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Die Gewaltlosen Dichtung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus | APuZ 29/1961 | bpb.de

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APuZ 29/1961 Der deutsche Widerstand und die Alliierten Die Gewaltlosen Dichtung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Die Gewaltlosen Dichtung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

VON KOENIGSWALD

Diese Darstellung der Gewaltlosen im deutschen Widerstand kann nur ein kleiner Ausschnitt eines Ganzen sein, das seine Opfer, Sprecher und Helden in allen Schichten unseres Volkes hatte. Weder die Bedeutung des Kirchenkampfes, der beiden Konfessionen aufgezwungen war, noch das Schicksal vieler anderer — die zum Teil ihr mutiges Eintreten für Recht und Menschlichkeit im KZ und manche mit ihrem Leben bezahlen mußten, das Wirken politischer Gruppen von rechts wie von links, das Wirken von Zeitschriften wie Pechets „Deutsche Rundschau" oder Guttenbergs „Weiße Blätter“ konnte in die Darstellung einbezogen werden. Ebenso konnten auch die drei: Klepper, Schneider und Bergengruen nur mit dem Teil ihres Wirkens — und nicht einmal mit dem ganzen Teil — zu Worte kommen, der in direktem bezug zu ihrem Widerstand steht. Ihr übriges Werk, das doch diese Zeit ihrer Bewährung entweder vorbereitet hat oder ausklingen ließ, mußte ebenfalls fortgelassen werden. Aber der Verfasser glaubte sich zu dieser Darstellung verpflichtet, um das Andenken der Gewaltlosen deutlicher neben das der aktiven Widerstandskämpfer treten zu lassen; er glaubte sich um so mehr dazu berechtigt, weil er diesen Weg ihres Widerstandes durch Jahre hindurch als Freund an ihrer Seite gehen durfte: und vielleicht ist das persönliche Erleben jener Jahre der wesentliche Schlüssel zum Verständlichmachen, worum es ging. Die Kunst zwischen den Zeilen zu lesen, die während der Jahre des Widerstandes fast selbstverständlich war, ist in den Nachkriegsjahren wieder ganz vergessen. Sie ist anders für diejenigen, die in der Unfreiheit der Zone leben. Sie ist für den, der sie in der Zeit nicht erlebt hat, kaum rekonstruierbar.

In diesen Jahren der inneren Not und des gewaltlosen Kampfes ist eine Diditung entstanden, die zu dem Eindringlichsten deutscher politischer Dichtung gehört.

In den ersten Gesprächen mit Amerikanern nach dem Zusammenbruch 1945, die eher Verhöre zu nennen waren, voller Fremdheit, Zurückhaltung und Mißtrauen, konnte es geschehen, daß der Amerikaner sagte: „Sie sprechen von Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Sie sagen, Sie selbst hätten daran teilgenommen — gut: wieviele Gewehre hatte Ihre Widerstandsgruppe?" „Gewehre —? Aber darum ging es doch gar nicht. So läßt sich das nicht sagen. Es war doch vor allem eine geistige Auseinandersetzung. Es ging um das Grundsätzliche, um die Basis. Verstehen Sie — ?“ „Gut", antwortete der Amerikaner unbeeindruckt, „aber wieviele Gewehre standen zur Verfügung?" „Gewehre hätten uns nichts genützt. Wir hatten keine." „O, ich sehe, es war also kein wirklicher Widerstand...“

Wenn vom deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus die Rede ist, mischt sich auch heute noch oft genug die Vorstellung mit hinein, als sei es darum gegangen, daß Gewalt gegen Gewalt aufstand, ein politischer Machtkampf gegeneinander gerichteter Kräfte geführt wurde, ein geheimes, revolutionäres Unterwühlen, ein Partisanenkampf, wie in den besetzten Ländern während des Zweiten Weltkrieges. Aber das Eigentliche, Wesentliche des deutschen Widerstandes ist damit noch nicht umschrieben. Es reicht in andere, tiefere und nur schwer ab-grenzbare Schichten des Bewußtseins und muß nicht unbedingt in einer gewollten politischen Aktion enden. „Das Gewissen steht auf", „Das Gewissen entscheidet" lauten die Titel von zwei Bänden Berichten und Lebensbildern aus dem deutschen Widerstand. Das Gewissen — das war es. Seine tragenden Kräfte sind Verantwortungsbewußtsein, Glaube, Rechtsgefühl, Menschlichkeit. Die Grenzen sind schwer abzustecken. Sie entziehen sich einer genauen Fixierung. Sie sind für jeden einzelnen verschieden tief eingewurzelt. Das macht die Abgrenzung, wo der Widerstand beginnt, wo er hätte beginnen müssen, so schwie-rig.

Der 20. Juli als Gedenkdatum des deutschen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus will und kann nur von symbolischer Bedeutung sein für eine Geisteshaltung, die sich an kein bestimmtes Datum, an keine einzelne Tat binden läßt, so festumrissen auch der 20. Juli 1944 in der Geschichte des Widerstandes steht:

Scheitelpunkt einer Entwicklung, die in eine Verschwörung mehrerer Widerstandsgruppen aus verschiedenen Richtungen und mit verschiedenen politischen Zielsetzungen mündet, in aller Verschiedenheit verbunden zu der einen notwendigen Tat, die Rettung bringen sollte — und mißglückte; tragischer Ausgangspunkt eines ungeheuren Blutopfers, das danach der nationalsozialistische Terror von denen abforderte, auf die der Verdacht fiel, seinem Herrschaftswillen entgegen zu sein, weil es schließlich verboten sein sollte, eine unabhängige Meinung über Schicksalsfragen des eigenen Volkes zu haben, die, wie der Volksgerichtshofspräsident Freisler zynisch sagte „zur ausschließlichen Zuständigkeit Adolf Hitlers gehören . .

Scheitelpunkt einer langen Entwicklung

Auch vor dem 20. Juli 1944 hat es Planungen und Versuche gegeben, um den Weg in das Unheil zu verhindern. Im September 193 8 standen Truppen auf dem Kamm des Thüringer Waldes, um Hitler, wenn er vom Nürnberger Parteitag zurückkäme, auf dem der Krieg gegen die Tschechoslowakei proklamiert werden sollte, gefangen zu nehmen, ihn vor ein Gericht zu stellen und den bedrohten Frieden noch im letzten Augenblick zu retten. Aber auf dem Höhepunkt der Krise erschien der englische Premierminister Chamberlain bei Hitler. Es kam zu dem Münchener Abkommen, das das Sudetenland mit Zustimmung von England und Frankreich an den Nationalsozialismus preisgab. Hitler kehrte als Triumphator ohnegleichen über den Thüringer Wald nach Berlin zurück. Der Rebellion war der Boden entzogen. Der psychologische Augenblick war vorbei, er wiederholte sich auch nicht mehr, als im Jahr darauf Hitlers Krieg mit dem Angriff auf Polen wirklich begann. Es gab stille, mutige Versuche einzelner, um das Verhängnis zu wenden. Es gab eine in das Flugzeug Hitlers geschmuggelte Bombe, die nicht explodierte; einen Vater, der bereit war, seinen eigenen Sohn zu opfern. Er sollte mit einer Sprengladung im Tornister Hitler eine neue Kampfausrüstung der Truppe vorführen und dabei sich selbst und Hitler in die Luft sprengen. Aber es ist nie zu dieser Vorführung gekommen. Daß diese und mehrere andere sorgfältig vorbereitete Versuche sich nicht erfüllen konnten, gehört zu der tragischen Ergebnislosigkeit des deutschen . Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, für das der 20. Juli als Gedenkdatum zum Symbol geworden ist.

Aber nicht nur die Gewalt, der Wille zur Aktion — gleich ob er sich in Tat und Opfer erfüllen konnte oder nicht — wird zum Kriterium, um den deutschen Widerstand in seinem Wesenskern begreifen zu können. An einer Gestalt wie die des Grafen Moltke wird dies deutlich. Moltke lehnte für sich jede Gewalttat ab. Er beruft sich noch in seinen letzten Briefen aus dem Gefängnis in Tegel, wenige Tage vor seiner Hinrichtung, darauf und preist es als eine göttliche Gnade, daß er durch seine frühe Verhaftung aus der Versuchung herausgenommen worden sei, in die aktive Putschvorbereitung des 20. Juli 1944 hineingezogen zu werden. Er war schon ein halbes Jahr vorher, im Januar 1944, in einem ganz anderen Zusammenhang von der Gestapo festgenommen worden — und wurde doch eine der Hauptfiguren der Prozesse, die nach dem 20. Juli begannen. „Als Rechtsgrundsätze wurden verkündet: Vorbereitung zum Hochverrat begeht schon der, der hochpolitische Fragen mit Leuten erörtert, die in keiner Weise dafür kompetent sind; Vorbereitung zum Hochverrat begeht jeder, der sich irgendein Urteil über eine Angelegenheit anmaßt, die der Führer zu entscheiden hat.“

Freisler fragte Moltke: „Sehen Sie ein, daß Sie schuldig sind?“ „Ich sagte im Wesentlichen Nein."

Freisler: „Sehen Sie, wenn Sie das immer noch nicht erkennen, wenn Sie immer noch darüber belehrt werden müssen, dann zeigt das eben, daß Sie anders denken und damit sich selbst aus der kämpfenden Volksgemeinschaft ausgeschlossen habe ...“

Moltke: „Das Schöne an dem so aufgezogenen Urteil ist folgendes: Wir haben keine Gewalt anwenden wollen — ist festgestellt. Wir haben keinen einzigen organisatorischen Schritt unternommen, mit keinem Mann über die Frage gesprochen, ob er einen Posten übernehmen wolle — ist festgestellt; in der Anklage stand es anders. Wir haben nur gedacht, und zwar eigentlich nur Delp, Gerstenmaier und ich — die andern gelten als Mitläufer. Und vor den Gedanken dieser drei einsamen Männer, den bloßen Gedanken, hat der Nationalsozialismus eine solche Angst, daß er alles, was damit infiziert ist, ausrotten will ..."

Totaler Anspruch des Regimes

Mit dem Todesurteil gegen Moltke wird die ganze Brutalität deutlich, mit der der Nationalsozialismus alle bedrohte, die nicht bereit waren, sich seinem Anspruch willenlos zu unterwerfen. Der nationalsozialistische Anspruch aber war gegen das gerichtet, was Glaube, Rechtsgefühl und Menschlichkeit als Forderung an jeden einzelnen umfaßt. Eben aus diesen Bereichen erwuchs der Widerstand der Gewaltlosen. Es war nicht nötig, daß er sich mit einem bewußt-politischen Willen verband, daß er zu einer politischen Aktion entschlossen war. Der Widerstand aus einer viel tieferen, seelischen, ganz und gar unpolitischen Schicht war ebenso mit dem Tode bedroht wie die politische Aktion.

Wahrscheinlich ist die Zahl der Todesopfer unter den Gewaltlosen noch höher als die Zahl der von den Nationalsozialisten hingemordeten aktiven Widerstandskämpfer, so radikal der Volksgerichtshof nach dem 20. Juli 1944 auch gegen sie wütete. Elisabeth von Thadden gehört in diese Reihe, die aus dem KZ, an beiden Händen gefesselt, dem Gefängnisgeistlichen die Worte diktierte: „Wir wollten soziale Hilfe leisten, in dem Augenblick, wo diese Hilfe nottat. Wir wollten barmherzige Samariter sein . . .“

Ein Spitzel verriet sie, zusammen mit dem Gesandten Kiep und dem sogenannten Solfkreis, der seine Aufgabe darin sah, sich der durch die nationalsozialistische Rassengesetzgebung Verfolgten helfend anzunehmen.

Eine große Zahl von Geistlichen gehört in diese Reihe, Geistliche von beiden Konfessionen, wie der Domprobst der St. Hedwigskathe-drale in Berlin, Bernhard Lichtenberg, der gewagt hatte, eine Abendandacht mit einem Gebet für die Juden und die Gefangenen in den Konzentrationslagern zu schließen; wie der Pfarrer Ludwig Steil, der die Fürbittenliste der „Bekennenden Kirche“ seiner Gemeinde verlas. „Wir sagen den Heiden in unserm Volk, daß wir Christen bleiben. Wir sagen den Schwärmern in unserer Kirche, daß wir evangelisch bleiben.

Wir sagen den Verzagten unter uns, daß wir auf die Hilfe Gottes hoffen ..."

Eine erschütternde lange Reihe von Opfern des gewaltlosen Widerstandes bis hin zu dem namenlosen Bauernsohn aus dem Sudetenland, dessen letzter Brief in der Sammlung von Abschiedsbriefen und Aufzeichnungen des Widerstandes „Du hast mich heimgesucht bei Nacht" veröffentlicht wurde: „Liebe Eltern. Ich muß euch eine traurige Nachricht mitteilen, daß ich zum Tode verurteilt wurde, ich und Gustav G. Wir haben es nicht unterschrieben zur SS zu gehen, da haben sie uns zum Tode verurteilt. Ihr habt mir doch geschrieben, ich soll nicht zur SS gehen, mein Kamerad Gustav G. hat es auch nicht unterschrieben. Wir beide wollen lieber sterben, als unser Gewissen mit so Greueltaten beflecken. Ich weiß, was die SS ausführen muß. Ach liebe Eltern, so schwer es für mich ist — verzeiht mir alles .. .“

Wo begann der Widerstand der Gewaltlosen? Wo er hinführen konnte, beweist die lange Totenliste: aber auch das war kein unbedingt zwangsläufiger Weg. Viele, sehr viele sind bewahrt geblieben, obwohl ihr freimütiges Eintreten für Glaube und Menschlichkeit nicht verborgen geblieben ist, wie der Kampf der Bekennenden Kirche, die mannhaften Predigten des Bischofs von Galen gegen die Schließung der Klöster, gegen die Tötung der Geisteskranken, gegen die Verfolgung der Juden.

Wo begann der gewaltlose Widerstand?

Schon im Nicht-flaggen, wenn befohlen war, daß aus jedem Haus, jeder Wohnung die Hakenkreuzfahne wehen sollte und Aufpasser sich die Namen derer aufschreiben, die dem Befehl nicht gefolgt waren? Im Nicht-wählen, im Nicht-hören von Hitlers Reden im Rundfunk? Im Nicht-eintreten in die Partei? — obwohl es da erhebliche Unterschiede des Zwangs für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gab, dem sich z. B. die Beamten, Lehrer, Richter, und auch die Führenden in Handel und Industrie schwerer entziehen konnten als etwa die freien Berufe, Arbeiter und Kaufleute.

Die junge Generation, die Diktatur und Gesinnungszwang nicht mehr selbst miterlebt hat, stößt sich immer wieder an der Frage, wie es möglich war, daß sich nach vielen, anscheinend unumstößlichen Aussagen damals das deutsche Volk in seiner Mehrheit zum Nationalsozialismus bekannt hat, daß aber heute wiederum die meisten für sich in Anspruch nehmen, niemals wirklich „dafür" gewesen zu sein. Wie ist solche Diskrepanz zu erklären, wenn nicht mit Lüge und Fälschung heute oder damals? Und doch stimmt die Alternative nicht ganz. Professor Hans Rothfels schreibt in seiner hervorragend um Objektivität bemühten Studie „Die Opposition gegen Hitler“: „Man kann sagen, daß das deutsche Volk während des 3. Reiches grob gesprochen, in vier Gruppen zerfiel: tatsächliche und nominelle Nazis, Nicht-Nazis und Anti-Nazis.“ Über ihr Verhältnis zueinander genaue Angaben zu machen, ist natürlich unmöglich: die Scheidelinien werden sich durch die Jahre hin mannigfach verschoben haben, und eine Gruppe ging in die andere über. Als die amerikanische Militärregierung eine Zahl von mehr als einer Million Bewerbern für Anstellung in der US-Zone prüfte, ergab sich, daß in 50 Prozent der Fälle „keine Anzeichen für Nazi-Betätigung“ vorlag. Nun wird man gewiß nach allen Fragebogen-Erfahrungen die berechtigten Zweifel haben dürfen am Genauigkeitswert solch negativer Feststellungen, insbesondere bei dem Anlaß um den es ging. Es mag dabei ein gut Teil Camouflage mit im Spiel gewesen sein, und in dieser Kunst hatte man in der Hitler-Zeit eine sehr gründliche Schulung durchgemacht und sollte in ihr fortfahren. Es bedurfte dazu nach 1945 keiner „re-education“. Aber auch wenn man diese Fehlerquelle einsetzt, bleibt der Prozentsatz anerkannter Nicht-Nazis überraschend hoch. In einer weiteren kritischen Auswertung mag man annehmen, daß die Zahl der Fünfzigprozentigen in unmerklichen Abstufungen in die der nominellen Nazis hinübergeht. Und man mag sich ferner jener Klagen von Schlabrendorffs über die Nicht-Nazis erinnern: „Ihr mangelnder Charakter“, so drückt er es aus, „hat uns mehr zu schaffen gemacht als die Willkür und Brutalität der Nazis ...“

Diesem Negativen aber des mangelnden Charakters vieler Nicht-Nationalsozialisten, des sich-duckens, um nicht aufzufallen, des Mitmachens, ohne die Sache selbst zu billigen, ist im Positiven eine Bemerkung entgegenzuhalten, die sich im Nachtrag eines amtlichen, 1947 ersCnienenen amerikanischen Berichtes über die Wirkungen des Luftkrieges unter dem Stichwort „deutsche Moral“ findet:

„Es gab Elemente, die sich dem Nationalsozialismus widersetzten, indem sie unauffällig innerhalb des Bereiches der amtlichen Maschinerie an der Arbeit waren. Soweit dies die Polizei betrifft, ist es klar, daß sie unter den Kriminalbeamten eine beträchtliche Anzahl von alten Anhängern der Republik enthielt, die meist zu der sozialdemokratischen Partei gehört hatten.

