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Die legendäre Zukunft | APuZ 31/1955 | bpb.de

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APuZ 31/1955 Die legendäre Zukunft "Mich können Sie töten, aber schonen Sie mein Volk" - sagte der Kaiser

Die legendäre Zukunft

David Sarnoff

Untersuchungen eines bekannten amerikanischen Industriellen über das Besondere der kommenden 25 Jahre. Mit Genehmigung des Verfassers wie des Verlages übernommen aus der amerikanischen Zeitschrift LIFE. Internationale Ausgabe, 7. März 1955.

Welche besonderen Merkmale werden wohl die vor uns liegenden 25 Jahre tragen? Ich persönlich bin davon überzeugt, daß wir einer Periode umwälzender Entscheidungen entgegengehen. Sie wird mit Ereignissen angefüllt sein, die alle zusammengenommen sehr wohl die zukünftige Entwicklung des menschlichen Geschlechts und selbst seine Lebensdauer auf diesem Planet bestimmen könnten.

Daß sich die Fortschritte auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet geradezu überstürzen werden, ist nicht etwa nur eine Mutmaßung. Die neuen vom Atom ausgelösten und vom Elektron her bestimmten Energieformen haben ihre außerordentliche Wirkung schon bewiesen. Die Grundzüge der wesentlichsten technischen Errungenschaften sind als zahllose Embryos im Schoße der Wissenschaft, d. h. in unseren weit verästelten Forschungsloboratorien bereits erkennbar.

Doch neben dem technischen Fortschritt vollzieht sich eine noch bedeutsamere Entwicklung auf politischem, sozialem, und moralischem Gebiet. Dit technischen Neuerungen ihrerseits werden das Problem der Anpassung noch vergrößern und uns zwingen Lösungen zu suchen, die mit unseren Vorstellungen von guter Lebensgemeinschaft in Einklang zu bringen sind.

Menschenrassen und Kontinente, die lange dahindämmerten, sind erwacht und ihrer Rechte, Bedürfnisse und verborgenen Kräfte innegeworden. Bisher als verbindlich hingenommene Lebensformen und Sitten werden von neuer Barbarei bedroht, die ihre Herrschaft über ein Drittel der Menschheit bereits angetreten hat. An der Seele und am Geiste der Menschen nagt der Hunger nach Glauben und Erlösung, nach uralten Werten über das Materielle und zeitlich Gebundene hinaus.

Das bedeutet, daß die kommenden 2 5 Jahre von Krisen und Höhepunkten erfüllt sein werden. Die in unserer eigenen Generation entstandenen Spannungen sind zu groß, als daß sie auf unbegrenzte Zeit zu zügeln wären. Große Anforderungen werden an uns gestellt werden, die dramatische Verpflichtungen unsererseits notwendig machen.

Diejenigen von uns, die die Geschichte als faszinierendes Schauspiel betrachten, werden in den kommenden 25 Jahren auf ihre Kosten kommen. Wir scheinen ausersehen zu sein, einer auf eine kurze Zeitspanne zusammengedrängten Entwicklung, die sich normalerweise über Jahrhunderte erstrecken würde, nicht nur als Zuschauer beizuwohnen, sondern auch an ihr teilzuhaben. Eines ist sicher: Die Zeit zwischen jetzt und 1980 wird nicht langweilig werden. Sie wird an Mut und Charakter, an Klugheit und guten Willen große Anforderungen stellen. Lind ich bin zuversichtlich, daß wir diesen Anforderungen gerecht werden, wenn wir nur furchtlos und voll Vertrauen in uns selbst und in die Stärke unserer freiheitlichen Kräfte an unsere Aufgabe herangehen.

Das die kommenden 2 5 Jahre beherrschende naturwissenschaftliche Phänomen wird der in Art und Umfang einmalige technische Fortschritt sein. Verglichen mit der ganzen Geschichte der menschlichen Rasse bedeuten die letzten hundert Jahre nicht mehr als den Bruchteil einer Sekunde. Doch sind in ihnen mehr technische Erfolge erzielt worden als in vielen tausend Jahren davor. Die Nutzbarmachung der Elektrizität für Beleuchtung, Kraftstrom und Nachrichtenübermittlung; der Beweis der Theorie von den Krankheitskeimen; die Entdeckung und Verwendung des Elektrons; die Erfindung von Radio und Fernsehen; die Entwicklung der Anästesie; die Erforschung der Genen und Mutationen; die Erfindung von Kraftfahrzeugen; die Entwicklung des laufenden Bandes und anderer Techniken für die Massenproduktion; die außerordentliche Ausbreitung der organischen Chemie; die Spaltung des Atomkernes;

die Entwicklung von Antibiotika; die außerordentliche Erweiterung des bekannten und meßbaren Universums der Sterne und des galaktischen Systems — dies sind nur die Höhepunkte der letzten Fortschritte.

