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über die Bedeutung von Skandalen für die politische Bildung | APuZ 27/1968 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 27/1968 über die Bedeutung von Skandalen für die politische Bildung Das „preußische Beispiel" in Propaganda und Politik des Nationalsozialismus

über die Bedeutung von Skandalen für die politische Bildung

Hans-Joachim Winkler

I. Die Scheu vor dem Unseriösen

Manfred Schlenke Das „preußische Beispiel" in Propaganda und Politik des Nationalsozialismus .................................................................. S. 15

Mit etwas so Anrüchigem, Unseriösem und auch schwer Greifbarem wie politischen Skandalen assoziiert man eher die alte These, Politik sei ein schmutziges Geschäft, als das Gefühl, daß hier irgendein Ansatz für Bildungswerte stecken könne. Vor der Untersuchung derartiger Zusammenhänge ist zu fragen, warum Sozialwissenschaften und Pädagogik das politische Phänomen Skandal bisher weitgehend außer acht gelassen haben. Danach soll eine allgemeine Definition des politischen Skandals und eine Systematik der verschiedenen Möglichkeiten, die ein Skandal an Erkenntniswert über den Zustand des politischen Gemeinwesens bietet, Hinweise geben für die funktionale Bildungswirkung und für mögliche intentionale Bildungswerte. Entsprechend dieser sozio-politischen bzw. politisch-pädagogischen Fragestellungen bleiben Skandale außer Betracht, die sich in rein gesellschaftlichen, künstlerischen, sportlichen oder anderen nicht-politischen Bereichen des Gemeinwesens ereignen. Angesichts der Tatsache, daß Skandale aus der Geschichte und Zeitgeschichte nur in Ausnahmefällen noch im heutigen Bewußtsein relevant sind, wurden für etwa notwendige Illustrationen überwiegend Beispiele aus der Entwicklung der Bundesrepublik herangezogen.

Zwar haben einzelne Vorfälle, vom Skandal um das Halsband der Marie Antoinette bis zur Spiegel-Affäre, immer wieder das Interesse von Wissenschaftlern gefunden In der Hauptsadie sind sie aber die Domäne der Dichter, Publizisten oder Sachbuch-und Sensationsautoren Es gab zwar schon Versuche, eine ganze Ara oder jedenfalls einen ihrer Bereiche durch Skandale zu erklären dennoch bleibt es „erstaunlich", daß bei den Sozialwissenschaften, wie der Publizist Johannes Gross schon 1965 festgestellt hat, „der Skandal an sich, sein Begriff und sein typischer Ablauf kein Interesse und keine Darstellung gefunden haben" Zwei Jahre später erschien von dem Münchner Publizisten Christian Schütze „Die Kunst des Skandals, über die Gesetzmäßigkeit übler und nützlicher Ärgernisse" Schütze hat die sieben Seiten Notizen zur Skandal-Theorie von Gross aufgegriffen und auf 67 Seiten zum Teil korrigiert und erweitert. Trotz vieler kluger Beobachtungen ist er schließlich doch dem feuilletonistischen Reiz der Situationsschilderung erlegen, indem er auf 258 Seiten neun Skandale und Skandälchen bis zu Gernreichs „Oben-ohne" -Badeanzug erzählt. Allerdings betont er selbst, keine „vollständige Skandalogie“ vorgehabt zu haben

Dieser Aufsatz ist der leicht gekürzte Vorabdruck eines Beitrages für das „Hamburger Jahrbuch für Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik", hrsg. v. Heinz-Dietrich Ortlieb und Bruno Molitor (Veröffentlichungen der Akademie für Wirtschaft und Politik und des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs), 13. Jahr, Tübingen 1968. Der Vorabdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber und des Verlages J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Vielleicht liegt im Ausdruck „Skandalogie" ein Hinweis, warum die Sozialwissenschaften dieses Thema bisher nicht analysiert haben. Er bezeichnet etwas Unseriöses; also kann die Beschäftigung damit auch auf den abfärben, der mit einem Material umgeht, das eigentlich in den Bereich des Journalismus, vor allem der Sensationspresse zu gehören scheint. Als weiteres Hindernis erweist sich, daß zum Wesen von Skandalen und Affären etwas Halbdunkles, Unsicheres gehört. Hier ist kein „Aus-den-Quellen" -Arbeiten möglich, wenn man nicht „chroniques scandaleuses" im Illustriertenstil produzieren will.

Wenn eine Theorie des politischen Skandals bisher von den Sozialwissenschaften ausgespart worden ist, so sollte man dennoch annehmen, daß dieses Phänomen wenigstens von der Pädagogik, besonders von der Didaktik der politischen Bildung, behandelt worden wäre — einfach, weil Skandale häufig im politischen Leben geschehen, jeweils Millionen interessieren, und man deshalb im Unterricht nicht daran vorbeigehen könnte. Somit würde aus der Bildungspraxis die Forderung nach einer systematischen Analyse durch die Wissenschaft kommen. Wenn man allerdings in Rechnung stellt, daß in der deutschen Bildungstradition die Kontakte zwischen Schule und Universität schon immer sehr unterentwikkelt waren — gelegentlich auch zum Nachteil der Universität —, nimmt es nicht wunder, daß kein solcher Anstoß erfolgt ist. So bleibt auch in der Pädagogik der politische Skandal meistens unbeachtet oder er wird als Störung empfunden.

Die eine Möglichkeit, auf Störung der Bildungsarbeit durch Skandale zu reagieren, schildert z. B. Paul Röhrig wenn er den Gegensatz von „wirklicher“, also heute praktizierter, und „wahrer" Demokratie feststellt. Dabei erscheint die wirkliche Demokratie „allzuoft als Tummelplatz lauter kleiner und großer Ermächtigungskämpfe". Demgegenüber sei die wahre Demokratie immer noch das „Gemeinwesen, in dem alle miteinander die gemeinsame Sache betreiben, die eben nicht die Sache der einzelnen Gruppen und Cliquen ist". Wie gefährlich sich eine derartige Idealisierung bei der Konfrontation mit der politischen Realität auswirken kann, ist später zu erörtern. Die andere Reaktionsmöglichkeit besteht darin, die politische Bildung grundsätzlich solange für nutzlos zu halten, wie das „dialektische Verhältnis von Moral und Politik" gefährdet ist solange also Skandale und Affären im politischen Bereich eine schlechte funktionale Erziehung durch das Beispiel geben und damit die intentionale Erziehung des Pädagogen fruchtlos machen.

Das Ausweichen vor dem Skandal, indem man sich gegenüber der Wirklichkeit auf die Vermittlung der „Wahrheit" beschränkt oder indem man die politische Bildung bei fragwürdigen Vorbildern für unmöglich erklärt, basiert auf einem bestimmten Verhältnis von der Interdependenz politischer Praxis und Bildung. Repräsentativ hat das schon am 22. Januar 1955 der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen in seinem „Gutachten zur politischen Bildung und Erziehung"

ausgesprochen „Politische Jugenderziehung ist eine Voraussetzung guter Politik.

Aber die politische Erziehung des Volkes im ganzen geschieht wesentlich durch die Politik selbst. Deshalb werden die Bemühungen um politische Erziehung scheitern, wenn nicht die Politiker sich der erzieherischen Wirkungen bewußt sind, die im Guten wie im Schlechten von ihrem Handeln ausgehen." Angesichts der Krisenerscheinungen 1967 kommentierte einer der angesehendsten und engagiertesten Politologen diese These „Heute zeigt sich, wie berechtigt diese Warnung war." Zugegebenermaßen ist die Auffassung extrem, daß man keine Bildung treiben könne, solange Männer des öffentlichen Lebens Skandale produzierten. Aber auch bei jenem wachsenden Kreis von Pädagogen, die Konflikte als Lebenselement politischen Handelns betonen, werden Skandale meist außer acht gelassen — offenbar, weil sie zu unseriös erscheinen, und weil es schließlich andere Konfliktformen gibt, die zu behandeln sich lohnt. Das Ausweichen vor der Alltagserscheinung politischer Skandale mag auch darin eine Wurzel haben, daß hier oft öffentliche Mandatsträger verwickelt sind, daß also Autorität in Frage gestellt oder zer-stört wird. Aut Grund der deutschen I radition hat aber Autorität in der politischen Bildung noch immer einen hohen Stellenwert. Bei der Behandlung anderer Konfliktformen, z. B.dem Streik, werden Autoritätsfragen kaum berührt.

