Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Entstehung und Entwicklung der neuen Staaten in Nah-Ost und Nordafrika | APuZ 34/1956 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 34/1956 Predigt über Hiob 42, 1 -2 und 5-6 Aufgabe und Grenze der Toleranz Entstehung und Entwicklung der neuen Staaten in Nah-Ost und Nordafrika

Entstehung und Entwicklung der neuen Staaten in Nah-Ost und Nordafrika

BERNHARD WEGMANN

Die Unternehmungen des aggressiven Kommunismus und des subversiven Faschismus stellen die europäischen Demokratien immer wieder vor die Aufgabe, die Grenzen der Toleranz in einem freiheitlich verfaßten Rechtsstaat mit Nachdruck klarzustellen. Darauf kann bei aller Berufung auf die Toleranz nicht verzichtet werden. Ich glaube, daß in Deutschland weder der Kommunismus noch der Nationalsozialismus in unserer und in der nächsten Generation eine wirkliche Chance haben. Dennoch wird der Staat immer wieder vor der Aufgabe stehen, verbohrte Reste des Nationalsozialismus und des militanten Kommunismus zu bekämpfen und alle Ansätze zur Vergewaltigung des Staates durch die Intoleranz auszumerzen. Er kann das wirklich und überzeugend nur so tun, daß er sich peinlich vor Entgleisungen in totalitäre Methoden hütet. Das heißt, daß er zum Beispiel unter keinen Umständen die bloße Gesinnung unter Strafe stellt, daß er aber andererseits auch ohne die mindeste Unsicherheit jeden Versuch einer Bedrohung oder Unterwühlung seiner freiheitlichen Rechtsordnung bestraft, und zwar klar, streng und ohne zu fackeln. Wer eine Ordnung der Toleränz will, darf sich gegenüber der aggressiven Intoleranz nicht benehmen wie das Kaninchen vor der Schlange. Denn wer Toleranz sagt, darf es nicht tun, um der rasanten Intoleranz zur Herrschaft zu verhelfen. Wohl aber ist die Toleranz dort am Platz, wo redliche Versuche der Weiterbildung der bestehenden rechtsstaatlichen Ordnung im Geiste der Freiheit gemacht werden. Hier ist Großzügigkeit selbst dann geboten, wenn offensichtlicher Irrtum und politisch Gegnerschaft es nicht leicht machen, tolerant zu sein.

Die Toleranz ist der Freiheit verschwistert. Sie teilt bewußt ihre Risiken, nicht weil sie blind oder stumpf wäre für die Gefahren der Freiheit, sondern weil sie willentlich — eben um der Freiheit willen — auch ihre Gefahren hinnimmt. Die wirkliche Toleranz ist alles andere als verschlafen. Sie ist scharfäugig für das andere, auch für das Intolerante. Gleichgültigkeit ist nicht Toleranz. Die edle Kunst und die hohe Tugend der Toleranz kann nur der üben, der ein persönliches, das heißt scharfäugiges und gewissenhaftes Verhältnis zur Freiheit, zum Recht und zur Wahrheit hat. Wer das nicht hat, den kostet seine Toleranz wenig oder nichts.

Toleranz als hohe Tugend gibt es nur da, wo man trotz der Einsicht in die Vergänglichkeit alles Menschlichen von der Gültigkeit absoluter Richtlinien und Maßstäbe menschlichen Verhaltens durchdrungen und von der ewigen Bestimmung des Menschen überzeugt ist. Weil sich der Glanz derselben Wahrheit sehr verschieden in der menschlichen Erkenntnis widerspiegelt, ist es uns geboten, tolerant, das heißt nicht nur mitleidig und nachsichtig, sondern bescheiden und ehrerbietig zu sein gegen den andern, gleichgültig, welcher Rasse oder weichet Konfession er zugehört.

Aus dem Alten Testament ist uns die Geschichte des nach Ägypten verkauften Hirtenknaben Josef überliefert. Eine große Geschichte. Denn sie enthüllt das letzte Geheimnis wahrhafter Toleranz. Josef sprach zu seinen Brüdern: „Fürchtet euch nicht, denn ich bin unter Gott." Was könnte eine Woche der Brüderlichkeit uns Größeres bringen als die Erkenntnis und den Willen, unter Gott zu sein und damit dem andern zuverlässiger brüderlicher Gefährte in den Fährnissen unserer Zeit zu werden?

Die nachstehende Darstellung ist einem zur Veröffentlichung im Frühjahr vorgesehenen Buch des Verfassers: „DER FRIEDEN AUF STEINIGEN PFADEN" mit dem Untertitel „Deutschland und Europa in der Weltpolitik“ entnommen. Der Vorabdruck erfolgt mit Genehmigung des Verlages Reimar Hobbing, Essen (früher Berlin). Verfasser und Redaktion legen Wert auf die Feststellung, daß die Veröffentlichung keinerlei amtlichen Charakter besitzt.

I. Grundstruktur und Bedeutung für Europa

Syrischer und mesopotamischer Raum:

Irak Syrien Libanon Jordanien Israel Gebiet 1000 qkm 435, 4 181, 3 10, 4 96, 5 20, 7 Bevölkerung in 1000 4 882 3 336 1 353 1 360 1 718 Arabische Halbinsel:

Saudi-Arabien 1 600, 0 7 000 Jemen 195, 0 4 500 Muscat und Oman 212, 4 550 Vertrags-Scheiche und Quatar 15, 0 95 Kuweit 20, 7 150 Bahrein-Inseln 0, 6 112 Aden (Kolonie u. Protektorat) '316, 2 800 Nordafrika:

Ägypten 1 000, 0 22 469 Libyen 1 759, 5 1 500 Tunis 155, 8 3 630 Algerien Nordteil (3 Departem.) 207￵쐸̽吏>

Für Europa sind die arabischen bzw. islamischen Gemeinwesen im Nahen Osten und im afrikanischen Mittelmeergebiet besonders wichtig. Der arabisch-islamische Raum ist der Nachbar und das Bindeglied Europas — u. U. aber Trennmauer — zum Mittleren und Fernen Osten und in gewisser Beziehung auch zu Afrika. Durch das Mittelmeer und den Suez-Kanal führen seit dessen Eröffnung die wichtigsten Schiffahrtsstraßen des Westens nach Asien. Wenn ein Staat im Nahen Osten oder eine dort herrschende fremde Macht imstande ist, den Weg nach Asien zu sperren, bleibt dem Westen nur der zeitraubende Umweg über das Kap der Guten Hoffnung. Die Frage, wer im Nahen Osten die Macht besitzt und wer maßgebenden Einfluß ausübt, ist deshalb für die westliche Welt von ausschlaggebender Bedeutung, insbesondere wenn die einheimischen Staaten schwach sind. In den letzten hundert Jahren haben die seinerzeitigen sechs europäischen Großmächte, unter ihnen vor allem Großbritannien und Rußland, durch Druck auf das Osmanische Reich Einfluß auf den Nahen Osten genommen. Nadi dem 1. Weltkrieg waren Großbritannien und daneben in geringerem Umfang Frankreich seine Beschützer. Seit Ende des 2. Weltkrieges schalteten sich die USA zunehmend an der Seite Großbritanniens in politischen Fragen ein, in wirtschaftlicher Beziehung (Erdöl) gibt es aber auch Gegensätze zwischen den Interessenten-Gruppen beider Staaten. In der Gegenwart sucht Rußland in Gestalt der Sowjetunion erneut Einfluß zu gewinnen. Im westlichen Nordafrika hatten seit dem vorigen Jahrhundert — teilweise noch länger — Frankreich und Spanien eine starke Stellung, die jetzt in rascher Veränderung begriffen ist.

Verglichen mit Europa, Indien und China hat der nahöstliche und nordafrikanische Raum bei all seiner gewaltigen Flächenausdehnung im ganzen nur eine relativ kleine Bevölkerung. Er stellt das Trocken-gebiet der Alten Welt dar, das sich von der Sahara über die arabische Wüste nach Persien hinzieht und seine Fortsetzung in der turkestanischen Steppe Innerasiens findet. Nur die Landstreifen entlang den Meeren oder den Strömen bieten Möglichkeiten der Kultur und der dichteren Besiedlung, außerdem die Gebietsteile mit unterirdischer Wasserführung, soweit letztere für die Bewässerung nutzbar gemacht wer-den können (Oasen). Die Wasserwirtschaft ist allenthalben im Nahen Osten seit jeher von außerordentlicher Bedeutung und mit modernen Methoden noch sehr ausbaufähig.

Die Erschließung der großen Erdölvorräte, die auf 50 bis 60 % der Weltvorräte geschätzt werden und zur Zeit 20 °/0 der Welt-Erdölproduktion stellen, hat den Nahen Osten zum Hauptversorgungsgebiet Europas mit Erdöl (zu rd. 80 °/0) gemacht und ermöglicht einigen seiner Staaten den Erwerb der Mittel zur wirtschaftlichen Fortentwicklung und zum Ausbau seiner Staats-und Militärapparate. Der Westen hat in der Erdölwirtschaft ungefähr 2, 6 Milliarden Dollar investiert, die einheimischen Regierungen beziehen z. Zt. pro Jahr 800 Millionen Dollar aus den Öl-„Royalties". Für Löhne und Käufe geben die Ölgesellschaften weitere 200 Millionen Dollar im arabischen Raum (einschließlich Iran) aus. Im allgemeinen sind jedoch die Nah-Ost-Staaten von der Natur nicht gerade günstig ausgestattet worden, und sie sind im Verhältnis zur bewohnbaren Fläche und zum wirtschaftlichen Entwicklungsgrad trotz der geringen Bevölkerungsdichte im allgemeinen relativ übervölkert. Die statistischen Gesamtzahlen über Fläche und Bevölkerung dürfen nämlich nicht darüber täuschen, daß die tatsächlich bewohnbaren Gebiete, wenn man die Wüstenflächen abzieht, im Nahen Osten meist sehr dicht bevölkert sind, und zwar sogar dichter als west-und mitteleuropäische Länder. So beträgt z. B. die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in Ägypten — bezogen auf die z. Zt. bebaubare Fläche — das Dreifache der Dichte in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Nahe Osten birgt in sich das Weltzentrum und die heiligen Stätten von rund 350 Millionen Moslems, aber auch die heiligen Stätten der Christenheit und des Judentums. Die drei Religionen und die aus ihnen hervorgegangenen Kulturgemeinschaften haben in der Vergangen--heit oft stark aufeinander eingewirkt, jeder war zeitweise mehr gebend und zeitweise mehr nehmend. Abendland und Morgenland haben von der Wurzel her mehr miteinander gemeinsam als mit den anderen (asiatischen) Kulturgemeinschaften. Alle drei Religionen haben den Monotheismus und wesentliche Grundvorstellungen über die Natur des Menschen gemeinsam, aber ihre Anhänger und Würdenträger im Nahen Osten sehen sich keineswegs als befreundet an.

Die gesellschaftliche Struktur zeigt meist noch einen konservativen Charakter in der Vorherrschaft angestammter Familien mit großem Grundbesitz und der islamischen Geistlichkeit. Die staatliche Gemeinschaft ist in den monarchischen Staaten nach islamischer Tradition auch religiöse Gemeinschaft, und der Herrscher ist gleichzeitig geistlicher und weltlicher Führer. Das islamische gewohnheitliche und richterliche Recht hat auch in den Republiken den Vorrang vor dem staatlich gesetzten Recht. Religiöse (christliche und andere) Minderheiten sind dementsprechend auch meist anerkannte „Volksgruppen“ oder Nationalitäten, die nach eigenem Recht leben und weitgehende Selbstverwaltung genießen. Die Souveränität des Staates ist also nach der islamischen Grundkonzeption von Natur aus beschränkt, während die europäische Auffassung erst in den letzten Jahrzehnten sich wieder mehr und mehr zu einer Relativierung des Dogmas der Staatssouveränität zurücktastet. Doch gibt es — vor allem in Ägypten — unter dem Einfluß der bisherigen europäischen Doktrin und des Vorbildes der modernen Türkei Bestrebungen, die absolute Staatssouveränität und den Vorrang des staatlich gesetzten Rechts auch gegenüber den religiösen, insbesondere den christlichen Gemeinschaften durchzusetzen, was sich in Wirklichkeit in einer Bedrängung der nichtislamischen Religionsgemeinschaften auswirken kann und sich tatsächlich bereits hie und da in dieser Weise ausgewirkt hat. Dies ist nicht das einzige Beispiel dafür, daß falsche oder schiefe europäische Auffassungen und Praktiken in den anderen Kulturbereichen der Welt gelehrige Schüler und Nachahmer fanden, die dann diese Lehren und Praktiken auf die Lehrer und Vorbilder selbst anwandten.

