Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Das Berlin-Problem — Rückblick und Gegenwart | APuZ 9/1969 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 9/1969 Das Berlin-Problem — Rückblick und Gegenwart „Reale Utopien" als politische Integrationsfaktoren in der Bundesrepublik

Das Berlin-Problem — Rückblick und Gegenwart

Gerhard Wettig

Der Berlin-Status und seine Wandlungen seit 1945

Auf Grund der Londoner Vereinbarungen zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien und der Sowjetunion vom 12. September und 14. November 1944, die am 26. Juli 1945 auf Frankreich ausgedehnt wurden, wurde Berlin als die deutsche Hauptstadt aus den Besatzungszonen ausgeklammert und zu einem von allen Okkupationsmächten besetzten und von ihnen gemeinsam verwalteten Sondergebiet bestimmt Diese Regelung setzte eine gemeinschaftliche Herrschaftsausübung der Siegerstaaten in Deutschland voraus, wie sie in den Londoner Übereinkünften vom 14. November 1944 und 1. Mai 1945 und im Potsdamer Abkommen vom August 1945 vorgesehen war 2). Dieses Modell einer mandatsähnlichen Samtherrschaft der Siegermächte in Deutschland wurde während zweier Jahre formal praktiziert, ohne daß es allerdings jemals in der Sache funktioniert hätte. Wie wenig namentlich die Sowjetunion darauf verzichten wollte, ihre Sonderinteressen auf Kosten der postulierten Gemeinschaftlichkeit durchzusetzen, zeigte sich bereits im Juni 1945 bei den Verhandlungen über die gemeinschaftliche Okkupation Berlins, als sie ihre Besatzungspartner nötigte, die Versorgung ihrer Sektoren in der Stadt aus ihren weit entfernten Zonen zu übernehmen. Damit wurde Berlin von vornherein wirtschaftlich geteilt, indem die Berliner Sektoren mit verschiedenen Besatzungsgebieten verbunden wurden.

Im Rückblick erweist sich die im Juni 1945 getroffene Regelung als der Beginn der Zerstörung des interalliierten Sondergebietes Berlin, die seit Mitte 1947, als die Westmächte und die UdSSR in offenen Gegensatz zueinander traten, immer vollständiger wurde. 1948 ließ die Sowjetunion die gemeinsame Verwaltung der Stadt sowohl auf alliierter wie auf deutscher Ebene zerbrechen, und die beiden Stadtfragmente integrierten sich von da an mit den jeweils entsprechenden Teilen Deutschlands. Neue Fakten ersetzten somit die Bestandteile des 1944/45 fixierten Gesamt-Berliner Status, die hinfällig geworden waren. Bis Mitte der fünfziger Jahre ließen es freilich weder die Westmächte noch die Sowjetunion zu, daß diese Fakten rechtliche Form erhielten. Die Lage, die sich in Berlin faktisch herausbildete, geriet in einen immer größeren Gegensatz zu den Rechtsstandpunkten der Westmächte und der Sowjetunion, die nach wie vor an den Vereinbarungen über den Berlin-Status von 1944/45 orientiert waren.

Die UdSSR ging nach der zweiten Souveränitätszuerkennung an die DDR im Jahre 1955 zunehmend von der Rechtsfiktion ab, daß Gesamt-Berlin nach wie vor ein von den Besatzungszonen getrenntes interalliiertes Sonder-gebiet sei, und ließ eine allmähliche rechtliche Eingliederung Ost-Berlins in die DDR zu, die 1961 mit den Sperrmaßnahmen gegenüber West-Berlin und mit der Verkündung einer für die DDR einschließlich Ost-Berlin geltenden Wehrpflicht im wesentlichen ihren Abschluß fand. Es hätte in der Logik des sowjetischen Vorgehens gelegen, wenn auch die Westmächte eine entsprechende rechtliche Integration West-Berlins in die Bundesrepublik mit bestimmten, aus der Insellage der Stadt resultierenden Ausnahmen (etwa einem Vorbehalt hinsichtlich einer bundesdeutschen Wehrhoheit in West-Berlin) erlaubt hätten. Möglicherweise wäre dies in den Jahren 1955/57 von sowjetischer Seite ohne weiteres akzeptiert worden.

Die Westmächte zögerten jedoch, dem sowjetischen Beispiel zu folgen. Sie waren daran interessiert, den rechtlichen Status quo so weit wie möglich zu konservieren, weil sie ihre zugleich geographisch prekäre und politisch unerläßliche Präsenz in West-Berlin mit der 1944/45 geschaffenen Rechtsbasis abzustützen strebten. Um sowjetischen Anzweiflungen ihrer Präsenz-und Zugangsrechte zuvorzukommen, scheuten sie sich, an dem rechtlichen Status quo selbst dort zu rühren, wo dies an sich unbedenklich erscheinen mochte. Diesen politischen Erwägungen wurde der Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten zugebilligt, obwohl den gefürchteten sowjetischen Anzweiflungen gewichtige Argumente entgegengehalten werden konnten: Die Westmächte hatten 1945 ihre Position in West-Berlin praktisch im Austausch gegen weite Gebiete Mitteldeutschlands erhalten, und vertragsrechtlich bestand zwischen den besonders gefährdeten westlichen Zugangsrechten und dem interalliierten Status Gesamt-Berlins kein Zusammenhang. Die Vorsicht, welche die Westmächte walten ließen, hinderte die Sowjetunion nicht daran, im Zuge eines Kurswechsels gegenüber der Bundesrepublik Ende 1958 West-Berlin anzugreifen und zu diesem Zweck die westlichen Präsenz-und Zugangsrechte für hinfällig zu erklären. Die Rechtfertigung hierfür konnte nur als bloßer Vorwand gelten: Da die Westmächte von der Bundesrepublik die Erfüllung der Potsdamer Leitsätze, so wie sie in Moskau interpretiert wurden, nicht erzwungen hätten, seien alle interalliierten Abkommen von 1944/45 ungültig geworden. Dementsprechend hätten die Westmächte West-Berlin zu räumen. Die Stadt wurde als angeblicher Teil der früheren Sowjetzone für die DDR reklamiert, doch sollte ihr trotzdem der Status einer „entmilitarisierten Freien Stadt" zugestanden sein Nach der Kuba-Krise ging die sowjetische Führung von den West-Berlin-Forderungen des Jahres 1958 ab. Statt dessen heißt es seitdem, der Status West-Berlins als einer „selbständigen politischen Einheit" müsse endlich von der Bundesrepublik respektiert werden. Damit wird der Angriff, der bisher den Westmächten und der Bundesrepublik gleichermaßen galt, ausschließlich gegen die Bundesrepublik gekehrt. Die neue Parole stimmt gut mit dem „Kampf um die Gewährleistung der europäischen Sicherheit" zusammen, den Moskau seit 1966 proklamiert. Die Bundesrepublik wird in Europa allgemein und insbesondere in Berlin als der Störenfried hingestellt, der den Status quo — und damit den Frieden — in Frage zu stellen suche. Die Formel von West-Berlin als „selbständiger politischer Einheit", auf die sich 1964 die UdSSR und die DDR sowie 1967 die DDR und Bulgarien festlegten und die 1967 in der Abwandlung „besondere politische Einheit" in den Verträgen der DDR mit Polen, der ÖSSR und Ungarn auftauchte, ermangelt einer völkerrechtlich definierten Bedeutung und hat somit einen recht vagen Inhalt. Klar ist nur, daß ihr zufolge West-Berlin nicht in der gleichen Weise wie die zehn westdeutschen Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland aufgehen darf, sondern eine gewisse Eigen-existenz zu bewahren hat. Im übrigen aber stehen weder die Praxis der Übernahme von Bundesgesetzen noch die enge administrative, wirtschaftliche und finanzielle Verflechtung der Stadt mit Westdeutschland oder die außen-politische Vertretung West-Berlins durch die Bundesrepublik in einem logischen Widerspruch zu der sowjetischen Formel denn schließlich wird der Status des „politischen" — nicht „staatlichen" — Gebildes mit Rücksicht auf die Westmächte, deren besatzungsrechtliche Gewalt über West-Berlin die sowjetische Führung gegenwärtig nicht in Zweifel zieht, nur als „selbständig" oder „besonders" statt als „souverän" charakterisiert. Die Regierungen der UdSSR und der DDR haben freilich seit 1963 ihrer West-Berlin-Formel nach Bedarf unterschiedliches politisches Gewicht und unterschiedliche Auslegungen gegeben. Will man Aufschluß über die Berlin-Politik gewinnen, die Moskau und Ost-Berlin gegenwärtig treiben, so muß man untersuchen, welche konkreten Vorstellungen zur Zeit mit der Formel verknüpft werden.