Leute dieser Art mochten soweit gehen, die Flucht von vorgemerkten Opfern der Gestapo zu ermöglichen, indem sie ihnen eine warnende Mitteilung der bevorstehenden Verhaftung zukommen ließen und dann ihre Namen in den Listen . vermißter Personen eintrugen. Unter »Eingeweihten'war es bekannt, daß recht aktive Zellen solcher Art in hohen Regierungsbehörden bestanden, so etwa im Ministerium des Innern, im Justizministerium, im Arbeitsministerium, in gewissen Gerichtshöfen und Staatsanwaltschaften sowie besonders in lokalen Regierungsbehörden. Mitglieder solcher Zellen konnten wirksam die Vollziehung von Strafmaßnahmen sabotieren und taten es nicht selten...“

Hier nun wird deutlich, wie unentwirrbar die Frage einer Abgrenzung des gewaltlosen Widerstandes ist. Sie war es schon in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie ist es noch mehr für den Historiker, der diese Zeit nicht selbst erlebt hat, denn wie soll er die Doppelbödigkeit der Sprache von damals verstehen, daß man mit nationalsozialistischen Phrasen genau das Gegenteil ausdrücken konnte — und von den Gleichgesinnten verstanden und daran erkannt wurde, daß es darauf ankam, in welchem Tonfall einer den „Heil-Hitler“ -Gruß anbrachte, daß es eine Kunst gab, zwischen den Zeilen lesen zu können, die heute auch die meisten derjenigen, die sie damals beherrschten, längst wieder verlernt haben.

War der Parteigenosse, der nationalsozialistische Verordnungen und Gesetze bewußt nicht ausführte, oder ihnen einen abmildernden Sinn unterschob, nicht dem eigentlichen Widerstand sehr viel näher, als ein anderer, der sich sorgsam von allem Parteimäßigen fernhielt, aber nicht daran dachte, nur das Geringste für die Hilfe eines Verfolgten zu tun?

Wieviele Fragen rein menschlichen Verhaltens waren durch den nationalsozialistischen Terror aufgeworfen! War es ratsam, sich nach einem Freund zu erkundigen, den die Gestapo verhaftet hatte? Konnte man einen Juden auf der Straße grüßen, ihm etwa im Geheimen ein paar Lebensmittel zustecken? Sollte man ein Buch'weitergeben, das man, wie man damals sagte, selbst unter dem Ladentisch gekauft hatte? Ob man zur Kirche ging, ob man sich, während Hitler seine Reden durch den Rundfunk schrie, auf der Straße sehen ließ, ob die Spende zur „Winterhilfe“ groß genug war — es stand ja alles unter Beobachtung, aus allem ließ sich vielleicht auf die nationalsozialistische Haltung eines jeden einzelnen schließen. Tausend Kleinigkeiten, Belanglosigkeiten im Alltag — sie konnten gefährlich werden. Aber waren sie schon Widerstand?

Hier, wo alles fragwürdig geworden war, Anstand, Gewohnheit, Rechtlichkeit und Menschlichkeit in ihren selbstverständlichen Voraussetzungen nicht mehr gelten sollten, konnte jede noch so unscheinbare Geste zum Zeichen werden, zum Zeichen für oder gegen. Nichts war gleichgültig. Was echt war, mußte sich vom Unechten scheiden. Auch der Widerstandswille bedurfte solcher Zeichen. Mit einer noch so geschickten Tarnung, die nur das eigene Überleben sichern sollte, war nichts getan. Es war nötig, Zeichen zu setzen.

Jochen Klepper

Gegen Ende 1931 kam ein junger Mensch nach Berlin, fast als Flüchtling. Was hinter ihm lag, trug ihn nicht mehr. Ein nicht beendigtes Theologiestudium, Pressearbeit in Breslau. Er hatte in Breslau eine dreizehn Jahre ältere Frau geheiratet. Sie war Jüdin und hatte zwei kleine Kinder. Daß sich die Familie gegen diese Heirat stellte, hatte keine antisemitischen Gründe — es war das Unvorstellbare, daß sie nicht Christin war, außerhalb der Kirche stand, es auch abgelehnt hätte, um der Heirat willen, zum Christentum überzutreten. — Er selbst ist dabei religiösen Dingen gegenüber keineswegs gleichgültig. Und der Vater ist Pfarrer in dem kleinen niederschlesischen Städtchen Beuthen. Die Beziehungen zum Vater zerbrechen. Die Liebe der Mutter erkaltet. Die Spannungen sind zu groß. Vorwürfe und Mißhelligkeiten von allen Seiten. Die Menschen der Kleinstadt zerreißen sich die Mäuler über diese Heirat. Das alles betrifft Jochen Klepper.

Berlin. Es soll ein neuer Anfang sein. Er ist mühselig, enttäuschungsreich.

„Ich bin eine Natur, die den Ruhm braucht wie das tägliche Brot .. schreibt er in sein Tagebuch.

Nur Ruhm? Er will sehr viel mehr: Geld, Ansehen, Erfolg. Seine Frau stammt aus der Modebranche. Er will einen Moderoman schrei-. ben. Er liebt elegante Kleider. „Die große Direktrice“, „Das Glück der Vergänglichkeit“ sind Titel von Romanen, die er zu schreiben gedenkt. Aber auch der Titel „Hoffnungslosigkeit“ geistert durch seine Gedanken. Die Welt der verkaufbaren Eitelkeit, des von-sich-Redenmachens, des leichten, eleganten, oberflächlichen Lebens von einem Tag zum andern zieht ihn an. „Ich habe einen Moderoman schreiben wollen, und er wurde ein Buch von Verwerfung und Erwählung; ich habe alle religiösen Partien wieder herausgestrichen und nur belassen, was unter den Erfordernissen psychologischer Begründung und geschmackvollen Effektes stehen bleiben mußte. Ich habe kläglich versagt, wo sich mein Buch als aktueller Roman geben wollte.“

Er ist in sich zerrissen. Er weiß nicht, wo er hingehört. Lind die Zeit ist verworren genug, um die eigene Unsicherheit nur noch zu verstärken. „Ich habe mich vor Jahren der SPD angegliedert und in allem Protest bewußt zur evangelischen Kirche gehalten. Die Bindung an die SPD konnte jetzt mein Verderben werden, auf linker Seite konnte man mich nicht unterhalten und schickte mich selbst weiter bei den rechts-stehenden Redaktionen mit meinen Manuskripten hausieren ... Von der Zugehörigkeit zur Kirche aber, die gemeinsam mit dem Nationalsozialismus , aufstrebt', wollte ich jetzt bestimmt keinen Gebrauch machen ... Heute heißt es meiner Meinung nach, unentwegt bei einer Gruppe zu hocken, die im politischen Spiel mittut. Bleibt für mich die SPD. Bleibt für mich der Evangelische Presseverband, an dem ich solange arbeitete und der nun auf einmal in der Person des mir gut bekannten Dr. Harald Braun zu so großem Einfluß im Rundfunk gelangt ist. Ich werde niemals ein proletarischer Schriftsteller sein; das Religiöse wird mir bei der SPD immer im Wege stehen. Ich werde niemals diesen neuen nationalen Aufstieg des Protestantismus mitmachen können, ich werde seinen , Ton‘ nicht finden können und wollen, und für diese Leute immer der allenfalls geduldete, harmlose Sozialdemokrat sein. Diese Kirche ist mein Todfeind. Aber ich kann nicht aus ihr austreten. Es hält mich etwas, das bis auf den ersten Jüngerkreis zurückreicht .. ."

Eine unbefriedigende Existenz. Es gärt so vieles, aber es ist schwer, dieses Gärende Gestalt werden zu lassen. Dazu kommt die politische Unsicherheit des Jahres 1932, Unruhe, Arbeitslosigkeit von vielen Millionen, Aufkommen des Nationalsozialismus, zunehmender Terror auf den Straßen, Sorge vor dem, was die Zukunft alles bringen wird. „Schreiben will ich, schreiben nach den Gesetzen meiner Intuition. Aber nicht meine Zeit über fremden, feindseligen schriftstellerischen Beschäftigungen hingehen lassen, wie die äußeren Verhältnisse sie von mir erfordern; die Liebe zu Hanni und der Widerwille gegen ein freiwilliges Gesinnungsmartyrium, zumal ich keine Gesinnung habe, sondern nur einen Glauben, der mich überfällt. Ich werde dreißig Jahre alt und es gibt nur einen Roman von mir, gegen den ich größte Bedenken habe, drei Novellen, die ich liebe und ganz wenige Aufsätze, die ich nicht ablehne. Es ist entsetzlich wenig, wenn man innerlich so ausgefüllt ist ..

Da fragt ihn Dr. Braun, der gerade in den Rundfunk berufen ist und Klepper schon lange kennt, ob er sich zur Mitarbeit bereit erklären wolle.

Zuerst seufzt Klepper: „Wieder heißt es Ideen haben, Ideen haben, die das, was mir am Herzen liegt, nicht einmal peripher berühren. Keine Silbe ist übertrieben: es ist ein verzweifelter Kampf."

Dann aber, als es soweit ist, daß er seinen Posten im Funk am 15. November antreten kann, schreibt er in sein Tagebuch: „So zog ich gestern in mein Zimmer in der Funkstunde ein, und heute haben wir das Ereignis unter uns, ganz intern, ein wenig gefeiert. Ich hatte zuletzt nur noch von Verschüttung in Sandgruben geträumt, von mühevollem Kriechen durch dunkle, endlose Schächte, — von Verbrennungen, die ich nicht mehr spürte, Messerstichen, die ich nicht mehr fühlte — soweit hatte mich meine berufliche Bedrängnis gebracht. Jetzt noch an meiner Rettung zu zweifeln, wäre wohl Unrecht!'

Rettung? Es ist November 1932 und im darauffolgenden Januar kommt Hitler und der Nationalsozialismus in Deutschland an die Macht. Klepper begreift sofort die Gefahr, die ihm droht. Er ist erst vor kurzem aus der SPD ausgeschieden und er weiß: man wird ihm diesen Austritt nicht anrechnen, sondern die Tatsache, daß er einmal Sozialdemokrat war und im »Vorwärts“, dem Zentralorgan der SPD geschrieben hat — und vor allem: er ist vor den Nazis belastet durch seine jüdische Frau.

Er wird sie keineswegs verlassen, wie andere es tun, um die eigene Existenz zu retten. Er weiß: er wird darum vielleicht alles preisgeben müssen, was ihm wichtig schien: Ruhm, von dem er einmal meinte, daß er ihn brauche wie das tägliche Brot; Karriere, Aufstieg, Einkommen — alles das weiß er bedroht, aber dahinter wird etwas sichtbar, über ihm, in ihm, ihm nur von fern bewußt, das zum Zeugnis wird, zu einem Zeugnis des Glaubens und des Leidens in einer Zeit, die des Leidens übervoll ist und des Glaubens unruhvoll entbehrt. »Als Dr. Braun mit mir über meine Funk-tätigkeit verhandelte, war ich optimistisch. Diesmal sehe ich die Lage sehr ernst. Die seltenen, seltenen Gebete, die Gott einem gibt, weisen den Weg. Ich zweifle Gebete bis zum Äußersten an. Aber habe ich je gebetet, so war es gestern. Und danach kommt es schwer. Mit dem Beruf? Mit der Familie? Gott kann mit einem reden , wie ein Mann mit einem Freunde redet'. Das ganze Gespräch mit Gott war: Gelobt sei der ewige Gott. Wirst du bleiben? Ja. Und wenn es schwer kommt? Ja. Frage und Antwort, Gelübde und Verheißung. Alles gibt Gott. Und ich lebe, um Gott zu erfahren. Und Hanni muß alles durchmachen ohne die Nähe Gottes. Das aber weiß sie, daß Glaube kein Glücks-brief ist. Und wenn sie etwas glauben könnte, so ist es der Glaube an Berufung und Verwerfung. Ich habe noch so viel vom Glauben zu erfahren. Und deshalb hänge ich so am Leben. Was ich bisher gelebt habe, war mein Leben in Gott. Und wenn ich nun einen Teil des jüdischen Schicksals erlebe, so ist es mein Leben. Ich glaube an alle Leiden von Gott her. Aber ich glaube auch an ein »seliges Schauen'. Das ist etwas anderes, als . Prüfungen', die man besteht. Und es ist etwas anderes als Glück. Es bleibt dabei: Künstler und Christen dürfen in der Welt nicht sicher werden. Mein Ruhebedürfnis war zu groß..."

Wenige Tage darauf schrieb Klepper dieses Gedicht:

Um wir ein Bildnis meines Seins zu wadien, errechne ich tagtäglich neue Summen, Dann setzt Gott seine Zeidien vor die Zahlen, und was wir galt, hat künftig zu verstummen. Ich sehe meine Ziffern rasch verbleichen.

Was ich auch schrieb, hat seinen Sinn verloren. Und aus der Wirrnis werden Gottes Zeichen als einziger Wert, der morgen gilt, geboren.

Und wiederum wenige Tage danach erhielt Klepper seine Entlassung aus dem Funk.

Noch einmal gelingt es ihm, unterzuschlüpfen. Der Verlag Ullstein nimmt ihn auf. Aber es ist eine kleine Stellung, und über ihm bleibt die Ungewißheit, wann neue nationalsozialistische Gesetze auch dort seine Entlassung erzwingen werden. Er erlebt die Demütigung, daß sein eigener Bruder in den gleichen Verlag kommt, ein junger, begabter Zeichner, dem die Welt offen ist — nicht an der Belastung zu tragen hat wie er, der sehen muß, in dem großen Haus nicht aufzufallen, nicht bekannt zu werden, sich mit kleiner, unbedeutender und unbefriedigender Arbeit zufrieden geben muß, und froh sein muß, wenn man ihn nicht von einem Tag auf den anderen wieder hinauswirft. Wieder entstehen Verse:

Ich weiß nicht, hat es Sinn und lohnt es, daß ich lebe, nur weil wein Herz noch schlägt. Ich weiß nur, daß ich Rebe voll schweren Weines bin.

Ich weiß nicht, soll ich sein.

Ich weiß nur, daß die Erde wich Korn im Schoße trägt, daß ich zum Brote werde. Gott spricht aus Brot und Wein.

In Kleppers Tagebuch spürt man die große Wandlung, die sich in ihm vollzieht.