Das Überwiegen des Analphabetentums in der Bevölkerung ist einer gesunden demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung nicht förderlich. In den letzten Jahrzehnten kommen durch das vom Abendland teilweise übernommene moderne Bildungswesen und durch das Studium in Europa neue Intelligenzschichten auf und gewinnen mehr und mehr an Geltung; diese sind die Hauptträger der nationalen und demokratischen Bewegungen, die in einzelnen Ländern teilweise extremen Charakter angenommen haben, wenngleich zu bemerken ist, daß ah und für sich im islamischen Kulturkreis keine günstigen Voraussetzungen für den Kommunismus bestehen. In Nordafrika, aber auch in anderen arabischen bzw. islamischen Ländern gibt es unter den im Abendland gebildeten Menschen viele, die sich in Denkweise und geistiger Tradition beider Kulturkreise, des islamischen und des abendländischen, zu Hause fühlen. Die Anpassung der staatlichen und sozialen Struktur an die modernen Erfordernisse geschieht vielfach praktisch in Form einer mehr oder weniger „aufgeklärten“, manchmal verschleierten Diktatur, die sich bestrebt, einen unmittelbaren Kontakt zu den Volks-massen über die eingewurzelten Autoritäten hinweg zu schaffen. Die Mittel der Massenpropaganda sind hochentwickelt, die ganze arabische Welt kann von ihr „erfaßt“ werden.

Der gesamte Raum von Nahost und Nordafrika befindet sich in heftiger Gärung. Nach relativ kurzer Führung — teilweise Beherrschung — durch europäische Staaten hat die arabisch-islamische Welt, die jahrhundertelang vorher unter türkischer Herrschaft gestanden hatte, ihre volle Unabhängigkeit erlangt, wie im folgenden einzeln darge-stellt wird. Der europäische Einfluß in Nahost und Nordafrika stand nicht so sehr — wenn man die üblich gewordenen Schlagworte hier gebrauchen will — unter dem Zeichen des „Kolonialismus“, sondern eher unter dem des „Imperialismus". Dieser Einfluß — nach dem ersten Weltkrieg in Form von Völkerbundsmandaten ausgeübt — wurde nämlich seinerzeit weniger wegen des Nahen Ostens selbst als vielmehr wegen der Erhaltung der Verbindung zu den Kolonialreichen im Mittleren und Fernen Osten angestrebt. Die weltpolitische Entwicklung, die zur Auflösung dieser Kolonialreiche und zur Entstehung einer neuen asiatischen Staatenwelt führte, hat zusammen mit der allgemeinen Schwächung Europas und mit dem „Kalten Krieg", der die Westmächte jahrelang in Atem hielt, die völlige Emanzipation der arabischen Staaten begünstigt. Seit der Entwicklung der nahöstlichen Ölquellen hat jedoch das Interesse Europas — nicht nur der ehemaligen Mandats-mächte — eine neue Eigenbedeutung erhalten; die Sicherung der Erdöl-versorgung Europas aus dem Nahen Osten ist schlechthin lebenswichtig. Weiterhin sind die Welthandelsländer Europas ebenso wie die Asiens und anderer Erdteile an den Verkehrswegen durch den Nahen Osten in hohem Maße interessiert. Eine wahrhaft internationale Lösung des gegenwärtigen Konflikts um den Suezkanal ist deshalb von größter Wichtigkeit.

Es wird in der Folge eine große weltpolitische Bedeutung haben, ob der Nahe Osten und Nordafrika einerseits und Europa als Ganzes andererseits ein neues von Ressentiments freieres Verhältnis zueinander finden werden, ferner wie sich das Verhältnis der arabischen Welt zu den Weltmächten von Ost und West und zu den asiatischen Staaten gestalten wird. Der Westen hat zweifellos bisher viel zur wirtschaftlichen, aber auch zur intellektuellen und politischen Entwicklung der arabischen Länder — wenn auch hauptsächlich aus Eigeninteresse und getragen von der Überzeugung der eigenen Überlegenheit — beigetragen. Die Fortführung des wirtschaftlichen Aufbaus unter Mitwirkung des Westens liegt weiterhin in beiderseitigem Interesse und ist wahrscheinlich nur auf diese Weise zu erzielen. Aber auch eine Mitwirkung des Ostens ist schon in den Bereich der Möglichkeit gerückt. Es ist jedoch zu befürchten, daß die zum Teil verständlichen Ressentiments der arabischen Welt gegen den Westen stärker sein werden als die politische und wirtschaftliche Vernunft, und daß mit zunehmenden nationalem Selbstbewußtsein auch alte Abneigungen gegen die europäisch-christliche Kulturgemeinschaft als solche wieder kräftiger werden. Die Parole: „Werft die Rumi (die Römer — gemeint sind die Europäer bzw. Christen) und die Juden (gemeint ist besonders der Staat Israel) ins Meer" scheint stärkere Verbreitung zu finden. Bei all diesen Fragen kommt es sehr darauf an, wie sich das Ost-West-Verhältnis entwickeln wird; eine Verminderung der Spannüng hat — wie ältere und jüngere Erfahrung gezeigt haben — einen mäßigenden Einfluß auf die arabische Welt.

Aber auch die Entwicklung innerhalb der arabischen Welt hat noch keineswegs ein stabiles, ausgewogenes System zustandegebracht. Die meisten der neuen souveränen Staaten sind der Menschenzahl nach recht klein, unter ihnen sind einige stärkere, wie Ägypten und Saudi-Arabien. Ägypten hat schon im vorigen Jahrhundert vor der Besetzung durch Großbritannien eine Expansionspolitik in den palästinensisch-syrischen Raum und in den Sudan hinein versucht und Saudi-Arabien hat in den zwanziger Jahren eine Eroberungspolitik auf der arabischen Halbinsel mit Erfolg betrieben. Das Staatensystem ist noch nicht stabil, die Grenzen zwischen den Staaten sind vielfach noch wenig klar bestimmt. Eine nationale Basis ist bei den Einzelstaaten nur in Ansätzen, sie ist aber im Arabertum für die Gesamtheit vorhanden. Der groß-arabische Gedanke kann unter Umständen von den stärkeren Staaten zur Überlagerung über die kleineren arabischen Staaten ausgebeutet werden und zu regionalen Konflikten führen. Auch in Nordafrika sind schon hegemoniale Tendenzen Marokkos gegenüber den anderen nordafrikanischen Ländern und Teilen des schwarzen Afrika zu Tage getreten — kaum daß nur die primitivsten Grundlagen für ein eigenes Staatsgebilde geschaffen werden konnten.

Die Bundesrepublik Deutschland wahrt den Entwicklungen in Nahost und Nordafrika gegenüber eine gewisse Zurückhaltung. Deutschland ist dort seit langem nicht mehr politisch, aber nach wie vor wirtschaftlich in hohem Maße interessiert. Deutschland kommt im Nahen Osten — wie auch anderwärts — sehr zugute, daß es nicht mehr mit dem Vorwurf des Kolonialismus bzw. Imperialismus behaftet ist. Dabei müssen wir aber wohl offen zugestehen, daß wir nach der Wegnahme der Kolonien durch die Alliierten des ersten Weltkrieges aus der Not eine Tugend gemacht haben; immerhin, diese Tugend wollen wir uns auch bewahren. Öffentliche Meinung und Außenpolitik der Bundesrepublik suchen ein freundschaftliches politisches Verhältnis zu den arabischen Staaten zu unterhalten und erkennen an, daß im Nahen Osten trotz aller Schwierigkeiten mit der Erlangung der Unabhängigkeit schon viel, je nach den unterschiedlichen Möglichkeiten, für den Aufbau der neuen Staaten und Volkswirtschaften geleistet worden ist. Als eine nicht-koloniale Macht genießt Deutschland im allgemeinen ein besonderes Prestige und Wohl-wollen und man erhofft sich von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit ihm sehr viel. Die Araber verübeln jedoch nach wie vor der Bundesrepublik den Abschluß des Israel-Abkommens. Bei aller Zurückhaltung der Bundesrepublik gegenüber den politischen Fragen im Vorderen Orient darf aber nicht übersehen werden, daß sie in ihren Beziehungen zur arabischen Welt zwangsläufig schließlich doch das Schicksal Gesamt-europas teilt.

II. Der Weg der arabischen Länder zur Unabhängigkeit

1. Die Auflösung des Osmanischen Reiches

Die jetzigen arabischen Staaten gehörten bis zum 1. Weltkrieg noch sämtlich zum Osmanischen Reich. Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte sich jedoch der innere Zusammenhang des Reichs sehr gelockert; einstige Provinzen mit überwiegend christlicher Bevölkerung wurden selbständig, manche Teile gehörten nur noch dem Namen nach dazu. Durch die von Vertretern europäischer Großmächte (außer Rußland) geleitete Schulden-verwaltung waren Volkswirtschaft und Finanzen des Reichs fast völlig von Europa abhängig. Diesem Umstand und dem Interesse Großbritanniens an seiner Existenz hatte das Osmanische Reich eine Art von Bestandsgarantie zu verdanken. Durchlöchert wurde diese Garantie durch einzelne der Mächte, zunächst in Nordafrika, wo das Einzelinteresse der Mächte stärker war als ihr Gesamtinteresse.

Das britische Reich war, abgesehen vom Sonderfall Ägypten, bis zum 1. Weltkrieg an der Erhaltung des Osmanischen Reichs stark interessiert und ist insbesondere russischen, aber auch französischen Versuchen, sich im Nahen Osten festzusetzen, entgegengetreten. Im Interesse der Sicherung seiner Verbindungswege nach Indien und der Verteidigung des indischen Subkontinents betrieb es eine Politik der Neutralisierung des Nahen Ostens. Anders wurde die Lage, als das Osmanische Reich an der Seite Deutschlands in den 1. Weltkrieg eintrat.

Die Westmächte machten sich nun die nationalen arabischen Bestrebungen auf Unabhängigkeit von der türkischen Herrschaft zunutze und förderten sie. Seit Juli 1915 fanden Verhandlungen mit dem Scherifen von Mekka, dem Haschemiten Hussein, statt, in denen letzterer als Wortführer der arabischen Nationalisten in Mesopotamien und Syrien die Anerkennung der Unabhängigkeit der arabischen Gebiete einschließlich Syriens, Mesopotamiens und Palästinas (mit Ausnahme der britischen Kolonie Aden) forderte. Der britische Unterhändler erkannte dies im Prinzip an, machte jedoch gewisse Vorbehalte „spezieller Maßnahmen administrativer Kontrolle“ durch Großbritannien in Mesopotamien und Vorbehalte französischer Interessen in Syrien und Libanon.