Der Berlin-Status, wie er bei Kriegsende formuliert worden war, erforderte den ungehinderten Zugang der Westmächte zur Stadt durch und über sowjetzonales Territorium. Die interalliierten Vereinbarungen hierüber vom Juni 1945 legten einen völlig ungehinderten und unkontrollierten Zugang nur über die Luftwege fest; auf den Straßen-, Schienen-und Wasserwegen akzeptierten die westlichen Unterhändler nach einigem Hin und Her Beschränkungen und Kontrollen Da die Alliierten damals von der Vorstellung eines einheitlich und gemeinschaftlich von ihnen zu beherrschenden Gesamtdeutschlands ausgingen, zwischen dessen zonalen Bestandteilen grundsätzlich Freizügigkeit herrschen würde, mußte eine Gewähr für den deutschen Verkehr zwischen den Westzonen und den Berliner Westsektoren überflüssig erscheinen.

Das Problem stellte sich erst, als Deutschland und Berlin auseinanderbrachen. Während der Berliner Blockade von 1948/49 nahmen die Westmächte die ihnen verbliebenen Luftwege auch für die Deutschen in Anspruch Als 1949 die westlichen Zugangswege zu Lande und zu Wasser wiederhergestellt wurden, herrschte zwischen den Westmächten und der Sowjetunion stillschweigendes Einverständnis darüber, daß die Westmächte berechtigt seien, die Bewohner ihrer Besatzungsgebiete an allen Zugangsrechten teilhaben zu lassen. Als formale Basis hierfür diente die Bestimmung in den Zugangsübereinkünften vom Juni 1945, wonach die Versorgungstransporte nach West-Berlin die Sowjetzone ungehindert passieren sollten. Da diese Versorgungstransporte von Deutschen aus den westlichen Okkupationsgebieten durchgeführt wurden, schloß dieser Teil der westlichen Zugangsrechte ausdrücklich den Transit Deutscher ein. Nach dem Ende der 1945 grundsätzlich vorgesehenen gesamtdeutschen Freizügigkeit lag es nahe, dieses Transitrecht auf die Westdeutschen und West-Berliner generell — also auch außerhalb ihrer Beteiligung am Güterverkehr zwischen Westdeutschland und West-Berlin — zu erstrecken. Der deutsche Berlin-Verkehr durch die Sowjetzone/DDR wurde seit 1949 zu einem allseits respektierten Gewohnheitsrecht, dessen sachliche Zugehörigkeit zu den Zugangsrechten der Westmächte anerkannt war. Als die UdSSR am 20. September 1955 der DDR endgültig Souveränitätsrechte zubilligte, verband sie damit eine Regelung, nach der die Behörden der DDR die Kontrolle über den Berlin-Transit für den Zivilverkehr aut dem Land-und Wasserweg ausüben konnten. Das implizierte freilich nur die Abwicklung der Kontrollformalitäten und nicht die Befugnis, den Transit durch die DDR nach West-Berlin zu gewähren oder zu versagen. Sowjetunion und DDR operieren seit 1963 in der Berlin-Frage mit den gleichen Zentralformeln. Trotzdem haben sich ihre Ziele und Absichten seitdem offensichtlich sehr gewandelt, insbesondere während der letzten Monate. Aufschluß hierüber kann der Betrachter, der die diplomatischen Vorgänge nicht kennt, nur durch eine systematische Analyse der publizistischen Verlautbarungen aus beiden Ländern gewinnen. Die Publizistik ist dort — anders als in den westlichen Staaten — kein freies Gewerbe, sondern Organ der politischen Führung, das zentralen Weisungen und Kontrollen unterliegt. Mithin sind publizistische Äußerungen in der gleichen Weise wie diplomatische Eröffnungen als Manifestationen der offiziellen Politik anzusehen. Um solche publizistische Äußerungen richtig deuten zu können, muß ihre publizistische Funktion erkannt werden, die dann ihrerseits auf die damit verknüpften politischen Zwecke hinweist. In den folgenden Ausführungen geht es darum, politische Positionen im Hinblick auf die Berlin-Frage festzustellen. Dementsprechend werden die publizistischen Äußerungen aus der Sowjetunion und der DDR daraufhin untersucht, inwieweit sie Positionen in der Berlin-Frage markieren. Als die generellen publizistischen Funktionen, denen die Äußerungen zu dienen haben, kommen dabei in Frage die Orientierung der eigenen Anhänger und des Inland-publikums über die bestehenden Aktionsabsichten, der Aufbau von Ansprüchen gegenüber der Gegenseite und die Erlangung von aktiver Zustimmung oder doch wenigstens passiver Duldung sowohl bei Unbeteiligten als auch bei Teilen der gegnerischen Öffentlichkeit.

Die polemische Eskalation gegenüber West-Berlin seit 1966

Im Jahre 1966 übte die Sowjetunion in der Berlin-Frage noch große Zurückhaltung. Keine Stellungnahme führender Persönlichkeiten oder amtlicher Stellen nahm auf den Status West-Berlins Bezug, und auch in den publizistischen Verlautbarungen, die für das sowjetische Inland oder für die internationale Öffentlichkeit bestimmt waren, wurde das Thema nicht berührt. Die Stellungnahme des WestBerliner SED-Chefs auf dem 22. Parteitag der KPdSU, die als die einzige Äußerung der Veranstaltung die „selbständige politische Einheit" West-Berlin erwähnte, wurde nicht zusammen mit den Reden der anderen auswärtigen Kommunistenführer von der „Pravda" während des Parteitages publiziert, sondern erst später veröffentlicht. Im übrigen fand sich die sowjetische West-Berlin-Formel nur in einigen sowjetischen Rundfunksendungen, die sich spezifisch an die deutsche Öffentlichkeit wandten. In der DDR wurde währenddessen eine laute Kampagne geführt unter der Parole, daß dem Status West-Berlins als einer „selbständigen politischen Einheit" Geltung verschafft werden müsse. Um so mehr fällt auf, daß in der Ansprache Ulbrichts an die auf dem KPdSU-Parteitag versammelten Kommunisten von West-Berlin keine Rede war. Diese Daten lassen den Schluß zu, daß die sowjetische Führung 1966 weder ihre Gefolgschaft auf eine Berlin-Aktion vorbereiten wollte noch die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit auf sowjetische West-Berlin-Aspirationen zu lenken wünschte. Offensichtlich mußte sich auch Ulbricht, dessen Interesse an einer Veränderung der West-Berliner Situation deutlich war, diesem Wunsche fügen, wenn er Stellungnahmen vor einem internationalen Publikum abgab. Zugleich war Moskau jedoch bemüht, bei den Deutschen die West-Berlin-Forderungen der vorangegangenen Jahre nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Von daher kann es auch als wahrscheinlich gelten, daß die DDR-Kampagne, soweit die sowjetische Führung sich mit ihr gegenüber dem westlichen Ausland nicht zu identifizieren brauchte, in Moskau nicht ungern gesehen wurde.

Nachdem im Dezember 1966 die neugebildete bundesdeutsche CDU/CSU-SPD-Regierung anfängliche sowjetische Hoffnungen auf eine antiatlantische Kursänderung der Bundesrepublik gaullistischer Prägung zerstört hatte entschloß sich die sowjetische Führung dazu, im Zuge einer verschärft wieder aufgenommenen „Entlarvungs" -Kampagne gegen die Bundesrepublik auch die West-Berlin-Polemik zu reaktivieren. Zur Orientierung des Publikums in den kommunistischen Ländern und zur antibundesdeutschen Beeinflussung der westlichen Öffentlichkeit wurde die Parole ausgegeben, die „herrschenden Kreise Westdeutschlands" arbeiteten auf eine „Annexion" West-Berlins hin, um sich dort eine Ausgangsbasis für die Durchführung ihrer „aggressiven" und „revanchistischen" Pläne gegen die DDR und die anderen kommunistischen Länder zu schaffen.

Nach den Thesen, die von der UdSSR und der DDR gleichermaßen verbreitet wurden, verfolgte die Bundesregierung ein Eroberungskonzept, das sie in drei Etappen verwirklichen wollte: in der Annexion West-Berlins, in der Einverleibung der DDR und schließlich in der Losreißung weiter Gebiete von Polen, von der Sowjetunion und von der ÖSSR. Danach, so wurde hinzugefügt, werde sich der „westdeutsche Imperialismus" gegen seine bisherigen Bundesgenossen in Westund Südeuropa wenden, um ihnen Landesteile wie Elsaß-Lothringen oder Südtirol zu entreißen.