Die Quantität der dem Menschen zur Verfügung stehenden neuen Energien, Erzeugnisse und Verfahren ist beachtlich; noch weit beachtlicher ist die Schnelligkeit, in der die Entdeckungen aufeinander folgen. Es handelt sich hierbei nicht um die steigende Zahl der Entdeckungen, sondern um ein immer schnelleres Tempo in der Zunahme.

Eine von der General Electric Company kürzlich abgegebene Erklärung, die sich besonders auf die Elektronen-und Atomenergie bezieht, stellt fest: „Alle diese Wissensgebiete sind so vielversprechend, daß wir hoffen dürfen, in den nächsten zehn Jahren mehr hervorzubringen als in all den vergangenen 75 Jahren unseres Bestehens." Im einzelnen mögen die Verhältnisse verschieden sein, doch sind die Radio Corporation of America und alle amerikanischen Unternehmungen überhaupt in der gleichen schnellen Entwicklung begriffen.

Es kann nicht länger bezweifelt werden, daß der Genius der modernen Wissenschaft alles, was sich menschlicher Geist ersinnt, in die Praxis umsetzen kann. Ich habe dies immer wieder erlebt. Ein Beispiel aus der Gegenwart wird zeigen, was ich meine. Aus Anlaß des 45. Jahrestages meiner Beschäftigung mit dem Rundfunkwesen regte ich die Wissenschaftler der Radio Corporation of America — Forschungslaboraterium in Princeton, New Jersey, das meinen Namen trägt, an, bis zu meinen 50. Geburtstag im Jahre 1956 drei „Geschenke“ für mich zu erfinden. Ich wünschte mir als erstes einen Magnetophon-band-Aufnehmer für Fernsehprogramme; als zweites, einen vollkommenen Elektronenluftkühler; und als drittes einen brauchbaren Licht-verstärker. Die Wissenschaftler lächelten. „Er kann tatsächlich das Unmögliche verlangen,“ sagte später einer von ihnen. Aber der aufregende Teil der Geschichte ist, daß die Wissenschaftler schon vor Ablauf der Hälfte der gestellten Zeit tatsächlich ein „Geschenk“ zustandegebracht hatten, nämlich den Magnetophonband-Aufnehmer für schwarz-weiße und farbige Fernsehprogramme. Und in der Entwicklung der anderen beiden Wünsche haben sie solche Fortschritte gemacht, daß ihre Erfüllung bis 1956 durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen scheint.

Wir sind jetzt mit der Entwicklung einer neuen Lichtform — dem Elektronenlicht — be-schäftigt, das der wesentlichste Bestandteil des in den RCA-Laboratorien jetzt entwickelten Lichtverstärkers ist. Schon jetzt habe ich diesen Lichtverstäiker im Experiment in zwanzigfacher Verstärkung gesehen; und es werden sicher noch weitere Fortschritte erzielt werden. Wenn aus der 20 eine 100 geworden ist, dann werden wir einen brauchbaren Lichtverstärker haben — der innerhalb einer dünnen Schicht elektronaktiven Materials erzeugt wird.

Das Elektronlicht wird wahrscheinlich die derzeitigen Beleuchtungsformen ablösen und das Ausehen unserer Häuser, Läden, Fabriken, Straßen und Städte in überraschender Weise verändern. Das elektrische Licht wird aus dem Gefängnis der Vakuum-Birne befreit werden. Es wird die derzeitige Fernsehröhre veralten lassen, da es größere und schärfere farbige und auch schwarz-weiße Bilder ermöglicht. Man glaubt, daß die Lichtverstärkung den Bau von Apparaten erlaubt, die nicht nur das Photographieren, sondern auch das Sehen im Dunkeln ermöglichen und die visuelle Durchdringung des entfernten astronomischen Raumes außerordentlich vergrößern werden.

„Atomkraft für den Frieden"

INHALT DIESER BEILAGE

Die im Krieg geborenen Atomenergien, bei deren Taufe die Zerstörung Pate gestanden hat, werden jedoch auch zu konstruktiven Zwecken verwendet. Da die Atomkraft so neu und überwältigend ist, haben wir sie psychologisch noch nicht verarbeitet wie die früheren Wunder. Die wahre Aufgabe der Wissenschaft ist es, aufzubauen, nicht zu zerstören. Wenn auch der erste Atomantrieb für ein U-Boot verwendet worden ist, ist jedoch fest damit zu rechnen, daß noch vor 1980 Schiffe, Flugzeuge, Lokomotiven und vielleicht auch Kraftwagen mit Atomkraft betrieben werden.

Die Ära der Atomkernkraft für friedliche zivile Zwecke steht schon vor der Tür. Sie dämmerte in Amerika vergangenen Herbst, als Präsident Eisenhower in Denver (Colorado) eine Neutronenbirne schwenkte und damit den Grundstein für die erste mit Atomenergie betriebene Industrieanlage in Shippingport (Pennsylvania) legte. Die erste mit nuklearer Luft betriebene Industrieanlage wird zweifellos als Meilenstein auf dem Wege des materiellen Fortschritts der Menschen die gleiche Bedeutung gewinnen wie die erste Dampfmaschine, der erste elektrische Motor, Morses erste telegraphisch übermittelte Nachricht, Edisons erste elektrische Lampe und Marconis erste drahtlos gesendete Botschaft.