Im Juni 1916 brach unter Führung Husseins ein arabischer Aufstand aus. Arabische Truppen und Freischärler halfen den Alliierten bei der Einnahme von Palästina und Syrien. In der Zwischenzeit (1916) waren außer den Abmachungen mit den Arabern noch geheime Abkommen zwischen Großbritannien, Frankreich und Rußland über die Aufteilung der asiatischen Teile des Osmanischen Reichs getroffen worden, ferner hatte Großbritannien Ende 1917 der ZionistenbewegungZusagen wegen Errichtung einer jüdischen Heimstätte in Palästina gemacht. Ende 1918 erklärten Großbritannien und Frankreich, es sei ihr Ziel, „nationale Regierungen in Syrien und Mesopotamien zu schaffen, die ihre Autorität aus der freien Welt durch die einheimische Bevölkerung herleiten“. Von einem großarabischen Reich, auf das die Haschemiten gehofft hatten, war allerdings nicht mehr die Rede, und auch die Annahme der Königswürde von Syrien und Palästina durch den ältesten Sohn Husseins, Emir Feisal, wurde unterbunden. Hinzu kam, daß die Ansprüche der Haschemiten keineswegs allgemein anerkannt wurden und daß sie schließlich durch Ibn Saud 1924 von der arabischen Halbinsel verdrängt wurden; es gelang ihnen nicht, die Kalifenwürde, die durch die Laisierung der Türkei frei wurde, zu behaupten.

1920 trat die formelle Loslösung der arabischen Provinzen von der Türkei in Kraft. Durch den Völkerbund wurde 1922 erklärt, die vom Türkischen Reich losgelösten Länder hätten „ein Entwicklungsstadium erreicht, in dem ihre Existenz als unabhängige Nationen vorläufig anerkannt werden kann, vorbehaltlich verwaltungstechnischer Maßnahmen durch eine Mandatsmacht bis zu dem Zeitpunkt, wo sie allein stehen können". Großbritannien übernahm das Mandat über den Irak, Palästina und Transjordanien, Frankreich über Syrien und den Libanon. Das Mandatssystem bezweckte die Förderung der Wohlfahrt der betroffenen Völker und ihre Entwicklung zu unabhängigen Gemeinwesen. Praktisch aber stellten die Mandatsgebiete auch eine Erweiterung der Machtsphäre der Mandatsinhaber dar. Sie mußten sich aber sehr bald mit den politischen Bewegungen der Mandatsgebiete auseinandersetzen, die auf eine vollständige Unabhängigkeit abzielten.

2. Ägypten

Bereits im Laufe des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Abhängigkeit Ägyptens vom Osmanischen Reich sehr verringert. Durch das erblich gewordene Vizekönigtum wurden die Grundlagen für einen besonderen Staat unter Übernahme moderner Einrichtungen gelegt. Überschuldung und forcierte Expansionspolitik des Khediven in Afrika führten zur britisch-französischen Finanzkontrolle. Bei einem nationalistischen Aufstand gegen den Vizekönig, den Khediven, wurde 1882 ein britisch-französisches Flottengeschwader nach Ägypten entsandt. Die Franzosen zogen sich aus Anlaß eines Regierungssturzes in Paris wieder zurück, und die Briten, die 1875 das größte geschlossene Aktienpaket des auf französische Initiative gebauten und überwiegend mit französischen Geldern finanzierten Suezkanals vom Khediven erworben hatten, unterdrückten in der Folge allein die Unruhen; die britische Besatzung blieb von da an im Land. Im Jahre 1888 wurde auf Betreiben der übrigen seefahrenden Großmächte durch die Konvention von Konstantinopel vereinbart, daß der Suezkanal stets, sowohl im Frieden wie im Krieg allen Handelsschiffen und Kriegsschiffen jedes Staates offen-stehen muß. 1914, nach Ausbruch des 1. Weltkriegs, erklärte -Groß britannien das Land auch formell zu seinem Protektorat und die osmanische Oberherrschaft als erloschen, nachdem die Türkei an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten war.

LInter dem Druck der nationalen Bewegung, die seit der Jahrhundertwende immer stärkeren Rückhalt im Volke gefunden hatte und die sich später in der Wafd-Partei konzentrierte, erkannte Großbritannien 1922 Ägypten als unabhängigen Staat an, behielt sich aber durch einseitige Erklärung die Verteidigung Ägyptens und der Verbindungslinien des britischen Weltreichs, den Schutz der auswärtigen Interessen und der Minderheiten sowie den Sudan vor. Praktisch stand damit Ägypten weiterhin unter starkem Einfluß Englands. Einen höheren Grad der Verselbständigung erreichte Ägypten nach mehrmalig gescheiterten Versuchen eines zweiseitigen Abkommens durch den Allianzvertrag mit Großbritannien von 1936, (abgeschlossen nach der italienischen Invasion in Äthiopien). Die militärische Besetzung Ägyptens wurde für beendet erklärt, England erhielt jedoch Flottenbasen in Alexandrien und Port-Said sowie das Recht, den Suezkanal auf 20 Jahre zu verteidigen. Der Sudan wurde als gemeinsames Herrschaftsgebiet (Kondominium) mit britisch-ägyptischer Besetzung gemäß dem früheren Vertrag von 1899 bestätigt. 1937 wurde Ägypten Mitglied des Völker-bundes. Im 2. Weltkrieg wurde das libysch-ägyptische Grenzgebiet zu einem der wichtigsten Kriegsschauplätze gegen die andrängende deutsche und italienische Macht. Ägypten erklärte zwar erst Ende 1944 den Achsenmächten den Krieg, räumte aber schon lange vorher den Alliierten weitgehende Erleichterungen ein und ägyptische Truppen entlasteten die Engländer am Suezkanal. Bereits vor Kriegsende drängte Ägypten auf Beseitigung der restlichen Beschränkungen seiner Souveränität. Großbritannien zog zwar seine Truppen aus der Hauptstadt und dem Nildelta zurück, die Verhandlungen über die vorzeitige Zurückziehung der britischen Truppen aus der Kanalzone und über die Sudanfrage, die Sudanfrage wurde 1947 sogar vor den Sicherheitsrat der LIN gebracht, führten aber zu keinem endgültigen Ergebnis.

Großbritannien bemühte sich, in Anbetracht der zunehmenden Ost-West-Spannungen die Frage der Verteidigung des Suezkanals im Rahmen einer Verteidigungsorganisation für den Nahen Osten, umfassend Ägypten und die anderen arabischen Staaten, unter Beteiligung der LISA, Frankreichs und der Türkei, zu lösen. Die ägyptische Regierung ließ sich darauf aber nicht ein und legte im Oktober 1951 nach vorhergegangenem diplomatisch-politischen Geplänkel Gesetze über die Annullierung des britisch-ägyptischen Allianz-Vertrags von 1936 vor sowie über die Kündigung des britisch-ägyptischen Vertrags von 1899 über den Sudan. Damit entspann sich ein dramatischer Streit, in dessen Verlauf es im Juli 1952 zur Vertreibung und Absetzung des Königs Faruk, zur Ausschaltung der Parteien und des Parlaments, zur Diktatur einer Militärjunta (Revolutionsrat) und zur Ausrufung der kam; neue Republik das Regime hat sich mittlerweile soweit konsolidiert, daß verfassungsmäßige Formen eingeführt werden können.

Die Sudan-Frage wurde zunächst durch ein ägyptisch-britisches Abkommen vom Februar 1953 geregelt. Nach einer Übergangszeit von drei Jahren sollte eine Abstimmung der Sudanesen über eine Union mit Ägypten oder Errichtung eines eigenen Staates vorgenommen werden. Am 27. Juli 1954 wurde ein britisch-ägyptisches Übereinkommen zunächst über die Grundsätze und einige wichtige Einzelbestimmungen eines noch abzuschließenden Vertrages über die allmähliche Rückziehung der britischen Truppen aus Ägypten und die einvernehmliche Aufrechterhaltung der militärischen Basis in der Kanalzone abgeschlossen. Die Gültigkeit der Konvention von 188 8 über den Suezkanal wurde von beiden Parteien ausdrücklich anerkannt. Damit war zunächst eine gewisse Beruhigung in diesem für den Westen wichtigen Gebiet eingetreten. Aber schon im Frühjahr 195 5 entstanden neue Spannungen, als die Türkei und der Irak einen nahöstlichen Verteidigungspakt abgeschlossen, dem Großbritannien und schließlich der Iran beitraten, und weiterhin als erneut Grenzzwischenfälle zwischen Israel und Ägypten sich ereigneten. Weitere Beunruhigung entstand im Herbst 195 5, als bekannt wurde, daß Ägypten Waffenlieferungen aus der Tschechoslowakei erhielt, was vielfach als eine Hinwendung Ägyptens zum Ostblock gedeutet wurde. Die Hoffnung Ägyptens auf einen Anschluß des Sudans konnte nicht verwirklicht werden, da sämtliche Parteien im sudanesischen Parlament sich am 17. Dezember 1955 auf sofortige Verkündigung der Unabhängigkeit unter Fallenlassen der vorgesehenen Volksabstimmung einigten.

Am 13. Juni 1956 verließen die letzten britischen Truppen Ägypten nach einer 74jährigen Anwesenheit. An den Feiern aus Anlaß der Beendigung der britischen Besetzung am 18. Juni nahmen sowohl der britische General Robertson, im Krieg Oberbefehlshaber der britischen Mittelost-Streitkräfte, als auch der neuernannte sowjetische Außenminister Schepilow teil. Der wenige Tage danach (23. Juni) durch Volksabstimmung zum Präsidenten der Republik gewählte Chef der Regierung und des Revolutionsrats Oberst Gamal Abdel Nasser betonte bei dieser Feier, daß Ägypten „sich an seine Freunde im Westen und im Osten wenden werde, damit sie beim Aufbau des Landes behilflich seien“.

Das Hauptanliegen Nassers ist hierbei das riesige Staudammprojekt von Assuan , dessen Gesamtbaukosten auf 1, 3 Milliarde Dollar, davon 450 Millionen Dollar in ausländischen Devisen, bei einer Bauzeit von 15 bis 18 Jahren geschätzt werden. Der Staudamm soll ermöglichen 8100 Quadratkilometer = rd. 25 Prozent der jetzigen bebauten Fläche zu bewässern, die zur Zeit verfügbare elektrische Energie fast zu verdoppeln, dadurch die Ernährungsgrundlage zu verbreitern und den industriellen Ausbau des Landes zu erleichtern. Ägypten hat nicht nur mit dem Westen, sondern auch mit der Sowjetunion verhandelt, um ausländische Finanzhilfe für dieses seine Kräfte übersteigende Projekt zu erhalten. Im Dezember 1955 erklärten sich LISA und Großbritannien bereit, eine nicht rückzahlbare Finanzhilfe von zusammen 70 Millionen Dollar für den Baubeginn zu gewähren, die Weltbank sagte unter dieser Bedingung im Februar 1956 zu, sich mit einem Kredit von 200 Millionen Dollar zu beteiligen, falls sie darum ersucht werde. Dieser Betrag wurde von der Weltbank als äußerste Grenze der Belastungsfähigkeit Ägyptens angesehen und sollte in Raten gezahlt werden, unter der Voraussetzung, daß die ägyptische Wirtschaft und Zahlungsbilanz die Schuldenvermehrung jeweils tragen könne. Nasser sah allerdings darin den Versuch einer Kontrolle der ägyptischen Wirtschaft durch die Weltbank.

Die Regierung des Sudan hatte Ende Januar darauf hingewiesen, daß der Bau die Überflutung beträchtlicher Flächen des nördlichen Sudan zur Folge hätte, und Änderung des Abkommens über die Verteilung des Nilwassers gefordert. Sie befürwortete die Anlage kleinerer Dämme an verschiedenen Stellen des Nillaufs durch die Anliegerstaaten; auch Äthiopien und Uganda hatten Bedenken geäußert.