Den 23. Juni 1933:

„In der Welt gibt es nur noch dies eine: wir sind zwei Verfolgte. Daran ist nichts übertrieben. Keinen Moment aber vergessen wir, wie viele so neben uns leben, vor uns und mit uns vielleicht auch freiwillig sterben. Wir werden uns nicht auf den Selbstmord zutreiben lassen. Wir — Hanni und ich sind freilich, wo der Glaube beginnt, nach wie vor Getrennte, denn sie ist nur der Mensch dieser Welt. Wir wollen keine Wunder von Gott erzwingen. Aber wir wollen zusammen sterben. Und soweit ich Mensch bin, sage ich nun: der Mensch, der mein Leben ist, soll auch die letzte Stunde meines Lebens bestimmen. Und dann ist nur noch Gott. Nur Gott kann es Wenden. Aber man erzwingt ein Wunder nicht. Man kann nicht einmal darum beten.“

Den 3. Juli 1933:

„Wie sehr ich das Leben liebe trotz Schmerz und trotz Schuld — darüber habe ich mich nicht eine Stunde getäuscht.“

Den 6. Juli 1933:

„Weg ist der Ballast der ehrgeizigen Pläne, weil nur noch Gott meinen Plan machen kann in meiner Hoffnungslosigkeit. Weg ist die Eitelkeit, weil ich in Selbstvorwürfen ersticken muß. Weg sind die Selbstvorwürfe, weil die Schuld nur Gottes Sache ist, oder alles ist gleich. Weg ist auch meine . dialektische Theologie', mit der ich den unfaßlichen Gott so schön als . absconditus'und , revelatus‘ zu fassen meinte. Ja, ich bin sehr rasch ein erbitterter Gegner meiner Theologie, nicht aber meines Glaubens geworden. Aussagen über Gott machen — nein. Bibelworte sagen — ja. Nur in ihnen ist Gott ertragbar, nur in ihnen ist des Menschen Rede über Gott zu dulden. Das freilich kann ich mir denken, daß ein Mensch wie Luther die Bibel , weiterschrieb'mit einem solchen Wort wie: , Gott reißt das Übel nicht von der Person, sondern die Person vom Übel'. Aber es steckt schon in dem Wort: . Nicht gebe ich, wie die Welt gibt'und , in der Welt habt ihr Angst'. In der Welt habe ich große Angst. Ich sehe keinen Weg mehr für mich. Ich sehe zu viele, die am Ende sind ..."

Den 28. Juli 1933:

„Wenn ich meine Lage im Beruf mit , rein irdischen'Augen ansehe, kann ich nur sagen: Es hat schon einmal einer so viel herunter-schlucken müssen, daß er daran erstickt ist.“

Den 30. Juli 1933: .

„Gott befreie mich aus dem Subalternen. Gott gebe mir eine Wirkungsmöglichkeit. Am Anfang steht die Demut. Aber vielleicht muß sie frei werden von der Schwermut. Was auch ist, ich muß daran glauben, daß Gott mich anfangen läßt. Von nun an. Immerzu muß man sich in Gottes Arme fallen lassen. Aber einmal fängt er einen vielleicht nicht nur auf, sondern hebt einen empor und trägt einen, ohne daß man gleiten könnte.“ Den 12. August 1933:

„Idi lebe jetzt im Sturz in die Bescheidenheit, im Ekel vor aller noch so verbrämter Anmaßung. So wirr es klingt: ich lebe in einem Sturz, aber ich stürze gern. Immer wieder lebt in mir der Glaube auf, als wartete Gottes guter Grund auf mich. Der Sturz, in den Gott einen stößt, tut nicht weh, man sehnt sich danach, daß er ganz geschehe.“

Den 7. September 1933 „Hanni will sich durchaus scheiden lassen, um midi für meine . Karriere'freizubekommen. Idi tue an ihr ein Unrecht, daß ich nicht einwillige und dadurch besser für unsere Existenz sorge. Aber es ist keine falsche Moral, die midi hält. Idi kann diesen Entschluß nicht fassen. In diesem Jüdischen Schicksal', in das Gott einen einbezieht, ist etwas, wogegen ich nicht ankann. Der ganze Wahnsinn unserer Zustände spricht daraus, daß ich ein Unrecht begehe, wenn ich midi nicht von Hanni scheiden lasse, weil ich so besser für sie sorgen könnte. Zu allem Schweren nun noch dies. Ich will für midi keine Karriere, die mit solchen Mitteln erkauft wäre. Gewiß ich will nie und nimmer moralisch handeln, aber hier käme es mir vor, als verrate man die Anrede Gottes ..

In diesen Wochen und Monaten der großen Ängstigung hat Klepper immer öfter den Weg hinaus in die märkische Landschaft gefunden. Ist es Flucht? Ist es der Wunsch, keinem Bekannten begegnen zu müssen, die Sehnsucht, Ruhe zu finden im ruhelosen Umherstreifen? Die Menschen, die an den warmen Sommer-tagen in die Berliner Umgebung hinausströmen, wissen nichts von der Not, die ihn bedrückt. Friedlich liegen alte Schlösser in den Parks. Sie träumen. Die Gegenwart scheint an ihnen nicht rühren zu können. Klepper ist in Rheinsberg gewesen. Immer und immer wieder zieht es ihn aus dem hektischen Berlin in das nahegelegene Potsdam, das mit seinen Bauten das große Bilderbuch der preußischen Geschichte ist, reizvoll, voll Tradition.

Es ist, als suche Klepper hier neue Heimat, als wolle er sich fest anklammern an das geschichtlich Gewachsene, gerade jetzt, da die andern, die an der Macht sind, ihn aus allem Heimatrecht herausstoßen wollen.

Der Nationalsozialismus hat die Eroberung der Macht mit einer gewaltigen Schaustellung begonnen, in der er alles an sich reißt, was an Symbolen und Traditionen nationaler Geschichte im Volk bewußt ist. Die Garnisonkirche in Potsdam, die Kirche des Soldatenkönigs und Friedrichs des Großen, hat Hitler zum Schauplatz seiner theatralischen Siegesfeier gemacht, als er den neugewählten Reichstag eröffnet. Was preußische Tradition war, wird nationalsozialistisch umgefälscht. Tagtäglich wird nun im neuen Gesinnungsterror das Wort, das Friedrich der Große geschrieben hatte, daß in seinen Staaten jeder nach seiner Faon selig werden könne, verletzt, durchlöchert, aufgehoben. Die preußische Toleranz hat keinen Platz im Nationalsozialismus. Auch die Huldigung Friedrichs des Großen an den französischen Geist und die klassische Kultur Frankreichs wird nicht mehr verstanden. War sie nötig? Geschah sie nicht auf Kosten des deutschen Ansehens? War sie nicht im Grunde Verrat an der Nation? Friedrichs Skepsis, die geistige Welt des Einsamen von Sanssouci steht fremd in der nationalsozialistisch gewordenen Zeit. Natürlich — seine Volkstümlichkeit ist nicht auszulöschen. Man wird auf sie zurückgreifen, wenn sie für die eigene Propaganda nützlich sein wird, aber man wird dabei seine Mahnung unterschlagen, die er in der „Ode an die Preußen“ geschrieben hat:

Und heftet sich der Sieg an eure Schilde, großmütig seid, übt Menschlichkeit und Milde, daß höheres Lob der Feind, den ihr bezwingt, euch, die gerecht und weise, dem Edelsinn zum Preise, als eurem Heldenmute singt. . .

Nein, der Nationalsozialismus hat nicht vor im Siege großmütig zu sein und denen, die er besiegt hat, mit Menschlichkeit entgegenzutreten. Grauen und Schrecken liegt über denen, die nicht Nationalsozialisten sind und diese als Sieger über sich spüren.

Die ersten Konzentrationslager werden eingerichtet. Der Vater des Königs, Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, ist die eigentlich viel zeitgemäßere Erscheinung: derb, deutschbewußt, das Fremde ablehnend, ein leidenschaftlicher Soldatenspieler, der in seiner Zeit das stärkste Heer Europas geschaffen hat, sein Volk zu unerhörten Anstrengungen und erstaunlichen Leistungen zwang, neues Recht schuf, Dörfer und Städte gründete, der Korruption zu Leibe ging und ins Große plante — so wie der Nationalsozialismus sich vornimmt, ins Unermeßliche zu planen.

Klepper ist auf seinen Streifzügen durch die Mark und durch Potsdam immer wieder auch auf die Spuren Friedrich Wilhelms I. gestoßen.

Wie sollte es anders sein. Die Turmspitze der Garnisonkirche trägt seinen Namenszug mit einer Kanonenkugel als Punkt dahinter und auf der anderen Seite den zur Sonne aufsteigenden Adler. Sein ist das Glockenspiel, das fromm und gottesfürchtig zu jeder vollen und halben Stunde den Zauber Potsdams durchdringt bis hin zum Park von Sanssouci. Und da sind im Potsdamer Stadtschloß unter den vielen glatten, höfisch prunktvollen Bildern, die dort die Räume füllen, die merkwürdigen Bilder, die der König selbst gemalt hat, ungelenk, in düsteren Farben. „Der Bauer und der Wucherer“ — es ist die Not des Landvolkes. Der Bauer und der Wucherer streiten miteinander. Die Schulden sind so hoch geworden, daß der Hof verloren ist. Dunkle Vögel flattern am Himmel davon — Schwermut ist alles, Schmerz, Schwere, Leiden. Was will solch ein Bild sagen, gemalt in einem Zeitalter fürstlichen Leichtsinns und schwelgerischer Feste, wer fragt nach der Mühsal, der Not weit draußen im Land? Und auf manchen dieser Bilder des Königs steht: in tormentis pinxit,, in Schmerzen gemalt ... Ist das der König, wie ihn die Masse oberflächlich und leichthin sieht?

Klepper fühlt sich von einem Geheimnis angerührt: was bedeutet das Wort Friedrich Wilhelms, daß Könige mehr leiden müssen als andere Menschen? „Der König litt daran, daß die Gedanken sich nicht ergreifen und begreifen, nicht fassen und erfassen ließen, daß er verdammt war, nur das Bild zu sehen und dessen Sinn nicht erkennen zu können. Wer je die umschatteten Augen des Königs voller letzten Ernstes betrachtet hätte, würde es wahrgenommen haben, daß sie gebannt waren von sich jagenden und übermächtigen Bildern: Wolken, die um Gottes Füße ziehen. Keiner um ihn wußte, daß, so wie der König Friedrich Wilhelm nur in die Welt blickte, er durchschauert war von dem Worte der Schrift: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Gottes Wort und das Bild: die waren sein Schicksal geworden. Anders als im Bibelsprüche und im Bilde hätte er dessen, was sein Herz bestürmte und seiner Seele auferlegt war, nicht Herr zu werden vermocht. An der Reinheit der Bilder und der Unumstößlichkeit des Gotteswortes maß er seine Entschlüsse . . .“

Lind plötzlich durchzuckt es Klepper: „Daher also Potsdam und immer wieder Potsdam. Daher die eigentümliche Wirkung der Bilder Friedrich Wilhelms, die Entdeckung eines . Märkischen Rokoko'als das Kind mir auf der Fahrt nach Rheinsberg gegenüber saß, verstruppt, bäurisch, mit dem Hochmüt einer Infantin. Daher richtete ich mir in Gedanken immer wieder Schlösser ein und verwarf sie und landete bei einem alten, würdigen Bürgerhaus. Daher das Kreisen meiner Gedanken um das Haften an Familie und Heimat. Das Werben um die Mark als Heimat. Daher das Spielen nur mit einem Buchtitel , Der Vater'(Ich dachte, es wäre Beuthen). Bis heut habe ich nicht gewußt, daß es auf ein bestimmtes Buch zugeht und schon so weit ist. Süßkind von der . Literatur'und Rombach von der . Europastunde'waren zum Tee. Sie schimpften auf Berlin. Wir verteidigten es. Ich auch mit Potsdam, mit den neu zu entdeckenden Bildern des Königs, Süßkind: das wäre ein neues Buch für Sie! Ich hörte es kaum, so fern stand er mir und so wenig hatte mich der Plan berührt. Und eine Stunde später weiß man es: das ist das neue Buch. Der Vater. Der Bürgerkönig. Das märkische Rokoko. Der rauhe Billum mit dem erlesenen Geschmack und dem Vermögen, Menschen zu gestalten. Der König: der Greis in der Verflüchtigung ins Nicht-mehr-sein, das Königliche Kind, sein Kind, der Märker im Rokoko — Ach das sind alles ästhetische Redensarten. Es braucht eben ein Buch um zu sagen, was in diesen Bildern ist. Was einen so rührt. ..“

Und so wird das Buch: „Der Vater", in tormentis scripsit, in Schmerzen geschrieben, unter zunehmender Beunruhigung über die politische Entwicklung, unter steigender Angst um das Leben seiner Familie. Die kleine, armselige Stellung bei Ullstein geht verloren. Andere Ver-suche von Freunden, ihn von neuem unterzubringen, mißlingen, müssen letzten Endes an der nationalsozialistischen Verfolgung der „jüdisch Versippten“ scheitern.

Nur das eine bleibt: der Verlag, der Kleppers ersten Roman „Kahn der fröhlichen Leute“ herausgebracht hat, hält trotz allem an seinem Interesse für das neuentstehende Buch fest.

Bedrängt, bedroht, immer von neuem geängstigt durch das, was sich an jüdischem Schicksal in seiner nächsten Umgebung vollzieht, schreibt Klepper an seinem Buch. Er durchdringt das Klischeebild, das viele Generationen gedankenlos von dem Soldatenkönig sich weitererzählt haben von dem groben, polternden, mit dem Stock dreinschlagenden, geistlosen Unteroffizierskönig, gegen den der Sohn aufbegehrte und den der König dafür töten wollte. Die eigene Tochter, Wilhelmine von Bayreuth, hatte in ihren Memoiren den Grund zu solcher Verzerrung gegeben — freilich hatte sie niemals daran gedacht, einer objektiven, historischen Wahrheit verpflichtet zu sein. Sie hatte zu so grellen Farben gegriffen, um ihr eigenes Opfer und das Leiden des Bruders in der gemeinsamen Kindheit so dramatisch wie möglich darzustellen. Es war ihr dabei gar nicht um ein glaubwürdiges Bild des Vaters gegangen, sondern um eine leidenschaftliche Beschwörung des Bruders. Von ihm glaubte sie sich zurückgesetzt, seitdem er König geworden war, nicht genügend in ihrer Bayreuther Verlassenheit beachtet. Sie wollte ihn für sich wiedergewinnen. Ihr Schreiben sollte nur dazu dienen, dem düsteren Bild des Vaters eine um so hellere Charakteristik des Bruders entgegenzustellen. Würde sie ihn versöhnen? Sie hat sie nie verfaßt. AIs sie an die Stelle kam, an der sie es eigentlich hätte tun müssen, gab ihr ein Einfall ein, lieber ihren Hund eine leidenschaftliche Liebeserklärung an Biche, die Hündin des Königs schreiben zu lassen. Und der Bruder verstand sie. Er lud die Schwester ein, nach Berlin zu kommen und feierte sie wie eine Königin. So war die Gemeinschaft der Geschwister wiederhergestellt. Darum hat Wilhelmine ihre Memoiren nicht weiter geschrieben. Aber was sie geschrieben hatte, blieb, bitterböse, verwirrend. Das alles durchdringt Klepper. Quellenstudium ist die Vorarbeit. Dann faßt er aus dichterischer Intuition die geschichtlichen Tatsachen zusammen, komprimiert sie und lenkt den Blick zurück auf den Menschen. Das Königtum Friedrich Wilhelms ist das Amt, unter dem der Mensch Friedrich Wilhelm Unerträgliches zu leiden hat.

»Aus alledem was ich schreibe, spricht ja doch nur die eine Frage: Wie kann ein Christ ein Landesvater sein? Herrschen, Verantwortung tragen, Aufbauen im Sündenbewußtsein? Der in selbst geschaffenen Ordnungen und Leistungen geschlagene Mensch, der in selbstverschuldeter Wirrnis und Unfähigkeit erhobene Mensch — das ist wohl, das um den , Vater‘ herum in mir rumort. Idi glaube nicht an Inspiration. Aber ich glaube, daß Bücher von Gott sind.“

Nun erfüllt sich das, wovon Klepper in den Wochen und Monaten der Beunruhigung und Ängstigung geträumt hat. „Das man , Ideen'hat und . Stoffe'ist Unfug. Die sind das Neue nicht. Die sind nichts wert. Nur der Zustand der Lebendigkeit gilt. Nur der plötzliche Hervorbruch des Lebens in einem, den man staunend erzählt, wie man sich seine ersten Worte bildete. Man muß Vater und Mutter schreiben, wie man Vater und Mutter sagte; man muß seinen Namen schreiben, wie man sich als Kind begriff. Ich will nichts als erzählen, weil alles so lebendig ist, daß es beschrieben sein will. Eine unausgesetzte Taufe ist das Schreiben. Namen geben, Namen geben allen Dingen, die schon ihren Namen tragen und immer von neuem getauft sein wollen, bis sie ihren ewigen Namen tragen. Namen geben den Eltern und Kindern, Namen geben der Landschaft, den Sternen, Namen geben den Leiden und Kämpfen, Namen den Lastern, Namen der Güte. — Nicht Pläne entwerfen! Nicht Ideen haben! Nicht Gestalten schaffen! Taufen — das ist es. Das ist die ganze Dichtung! Das: ich habe dich bei deinem Namen gerufen und du bist mein. So zu den Dingen und Menschen sprechen, ist die Dichtung. So Gott zu einem selbst sprechen zu hören, ist der Glaube. Wo Gott mich nicht kennt, kann ich das Leben und seine Träger nicht nennen. Wenn Gott mich nicht anredet, kann ich vom Leben nichts aussprechen. Dort allein liegen die Geheimnisse der Produktivität." Klepper schafft so auf eine großartige Weise eine ganze Welt. Gerade weil er sich an die geschichtlichen Wirklichkeiten, in denen sie sich vollzogen hat, unausweichlich gebunden fühlt, ist sie aus einer um so stärkeren, um so eindringlicheren inneren Wahrhaftigkeit lebendig. Es gelingt ihm dabei das in der Dichtung sehr Seltene — die eigentliche Forderung bei jeder geistig-künstlerischen Auseinandersetzung mit einem geschichtlichen Stoff —, daß er die tiefste Schicht des Seelischen, die vielleicht im Ablauf des geschichtlichen Lebens gar nicht bis an die Oberfläche des Bewußtseins der Handelnden gekommen ist, transparent und glaubwürdig werden läßt. Er zieht ans Licht, was vorher verborgen war — und diese, seine neue Sicht wird so überzeugend, daß auch die geschichtliche Forschung sich diesem Bild nicht entziehen kann und von ihm neue Anregungen empfängt.