Ehe gefragt wird, was für Folgen es nat, wenn Skandale in der Bildung außer Betracht gelassen werden, ist ein Blick auf Wesen und allgemeine Bedeutung dieses Phänomens notwendig.

II. Zur Definition politischer Skandale

„Skandal, so scheint es, ist die selbstverständlichste Sache von der Welt. Man braucht darüber kein Wort mehr zu verlieren." So schließt Schütze ironisch seinen Versuch, den Begriff Skandal vom Wort her über Lexika und Nachschlagewerke verschiedener Disziplinen und Sprachen in den Griff zu bekommen. Die Sachlage wird noch komplizierter, weil der heutige Sprachgebrauch einen Skandal auch als Affäre oder Fall, also als Vorfall im weitesten Sinne bezeichnet. Jahrelange Beobachtungen haben keinen Hinweis darauf gegeben, daß mit unterschiedlicher Bezeichnung auch ein unterschiedlicher Tatbestand gemeint ist. Man findet ebenso die Wendung: „Der Skandal entwickelt sich zur Affäre", wie jene, daß aus der Affäre ein Skandal entstehe. Oft wird der gleiche Tatbestand, wie die Aktion gegen den „Spiegel" 1962, als Affäre oder Skandal bezeichnet, wobei der Begriff der Affäre mehr Ungeklärtes, Dunkles zu enthalten scheint als der des Skandals. In unserem Zusammenhang wird sogar der juristische Terminus „Fall" auf Erscheinungen angewandt, die zwar politisch, aber nicht rechtlich relevant sind.

Der Definitionsversuch hält sich deshalb an den Skandal als den präzisesten der drei Begriffe. Scandalon ist im Griechischen ursprünglich das Stellholz an einer Falle, die zuklappt, wenn jenes berührt wird. Daraus entwickelten sich vage Bedeutungen wie Anstoß, Ärgernis erregen bzw. nehmen. So findet sich der Begriff häufig in der Bibel und heute noch im Sprachgebrauch der katholischen Kirche, wenn z. B. Papst Paul VI. in seiner Enzyklika „Popu-lorum Progressio" zur Situation der Entwicklungsländer vom „Skandal schreiender Ungerechtigkeit" spricht Hier ist Skandal also ein ständiges Ärgernis. Demgegenüber scheint die im 18. Jahrhundert aus dem Französischen übernommene Bedeutung „Ärgernis, schmachvolles Aufsehen erregender Vorgang", wie sie das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm registriert, treffender Hier wird auch die für das bürgerliche Zeitalter typische öffentliche Funktion deutlich, wenn es heißt: „Manche Zeitungen leben vom Skandal. — Hier mischt sich leicht eine active Vorstellung ein, die Vorstellung des mit niedrigem Wohlgefallen geübten Hervorziehens und Ausbreitens ärgerlicher Dinge." Diese Charakterisierung trifft zugleich die auch heute noch verbreitete negative Einstellung zum politischen Skandal, der, aus „niedrigen" Motiven entfesselt, Ruhe, Ordnung und Harmonie zu stören scheint. Bei diesem Skandal-Begriff ist gegenüber dem mehr statischen Gebrauch des Wortes in der erwähnten Enzyklika das Überraschungsmoment neben dem Ärgernis wichtiges Kriterium.

Daraus ergibt sich für den heutigen Sprachgebrauch folgende Definitionsmöglichkeit: Ein politischer Skandal (oder ein Fall, eine Affäre) ist das Bekanntwerden eines unerwarteten, überraschenden Verhaltens von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, das bei einem Teil der Bürger Ärgernis oder Entrüstung erregt. Je größer der Anteil der Entrüsteten ist, desto stärker ist der Intensitätsgrad des Skandals, woraus allerdings noch nicht auf die reale Bedeutung des auslösenden Tatbestandes zu schließen ist. Weiterhin kann man feststellen: Der Uberraschungs-und Ärgernis-Effekt ist umgekehrt proportional zu der Wahrscheinlichkeit, mit der man das entsprechende Ereignis erwarten konnte.

Zum politischen Skandal als einem über-rächenden, Ärgernis erregenden Vorgang gehören mindestens drei Faktoren: Erstens der unerwartete Tatbestand, zweitens jemand, der diesen Tatbestand publik macht, und drittens Bürger, die ihn als Ärgernis empfinden. Außerdem ist eine Voraussetzung unumgänglich: Ein Mindestmaß an Meinungsund Pressefreiheit. Diktaturen zeigen nach außen hin stets ein „sauberes", skandalfreies Bild, wenn man von gesteuerten Skandalen wie z. B.der Röhm-Affäre 1934 oder den unterdrückten Skandalen um Prominente des Regimes ab-sieht, wobei dann anstelle von Skandal-Diskussionen Gerüchte und „Flüsterwitze" entstehen. Gegenüber scheinbar diktatorischer Geschlossenheit liegt das Wesen einer demokratischen Gesellschaft nicht zuletzt im offenen Austragen von Konflikten. Insofern ist der politische Skandal nichts anderes als Teil der allgemeinen politischen Kategorie „Konflikt" zwischen Machtträgern bzw. Machtgruppen.

Allerdings ist der Skandal auf der Skala der politischen Konfliktformen schwer einzuordnen. Er gehört weder klar zu den geregelten Konfliktformen, etwa der Debatte oder einem Streit vor dem Bundesverfassungsgericht, noch gehört er eindeutig zu den ungeregelten Konfliktformen wie etwa eine spontane Volks-erhebung. Unbestritten ist er jedoch Teil des politischen Lebens.

III. Zur gesellschaftlichen Bedeutung politischer Skandale

Die Definition des politischen Skandals sagt noch nichts über seine Bedeutung für die Gesellschaft, wenn man von der erwähnten Interdependenz zwischen Skandalen und Pressefreiheit absieht. Auch die umfangreiche, historisch-beschreibende Literatur über einzelne berühmte Skandale hilft hier nicht weiter. Sie kann allerdings Bausteine liefern zu einer Anatomie oder — besser — Physiologie des Skandals, denn ein Skandal ist ein dynamischer Prozeß. Dieser Prozeß selbst soll im Rahmen dieser Überlegungen nicht weiter untersucht werden.