Gerade vor einem Jahr zeigte die Radio Corporation of America öffentlich eine Atom-batterie, die sehr verwendungsfähig zu werden verspricht. Zwar wurde nur ein minutenlanger elektrischer Strom erzeugt, gerade genug, damit ich die kurze telegraphische Botschaft senden konnte: „Atomkraft für den Frieden.“ Aber dieser Vorgang birgt enorme Möglichkeiten. Lim elektrischen Strom zu bekommen, wurde die Atomkraft nicht erst in Dampf, sondern die Atomkernenergie direkt in Elektrizität umgewandelt.

Ich zögere nicht vorauszusagen, daß lange vor 1980 Atombatterien allgemein üblich werden. Aus den Abfallprodukten der sich schnell vermehrenden Atommeiler für industrielle Zwecke können große Mengen eingefangener Strahlungen für die direkte Umwandlung in Elektrizität nutzbar gemacht werden. Kleine in Häusern und Industrieanlagen installierte Atomgeneratoren werden genügend Energie für Jahre und schließlich für das ganze Leben produzieren, ohne wieder aufgeladen werden zu müssen. Kohle, Öl und Gas als Heizmaterial werden in immer stärkerem Maße durch Atomkernenergie ersetzt werden und erhalten auf Grund neuer Entwicklungen in der Chemie und Maschinen-baukunst andere Verwendungszwecke.

Andere Energiequellen — die Sonne, die Gezeiten und die Winde — werden weit über den Rahmen unserer derzeitigen Vorstellungen hinaus herangezogen werden. Dank unserer Fähigkeit, der Struktur der Dinge eine neue Gestalt zu verleihen, werden neue Materialien — Metalle, Gewebe, Hölzer, Glas — den schon vorhandenen Hunderten von synthetischen und plastischen hinzugefügt werden.

Frisches Wasser, vom Salzgehalt des Meeres gereinigt, wird die Wüste zum Blühen bringen und ungeheure Gebiete auf der Erde, die jetzt unfruchtbar und unzugänglich sind, den menschlichen Siedlungen erschließen. Das Watt und der jenseits liegende Meeresboden, der schon auf Ölvorkommen geprüft worden ist, werden in steigendem Maße nach anderen Rohstoffen durchsucht und ihre chemischen Stoffe und Nährstoffe abgebaut werden.

Selbst ferngelenkte interkontinentale und transozeane ferngelenkte Geschosse werden auf dem zivilen Sektor wichtige Aufgaben zu erfüllen haben. Sie werden Post und andere Frachtgüter über große Entfernungen transportieren und innerhalb von Minuten nach ihrem Start an ihr Bestimmungsziel gelenkt werden. Auch führerlose Passagierflugzeuge befinden sich im Bereiche des Möglichen. Große Scharen privater Heliokopter und andere Flugzeuge werden die wichtigsten Luftwege fast genau so bevölkern wie die Autos die Landstraßen auf der Erde, und Kontrollen mittels Elektronen-felder werden die Fahrsicherheit in beiden Dimensionen garantieren.

Das Problem der kommenden Jahrzehnte: Die Freizeit

Wissenschaft und Technik können der Medizin unschätzbare Hilfe leisten. Schon haben sich Diagnose, Prognose, Therapie und Chirurgie die nukleare Strahlung und die Elektronen-geräte zunutze gemacht: Das Elektronenmikroskop z. B. Bis 1980 werden sich die Verwendungsmöglichkeiten noch außerordentlich vermehren. Farbiges Fernsehen, verbesserte Nachrichtenübermittlung. Elektronenvergrößerungsinstrumente und andere neue Errungenschaften werden in ähnlicher Weise besseres und schnelleres Lernen ermöglichen.

Die Ära der „Automatisation" steht bevor.

Elektronenmaschinen werden Informationsmaterial nicht nur berechnen, ins Gedächtnis zurückrufen und ablegen — was sie schon für Geschäftsbüros, Banken, Fabriken und Forschungslaboratorien tun — sondern sie werden mehr und mehr Routinearbeiten übernehmen, die bisher von Menschen geleistet worden sind.

Für jemanden, der wie ich das ganze Leben mit solchen Wundern zu tun hatte, ist es sehr verlockend, in der Aufzählung dessen, was noch kommen wird, fortzufahren. Die gleichzeitige Erschließung der Welt der Atome und Elektronen deutet auf große Veränderungen in der Zukunft. Niemals zuvor sind zwei so mächtige Energien gleichzeitig entdeckt worden. Bestimmt werden sie beide zusammen die durch die Entdeckung von Dampfkraft und Elektrizität hervorgerufenen industriellen Revolutionen weit in den Schatten stellen. Es gibt keinen materiellen Fortschritt unserer Zeit — auf biologischem und chemischem Gebiet, auf dem Gebiet der Atomkern-und Elektronenwissenschaft, im Maschinenbau und in der Physik — der nicht, gemessen an dem im Jahre 1980 Erreichten, wie ein erster Versuch änmutet.