Einmal, ebenfalls in der preußischen Kunst, ist ähnliches geschehen: So viele zeitgenössische, bildhafte Darstellungen des friderizianischen Zeitalters es auch geben mag, das Eindringlichste sind die Zeichnungen und Gemälde, die Menzel zu den Werken und dem Leben Friedrichs des Großen geschaffen hat — sie haben in Wirklichkeit die bildhafte Vorstellung jener Zeit für die Nachlebenden geprägt, nicht nur, weil sie in der Art Menzels bis in die kleinsten Kleinigkeiten auf das Äußerste präzis in der geschichtlichen Treue sind, sondern vor allem, weil auch sie zu einer gleichen inneren Wahrhaftigkeit vorgedrungen sind, aus der Klepper das Bild des Vaters, des Soldatenkönigs, Friedrich Wilhelms I. heraus gestaltete. Daß Menzel hundert Jahre später lebte als die Zeit, die er darstellte, daß er die Menschen, die er so bildhaft glaubwürdig den Nachfolgenden überlieferte, niemals in Wirklichkeit von Auge zu Auge gesehen hat, nicht ihre Bewegungen, nicht ihre Art sich zu geben, das Spiel der Augen, ihr Lachen, ihren Zorn, daß er ganz allein auf fremde Überlieferungen und sein eigenes Ingenium angewiesen war, mindert nicht im Geringsten die Überzeugungskraft seiner Bilder.

Es ist das Erschütternde, daß gerade in dem Augenblick, als das historisch gewachsene Preußentum durch den Nationalsozialismus seine ärgste Entstellung erfährt und es beschmutzt, entmenschtlich vor der entsetzten Welt zu nichts anderem mehr wert scheint, als in den tiefsten Abgrund gestoßen zu werden — daß in diesem Augenblick eine neue dichterische Würdigung entsteht, in der das Bild des robustesten der preußischen Könige zurückgeführt wird auf das Väterliche, das wahrhaft Königliche, auf das königliche Amt des Dienstes und Sorgens, des Schaffens und Formens für das Volk, auf die so schwer empfundene Verantwortung Gott gegenüber, um die Last des Titels „von Gottes Gnaden“ ertragen zu können. „Lieber Himmel, des . Vaters'Regierung ist Kritik, nicht Verherrlichung des Heutigen“, schrieb Jochen Klepper.

Kritik — mehr noch, Anklage dessen, was im Nationalsozialismus geschieht — so wird Kleppers Buch von vielen verstanden, als es herauskommt. — Aber so wenig begriffen die nationalsozialistischen Machthaber, um was es darin geht — oder rührt es auch in manchen von ihnen eine geheime Sehnsucht an? — bis in das Göbbelssche Propagandaministerium hinein erwarb sich Klepper mit diesem Buche Freunde — und Helfer. Immer neue Auflagen mußten gedruckt werden. Bis zum Ende des Krieges waren fast hunderttausend Exemplare verkauft.

Und darum geht es Klepper: um das Bild des Menschen in seiner Verantwortung vor Gott. Darum setzt er vor jedes Kapitel ein Wort aus der Bibel. Darum durchdringen immer wieder Bibelworte den Text, bestätigen oder verwerfen Gedanken, werden zu Bildern, Forderungen, aus denen der König um seines Auftrages willen handelt. Ihm, dem „Vater" ist als König Vollmacht gegeben, das Volk nach seiner Einsicht zu bilden. Er müht sich, es aus seiner Verwahrlosung herauszureißen, aus Armut und Stumpfheit, Laschheit und Leichtsinn. Er kämpft gegen die Gewissenlosigkeit der Beamten, gegen die Verschwendung des Adels. Er will das Leben fromm, einfach, ehrfürchtig vor Gott. Er schafft neue Gesetze. Er schützt das Leben. Er ruft die um ihres Glaubens willen Verfolgten in sein Land und gibt ihnen Acker und Arbeit.

Er ist streng in seinem Dienst, im Dienst des Königs in Preußen, streng gegen Untergebene, unerbittlich streng gegen sich selbst. Die Tragödie des Vaters gegen den eigenen Sohn bricht auf, in dessen Leichtsinn der Vater sein Werk bedroht sieht. Er treibt Strenge und Härte bis zu Gericht und Todesdrohung, um dann, als er der Umkehr des Sohnes gewiß ist, mit königlicher Großzügigkeit die Freiheit der Rheinsberger Zeit zu gewähren. Alles Handeln im Leben dieses Königs wird zum Bild der Verantwortung. Alle Macht ist ihm gegeben. Zeit und Welt, in denen er lebt, zeigen ihm, wie die Macht verführt zu eitler Selbstbespiegelung in Verschwendung und Laune, Willkür und Nichtachtung des Rechtes anderer — er aber spürt in der Macht, die er in Händen hält, nur die Verpflichtung gegen Mensch und Gott.

Darum wird er einsam als König, darum muß er leiden als Mensch, darum aber auch wird er zum Vater seines Volkes, der seinen Kindern die Zukunft baut. „Wie er Städte baute, Regimenter auf die Beine stellte, Handel trieb, Edikte auf Edikte häufte und in dem leichten offenen Wagen durch die Lande seiner Herrschaft jagte, so ungestüm, so beharrlich begann er sich auf dieses Neue zu stürzen. Er wollte das Wissen um den Sinn seines Amtes ertrotzen. Wo war der Segen, wo der Fluch, wo die Verwerfung und wo die Erwählung? Bei den Gefangenen oder den Richtern, bei den Knechten oder den Königen? Er war beschattet von der Ahnung, daß Könige vermögen müssen, mehr zu leiden und schwerer zu sündigen als andere Menschen. Könige sind am tiefsten gebeugt unter Gottes Gericht."

Was aber bedeutete den nationalsozialistischen Machthabern Gottesgericht und Verantwortung vor Gott? Dagegen setzt man als höchsten Wert das eigene Volk, stellt man die Forderung nach unbedingter Gefolgschaft, die Bindung an den „Führer", der beansprucht aus eigener Macht-vollkommenheit Recht setzen zu können, vor dem das Gewissen zu schweigen hat, weil er sich anmaßt, darüber zu entscheiden, was gut und was böse sei. Als derselbe Führer das Volk in eine Katastrophe ohnegleichen gestürzt hat, lehnt er es ab, auch nur mit einem Gedanken an die Rettung der Überlebenden zu denken, weil das Volk, das ihn nicht zum Siege zu tragen vermochte, in seinen Augen auch kein Recht hat, weiterzuleben. Schroffer kann das Gegenbild nicht sein.

Bindungslosigkeit steht gegen Bindung. Gegen das Bild des demütig um den Segen Gottes ringenden Königs steht die Gestalt des Tyrannen, der glaubt, mehr zu sein als Gott. Gegen den Anspruch des Nationalsozialismus steht die Überzeugung des Christentums. Gegen das Hakenkreuz steht das Kreuz. An diesen beiden Zeichen müssen die Geister sich scheiden.

Klepper selbst war über dem Schreiben seines Romans so stark in den Bann des Königs-gedankens geraten, daß mitten aus der Arbeit am „Vater“ ein Gedichtzyklus: die „Königsgedichte" entsteht.

Herr, laß uns wieder einen König selten bevor die Welt die Könige vergißt, denn sonst vermögen wir nickt zu verstehen nach welchem Maß du deine Ordnung mißt. Noch gibt es Söhne, welche Kronen sahen, als Wirklidtkeit und nicht als altes Bild, Wann läßt du dir die Söhne wieder nahen? Wann madtst du sie zum Königsein gewillt?

Die Völker haben gegen dich gemeutert, die Fürsten flohen deines Auftrags Last, nun aber hat sie langes Leid geläutert und dein Gesetz wird wiederum erfaßt . . .

Der Nationalsozialismus hat mancherlei monarchistische Ideen, die in der Zeit lagen, angerührt. War es nicht dem Führerprinzip gemäß, eine monarchische Spitze zu haben? Aber auch als Gegenbewegung gegen den Nationalsozialismus regte sich der Gedanke an ein neues Königtum. Es schien die letzte Möglichkeit noch einmal zu Recht und Ordnung zurückzukehren.

Wie glaubte Klepper, daß der König sein müßte, um die Not der Gegenwart wenden zu können? Gewiß meinte er nicht eine billige Wiederherstellung der 1918 zu Ende gegangenen Monarchie. Aus dem tiefen Glauben an die schöpferische, schützende Kraft des Gebets, der Verheißung, der Erwählung und Gnade, so wie sie ihm im „Vater" zum Bild geworden waren, will er den neuen König sehen:

Der neue König wird sich nur erheben, wenn er als Büßer dir zu Füßen lag.

Er pocht nicht mehr auf Recht — nur auf Vergeben und ohne Fahne dämmert ihm sein Tag.

Aus der Verzweiflung und Not, die er tausendfältig spürt, weiß er:

Kein König wird ein Reich des Glücks erzwingen, und Friede wird uns nimmermehr beschert. Niemand wird das Verlorne wieder bringen, und dein gelobtes Land bleibt uns verwehrt. Der König wird das Reich der Buße suchen, ein Richter unter göttlichem Gericht.

Die Starken, Stolzen werden ihn verfluchen. Er fürchtet nur dein leuchtendes Gesicht. Die Krone wird ihm bittren Schmerz bereiten. Die Dornenkrone raubt ihr allen Schein und der Gekrönte neigt sich dem Geweihten. Die Throne werden wieder Gleichnis sein. „Nach dem dauernden Exzerpieren und Konstruieren für den , Vater'glaubte ich schon, es sei aus mit dem . Dichten'und ich könnte mir nur noch mit Gelehrsamkeit und Technik helfen", schreibt Klepper in seinem Tagebuch. „Die Königsgedichte waren eine Station. Immer mehr aber sehe ich, das alles . Historische'und . Aktuelle'die Zukunft meint: ohne zu fragen, wann sie gelten darf, die Vorbereitung auf eine schwere, kommende Zeit unseres Erdteils."

Noch niemals nanntest du uns Menschen Zeiten und deine Stunde blieb stets unbekannt Du selbst mußt uns erst völlig dir bereiten und kühnen Fragen bleibst du abgewandt. Vergib es, daß wir immer wieder fragen. Vergib dem, der sich schwer bescheiden kann. Wir leben nur in Stunden und in Tagen, und drängen stets didt Ewigen mit dem „Wann“. Wir ließen dich — und heißen gottverlassen und nun ergreift uns namenlose Angst: denn jetzt beginnen wir es zu erfassen, wie früh du schon um unsre Rückkehr rangst.

Gott, laß uns deiner Ordnung nicht entrinnen, bekenne dich doch noch zu unsrer Zeit, laß uns am späten Abend noch beginnen.

Die große Stunde ist uns noch zu weit!

Denn dies ist die furchtbare Gegenwart und dies die brennende Hoffnung:

Die Völker stehen ganz erstarrt in Waffen und der gilt viel, der neuen Tod erdenkt.

Auch wenn sie Sicheln zu den Schwertern schaffen, bleibt dennoch nur der Untergang verhängt.

Daß sie in gutem Wahne noch vernichtet, das ist die ärgste Wirrnis dieser Welt.

Nun muß der kommen, der dein Kreuz aufrichtet und dieses Zeichen über alle stellt.

Die Welt in Waffen ist gar sehr entkräftet, und mancher sieht den Trug in ihrer Macht.

Vom König, der den Blick aufs Kreuz geheftet, von keinem sonst, wird Hilfe uns gebracht.

Nur wer das Kreuz sieht, hat von fern verstanden die Heiligkeit im irdischen Gericht.

Wenn Könige dein Golgatha nicht fanden, so fanden sie auch ihre Throne nicht.

Das ist das Bild, unter dem Klepper die Reinheit der Idee wiederhergestellt sieht, die im Mißbrauch der Macht so frevelhaft entstellt ist. „Die neue Monarchie darf nur das Gleichnis im Auge haben. Um die unverletzliche Majestät des deus absconditus geht es, um ihr Bild. Nicht mehr das Menschenmögliche darf uns beschäftigen: das Menschen-Unmögliche hat den Anspruch auf uns. Meine Königsgedichte, die ganz dem Schmerz um die Halt-und Machtlosigkeit der blühenden Kronprinzensöhne entsprangen — einem Schmerz, wie ich ihn so um das Vaterland noch nie empfunden habe—, sind völlig unbeeinflußbar von meinem Verhältnis zu dem alten, schuldigen, gerichteten Kaiser durch mich hindurchgegangen, wie ich es bei Gedichten überhaupt noch nicht erlebt habe. Zwei Jahre lang haben sie sich in den Händen nur ganz weniger Menschen befunden; nun plötzlich will man sie verbreiten, , weil sie endlich etwas klar aussprechen, was in den anderen verschüttet ruhte, weil sie etwas auslösen, das sich ihrer bedienen muß.'Durch die alte Gräfin Keller, die letzte Hofdame der Kaiserin, sollte der Kronprinz mit seinen Söhnen, sollen die eigentlichen Empfänger sie erhalten. Einen Augenblick hat es midi bewegt, dann legte ich mein Veto ein wie auch gegen jegliche sonstige Verbreitung ... Dis aktuellen politischen Hoffnungen der Monarchisten sind mir verhaßt. ..“

Die Königsgedichte blieben in der Hand einiger Freunde. Sie wurden erst nach Kleppers Tod, im Sommer 1948 veröffentlicht. Sie haben niemals eine größere Publizität erlangt, wie Kleppers Roman vom Soldatenkönig, wie seine geistlichen Gedichte, die in dem Bändchen „Kyrie zusammengefaßt sind. Diese geistlichen Lieder stehen am Anfang von Bemühungen um ein neues, zeitgemäßes Kirchenlied. In vielen Gemeinden der Bekennenden Kirche wurden sie gesungen — einzelne von ihnen haben später ihren Platz in dem neuen Gesangbuch der evangeli-schen Kirche gefunden. Abschriften wurden in Feldpostbriefen an die Front geschickt. Sie waren an vielen Orten, wo Menschen bangten vor dem immer schonungsloseren Zugriff des Nationalsozialismus, vor den entfesselten Gewalten, die Recht und Menschlichkeit immer tiefer zerstörten. In dieser Not wurden sie zum Bekenntnis der Besinnung und des Glaubens an die ewigen Kräfte, an den Trost und die Liebe, an die gnadenvolle Versöhnung mit Gott. „Tief muß Gott schneiden, will er uns heilen, tief muß Gott uns hinabführen, sollen wir festen Grund finden in ihm.“

Klepper selbst — er wollte es vor sich selbst nicht leugnen: es war die Stunde seines Ruhmes. Aber der Ruhm war anders als der, den er einmal wie das tägliche Brot zu seinem Leben begehrt hatte. Er kam als eine erdrückend schwere Last. Es war die Last unendlich vieler Sorgen und Nöte, die ihm anvertraut wurden, an denen er teilnehmen mußte, in denen er Hilfe und Rat geben sollte. Er fühlte, es überstieg seine Kräfte. Gehetzt, gedemütigt, geängstigt durch drohende Verbote, todmüde, begehrte er, wieder einsam zu sein, nichts von der Not der Menschen um ihn mehr wissen zu müssen, Ruhe zu finden. Verzweifelt rang er darum, Zeit zu haben zu einem neuen Werk, das „Ewige Haus", das er schreiben wollte, und konnte sich doch nicht dem Drängen entziehen, das ihn immer von neuem forderte, für die anderen da zu sein. Höher wuchs die Bedrohung seines eigenen Lebenskreises, die grausame Erfüllung des jüdischen Schicksals. Seiner einen Stieftochter war die Auswanderung noch gelungen, die andere wurde als Jüdin zwangsverpflichtet. Über seiner Ehe stand die Drohung einer Zwangsscheidung durch nationalsozialistische Gesetze und die Deportation des geschiedenen jüdischen Teiles in eines der Vernichtungslager im Osten. „Täglich, stündlich steht die Last, die auf den Völkern und dem Judentum lastet, einem so bedrückend und drohend vor Augen. Es ist keine Zeit mehr, der man begegnen könnte mit Handeln, es ist eine Zeit des Seufzens und Tragens — und der Aufblick zu Gott ist immer scheuer geworden.“

Der Schnitt, den Gott nach Kleppers Meinung tun sollte, um zu heilen, schnitt zu tief in das Lebensgewebe ein. Als seine Stieftochter deportiert werden sollte, ging er freiwillig mit Frau und Tochter in den Tod. Verzweifelte Tat, Kein Versuch einer Beschönigung oder eines billigen Verwischens, nur ein letztes gläubiges Bitten um die verwirkte Gnade, daß Gott, der Vater ihn dennoch aufnehme in sein ewiges Haus, weil unter den Menschen Gnade und Erbarmen ausgelöscht schien und die Schuld ein so erdrückendes Ausmaß angenommen hatte, daß das Bild der Ordnung darin unterging.