Die neuen Parolen hatten deutlich die Funktion, in Ost-und Westeuropa den positiven psychologischen und politischen Resultaten entgegenzuwirken, die sich die neue Bundesregierung von ihren Initiativen einer Entspannung mit den osteuropäischen Ländern versprechen konnte. Seit Mitte der sechziger Jahre ist der sowjetische Kurs darauf ausgerichtet, die Bundesrepublik als dasjenige europäische Land, auf dessen Bundesgenossenschaft die Vereinigten Staaten „in erster Linie"

angewiesen sind, „weil ohne es die NATO sich faktisch in einen körperlosen Begriff verwandeln würde" international zu diskreditieren und zu isolieren. Das sowjetische Schreck-bild der Bundesrepublik als eines „aggressiven" und „revanchistischen" Staates hatte sich zu Zeiten Erhards, als die ostpolitischen Formeln dogmatischer formuliert wurden und Bonn generell eine geringere praktische Elastizität zeigte, vielfach noch relativ leicht glaubhaft machen lassen. Nun aber drohten die neuen Schritte der westdeutschen Führer den Männern in Moskau das Konzept zu verderben. Daher suchten diese alle nur denkbaren Argumente einzusetzen, um den angeblich un-gewandelten Charakter der bundesdeutschen Politik zu erweisen. Die These von der bundesdeutschen „Aggression" gegen West-Berlin diente in diesem Zusammenhang dazu, die Bundesrepublik selbst dann noch als aggressiv erscheinen zu lassen, wenn Bonn durch die Aufgabe einer Reihe von alten Vorstellungen der Deutschland-und Osteuropa-Politik den sowjetischen Anklagen, es wolle sich der Oder-Neiße-Gebiete, des Sudetenlandes und der DDR bemächtigen, unzweideutig den Boden entziehen sollte. Die sowjetischen Führer scheinen zeitweilig sogar mit der Möglichkeit gerechnet zu haben, daß die Bundesrepublik der DDR die Aufnahme förmlicher Beziehungen anbieten könnte.

Nachdem Bundeskanzler Kiesinger im Früh-herbst 1967 mit seiner Stellungnahme gegen die „Anerkennungspartei" der bundesdeutschen Politik gegenüber Osteuropa und der DDR Grenzen gezogen hatte, trat zunächst eine merkliche Beruhigung der sowjetischen West-Berlin-Polemik ein. Ein relativer Tiefpunkt wurde Anfang Januar 1968 erreicht — zur gleichen Zeit, als die sowjetische Regierung der deutschen Bundesregierung ein geheimes West-Berlin-Memorandum zuleitete. Die Verlautbarungen der DDR folgten dem sowjetischen Trend. Da die sowjetische Seite bei echter Bereitschaft zu diplomatischen Gesprächen häufig — wenn auch nicht immer — die publizistische Auseinandersetzung gedämpft oder eingestellt hat, ist die Deutung denkbar, daß die sowjetische Regierung damals ernstlich mit der Bundesregierung in einen diplomatischen Dialog über West-Berlin eintreten wollte, was auch immer die ferneren Absichten dabei gewesen sein mögen.

Mitte Januar 1968 wurde die sowjetische West-Berlin-Polemik in vermehrtem Umfange und in verschärfter Form wieder ausgenommen. Einige Tage später übertrug sich die Wendung auch auf die DDR-Publizistik. Als Anlaß diente das Auftreten des Bundeskanzlers auf einer Tagung der Exil-CDU in West-Berlin. Während der folgenden Wochen standen nacheinander der Aufenthalt des Bundespräsidenten in der Stadt, die Reise des Regierenden Bürgermeisters nach Washington, die Vietnam-Demonstration der studentischen Opposition, die Gegenmanifestation des Senats und die Tätigkeit von Bundestagsausschüssen in West-Berlin im Brennpunkt des polemischen Interesses. In der Atmophäre verschärfter Feindseligkeit sprach das SED-Zentralorgan bereits Mitte Januar von einem „Mißbrauch der Luftwege" nach West-Berlin Anfang Februar schlug der sowjetische Rundfunk erstmals drohende Töne an, als er die West-Berliner warnte: „Wer auf einer Insel lebt, muß mit dem Meer befreundet sein." Knapp zwei Wochen später erklärte die „Pravda", die UdSSR werde eine „Vereinigung" West-Berlins mit der Bundesrepublik als mit der „Normalisierung" der Lage in Europa unvereinbar nicht dulden Nach weiteren publizistischen Verlautbarungen dieser Art wurde die Drohung am 24. Februar vollamtlich wiederholt Die Regierung der DDR, in deren Umgebung schon einmal im Dezember 1967 ein drohender Ton angeklungen war, sah sich ermutigt, eigene Drohungen zu formulieren. Am 4. März wurden für den Fall, daß die derzeitigen West-Berlin-„Provokationen" fortgesetzt würden, „entsprechende Maßnahmen" angekündigt, „um die legitimen Sicherheitsinteressen der DDR zu schützen und den aggressiven Handlungen des westdeutschen Imperialismus wirksam zu begegnen" Da der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin gleichzeitig eine Erklärung ähnlichen Inhalts abgab und die sowjetischen Kommentato-ren augenblicklich — also offenbar auf Grund vorheriger Weisungen — einstimmten, muß angenommen werden, daß die DDR-Verlautbarung zuvor mit sowjetischen Stellen abgesprochen war.

Mit der polemischen Festlegung, welche die sowjetische Führung in der Berlin-Frage vollzogen hatte, sah Ulbricht die Chance gekommen, den freien Verkehr deutscher Staatsbürger zwischen Westdeutschland und West-Berlin stärker als bisher einschränken zu können. Als Vorwand bot sich die NPD-Aktivität in West-Berlin an, die von sowjetischer Seite wiederholt für ungesetzlich erklärt worden war. Die Regierung der DDR erließ am 12. März 1968 ein Einreise-und Durchreiseverbot für alle, die der NPD angehörten oder sich „im neonazistischen Sinne" betätigten Damit nimmt die Regierung der DDR das Recht in Anspruch, nach ihrem Ermessen darüber zu befinden, inwieweit der Zugang nach West-Berlin auf dem Land-und Wasserweg stattfinden soll. Der Zugang soll nicht mehr als ein Recht der Stadt beziehungsweise ihrer Schutzmächte, sondern als eine Gewährung der DDR erscheinen, die nach Belieben erfolgen oder nicht erfolgen kann. Außerdem beansprucht die Regierung der DDR für sich die Befugnis, darüber zu entscheiden, wer zu der ausgeschlossenen Personengruppe gehört, da das Kriterium der „neonazistischen" Tätigkeit nach aller Erfahrung bei der SED-Führung die willkürlichsten Definitionen zuläßt. Die DDR-Verordnung, der in der UdSSR sogleich demonstrativer Beifall gezollt wurde, war so angelegt, daß sie Bundesregierung und Senat, wenn sie das Recht auf freien Zugang geltend machten, propagandistisch in die Position von Anwälten der NPD manövrierte. Diese Verknüpfung soll den Angriff auf einen der wesentlichen Grundpfeiler des bestehenden West-Berlin-Status in Ost und West als eine Maßnahme des Kampfes gegen den „westdeutschen Neonazismus" erscheinen lassen und so jeden Widerstand gegen den Anspruch der DDR auf West-Berliner Lebensrechte moralisch diskreditieren.

Der Übergriff der DDR gegen den Berlin-Verkehr wurde am 13. April 1968 durch eine Verordnung des Ost-Berliner Innenministers verschärft, nach der „den Ministern und leitenden Beamten der westdeutschen Bundesregierung" die Durchreise nach West-Berlin gesperrt wurde. Als Rechtfertigung diente die These, daß der — über die Ostertage bei seiner Familie in West-Berlin weilende — Bundesinnenminister Benda sich in die „Angelegenheiten der selbständigen Einheit West-Berlin" durch die An-wendung Bonner Notstandsmaßnahmen rechtswidrig eingemischt habe Der Schritt der DDR stellte offensichtlich eine rasche Ausnutzung der mit dem — kommunistischerseits sogleich als „neonazistisch" bezeichneten — Mordanschlag auf Rudi Dutschke entstandenen psychologischen Situation dar. Dementsprechend hieß es in der offiziellen Begründung zu dem neuerlichen Durchreiseverbot, der Attentäter sei unter Mißbrauch der Verbindungswege durch die DDR nach West-Berlin gekommen. Damit sollte der Anschein erweckt werden, als sei die DDR-Maßnahme dazu bestimmt, künftig ähnlichen Handlungen vorzubeugen — und das ungeachtet des Umstandes, daß der Attentäter gar nicht zu der genannten Personengrupe gehörte und mithin samt allen Seinesgleichen von dem Verbot überhaupt nicht getroffen werden konnte. Nachfolgende Kommentare aus der DDR und der Sowjetunion betonten, daß der Sinn des erneuten Durchreiseverbots darin bestehe, die Durchführung der Leitsätze des Potsdamer Abkommens über die Entnazifizierung und Demokratisierung Deutschlands in West-Berlin zu gewährleisten und der (wie es hieß) von der Bundesrepublik geübten Einmischung im Sinne antidemokratischer Reaktion entgegenzuwirken. Moskau und Ost-Berlin warfen sich damit zu Schutzherren dessen auf, was nach ihrer Ansicht die Demokratie in West-Berlin verkörperte, und formulierten mithin offen den Anspruch, in die inneren Angelegenheiten West-Berlins willkürlich zu intervenieren und zu diesem Zweck Repressalien gegen den Verkehr zwischen der Stadt und der Bundesrepublik Deutschland anwenden zu können. Als die derzeitigen Haupterfordernisse einer demokratischen Politik in West-Berlin werden der Verzicht auf jegliche Behinderungen der Außerparlamentarischen Opposition und ein sofortiges Verbot der NPD herausgestellt. In Moskau wie in Ost-Berlin ist man offensichtlich gewillt, die Ansatzpunkte, die sich mit der Rebellion der Außerparlamentarischen Opposition einerseits und mit dem Auftreten der des Neonazismus verdächtigen NPD andererseits für eine Untergrabung der Position West-Berlins bieten, nach Kräften zu nutzen. Die Sowjetunion hat sich bei all dem so prompt und so nachdrücklich mit der DDR solidarisiert, daß man den Eindruck erhält, als agierten die SED-Führer nur als vorgeschobene Strohmänner. Mit den Durchreiseverboten für NPD-Mitglie-der sowie sonstige als neonazistisch bezeichnete Personen und für offizielle Repräsentanten der Bundesrepublik hat die Regierung der DDR das Recht des freien Zugangs eigenmächtig eingeschränkt. Die Art dieser Maßnahmen ist aufschlußreich. Durch Schritte, die nicht — oder zumindest noch nicht — einschneidende praktische Konsequenzen zeitigen, wird der Anspruch etabliert, daß die Regierung der DDR nach ihrem Gutdünken über den Berlin-Verkehr Verfügungen treffen könne. Außerdem sollten sich diese Schritte als die ersten in einer Reihe weiterer kleiner Schritte erweisen, die dann nach und nach in ihrer praktischen Auswirkung einem großen Schritt gleichkommen könnten. Ein solcher großer Schritt soll freilich vermieden werden, weil er in der Bundesrepublik und in den westlichen Ländern Abwehr-energie wecken könnte, deren Mobilisierung bei kleinen Schritten kaum zu erwarten steht. Zugleich erweist sich die DDR-Maßnahme in ihrer Formulierung als außerordentlich geschickt: Das Odium, sich für die Neonazis einzusetzen, nimmt keine Regierung gern und überzeugt auf sich, und die breite Öffentlichkeit läßt sich durch den Hinweis auf die NPD-Gefahr möglicherweise über den wahren Sinn des Vorgehens täuschen.