Wenn man nun auf der Suche nach der Bedeutung politischer Skandale für das Gemeinwesen systematisiert, Vordergründiges und Nebensächliches wegläßt und darüber hinaus derartige Systemati sich bewußt bleibt, daß -sierung nicht die ganze vielseitige Wirklichkeit erfassen kann, dann ergeben sich für die gesellschaftliche Funktion politischer Skandale und damit für ihren Erkenntniswert vier Grundmuster. Im folgenden werden diese Grundmuster mit einigen Beispielen illustriert; dabei ist zu bedenken, daß jeder politische Skandal mehrere Aspekte hat, häufig also unter mehr als nur ein Grundmuster zu rubrizieren ist, und daß er neben den gesellschaftlichen auch die hier nicht zu behandelnden individuellen Aspekte der politischen Macht-konkurrenz enthält. Als ein zugegebenermaßen grober Raster für das Erfassen der Bedeutung seien im folgenden vier gesellschaftliche Funktionen politischer Skandale skizziert. 1. Politische Skandale können bisher nicht offen sichtbare Spannungen zwischen Personen bzw. Gruppen innerhalb einer Institution oder zwischen Institutionen offenbar werden lassen. In solchen Fällen haben Skandale eine Art Signalfunktion, indem sie latente Spannungen oder Konflikte, wie sie durch Persönlichkeiten oder Strukturverschiebungen entstanden sind, öffentlich anzeigen. Beispiele für diese Signalfunktion sind die zahlreichen Skandale, wie sie um die Institution des Wehrbeauftragten seit seiner ersten Besetzung 1959 beinahe regelmäßig entstanden sind. Bisher ist es olfensichtlich weder dem Bundestag noch den drei Amtsinhabern gelungen, für diese Institution den entsprechenden Ort zwischen Legislative und Exekutive zu finden. Ähnliche Spannungen und Unsicherheiten zeigen sich auf größerer Ebene bei der Bundeswehr, als 1966 die Starfighter-Affäre, der Rücktritt des Generals Trettner wegen des OTV-Erlasses und kleinere Skandale, z. B. vor dem Verteidigungsausschuß, öffentlich anzeigten, daß es schon länger eine latente Bundeswehrkrise gegeben hatte. Erst diese Vorfälle führten zur längst fälligen der den Diskussion über Ort Bundeswehr in der Demokratie, Führungsprobleme, Kampfauftrag, Rolle in der NATO, geeignete Bewaffnung und ähnliches. Auch manche der Skandale aus dem Bereich des Auswärtigen Amtes gehören in diese Rubrik, etwa der spektakuläre Abgang des Moskauer Botschafters Kroll im März 1962 oder die Affäre um den Grafen Huyn im November 1965. Neben persönlichen Fragen bildeten in diesen beiden Beispielen vor allem unterschiedliche Konzeptionen, einmal im Verhältnis zur Sowjetunion, das andere Mal im Verhältnis zu Frankreich, den eigentlichen Anlaß für Spannungen, die sich dann — für die Mehrheit der Bürger überraschend — in Affären entluden und somit ein Signal gaben, dahinterliegende Fragen zu klären. 2. Eine andere Funktion politischer Äußerungen oder Handlungen, die als Skandal empfunden werden, liegt darin, daß plötzlich offenbar wird, wie gegen geschriebene oder ungeschriebene Normen, gegen Spielregeln oder Rollen-erwartungen verstoßen worden ist. Skandale dieses Grundmusters wirken als politische Kontrolle. Zu diesem Typ gehören die Korruptionsskandale, etwa mit der Leihwagenaffäre beginnend. An ihr läßt sich abstrahieren, wie eine durch Krieg-und Nachkriegszeit unsicher gewordene Bürokratie wieder eine Amtsauffassung suchte, die sich dann im „Kugelschreiber-Erlaß" des Bundesinnenministeriums niederschlug. Der „Glocke" -Skandal im Hamburger Untersuchungsgefängnis 1966, wo ein Häftling zu Tode geprügelt worden war, mit den Anschluß-Skandalen im Kölner „Klingelpütz" und andernorts zeigen politische Skandale in ihrer Kontrollfunktion der Staatsverwaltung besonders deutlich. Ähnliches gilt für die Arbeit der Geheimdienste, die ihrem Wesen nach öffentlicher Kontrolle entzogen sind. Bei der Entführung des französischen Oberst Argoud aus Bayern 1963, bei der Abhöraffäre im selben Jahr oder bei der „Rückführung" von Süd-Koreanern aus der Bundesrepublik 1967 machten erst Skandale klar, daß Prinzipien des Rechtsstaates verletzt worden sind. Skandale wie jene um den Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, oder den Bundestagsabgeordneten Kurt Frenzel erhielten ihre Brisanz durch den überraschenden Verstoß gegen die Rollenerwartungen, die die Öffentlichkeit von Männern in derartigen Positionen hegte. Die Entrüstung der Bürger wirkte jeweils als Kontrolle, und zwar unabhängig von den rechtlichen Sanktionen für den Verstoß gegen Gesetze. Ähnliche Kontrollwirkung durch spontane Entrüstung ist bei Äußerungen Verantwortlicher zu beobachten, wenn sie gegen politische Spielregeln oder den politischen Stil verstoßen, von Kurt Schumachers Zwischenruf „Bundeskanzler der Alliierten" im Bundestag 1949 bis zu der als Skandal empfundenen, überraschenden Abwertung des Bundespräsidenten Heuss durch Bundeskanzler Adenauer im politischen Krisenjahr 1959 Inwieweit das Regierungssystem bzw. das politische Gemeinwesen reagiert, wenn ein Skandal als Alarmglocke Verstöße gegen Normen oder Rollen-erwartungen anzeigt, inwieweit also die Kontrollfunktion des jeweiligen Skandals wirksam ist, kann Rückschlüsse auf den Zustand des Systems ergeben. 3. Politische Skandale können noch eine dritte, weniger kontrollierende als korrigierende Funktion haben. Es sind jene Fälle, die plötzlich Spannungen aufzeigen zwischen noch bestehenden Normen und inzwischen gewandelten Auffassungen in der Gesellschaft. Da kodifiziertes Recht im Prinzip konservativ ist, handelt es sich bei derartigen Skandalen häufig um die Kollision zwischen Gesetzen und gesellschaftlichen Auffassungen, die diesen Gesetzen nicht mehr entsprechen. Beispiel dafür ist etwa der Fall der unehelichen neunjährigen, zwischen West-Berlin und Zittau hin-und hergerissenen Angelika Kurtz. Erst als sich an ihrem Schicksal durch widersprüchliche Gerichtsentscheidungen, ministerielle Richter-schelte und fragwürdige Verwaltungsakte in den Jahren 1965/66 eine ganze Kette von Skandalen entzündete, wurde einer breiteren Öffentlichkeit das Grundgesetzwidrige unseres Unehelichenrechts deutlich, und es kam die längst fällige Gesetzreform in Gang. Ein wesentlicher Aspekt der Spiegel-Affäre von 1962, nämlich publizistischer Landesverrat in einer Demokratie bzw. die Spannung zwischen Staatsschutz und Pressefreiheit, gehört in diesen Funktionsbereich. Erst als eine aus der DDR eingeladene Besuchergruppe im September 1965 aus Oberhausen von der Polizei wieder an die Zonengrenze abgeschoben wurde und das in der Bundesrepublik ebenso überrascht wie empört registriert wurde, erschien das in der Zeit des Kalten Krieges verschärfte politische Strafrecht plötzlich nicht mehr angemessen; es begannen die Diskussionen um eine Reform oder die Anwendung des Opportunitätsprinzips.

In diesen dritten, korrigierenden Funktionsbereich gehören auch jene Skandale, die daraus entstehen, daß von Personen oder Institutionen mit einem gewissen Maß an Autorität öffentlich überraschend Tabus berührt werden. Beispiel dafür ist etwa der Sturm, den die Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Oder-Neiße-Frage entfesselte. Hierher gehören auch die Folgen scheinbar unpolitischer Aktionen wie Rolf Hochhuths Schauspiel „Der Stellvertreter", das die diplomatisch abwartende Haltung von Papst Pius XII. während der Vernichtung der Juden im Dritten Reich schilderte, womit Hochhuth ein Tabu berührte, was von vielen Ka-tholiken als Skandal empfunden wurde Diese dritte mögliche Funktion politischer Skandale besteht also in dem Versuch, Norm und gesellschaftliche Auffassung; Sprache und Realität wieder in Einklang zu bringen. 4. Schließlich gibt es eine vierte Gruppe von Skandalen, die auf Grund von Irrtümern oder falschen Behauptungen entstehen. Sie haben also keinen realen Anlaß, sondern sind ausschließlich Instrumente des politischen Machtkampfes nach dem Motto des lateinischen Sprichwortes: Calumniate audaciter, aliquid semper haeret (Verleumdet kühn, etwas bleibt immer hängen). Skandale dieses Typs haben die Aufgabe, Meinungen zu manipulieren.

Zwar dienen auch die anderen erwähnten Skandaltypen oft dem Machtkampf und der Meinungsbildung der Wähler. Im Unterschied zur vierten Gruppe liegt den anderen Skandalen jedoch ein mehr oder weniger großes tatsächliches Ärgernis zugrunde. Dieser Unterschied zwischen den drei obigen Grundmustern und der vierten Gruppe wird auch nicht davon berührt, daß das überraschende Ärgernis in den ersten Fällen von jeweiligen politischen Gegnern oder von bestimmten Massenmedien aufgebauscht bzw. dramatisiert wird.