Mein Herz hat einen Schlag getan — nur wie ein Fisch die Flosse regt, ein Gras im Winde sich bewegt, ein Vogel seine Schwingen hebt — und alles Leben war gelebt, und alle Ewigkeit brach an.

Der du allein der Ewige heißt und Anfang, Ziel und Mitte weist im Fluge unsrer Zeiten:

bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an deiner Hand, damit wir sicher schreiten.

Reinhold Schneider

In dem Herbst, an dessen Ende die Synagogen in Deutschland brannten und die große Ausplünderung und Verfolgung der Juden in aller Öffentlichkeit geschah, erschien eine Erzählung von Reinhold Schneider: „Las Casas vor Karl V.“ Der Titel schien das Buch weit von aller Zeit-nähe abrücken zu wollen. Las Casas — wer war das? Karl V. — das war schon sehr lange her, rund 400 Jahre, aber dann kam der Inhalt dieser Erzählung plötzlich in die denkbar größte Nähe brennender Aktualität, war flammender Widerspruch gegen das, was der Nationalsozialismus förderte und betrieb. Die Erzählung führte zugleich den Blick weit über das aktuelle Geschehen hinaus und ließ die tiefe Verletzung des göttlichen wie des menschlichen Rechtes, das Schuldigwerden eines ganzen Volkes in der gleichen Problematik, in der auch das deutsche Volk stand, sichtbar werden. Die Aktualität wirkte vor dem Hintergrund der Geschichte um so erregender, als das historische Gewand kaum einer Erklärung bedurfte: es war so überzeugend einfach, unbestreitbar echt und rührte an das Gewissen, an die Frage der Macht und des Schuldigwerdens in der Macht, an Fluch und Erwählung, Bestand oder Untergang der Schuldig-gewordenen. In das tiefe Entsetzen über die Schändung und Verfolgung der Juden, die in der „Kristallnacht" offenbar geworden war, rief die Erzählung ein lautes: Wehe, wehe dem Volk, das um der Macht willen seine Seele, seinen Auftrag in der Geschichte und seine Menschlichkeit verrät! Wehe an dem Tag, an dem es Rechenschaft ablegen muß! Und dieser Vag wird kommen!

Las Casas ist ein Dominikanermönch, Zeitge-nosse des Columbus. Er ist in den neuentdeckten Ländern der spanischen Krone in Amerika Zeuge des Treibens der Spanier geworden. Er hat sich selbst daran beteiligt. Auch er ist als junger Mensch dem Goldrausch erlegen, der sein Volk ergriffen hat. Auch er wollte Reichtum und Macht für sich in den neuentdeckten Ländern erraffen — bis ihn die Stimme seines Gewissens anrührte, bis er das schreiende Unrecht erkannte, das an den Indios durch die Spanier geschah: nicht mehr wie Menschen werden sie behandelt, rücksichtsloser als Tiere, ausgebeutet in unerträglich schwerer Arbeit, erpreßt und zu Tode gehetzt. Ihr Leben gilt nichts in den Augen der Spanier und aus der Unmenschlichkeit fließt Spaniens neuer Reichtum, wird zum Fundament seiner Macht.

Da erhebt sich Las Casas gegen das Unrecht, das an den Indios geschieht. Er sieht in den Indios nicht die Unterworfenen, nur den Menschen. Er will ie Befreiung der Indios erlangen, ihre menschenwürdige Behandlung, ihre Gleichstellung. Er zieht durch die Inseln und Länder, um den Indios die Botschaft von der Liebe Gottes der Christen zubringen und wird immervon neuem Zeuge der Schuld, der Roheit, der Gewissenlosigkeit seiner Landsleute. Auch er selbst wird schuldig: in seinem Mitleid für die unglücklichen Indios, die die Arbeit in den Goldminen der Spanier nicht ertragen und zu tausenden sterben, rät er, Neger von der afrikanischen Küste für diese Arbeit zu nehmen, weil sie kräftiger sind; und während die Indios ihn bald ihren „Vater" nennen, wird er zugleich auf diese Weise auch der Vater der Sklaverei. Aber das Unrecht, das an den Indios geschieht, gibt ihm keine Ruhe. Er veröffentlicht Schriften und zieht sich damit den Haß derjenigen zu, die er in ihrem Reichtum, in ihrer Gier, in ihrer Unmenschlichkeit anprangert. Er entschließt sich, nach Spanien zu fahren, um die Sache der Indios vor dem Kaiser selbst zu verteidigen.

Dr. Sepulveda, ein Staatsrechtler im Dienste der Krone, tritt ihm in der Disputation, die vor dem Kaiser stattfindet, entgegen: Das erste Gesetz sei Ordnung auf Erden zu schaffen, erst wenn sie begründet sei, gelte die Forderung christlichen Lebens. Was zur Festigung des Staates beitrage, sei gut, was ihm schade, müsse nicht unbedingt schlecht, aber doch wenigstens falsch und töricht sein. „Nichts“, schleuderte Dr. Sepulveda Las Casas entgegen, „ist ein größerer Greuel als Unordnung, niemand verderblicher als der Unruhestifter“.

Mit kalter Leidenschaftlichkeit kämpft er für seine Überzeugung: „Ich stehe, hier für die Festigkeit des irdischen Gefüges. Auf festem Grunde sollen die Geschlechter die Steine schichten, in der Hoffnung, daß es einmal gelänge, Gottes Haus zu vollenden. Der Staat dient dem Herrn insofern er wohlgegründet ist, wankt aber der Grund, so müssen wir diesen erst sichern, bevor wir dienen können. Weil wir vor dieser Entscheidung stehen, darum zeuge ich gegen den Vater Las Casas, und ich tu es in tiefstem Widerwillen gegen die Hirngespinste, die das Notwendige vernebeln und die Klarheit irdischer Gesetze verschleiern sollen. Wir haben den gefährlichsten und ruhmreichsten Weg auf den letzten Gipfel der spanischen Geschichte betreten, lassen wir uns jetzt von Träumern betören, so stürzen wir ab . ..“

Es ist eine Rede, wie sie mit wenig Abänderungen auch von einem Nationalsozialisten hätte gesprochen werden können, so nahe kann sich das kalte, nur auf den Zweck des Staates gerichtete Denken über Jahrhunderte hinweg berühren. Las Casas aber wendet sich an den Kaiser direkt. Seine Not ist tiefer, verzweifelter, ihm geht es nicht um die Logik vom Nutzen und Vorteil des Staates, sondern um die Verantwortung. Der Kaiser muß diese Verantwortung tragen, er muß die Macht rechtfertigen, nicht um der Macht, sondern um des Auftrags willen, der seinem Volk in der Welt und in der Geschichte aufgegeben ist. „Der Frevel dringt in alle Adern ein, unser Volk lebt davon und selbst wenn wir die Altäre des Herrn und der Heiligen schmücken, so tun wir es mit erpreßtem, blutbeflecktem, von Tränen benetztem Golde. Oh, es kann ja nicht sein, daß ein König vom Unrecht weiß, und es nicht abstellt. Freilich ruht das Recht nicht in der Brust der Könige, wie die italienischen Staatsrechtler sagen, sondern der König ist der Hüter des Rechts, darum muß ihm recht berichtet werden."

Beschwörend wendet sich Las Casas an den Kaiser. „Oh, daß es doch möglich wäre, den Königen zu einer jeden Stunde die Wahrheit zu sagen!

Oh, daß doch die Stimme der Männer, denen das Geschick ihres Volkes am Herzen brennt, einen eigenen Ton hätte, so daß sie sich von allen anderen Stimmen unterschiede! Oh, daß die doch nicht schweigen müßten, die vom geheimsten Leiden wissen! Es sind ja so unbegreiflich wenige, die allein als Zeugen leben, um zu sagen was wahr ist und in welchem Maß das Leben der Menschheit der ewigen Wahrheit widerspricht. Ich habe einige heilige und tapfere Männer gesehen. Aber wohin ich kam, hörte ich die falschen Stimmen derer, die etwas wollten für ihre Aussage. Und wenn eines Königs Ohr auch geschärft ist vom Wächterdienste, wie soll er im Lärm erkennen, ob ein Mann spricht, dessen Wort sein Schicksal ist, oder ein Mann, dessen Wort seinen Kaufpreis nennt, seien es nun Amt oder Rang oder sei es auch nur die Erlaubnis bleiben zu dürfen, was er bisher gewesen! Gelangte aber die Wahrheit an die Ohren der Könige, so wäre alles gut... Wir können mit schlechten Mitteln Gutes nicht erreichen. Und unsere Mittel sind schlecht."

Wie eine Vision des Grauens, das der Nationalsozialismus über die Juden bringen wird, breitet Las Casas die Leiden der Indios vor dem Kaiser aus, den zerstörten Frieden, die Berge von Leichen. „Und das ist doch alles nichts. Vor mir stürzten die Seelen der Unglücklichen in die ewige Verdammnis hinab. Und welche Schreie habe ich gehört? Schreie derer, die unter Peitschenhieben starben und derer, die lebendig verbrannt wurden und derer, die in der Folter hingen. Und die Schreie sind noch nicht das Furchtbarste, viel schlimmer sind die Klagen und das Weinen und die stummen, von Tränen quellenden Augen, und das Schlimmste sind die Fragen in diesen Augen, die nicht begreifen können und emporblicken zum Himmel und suchen und nicht wissen, wer da oben wohnt. Oh, was habe ich gesehen! Ihr habt mich nach der Wahrheit gefragt: das ist die Wahrheit und es ist sie doch noch nicht. Viel viel, Schlimmeres habe ich noch gesehen, was kein Gehirn zu denken wagt, keine Lippe nachspricht, was selbst den Teufel mit Abscheu erfüllen müßte.“

Voll tiefer Verzweiflung fleht Las Casas den Kaiser an:

„Herr, dein Volk ist krank, laß es gesunden. Zerbrich das Unrecht, in dem es erstickt. Und was es immer kosten wolle, zögere nicht, denn das will Gott von dir. Vielleicht ist jetzt die Stunde da, da Gott ein sehr großes Opfer von dir fordert: bringe es Herr, frage nicht, wie die Welt es dir entgelten wird. Frage niemanden. Frage nur dich selbst, frage dein Leiden und deine Sorge und deine Not, frage deine Liebe und dein Gewissen. Menschenstimmen können dir nicht antworten, aber wenn du nur lauschen willst, Herr, so vernimmst du vielleicht die Stimme des Lenkers der Geschichte, der dich und deine Krone in diesem Augenblick als sein Werkzeug gebrauchen und sein Reich ausbreiten will durch dich."

Da fährt Sepulveda Las Casas in die Rede:

„Herr, wenn die Stimme der Notwendigkeit, der Fürsten und Völker unterworfen sind, ein Recht hat, dich zu warnen, so in diesem Augenblick. Sie verzeiht es niemals, wenn sie mißachtet wurde. Höre nicht auf den Träumer. Er zerstört dein Reich!“

Und der Bischof von Burgos meint:

„Wie willst du dem Herrn dienen mit zertrümmerter Macht? Was soll ein zerbrochenes Werkzeug in Gottes Hand? Vergiß nicht, daß die Welt sich dir unterwerfen muß und du ihre Ordnung wieder herstellen wirst, wenn du fest bleibst. Das ist dein Auftrag!"

Las Casas entgegnet nur leise: „Es ist die Stunde Spaniens!“ In dem plötzlichen Gefühl der Vergeblichkeit seines Glaubens vor dem nüchternen, materiellen Nützlichkeitsstreben der Welt setzt er hinzu:

„Die Schuld ist schon zu einem Teile unseres Lebens geworden, alle Warnungen sind vergeblich, Spanien hat seine Stunde verkannt, und die noch von Gottes Auftrag wissen, gehen als Narren hin, beladen mit aller Not der Welt. Oh, daß mich Gott doch fortnähme, daß ich nicht mehr zeugen müßte für ihn ..."

Aber dann bäumt sich noch einmal sein Wissen, sein Gewissen vor dem furchtbaren Unrecht, vor der ungeheuren Schuld in leidenschaftlicher Erregung auf und uns Nachlebenden des Nationalsozialismus erscheinen seine Worte mehr als das Ende der spanischen Weltmachtstellung ein visionäres Bild der deutschen Katastrophe von 1945 zu meinen. „Es ist wahr, daß das Gericht kommen wird über dieses Land! Denn wer den größten Auftrag verfehlt, der verfällt auch der schwersten Schuld. Und darum wird Gottes Zorn auf dieses Land fallen, er wird seine Macht zerschlagen und sein Zepter erniedrigen und ihm Inseln und Reiche nehmen und wenn die Menschen sich aufrichten aus den Trümmern und den Herrn anklagen und fragen, warum er dieses

Unheil über das Land gebracht habe, so werde ich mich erheben aus dem Grabe und für Gottes Gerechtigkeit zeugen. Dann werde ich den Fragern antworten: Gott hat eure Väter für einen Dienst erlesen und sie haben ihn nicht verstanden. Darum tut Gott recht, wenn er dieses Landes Ansehen vernichtet. Für ungeheure Verbrechen erfolgt nun die ungeheure Strafe.“

In der Erzählung läßt Reinhold Schneider am Ende den Kaiser sich zu Las Casas bekennen, er übergibt ihm die unterschriebenen Gesetze, die die Indios freimachen sollen. Las Casas selbst soll sie in den neu entdeckten Ländern vertreten und ihnen Geltung verschaffen.

In der Zeit, für die Reinhold Schneider das Andenken an den „Vater der Unterdrückten“ aufs neue hervorgeholt hatte, blieb der Erzählung eine Wirkung zu Umkehr und Besinnung auf die nationalsozialistische Führung versagt — es wäre zu viel gewesen, eine solche Wendung zu erwarten. Doch wer will ermessen, wieviel Nachdenklichkeit diese Erzählung bei denen erregte, die sie lasen? Zur Bewußtseinsklärung derer, über die das Trommelfeuer nationalsozialistischer Propaganda niederging, hat sie das Ihre dazu beigetragen, daß die Stimme der Menschlichkeit, daß das Begreifen geschehenen und noch immer sich vollziehenden Unrechts nicht verstummte. Das Buch ging von Hand zu Hand. Im Verlag häuften sich die Bestellungen zu Bergen. Es hätte eine Auflage von 60 000 Stück gedruckt werden können, um den Anforderungen zu genügen, aber Parteiinstanzen ließen die Neuauflage nicht zu.