Nach einer Reise Ulbrichts nach Moskau Ende Mai, die offensichtlich der Festlegung des weiteren Vorgehens in der Berlin-Politik diente, ließ die SED-Führung die Volkskammer der DDR am 11. Juni 1968 für den zivilen Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin eine Paßund Visumpflicht einführen, Visumgebühren festsetzen und hohe Transitabgaben auf den Straßen und Wasserwegen beschließen. Daneben wurden „Transporte mit Druckerzeugnissen der neonazistischen , NPD‘ oder anderen neonazistischen Materialien" durch die DDR untersagt Wie die folgenden Kommentare der Sowjetunion und der DDR deutlich machten, hatte dieses Verbot die propagandistische Funktion, den neuen Maßnahmen zur Erschwerung des Berlin-Verkehrs den Anschein einer antinazistischen Sicherheitsvorkehrung zu geben. Zugleich läßt sich das Verbot, das sich wohlgemerkt nicht auf die Druckerzeugnisse der NPD allein bezieht, sondern den DDR-Behörden die Möglichkeit zur Zurückweisung anderer mißliebiger Druckerzeugnisse gibt, bei Bedarf zu einem Instrument der politischen Kontrolle über die auf dem Land-und Wasserwege zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin beförderten Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ausbauen. Mit den Maßnahmen vom 11. Juni 1968 bekräftigte die Regierung der DDR nochmals ihre Entschlossenheit, den zivilen Tran-sitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin ihrer souveränen Verfügung zu unterwerfen und dementsprechend die Zugangsrechte der Westmächte zu Lande und zu Wasser nur noch für den westlichen Militär-verkehr gelten zu lassen. Unbehindert blieb nur der zivile Luftverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. Wenig später ergänzte eine einschneidende Erhöhung der DDR-Transitgebühren zu Lande und zu Wasser die bisherigen Maßnahmen. Die Sowjetunion beeilte sich bei all dem, sogleich das Vorgehen der DDR publizistisch im In-und Ausland zu unterstützen.

Anläßlich der Unterzeichnung des Vertrages die über Nicht-Verbreitung von Kernwaffen DDR-Außenminister Otto Winzer -erklärte An fang Juli, sein Land könne auf Grund des Vertrages mit der Sowjetunion vom 20. September 1955 und der im Frühjahr angenommenen sozialistischen Verfassung die „uneingeschränkte Souveränität" für sich beanspruchen, was implizit den Transit nach West-Berlin und explizit die „Hauptstadt [Ost-]Berlin" einbezog. West-Berlin dagegen stand nach Darstellung Winzers unter dem „Besatzungsregime der vier Mächte", das der Bundesregierung jedes Recht verwehre, „sich in Westberlins innere Angelegenheiten einzumischen" und einen angeblichen „Nofverordnungsterror gegen friedliche, demokratische Bürger" auszuüben. Die DDR-Maßnahmen zur Einengung der Lebens-möglichkeiten West-Berlins wurden für notwendig erklärt „zur Sicherung der Deutschen Demokratischen Republik, zur Abwehr des Neonazismus und Aggressionsvorbereitungen der westdeutschen revanchistischen Kräfte". Als „Aggressionsvorbereitungen" hatte dabei vor allem das angebliche „Eindringen der westdeutschen Staatsmacht in West-Berlin in den verschiedensten Formen" zu gelten, welches die Stadt „zur Basis des psychologischen Krieges und der Diversion gegen die Deutsche Demokratische Republik" mache Diese Argumentation zielte darauf ab, jede Verbindung West-Berlins mit der Bundesrepublik als rechtswidrig hinzustellen sowie der Sowjetunion ein Mitverfügungsrecht und der DDR die Berechtigung zu Repressalien hinsichtlich der Stadt zuzusprechen. Als letztliches Kriterium für das geforderte West-Berliner Wohlverhalten wurde die Einstellung aller Aktionen bezeichnet, an denen Ost-Berlin und Moskau Anstoß nehmen mochten. Unter den speziell erwähnten Maßnahmen des „psychologischen Krieges" und der feindseligen „Diversion" sind, wie insbesondere auch durch zahlreiche vorausgegangene Propaganda-Stellungnahmen deutlich gemacht wird, vor allem der Betrieb westlicher Rundfunk-und Fernsehsender auf West-Berliner Boden zu verstehen.

Am 26. Juli 1968 wurde bekannt, daß der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin wenige Tage vorher bei dem britischen Militärkommandeur in West-Berlin mit einem scharfen Schreiben gegen ein Treffen der lettischen Exiljugend protestiert hatte, das für die folgenden Tage in der Stadt vorbereitet worden war. Die westlichen Besatzungsmächte entschlossen sich daraufhin ohne Rücksicht auf den Eindruck, den ihr offenkundiges Nachgeben gegenüber der sowjetischen Interventionsforderung hervorrufen mußte, zu einem Verbot der Veranstaltung, die daraufhin in die Bundesrepublik verlegt werden mußte. Die ersten Teilnehmer des Treffens, die bereits in West-Berlin eingetroffen waren, mußten in aller Eile per Flugzeug an den neuen Tagungsort umdirigiert werden. Die westlichen Besatzungsmächte gaben darüber hinaus zu erkennen, daß sie nun auch andere Tagungen, die in West-Berlin vorgesehen waren, nicht mehr gestatten wollten. Es wurde zweifelhaft, ob selbst eine Veranstaltung wie der geplante CDU-Parteitag das westliche Plazet finden würde. Die Vorgänge werfen ein Schlaglicht auf die neue Lage, die sich in Berlin herausbilden könnte. Die Sowjetunion hat — wie es scheint, erstmals — formell ein Veto gegen Erscheinungen des gesellschaftlich-politischen Lebens in West-Berlin eingelegt, die nach ihrer Ansicht mit dem Status der Stadt als einer „selbständigen politischen Einheit" unvereinbar sind und „revanchistischen" Charakter tragen. Damit ist förmlich der Anspruch erhoben worden, daß die UdSSR hinsichtlich der inneren Angelegenheiten West-Berlins eine Interventionsbefugnis besitze. Die Westmächte haben diesem Anspruch entsprochen und'damit demonstriert, daß sie, um Berlin-Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen und wirkliche oder vermeintliche Aussichten auf einen fortschreitenden Interessenausgleich mit der Sowjetunion nicht zu gefährden, auch in Sachen West-Berlin zu einer weitreichenden Akkommodation an sowjetische Wünsche bereit sind oder zumindest waren, bevor ihre allzu hochgespannten Entspannungshoffnungen durch den Einmarsch der UdSSR und ihrer Gefolgschaftsstaaten in die Tschechoslowakei einen empfindlichen Stoß erhielten. Zwischen Anfang Juli und Mitte August wurde in DDR-Stellungnahmen wiederholt auf die Frage der Luftkorridore Bezug genommen. Am 9. Juli 1968 sagte, wie in der westlichen Presse berichtet wurde, Außenminister Winzer auf der Rostocker Ostseewoche, daß an Maßnahmen gegen den Luftverkehr von und nach West-Berlin nicht gedacht sei. Diese Äußerung wurde jedoch der DDR-Offentlichkeit vorenthalten: Sie wurde weder vom „Neuen Deutschland" noch von den Rundfunkstationen oder der „Außenpolitischen Korrespondenz" gebracht. Vermutlich ging es der SED-Führung nur darum, die westliche Öffentlichkeit zu beruhigen, ohne sich dabei nach innen hin festzulegen. Anfang August wurde dann auf einmal in OstBerlin davon gesprochen, daß die Luftkorridore nur für die militärischen Transporte der Westmächte in Anspruch genommen werden dürften.