Für die vierte Gruppe, also die reinen Manipulierungs-Skandale, sei als Beispiel jene Affäre erwähnt, die Konrad Adenauer im Bundestagswahlkampf 1953 entfesselte, als er den SPD-Kandidaten Schroth und Scharley unterstellte, sie erhielten Geld aus der DDR. Daß gar kein Anlaß für einen Skandal vorlag, stellte sich nach der Wahl heraus. Im Bundestag zur Rede gestellt, registrierte Adenauer schmunzelnd den wahrscheinlichen Stimmen-gewinn durch diese Affäre. Auch wenn man berücksichtigt, daß im Wahlkampf mit harten Bandagen gekämpft zu werden pflegt, ist es für die Verankerung demokratischer Spielregeln im Bewußtsein der Gesellschaft nicht unwichtig, daß die Rechtfertigung des Kanzlers von relativ wenigen als Skandal empfunden wurde.

Der mehr oder weniger aus der Luft gegriffene Skandal zu Manipulierungszwecken ohne ein wirkliches Ärgernis als Grundlage ist seltener, als jene glauben, die Skandale als Symptom für die These von der Politik als dem schmutzigen Geschäft nehmen. Diese Tatsache ist gar nicht so überraschend. Wenn man als Wesenselement des Skandals das überraschende Ärgernis nimmt, so kann dieses nur breitere Entrüstung erregen und damit politische Folgen haben, wenn der Anlaß trotz der Überraschung noch im Rahmen des Vorstellbaren bleibt. Die erwähnte Wahlkampf-Behauptung hätte in einer gut informierten Gesellschaft eigentlich gar nicht wirken können, weil die betreffende Oppositionspartei seit 1945 so agiert hatte, daß man ihr zwar damals alles mögliche vorwerfen konnte, nur nicht, daß sie ein Werkzeug der Kommunisten sei. Für die These, daß ein Skandal nur dann entsteht, wenn ein gewisses Minimum der Bürger den Anlaß für möglich hält, sei noch ein Beispiel erwähnt. Der „Spiegel" hat einmal versucht, um Adenauer auf Grund von dessen angeblichen Aktien-Manipulationen aus seiner Kölner Zeit einen Skandal zu entfesseln. Es gab keinen Skandal, weil Freunde und Gegner Adenauers ihm alles zuzutrauen bereit waren, nur nicht unrechtmäßige Bereicherung.

In Form dieser vier Gruppen bieten politische Skandale offensichtlich nicht unbedeutende Aufschlüsse über den Zustand des Gemeinwesens. Ihre Signal-, Kontrolloder Koordinierungsfunktionen können, wenn sie entsprechend ausgenommen werden, jene Konflikt-theorie untermauern, die besagt: „Eine flexible Gesellschaft profitiert vom Konflikt, weil solches Verhalten, indem es die Normen schaffen und modifizieren hilft, ihre Kontinuität unter veränderten Bedingungen garantiert. Ein solcher Mechanismus zur Wiederanpassung von Normen steht starren Systemen kaum zur Verfügung; indem sie den Konflikt unterdrücken, verdecken sie ein nützliches Warnsignal und erhöhen so die Gefahr eines katastrophalen Zusammenbruchs aufs äußerste." Die soziopolitischen Funktionen von Skandalen können übrigens auch Bausteine für die kybernetische Informationstheorie liefern wenn man sie unter dem Signal-bzw. Rückkoppelungseffekt betrachtet.

Die Voraussetzung der „flexiblen Gesellschaft" ist allerdings gar nicht stark genug zu betonen, wie die deutschen Erfahrungen im Zusammenhang mit politischen Skandalen beweisen. Im Wilhelminischen Reich wurden sie zugunsten einer vermeintlichen Harmonie und Ordnung in den erwähnten drei Funktionen kaum ernst genommen. Beispielsweise ist relativ wenigen klargeworden, daß die Daily-Telegraph-Affäre 1908 das Ende des persönlichen Regimes des Kaisers bedeutete. Nicht zuletzt dieses Außerachtlassen der Information durch Skandale hat den plötzlichen und für Millionen überraschenden Zusammenbruch 1918 sowie das Entstehen der Dolchstoß-Legende erleichtert. In der Weimarer Republik dagegen war das politische Leben von Skandalen beherrscht, angefangen von jenem, den Helferich 1920 gegen Erzberger entfesselte, bis zu dem für ostelbische Großgrundbesitzer gefährlichen Osthilfe-Skandal, zu dessen Unterdrückung ihnen ein Kanzler Hitler willkommen war Die Mehrheit der Gesellschaft in der Weimarer Republik war jedoch — zumindest in ihrem Bewußtsein — nicht „flexibel". Außerdem fehlte ihr das, was amerikanische Konflikt-Soziologen häufig stillschweigend voraussetzen: ein notwendiges Minimum an Konsensus und Integration, ohne das Konflikte nicht fruchtbar sein können. Auf Grund dieser Voraussetzungen war bei den zahlreichen politischen Skandalen jener Zeit kaum etwas von den Signal-, Kontroll-oder Koordinierungsfunktionen wirksam, sondern fast alle degenerierten zur vierten Kategorie, dem Manipulierungs-Skandal, soweit sie nicht schon von vornherein dazu gehörten. Presse und Justiz leisteten wesentliche Beiträge zu dieser des-integrierenden Wirkung der politischen Skandale.

Nach der — mit den erwähnten Ausnahmen — äußerlich „skandalfreien" NS-Diktatur entwik-kelte sich in der Bundesrepublik neben relativ größerer Offenheit und Flexibilität auch der notwendige Konsensus, wobei dieser gelegentlich, z. B. im Kalten Krieg der fünfziger Jahre, sogar über das erforderliche Minimum hinausging. Mit der Spiegel-Affäre 1962 als Höhepunkt konnten Skandale leichter als bisher in der deutschen Geschichte die erwähnten drei integrierenden Funktionen wahrnehmen. Das lag u. a. an der verantwortungsbewußteren parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition (Massenmedien), an der lange Zeit relativ schwachen oder verbotenen antiparlamentarischen Opposition und an einer nicht zuletzt durch das Bundesverfassungsgericht bedingten anderen Einstellung der Justiz.

Im übrigen sind die Abgrenzungen zwischen Skandalen und allgemeineren Krisensymptomen fließend. Das zeigt sich an der jüngsten Entwicklung der Bundesrepublik. Was 1965 mit einer Kette kleinerer Skandale an der Freien Universität Berlin begann und anfangs nur hochschulpolitische Fragen zu berühren schien (Fall Krippendorf), aber keine entsprechenden Korrekturen in der überkommenen Hochschulstruktur erreichte, und dann in den Zwischenfällen beim Schah-Besuch im Sommer 1967 andere Dimensionen annahm, das sprengt inzwischen schon die Kategorie des politischen Skandals. Die geringer gewordene Offenheit unseres Herrschaftssystems (Große Koalition), seine 1966/67 vorübergehend geschrumpfte wirtschaftliche Effizienz (Rezession) und die Unklarheit über unsere Stellung im veränderten weltpolitischen Kraftfeld (Vietnam, NATO-Krise) äußern sich zwar gelegentlich auch in politischen Skandalen („Ravensburger Depesche" 1968), überwiegend jedoch in anderen Krisensymptomen, die nun nicht mehr als Einzelfall beiseite zu schieben sind wie ein politischer Skandal.

Im Zusammenhang mit unserer engeren Problemstellung ist vor der Antwort auf die Frage nach einem möglichen Bildungswert politischer Skandale noch zu untersuchen, welche ungewollten Bildungswirkungen diese auf die Bürger ausüben.