Niemand vermag heute noch zu sagen, zu wie vielen damals Schneiders „Las Casas“ als der aufrüttelnde Mahner zu den Unsicheren, als der tröstende Bruder zu den Geängstigten und Gedemütigten gekommen ist. Wichtig war diese Stimme, außerordentlich wichtig, um in der Hochflut des Nationalsozialismus wenigstens etwas von den Gegenkräften spüren zu lassen, die sich über das stumpfe Geschehen-lassen der Menge erhoben. Wenn die Gewaltlosen eine Waffe hatten, so war es das Wort, um zu mahnen, um nicht nachzulassen, die Gewissen zu schärfen, und sich in ein verzweiflungsvolles Ringen zu stürzen, um die großen Menschlichkeits-und Glaubenswerte nicht in der Zeit der großen Verführung untergehen zu lassen. Das dichterische Wort verstummte nicht, so gefährdet es auch war. Es sollte vielmehr gerade in dieser Not eine Stunde besonderen, geheimen Glanzes erfahren.

Wenige haben ihr dichterisches Vermögen so nachhaltig und so vielfältig als Ruf zum Widerstand in dieser Zeit eingesetzt, wie Reinhold Schneider.

Schon seit einiger Zeit gingen Sonette von ihm von Hand zu Hand.

Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häupten aufzuhalten und diese Welt den ridttenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen. Denn Täter werden nie den Hitnntel zwingen. Was sie vereinen, wird sich wieder spalten, was sie erneuern, über Nacht veralten und was sie stiften, Not und Unheil bringen. Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt und Mensdienhodiwut auf dem Markte feiert, indes im Dom die Beter sich verhüllen.

Bis Cott aus unsern Opfern Segen wirkt und in den Tiefen, die kein Aug entsdtleiert, die trodtnen Brunnen sich mit Leben füllen.

Es ist die Stimme der Gewaltlosen:

Kein Haupt und keine Fahne zu erkiesen, das Herz zu besdtützen, das sidt losgerungen, und wieder rein in diese Welt zu treten . . .

Das bedeutet keinen schwächlichen Verzicht auf die geistige Tat, kein sich verstecken-wollen, um sich selbst zu bewahren. Die Verfolgung ist zu groß. Was geschehen kan, muß im Geheimen geschehen.

Furchtbarer Bann, wirst du noch einmal weichen, daß uns ein Morgen ohne Schwermut tagt, und um die Seele, die vor Leid verzagt, die Mauern fallen und die Schatten bleidien?

Gewalt erdulden lernen, schweigend hoffen, und vor der Zeit die Seele zu behüten, daß reines sich vereinen mag auf Erden, dies ist das Sdticksal, das wir angetroffen, die wir vor nie betretnem Land erglühten, und nun uns beugen und geopfert werden.

Schwermut liegt über diesen Sonetten. Aus ihnen spricht die Verzweiflung so vieler, die immer von neuem vergeblich hoffen und immer wieder zurückgestoßen werden in die Hoffnungslosigkeit.

In immer neuen Erfolgen bläht sich der Nationalsozialismus, erkennt die Welt ihn an. Das Volk auf den Straßen jubelt dem Erfolgreichen zu — wie sollte es auch anders sein: immer hat es die Menge getan — . . . und niemand ahnt, daß Satan aus ihm spricht und seines Tempels Wunderbau zum Preis die Seelen fordert, die er eingefangen.

Erst wenn er aufwärts fahren will ins Licht, wird ihn der Blitzstrahl aus dem höchsten Kreis ins Dunkel schleudern, wo er ausgegangen.

Aber die, die in dem schreienden, tobenden, berauschten Volk abseits stehen, fühlen ihre Einsamkeit wie einen quälenden Schmerz, nicht weil sie sich selbst bedroht fühlen müssen, sondern weil sich vor ihnen unter dem Geschrei der Menge auch das Vertraute, ihnen Liebgewordene in eine unfaßbare Fremdheit hüllt, weil nichts mehr von außen kommt, das sie trägt, und die inneren Kräfte zu erlahmen drohen in ihrer schmerzvollen Vereinzelung.

Auch das gehört zum Verständnis des Widerstandes der Gewaltlosen.

Entfremdet ist das Volk mir, nur sein Leiden bedrängt mich nachts und furchtbar drückt die Not ... beginnt eines der Schneiderschen Sonette aus dem Jahr 1937:

Verkehrt sind alle Zeichen, stumm die Diditer, es bannt das Wort nicht mehr die Todesmächte, die deine Seele, Volk, in Fesseln schlagen.

Mein Volk, mein Volk, wie wird der ewige Richter dereinst uns wägen nach dem ewigen Rechte, wenn er nicht zählte, was wir stumm getragen!

Im gleichen Jahr ist Schneider aus Potsdam fortgegangen. Er hatte 1939 ein Buch über die Hohenzollern geschrieben. „Gegen die Vergötzung des Blutes sollte mein Buch über die Hohenzollern die tragische Forderung der Krone, das in ihr beschlossene Opfer, • stellen. Es war kein christliches Buch und wollte das nicht sein, ich war ja kein Christ, sondern ich sah im Tragischen den Sinn der Geschichte."

Auch dieses Buch war im ersten Anlauf unterdrückt worden. Einen anderen Plan zerschlug die Entwicklung der Zeit. Er hat ihn einmal seinen liebsten Plan genannt, eine dreibändige Darstellung der drei großen deutschen Kaiser-geschlechter des Mittelalters. „Der Widerspruch zur Zeit hätte mir die Hand geführt und die Gestaltung verdorben.“

Schneiders Fortgang aus Potsdam — war es Flucht, Flucht vor dem Unentrinnbaren, da doch auch die Einsamkeit verloren und verdorben war?

„Wir brauchen dich eben jetzt“, hatte Schneider vor seinem Abschied in einem erdachten Gespräch geschrieben. „Es ist als lebten wir am Morgen des Gerichtstages, und die ganze, immer lautere Geschäftigkeit der Menschen dient, ob sie nun guten oder bösen Willens sei, der Aufrichtung des Schafotts. Diese Welt ist verfallen, sie lebt von ihrem künftigen Tod. Fühlst du nicht, wie die Verzweiflung die Menschen aushöhlt, wie ein jeder nach einem Wort verlangt, das ihn ausfüllt, ihm weiterhilft, ihn mit dem Dauernden verbindet und es rettet vor dem entsetzlichen Nichts, das auf allen Wegen an ihn heranschleicht? Solange du die Hoffnung haben kannst, nur zwei oder drei Menschen ein solches Wort zu sprechen, darfst du nicht gehen . ..“

Und Schneider selbst hatte die Antwort gegeben. „Ich gehe nicht, um zu nehmen, sondern um zu geben. Nur will ich Besseres geben als zuvor. Und sofern wir heute nicht um das Äußerste ringen — wovon soll dann morgen das Volk zehren? Das eine leuchtet und sammelt die Menschen um sich aus eigener Kraft, nicht aus der Kraft der Welt. Und wenn es mehreren gelänge, rein zu werden, so wüßten wir, daß Gott die Welt noch nicht verworfen hat, so sehr sie es auch verdient. Aber wenn wieder 20 oder 30 Jahre um sein werden, so müssen andere sichtbar werden und leben mit den weitverstreuten, suchenden Seelen und ihr Leid tragen und ihnen helfen. Wieder andere treten in die Wälder ein und verlieren sich auf immer, und vielleicht müssen viele sich verlieren, damit jene wenigen einmal aufleuchten in der grauenvollen Nacht, die sich die Menschen auf Gottes Erde bereitet haben. Die den Befehl zu hören glauben, müssen gehen ..

So war Reinhold Schneider gegangen.

Aber ehe noch Freiburg als endgültige Zuflucht für ihn gewonnen war, kam schon der bewegende Zuruf der Sonette.

Weihnachten 1937 schenkte er einem kleinen Kreis seiner Freunde einen maschinengeschriebenen und vervielfältigten Band davon, 1939 gab der Insel-Verlag einen Teil davon heraus. So begann jenes immer wieder sich erneuernde, immer sich wandelnde Lied des Trostes und der Mahnung, des Zuspruchs, der tiefen Deutung des Geschehens draußen in der Welt und der Wandlung in den Seelen, wurde Bekenntnis und anfeuernder Wille zu Buße und Umkehr.

Meteorenschwärme erschienen am Himmel als erschreckende Zeichen immer dichter werdenden Unheils, die ersten Bomben fielen, ragende Türme, Gotteshäuser und Denkmäler frommer, großer Vergangenheiten sanken in Schutt und Asche, Freunde fielen auf dem Schlachtfeld, andere wurden verhaftet und verschwanden im KZ: Not und Tod hielten eine grausige Ernte, während die Machthaber immer lauter ihre Triumphe einernteten auf den Schlachtfeldern in Polen und im Westen, auf dem Balkan, in der afrikanischen Wüste, ehe sich der Krieg in die endlose Weite Rußlands ergoß. Immer hektischer wurde der Siegeswahn, immer unverhüllter zeigte sich der Machtberauschte als der Knecht des Antichrist.

Nun stirbt das Volk, es sterben hin die Reinen, die ohne Schuld am tiefen Fall der Welt; wenn nicht ein Licht aus reinen Herzen fällt, wird bald kein Licht mehr auf der Erde scheinen. Die Nadtt stürmt fort, und lauter wird das Weinen um all der Toten unbeschütztes Zelt, um all die Schwermut, die kein Trost erhellt, und kühne Geister, die sich nie vereinen. Doch wo ist Hoffnung, wenn im Opfer nicht der Unbefleckten, die mit heiligem Mut in unserer Sünde Todesnacht gegangen? Um ihre Gräber dunkelt das Gericht, es klagt uns an, es fordert uns ihr Recht, bis ihre Bitten uns dereinst empfangen.

Diese Jahre wurden eine Zeit des verborgenen Wortes. Nun war die Dichtung für viele zu echtem Lebensbrot geworden. Hinter der starren Maske des Grauens glühte das Wort, das aus dem Dunkeln den Weg wies, das helfende, deutende, bewahrende Wort. In dieser tiefsten Erschütterung, in der die Welt ringsum zusammenbrach und Trümmer die altgewohnten Wege unsichtbar machten, war das Wort des Lebenden, des Mitleidenden unendlich wichtig geworden. Wie oft reichte die verzweifelte Kraft des einzelnen nicht mehr aus, hinter dem Sturz der irdischen Werte noch an das Unvergängliche zu glauben, hinter Zusammenbruch und fratzenhafter Entstellung aller geschichtlicher Über-lieferung das reine Bild geschichtlicher Größe zu erkennen. In diese Situation trafen die Sonette als die Boten einer Gesinnung, die, in dem alten, großen Reichtum des geistigen Erbes des christlichen Kulturkreises wurzelnd, weit darüber hinauswiesen in Bereiche leiderfahrenen Glaubens, in dem die Ordnung und Unordnung der irdischen Dinge transparent wurden, um das Licht letzter Gnade über das Trümmerfeld der Zeit hereinfluten zu lassen.

Schwer schleppt die Zeit hin, da des Todes Schwingen die Wälder streifen, die zerbrochene Stadt, und wieder will, die keine Stiutwe hat, die stumme Not, mir an die Seele dringen. Männlicher Herzen weltverlorenes Ringen, der Gram Gekränkter, die des Daseins satt, ohnmächtiger Sehnsucht Ruf, die todesmatt in Ketten brennt, die Erde zu umschlingen. So viele Liebe, deren Band zerriß, Hochsinn und Mut, die dunkle Schmach bededtt, und Schuld, die der Geschlechter Schuld sich beugt. Sie drängen sich aus Todesfinsternis ruhlos ans Herz, das Herzen auferwecht, ach, nach dem Munde nur, der es bezeugt.

Dieser Glaube ist nicht Weltflucht. Die Allgegenwart der Not ist so groß, daß keiner sich ihr mehr entziehen kann, keiner unberührt von ihr bleibt. Schneider ist der Überzeugung: die Zeit erlaubt ihm keine großen, breit angelegten Arbeiten mehr. Solche Arbeit wäre Flucht vor der unmittelbaren, bedrängenden Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Viele haben solche Flucht versucht. Sie kamen nicht weit. Die reißende Zeit holte sie ein. Aber die Stillen, die Geängstigten im Lande bedürfen des kurzen, klaren, in sich geschlossenen Anrufs, des warnenden Rufes, des tröstenden, damit nicht auch noch das Letzte von den stürzenden Mächten in den Abgrund gerissen werde. Als solcher Rufer und Mahner sieht er seine eigentliche, seine letzte Aufgabe, immmer wieder zurückkehren — müssen in das Leid, in die Ungewißheit, Bedrohung und Gefährdung, um den Verzweifelten das Gefühl der Verlassenheit zu nehmen, um die Stimme des Widerspruchs gegen das was geschieht, nicht schweigen zu lassen, „um für die Kraft des Wortes einzustehen''. „Mir geht es um die Vergegenwärtigung eines Geschichtsbildes, in dem Raum für die himmlischen, wie für die widersacherischen Mächte ist, und in dem der Ort des Menschen zwischen beiden und seine königliche und furchtbare Freiheit deutlich zu bezeichnen sind", hat Rein-hold Schneider damals geschrieben. „Als mit dem ersten Weltkrieg eine Epoche anbrach, die noch nicht zu Ende ist und in der auf eine immer erschütterndere Weise alle Mitspieler im Drama der Geschichte auftraten, verfügten wir über ein solches Bild nicht mehr: wir standen ohne Waffen des Lichts vor dem aufgebrochenen Abgrund ... Ich suche keine neuen Gedanken, sondern den Dienst am Geoffenbarten. Mein einziger Wunsch ist, Zeuge der Wahrheit zu sein. Die Wahrheit, die uns zu Zeugen macht, ist unendlich viel stärker als wir: sie dringt über uns hinweg in die Geschichte, die kein Menschenwerk ist, vielmehr der Bau eines großen Königs, dessen Bauplan sich uns nicht entschleiert. Die Geschichte mißt uns die Stunde zu, sie fordert das Wort uns ab, das ein totes Wort bleibt, wenn es nicht eins wird mit dem Leben."

Als Reinhold Schneider in der Zeit nach dem überstandenen Schrecken, im Sommer 1953 darangeht, die Sonette jener Jahre zu sammeln, sind es über zweihundert. Sie gingen hinein in das Dunkel der Zeit zu wundgestoßenen und zerschlagenen Herzen, sie wurden immer und immer wieder abgeschrieben, mit der

Hand, mit der Schreibmaschine auf brüchigem, schlechten Kriegspapier — was hatte es da zu bedeuten, wenn der Name fortblieb oder ein anderer an seine Stelle gesetzt wurde — galt doch allein das tröstende Wort, der Zuruf, unter dem Druck der Unfreiheit und Verfolgung, der Beschämung und inneren Not nicht zu zerbrechen, sondern auf den Ewigen zu schauen und ihm Erlösung und Sühne der ungeheuren Schuld anheim zu geben. Solche Gedichte wanderten in jenen Jahren von einem Vertrauten zum andern, waren ein kostbar-tröstlicher, aber . auch ein gefährlicher Besitz, sie gingen in Feldpostbriefen hinaus an die Fronten, sie wurden in Rußland von einer Truppe als ein kleines Bändchen gedruckt, sie fanden unsäglichen Widerhall in der Not der Kämpfer in Stalingrad. In den Abschiedsbriefen der Todgeweihten tauchen Verszeilen oder ganze Sonette als letztes Vermächtnis auf. Unermeßlich, unergründlich sind die Wege, die diese Dichtung damals durch die Not der Zeit auf die Schlachtfelder drinnen und draußen fand, in die Bombenkeller und die Gefängnisse und zu den einsam Sterbenden auf allen Kampfplätzen Europas.

Noch in den Gefangenenlagern konnte es geschehen, daß sich Gleichgesinnte daran erkannten und Freunde wurden, daß einer halblaut für sich eine Verszeile solcher Gedichte sagte oder ein Zettel mit einem Sonett sich fand, eingerissen, verschmutzt, das seinen Träger seit Jahren durch Kampf und Gefangennahme begleitet hatte.

Es war eine Zeit des verborgenen Wortes, aber das Wort wurde groß und fordernd und voll Verheißung. Vielleicht hat das Wort des Dichters nie solche hohe Aufgabe gehabt wie in jener Zeit, da die Worte der Mächtigen auf der Straße zerschlissen zu Lumpen, denen niemand mehr einen Wert beimessen wollte.