Auch für den sozialen Fortschritt dürfen wir die gleichen Erwartungen hegen, wenn wir ihrer auch viel weniger gewiß sein dürfen. Wir wollen deshalb unsere Ziele möglichst hoch stecken, um möglichst viel zu erreichen. Die materielle Fülle, derenwir uns erfreuen, und die wir in noch weit größerem Maße zu erwarten haben, muß den Menschen auf der ganzen Erde zu einem glücklicheren Leben verhelfen. Wir müssen den Dingen zum Durchbruch verhelfen, die gut und schön sind und das Leben bereichern. , -

Die Toleranz zwischen Rassen und Nationalitäten muß eines unserer wichtigsten Ziele sein.

Wir können Vorurteile und Furcht, die von jeher in den Niederungen des menschlichen Geistes nisten, nicht ausrotten. Aber wir können sie zurückdrängen und die Auswirkungen neutralisieren.

Die Reduzierung der Verbrechen — von Einzelpersonen und ganzen Völkern — muß in unseren Hoffnungen und Plänen auch mit an erster Stelle stehen. Die in immer reicherem Maße zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel und Waren, der höhere Lebensstandard und besserer Gesundheitszustand und eine bessere Erziehung sollten in den kommenden 25 Jahren die Reduzierung der Gewaltakte fördern.

Die Automatisation und andere Formen des wissenschaftlichen Fortschrittes werden zwangsläufig dem geistigen Arbeiter den Vorrang vor dem Handarbeiter sichern. Schon jetzt ist in Amerika die Unkenntnis des Lesens und Schrei-bens ein größerer Nachteil im Leben als die meisten körperlichen Gebrechen. Die Anforderungen an die geistigen Fähigkeiten werden sich sehr erhöhen. Es ist zu hoffen, daß bis 1980 eine entsprechende Erziehung (obgleich ich mir bewußt bin, daß zwei Personen darunter nicht das gleiche verstehen) so selbstverständlich sein wird wie anständige Kleidung.

Die Menschen werden natürlich mehr Freizeit haben: 1980 wird die Arbeitswoche im allgemeinen erheblich kürzer sein, und die durchschnittliche Lebenszeit wird sich weiterhin um 10 oder 15 Jahre verlängert haben. Krebs, Kinderlähmung, Tuberkulose und eine ganze Reihe anderer Geißeln der Menschheit werden in Vergessenheit geraten wie Cholera, Typhus und andere verheerende Seuchen der Vergangenheit. Nicht die Arbeit, sondern die Freizeit wird zum großen Problem der kommenden Jahrzehnte. Die Menschen sollten dies als eine von Gott geschenkte Chance nutzen, dem Leben neue Freude und Reize abzugewinnen.

Die kommenden 2 5 Jahre eröffnen freundliche Aussichten für die kleinen und großen Dinge des Lebens, für die materiellen Bequemlichkeiten und eine größere Wertschätzung allgemein menschlicher Belange. Wir müssen fest entschlossen sein, die erregenden Versprechen auch zu erfüllen. Wenn wir versagen, dann liegt es weder an der Wissenschaft noch an der Technik, sondern nur an uns selber.

Hass gegen die Wissenschaft

Es ist ein völlig sinnloses intellektuelles Unterfangen zu diskutieren, ob eine industrialisierte Gesellschaft „wünschenswert" ist oder nicht. Ebensogut könnten wir diskutieren, ob die Gezeiten oder die Jahreszeiten wünschenswert sind. Der wissenschaftliche Genius kann nicht wieder in die Flasche gestopft werden, selbst wenn wir es gerne möchten.

Theoretisch werden wenig entwickelte Länder vielleicht immer noch das einfache Leben bevorzugen, in der Praxis aber wollen sie die Maschinen und den Lebensstandard des Westens. Die kommunistische Propaganda erzielt den größten Erfolg in unterentwickelten Ländern, wenn sie Talsperren, Fabrikanlagen, Mechanisierung der Landwirtschaft und ähnliches verspricht. Viele der revolutionären Führer in Asien und Afrika sind eingeborene Söhne des Landes (und auch Töchter), die im Westen erzogen worden sind und seine technischen Annehmlichkeiten und Vorteile genossen haben.

Geringschätzung des Zeitalters der Wissenschaft und Massenproduktion, Heimweh nach der angeblich idyllischen vor-wissenschaftlichen Vergangenheit sind immer wiederkehrende Themen in der Literatur, des 20. Jahrhunderts.

Erst vor einigen Monaten wies ein Buch von Robert Jungk mit dem Titel „Die Zukunft hat schon begonnen“ warnend darauf hin, daß die Amerikaner auf ein seelenloses, mechanisiertes Morgen hinsteuern, in dem sich entseelte Automaten in dahinrasenden Maschinen tummeln.