Die igyptische Regierung ließ das westliche Angebot zehn Monate in der Schwebe. Als sie die Verhandlungen erneut beginnen wollte, wurde ihr von Außenminister Dulles am 14. Juli mitgeteilt, daß das Angebot zurückgezogen sei, da Ägypten kein Einvernehmen mit den anderen Anliegerstaaten erzielt habe. Das gleiche wurde tags darauf von der englischen Regierung bedeutet. Die wahren Gründe dafür scheinen nach den Mitteilungen des englischen Außenministers im Parlament zu sein, daß die ägyptischen Waffenkäufe im Ostblock erheblich höher sind, als bisher angenommen wurde und daß dafür die ägyptische Baumwollernte im voraus verpfändet wurde, ferner daß Ägypten weiterhin eine ziemlich deutliche antiwestliche Außenpolitik betreibt. Eine Äußerung des sowjetischen Außenministers ließ sodann darauf schließen, daß auch das Angebot sowjetischer Kredithilfe nur unverbindlich war, so daß die Weltöffentlichkeit den Eindruck bekam, Ägypten habe sich zwischen zwei Stühle gesetzt. Am 27. Juli hat Präsident Nasser die Suezkanal-Gesellschaft verstaatlicht, deren Konzession 1968 abläuft, mit der Begründung, dadurch Mittel für das Staudammprojekt gewinnen zu können.

Die Beziehungen zum Westen sind durch diese Maßnahme in eine ernste Krise geraten; es scheint aber, daß auch asiatische Staaten daran interessiert sind, unabhängig von der Frage des Eigentums am Kanal die bisherige Sicherung der freien Durchfahrt garantiert zu sehen.

3. Der Irak

Die Araber in Mesopotamien revoltierten zuerst gegen das Mandats-regime, und Großbritannien war genötigt, in einem Vertrag von 1922 das dort 1921 unter dem aus Syrien vertriebenen Emir Feisal entstandene Königreich Irak anzuerkennen und die Ausübung des Mandats im Rahmen eines Vertrags mit dem Irak durchzuführen. 1930 wurde ein Bündnisvertrag zwischen Großbritannien und dem Irak unterzeichnet (1936 ergänzt); im Oktober 1932 wurde Irak aus dem Mandatsverhältnis entlassen, als souveräner Staat anerkannt und als Mitglied in den Völkerbund — also noch vor Ägypten — ausgenommen. Großbritannien hat sich stets bemüht, ein enges Verhältnis zum Irak zu unterhalten und seine Weiterentwicklung, die durch die Einnahme aus dem irakischen Erdöl unter günstigen Vorbedingungen steht, finanziell und wirtschaftlich gestützt. Die innerpolitischen Verhältnisse sind z. T. bestimmt durch die Existenz stärkerer Minderheiten; ein Teil der Araber zählt zu der islamischen Konfession der Schiiten (wie in Iran), die Kurden sind eine besondere Nationalität, sind aber Sunniten wie die meisten anderen Araber, außerdem gibt es mehrere christliche Konfessionen und gewisse Sekten, wie die sog. „Teufelsanbeter". Die politische Entwicklung im Lande verlief seit 1933 zeitweise sehr stürmisch im Widerstreit von Armeeführern und nationalen Reformgruppen mit westlicher Bildung einerseits und der feudalen Grundbesitzerschicht andererseits. Im 2. Weltkrieg war der Irak ein wichtiger britischer Stützpunkt; 1941 geriet er in Gefahr, als gewaltsam eine den Achsenmächten freundliche Regierung eingesetzt worden war und deutsche Luftlandetruppen im Lande erschienen. Großbritannien gelang es, der Gefahr durch die Truppen aus Palästina, durch seine irakischen Luftbasen und Teile der Arabischen Legion Herr zu werden.

Die Interessen des Irak weisen zufolge der geographischen Lage und der Nähe der Sowjetunion stärker als die der anderen arabischren Staaten auf eine Zusammenarbeit mit der Türkei, dem Iran und dem Westen hin. Seit 1930 werden die Staatsgeschäfte mit wenigen Unterbrechungen durch Nuri es Said geführt, der bereits sein 14. Kabinett gebildet hat. Auch nach dem Israel-Konflikt, seit dem die meisten anderen arabischen Staaten mehr und mehr eine gegen den Westen mißtrauische und abgeneigte Haltung bezogen haben, hat der Irak seine prowestliche Haltung beibehalten ohne dabei die allgemeine anti-Israel-Linie der Araber und die gesamtarabische Politik zu verlassen. Seit Oktober 1954 hat Nuri es Said Verhandlungen mit der Türkei geführt, um einen besonderen Pakt zwecks Wahrung des Friedens und der Sicherheit im Nahen Osten abzuschließen. Am 24. Februar 195 5 wurde dieser Vertrag in Bagdad unterzeichnet; ihm trat Großbritannien am 4. April durch ein Spezialabkommen bei, das den Anglo-Irakischen Vertrag von 1930 ersetzte, am 23. September traten Pakistan und am 23. Oktober 195 5 das Kaiserreich Iran bei.

4. Jordanien

In Jordanien (vor 1950 Transjordanien) entwickelten sich die politischen Verhältnisse langsamer. Der Staat wurde unter dem Emir Abdullah aus dem Haschemitenhaus (dem Bruder von König Feisal des Irak) 1923 von der britischen Mandatsmacht anerkannt. 1928 wurden dem Herrscher größere Zuständigkeiten vertraglich eingeräumt; die Mandatsmacht behielt sich den entscheidenden Einfluß in auswärtigen Angelegenheiten, den Finanzen und der Jurisdiktion über die Ausländer vor. Die Kosten der bewaffneten Macht des sehr armen Staates, der bis vor kurzem von englischen Offizieren ausgebildeten und geleiteten Arabischen Legion, werden seit Staatsgründung von Großbritannien getragen. Es zahlte jährlich (letztes Budget) direkt an die Arabische Legion fast 9, 5 Mill. £sowie 3, 3 Mill. £an den Staat in Form von Zuwendungen und Anleihen für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung. Am 25. Mai 1946 wurde der Emir Abdullah zum König proklamiert und das Mandatsverhältnis aufgehoben, nachdem vorher ein Beistandsvertrag zwischen Großbritannien und Jordanien abgeschlossen war; dieser Vertrag wurde im März 1948 durch einen für Jordanien Vertrag günstigeren ersetzt. Danach kann Großbritannien Luftwaffeneinheiten an zwei Plätzen unterhalten. Es hat die Unterhaltung und Einrichtung von Häfen, Straßen und Flugplätzen übernommen.

Gebiet und Bevölkerung des Staates vergrößerten sich nach der Teilung Palästinas um den Restteil dieses Mandats, der nach Loslösung des Staates Israel übrig blieb. Zu Jordanien gehört seitdem auch die Altstadt von Jerusalem. Zur bisherigen Bevölkerung von etwa 400 000 traten durch die Angliederung weitere 400 000. Einen Herd der Unruhe bilden jedoch seit Gründung Israels die arabischen Flüchtlinge aus Israel, die in ihrer Hauptmasse (rund 500 000 bis 600 000) in Jordanien leben. Der Versuch, Jordanien in das von England gestützte nahöstliche Bagdad-Paktsystem zu bringen, hat zu inneren Unruhen geführt. Ägypten, Saudi-Arabien und Syrien haben Jordanien zwecks Lösung seiner finanziellen Abhängigkeit von England eine laufende Finanzhilfe angeboten.

Anfang März 1956 wurde der Stabschef der Arabischen Legion, der britische General Glubb-Pascha vom König plötzlich entlassen und sah sich genötigt, das Land schnellstens zu verlassen. England berief darauf hin die nach Jordanien abgestellten britischen Offiziere sofort ab, veranlaßte aber die freiwillig dort dienenden nicht dazu, den Dienst zu quittieren. Der Vertrag mit Großbritannien blieb bestehen. Jordanien trat zwar nicht der Militärallianz Ägyptens, Saudi-Arabiens und Jemens bei, einigte sich im Mai aber mit Ägypten über eine militärische Koordination und schloß im Juni mit Syrien ein Militärabkommen und ein Wirtschaftsbündnis im Hinblick auf die Israel-Fragen ab. Jordanien gab also das besondere Verhältnis zu Großbritannien mit Rücksicht sowohl auf den Irak wie auch auf die englische Subvention nicht auf, sieht sich aber veranlaßt, seine Beziehungen zu den gegen den Bagdad-Pakt eingestellten arabischen Staaten zu intensivieren, ohne sich formell dieser Front anzuschließen.

5. Syrien und Libanon

In Syrien und im Libanon erfolgte die französische Mandatsausübung von vornherein fast ausschließlich in unmittelbarer französischer Verwaltung —im Gegensatz zum englischen indirekten System —; der Verwaltung durch die 1919 gebildeten Republiken wurde wenig Spielraum gelassen. Der Libanon ist in der Mehrheit christlich (mayonitisch unierte Kirche). Die Franzosen versuchen, christliche und andere religiöse Minderheiten (Drusen) gegen die moslemische Mehrheit in Syrien aus-zuspielen. Infolgedessen war die Feindseligkeit der Araber gegen die Mandatsmacht stärker ausgeprägt als in den britischen Mandatsgebieten. 192 5 brach ein Aufstand gegen die französische Mandatsmacht aus. Gestützt auf die Mandatskommission des Völkerbundes erreichten die Syrier im Laufe der 10 Jahre dauernden Verhandlungen französische Zugeständnisse für ihre Selbstverwaltung und 1936 sollte durch französisch-syrischen Vertrag ein unabhängiger syrischer Staat unter französischer militärischer Kontrolle entstehen. Das französische Parlament hat aber den Vertrag nicht ratifiziert. Im 2. Weltkrieg blieb Syrien bis 1941 unter der Kontrolle der französischen Regierung von Vichy, die den nichtbesetzten Teil Frankreichs unter deutschem Einfluß verwaltete.

Im Juni 1941, als die Lage der Alliierten durch deutsche Luftlandetruppen im Irak bedroht war und der französische Oberkommissar Miene machte, die Deutschen zu unterstützen, wurden Syrien und Libanon von britischen Truppen zusammen mit Truppen des „freien Frankreich“ besetzt. Die oberste militärische Gewalt befand sich wie im ganzen Nahen Osten auf Grund der alliierten strategischen Abmachungen in der Hand Großbritanniens. In einer Proklamation wurde von Seiten des französischen Oberkommandierenden in Syrien die Unabhängigkeit und Beseitigung des Mandatsverhältnisses proklamiert bzw nach französischer Auslegung zugesagt — mit der Einschränkung, daß noch Verträge zwischen Frankreich und den beiden Staaten abgeschlossen würden und daß der Völkerbund oder eine eventuelle Nachfolgeorganisation die Beendigung des Mandatsverhältnisses genehmigten. Der britische Oberkommandierende hat diese Zusage bestätigt. In der Folge wurden unter heftigem Streit zwischen Frankreich und den beiden Republiken, die aber die Unterstützung der anderen arabischen Staaten und Großbritanniens fanden, zahlreiche bisher von Frankreich ausgeübte Hoheits-und Verwaltungsrechte an die syrischen und libanesischen Behörden übertragen.

Im März 1945 sind Syrien und Libanon der Arabischen Liga und den Vereinten Nationen beigetreten. Nach Kriegsende versuchte Frankreich jedoch, seinen Einfluß auf die beiden Staaten wieder stärker geltend zu machen, und berief sich insbesondere auf die in den früheren Jahren ausgesprochenen Vorbehalte. Die Wünsche Frankreichs bezogen sich insbesondere auf Errichtung von Stützpunkten, die die französischen Verkehrswege zu seinen überseeischen Besitzungen sicherstellen sollten. Außerdem wurden auch Forderungen auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet angemeldet. Es erfolgten anti-französische Kundgebungen und die Bombardierung von Damaskus durch französische Streitkräfte; die britische Regierung sah sich genötigt, im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung im Nahen Osten einzugreifen. Nachdem es sogar zu Schießereien zwischen französischen und britischen Truppen gekommen war, drohten sowohl die USA wie Großbritannien, die Lieferungen von militärischer und ziviler Hilfe an Frankreich und die Gestellung von Transportmöglichkeiten an französische Truppen einzustellen. Vergeblich versuchte Frankreich, die Lage im Nahen Osten vor einer Fünfmächtekonferenz, an der auch Rußland und China teilnehmen sollten, zur Sprache zu bringen. Da die USA und Großbritannien dies aber ablehnten, mußte Frankreich auf die Durchsetzung seiner Forderungen verzichten.