Werner Bergengruen

Es waren gewiß nicht nur die Sonette Rein-hold Schneiders allein, die als Helfer und Tröster im geistigen Widerstand der Gewaltlosen ihr Gewicht hatten. Auch die Lieder aus Kleppers Kyrie gingen von Hand zu Hand, Gedichte von Werner Bergengruen, Rudolf Alexander Schröder, die des früh in Rußland gefallenen, so hoffnungsvollen jungen Siegbert Stehmann und vieler anderer.

Und es waren nicht nur die Lebenden, deren Werk und Gedanken den Widerstand nährten, sondern die ganze Vergangenheit des deutschen Geistes in seiner Gläubigkeit, in seinem Ringen um Klarheit, in seinem Idealismus und seiner Offenheit aller Menschlichkeit gegenüber, in der ganzen Schwere seines Strebens nach Vollendung, seiner Reinheit und seines tragischen Schuldig-werden in seiner langen Geschichte war Widerspruch gegen den Ungeist, der sich breit machte. Gerade das war es ja, was dem geistigen Widerstand sein inneres Recht gab: Die Vergangenheit selbst zeugte gegen die Entstellung und Entwürdigung, die sie durch den Nationalsozialismus erfahren sollte. Deshalb war die Vergangenheit plötzlich so wichtig geworden: es war nicht Flucht in die Geschichte, um einer bösen Gegenwart zu entfliehen, sondern ein Forschen und Fragen nach den Gesetzen, Inhalten und Forderungen der Geschichte, um der großen Verfälschung entgegentreten zu können.

Etwas Ähnliches vollzog sich auf allen geistigen Gebieten, in der Kunst, die als „entartete Kunst“ öffentlich verfemt war, vor allem aber auf religiösem Gebiet, wo der gewaltlose Widerstand ganz neue Akzente bewußt machte.

Vielleicht keine Generation vorher hat Schillers Essay über die Gesetzgebung des Solon und Lykurg mit so leidenschaftlich-brennendem Interesse gelesen, wie damals. In der großartigen Darstellung Schillers einer bis zum Kleinsten durchdachten Konstruktion, die dem spartanischen Staat politische Stärke, Macht und Dauerhaftigkeit sichern sollte, schien ein Idealbild des nationalsozialistischen Staates vorgezeichnet. Schiller steigert die Bewunderung des Lesers für das scheinbar vollendete Kunstwerk der Lykurgischen Staatsverfassung immer höher, nennt die Opfer, die der Staat fordern muß, um seine Stärke zu erhalten, bis er selbst die künstlich aufgebaute Pracht mit der Forderung schroff niederreißt: „Alles darf dem Besten des Staates zum Opfer gebracht werden, nur dasjenige nicht, dem der-Staat selbst nur als ein Mittel dient. Der Staat ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann: die Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung. Hindert eine Staatsverfassung die Fortschreitung des Geistes, so ist sie verwerflich und schädlich, sie mag übrigens noch so durchdacht und in ihrer Art noch so vollkommen sein . ..“

Aus vielen Wurzeln nährt sich der geistige Widerstand; Freiheit des Geistes, Menschlichkeit. Der Widerstand kommt nicht nur vom Politischen her, nicht nur — wie oft behauptet wird — aus dem Willen, in letzter Stunde aus dem schon verlorenen Krieg noch soviel als möglich zu retten. Die geistige Auseinandersetzung reicht tiefer, sie geht, schon lange bevor der Krieg ausgebrochen ist, um das, was an Vergangenheit und Zukunftsmöglichkeit in gleicher Weise durch den Nationalsozialismus bedroht ist, und bei einem Sieg des Nationalsozialismus zum sicheren Untergang verurteilt sein würde.

Der Widerstand der Gewaltlosen und die Aktivität der politischen Widerstandskämpfer entstammen der gleichen inneren Notwendigkeit, sie gehen ohne Grenzen ineinander über, durchdringen sich in der gemeinsamen Sorge.

Inmitten der lärmenden, mit so vielen Erfolgen verführenden Zeit des Nationalsozialismus bedarf es der tiefen, ernsten Besinnung, der Wandlung, des unablässigen Bemühens zu den wahren Wurzeln des Ursprungs vorzudringen, um das innere Recht und eine stets sich erneuernde Kraft zum Widerstand zu gewinnen.

Mit heilig-nüchternem Ernst ist darum gerungen worden!

Im April 1945 hatte Werner Bergengruen das Gedicht geschrieben, das die innere Not, die Ungeduld, den Überdruß an den lauten, billigen Phrasen der nationalsozialistischen Propagandatrommeln jener Jahre wiedergibt:

Wir sind so sehr verraten, von jedem Trost entblößt, in all den sdirillen Taten ist nichts, was uns erlöst.

Wir sind des Fingerzeigens der plumpen Worte satt.

Wir wolln den Klang des Schweigens, das uns erschaffen hat.

Gewalt und Gier und Wille der Lärmenden zerschellt.

O, komm Gewalt der Stille und wandle du die Welt.

Im Jahr 1937 — noch bevor der Nationalsozialismus in Österreich an die Macht kam — erschien in Graz ein Gedichtband „Der ewige Kaiser“ anonym, weil der Verfasser, wie es im Nachwort hieß, auf die Nennung seines Namens verzichtete, „weil ihm der Ausdruck eines allen Gliedern des Volkes gemeinsamen Glaubens eines Namens nicht zu bedürfen schien ..

Der Stumme stirbt. Du hast genug gelitten das tatenferne Leid.

Brich auf und stell das Zeichen in die Mitten der zeichenlosen Zeit!

Diese Gedichte sagen in einer männlichen Härte ein bewußtes Ja zu dem Grauen der Zeit, nicht um es zu rechtfertigen, sondern um der inneren Entscheidung willen, die diese Zeit so gewaltsam von einem jeden fordert, das Bekenntnis, Hinwendung zum Wesentlichen, das in so vielen Leben ganz verschüttet war. Die Zeit drängt dazu.

Auch das soll in der Schrecklichkeit dieser Jahre nicht ganz übersehen werden, daß viele geistige Kräfte neu aufwachen, Verantwortung, Sorge und Bedrohung immaterielle Reichtümer neu bewußt werden lassen und Entwicklung Vertiefung und Reifwerden bedeuten.

Gepriesen sei das Schredtnis dieser Tage! Lob sei dir Sdtmadi! Gesegnet seist du Gram! Ruhm sei der brennenden, der späten Sdtam und der entsetzensvoilen Niederlage! Verzweifelnder, bezwinge deine Frage, aus welcher Vollmacht Gott die Geißel nahm. Es schlägt kein Sdilag die freie Seele lahm, und jeder ist gleich einem Glodtensddage. Schilt die Tribunen nicht! Ihr Amt ist echt, und übten sie's mit hundertfachen Lügen und mit vertausendfachtem Blutvergehen. Sie haben ihre Sdückung und ihr Recht:

das starre Erdreich furchtbar aufzupflügen. Wir aber wolln den Herrn der Ernte sehen.

Hier wird das geheime Deutschland jener Jahre sichtbar, die innere Stärke, die sich zwar schon gefährdet weiß, aber noch in der Getrostheit im Glauben leben kann. Erst wenn sich der graue, gewaltige Zwang der Kriegsjahre dar-überlegt, werden diese Farben auslöschen, wird die furchtbare Vereinzelung spürbar werden und das Bewußtsein der Schuld alle Grenzen übersteigen.

Die Sdiultern, die das Reidtsgewölbe trugen sind wund und matt.

Die Arme, die des Reiches Schlachten schlugen, sind Schlagens satt.

Die welken Wünsche gehn auf nahe Ziele. Nah ist die Not.

Schafotte stehn bereit. Um Brot und Spiele bangt der Helot.

Das grelle Klirren unechten Metalles füllt Ohr um Ohr seit dieses Volk des großen Glockenschalles Gefühl verlor.

Und nur in den gesenkten Blicken spiegelt sich Würde noch.

Die blassen Lippen aber sind versiegelt, und künden doch.

In Katakomben, bei gelöschten Kerzen grünt noch der Kranz, glüht in zertretnen und zerstoßnen Herzen der alte Glanz.

Und manchmal fällt ein Schein aus dem Gemäuer dem Blitze gleich und preist sekundenlang wie Opferfeuer das ewige Reich, bis der Gelobte, der den Trug vernidttet, erscheinen wird, und mit Geredttigkeit den Erdkreis schliditet, der Völkerhirt.

Es ist der Glaube, dem die schwerste Prüfung noch nicht auferlegt ist. Noch buhlt der Nationalsozialismus um die Gunst der Welt, noch ist ihm ihr Urteil nicht so unwichtig, daß er sich bedenkenlos darüber hinwegsetzt. Die Völker sehen von Glanz geblendet der unerhörten Prachtentfaltung zu, mit der sie bei der Olympiade 1936 in Berlin betört werden sollen.

Sie sehen nicht die Not, die Angst, das Unrecht, das die glänzende Fassade vor ihnen verbergen soll. Sie glauben nicht den Stimmen der Warnenden. Sie sehen nur die begeisterte Menge auf den Straßen, die rauschenden Fahnen, den friedlichen Wettkampf der Völker auf allen Gebieten des Sports.

Zwar sagen die Wissenden längst, daß die Zeichen auf Sturm und Gefahr stehen, aber die Sturmflut selbst ist noch nicht da und niemand weiß, wie tief zerstörend sie gegen alles Bestehende anbranden, wie viele Millionen von Menschen sie in den Tod reißen wird.

Das ist die Situation, aus der diese Gedichte zu verstehen sind, als sie 1937, ein Jahr nach der Berliner Olympiade erscheinen. Es ist nicht zu viel, sie zu dem Eindringlichsten der deutschen politischen Dichtung überhaupt zu zählen — zu einem der stärksten Zeugnisse des geistigen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gewiß.

Im Glauben an die unzerstörbare Macht göttlicher Gerechtigkeit, an den endlichen Sieg im göttlichen Gericht, haben sie etwas Triumplierendes, mit dem sie das Ewige dem der Vei gänglichkeit Unterworfenen entgegenstellen.

Erblosen Todes sterben die Tyrannen. Tribunen zeugen nicht.

Und die der Tausende Gehör gewannen, gewannen sich Gericht.

Im bleichen Lidit der fieberheißen Lampe steht weiß der Komödiant.

Sein Auge flackt, er neigt sich an der Rampe und reckt verzückt die Hand.

Er kränzt sich unter dem Geschrei der Menge mit geil geschoßnem Kraut.

— Der Acker singt die alten Preisgesänge getreulich ohne Laut.

Der Herr und Knecht der selbstgeglaubten Lüge erhitzt sich am Gewühl.

— Der Born im mütterlidten Weltgefüge rauscht klar und keusch und kühl.

Der Pöbel brüllt, Fanfaren heulen schrille, und Wimpel blähn sich groß.

— Das Trächtige erfüllt sich in der Stille und tief im dunklen Schoß.

Wie wollen vor dem Abend sie bestehen, die schäumend fort und fort in tausendfachem Hin-und Wiederdrehen gebuhlt ums hohle Wort?

Und wo des Zorns geschwollene Dämonen den Weinberg und den Hain, das Fruchtgelände und den Herd bewohnen, wie soll die Saat gedeihn?

O giergehetzte Rufer nach dem Beile, Ausspürer alter Schuld — Nur das Vergängliche kennt Haß und Eile. Die Dauer hat Geduld.

Am Himmel, wenn Gewölk und Dunst zerrannen, steht groß das alte Licht.

Erblosen Todes sterben die Tyrannen. Tribunen zeugen nicht. Von der gleichen triumphierenden Sieghaftigkeit ist die „Tröstung“, die lange nachhallt in die dunkelsten Stunden des Krieges und auch vor den Gräbern auf den verlorenen Schlacht-feldern noch ihre Kraft 1 . hält.

Ewige Weisheit, du schufst die Herzen der Völker bekehrbar, jedem Trug und Verderb offen den äußeren Ring. Doch den heimlidten Kern bewahrtest du unversehrbar und ihn blendete nie der dreißigste Silberling. Da in der Frühe der Welt mit flammendem Morgenrote du deine Schöpfung zuerst überströmend getränkt, hast du allem Erschaffnen die ihm gemäßen Gebote, unverbrüdilidte, tief in seine Adern gesenkt, Vögel kennen den Pfad, Gestirne wissen die Fährten. Regen wässert den Grund. Immer erneut sich das fahr. Und die nämlichen Früchte, die sechs Jahrtausende nährten, nähren auch uns. Des Stromes Spiegel blieb treu, wie er war. Und so gönnest du auch nur kurze Frist der Verwirrung. Manches Verführers Grab hat sich grün übermoost. Ja, du erschufst die Völker bekehrbar aus jeglicher Irrung. Knaben wachsen heran. Und so sind wir getrost.

Der Verfasser dieser Gedichte war Werner Bergengruen. Daß die Sonette in Österreich erschienen, ermöglichte es längere Zeit, sich den Band nach Deutschland schicken zu lassen — er war der Aufmerksamkeit der Gestapo zunächst entgangen. Aber als der Nationalsozialismus sich Österreich unterwarf, entstand für Bergengruen eine schwierige Situation. Er hatte mit dem Verlag nur über einen Mittelsmann, den Grafen Paul Thun, selbst ein Dichter, verhandelt. Auch der Verlag kannte Bergengruens Namen im Zusammenhang mit den Gedichten nicht. Jetzt aber griff die Gestapo die Sache auf. „Thun ist, was mich sehr erleichtert, nicht meinetwegen verhaftet worden, sondern sofort nach der Eingemeindung. Er war schon seit Monaten nach längerer Haft wieder freigelassen worden, als meine Geschichte passierte. Man zitierte ihn hin, nachdem man seinen Namen beim Verlag als den des Mittelsmannes erfahren hatte, und fragte nach dem Autor. Er antwortete, er fühle sich ehrenwörtlich gebunden, den Namen nicht zu nennen, darauf Hohngelächter und die Erklärung, er sei wohl selbst der Autor. Er sagte, er könne nichts tun, als den Autor fragen, ob dieser ihn von seiner Schweigepflicht entbinden wolle. Man gab ihm eine Bedenkfrist von, ich glaube, zwei oder drei Wochen. Nenne er dann den Namen nicht, so werde man sich an ihn, als an den Autor halten, und ließ ihn wieder gehen. Daraufhin habe ich mich dann selbst mit der Wiener Gestapo in Verbindung gesetzt, und es gelang mir, diese Dummköpfe noch dümmer zu machen, so daß sie die Sache schließlich fallen ließen. Vielleicht aber ist unter ihnen, ohne daß ich es wußte, ein Schutzengel für mich gewesen, wie ich das in einer anderen Gestaposache erfahren habe, deren Zusammenhänge sich für mich erst nach dem Kriege aufklärten. Mein Glück war es, daß die Beamten der Gestapo in ihrem Dünkel und ihrer Verachtung der . gebildeten Leute'im Propagandaministerium zu stolz waren, um meine Angelegenheit dem Propagandaministerium weiterzugeben, was sie . zuständigkeitshalber'hätten tun müssen. Dort aber konnten die Leute, im Gegensatz zur Gestapo, lesen, und es wäre wohl kaum möglich gewesen, sie dumm zu reden. Alles liegt am Schutzengel und an seiner Bereitwilligkeit, sich in die abenteuerlichsten Kostümierungen zu verkleiden.“

Zwei Romane Bergengruens haben ihre Bedeutung für den geistigen Widerstand gehabt: „Der Großtyrann und das Gericht", über den viel diskutiert worden ist, als er 193 5 erschien, und „Am Himmel wie auf Erden“, der im Herbst 1940 veröffentlicht und 1941 verboten wurde.