Ich zweifele daran, ob die Menschen, die unsere Welt brandmarken, gegebenenfalls wirklich die materiellen Annehmlichkeiten Englands, Frankreichs und Amerikas gegen die des dunkelsten Afrikas auf die Dauer eintauschen würden. Sie sollten sich zumindest, meine ich, die Schreibmaschinen und Druckpressen sparen, die an der Verbreitung ihrer Ideen mithelfen.

Als Kur gegen den Haß auf die Wissenschaft empfehle ich den ausgedehnten Besuch eines wirklich primitiven Gebietes mit offener Kanalisation, schwärenden Wunden, grausamer Kindersterblichkeit und Menschen, die mit 40 Jahren schon verbraucht sind. Heimweh nach der einfachen Vergangenheit hüllt schwere Arbeit, Krankheit und Unwissen in romantischen Schimmer. Es sieht über Armut, soziale Ungerechtigkeit und feudale Despotie hinweg, die gewöhnlich die Begleiterscheinungen primitiver Wirtschaftsformen sind.

Die Behauptung, es bestehe ein unauflöslicher Konflikt zwischen der Wissenschaft und unserer unsterblichen Seele — die Wissenschaft sei der natürliche Feind unserer Seele — hält keiner Prüfung stand. Dem Mann im Flugzeug können Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht weniger bedeuten als seinen Vorvätern im Ochsenkarren. Nicht nur ein primitiver Verstand ist der Tugend fähig, und menschliche Würde gedeiht in Wolkenkratzern nicht weniger als in einer Holzhütte.

Problem der Anpassung

Es ist richtig, daß die Wunder der Technik so plötzlich über uns gekommen sind, daß die Anpassung an sie zu einem Problem geworden ist. Jahrhunderte alte, feste Begriffe sind in Verwirrung geraten. Aber im großen ganzen haben sich die Menschen verhältnismäßig schnell hineingefunden. Die durch die Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse verursachten menschlichen Probleme sind zwar ernsthaft, aber auch nicht größer als die schon gemeisterten. Die Schwierigkeit liegt nicht in den mit der Technik unlösbar verbundenen Übel-ständen, sondern darin, daß die Assimilation an die technischen Fortschritte zu langsam vor sich geht.

Die durch die Dampfmaschine hervorgerufene industrielle Revolution führte zu unerfreulichen Verhältnissen: Zu Elendsvierteln, Kinderarbeit, übermäßig langer Arbeitszeit und brutalen Arbeitsbedingungen. Langsam aber sicher wurden die rückständigen Verhältnisse den Erfordernissen der neuen Zeit angepaßt. Je weiter der Kapitalismus in der Entwicklung fortschritt, desto mehr Menschen kamen in den Genuß seiner Früchte in Form von Waren, Gesundheit und einer neuen Arbeitswürde. Ein starker Mittelstand, von Karl Marx nicht vorausgeahnt, ist entstanden. Der Unterschied zwischen Reich und Arm ist in bezug auf den Lebensstandard ständig im Sinken begriffen.

Das gleiche gilt, glaube ich, für die vielen Erfindungen heutzutage und selbst für die Kernspaltung. Jede Errungenschaft auf dem Gebiete der Physik birgt Gefahren und Möglichkeiten. Es ist der uralte Zwiespalt, der in die Welt kam, als Prometheus dem Menschen das Feuer gab, das wärmt und gleichzeitig verzehrt. Der erfinderische Geist, der uns die Autos schenkte, bescherte uns aber auch die Panzerdivisionen. Doch kann man Prometheus ebenso wenig für die Brandstifter verantwortlich machen wie die Gebrüder Wright für die Bombenabwürfe.

Technik und Geist

Es ist gut, sich daran zu erinnern, daß im 20. Jahrhundert auf politischem, kulturellem und moralischem Gebiet auch die Siege errungen worden sind, kleine und große. Unsere ganze Existenz ist von ihnen durchdrungen. Sie finden ihren Niederschlag im allgemeinen Stimmrecht, in den bürgerlichen Freiheiten, in der breiteren Erziehungsbasis, im leichteren Zugang zu den Werken der großen Künstler und in ihrer erhöhten Wertschätzung, in der zunehmenden Bereitschaft der menschlichen Gesellschaft, die Verantwortung für die Alten, die Witwen und Waisen und die Hilflosen zu übernehmen.

In meinen eigenen Leben habe ich die Befreiung vieler von Arbeitsüberbürdung, Ausbeutung und verheerenden Krankheiten, zu denen sie noch in meiner Kindheit auf ewig verdammt zu sein schienen, miterlebt. Wir leben in keiner schlechteren, sondern in einer unendlich viel besseren Welt. Dieselben Jahrzehnte, die Zeugen der Herrschaft über das Elektron und der Geburt der Atomkernenergie gewesen sind, haben auch gesehen, wie sich die Rassen-und Klassenbeziehungen wesentlich verbessert haben und eine umfassende soziale Gesetzgebung in Kraft getreten ist. Hand in Hand mit der Entstehung des laufenden Bandes und der Automatisation ging der Aufstieg der Gewerkschaften und die gerechtere Verteilung des Arbeitsproduktes.