IV. Zur funktionalen Bildungswirkung politischer Skandale

Im Wesen des politischen Skandals liegt sein Uberraschungseffekt, sein Emotionen hervorrufendes Ärgernis und die Tatsache, daß abstraktes politisches Geschehen hier personifiziert erscheint. Daraus ergibt sich eine gewisse Beeinflussung und Politisierung der Bürger, und zwar ganz unabhängig von allen Intentionen politischer Bildung. In allen Gesellschaften ist der Kreis der ernsthaft an Politik Interessierten relativ klein. Was Bertrand de Jouvenel für politische „ Erhitzungszustände", also für Krisen, nachgewiesen hat, gilt auch für Skandale. Sie vergrößern automatisch die Schar der Interessierten. Das Allensbacher Institut für Demoskopie hat beispielsweise während der Spiegel-Affäre ein Ansteigen der nach eigener Aussage politisch Interessierten um ca. 10% über das Normal-maß von 27 % registriert. Es schloß daraus:

„Die Spiegel-Affäre erwies sich als politischer Unterricht." Die Kausalkette „politischer Skandal — erhöhtes politisches Interesse — politischer Unterricht" erscheint keineswegs schlüssig. Sie würde stimmen, wenn politische Skandale sich ebenso rational wie schnell und deutlich zu einer der drei erwähnten integrierenden Grundfunktionen entwickeln würden und wenn in der Gesellschaft die Einsicht in die Nützlichkeit von Konflikten verbreitet wäre. Beides trifft jedoch nicht ohne weiteres zu. Interessiertheit ist keineswegs mit politischer Bildung gleichzusetzen, wenn auch unbestritten Interessiertheit für den Erfolg politischer Bildung notwendig ist. Es genügt nicht, daß Skandale aus der Sicht des Feuilletonisten „ein wenig Farbe in das graue Gleichgewicht des pluralistischen Betriebes bringen" Was hier Farbigkeit genannt wird, besteht häufig aus Indiskretionen, menschlicher Schwäche, Dementis, Verzögerungen, Ablenkungsversuchen und ähnlichen vordergründigen Taktiken, hinter denen dem politisch ungeübten Blick die wesentlichen Hintergründe nicht ohne weiteres erkennbar sind. Wenn dann politische Skandale ohne eine Lösung weiterschwelen oder von Interessenten am Schwelen gehalten werden, wie es für die Weimarer Republik symptomatisch war und wie es in unserer Zeit beispielsweise zur vorübergehenden Trübung des Images von Franz Josef Strauß geführt hat, dann ist die Bildungswirkung nach demokratischen Maßstäben negativ. Eine andere negative Bildungswirkung hängt mit dem Skandal-mechanismus zusammen. Wenn das Ärgernis nicht aus einer öffentlichen Handlung oder Äußerung entsteht, ist stets jemand nötig, der das überraschende Ärgernis aufdeckt. Wer immer einen Skandal enthüllt, wird als sein Motiv stets den Kampf um Recht und Sauberkeit angeben. Die anderen aber wissen, daß beispielsweise Journalisten und Zeitungen an Skandalen verdienen können, daß man durch einen Skandal den Machtkonkurrenten „abschießen" kann, daß die Drohung mit dem Skandal ein politisches Erpressungsmittel ist, daß sich also hinter dem moralischen Motiv häufig ökonomische oder machtpolitische Motive verbergen. In dem moralischen Unbehagen an dieser Haltung äußert sich etwas von dem, was man mit der Meinung von der Politik als schmutzigem Geschäft bezeichnen kann. Außerdem spiegelt sich hier die traditionelle deutsche Empfindlichkeit gegenüber Kritik wider. Wenn dann noch eine — teilweise traditions-und bildungsmäßig bedingte — Abneigung gegen Konflikte hinzukommt, wird der „Aufdecker" politischer Ärgernisse leicht als Störenfried vermeintlich gesellschaftlicher Ordnung und Harmonie, als Zerstörer von tradierter Autorität mit entsprechendem Unbehagen betrachtet. Aus dieser Sicht gerät der „Enthüllende" in die Nähe der „nest-beschmutzenden", „zersetzenden" Intellektuellen, die nicht etwa nützlicherweise Mißstände, sondern Ordnung zersetzen wollen Gegenüber diesen Negativa kann positiv-funktionale Bildungswirkung eines politischen Skandals eigentlich nur dann erwartet werden, wenn z. B.der Verantwortliche für das Ärgernis sofort demissioniert, wenn ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß sofort als wirksames Kontrollorgan tätig wird, wenn eine schnelle gerichtliche Klärung herbeigeführt oder wenn ein veraltetes Gesetz sofort novelliert wird. Und selbst in diesen Idealfällen ist die positive Bildungswirkung noch nicht garantiert. Das liegt an der Art der politischen Berichterstattung der Massenmedien, vor allem derjenigen, deren Existenz von der Auflagenhöhe abhängt. So tragen z. B. Zeitungen vom Typ „Bild" durch ihre weite Verbreitung im Falle eines politischen Skandals wesentlich zu dem plötzlich vergrößerten politischen Interesse bei. Im Gegensatz zur sonstigen apolitischen Berichterstattung behandeln sie nun vor allem die menschlich-sensationelle Seite des Falles minutiös und dramatisch, so daß jedermann die „story" verstehen kann und entsprechend gern liest. Im Gegensatz zu diesen Vordergründigkeiten werden jedoch die für die Gesellschaft wesentlichen politischen Hintergründe des jeweiligen Skandals kaum analysiert und seine häufig erst später eintretenden politischen Folgen als Ergebnis einer der erwähnten Skandal-Funktionen kaum noch registriert. Die Berichterstattung über ein später ergangenes Urteil, einen Parlamentsbeschluß, eine Gesetzesänderung* oder ähnliche Folgen ist meistens so kurz, daß sie nur für denjenigen Aussagekraft besitzt, der aus anderen Quellen politisch orientiert ist, Politische Skandale bewirken also durch die Berichterstattung der Massenpresse während des stets befristeten „Erhitzungszustandes" ein gewisses Interesse, das man mit aller Vorsicht Bildungswirkung, besser Meinungsbildung, nennen kann. Auch wenn diese Meinungsbildung nur kurzfristig, emotional und oberflächlich ist oder bestehende Stereotypen verfestigt, so ist sie in einer demokratischen Gesellschaft dennoch politisch wirksam. Dieser im Sinne einer politischen Bildung unbefriedigende Zustand, daß die breite Bildungswirkung politischer Skandale durch unpolitische Massenmedien einmal sehr oberflächlich ist und zum zweiten oftmals dann aufhört, wenn die gesellschaftlich positiven Funktionen des Skandals in Gang kommen, hängt mit dem Wesen dieser Zeitungen und Zeitschriften zusammen, die ja vorrangig Erwerbsunternehmen sind und nur in einer Nebenfunktion indirekt „politische Bildung" treiben können, wenn sie nicht Leser verlieren wollen. Ähnliches gilt für Rundfunk und Fernsehen, wenn man von speziellen Bildungsprogrammen ä la Tele-Kolleg absieht. Immerhin ist ihre Wettbewerbslage durch technisches Monopol und Rechtsform erleichtert. Das drückt sich in engagierten oder differenzierenden politischen Sendungen (Magazinen) aus, wie sie sich keine Massenzeitung ohne Sorge vor Auflagenschrumpfung leisten zu können glaubt. Diese Medien haben also schon eher die Chance, auch die nicht so emotional anrührenden, also „langweiligen" Folgen politischer Skandale zu behandeln. Wenn es noch selten oder unvollkommen gelingt, liegt es wahrscheinlich weniger an den Medien Funk und Fernsehen, sondern an Fähigkeit und Ausbildung der Programmgestalter.

Grundsätzlich stimmt also die These von Schütze: „Sobald der Angeschuldigte, vor dem Skandal flüchtend oder vom Skandal bedrängt, im Gebäude des ordentlichen Gerichts eingetroffen ist, ist der Skandal beendet." Das überraschende, Sensationelle des Falles ist vorbei und damit auch die Bildungswirkung. Ob eine derartige Meinungsbildung durch politische Skandale zur hämischen Ablehnung des ganzen „Systems" führt wie in der Weimarer Ara oder zur Reflexion über mögliche bzw. nötige Verbesserungen des „Establishments", beruht neben dem Einfluß der Familie und anderen Gruppen vor allem auf zwei Faktoren. Den einen bilden die Massenmedien mit ihrer meistens kurzfristigen Bildungswirkung. Eine Änderung ihrer Informationspolitik in Richtung fundierter Information über einen politischen Skandal ist auf Grund des Artikels 5 des Grundgesetzes nicht zu erzwingen. Der andere Faktor, der die gesellschaftlichen Funktionen politischer Skandale erhellen könnte, ist die institutionalisierte politische Bildung. Es bleibt also die Frage, ob aus der mehr zufälligen Bildungswirkung politischer Skandale durch die Massenmedien nicht zu folgern ist, daß die etablierte politische Bildung sich des Phänomens politischer Skandal annehmen soll oder sogar annehmen muß, um daraus einen ihren demokratischen Bildungszielen entsprechenden Bildungswert zu erreichen.