Die britische und französische Regierung verabredeten einen Truppenabzugsplan, verbanden dies jedoch mit der Bedingung der Schaffung einer Sicherheitsorganisation für den Nahen Osten. Beide Regierungen sahen sich aber infolge des Widerstandes Syriens und des Libanon genötigt, vorbehaltlos im April 1946 ihre Truppen zurückzuziehen und alle bisher noch zurückbehaltenen Befugnisse aufzugeben. Im gleichen Jahr versuchte König Abdullah von Transjordanien auch Herrscher über Syrien und den Libanon zu werden, um ein Groß-Syrien zu schaffen. Syrien und Libanon hielten jedoch an ihrer Selbständigkeit und der republikanischen Staatsform fest. Syrien erlebte später militärische Staatsstreiche, kehrte aber 1954 wieder zum verfassungsmäßigen Regime zurück. Seine Haltung zum Bündnis Türkei-Irak und Großbritannien ist scharf ablehnend. Der Libanon dagegen hält sich in dieser Frage zurück.

6. Die Staaten und Protektorate der arabischen Halbinsel

Die arabische Halbinsel zerfällt in mehrere Staaten und Protektorate. Der wichtigste Staat ist das Königreich Saudi-Arabien, das in raschem Aufstieg mehrere früher voreinander unabhängige Gebiete zu einem Ganzen zusammenfaßte. Auch Jemen steht in besonders engen Beziehungen zu Saudi-Arabien.

Die Entstehung Saudi-Arabiens (rund 7 Mill. Einwohner) ist auf die Bewegung der Wahabiten, die eine besonders strenge Richtung des Islam vertreten, im 18. Jahrhundert zurückzuführen. Der 1953 verstorbene König Ibn Saud begann seine Laufbahn als religiöser und weltlicher Führer der Wahabiten, er vertrieb nach Rückgewinnung des väterlichen Erbes in Zentralarabien 1913 die türkischen Truppen aus Jem Sultanat Nedschd in Zentralarabien, Ende 1915 wurde seine Unabhängigkeit von Großbritannien anerkannt. 1921 verleibte er das nörllich vom Nejd gelegene Gebiet Hail ein. 1924/25 verdrängte er die Haschemiten aus dem 1916 im Einverständnis mit England unabhängig gewordenen Königreich Hedschas, das die heiligen Stätten des Islams, Mekka und Medina, in sich birgt. Zur gleichen Zeit gewann er das Gebiet von Asir südlich von Hedjas, das bis dahin von einem Zweig der Idrisi-Dynastie (Libyen) beherrscht wurde. Der Staat führt den Namen Königreich Saudi-Arabien seit 1932.

Der Staat bzw. die Dynastie verfügt durch die Einnahmen aus der Erdölgewinnung über reiche Mittel. Saudi-Arabien trat Februar 1945 den Vereinten Nationen bei. In den letzten Jahren hat sich das Land mehr und mehr an die Haltung Ägyptens angeschlossen, es ist ein entschiedener Gegner des nahöstlich-britischen Paktsystems. Die Hinwendung Saudi-Arabiens zu einer neutralistischen, ja sogar in mancher Hinsicht antiwestlichen Politik (zusammen mit Ägypten und Syrien) macht die Situation der Protektorate in Arabien schwieriger als früher.

Das Königreich Jemen an der Südwest-Ecke Arabiens geht auf eine sehr alte Staatsbildung zurück. Es erlangte seine volle Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich am Ende des 1. Weltkrieges. Das abseits des Weltverkehrs gelegene Land hielt sich bis vor kurzem vor Ausländern fast hermetisch verschlossen. Diplomatische Repräsentanten unterhält der Staat nur bei den Vereinten Nationen, der Arabischen Liga und Saudi-Arabien. Mit diesem ist es durch Verträge verbunden, durch die die gegenseitige Vertretung im Ausland, Zusammenarbeit in auswärtigen und arabischen Angelegenheiten sowie Schiedsgerichtsbarkeit in Streitfragen gewährleistet sind. Seit 1947 ist der Jemen Mitglied der Vereinten Nationen. Ende 1955 hat es — wie schon 1929 — einen Freundschaftsund Handelsvertrag mit der Sowjetunion abgeschlossen und bald darauf erstmals eine Ölkonzession einer amerikanischen Gesellschaft erteilt.

Das zu Großbritannien in losem Schutzverhältnis stehende Sultanat Muskat und Oman, die Protektorate der Bahrei n-Inseln und von Kuweit (an der Persischen Golfküste) sowie die Gebiete der sogenannten „Vertrags-Scheiche“ (ebenfalls am Persischen Golf) sind neben Saudi-Arabien und dem Irak wichtigste tatsächliche oder potentielle Erdölproduzenten. Die Grenzverhältnisse zwischen diesen Gebieten und zu Saudi-Arabien sind ziemlich unklar und geben des öfteren Anlaß zu Streitigkeiten.

7. Lybien

Libyen (Tripolis, Cyrenaica und Fezzan) wurde 1912 von den Italienern den Türken abgenommen und war seitdem italienische Kolonie. Das Land (jetzt 1, 3 Mill. Einwohner) ist eines der ärmsten Gebiete der Erde, aber in wichtiger strategischer Lage. Nach dem 2. Weltkrieg begehrte die Sowjetunion das Land als Treuhandgebiet, um einen Stützpunkt in Mittelmeerafrika zu erlangen. Die anderen Allheiten lehnten aber ab, und das Gebiet blieb unter britischer Verwaltung, bis die Organisation so weit fortgeschritten war, daß 1949 der Imam (Vorbeter und Fürst) des Senussi-Ordens, Emir Idris, als Herrscher des Landes von Großbritannien anerkannt werden konnte. Ende 1949 beschloß die Generalversammlung der Vereinten Nationen, dem Land die Unabhängigkeit mit Wirkung vom Januar 1952 zu geben. 1952 wurde der Staat (nunmehr Königreich) auch in die Arabische Liga, Ende 195 5 in die Vereinten Nationen ausgenommen.

III. Die Arabische Liga

1. Entstehung Die arabischen Staaten und Gemeinwesen bieten für einen engeren Zusammenschluß in mancher Hinsicht mehr Voraussetzungen als manch andere regionale Staatengruppe. Sie besitzen nicht nur eine -gemein same Religion und Kultur — nur der Libanon ist zu mehr als der Hälfte christlich —, sie haben auch sämtlich die arabische Sprache gemeinsam. Viele Araber betrachten ihre Gemeinschaft als eine einzige Nation im europäischen Sinne und manche fordern eine staatliche -Zusammen fassung der Nation in Form eines Bundesstaates. Andererseits fördern der Oasencharakter der arabischen Gemeinwesen und stellenweise eine historisch ausgeprägte Eigenart, wie z. B. in Ägypten, die Einzelstaatlichkeit.

Die Anfänge der panarabischen Bewegung gehen in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurück. 1931 wurde in Jerusalem auf einer Tagung führender Araber ein arabischer Konvent gegründet. Erschwert wurde die arabische Zusammenarbeit durch die Rivalität einzelner Staaten um die führende Position, so insbesondere Ägyptens, des Irak und Saudi-Arabiens. 1936 konnten jedoch Freundschaftsverträge zwischen Irak und Saudi-Arabien sowie zwischen Ägypten und Saudi-Arabien abgeschlossen werden.

Im 2. Weltkrieg war die freundschaftliche Zusammenarbeit der arabischen Staaten untereinander und mit Großbritannien für Großbritannien besonders wichtig. Die Achsenmächte Deutschland und Italien schickten sich an, die strategisch und wirtschaftlich wichtigen Verkehrswege durch den Nahen Osten zu durchschneiden; eine Kooperation der Araber mit ihnen wäre für die Alliierten gefährlich geworden. Die britische Regierung erklärte 1941, sie werde jedem Plan der arabischen Zusammenarbeit volle Unterstützung leihen, der eine allgemeine Annahme finde. 1943 schlug der Irak zunächst einen nordarabischen Zusammenschluß als ersten Schritt zu einer arabischen Liga vor. Ägypten lud die arabischen Politiker und führenden Staatsmänner daraufhin nach Alexandria ein, um sogleich eine gesamtarabische Liga vorzubereiten. Von vornherein war ein starkes Motiv zur Gründung der Liga die Abschüttelung der letzten Reste ausländischer Einflußnahme in allen Teilen der arabischen Welt und die Gegnerschaft gegen die Absichten der Zionisten, in Palästina einen eigenen Staat zu gründen 2. Zweck der Organisation Nach weiteren zwischenstaatlichen Verhandlungen wurde der Pakt in Kairo am 21. März 1945 unterzeichnet, und zwar von den 7 Staaten: Ägypten, Libanon, Irak, Transjordanien, Saudi-Arabien, Syrien und Jemen, er wurde sofort den Vereinten Nationen bekannt gegeben. In einer Anlage zum Pakt war bestimmt worden, daß der Rat der Liga einen arabischen Vertreter für Palästina ernennen solle, der an ihren Arbeiten teilnehmen könne. Zweck dieser Bestimmung war, Palästina als Ganzes für die arabische Staatenwelt zu reklamieren. Ende 1945 wurde Palästina in demonstrativer Weise sogar formell in die Liga ausgenommen. Auch Vertreter der anderen arabischen nichtsouveränen Gemeinwesen können sich in den Organen der Liga beteiligen. Libyen ist 1952, der Sudan Anfang 1956 in die Liga ausgenommen worden.

Die Liga ist eine lockere Konföderation von souveränen Staaten. Ihr Zweck ist „die Festigung der Beziehungen zwischen den Mitglieds-staaten und die Koordinierung ihrer Politik zum Ziele der Verwirklichung einer engen Zusammenarbeit, der Sicherung ihrer Unabhängigkeit und Souveränität und, im allgemeinen, der Behandlung der die arabischen Länder angehenden Fragen und Interessen" (Art. 2). Nach Art. 5 ist es untersagt, bei der Regelung von Konflikten zwischen den Mitgliedsstaaten Gewalt anzuwenden. Bei kleineren Streitfragen, die die Frage der Souveränität und des Gebietes (Territorialintegrität) nicht berühren, hat der Rat der Liga Entscheidung über den Streitfall; die streitenden Parteien nehmen in solchem Fall an der Beratung und Entscheidung nicht teil. Als Organ besitzt die Liga einen Rat, bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten; jeder Staat hat eine Stimme im Rat. Der Rat hat Ausschüsse für die spezielle Zusammenarbeit, und zwar für Finanz, Handel und Wirtschaft, für Kulturfragen, Nationalitäts-und Rechtsfragen, für Soziales und für Gesundheitswesen. Diese Ausschüsse haben viel in bezug auf kulturelle und technische Zusammenarbeit geleistet. Sitz der Organisation ist Kairo, wo sich das ständige Generalsekretariat, das mit erheblichen Rechten — auch initiativer Art — ausgestattet ist, befindet. 3. Wirken und Bedeutung der Liga Die Liga hatte große Bedeutung in den Streitfragen um die Teilung Palästinas und den Staat Israel, sie bildet die Basis für eine gemeinsame Politik in den Vereinten Nationen, wo sie häufig die Unterstützung asiatischer, insbesondere islamischer Staaten sowie des öfteren auch die der Lateinamerikaner fand. Rückschläge erlitt die Liga aber durch den Mißerfolg des Angriffs ihrer Mitgliedsstaaten auf den Staat Israel.