Am Vorabend der militärischen Intervention der Sowjetunion und ihrer Bundesgenossen in der Tschechoslowakei ebbte die sowjetische Polemik gegen West-Berlin spürbar ab. Offensichtlich stand der tschechoslowakische Reformkommunismus so sehr im Mittelpunkt der sowjetischen Propagandabemühungen, daß Moskau zunehmend alle Aufmerksamkeit auf die Prager Ereignisse zu konzentrieren für erforderlich erachtete. Nach dem 21. August suchten die sowjetischen Führer sowohl auf propagandistischer als auch auf diplomatischer Ebene den fatalen Eindruck, den ihr Vorgehen gegen die ÖSSR in der westlichen Welt hervorgerufen hatte, durch beschwichtigende Erklärungen und durch polemische Ablenkungsmanöver zu zerstreuen. Adressaten der Beschwichtigungsversuche wurden die Westmächte, während die Bundesrepublik die Funktion einer Zielscheibe für die Ablenkungspolemiken zugewiesen erhielt. Moskau benutzte jedoch zunächst keine West-Berlin-Parolen zu seinen propagandistischen Attacken gegen Bonn. Trotzdem hatte nach den vorangegangenen Entspannungserwartungen des Westens der Einmarsch in die Tschechoslowakei so ernüchternd gewirkt, daß der amerikanische Präsident, dessen Regierung bis dahin die östlichen Maßnahmen gegen den freien West-Berlin-Verkehr weithin zu bagatellisieren bestrebt gewesen war, nunmehr am 10. September feierlich versicherte, „daß die Anwendung von Gewalt und die Androhung von Gewalt in Gebieten unserer gemeinsamen Verantwortung wie Berlin nicht geduldet werden wird". Mitte September wandten sich die drei Westmächte gegen den sowjetischen Anspruch eines Interventionsrechtes gegenüber der Bundesrepublik auf Grund der Feindstaatenartikel der

UNO-Charta — ein Anspruch, der bis dahin die Hauptbasis der sowjetischen Polemik gegen die Bundesrepublik gebildet hatte. Moskau bekräftigte zwar auf die westlichen Erklärungen hin nochmals seinen Anspruch, hielt es aber dann doch nicht für ratsam, diesen Anspruch weiterhin groß herauszustellen — vermutlich weil sich gezeigt hatte, daß der sowjetische Interventionsanspruch gegenüber der Bundesrepublik im Westen unerwünschte Analogien zur sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei hervorrief.

Ersatzparole für die antibundesdeutsche Kampagne wurde die Anklage, Bonn betreibe eine „Eskalation der Provokationen gegen die selbständige politische Einheit West-Berlin". Der Anlaß, der sich fand, war zu nichtig, um als ernstliche Ursache gelten zu können: die Eröffnung der Deutschen Industrieausstellung in West-Berlin. Erst später erhielten die sowjetischen Propagandisten durch den CDU-Parteitag in West-Berlin von Anfang November einen Grund, der vom offiziellen Moskauer Standpunkt aus als eine hinreichend plausible Basis für Anklagen dienen konnte. Wie gewöhnlich suchte die SED-Führung, die das West-Berlin-Thema im Gegensatz zur sowjetischen Seite während des ganzen Sommers und Herbstes voll beibehalten hatte, die erneute propagandistische Aktivität zu neuen Aktionen gegen West-Berlin auszunutzen. Bestärkt durch den Umstand, daß Moskau in publizistischer Form „Warnungen" an die „westdeutschen Imperialisten und Revanchisten" richtete, den angeblichen Status West-Berlins als einer „selbständigen politischen Einheit" nicht zu verletzen, begannen die Propagandisten der DDR von „Gegenmaßnahmen" gegen die Abhaltung des CDU-Parteitages zu sprechen An einer neuerlichen Aktion gegen West-Berlin hatten jedoch die sowjetischen Führer zu diesem Zeitpunkt offensichtlich kein Interesse. Sie wollten in Sachen West-Berlin zwar propagandistische „Entlarvungen" der bundesdeutschen Ostpolitik, aber keine praktischen Maßnahmen mit der wahrscheinlichen Folge einer Verschärfung der Ost-West-Spannungen haben. Die SED-Führung mußte daher zurückstecken. So wurde in Ost-Berlin lediglich eine Volkskammersitzung anberaumt mit der Maßgabe, nicht näher umschriebene „Maßnahmen" zu beschließen — die dann mit West-Berlin überhaupt nichts zu tun hatten. Unmittelbar darauf, am 18. November, hielt der sowjetische Außenminister in Budapest eine Ansprache, die nähere Aussagen über die Berlin-Frage vermied.

Die sowjetische Regierung hatte gute Gründe, gegenüber West-Berlin zu diesem Zeitpunkt Zurückhaltung zu zeigen, soweit es um mehr als nur um verbale Angriffe ging. Nach dem Einmarsch in der Tschechoslowakei, der im Westen weithin fast vergessene Besorgnisse vor sowjetischer Aggressivität wiederbelebt hatte, wäre es psychologisch höchst unklug gewesen, derartige Besorgnisse durch ein Vorgehen gegen West-Berlin weiter zu bestätigen. Nach dem 21. August waren die westlichen Völker und Regierungen eben empfindlicher geworden in dem, was sie als Anzeichen für eine militante sowjetische Haltung zu deuten bereit waren. Das schränkte — und schränkt — den sowjetischen Handlungsspielraum in der Berlin-Frage stärker ein als vorher, zumindest für eine gewisse Zeit. Zugleich sahen sich die sowjetischen Führer nach der Besetzung der CSSR mehr als früher auf den guten Willen der Vereinigten Staaten in mehreren Fragen, namentlich hinsichtlich der nunmehr unsicher gewordenen weltpolitischen Durchsetzung des Kernwaffensperrvertrages, angewiesen. Die Vereinigten Staaten aber hatten, als die sowjetische Kampagne gegen West-Berlin wiederaufgelebt war, es für notwendig gehalten, ihr Einstehen für die Stadt in aller Form zu erneuern. Botschafter Lodge hatte am 9. Oktober die Verpflichtung seines Landes bekräftigt, der West-Berliner Einwohner „Freiheit und Sicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten", und dabei die militärische Präsenz der Amerikaner in der Stadt herausgestellt als „eines von vielen Symbolen des fortdauernden amerikanischen Interesses an der wirtschaftlichen Gesundheit, der kulturellen Entwicklung und der politischen Unverletzlichkeit Berlins“. Er hatte mahnend hinzugefügt: „Es sollte — diesseits wie jenseits der Mauer — keinen Zweifel an der Entschlossenheit der USA geben, ihren Verpflichtungen nachzukommen!" Drei Tage später hatte der amerikanische Verteidigungsminister Clifford versichert: „Wir werden niemals der Gewalt oder der Gewaltanwendung gegenüber Berlin weichen, noch werden wir bezüglich der Freiheit einen Kompromiß schließen. Lassen Sie mich es ganz klar aussprechen: Die USA stehen fest an der Seite Berlins." Alle diese verpflichtenden Festlegungen der Vereinigten Staaten erhielten überdies die ausdrückliche Unterstützung der NATO-Mächte. Der NATO-Rat stellte sich auf seiner Brüsseler Ministertagung am 16. November hinter die „erklärte Entschlossenheit der Drei Mächte, die Sicherheit Berlins zu gewährleisten und den freien Zugang zu dieser Stadt aufrechtzuerhalten", und verwies dabei auf die Zusicherung, die er 1958 während der damaligen Berlin-Krise der Stadt gegeben hatte. Unter diesen Voraussetzungen mußten auch kleinere Berlin-Aktionen nach dem Muster vom Frühjahr für Moskau das Risiko ernsterer politischer Auseinandersetzungen mit den Westmächten in sich bergen und zumindest die Aussicht auf eine amerikanische Unterstützung in Sachen Kernwaffensperrvertrag zerstören, mit dem die sowjetischen Führer gegen die Bundesrepublik Politik zu machen hoffen. Das aber lag nicht im sowjetischen Sinne, zumal man sich in Moskau sagen dürfte, daß man mit Aktionen gegen West-Berlin getrost warten könne, bis die Lage dafür wieder günstiger sei.

