Fachärzten für innere Medizin und Chirurgie aus dem Auslande, die an den Arbeiten in unseren Krebsforschungskrankenhäusern teilnehmen sollen, — hier spielen Methoden unter Anwendung von Atomenergie eine ganz besonders wichtige und hoffnungsvolle Rolle bei dem Bemühen neue Wege zur Kontrolle dieser Geißel der Menschheit zu erschließen.

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Ich möchte es nachdrücklich klarmachen, daß bei unseren Plänen keine Nation von einer Beteiligung an diesem großen Vorhaben ausgeschlossen wird. In dem Maße, in dem unsere Vorschläge Gestalt annehmen, sind alle Nationen, die sich für eine solche Beteiligung interessieren und willens sind, die Verpflichtungen der Mitgliedschaft zu übernehmen, herzlich eingeladen, mit uns gemeinsam an der Planung und Ausführung dieses Programmes zu arbeiten.

Obschon uns viel durch die negative Haltung der Sowjetunion vorenthalten wird, bleibt doch noch viel zu tun übrig. Wir müssen auf jene große Entspannung verzichten, die möglich gewesen wäre, hätte sich die Sowjetunion bereiterklärt, mit anderen Nationen hinsichtlich jenes Gebiets zusammenzuarbeiten, das die Quelle für so viel Furcht und für so große Hoffnungen ist. Dennoch läßt sich viel im Hinblick auf wirtschaftliche und humanitäre Fortschritte erreichen. Es kann kein Wunder über Nacht geschehen. Aber wir können ein Programm zusammenstellen und ihm lebendigen Geist einhauchen, um sicherzustellen, daß wir den Lebensstandard von Millionen von Menschen mittels der Atomenergie heben können. Dies zu erreichen, ist unser fester Vorsatz.

Begrenzung der Rüstungen Eng mit dem Problem der friedlichen Nutzbarmachung der Atomenergie ist die ganze große und schwierige Abrüstungsfrage verknüpft.

Im vergangenen Jahre haben die Vereinigten Staaten vor dieser Versammlung ihren glühenden Wunsch zur Reduzierung der Rüstungslasten bekräftigt. Ich erklärte hier, daß die Vereinigten Staaten mit großem Nachdruck die technischen Studien über eine Kontrolle und Begrenzung der Rüstungen fortführen würden, die für jede Lösung dieses Problems von entscheidender Wichtigkeit sind.

Im vergangenen Frühjahr nahmen die Vereinigten Staaten in London an Gesprächen mit der Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und Kanada teil, die in einem Unterausschuß unserer Abrüstungskommission stattfanden und feststellen sollten, ob ein neues Aufgreifen dieses Problems zu einer für die Sowjetunion wie auch für die freie Welt akzeptablen Lösung führen könnte. Die Protokolle dieser Sitzung sind nun veröffentlicht worden.

Es zeigte sich, daß die Vertreter Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten mit Geduld und Erfindungsgabe alle Möglichkeiten eines Übereinkommens mit der Sowjetunion zu erforschen suchen, die mit der Sicherheit aller Länder vereinbar sein würden. Wir machten es noch einmal klar, wie wir es immer und immer wieder in der Vergangenheit getan haben, daß wir die Verwendung der Atomenergie für alle anderen als friedlichen Zwecke auszuschalten suchen.

Auf diese Bemühungen antwortete die Sowjetunion mit der glatten Ablehnung, unsere Vorschläge auch nur auf ihren sachlichen Gehalt hin zu erörtern. Der springende Punkt an der Haltung der Sowjetunion lag darin, daß sie noch vor Eintritt in echte Abrüstungsverhandlungen auf einer papierenen Ächtung der Anwendung von Atomwaffen seitens der Großmächte besteht. Erst soll der große Schutzschild, das wichtigste Abschreckungsmittel, aufgegeben werden, um dann die freien Völker dem ungeheuren Menschenpotential der Kommunisten auszuliefern. Wenn dieses Mißverhältnis in der Stärke erst sichergestellt ist, dann wird die Sowjetunion — vielleicht — aus ihrer Position der gesicherten Überlegenheit heraus weiter verhandeln.

Ein solches Vorgehen würde die Sicherheit keines freien Volkes erhöhen können.