Beide Romane stehen auch noch heute in der deutschen Literatur der Gegenwart und werden noch lange Zeit Leser finden, sie anziehen, nachdenklich stimmen und mit faszinierenden Bildern großer Dichtung beschenkt entlassen. Aber die heutigen und die morgigen Leser werden sie mit ganz anderen Augen lesen und verstehen, als die ersten Leser, die in ihnen eine Stütze begriffen, um sich mit der eigenen Situation, mit der Problematik des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

Gerade an diesen Romanen wird es deutlich, wie schwer, ja eigentlich wie unmöglich es geworden ist, die Linie des geistigen Widerstandes in seinen Zeugnissen getreu nachzuzeichnen. Den heutigen Lesern sind beide Romane Kunstwerk, Dichtung, sie werden sich an ihnen begeistern oder sie ablehnen: aber wo sollten sie einen greifbaren Bezug auf die Jahre von damals finden, wo auch nur einen Satz, der sich heraus-greifen ließe als ein Protest gegen das, was damals geschah? Es gibt ihn nicht, wie übrigens in Kleppers „Vater ebenfalls nicht. Nichts darin wird so ausgesprochen, daß es ein Bekenntnis oder einen Willen zum Bekenntnis zum geistigen Widerstand bewiese. Und doch gehören diese Bücher dazu, die Nachlebenden werden es sich einfach sagen lassen müssen, daß es so ist. Es ist ihre Ganzheit, es sind die Fragen, die sie stellen und es ist die Fähigkeit jener Jahre, zwischen den Zeilen lesen zu können, die Kunst, zwischen den Zeilen etwas zu sagen, das nach außen, — vor den Augen der nationalsozialistischen Machthaber — unangreifbar bleibt, nach innen aber die Fragwürdigkeit ihrer Macht aufreißt, ihren Verbrechen die Forderung nach Menschlichkeit entgegenstellt, indem sie Dinge aufgreift, die der Nationalsozialismus nicht aufgegriffen haben will: Fragen des Gewissens, des Rechts, der Verantwortung, diejenigen Werte, die ihre Unabhängigkeit von der herrschenden Macht behalten müssen, wenn sie in ihrem Wert überhaupt erhalten bleiben sollen.

Im „Großtyrann und das Gericht“ geht es um nichts anderes als um die Verführbarkeit des Menschen durch die Macht und um sein Schuldigwerden.

Ein Mord ist geschehen.

Der Großtyrann befiehlt eine genaue Untersuchung des Falles, damit der Schuldige rasch entdeckt werde. Und der Verdacht fällt auf diesen und jenen, schafft Unruhe in der Stadt. Geheime Schuld wird offenbar, Ehen werden zerstört, die bestehende Ordnung gerät ins Wanken.

In dieser immer stärker um sich greifenden Unordnung meldet sich ein Unschuldiger beim Großtyrannen, um die Schuld auf sich zu nehmen. „Mein Gewissen hat mich getrieben", sagte Sperone. „In welchem Sinne?“ fragte der Großtyrann. „Etwa so, daß du deine Strafe erleiden wolltest, damit die verletzte Gerechtigkeit wieder heil werde?" „Auch indiesemSinn, Herrlichkeit. Allein vornehmlich doch in einem anderen. Nämlich um all dieser Leute in Cassano willen."

„Wie ist das zu verstehen?“ „Herrlichkeit!“ rief Sperone mit starkerStimme:

„Du fragst mich danach, wie das zu verstehen sei? Ist denn der Zustand dieser Stadt nicht offenbar geworden? Ist sie nicht vergiftet bis auf den Tod? Es gab eine Zeit, da ist sie nicht sündiger gewesen als alle anderen Stätten, an denen Menschen beieinander ihr Leben führen. Jetzt aber ist nicht bald einer in Cassano, den die Verstrickung nicht ergriffen hätte. Da ist Versuchung, Verdacht und Verrat, Lüge und Meineid gehen um zwischen Brüdern und Ehegatten. Gewalttaten werden verübt, Leiber verderben und Seelen verderben. Kommt dich nicht ein Grauen an über all der Verruchtheit deiner Stadt? Und du fragst mich, wie das zu verstehen sei?“

Sperone war in eine Leidenschaft geraten, daß er aufsprang. Und nun sprach er in Jammer und Zorn von diesen Dingen, die in Cassano vor sich gegangen waren von dem Tode des Mönches an, und doch wußte er nur einen Teil von ihnen. „Das alles habe ich gesehen, einen Tag um den anderen. Und was sollte weiter geschehen? Welche Seelen sollen noch zugrunde gehen? Da habe ich mir sagen müssen: ist es nicht besser, daß ein Mensch sterbe, als daß die ganze Stadt umkomme?"

Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Er holte Atem. Dann sagte er ruhiger: „Hierin, Herrlichkeit, wirst du doch meiner Meinung recht geben müssen: was in Cassano geschieht, das ist mehr, als das Gewissen desjenigen, der sich als Urheber der Begebenheiten zu fühlen hat, ertragen könnte ..."

Für den Großtyrannen ist die Verwirrung nur ein Spiel seiner Macht. „Ich sitze hier zu Gericht nicht über die einzelne Tat eines einzelnen Menschen, wie ihr vielleicht geglaubt hat ... Idi habe die mensch-liche Art nicht für so leichtfällig gehalten. Nun aber habe ich gesehen, daß der Mensch nur in Versuchung geführt zu werden braucht, um in Schuld zu fallen.“

Er selbst ist der Mörder. Er hat den Mord aus Staatsnotwendigkeit begehen müssen, aber er hat diesen Mord dazu benutzt, mit den Menschen zu spielen, um sie zu ergründen, sie ins Verderben gestürzt, um seine eigene Macht-vollkommenheit vor sich selbst bestätigt zu sehen. Da brandet die Anklage gegen ihn auf. „Ein jeder andere wurde so versucht, daß er aus Zwang und Not eines rettenden Ausweges bedurfte und er war schwach genug, ihn zu begehen. Wo aber ist deine Entschuldigung? Du hast mit deinem freien Willen dieses widergöttliche Spiel angehoben, nicht getrieben von einer Not, sondern einzig von deinen Gelüsten, in Gleichheit Gottes die Schicksale von Menschen zu bewegen und zu beschauen und endlich als ein Weltenrichter über sie zu befinden. Und so hast du des Menschen Fehlbarkeit und Leicht-Verführbarkeit bestürzender zum Erweis gebracht als die anderen. So bist du der Urheber aller bösen Geschehnisse in dieser Stadt und einzig du hast nichts, was deiner Rechtfertigung dienen könnte. Dies ist die Anklage, die gegen dich erhoben wird. Und nun weißt du Herrlichkeit, daß du unter dem Gerichte stehst, ob auch nicht unter dem unsern .. .“

Für den heutigen Leser: eine kühne, höchst kunstvolle gedankliche Konstruktion, angefüllt mit Leben und Farben, scheinbar zeitlos, wie ja auch der Roman eine genaue Fixierung von Zeit und Landschaft, an dem er spielt, vermeidet. Irgendwo ...

Die Leser aber, die unter dem frischen Eindruck des zur Macht gekommenen Nationalsozialismus stehen und sich mit ihm auseinander-zusetzen haben, fühlen sich und die Großen aüf der politischen Bühne mit dem Inhalt des Romans auf eine merkwürdige Weise konfrontiert — nicht mit den einzelnen Gestalten. Der trotz allem so menschlich-gütige, weise-forschende Großtyrann will in nichts der Gestalt Hitlers gleichen — aber sie spüren in dem Roman eine Grenze aufgezeigt, die nicht überschritten werden darf. Und das ist brennende Gegenwart: Versuchung, Verdacht, Verrat, Ausflüchte suchen müssen, um sich zu retten, Preisgabe der Wahrhaftigkeit, Fragwürdig-werden bestehender Bin-Zungen. Daß in diesem Zusammenhang Schuld wirklich Schuld genannt wird, will schon hilf-

reich scheinen, denn um die Frage der Schuld und der Verantwortung müssen unablässig die Gedanken kreisen, die den geistigen Widerstand gegen den Nationalsozialismus tragen.

Verantwortung der Macht: in Kleppers Rostan „Der Vater“ ist sie anders als in Schnei-

ders »Las Casas“ und wieder anders in Bergen-gruens „Großtyrann und das Gericht" — ge-

meinsam ist ihnen das unverbrüchliche Wissen, daß Macht nur in der Bindung verantwortet wer-

den kann, nur im Aufblick zu einem Recht, das über den Menschen steht und der willkürlichen Setzung durch die Menschen enthoben ist. Dafür zu zeugen in einer Zeit, in der gerade dieses alles geleugnet werden soll, ist die Aufgabe, vor die sich der geistige Widerstandswille immer wieder von neuem gestellt sieht.

Schwer ist es heute, verständlich zu machen, was Bergengruens Roman „Am Himmel wie auf Erden" in jener Zeit so bedeutsam machte.

Gewiß ging es auch in diesem Roman um die Verantwortung der Macht und um das Schuldig-werden eines Menschen in dieser Verantwortung, um Recht und Gewissen und den Freispruch des Herzens.

Der Roman zeigte in der Vielfalt seiner Szenen beglückende Bilder des friedlichen Miteinanderlebens verschiedener und voneinander getrennter Volkstümer, der Deutschen und Wenden — und zweifellos ist Juro, der Wende, der heimliche König des ganzen Romans. Hielt man diesen Bildern den harten Hochmut entgegen, mit der die Nationalsozialisten andere Völker behandelten, etwa die Slawen, die Russen und Polen, so mochten dabei schon einige Fragen aufbrechen. Es floß in der Schilderung der „guten Leute", der wahrhaft Ausgestoßenen, der aussätzigen Kranken eine so warme Welle von Menschlichkeit, daß man darin wohl ein Gegenbild zu der Unmenschlichkeit sehen konnte, mit der die Ausgestoßenen im 3. Reich, die Juden und die Geisteskranken behandelt wurden. Es gab vieles, das in einer stillen Weise wirken wollte. Und doch war es vielleicht vor allem etwas sehr äußerliches, was zunächst an dem Roman faszinierte: die Situation, in der die Handlung spielte, daß der Kurfürst überzeugt war, daß sein Land an einem aus dem Sternenstand abgelesenen Datum in Wassersnot untergehen würde, und daß er verbietet Schutzmaßnahmen zu treffen, weil Schutzmaßnahmen bei dem Verhängnis das alle betrifft, sinnlos erscheinen und die Ordnung zerstören, daß er überhaupt verbietet von dem kommenden Unglück zu reden, zu fliehen oder sich retten zu wollen — das war ja die gleiche Situation, die das Buch antraf, als es 1940 erschien. Die nächsten Jahre sollten die Situation nur noch verschärfen: immer unausweichlicher wuchs das Bewußtsein, daß der so leichtfertig begonnene Krieg verloren gehen mußte, und es war verboten, darüber zu sprechen, verboten, irgendwelche Schutzmaßnahmen vorzubereiten, unmöglich zu fliehen oder sich retten zu wollen. Der Bombenkrieg begann sich tief in das Land einzukrallen. „Wehrkraftzersetzung" wurde ein schlimmes Wort, das meistens den Tod bedeutete. Immer mehr stürzte alles Leben dem Untergang entgegen.

Wer wißt das Leid in den Höllentagen, und wer den Stuntmen Schrei geschwärzter Mauern?

Wer unter uns vermag nodt zu erschauern und tödlicher Versteinung abzusagen?

Darf sidt nur einer zu entwinden wagen?

Und wer hat Anredit auf ein Überdauern?

In dieser Situation steht Bergengruens Roman und spricht aus einer ähnlichen Problematik, er vermenschlicht das Unvorstellbare in einem guten Sinn, zaubert Landschaft und Menschenschicksale hinein, Liebe und Hingabe, Leid und Erfüllung des Lebens, nicht Grauen, sondern Menschlichkeit, nicht Verzweiflung, sondern Tröstung. Über allem steht unsichtbar und doch spürbar die Bitte des Vater-unsers: Dein Wille geschehe. Aber es ist so leise gesagt, so scheu, als reiche die Kraft in dieser Stunde der Ängstigung nicht mehr aus, um die Ergebung in Gottes Willen laut auzusprechen, und klammere sich darum um so fester an die letzten Worte: ... am Himmel wie auf Erden. „Denn mir gefallen alle Werke Gottes, am Himmel wie auf Erden ...“ sind die letzten Worte des Romans.

Unheimlich erhaben scheinen sie über die Zeit hinweggehen zu wollen, in die sie hineingesprochen sind. Muß nicht der Himmel selbst über die Greuel, die geschehen sind und noch geschehen werden, niederstürzen? Wo weiß Verzweiflung noch einen Halt?

Welche Zeidten weisen den Planeten noch die Straße und die sidtere Rast? Oder werden audt die sieben alten Wanderer nicht mehr ihre Kreise drehn? Welchen Herbsten sind wir aufbehalten? Vater, laß uns nicht verloren gehen!

Mitwisser vieler Ängste, Tröster „wie einen seine Mutter tröstet“ ... — Wer aber kann das heute noch verstehen?

Das Ende kam, grausam, tief zerstörend, Schuldige und Schuldlose mit sich fort in den gleichen Untergang reißend. In den Triumph der Sieger, während das Entsetzen über die nationasozialistischen Verbrechen, die nun offenbar wurden, die Völker schüttelte, erhob sich die Stimme der Gewaltlosen noch einmal, mahnend, zur Besinnung rufend, wie sie es immer wieder getan hatte.

In den Sommermonaten 1944 war Bergengruens Gedichtzyklus „Dies irae“ entstanden. Er war schon damals unter der Hand verbreitet worden und hatte seine Wirkung getan. Jetzt erschienen diese Gedichte mit dem „Aufruf an die Völker der Welt" im Druck.

Völker ihr zählt, was an Frevel in diesem fahrzwölft geschehen — was gelitten wurde, hat keiner von euch gesehen, keiner die Taufe, darin wir getauft, die Buße zu der wir erwählt, und der Engel allein hat Striemen und Tränen gezählt. Er nur vernahm durch Fanfarengeschmetter, Festrufe und Glockendröhnen, der Gefolterten Schreien, Angstseufzer und Todesstöhnen, er nur den flatternden Herzschlag aus nächtlichen Höllenstunden, er nur das Wimmern der Fraun, den die Männer entschwunden, er nur den lauernden Schleichschritt um Fenster und Pforten, er nur das Ha^gelächter der Richter und Häftlingseskorten — Völker der Welt, die der Ordnung des Sdiöpfers entglitt, Völker, wir litten für euch und eure Verschuldungen mit! Litten, behaust auf Europas uralter Schidtsalsbühne, litten stellvertretend für alle ein Leiden der Sühne. Völker der Welt, der Abfall war allen gemein, Cott hatte jedem gesetzt, des Bruders Hüter zu sein. Völker der Welt, die mit uns dem nämlichen Urgrund entstammen, alles Schrecknis geschah vor euren Ohren und Blicken, und nur ein Kleines war es, den frühen Brand zu ersticken. Neugierig wittertet ihr den erregenden Atem des Brandes. Aber das Brennende war das Herzschild des Abendlandes! Sicher meintet ihr euch hinter Meeren und schirmendem Walle und vergaßt das Geheimnis: was einen trifft, das trifft alle!

Jeglicher ließ von der Trägheit des Herzens sich willig verführen, jeglicher dachte: Was tut es — an mich wird das Schidcsal nicht rühren, ja, vielleicht ist's ein Vorteil — das Schicksal läßt mit sich reden — bis das Schicksal zu reden begann, ja, zu reden mit einem jeden, bis der Dämon, von unserm Blute geschwellt, brüllend über die Grenzen hervorbrach, hinein in die Welt. Völker der Erde, ihr haltet euer Gericht.

Völker der Erde, vergeßt dieses Eine nicht:

Immer am lautesten hat sich der Unversuchte entrüstet, immer der Ungeprüfte sich mit seiner Stärke gebrüstet, immer der Ungestoßene gerühmt, daß er niemals gefallen. Völker der WNt, der Ruf des Gerichts gilt uns allen! Alle gemeinsam verklagt das gemeinsam Veratene, gemeinsam Entweihte. Völker vernehmt mit uns allen das göttliche Metanoeite!

Benutztes Schrifttum:

I.

Helmuth James Graf v. Moltke: Letzte Briefe. (Berlin 1951).

Gollwitzer/Kühn/Schneider: Du hast mich heimgesucht bei Nacht (München o. J.).

Hans Rothfels: Die deutsche Opposition gegen Hitler (Fischer 1958). ‘ The Effects of Strategie bombing on German morale (Washington 1947).

II.

Jochen Klepper: Unter dem Schatten deiner Flügel (Stuttgart 1956) ; Du bist als Stern uns aufgegangen (Berlin 1937); In tormentis pinxit (Stuttgart 1938); Der Vater (Stuttgart 1937); Gedichte (Berlin 1948); Vater Unser. Eine Auslegung. (Berlin 1940)'Kyrie (Berlin 1941).

III.

Reinhold Schneider: Las Casas vor Karl V. (Leipzig 1938); Die Sonette (Köln 1954); Verhüllter Tag (Köln 1954); Macht und Gnade (Leipzig 1940).

IV.

Werner Bergengruen: Die heile Welt (München 1950); Der ewige Kaiser (Graz 1937); Der Groß-tyrann und das Gericht (Hamburg 1935); Am Himmel wie auf Erden (Hamburg 1940); Dies irae (Berlin 1945).

Fussnoten

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