Die Zielscheiben der Berlin-Attacken

West-Berlin ist wegen seiner beschränkten Hilfsquellen, seiner geringen territorialen Ausdehnung und seiner geographischen Insellage weder politisch noch wirtschaftlich lebensfähig. Jede „Selbständigkeit", die sich denken läßt, kann nur im Verhältnis zu einigen Staaten gelten und erfordert notwendigerweise die Anlehnung an andere Staaten. Wenn die Sowjetunion und die DDR ein „selbständiges" West-Berlin verlangen, kann das daher nur darauf abzielen, bestehende Bindungen durch andere zu ersetzen. Nach Lage der Dinge könnte das nur eine Umorientierung West-Berlins in östlichem Sinne sein.

Auf Grund der Viermächte-Deklaration vom 5. Juni 1945, die nach dem Pariser Protokoll vom 23. Oktober 1954 noch immer für das Verhältnis West-Berlins zu seinen westlichen Schutzmächten maßgebend ist haben die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich in besatzungsrechtlicher Machtvollkommenheit die oberste Gewalt in der Stadt inne. Dieser Tatbestand ist gegenwärtig — anders als in den Jahren 1958 bis 1962 — nicht Ziel direkter sowjetischer Angriffe. Auf mittelbare Weise jedoch sucht die sowjetische Publizistik gelegentlich die Öffentlichkeit im In-und Ausland, namentlich in Deutschland, gegen das westliche Okkupationsregime einzunehmen. Da wird die „Unterwerfung" West-Berlins unter den Willen der Amerikaner oder der „NATO-Aggressoren" angeprangert, oder die Westmächte sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, die der europäischen Entspannung zuwiderlaufenden Bonner „West-Berlin-Provokationen" durch Duldung und Wohlwollen überhaupt erst zu ermöglichen. In noch deutlicherer Akzentuierung erscheinen diese Punkte in der DDR-Polemik. Als Hauptforderung wird — mit anfangs nur gelegentlicher sowjetischer Unterstützung, die seit Jahresmitte in den deutschsprachigen Verlautbarungen sehr an Nachdruck zugenommen hat — aufgestellt, der West-Berliner Senat müsse seine Beziehungen zur DDR „normalisieren". Gemeint ist der Austausch von Missionen und der Abschluß von Verträgen über den West-Berlin-Status und die Benutzung der Zugangs-wege mit der DDR. Das läuft auf das Ansinnen an den Senat hinaus, den besatzungsrechtlich begründeten Status der Stadt samt den damit verknüpften Zugangsrechten gegenüber der SED-Führung zur Disposition zu stellen und damit zugleich die besatzungsrechtliche Ober-gewalt der drei Westmächte abzuschütteln. Es ist bezeichnend, daß nur die deutschsprachigen Verlautbarungen diesen Punkt enthalten: Die West-Berliner sollen zur Rebellion gegen die Okkupationsmächte ermuntert werden, ohne daß jedoch die westliche Öffentlichkeit vorzeitig den Eindruck erhält, daß der kommunistische Angriff auch der westlichen Position gelten könnte. Die gleichzeitige sowjetische Forderung nach einer „Handlungsfreiheit" für West-Berlin weist in die gleiche Richtung.

Ulbricht wollte sich jedoch nicht mit indirekten Attacken gegen den Besatzungsstatus West-Berlins begnügen, wie sie im Einvernehmen mit den sowjetischen Führern gestartet wurden. Er machte daher deutlich, daß er die Zeit, da die westliche Präsenz in West-Berlin direkt in Frage zu stellen sei, für bald gekommen erachtete. Anläßlich der Unterzeichnung des Freundschafts-und Beistandsvertrages mit Bulgarien bezeichnete er am 8. September 1967 nebenbei West-Berlin als einen „Stadtteil von Berlin, der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" Einige Zeit später wurde er nachdrücklicher. Am 1. Dezember 1967 erklärte er vor der Volkskammer während seiner Ausführungen über die geplante DDR-Verfassung, West-Berlin sei lediglich „zur Zeit noch einem Besatzungsregime unterworfen" und dieser Zustand müsse nur „bis auf weiteres"

respektiert werden. Er forderte außerdem die Überwindung „auch der letzten Überreste des zweiten Weltkrieges", was sich offensichtlich auf die Rolle der Westmächte in West-Berlin bezog. Die anschließende Behauptung, die Stadt gehöre rechtlich zur DDR, implizierte die Schlußfolgerung, daß die Westmächte in West-

Berlin ebensowenig etwas zu suchen hätten wie in der DDR In einem vorangegangenen DDR-Kommentar war die westliche Besatzungshoheit über die Stadt sogar rundheraus als „völkerrechtswidrig" bezeichnet worden Ulbricht und seinen Beratern gelang es jedoch nicht, die sowjetischen Führer für ihre direkt antiwestliche Linie zu gewinnen:

In einem Kommunique, mit dem am 12. Dezember der Besuch einer DDR-Delegation in der Sowjetunion abschloß, wurde nur ein vager Protest gegen die bundesdeutschen „Anschläge auf West-Berlin" ausgenommen, das Besatzungsregime der Westmächte blieb unerwähnt. Darüber hinaus scheinen die sowjetischen Behörden die SED-Führung dazu veranlaßt zu haben, ihrerseits nicht weiter auf die Frage der westlichen Besatzungsrechte einzugehen, denn Presse und Rundfunk der DDR vermieden danach alle Anspielungen, und Ulbricht schwieg sich in seiner Neujahrsansprache sogar über das gesamte Berlin-Thema aus.

Erst nach dem Wiederaufflammen der scharfen sowjetischen West-Berlin-Polemik Mitte Januar wurden in die Verlautbarungen der DDR wieder gelegentliche Bemerkungen eingestreut, die sich, wenn auch auf indirekte und unauffällige Weise, gegen die westliche Besatzungshoheit in West-Berlin richteten. Nach einer Darstellung des [Ost-]Berliner Rundfunks gehört Gesamt-Berlin seit 1945 zur Sowjetzone, wobei die Westmächte „lediglich an der Verwaltung der Stadt auf Grund entsprechender Vereinbarungen beteiligt" worden seien Damit wurde angedeutet, mit der Sowjetzone sei auch Gesamt-Berlin dem sowjetischen Besatzungsregime unterstellt gewe-sen und habe darum auch an dem inzwischen eingetretenen souveränen Status der DDR teil. In einer Stellungnahme des SED-Zentralorgans wurde die West-Berliner SPD beiläufig wegen ihres Wunsches nach einer „Verewigung des Besatzungsregimes in West-Berlin" kritisiert Schließlich wiederholte ein Kandidat des SED-Zentralkomitees in Formulierungen, die unverfänglich klingen mochten, wenn man sie nicht als eine versteckte Wiederholung der von Ulbricht am 1. Dezember gebrauchten Arcumente erkannte, erneut den Standpunkt, daß do•• ent-Berliner Okkupationsstatus nur „bis auf weiteres" Gültigkeit habe Die SED-Führung sucht also nach wie vor das westliche Besatzungsregime direkt anzugreifen und sieht s ch nur durch sachfremde Rücksichten, offenbar auf sowjetische Wünsche, daran gehindert.

Sowohl die sowjetischen Führer als auch Ulbricht und seine Leute wollen die Westmächte aus West-Berlin verdrängen. In taktischer Hinsicht jedoch gehen ihre Ansichten auseinander.

Während das SED-Regime den gegenwärtigen Angriff zugleich gegen die westliche und die bundesdeutsche Präsenz in der Stadt gerichtet sehen will, hält es die sowjetische Führung für klüger, zunächst den Anschein zu erwecken, als gelte der Angriff nur der Bundesrepublik, und den Angriff auf die westlichen Positionen so lange zu verschieben, bis West-Berlin erst einmal seiner Verbindungen zur Bundesrepublik beraubt ist. Der sowjetische Kurs ist in sich konsequenter als das Aktionsprogramm, für das die Führer der DDR plädieren. Ulbricht und seine Leute wollen nämlich genau so wie die sowjetischen Führer die Westmächte und die Bundesrepublik in der Berlin-Frage gegeneinander ausspielen. Das zeigt sich daran, daß die Publizistik der DDR in gleicher Weise wie diejenige der UdSSR immer wieder betont, die Bonner „Ambitionen" auf West-Berlin stünden in einem klaren Gegensatz zu der westlichen Rechtsauffassung hinsichtlich des Status der Stadt, was freilich nicht hindert, daß die Westmächte in anderem Zusammenhang der Komplicenschaft mit den Bonner „West-Berlin-Provokationen" beschuldigt werden. Das Dilemma des DDR-Kurses ist, daß sich West-Berlin-Konflikte zwischen den Westmächten und der Bundesrepublik schwerlich anfachen lassen werden, wenn zugleich die Positionen beider Seiten in der Stadt östlichen Attacken ausgesetzt sind. Die SED-Führung hat sich veranlaßt gesehen, dem sowjetischen Standpunkt Rechnung zu tragen, jedoch nicht aus Überzeugung, sondern aus Rücksicht auf die überlegene Macht der UdSSR.