Wir müssen, wenn auch zögernd, feststellen, daß die Sowjetunion gegenwärtig nicht den ernsthaften Wunsch hegt, über die Abrüstung zu verhandeln. Wir werden aber auch weiterhin hoffen und darauf hinarbeiten, daß die Sowjetunion sich schließlich bereitfindet, an einem Programm mitzuarbeiten, daß der verschwenderischen Zweckentfremdung reicher wirtschaftlicher Hilfsquellen ein Ende bereiten und diese einer konstruktiven Verwendung im Dienste der Menschheit zuführen könnte. Überprüfung der Charta Sie werden ohne Zweifel festgestellt haben, daß viele der von mir erwähnten Bemühungen um den Frieden außerhalb der Vereinten Nationen unternommen wurden. Man darf jedoch nicht vergessen, daß die Organe der Vereinten Nationen selbst ständig Arbeit leisten, die wesentlich, wenn auch nicht unmittelbar ins Auge fallend, zur Schaffung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen beitragen, die die Grundlage des Friedens darstellen. Die Vereinigten Staaten möchten all denen, die diese unerläßlichen Aufgaben durchführen, ihre höchste Anerkennung aussprechen.

Wenn sich viele wichtige politische Entwicklungen außerhalb des direkten Rahmens der Vereinten Nationen abgespielt haben, dann bestehen dafür zwei Gründe — ein guter und ein schlechter.

Die Charta der Vereinten Nationen enthält die Bestimmungen, daß die Beteiligten an einem Streit, der eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit darstellt, zunächst eine Beilegung dieses Streites auf dem Verhandlungsweg versuchen, regionale Körperschaften anrufen, oder sich anderer friedlicher Mittel nach ihrem Gutdünken bedienen. Nur wenn sich alle diese Wege als aussichtslos erweisen, sollen die streitenden Parteien vor den Sicherheitsrat treten. Mit anderen Worten: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte niemals ein Gerichtshof erster Instanz sein, sondern war vielmehr als letztinstanzliches Entscheidungsgremium gedacht. In diesem Sinne entsprechen die bis dahin noch nie dagewesenen Bemühungen um den Frieden während des vergangenen Jahres ganz den von der Charta gesetzten Normen.

Es besteht noch ein zweiter Grund und dieser ist beunruhigend. Es ist dies die Tatsache, daß die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen bei weitem nicht all die Länder umfaßt, die friedliebend sowie in der Lage und gewillt sind, die Verpflichtungen der UNO-Charta zu erfüllen, und die zwangsläufig an zahlreichen kritischen internationalen Problemen beteiligt sind. 14 Länder sind gegenwärtig nur durch die Anwendung — in Wirklichkeit durch den Mißbrauch — des sogenannten VETO-Rechts von der UNO-Mitgliedschaft ausgeschlossen. Keines dieser Länder gehört der gleichen Kategorie wie Rotchina an, das von den Vereinten Nationen der Aggression schuldig befunden worden ist. Alle 14 Länder sind voll für die UNO-Mitgliedschaft qualifiziert.

Sofern nicht Wege gefunden werden können, um diese friedliebenden Länder, die sich dem Recht beugen, in diese Organisation zu bringen, werden Macht und Einfluß dieser Organisation zwangsläufig immer mehr schwinden. .

Wir nähern uns dem zehnten Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen. Alle Regierungen und Völker der Mitgliedstaaten dürfen mit gutem Recht dankbar sein für die großen Leistungen und Erfolge der UNO und für die einzigartigen Dienste dieser Organisation als Forum für internationale Gespräche. Aber der herannahende Jahrestag muß mehr werden als nur ein Tag der Selbstbeglückwünschung. Es ist an der Zeit, die Schwächen unserer Organisation aufzuzeigen und nach Mitteln und Wegen zu suchen, durch die die UNO in die Lage versetzt werden kann, besser als ein Bürge des Friedens und der Gerechtigkeit und als Mittelpunkt für die Harmonisierung des Handels der Nationen zu dienen. Dies war gerade die Idee ihrer Gründer, die eine Konferenz zur Überprüfung der Charta vorsahen, die auf der nächsten Jahressitzung unserer Versammlung einberufen werden soll.

Zusammenfassung Die Bemühungen um die Herstellung des Friedens haben uns große Hoffnungen aber auch tiefe Enttäuschungen gebracht. Aber nach Tief-punkten lebt immer neue Hoffnung auf. Namens der Regierung der Vereinigten Staaten möchte ich abschließend feststellen, daß wir überzeugt sind, daß der internationale Friede ein erreichbares Ziel ist. Das ist die Voraussetzung, von der alle unsere Planungen ausgehen. Wir geloben, niemals zu zaudern, uns niemals entmutigen zu lassen, sondern zuversichtlich und unermüdlich so zu handeln, daß der Frieden für uns ein allzeit verbindlicher Grundsatz des Handelns wird.

Wir wissen, daß wir dabei nicht allein stehen. Und das nicht nur darum, weil wir aus Nützlichkeitserwägungen Bündnisse und Pakte eingegangen sind. Wir stehen nicht allein, weil der Geist des Friedens wie ein Magnet viele Menschen und viele Nationen verbindet und sie zu einer loyalen Partnerschaft für den Frieden zusammenschweißt.

Fussnoten

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