In keinem Land wie in Amerika, dem klassischen Land der Technik, gibt es so wenig Armut, LInwissenheit und Krankheit und gleichzeitig eine in der Geschichte einzige Fülle an politischen Rechten und sozialen Errungenschaften. Wissenschaft und Technik haben immer am reichsten in den Ländern geblüht, in denen die Freiheit zu Hause war. Die enge Beziehung zwischen Freiheit und materiellem Überfluß sollte jenen zu denken geben, die den materiellen Fortschritt verachten. „Die Unterlagen beweisen“, hat Dr. Arthur H. Compton kürzlich gesagt, „daß in Ländern, in denen die Technik in den Dienst des Menschen gestellt worden ist, nicht nur ein gesundes Wachstum des biologischen, sondern auch eine gesunde Ausweitung des intellektuellen und seelischen Lebens des Menschen auf breiter Basis zu verzeichnen ist“.

Eine menschliche Gesellschaft auf dem Wege zur Technisierung ist gezwungen, das soziale Niveau ständig zu heben, um lebensfähig zu bleiben. Stärkere Kaufkraft, mehr Freizeit, Ausweitung des Absatzes für die industriellen Endprodukte, Herstellung des menschlichen Kontaktes und Unterhaltung, das sind die Bedingungen, die erfüllt werden müssen, wenn sie überleben will. Ihre Vitalität bezieht sie von freien, Menschen, die in immer stärkerem Maße an dieser Gesellschaft interessiert sind, wie die Anhänger einer totalitären Staatsform, die die Technik stets mit menschlicher Sklaverei in Verbindung bringen, zu ihrem Kummer lernen müssen.

Die Wissenschaft lehrt Demut

Die Wissenschaft lehrt Demut und nicht überheblichen Stolz. Jede neue Erkenntnis enthüllt klarer den der Natur zugrundeliegenden göttlichen Plan, die erstaunliche, dem Verstände des Sterblichen nicht mehr faßbare Übereinstimmung vom kleinsten bis zum größten Ding. In ihren Anfängen schien die moderne Wissenschaft auf feindlichem Fuße mit der Religion zu stehen; doch war dies nur ein Zeichen ihrer Llnreife. Heute verläuft die Entwicklung gewöhnlich so, daß die Wissenschaftler, die sich immer mehr des Mysteriums des Universums bewußt werden, durch das Wissen von den Grenzen der Wissenschaft zur Religion in ihrem ursprünglichsten Sinne finden. Und wie sollten diejenigen, die mit den Grundsteinen des Universums, den Atomen, Elek-

tronen und Genen umgehen, nicht von Ehrfurcht ergriffen werden? Mehr denn je ist die Seele des Menschen in die Gleichungen unseres Lebens eingebettet.

Die Überbrückung der räumlichen Entfernung durch die Errungenschaften der Wissenschaft trägt auch zur immer größeren Verdichtung der sozialen und intellektuellen Beziehungen zwischen den Menschen bei. Noch vor Generationen wurde eine verhältnismäßig starke Isolierung der Länder als etwas Gegebenes angesehen; sie trennte und vertiefte die Unterschiede. Heute muß eine Diktatur, die ihre LIntergebenen isolieren möchte, eiserne Vorhänge und Barrieren durch Elektronenstörfelder errichten. Weltumspannendes Fernsehen, das nach meiner Ansicht noch vor 1980 Wirklichkeit wird, wird die Gefühle der Menschen für einander vertiefen. Das Fremde und Unbekannte schreckt uns — doch wird der visuelle Kontakt den Eindruck des Fremdartigen überwinden und die alltägliche Physiognomie der Nachbarn enthüllen.

Tief in unserem Herzen wissen wir, daß der moderne Krieg so grausige Zerstörungen an Leben und Eigentum anrichten kann, daß er zu einer Art Selbstmord wird. Atom und Elektron machen ihn für den Gewinner und für den Verlierer zu einer Katastrophe. Dieser Umstand von entscheidender Bedeutung muß, auf die Dauer gesehen, den Krieg als ein Instrument der Landespolitik von der Liste streichen. Wir können nicht wissen, wann die „eine Welt“ kommen noch wie sie aussehen wird, doch scheint die Entwicklung im Zeitalter der Wissenschaft und Technik zwangsläufig auf eine Weltregierung und eine Weltgesetzgebung hin-zusteuern.

Die von mir erwähnten Kräfte scheinen eine Kettenreaktion hervorzurufen. Erstens, Wissenschaft und Technik führen zu materiellem Überfluß. Zweitens, hierdurch entstehen neue Lebensbedingungen und Anforderungen, die zur Anpassung im Sinne sozialen Fortschrittes zwingen. Drittens, die Abhängigkeit der Völker voneinander in einer Welt, deren Entfernungen durch die Errungenschaften der Wissenschaft täglich schrumpfen, macht eine geistige Planung auf breiterer Basis erforderlich, was eine Vertiefung der ethischen und moralischen Kräfte bewirkt, wodurch wiederum die Entfaltung der geistigen Kräfte des Menschen gefördert wird.