Zwiespältigkeit entstand in der Liga durch die eigenmächtige, von den meisten anderen Mitgliedern nicht gebilligte Annexion des Restes von Palästina durch Transjordanien. Im Juni 1950 wurde auf Betreiben Ägyptens ein zusätzlicher Sicherheitspakt abgeschlossen, durch den festgesetzt wurde, daß ein Angriff auf einen der Mitgliedstaaten als Angriff gegen alle gelten solle, während in den Statuten von 1945 für diesen Fall nur eine gemeinsame Beratung vorgesehen war. Es wurde ein Verteidigungsrat, bestehend aus den Außenministern und Verteidigungsministern, und ein ständiges militärisches Stabskomitee eingesetzt. Jordanien und der Irak traten zunächst jedoch diesem Verteidigungspakt nicht bei, ratifizierten aber später, und 1952 trat der Pakt in Kraft.

Durch die Hinwendung des Irak zum westlichen Verteidigungssystem (Pakt mit der Türkei und Großbritannien von 1955) hat die Liga eine gewisse Einbuße in politischer und militärischer Hinsicht erfahren, wenn sie auch als Gesamtorganisation der arabischen Staaten in anderen Fragen (auch vielen politischen) Bedeutung behält. Die anfängliche Absicht Ägyptens, Syriens und Saudi-Arabiens, eine neue Organisation für Verteidigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit aufzubauen, ist nicht weiterverfolgt worden, jedoch haben Ägypten und Saudi-Arabien sowie Ägypten und Syrien 195 5 besondere Verteidigungsverträge abgeschlossen. Dem Irak andererseits ist es nicht gelungen, Syrien, Libanon und Jordanien für den Anschluß an den Bagdad-Pakt zu gewinnen, er ist in der Liga nunmehr sehr isoliert. Die gesamtarabische Politik beruht nunmehr in der Hauptsache auf einer sehr engen Zusammenarbeit Ägyptens mit Saudi-Arabien und Syrien. Die Beziehungen fast aller arabischen Länder zu Großbritannien haben sich sehr verschlechtert.

In erheblichem Maße wirkt die Liga direkt und indirekt an der nordafrikanischen Unabhängigkeitsbewegung mit. Das „Befreiungskomitee des Arabischen Maghreb“ in Kairo hat eine starke Stütze an der Organisation der Liga, sowie an dem eine starke Wirkung ausstrahlenden Sender, „Stimme der Araber“ in Kairo. Der Rat der Arabischen Liga beschloß am 29. März 1956 einstimmig „das arabische Volk in seinem Unabhängigkeitskrieg total und vorbehaltlos zu unterstützen". Durch diese Mitwirkung haben sich auch die Beziehungen des Arabertums zu Frankreich außerordentlich verschlechtert.

IV. Konflikte in Palästina um den Staat Israel

1. Das Dilemma Großbritanniens Von Anbeginn stand der Schaffung dauerhafter günstiger Beziehungen zwischen den arabischen Staaten und dem als Schutzmacht des Nahen Ostens waltenden Großbritannien das an die Zionistenbewegung im Weltkrieg in der Balfour-Erklärung vom November 1917 gegebene Versprechen entgegen, den Juden eine nationale Heimstätte in Palästina zu geben — mit dem Vorbehalt, daß dadurch die bürgerlichen und religiösen Rechte der nichtjüdischen Gemeinden nicht beeinträchtigt würden. Es ist wenig bekannt, daß dieses Projekt damals von der amerikanischen Regierung wegen der Opposition der Araber nicht befürwortet wurde. Großbritannien geriet in das Dilemma, auf beide, völlig entgegengesetzte Interessen Rücksicht nehmen zu müssen, so daß seine Politik häufig schwankend und unkonsequent war. Es ließ die jüdische Einwanderung und den Verkauf von arabischem Landbesitz, an die Einwanderer zu, aber nach dem 2. Weltkrieg warf die Weltkonferenz der Zionisten Großbritannien vor, daß entsprechend den Regeln des britischen Weißbuches von 1939 während des Kriegs viel zu wenig, nämlich nur 60 000 (statt 110 000) Juden, die Möglichkeit der Einwanderung gehabt hätten in einer Zeit, in der eine Zuflucht in Palästina besonders dringlich gewesen sei. Nach dem britischen Weißbuch sollte die weitere Einwanderung, sobald die jüdische Bevölkerung ein Drittel der Gesamtbevölkerung erreicht habe, an die Zustimmung der arabischen Vertretung geknüpft sein. 2. Verhandlungen vor der Aufgabe des britischen Mandats Besonders akut wurde die jüdisch-palästinensische Frage wieder nach dem 2. Weltkrieg, als eine sehr große Anzahl von durch nationalsozialistische Verfolgung heimatlos gewordenen jüdischen Flüchtlingen nach Palästina strebten. Die unter der britischen Mandatsverwaltung als Nationalvertretung und -Verwaltung der Juden fungierende „Jüdische Behörde für Palästina“ (Jewish Agency for Palestine) forderte die Proklamierung Palästinas zum Jüdischen Staat und die Öffnung der Einwanderung, finanzielle Hilfe und deutsche Reparationen. Die USA drängten die Mandatsmacht Großbritannien wiederholt zur Gewährung verstärkter Einwanderung, und sie stimmten der von England vorgeschlagenen Errichtung eines gemeinsamen amerikanisch-britischen Untersuchungskomitees zu.

Dieses Komitee empfahl 1946 die Gründung einer gemeinsamen Palästina-Regierung, die unter internationaler Garantie die Interessen des Christentums, des Islam und des Judentums gewährleisten solle — unter Treuhänderschaft der Vereinten Nationen, ausgeübt durch Großbritannien. Auf Grund dieser Empfehlungen schlug die britische Regierung die Gliederung Palästinas in vier Provinzen vor: eine arabische, eine jüdische, Distrikt Jerusalem und Distrikt Negev (südliches, damals noch unkultiviertes Landgebiet) mit Provinzialparlamenten, über ihnen sollte ein Zentralparlament stehen; man wollte also eine föderalistische Lösung.

Im Juli 1946 lud die britische Regierung die Staaten der Arabischen Liga, die Juden und die Araber Palästinas sowie die USA-Regierung zu einer Palästina-Konferenz ein. Sowohl Juden wie Araber Palästinas lehnten die Teilnahme an der Konferenz ab. Die arabischen Staaten verwarfen die föderative Aufgliederung und verlangten einen unabhängigen Einheitsstaat; die Juden sollten höchstens ein Drittel der Sitze in Parlament und Exekutive haben, Einwanderung sollte verboten werden, d. h. sie wollten bestenfalls eine Duldung der schon bestehenden Heimstätte, keine Erweiterung. Die jüdischen Parteien forderten Teilung des Landes; sie lehnten den britischen Föderalisierungsplan völlig ab. Die Konferenz mußte Anfang 1947 ergebnislos abgebrochen werden, die Briten brachten die Frage vor die UN.

Schon im Laufe des Jahres 1946 erfolgten Terrorakte von extremer jüdischer Seite gegen die Mandatsmacht. Im September 1947 erklärte Großbritannien, das Mandat aufgeben zu wollen, und verlangte ein Übereinkommen zwischen den in der nationalen Heimstätte angesiedelten Juden und den Arabern. Die Majorität des von der UNO eingesetzten Komitees schlug eine Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor, wobei Jerusalem einen Sonderstatus unter Verwaltung der Vereinten Nationen erhalten sollte, die Minorität die Einrichtung eines Bundesstaates gemäß dem seinerzeitigen britischen Plan. Die UN-Vollversammlung stimmte mit Mehrheit dem Teilungsplan zu, den die Araber in Palästina ebenso wie die anderen arabischen Staaten nicht akzeptierten (November 1947). 3. Gründung des Staates Israel und Palästina-Kämpfe Anfang 1948 vermehrten sich die Unruhen in Palästina, auf beiden Seiten wurden Polizeitruppen und Streitkräfte gebildet. Am 15. Mai 1948 wurde das Mandat durch Großbritannien für beendet erklärt, am Tage darauf rief der jüdische Teil Palästinas den Unabhängigen Staat Israel aus. Die Kämpfe zwischen beiden Parteien verschärften sich durch den Einmarsch von Streitkräften der fünf benachbarten arabischen Staaten unter Oberbefehl des Königs von Transjordanien sofort nach Ende des britischen Mandats. Die Kämpfe verliefen jedoch zu Ungunsten der Araber und wurden auf Grund eines Beschlusses des Sicherheitsrates im Juli 1948 durch Waffenruhe zeitweilig eingestellt, nachdem die jüdischen Streitkräfte mehr an Territorium von Palästina besetzt hatten, als ihnen im Teilungsplan ursprünglich zugebilligt worden war.

Die Waffenruhe wurde im September durch Ermordung des Vermittlers der UN, den Grafen Bernadotte, Mitglied des schwedischen Königshauses, durch jüdische Terroristen gebrochen, und die Kämpfe flammten stellenweise wieder auf. Die Waffenruhe wurde im weiteren Verlauf durch von den Beteiligten abgeschlossene Waffenstillstands-verträge ersetzt und vom Sicherheitsrat im August 1949 bestätigt. Die Gegensätze zwischen den Weltmächten machten sich dabei nicht bemerkbar. Eine Beobachtergruppe der Vereinten Nationen ist seitdem in Palästina am Werke, die die Einhaltung des Waffenstillstandes überwacht und bei Verletzungen eingreift. Der arabische Teil Palästinas wurde gegen den Willen der anderen arabischen Staaten, aber im Einverständnis mit den Vereinten Nationen, vom Königreich Jordanien annektiert. 4. Flüchtlingsproblem und labile Lage in Palästina Der jetzige Zustand in Palästina'hat einen provisorischen Charakter; der Waffenstillstand hat lediglich die in den Kampfhandlungen erreichten Demarkationslinien eingefroren, aber nicht durch echte Übereinkunft rechtlich festgelegt.

Die Volkszahl in Israel, die während des britischen Mandats zwischen 1922 und 1948 von 84 OOO auf 640 000 gewachsen ist, beträgt nach Regierungsschätzungen 1953 rund 1, 7 Million. Darin sind rund 500 000 jüdische Flüchtlinge aus den arabischen Ländern enthalten, deren Eingliederung dem auf westlichem Standard aufgebauten neuen Staat nicht leicht fällt. Der Ausbau der israelischen Volkswirtschaft und die Verschmelzung der Einwanderer verschiedenster Länder und Kultur-stufen zu einer neuen Nation bringen außerordentliche Schwierigkeiten und Anstrengungen mit sich, insbesondere für den Ausgleich der Zahlungsbilanz und des Staatshaushalts. Eine gewisse Erleichterung bringt hier die auf zehn Jahre verteilte Leistung der Bundesrepublik in Höhe von 3 Milliarden DM auf Grund des Israel-Abkommens, das von Regierung und Bundestag als moralische Verpflichtung und „Ehrenpflicht des deutschen Volkes“ begrüßt wurde.