Für die sowjetische Berlin-Strategie, an die sich nun auch die DDR hält, ist es bezeichnend, daß die westlichen Zugangsrechte nur so weit in Frage gestellt werden, als sie deutschen Staatsbürgern dienen, und daß auch dabei der Eindruck zu vermeiden gesucht wird, als handele es sich um ernstliche Beeinträchtigungen. Die propagandistischen Verlautbarungen sind darauf abgestellt, den deutschen West-Berlin-Verkehr als etwas erscheinen zu lassen, das mit den westlichen Zugangsrechten nichts zu tun habe. Der deutsche West-Berlin-Verkehr unterliegt danach der souveränen Verfügungsgewalt der DDR-Behörden, die ihn natürlich nach Belieben zulassen, einschränken oder verbieten können. Hinsichtlich des Berlin-Verkehrs der Westmächte heißt es dagegen, er bleibe als ein den interalliierten Abkommen entspringendes Recht selbstverständlich unangetastet. Unter Hinweis auf den Souveränitätsvertrag vom 20. September 1955 und die zugehörigen Vereinbarungen zwischen der UdSSR und der DDR, wonach die Abfertigung des westlichen Militärverkehrs und die Angelegenheiten des von den Westmächten durchgeführten Luftverkehrs der sowjetischen Zuständigkeit vorbehalten worden waren, bleiben die Durchfahrt der westlichen Truppenzüge und Militärkonvois sowie die Flugtätigkeit der westlichen Armeen und der westlichen Luftfahrtqesellschaften ausdrücklich von dem Anspruch der DDR auf die volle Souveränität über die Transitwege nach West-Berlin ausgenommen Offensichtlich geht Moskau davon aus, daß sich die Westmächte nur dann, wenn ihre Zugangsrechte direkt — das heißt in der eigenen Wahrnehmung — angegriffen werden, zu ernstlichen Abwehrmaßnahmen entschließen werden. Dies aber soll vermieden werden, und so sucht die sowjetische Seite mit all ihren Stellungnahmen den Eindruck zu schaffen, als würden die westlichen Zugangs-rechte weiterhin uneingeschränkt respektiert.

Der Beruhigung des westlichen Auslandes dient auch eine konsequente Bagatellisierungstaktik. Die Bedeutung der DDR-Maßnahmen gegen den deutschen West-Berlin-Ver-kehr wird systematisch heruntergespielt. Die Schritte vom 10. März und 13. April stellen sich in den Verlautbarungen der UdSSR und der DDR als Sicherheitsvorkehrungen dar, die sich gegen eine kleine Gruppe von „Neonazis" und entspannungssabotierenden „Provokateuren" richteten; und selbst den Beschlüssen vom 11. Juni, die alle zivilen West-Berlin-Reisenden berühren, sollen mit Hilfe des angefügten Transitverbots für „neonazistische" Drucker-zeugnisse als eine antinazistische Maßregel erscheinen. Die juristische Rechtfertigung der Maßnahmen vom 11. Juni verfolgt ebenfalls den Zweck, im Westen den Eindruck zu erwek-ken, als habe sich eigentlich gar nichts Wesentliches geändert. Die Vereinbarungen über den West-Berlin-Verkehr, die zwischen der UdSSR und der DDR im Zusammenhang mit dem Souveränitätsvertrag vom 20. September 1955 getroffen worden waren, werden nun um-gedeutet als Regelungen, mit denen die Sowjetunion der DDR die Hoheit über den deutschen West-Berlin-Verkehr bereits eingeräumt habe. Die neuen Maßnahmen Ost-Berlins, die sonst stets als die Herstellung der DDR-Souveränität über die Transitwege gefeiert werden, erscheinen danach nur als prozedurale Modifikationen einer seit langem ausgeübten Verfügungsgewalt der DDR-Regierung Für das generelle Interesse der Sowjetunion und der DDR daran, die westliche Öffentlichkeit propagandistisch zu beschwichtigen, sprechen auch zahlreiche Versicherungen (die immer wieder — und zwar schon vor dem Einmarsch in die Tschechoslowakei — abgegeben worden sind), daß mit den Auflagen vom 11. Juni keine Behinderung oder Einschränkung des West-Berlin-Verkehrs verbunden sei. Es wird mit Nachdruck in Abrede gestellt, daß diese DDR-Maßnahmen einen Anschlag auf die Verbindungswege nach West-Berlin darstellten. Gleichzeitig haben die DDR-Behörden große Mühe walten lassen, durch eine reibungslose Abfertigung des Transitverkehrs das Funktionieren der neuen Regelungen zu demonstrieren und vorerst alle Befürchtungen hinsichtlich neuer Schikanen auszuräumen. Auch einige Äußerungen führender SED-Funktionäre ließen die Absicht erkennen, dem westlichen Publikum eine unveränderte Normalität des West-Berlin-Transits zu suggerieren.

Vorhaltungen aus der Bundesrepublik, daß die Berlin-Aktionen der DDR der in Moskau und Ost-Berlin offiziell proklamierten Entspannungspolitik widersprächen, wurden als lächerliche Verleumdungen und als Versuche der Bundesrepublik hingestellt, den Prozeß der europäischen Entspannung zu hintertreiben und Vorwände für eine Annexion West-Berlins zu finden. Diese Argumentation zielt vor allem auf die Öffentlichkeit der angelsächsischen Länder, Frankreichs und der Bundesrepublik. Die erschreckten und empörten Reaktionen Bonns auf die DDR-Maßnahmen werden den Westdeutschen und den Westlern als Beweise für aggressive Absichten der Bonner „Revanchisten" gegenüber der DDR vorgestellt. In internationalen Stellungnahmen wird das Bonner Verhalten als freche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR bezeichnet. Mit allen diesen Darlegungen befolgen Sowjetunion und DDR die Maxime: „Angriff ist die beste Verteidigung!" Beschwichtigung wie Polemik sollen die Aufmerksamkeit davon ablenken, daß die Lebensmöglichkeiten West-Berlins durch die neuen wirtschaftlichen Lasten weiter eingeengt werden und daß die DDR, sobald sie erst einmal ihre Hoheit über die Transitwege etabliert hat, jederzeit nach Belieben daran gehen kann, den West-Berlin-Verkehr weiter einzuengen und möglicherweise völlig zu unterbinden. Schon heute läßt sich überdies erkennen, daß Ulbricht und seine Berater den derzeit erreichten Zustand nur als eine Zwischenstation auf dem Weg einer weiteren Abschnürung West-Berlins von der Bundesrepublik ansehen.

In DDR-Verlautbarungen an die englisch-sprechende Welt ist bereits ausdrücklich davon die Rede gewesen, daß auch die Benutzung der Luftwege durch Westdeutsche und West-Berliner eine „Verletzung des Völkerrechts" darstelle Die beigefügte Argumentation macht darüber hinaus deutlich, daß nicht nur die Inanspruchnahme der westlichen Zugangs-rechte durch deutsche Staatsbürger, sondern auch die westlichen Zugangsrechte überhaupt in Frage gestellt werden. Es wird nämlich erklärt, es bestünden gegenwärtig „keine gültigen Abkommen über den Zugang nach West-Berlin". Die Viermächte-Abkommen über den westlichen Zugang aus den Jahren 1945 bis 1947, so heißt es erläuternd, hätten inzwischen ihre Gültigkeit verloren, weil die Westmächte ihren Potsdamer Verpflichtungen, nach denen „in ganz Deutschland denazifiziert, demilitarisiert und demokratisiert" werden sollte, nicht nachgekommen seien. Auf diese Weise habe in Deutschland generell „die Lage sich geändert", und es sei notwendig geworden, den gegenwärtigen rechtlosen Zustand als „ein Überbleibsel der unmittelbaren Nachkriegszeit" durch ein Abkommen West-Berlins mit der DDR „über die Benutzung der Transitwege über das Gebiet der DDR" zu ersetzen Ähnliche Töne wurden noch deutlicher in Ost-Berlin Anfang August angeschlagen. Mithin bestreitet die DDR den Westmächten in der gleichen Weise und mit dem gleichen Argument wie die Sowjetunion während der Jahre 1958 bis 1962 ihre bei Kriegsende festgelegten Rechte des Zuganges nach West-Berlin. Die DDR hat darin zwar von der Sowjetunion bisher keine verbale Bestätigung erfahren, doch sind die Maßnahmen, welche die DDR auf Grund ihres Standpunktes durchgeführt hat, von der UdSSR nachdrücklich unterstützt worden. Man muß daher vermuten, daß die sowjetische Seite die von der DDR formulierten Ansprüche prinzipiell billigt, ohne sich aber ausdrücklich darauf festlegen zu wollen. Wahrscheinlich werden die sowjetischen Führer den Standpunkt der DDR nur dann offiziell unterstützen, wenn die westlichen Reaktionen auf die schrittweise vorangetragenen Vorstöße der DDR zeigen sollten, daß das Risiko eines entschlossenen gemeinsamen Widerstandes der Westmächte an der Seite der Bundesrepublik nicht mehr besteht.