V. Zum intentionalen Bildungswert politischer Skandale

Voraussetzung für eine derartige Aufgabe ist allerdings eine politische Anthropologie, die demokratischen Vorstellungen entspricht. Die eingangs zitierte These des Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen, wonach politische Bildungsbemühungen ohne die erzieherische Wirkung der handelnden Politiker scheitern müssen, ist für diese Aufgabe kaum die geeignete Grundlage. Denn zum Wesen der Demokratie gehört auch die Einsicht in die Fehlbarkeit des Menschen und ein entsprechendes Mißtrauen gegen die Machtinhaber mit all den daraus folgenden Kontrollmechanismen, die eine demokratische Ordnung relativ kompliziert erscheinen lassen. Aus dieser anthropologischen Sicht ist die Hoffnung auf lupenreine politische Vor-und Leitbilder für die Bildungsarbeit vergeblich. Dennoch besteht zwischen politischer Praxis und politischer Bildung ein dialektisches Verhältnis. Es erscheint also trotz allem notwendig und sinnvoll, die handelnden Politiker immer wieder an ihre volkspädagogische Aufgabe und Verantwortung zu erinnern. Die Vertrauenskrise in der Bundesrepublik. 1967/1968 mit dem Anwachsen radikaler Aktionen beruht wohl nicht zuletzt auf der Tatsache, daß die politisch Verantwortlichen diese Aufgabe 24 aus den Augen verloren hatten, also sich bei den Bürgern zuwenig glaubhaft um Autorität bemühten.

Pädagogen, die den Konflikt als fundamentalen Prozeß des politischen Gemeinwesens erkannt haben, tragen diesem Menschenbild längst Rechnung. Dennoch haben auch sie politische Skandale weitgehend außer Betracht gelassen, weil es andere didaktisch aufschlußreiche Konfliktformen zur Behandlung in der politischen Bildung gibt. Diese Praxis ist verständlich, zumal die Sozialwissenschaften bisher keine Hilfsmittel für die Behandlung dieses politischen Phänomens geliefert haben. Andererseits trägt der Pädagoge durch dieses Nichtbehandeln ungewollt zur oft beklagten Realitätsferne der politischen Bildung, zur Diskrepanz zwischen den Vorstellungen von der Politik und der politischen Wirklichkeit bei und bereitet damit oft unbewußt den Boden für Ideen einer „perfekten", also diktatorischen Ordnung. Außerdem kann er Autorität und Glaubwürdigkeit bei seinen Hörern einbüßen, weil diese ja in der erwähnten Form durch die Massenmedien politisch vor„gebil-det" sind.

Was hilft aus diesem Dilemma? Soll man historisch-politische „Chroniques scandaleuses" im Illustriertenstil behandeln, weil das menschlich interessant und spannend ist? Hier geht offensichtlich vor lauter Interessiertheit der politische Bildungsgehalt verloren. Immerhin könnte man sich in den Geschichts-und Zeitgeschichtsbüchern etwas mehr von den großen politischen Skandalen wünschen, die damals die Menschen erregt haben. Wie will man beispielsweise das Verhalten der Menschen in der Weimarer Republik verstehen, wenn man viel über den Notstandsartikel 48, aber nichts über die Barmatund Sklarek-Skandale weiß? So bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, in der politischen Bildung, die ja das Hier und Heute sowie die Zukunft behandelt und — im Gegensatz zur streng historischen Bildung — höchstens aus heutigem Blickwinkel die Vergangenheit heranzieht, politische Skandale als Einstieg, als Anreiz zu benutzen. Damit würde vor allem das bereits durch die Massenmedien geweckte Interesse fruchtbar gemacht werden. Wie aber soll es weitergehen, wenn man bei gegenwärtigen oder jüngstvergangenen politischen Skandalen relativ wenig, zumeist noch umstrittene und ungesicherte Tatsachen vortragen kann, da ja zum Wesen des Skandals auch häufig jene Prise von Geheimnissen, Behauptungen und Dementis, Emotionen und Aufbauschungen gehört — also alles Dinge, die mit Wissenschaftlichkeit und Objektivität kaum etwas gemein haben! Verletzt nicht die Behandlung politischer Skandale im Unterricht die „in der Schule gebotene Neutralität" Da ja Skandale häufig auch Instrumente des Machtkampfes sind, könnte die Gefahr bestehen, daß „Parteien-Hader" in die Schulklasse getragen wird.

Hinzu kommt eine Sorge über die politische Bildung, wie man sie vor allem bei manchen Geschichtslehrern findet. In ihrem Sinne hat Werner Klose zu bedenken gegeben: „Daß der Lehrer mehr wissen soll als seine Schüler, galt bisher als selbstverständlich. Hier hat man sich darüber hinweggesetzt. Die . Gemeinschaftskunde'gibt erstmals in der Geschichte des deutschen Gymnasiums dem Dilettantismus freie Bahn." Es kann hier nicht untersucht werden, ob dieser „Dilettantismus" für die Heranbildung mündiger Bürger gefährlicher ist als die früher im nationalen Geschichtsunterricht oder in der „Staatsbürgerkunde" erlebte Indoktrination unter dem Mantel angeblicher Objektivität.

Grundsätzlich kann der Pädagoge in der politischen Bildung — im Gegensatz zu anderen Fächern — nicht immer „recht" haben, weil sein Fach auf die Gegenwart und Zukunft gerichtet ist. Wenn er sich nicht nur auf Institutionenkunde beschränkt, gibt es hier keine Patentlösungen, sondern offene Fragen, mögliche Alternativen, unterschiedliche Prioritäten — eben sehr viel Umstrittenes. Das macht die Aufgabe so schwierig, bedingt aber auch den besonderen Reiz dieses Faches.

Der Bereich des politischen Skandals ist nach meinen Erfahrungen ein geeignetes Beispiel für diese besondere politische Bildungsarbeit. Voraussetzung ist, daß es gelingt, aus dem jeweiligen Skandal mit seiner Fülle von Einzelheiten, Widersprüchen, Nebenlinien, Unklarheiten, Vordergründigkeiten usw. das herauszuarbeiten, was dahintersteckt, was wesentlich ist. Das ist nicht einfach. Denn bei fast jedem Skandal wirken mehrere persönliche und sachliche Probleme zusammen. Aber auch in anderen Bereichen ist der Pädagoge zur Auswahl, zum Exemplarischen gezwungen. Diese Notwendigkeit entkräftet auch den Vorwurf, die Behandlung derartiger Konflikt-themen, wie politische Skandale, führe zu ähnlich unverbindlicher Plauderei wie die häufig kritisierte „Zeitungskunde".

Der Verfasser hat in einer besonderen Arbeit zu zeigen versucht, daß selbst so heikle Fragen wie der aus der „DDR" manipulierte „Skandal" um Bundespräsident Lübke didaktisch fruchtbar mit den Grundproblemen und den möglichen Lösungsalternativen behandelt werden können, und zwar auch dann, wenn sie noch in der Schwebe, also strittig sind. Hierin unterscheidet sich die Arbeit des Pädagogen in der politischen Bildung grundsätzlich von der des Geschichtslehrers.

Auch der Einwand, es gäbe für derartige Bildungsarbeit kein methodisch-didaktisch auf-bereitetes Material, ist nicht stichhaltig. Wenn man in der Materialfrage eine Trennung in Lesebuch und Grammatik vornimmt, dann liefern die großen politischen Tages-und Wochenzeitungen, mit denen sich ein Pädagoge des Faches Sozialkunde sowieso informiert halten muß, mehr als nur Tatsachen und Lese-stoff. Hier findet er Kommentare, die den jeweiligen Skandal analysieren, Hintergründe, Vergleichbares und Grundsätzliches behandeln, also damit schon Elemente der Grammatik liefern. Die Einordnung des Einzelfalles in das Koordinatensystem des politischen Gemeinwesens ist sowieso notwendig — gleichgültig, ob ein Skandal oder eine Institution behandelt werden —, falls die Bildungsarbeit nicht unkoordinierte Stoffanhäufung bleiben soll.