Ein Friedensschluß zwischen Israel und den arabischen Ländern steht nicht in Aussicht. Die arabischen Länder haben sich nicht mit dem in den Kämpfen durch Israel erzielten Landgewinn abgefunden und möchten nunmehr auf die seinerzeit durch die UN vorgeschlagenen, von ihnen aber abgelehnten Grenzen zurückkommen. Die Spannung zwischen ihnen und Israel wird genährt durch die moslemischen Flüchtlinge aus dem jüdischen Gebiet in den angrenzenden Ländern (rund 650 000 an der Zahl). Die Aufnahmeländer ziehen es aus politischen Gründen vor, die Eingliederung dieser Flüchtlinge, wofür zusätzliche Hilfe der UN wiederholt angeboten wurde, zu unterlassen. Sie nehmen aber Hilfe entgegen für den Unterhalt dieser Flüchtlinge. Ein weiterer Streitgegenstand ist der israelische Plan der teilweisen Ableitung des Jordans für Bewässerungszwecke. Im März 1956 haben die USA den Sicherheitsrat ersucht, die Situation in Palästina zu erwägen. Dieser beauftragte den Generalsekretär der UN, Hammarskjöld, mit einer Mission nach Palästina zur Untersuchung der Innehaltung des Waffenstillstands und zur Verhandlung mit den Parteien, um Maßnahmen zur Verminderung der Spannungen zu finden. Eine gewisse Beruhigung ist auch dadurch eingetreten, daß die Sowjetregierung bei ihren Besprechungen in London Ende April sich ausdrücklich bereit erklärt hat, die LIN „bei ihrer Initiative zu unterstützen, eine friedliche Regelung des Streits zwischen den arabischen Staaten und Israel auf einer gegenseitig annehmbaren Grundlage herzustellen“.

V. Die nordafrikanisch-französische Frage

Neben den souveränen arabischen Staaten gibt es noch weitere arabische Gemeinwesen, die in mehr oder weniger engen Bindungen zu europäischen Mächten stehen, die aber ebenfalls im Begriffe sind, wieder selbständige Staaten unter gewisser Aufrechterhaltung besonderer Beziehungen zur bisherigen Schutzmacht bzw. Metropole zu werden. Es sind dies die Länder des „Maghreb“ (Westen), von den Abendländern „Berberei“, auch Barbareskenstaaten genannt, die im Mittelalter bis-ins vorige Jahrhundert hinein den europäischen Mächten und der „christlichen Seefahrt“ durch das in ihnen heimische Piratenwesen viel zu schaffen machten. Diese Länder waren jahrhundertelang selbständige politische Gemeinwesen und standen nur zeitweise in lockerer Abhängigkeit vom Osmanischen Reich, während die im vorigen behandelten Gebiete in Mesopotamien und Palästina lediglich türkische Provinzen waren. Die nordafrikanischen Länder sind nicht als rein arabisch zu bezeichnen; ein erheblicher Teil der Bevölkerung sind arabisierte Berber, in Algerien und noch mehr in Marokko stellen die reinen Berber einen starken Anteil. Es ist natürlich, daß die arabische Bewegung auch starke Ausstrahlungen auf diese nordafrikanischen Gemeinwesen hat, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich unter den Schutz bzw. die Herrschaft Frankreichs und zu einem kleinen Teil unter die Spaniens gekommen sind.

1. Algerien

Die jetzigen französischen Departements von Algerien sind am längsten und engsten mit Frankreich verbunden. Nach einer kaum zwei Jahrhunderte dauernden osmanischen Herrschaft war Algerien schon bei Beginn des 18. Jahrhunderts völlig selbständig, befand sich aber in einem ziemlich anarchischen Zustand. Dem für den europäischen Handel sehr lästigen algerischen Seeräuberwesen machte Frankreich seit 18 30 durch Eroberung und Beseitigung des algerischen Staates ein Ende. Seitdem ist Algerien in französischem Besitz; seit 1871 ist es durch Unterstellung der örtlichen Behörden unter das Innenministerium bzw. die Fachministerien in das französische Staatsgebiet einbezogen und in drei Departments gegliedert worden. Sie zählen zusammen rund 8, 5 Mill. Einwohner, von denen 1 Mill. Europäer sind und nicht ganz 2 Mill. Berber. Zu unterscheiden ist von den drei Departements der Südteil Algeriens, der unter militärischer Verwaltung steht; er besitzt nur rund 800 000 Einwohner und ist größtenteils Wüste. Die Bevölkerungsdichte in den drei Departements ist fast doppelt so groß wie in Tunis und Marokko; hierin kommt auch die schon mehr als ein Jahrhundert dauernde wirtschaftliche enge Verflechtung mit Frankreich zum Ausdruck. Das Bevölkerungswachstum übersteigt seit längerem den Ausbau der algerischen Wirtschaft, so daß große Arbeitslosigkeit besteht. Rund 300 000 Algerier arbeiten zur Zeit in Frankreich und ernähren mit ihren Überweisungen fast 2 Millionen Menschen in der Heimat.

In der Organisation der 3 Departements laufen fast von Anfang an zwei widersprechende Tendenzen nebeneinander her: Verwaltung von Land und Leuten wie die des Mutterlandes einerseits (Assimilation) und andererseits Verwaltung nach kolonialen Gesichtspunkten. Die Bestrebungen auf eine Eigenständigkeit der Moslems entstanden nach dem ersten Weltkrieg, und es bildeten sich parteiähnliche Vereinigungen, eine mit dem Ziel der politischen Assimilation an Frankreich, während eine andere auf gewisse Separation ausging. Im zweiten Weltkrieg milderte sich der Widerstand der französischen Kolonisten in Algerien gegen die Erweiterung der staatsbürgerlichen Rechte der Muselmanen in etwa; durch Entscheidung des Befreiungskomitees (freie französische Regierung) wurden die französischen Bürger-und Wählerrechte gewissen Gruppen, wie Inhabern von Diplomen höherer Schulen und von Ordensauszeichnungen, Beamten, Offizieren und anderen Honoratioren auch dann auf Antrag gewährt, wenn sie den persönlichen muselmanischen Status nicht aufgaben.

Am Ende des 2. Weltkrieges brachen in Teilen Algeriens Unruhen aus, und es bildeten sich Parteigruppen, die auf volle Loslösung Algeriens von Frankreich abzielten. Das Statut von Algerien von 1947 brachte Anerkennung der arabischen Sprache und gewährte der gesamten algerischen Bevölkerung formell die französische Staatsbürgerschaft und damit volle Freizügigkeit auch im eigentlichen Frankreich. Das Wahlrecht wurde jedoch für die muselmanischen Algerier dadurch beschränkt, daß zwei Wahlkollegien gebildet wurden: das eine umfassend 1 Million Franzosen und 60 000 Einheimische, die schon seit 1944 das Wahlrecht besaßen (vor allem Juden) und ein weiteres Wahlkollegium, umfassend 7, 5 Mill. Einheimische. Beide Kollegien entsenden die gleiche Zahl von Abgeordneten sowohl in die algerische Versammlung wie in das französische Parlament. Die algerische Versammlung hat das Recht, den Haushalt zu genehmigen und ergänzende Bestimmungen zu den französischen Gesetzen zu erlassen. Von jedem von ihnen werden je zwei Mitglieder in den konsultativen Regierungsrat entsandt, zu dem der Generalgouverneur ebenfalls zwei Mitglieder ernennt. Das Statut enthält also wiederum beide entgegengesetzte Elemente, das der Assimilation wie der Separation und erzeugt neue Keime der Zwietracht; die französischen Kolonisten lehnten es fast sämtlich ab.

Im November 1954 begannen wiederum schwere Unruhen, es bildete sich eine Armee der nationalen Befreiung. Die arabischen Staaten und der Sender „Stimme der Araber" in Kairo unterstützen die algerische Bewegung. Die französische Regierung nahm im August 1955 Verbesserungen des Statuts und der Verwaltung in Aussicht. Der von der französischen Regierung proklamierte Ausnahmezustand dauert an, die französische Regierung ist genötigt, immer mehr Truppen nach Algerien zu legen und Reserven für diese Zwecke einzuziehen, um die aufs schwerste erschütterte öffentliche Ordnung nicht völlig untergehen zu lassen.

2. Tunis

Der an Algerien grenzende Staat des Bey von Tunis war 1881 genötigt, einen Schutzvertrag mit Frankreich abzuschließen. Anlaß und Vorwand zum Einmarsch französischer Truppen waren Überfälle von tunesischen Beduinenstämmen auf algerisches Gebiet. Der Schutzvertrag sah eine Beendigung der französischen Okkupation vor, sobald die französischen und tunesischen Autoritäten festgestellt hätten, daß die lokale Verwaltung die Aufrechterhaltung der Ordnung garantieren könne. Die Souveränität des tunesischen Staates war durch diesen Vertrag noch nicht tangiert. Aber schon 1883 mußte nach Ausbruch eines schweren Aufstandes im Lande der Bey in einen Vertrag einwilligen, der es ermöglichte, den Staat in eigene direkte Verwaltung ähnlich wie eine Kolonie zu übernehmen. Die tunesische Souveränität wurde auch hier nicht beseitigt, war aber vollständig gehemmt.

Vor dem ersten Weltkrieg entstanden in Tunis Fortschrittsparteien, dann die Destour-Partei, die sich 1934 in eine konservativ-islamische und eine zunächst linksgerichtete Neo-Destour-Partei spaltete, letztere strebte eine völlige Unabhängigkeit an, Frankreich konzedierte 1922 lediglich die Errichtung eines Großen Rates mit beratenden Funktionen, zur Hälfte bestehend aus direkt gewählten Franzosen, zur anderen Hälfte aus indirekt gewählten Tunesiern.

Die vielfältigen Gegensätze haben sich in Tunis seit dem 2. Weltkrieg noch erheblich verschärft, auf Seiten der französischen Regierung wechselten Verständigungs-und Machtpolitik mehrmals ab, ebenso aber auch bei den tunesischen politischen Kreisen.

Im April 195 5 kam es nach wiederholten blutigen Zwischenfällen zu einer Reihe von Konventionen zwischen Tunis (unter Zustimmung der Neo-Destour-Partei) und Frankreich, die im Juli darauf von der französischen Nationalversammlung genehmigt wurden. Dadurch erhielt die tunesische Regierung wieder die innere Autonomie; auch bei internationalen Verhandlungen, die tunesische Interessen betreffen, hat die Regierung des Bey das Recht, konsultiert zu werden. Der Vertrag von 1881 blieb zunächst bestehen. Frankreich verblieben die Befugnisse der Verteidigung und der auswärtigen Angelegenheiten, der Schutz und die Vertretung der Franzosen in Tunis (175 OOO an der Zahl) und der Ausländer. Eine besondere Konvention regelt die für die Franzosen in Tunis geltenden Rechte; diese erhalten ihrerseits einen persönlichen Status, d. h. sie unterliegen in bestimmten bürgerlichen Rechten nicht dem tunesischen Recht, sondern französischem Recht. Das Land bleibt auch in den Zoll-und Währungsangelegenheiten mit Frankreich weiterhin verbunden, Frankreich deckt das Budgetdefizit. Dezember 1955 wurden Protokolle über die französisch-tunesische Zollunion, über die Zugehörigkeit Tunesiens zur Franc-Zone und über die Schiffahrtsbeziehungen unterzeichnet. Nachdem Frankreich die Unabhängigkeit Marokkos anerkannt hatte, wurde von Tunis die Aufhebung des Vertrags von 1881 gefordert. Dies geschah durch das Protokoll vom 20. März 1956, in welchem Frankreich feierlich die Unabhängigkeit von Tunis anerkennt und festgestellt wird, daß der Vertrag von 18 81 „die französisch-tunesischen Beziehungen nicht mehr leiten kann" und daß auch die Bestimmungen der Konventionen von 19 5 5, die mit der Unabhängigkeit von Tunis in Widerspruch stehen, geändert und aufgehoben werden. Beide Staaten kamen überein, „die Modalitäten einer frei verwirklichten gegenseitigen Abhängigkeit (interdependance) der beiden Länder zu bestimmen und durchzuführen''— durch Organisation der Zusammenarbeit auf bestimmten Gebieten.

Die Neo-Destour-Partei spielt nunmehr unter ihrem Leiter Habib Bourgaiba die maßgebende Rolle; sie ist dem Vernehmen nach gut organisiert und angeblich einer dauerhaften Zusammenarbeit mit Frankreich und dem Westen zugeneigt; sie hat zeitweilig sogar Interesse für eine Mitgliedschaft Tunesiens in der NATO gezeigt. In den Wahlen vom 26. März 1956 errang die unter ihrer Führung stehende nationale Front bei sehr starker Wahlbeteiligung sämtliche Sitze der verfassunggebenden Versammlung. Der Leiter der Neo-Destour wurde Ministerpräsident des Landes.