Es hat meinen uneingeschränkten Beifall, daß ein immer größerer Anteil der schweren Arbeit den Maschinen aufgebürdet wird, die Fortschritte in den Heilmethoden Schmerz und Pein verringern, die modernen Verkehrsmittel Völker und Nationen in immer engeren Kontakt bringen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führen.

In den nächsten 25 Jahren jedoch werden an unseren Mut und Charakter, an unsere Klugheit und Widerstandskraft große Anforderungen gestellt werden. Die stärkste Bedrohung wird natürlich vom unablässigen kommunistischen Drang nach der Weltherrschaft kommen.

Das Pendel der sowjetischen Diplomatie schwingt zwischen „hart“ und „nachgiebig“ hin und her, je nachdem, ob der Kreml Zeit braucht, wie die innere Lage in Rußland aussieht usw. Aber die von den sowjetischen Führern'von Lenin bis Stalin definierten politischen Grundziele des Kreml haben sich noch niemals verändert. Es ist daher nur zu hoffen, daß die freie Welt endlich gelernt hat, nicht dem Zauber der taktischen Liebenswürdigkeit des Kreml zu erliegen und wachsam zu bleiben.

Selbst wenn sich die Sowjets bereit erklären sollten, „den kalten Krieg abzublasen", ist die Gefahr nicht vorüber — man hat bisher noch nicht vernommen, daß die Kommunisten ihre Versprechen gehalten haben.

Die Notwendigkeit eines „Programms der Schlagkraft"

Wir müßten daher in den kommenden Jahren vor allen Dingen ganz klar zu verstehen geben, daß der Ausgang eines Krieges keineswegs von vornherein feststeht, sollten die Sowjets eine endgültige Auseinandersetzung provozieren. LInsere militärische Stärke muß ausgebaut und aufrecht erhalten werden, um den Kreml zu überzeugen, daß ein Angriff auf uns ein selbstmörderisches Unterfangen sein würde. Was wir auch in den kommenden 25 Jahren beginnen werden, um die sowjetische Bedrohung zu verringern und mit der Zeit einzudämmen, es würde zwecklos sein müssen, wenn wir nicht unsere Bemühungen durch eine entsprechende offensive und defensive, mit konventionellen und atomaren Waffen ausgerüstete Streitmacht stärken.

In der Offensive ist die Frage viel wichtiger geworden, ob die Vernichtungsmittel wirklich eingesetzt werden als die Vernichtungsmittel als solche. Die H-Bombe stellt das äußerste an militärisch brauchbarer Explosionskraft dar. Stärkere Bomben würden keinen Sinn haben. Darüber hinaus werden Reichweite, Geschwindigkeit und Treffsicherheit von entscheidender Bedeutung sein.

Diese Situation zwingt uns, Verstand und Energie auf die Konstruktion von Langstrecken-

bombern zu konzentrieren, die sich den Weg zum Ziel erkämpfen können. Sie verlangt von uns — und dies scheint mir das unmittelbarste und wichtigste Anliegen zu sein — die klare Überlegenheit in der Entwicklung weitest-reichender ferngelenkter Geschosse. Ein „schlagkräftiges Programm“ ist notwendig, um die Überlegenheit auf diesem Sektor zu sichern. Gleichzeitig müssen wir Bodentruppen und Seestreitkräfte in entsprechender Stärke unterhal-ten, besonders während wir die neuen Waffen für den Kampf in der dritten Dimension schmieden.

Aber die defensiven Kräfte sind nicht weniger wichtig. Der weitverbreitete Gedanke, daß eine „Verteidigung unmöglich geworden ist", ist unberechtigt und gefährlich. Die Vertreter dieser Auffassung meinen damit gewöhnlich, daß eine „lückenlose Verteidigung“ nicht möglich ist. Aber das ist ein Gemeinplatz, denn es hat bisher noch niemals eine Verteidigung gegeben, die nicht zu durchbrechen gewesen wäre. Zugegeben, ein Durchbruch heutzutage, im Zeitalter nuklearer Waffen, kann katastrophale Folgen haben. Aber das ist keine Entschuldigung für die Unterlassung jeglicher Verteidigungsvorbereitungen in den nächsten 25 Jahren. Die Gewißheit, daß ein Angreifer große Verluste einzustecken hätte — daß er viele Flugzeuge und ferngelenkte Geschosse opfern muß, um nur eines bis ans Ziel durchzubekommen — würde den abschreckenden Wert unserer offensiven Streitkräfte außerordentlich erhöhen.

Methoden zur Ermittlung von Flugzeugen und ferngelenkten Geschossen mittels Elektronen sind bekannt, ebenso Methoden, sie durch automatische Kollision mittels Geschossen, die vom Boden oder in der Luft abgefeuert werden, zu zerstören. In der Verteidigung handelt es sich in erster Linie um einen vom Elektron her bestimmten Kampf. Und wir dürfen durchaus überzeugt davon sein, daß die Vereinigten Staaten den größtmöglichen Vorteil aus ihrer gegenwärtigen technischen Überlegenheit — in Form von Hilfsquellen, Erfindungsgeist, Erfahrung und Kenntnisse — ziehen werden.