Politische Skandale, zu deren Wesen das Ärgernis eines mehr oder weniger großen Teiles der Öffentlichkeit gehört, bieten als Katalysator politischer Bildungsarbeit noch einen Vorteil. Ihre Behandlung rollt die Fragen der Demokratie als Herrschafts-und Lebensform von der „Besorgnisseite" her auf Das erscheint nicht nur realitätsnäher, es erweckt auch psychologisch besser das Interesse als die so häufig zu findende Betonung der „Zufriedenheitsseite“. Wer letzteres in den Vordergrund pädagogischer Bemühungen stellt, muß wie beim Hase-Igel-Wettlauf vergeblich gegen das ankämpfen, was Erfahrungen außerhalb des Unterrichts, besonders durch die Massenmedien, an Vor-und Verbildungen in den Köpfen der Schüler anrichten. Man kann dem Pädagogen, der Ärgernisse beiseite läßt, unterstellen, daß er Angst habe, „heiße Eisen" anzupacken, und er wird entsprechend geringe Autorität besitzen. Weil sich erfahrungsgemäß Politisches in den Massenmedien vor allem von der „Besorgnisseite" her äußert, ist eine Beschränkung des Stoffes auf Institutionen und Theorien unmöglich und die Vermittlung alter obrigkeitsstaatlicher Harmonievorstellungen unglaubhaft Mit derartigen Methoden wird man kaum den „Stolz auf den eigenen Staat" erreichen können, wie es jetzt neuerdings häufiger als Reaktion auf die Kollektivschuld-oder besser Kollektivscham-Ära der Nachkriegszeit gewünscht wird Dagegen kann die Behandlung politischer Skandale — wie anderer Konflikte — sehr wohl derartigen „Stolz" erreichen, wenn nämlich Konflikte in ihrer entkrampfenden, reinigenden, den notwendigen Wandel herbeitührenden Funktion deutlich werden. Dieser Stolz ist dann — im Gegensatz zum mehr irrationalen Nationalgefühl — wesentlicher Bestandteil des Nationalbewußtseins. Zwar ist das jeweilige Ärgernis als Anlaß für einen Skandal dadurch nicht gerechtfertigt: dennoch kann die politische Bildung hier aus diesem Ärgernis etwas Nützliches machen.

Der Besorgnis-Aspekt bietet noch einen anderen didaktischen Vorteil. Bei der beliebten Methode, freiheitliche mit diktatorischen Herrschaftsformen zu vergleichen, hilft der Skandal-Aspekt mit seinen gesellschaftlichen Funktionen, die in Diktaturen andere und bisher keineswegs wirksamere Form der Konflikt-regelung darzustellen. Die erwähnten unterdrückten oder manipulierten Skandale aus dem Dritten Reich bieten ein Beispiel, wie es in den sogenannten guten Zeiten dieser Ära hinter der Fassade von Ordnung und Sauberkeit wirklich aussah Sicherlich braucht der Pädagoge für die Behandlung politischer Skandale wie aller Kontroversen, in denen Emotionen mitschwingen und zu denen verschiedene Meinungen möglich sind, ein Maß „emotioneller Askese, die ihresgleichen sucht" Hinzu kommt etwas, das auf Grund der notwendigerweise etwas autoritären Struktur des Schulsystems für einen Lehrer keineswegs selbstverständlich ist: pädagogischer und politischer Takt Fairneß gegenüber Andersdenkenden —-also das, was man zusammengefaßt demokratische Verhaltensweisen nennen könnte. Schon vom Thema her ist der Mittler politischer Bildung hier eher gezwungen, nicht nur Demokratie zu lehren, sondern sie auch zu leben.

Es könnte scheinen, als ob politische Skandale zwar ein Ärgernis sind, aber dennoch beinahe idealen Bildungswert hätten. Demgegenüber ist zu wiederholen, daß Skandale nur eine Form politischer Konflikte sind und daß die Behandlung anderer Konfliktformen, wie Streik, Parlamentsdebatte, Prozeß vor dem Bundesverfassungsgericht usw., wahrscheinlich besseren Bildungswert besitzt und außerdem einfacher ist. Wenn man jedoch davon ausgeht, daß pölitische Skandale in einer offenen Gesellschaft kaum ganz zu vermeiden sind und daß sie wegen ihres sensationellen, menschlichen Aspektes über die Massenmedien auch bei den sonst nicht politisch Interessierten eine relativ große Bildungswirkung haben, dann kann der Pädagoge an ihnen einfach nicht vorbeigehen, weil die Vermittlung von abstrakten Werten gegen die Bildungswirkung des politischen Geschehens und seinen Niederschlag in den Massenmedien auf die Dauer fruchtlos bleiben wird. Er ist gezwungen, nicht nur vertiefend und abstrahierend, sondern manchmal „ausgleichend" oder auch „gegensteuernd" zu arbeiten Zwischen der Scylla, politische Bildung autoritär bzw. emotional zu indoktrinieren, und der Charybdis, nur rationale und damit unsichere Skeptiker heranzubilden, führt nur ein schmaler Weg.

Schließlich seien zum Bildungswert bei der Behandlung politischer Skandale noch zwei Aspekte genannt, die mit den erwähnten gesellschaftlichen Grundfunktionen politischer Skandale Zusammenhängen. Der eine Wert scheint darin zu liegen, daß hier nicht auf das Vorbild der politisch Handelnden gewartet wird, wie es die eingangs erwähnte These des Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen nahelegen könnte. Der Ausschuß hatte allerdings eingangs seiner Schlußthese festgestellt: „Politische Jugend-erziehung ist die Voraussetzung guter Politik." Hier wird etwas von der Interdependenz politischer Bildung und politischen Handelns angedeutet. Felix Messerschmid hat das noch klarer formuliert: „Politische Bildung wird nur wirksam sein, wenn sie sich als Teil der Politik begreift." Politische Bildung an Hand konkreter Situationen und vor allem an Hand von Ärgernissen wie den Skandalen ist mehr als nur Ausgleich oder Gegensteuerung im Hinblick auf die Wirkung der Massenmedien. Fundierte und engagierte Meinungsbildung, das Lernen, mit Widersprüchen zu leben, die politische Wachheit und eine „Sensibilität" dafür, wann man als Bürger „gegebenenfalls nein sagen muß" sind von politischer Wirkung. Sie können allmählich das gesellschaftliche Bewußtsein und damit auch das Verhalten der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verändern, sei es dadurch, daß diese weniger Anlässe für Skandale geben, sei es dadurch, daß eine kritische öffentliche Meinung eine schnelle demokratische Reaktion auf das jeweilige Ärgernis erzwingt. Der zweite spezielle Bildungswert bei der Behandlung politischer Skandale liegt darin, dem einzelnen das Gefühl des Ausgeliefertseins an einen undurchschaubaren politischen Mechanismus zu nehmen, ihn also nicht zum unbewußten, manipulierbaren Objekt von Skandal-Regisseuren degradieren zu lassen, sondern ihm zu helfen, konfliktbewußter, in diesem Falle also skandalsicher zu werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. als wohl umfangreichste Untersuchung: Die Spiegel-Affäre, Bd. I: Alfred Grosser, Jürgen Seifert, Die Staatsmacht und ihre Kontrolle; Bd. II: Thomas Ellwein u. a., Die Reaktion der Öffentlichkeit, Olten—Freiburg 1966, insges. 1133 S.

  2. Vgl.den Bd.: Skandale, in der Reihe: Der neue Pitaval, Hrsg. Robert A. Stemmle, München 1967, mit seiner recht zufälligen Zusammenstellung von Fällen.

  3. Vgl. Kurt Heinig, Die Finanzskandale des Kaiserreiches, Berlin 1925, geschrieben als Polemik gegen die Feinde der Weimarer Republik.

  4. Johannes Gross, Lauter Nachworte. Innenpolitik nach Adenauer, Stuttgart 1965, S. 161. Dieselbe Erfahrung machte der Verfasser schon 1964, als er an der Freien Universität Berlin ein Seminar über die „Bedeutung politischer Skandale in der Weimarer Republik* abhielt und nicht einmal in der umfangreichen amerikanischen Konflikt-Literatur eine Analyse des Skandals fand.

  5. Christian Schütze, Die Kunst des Skandals. Uber die Gesetzmäßigkeit übler und nützlicher Ärgernisse, München—Berlin—Wien 1967.