Die Beziehungen zu Frankreich haben sich aber doch nicht so gut eingespielt, wie es nach der Anerkennung der völligen Unabhängigkeit den Anschein hatte. Tunis erklärte, nicht in der Lage zu sein, „tunesische Freiwillige daran zu hindern, im Namen der arabischen Solidarität in Algerien zu kämpfen“ (Erklärung Bourguibas am 25. April 1956). Auch wegen der von Tunis schnell betriebenen Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu anderen Mächten noch vor der formellen Aufhebung des Vertrags von 1881 durch das französische Parlament gab es Mißhelligkeiten. Nach Einwilligung Frankreichs zum praktischen Vollzug der vollen Unabhängigkeit durch Botschafteraustausch noch vor Abschluß eines Freundschafts-und Allianzvertrags wurden die Verhandlungen über letzteren abgebrochen, da Tunis den vollständigen Abzug der französischen Truppen verlangt.

3. Marokko

Wesentlich komplizierter waren bisher und sind noch die rechtlichen und international-politischen Verhältnisse des alten Sherifenreiches des Sultans von Marokko, der gleichzeitig geistlicher und weltlicher Herrscher ist. Der Staat gliedert sich zur Zeit noch in drei Teilet das bisherige französische Protektorat mit 8, 5 Mill. Einwohner, das bisherige spanische Protektorat (1, 1 Million) und die internationale Zone von Tanger (60 000 Einw.).

Seit der Eroberung von Algier hat Frankreich immer stärkeren Einfluß auf Marokko zu nehmen getrachtet. Als Grund konnte es angeben, daß die öffentliche Ordnung, die für die zunehmenden europäischen Handelsinteressen immer wichtiger wurde, wenig gesichert war. Bei seinen Absichten hatte es aber mit dem Widerspruch der anderen am Handel und Verkehr mit Marokko interessierten Staaten zu rechnen, der durch Verhandlungen und Zugeständnisse an Italien, Spanien und Großbritannien allmählich ausgeräumt wurde. So wurden schon 1905 Spanien ein Protektorat im nördlichen Teil Marokkos, Großbritannien die Internationalisierung von Tanger und das französische Desinteressement an Ägypten, Italien die Einflußnahme auf Libyen zugestanden. Krisenhaft verliefen jedoch die Verhandlungen mit Deutschland; auf dessen Intervention hin wurde 1906 die internationale Konferenz von Algeciras berufen, die das Prinzip der offenen Tür in Marokko festsetzte und ein Reformprogramm ausstellte. Die Unruhen hörten aber nicht auf, so daß schließlich die Autorität des Sultans völlig erschüttert war. Frankreich und Spanien schickten Truppen nach Marokko, Deutschland gab der Errichtung eines französischen Protektorats nach dem Zugeständnis einer deutschen Kolonie im Kongogebiet im Jahre 1911 seine Zustimmung. 1912 erreichte Frankreich, das mittlerweile praktisch das ganze Land durchdrungen hatte, die Annahme seiner Schutzherrschaft durch den Sultan, der Frankreich gegen die ihn belagernden Berberstämme des Hochgebirges und der südlichen Steppen um Hilfe angerufen hatte. Der tung ihrer'Sprache, Sitte, Verwaltung und Rechtspflege zugesichert gegen Anerkennung der Oberhoheit des Sultans. Frankreich fand in der Folge bei seinen Bestrebungen Unterstützung bei den Autoritäten der Berber, die eine Arabisierung ablehnten.

Nach Ende der verständnisvollen Amtsführung des Marschalls Lyautey im Jahre 1925, der vertrauensvoll mit den einheimischen Kreisen zusammenarbeitete und sich bemühte, aus der jüngeren Generation mit europäischer Ausbildung neue Kräfte zu gewinnen, wurde die Verwaltung Marokkos mehr und mehr von den französischen Behörden in die Hand genommen. Dem Sultan verblieben im großen und ganzen nur die Staats-und Rechtsangelegenheiten, die mit seiner geistlichen Würde Zusammenhängen, ausgeübt durch das alte marokkanische Regierungsgremium, den Makhzen. Nach dem 1. Weltkrieg entstanden national-marokkanische Bewegungen, die mit der panarabisch-islamischen Bewegung Kontakt nahmen. 1936/1937 formierte die nationale Opposition den „Istiqlal" (Unabhängigkeitspartei), der sich 1938 in einen gemäßigten und einen extremen Flügel spaltete. Einen starken Auftrieb erhielt die Unabhängigkeitsbewegung durch die Atlantik-Charta von 1941 sowie durch das starke amerikanische Interesse an Marokko, das mehr und mehr zu einem Brückenkopf der westlichen Hauptmächte im Krieg und auch danach wurde. Der Sultan Sidi MoltaiiiMed Ben Jussuf. der von Präsident Roosevelt am Kriegsende wie ein souveräner Herrscher empfangen wurde, unterstützte seitdem die Bestrebungen der Nationalisten.

Noch vor Ende des Weltkrieges kam es zu Unruhen. Bemerkenswert war auch, daß die Nationalisten zu einem großen Teil in starke Abhängigkeit zur kommunistischen Bewegung gerieten. 1947 kam es zu Reformen, u. a. auch zur Errichtung einer beratenden Körperschaft, in der die gewählten Vertreter der französischen (ca. 350 000) und marokkanischen Bevölkerung getrennt tagen. Diese Reform wurde als völlig ungenügend empfunden, und es kam in der Folge zu immer stärkerer Verbindung des Sultans mit nationalistischen Kreisen und schließlich sogar zu einer Anrufung der Vereinten Nationen durch die scherifische Regierung.

Im August 195 3 spitzte sich der Gegensatz zwischen Sultan und Frankreich derart zu, daß der Pascha von Marrakesch, El Glaoui, ein Führer der Berber, dem Sultan durch den Rat der Paschas die Würde des Imam (geistlichen Herrschers) aberkennen und ein anderes Mitglied des Herrscherhauses, Moulay Mohammed Ben Arafa, zum Imam wählen ließ und einen Marsch der Berberstämme auf die Hauptstadt inszenierte. Die französische Regierung verbannte den Sultan nach Korsika, später Madagaskar, und bestätigte den neuen Imam als Sultan. Dieser fand aber nicht die Anerkennung des marokkanischen Volkes, es entstanden außerdem auch Schwierigkeiten mit Spanisch-Marokko und Spanien selbst, das die Absetzung des Sultans als nicht mit den Protektoratsverträgen für vereinbar ansah. Der Ministerpräsident Mendes-France leitete wegen der andauernden Unruhen im August 195 4 eine neue Politik ein, um das marokkanische Volk instand zu setzen, „seine eigenen Angelegenheiten im Rahmen der marokkanischen Souveränität selbst zu führen“.

Im Juli 1955 ereigneten sich schwere Unruhen in Marokko, an denen sich schließlich auch französische Kolonisten beteiligten. Die französische Regierung entschloß sich, dem Sultan die Einsetzung einer alle Gruppen repräsentierenden Regierung zu empfehlen, und nahm, nachdem der Sultan auswich, selbst Konsultationen der marokkanischen politischen Kreise vor. Die französische Regierung einigte sich mit den Marokkanern dahin, daß der neue Sultan zum Verzicht auf seine Rechte zu Gunsten eines Thronrates veranlaßt werden sollte, der dann eine Regierung bilden werde. Im Oktober 1955 bildeten die Führer der in Kairo lebenden Istiqual-Partei eine Befreiungsarmee des „arabischen Maghreb" und schufen ein vereintes Kommando zur Fühlung des Befreiungskampfes in Marokko und Algerien. Nach Bildung des Thron-rates wurde der frühere Sultan aus der Verbannung zunächst nach Frankreich zurückgeholt. Nachdem Ben Arafa auf Drängen des Paschas von Marrakesch verzichtet hatte, erkannte die französische Regierung Ben Jussuf wieder am 8. November als rechtmäßig Sultan an. Am 2. März 1956 wurde nach längeren Verhandlungen in einer gemeinsamen Erklärung der französischen Regierung und des Sultans festgestellt, daß der Vertrag von 1912 hinfällig sei, die französsche Regierung bestätigte in feierlicher Weise die Anerkennung der Unabhängigkeit Marokkos. Beide Regierungen eröffneten Verhandlungen über neue Abkommen, „welche die gegenseitige Abhängigkeit beider Länder auf den Gebieten ihres gemeinsamen Interesses festlegen werden".

Am 7. April wurde auch von Spanien die Unabhängigkeit und Einheit Marokkos anerkannt. Ein zwischen dem Sultan und den beiden anderen Beteiligten vereinbartes Übergangsregime sicherte eine geordnete Übernahme der Verwaltung. Marokko erhielt mittlerweile auch Zusicherungen bezüglich einer Revision des besonderen Status der Tanger-Zone. Der Sultan beabsichtigt, einen demokratischen Staat mit konstitutioneller Monarchie zu schaffen, während er zur Zeit noch die volle Staatsgewalt in Exekutive und Legislative besitzt. Frankreich hilft dem Sultan beim Aufbau einer Armee durch Abgabe bewährter marokkanischer Einheiten und Abkommandierung von französischen Offizieren.

Zum Nordafrika-Problem In den nordafrikanischen Gebieten handelt es sich um die Verbindung mehrerer schwieriger Probleme (in jeweils verschiedener Mischung): das rechtliche und politische Verhältnis Frankreichs zu den Gebieten als solchen, das Verhältnis der eingewanderten und ansässig gewordenen Franzosen zu den Einheimischen und zur französischen Regierung sowie — hauptsächlich in Marokko — um das Verhältnis zwischen Arabern und Berbern, ferner allenthalben um die Beteiligung der neuen, in der Zeit der französischen Herrschaft aufgekommenen intellektuellen nationalbewußten Schichten an der Macht, um die Modernisierung der einheimischen Verwaltung, die zum großen Teil noch altertümlichen Charakter trägt, um die mehr oder weniger starke wirtschaftliche Verflechtung der nordafrikanischen Gebiete mit Fankreich und um diffizile Kapital-, Währungs-und Budget-Probleme und um anderes mehr. Die Schwierigkeiten sind ungewöhnlich groß; Frankreich hat sie sich zu einem erheblichen Teil durch seine Politik selbst geschaffen.

Die unmittelbare Nachbarschaft des unter Schutz beziehungsweise Herrschaft Frankreichs stehenden Nordafrikas zu Europa und seine Wichtigkeit für die atlantisch-europäische Verteidigung läßt die Schaffung einer allen Beteiligten gerecht werdenden Beziehung der nordafrikanischen Gebiete zu Frankreich von besonderer Bedeutung erscheinen.

Vielleicht ist diese für Tunis und Marroko trotz aller Hemmungen und Fehler gelungen, wenngleich zu bemerken ist, daß auch nach Abgabe der grundsätzlichen Unabhängigkeits-Erklärungen sofort wieder Schwierigkeiten juristischer und politischer Art aufgetreten sind. Einen dauerhafteren Charakter kann das neue Verhältnis dieser beiden Staaten zu Frankreich aber nur haben, wenn es auch glücken sollte, für Algerien ebenfalls einen die Algerier selbst befriedigenden Status zu finden. Die Gefahr, daß ganz Nordafrika einen antifranzösischen und damit auch antieuropäischen Kurs einschlägt und sich der von Ägypten geführten panarabischen Bewegung vollständig anschließt, ist noch keineswegs gebannt. Der weitere Gang der Dinge in Nordafrika wird in hohem Maße von der weltpolitischen Entwicklung im Zusammenhang mit der Suez-Kanal-Frage abhängen.

Fussnoten

Weitere Inhalte