Die unmittelbare Gefahr droht nicht vom Bombenkrieg, sondern von der schwächenden, erschöpfenden, unbarmherzigen und unaufhörlichen kommunistischen Offensive im kalten Krieg, die auch in den nächsten 25 Jahren anhalten kann. Bis zum Aufkommen des sowjetischen Regimes haben sich die Völker entweder im Zustand des Krieges oder des Friedens befunden. Deswegen haben sie es heute schwer, ihr Denken und ihre Politik einer Situation anzupassen, die im traditionellen Sinne weder das eine noch das andere ist. Wir schrecken nicht davor zurück, 50 Milliarden und sogar noch mehr für die Rüstung auszugeben, aber wir zögern, einige Milliarden mehr zu opfern, um den aus dem kalten Krieg erwachsenden Anforderungen gerecht zu werden.

Da weder Schüsse knallen, noch das donnernde Geräusch explodierender Bomben uns schreckt, haben wir nicht das Gefühl eines Kampfes auf Leben und Tod. Aber es geht nun mal um gar nichts Geringeres. Wenn wir in dem derzeitigen nichtmilitärischen Kampf eine Niederlage erleiden, so würde die uns auf diesem Stern noch gebliebene Freiheit zum Untergang verurteilt sein, nicht anders, als ob wir einen Schießkrieg verlieren würden.

Es handelt sich gar nicht um die Frage, ob wir die im kalten Krieg gebräuchlichsten Waffen in der politischen, wirtschaftlichen und psychologischen Kriegführung anwenden sollen. Die Sowjets haben uns gezwungen, einige nicht-militärische Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aber sie blieben vereinzelt, unzusammenhängend und waren in jammervoller Weise unzulänglich. Die Frage ist viel eher, ob wir die Kommunisten mit ihren eigenen politischen und psychologischen Waffen schlagen sollen, um unsere Gegenoffensive wirklich wirksam zu machen.

Strategisches Oberkommando erforderlich

Es handelt sich um eine weltumspannende Aufgabe. Örtliche Probleme müssen natürlich sofort angepackt werden. Aber sie können nur gelöst werden, wenn sie einer auf den Sieg zielenden Gesamtstrategie untergeordnet sind. In Anbetracht der Größe der Verpflichtung und des auf dem Spiel stehenden Einsatzes ist eine konzentrierte Planung und Leitung erforderlich. Wir brauchen auf diesem Gebiet von entscheidender Bedeutung analog zum Vereinigten Generalstab auf dem militärischen Sektor ein strategisches Oberkommando. Und unsere Arbeit muß fortlaufend mit den Ämtern anderer freier Länder, die sich mit der Führung des kalten Krieges beschäftigen, koordiniert werden.

Der sowjetische Bereich ist durch politische und psychologische Waffen verwundbar. Der Kreml weiß es wohl und fürchtet sie sehr. Seine inneren „Widersprüche“ sind viel größer als die der freien Länder Die Spannungen zwischen Sowjetrußland und den Satellitenvölkern sind sehr stark — einen Teil dieser Spannungen haben wir im Juni 195 3 in Deutschland, der Tschechoslowakei und in Polen aufbrechen sehen.

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung in der Sowjetunion selbst ist weit verbreitet. Nach 37 Jahren absoluter Macht wagt der Kreml immer noch nicht, den Druck der rohen Gewalt zu lösen — Millionen politische Gefangene, viele Hinrichtungen, eine Säuberung nach der anderen und völlige Unterdrückung de-elementarsten Menschenrechte. Furcht vor den eigenen Untertanen und Zweifel über ihre Untertanen-treue in Krisenzeiten sind im Kreml ständige Gäste. Wenn man die Zukunft bis 1980 überschaut, darf man nicht übersehen, wie wichtig es ist, den kalten Krieg zu gewinnen. Wenn wir nicht den Frieden gewinnen, wenn wir nicht die Initiative im kalten Krieg an uns reißen — das heißt, wenn es zu keinem heißen Krieg kommt — dann wird der Triumph der Wissenschaft und Technik, die ich mit breiten Strichen umrissen habe, bedeutungslos bleiben.

Wenn die Freiheit verloren und die Menschenwürde zerstört ist, dann stellen materielle Errungenschaften keinen „Fortschritt“ mehr dar, sondern bilden lediglich den Ausgangspunkt für neue Barbarei. Die Menschheit kann nicht auf unbegrenzte Zeit die zunehmende Last eines Rüstungswettlaufs und die drückende Bürde der Furcht und Ungewißheit tragen. Da die kommenden 25 Jahre entscheidend sein werden, ist es unsere wichtigste Aufgabe, den Frieden zu gewinnen — nicht den Frieden totalitärer Herrschaft, sondern einen wirklichen, in der Freiheit wurzelnden Frieden. Wir können es schaffen, glaube ich.

Fussnoten

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