  6. Christian Schütze, a. a. O., S. 11.

  7. Vgl. Ausnahmen wie Hans Friedrich und Winfried Zehetmeier, Parteien. Geschichte, Aufgabe und Bedeutung, Hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1964, S. 9f.; Karlheinz Kitzel, Das Parlament als Instrument der politischen Willensbildung in der modernen Demokratie, in: Gesellschaft, Staat, Erziehung, 10. Jg. (1965), S. 123. In beiden Arbeiten werden Skandale kurz erwähnt. Hermann Giesecke (Didaktik der politischen Bildung, München 1965) zieht zur Veranschaulichung die „Spiegel" -Affäre heran.

  8. Paul Röhrig, Politische Bildung — Herkunft und Aufgabe, Stuttgart 1964, S. 202.

  9. Kurt Georg Fischer, Wie ist es mit der politischen Bildung bestellt? in: Zeitschrift für Pädagogik, 10. Jg. (1964), S. 95.

  10. Deutscher Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen: Empfehlungen und Gutachten, 1. F., Stuttgart 1962, S. 48.

  11. Theodor Eschenburg, Die Macht der Beziehungen, in: Die Zeit, Nr. 2 v. 12. Jan. 1968, S. 3.

  12. Christian Schütze, a. a. O., S. 19.

  13. Paul VI., Populorum Progressio. über den Fortschritt der Völker. Rundschreiben vom 26. März 1967, Recklinghausen 1967, S. 7.

  14. Jakob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. X, 1. Halbbd., Leipzig 1905, Sp. 1306.

  15. Christian Schütze (a. a. O.) hat wichtige Ansätze dazu geliefert, wenn auch manche seiner Thesen kaum durchdacht scheinen, wie jene: „Was ohne Wirkung bleibt, war kein Skandal" (S. 22) oder: „Wenn z. B. in dem allgemeinen Gerede über den Fall keine , Orgie'vorkommt, dann wird aus dem Fall kein Skandal, auch wenn die Zeitungen noch so sehr darauf beharren, es sei einer" (S. 334).

  16. Vgl. Hans-Joachim Winkler, Der Bundespräsident. Repräsentant oder Politiker?, Modellanalyse der „Beiträge zur Sozialkunde", Reihe C „Staat und Politik", Opladen 1967, S. 24; hier wird versucht, die Amtsführung der Präsidenten Heuss und Lübke auch mit den Ärgernissen und Skandalen, die um sie entstanden, in der jeweiligen Bedeutung für unser Regierungssystem aufzuzeigen.

  17. Als Hochhuths Churchill-Stück „Soldaten" bei der Premiere 1967 auch Kritik fand, schrieb die Zeitung des Vatikans „Osservatore Romano“, daß Hochhuth nun von seinen eigenen Landsleuten „als . . . wenig geschickter Fabrikant von Skandalen . . . abgestempelt wird" (zitiert nach: Die Welt v. 25. Oktober 1967). Tatsächlich haben die später erfolgten, umfangreichen Aktenpublikationen des Vatikans Hochhuths These aus dem ersten Stück nicht widerlegen können, nämlich daß bei Pius XII. die Verantwortungsvor der Gesinnungsethik überwogen habe.

  18. Lewis L. Coser, Theorie sozialer Konflikte, aus dem Amerikanischen, Neuwied—Berlin 1965, S. 183.

  19. Vgl. zum kybernetischen Aspekt im Sinne von Karl W. Deutsch (The Nerves of Government, New York 1963) Dieter Senghaas, Sozialkybernetik und Herrschaft, in: Atomzeitalter, Bd. 9 (1967), S. 386 ff.

  20. Vgl. als eine der wenigen für unsere Fragestellung aufschlußreichen Arbeiten: Winfried Steffani, Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Land-tages zur Zeit der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung, Funktion und politischen Bedeutung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und

  21. Bertrand de Jouvenel, Politische Wissenschaft und Vorausdenken, in: Politische Vierteljahres-schrift, 6. Jg. (1965), S. 10.

  22. v. 17. November 1965, S. 178.

  23. Christian Schütze, a. a. O., S. 33.

  24. Das gilt selbst für das angeblich so politische Nachrichtenmagazin „Der Spiegel", wo Folgen eines Skandals, den „Der Spiegel" aufgedeckt hat, später nur kurz auf der letzten Spalte der letzten Seite registriert werden.

  25. Christian Schütze, a. a. O., S. 334.

  26. Diese Neutralität wird gefordert im „Bericht über die Lage der Jugend und über die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe", vorgelegt am 14. Juni 1965, Bundestagsdrucksache IV/3515, S. 65.

  27. Werner Klose, Eine Eins in Politik — Geschichtskehntnisse Null, in: Die Welt v. 18. Dezember 1967.

  28. Zu den Einzelheiten vgl. Hans-Joachim Winkler, Der Bundespräsident, a. a. O., S. 45 ff.

  29. So Walter Jacobsen, Zur Diskussion um die politische Bildungsarbeit, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 4/1968, S. 25.

  30. Vgl. zur Kritik der „formierten Gesellschaft" als einer vorübergehenden Wiederbelebung des Harmoniedogmas Friedrich-Wilhelm Dörge, Harmonie-glaube und Wirtschaftssteuerung, in: Gegenwartskunde, 16. Jg. (1967), S. 14 f., und Hans-Hermann Hartwich, ORDO-Modell und Konfliktgesellschaft, in: Gegenwartskunde, 15. Jg. (1966), S. 335 ff.

  31. So z. B.der frühere Staatssekretär im Bundes-innenministerium, Prof. Dr. Ernst, vor einem Seminar der Evangelischen Akademie Loccum, zitiert nach Lothar Weeser-Krell, Werbung mit neuen Aufgaben, in: Handelsblatt v. 1. Februar 1967.

  32. Insofern ist die Kritik an Friedrich Percival Reck-Malleczewen (Tagebuch eines Verzweifelten, Stuttgart 1966), daß er nämlich zu stark die Skandale um die NS-Führungsclique unter die Lupe nehme, wo doch das System sowieso verrottet gewesen sei (so Rezension in; Neue Zürcher Zeitung v. 26. September 1966), nicht stichhaltig. Viele verurteilen heute zwar Kriegsverbrechen und Völkermord des Regimes, halten es aber ansonsten nach wie vor für ordnungsfördernd und „sauber". Vgl. dazu Hans-Joachim Winkler, Legenden um Hitler, Berlin 1962.

  33. Heinz-Dietrich Ortlieb, Vom Bildungswert sozialökonomischer Ordnungsprobleme, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik, 5. Jahr (1960), S. 28.

  34. So Felix Messerschmid, Zum Stand der politischen Bildung, in: Gesellschaft, Staat, Erziehung, 12. Jg. (1967), S. 220.

  35. So Heinz Tietgens, Politische Bildung und Fernsehen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 27/1967, S. 28.

  36. Deutscher Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen, a. a. O., S. 48.

  37. Felix Messerschmid, Zur politischen Bildungsaufgabe der Oberstufe der höheren Schule, in: Gesellschaft, Staat, Erziehung, 10. Jg. (1965), S. 96.

  38. Heinz Tietgens, a. a. O., S. 20.

Weitere Inhalte

Hans-Joachim Winkler, Dipl. -Pol., Dr. rer. pol., wissenschaftl. Mitarbeiter an der Forschungsstelle der Akademie für Wirtschaft und Politik, Flamburg; Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg; verantwortl. Herausgeber der Modellanalysen „Staat und Politik" der „Beiträge zur Sozialkunde"; Mitherausgeber der Zeitschrift „Gegenwartskunde". Veröffentlichungen u. a.: Die Entwicklungsländer, ergänzte Neuaufl. Berlin 1967 10; Legenden um Hitler, Berlin 1961 6; Die Weimarer Demokratie. Eine politische Analyse der Verfassung und der Wirklichkeit, Berlin 1963 3; Preußen als Unternehmer 1923— 1932. Staatliche Erwerbsunternehmen im Spannungsfeld der Politik am Beispiel der Preussag, Hibernia und Veba (Bd. 17 d. Reihe der Histor. Kommission zu Berlin), Berlin 1965; Der Bundespräsident — Repräsentant oder Politiker?, Opladen 1967; als Herausgeber: Das Establishment antwortet der ApO, Opladen 1968.