Die sowjetische Politik hält gegenwärtig mehrere Alternativen offen. So finden sich in den sowjetischen Verlautbarungen auch Tendenzen, im Sinne der sowjetischen Forderungen auf der Genfer Außenministerkonferenz von 1959 für die UdSSR einen Anteil an der westlichen Besatzungsgewalt über West-Berlin zu beanspruchen. Bei den — erst seit Oktober 1968 häufigeren — sowjetischen Verlautbarungen, die für West-Berlin einen Viermächtestatt eines Dreimächte-Status reklamieren, fällt große taktische Vorsicht auf. Nur gegenüber der deutschen Öffentlichkeit ist ausdrücklich von einer Verantwortung der vier Mächte für West-Berlin die Rede Dabei wird offen-gelassen, welche Konsequenzen daraus gezogen werden könnten. „Bonn und seinen West-Berliner Vollstreckern seines Willens" wird empfohlen, „dessen eingedenk [zu] sein, daß die Benutzung der Verbindungswege laut internationaler Rechtsordnung nur von den USA, England und Frankreich garantiert werde als den Teilnehmern der vierseitigen Abkommen in der West-Berliner Frage." Dieser Darstellung liegt als Prämisse die These zu Grunde, daß die Viermächte-Abkommen von 1944 und danach für den West-Berlin-Verkehr maßgebend seien. Moskau möchte aber nur die Konsequenz gelten lassen, daß die Bundesrepublik in West-Berlin als einem interalliierten Gebiet nichts zu suchen habe, und das Eingeständnis vermeiden, daß es gegenüber der DDR ein originäres westliches Recht auf freien West-Berlin-Verkehr gebe. Daher wird hinzugefügt:

„Die Zur-Verfügung-Stellung von Kommunikationen, die durch das Territorium der DDR verlaufen, an die westdeutsche und West-Berliner Seite ist ein Akt politischer Großzügigkeit, hervorgerufen durch die Sorge um die Interessen der Bevölkerung West-Berlins." Den Westdeutschen wird weiterhin erklärt, es gebe zwar „keinen sowjetischen Sektor Berlins, sondern nur die Hauptstadt der souveränen DDR", doch besitze West-Berlin nach wie vor interalliierten Status, weshalb „in dieser besetzten Stadt alle vierseitigen Beschlüsse . . . eingehalten werden" müßten. Daher wird es für rechtens bezeichnet, daß Ost-Berlin in das Rekrutierungssystem der DDR voll einbezogen ist, während die UdSSR gleichzeitig der — tatsächlich völlig entmilitarisierten — Stadt West-Berlin Verstöße gegen die Entmilitarisierungsvorschriften der Kontrollratszeit vorwirft. Zusätzlich heißt es, Gesamt-Berlin sei „von Anfang an ein Bestandteil der sowjetischen Besatzungszone und ihre Hauptstadt" gewesen, und die Westsektoren hätten „nie zu den Besatzungszonen der Westmächte" gehört Die SED-Führung unterstützt diese These Die Version, die der westlichen Öffentlichkeit vorgesetzt wird, ist weitaus vorsichtiger formuliert. Hier ist lediglich von einem „Sonderstatus West-Berlins" die Rede, der anerkannt werden müsse Darunter kann man vieles verstehen — von dem gegenwärtig bestehenden Zustand angefangen bis zu einer Verwirklichung der den Westdeutschen gegenüber erhobenen Forderungen.

Die sowjetische Forderung, an dem Besatzungsregime über West-Berlin beteiligt zu sein, läßt sich noch deutlicher als an den ausgesprochenen Formulierungen an der Art ablesen, wie die West-Berliner Situation in Presse und Rundfunk der UdSSR dargestellt wird und wie daraus Ansprüche gegenüber der Stadt hergeleitet werden. Der Senat wird der brutalen oder auch „faschistischen" Terrorpolitik gegenüber der Bevölkerung, der Unterstützung der neonazistischen NPD, der rechtswidrigen Verfolgung aller „demokratischen Kräfte", des Wohlwollens gegenüber den „neonazistischen Pogrom-Leuten" und einer gewissenlosen „Politik des Bürgerkrieges" beschuldigt.

Um dieses Bild glaubhaft erscheinen zu lassen, ist unter anderem von einer Wiederaufstellung der SS durch die West-Berliner NPD die Rede. Nach einigen entsprechenden publizistischen Stellungnahmen verlangte der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin von den Westmächten am 13. März 1968 unter Berufung auf das Potsdamer Abkommen, daß in West-Berlin alles zu unterbleiben habe, was von sowjetischer Seite als antidemokratisch, faschistisch oder neonazistisch bezeichnet wird. In Adressierung und Argumentation lief der sowjetische Schritt darauf hinaus, für die UdSSR genauso wie für die Westmächte ein Veto hinsichtlich der West-Berliner Angelegenheiten festzulegen.

Die Publizistik der DDR hält sich, was die Vorwürfe betrifft, in dem Rahmen, den die sowjetischen Verlautbarungen setzen. Dabei wird jedoch den Anschuldigungen noch mehr Raum und noch größere Schärfe gegeben. Immer wieder wird die Vorstellung beschworen, West-

Berlin sei ein „Experimentierfeld des Terrors", auf dem „SS-Schläger" zusammen mit dem „Straßenschlachtstrategen" Klaus Schütz den „Notstand probten" und den „NP-Terror" aufrichteten. Stärker als in den sowjetischen Stellungnahmen wird jedoch der Gesichtspunkt hervorgehoben, daß West-Berlin als „Wall des Faschismus" inmitten der DDR für diese eine immer unerträglichere Bedrohung darstelle.

Zugleich — und das ist sehr bezeichnend — zielt die Argumentation anders als die sowjetischen Darlegungen nicht darauf ab, das Publikum davon zu überzeugen, daß interalliierte beziehungsweise alliiert-sowjetische Auflagen die geeignete Abhilfe für die West-Berliner Situation bilden würden. Mit der Anrufung des Potsdamer Abkommens im Hinblick auf die innere Lage West-Berlins (was zudem recht selten ist) verbindet die DDR die Konsequenz des Eingreifens von ihrer Seite. Als Legitimation dient dabei die offizielle These, daß die DDR die Potsdamer Verpflichtungen in einer für ganz Deutschland vorbildlichen Weise erfüllt habe. In Moskau wird seit den Maßnahmen vom 11. Juni der Interventionsanspruch der DDR indirekt unterstützt, indem die Auflagen, mit denen Ost-Berlin den deutschen West-Berlin-Verkehr getroffen hat, als Schritte gegen den Neonazismus in West-Berlin gerechtfertigt werden. Damit erkennt die sowjetische Führung praktisch Ulbricht und seinen Mitarbeitern das Recht zu, das innere Leben West-Berlins ihren Bedingungen zu unterwerfen. In dem sowjetischen Aide-memoire an die Bundesregierung zur Frage des Austauschs von Gewalt-verzichtserklärungen vom 5. Juli 1968 wurde der sowjetische Standpunkt, wie er sich aus den vorangegangenen publizistischen Verlautbarungen entnehmen ließ, nochmals bestätigt und präzisiert: „Die Deutsche Demokratische Republik ist nicht nur berechtigt, sondern auf Grund der gültigen internationalen Vereinbarungen auch verpflichtet, sich gegen die nazistische, revanchistische und materialistische Tätigkeit der BRD in West-Berlin zu wenden." Bundesdeutsche Proteste, die DDR-Maßnahmen verstießen gegen die interalliierten Übereinkünfte von 1944/45, werden von sowjetischer Seite für absurd erklärt, weil schließlich nicht die Bundesrepublik, sondern die DDR stets eine Politik im Sinne des Potsdamer Abkommens betrieben habe.

Im Sinne des kommunistischen Interventionsanspruches gegenüber West-Berlin forderte der Innenminister der DDR bereits am 12. Dezember 1967 in einem Schreiben an den Senat unter Hinweis auf die entsprechenden Bestimmungen von Potsdam ein Verbot der NPD als einer nationalsozialistischen Organisation.

Daß es dabei wesentlich nicht um die NPD geht, wird deutlich an den Unterstellungen, daß die „vom Westberliner Senat begünstigten Umtriebe der Neonazis" „Teil der westdeutschen Revanchepolitik" seien, daß die NPD „aufs engste mit den Landsmannschaften und anderen revanchistischen und militaristischen Organisationen verbunden" sei, daß dieser Partei „von den CDU/CSU-Politikern die Rolle eines Stoßtrupps gegen die demokratischen Kräfte und für aggressive Handlungen zugedacht" sei und daß der Senat mit seiner Politik „die Geschäfte der revanchistischen Politik der CDU/CSU-Führer" besorge. Unter diesen Prämissen erhält das Verlangen, „jeder neonazistischen Betätigung und Propaganda" sei „vor-

zubeugen", „alle nazistischen Einflüsse" seien „auszuschalten", „jede Form ihrer [der NPD] Tätigkeit" sei „zu unterbinden, und der von West-Berlin aus gegen die DDR und andere sozialistische Staaten betriebenen feindseligen, gegen den Frieden gerichtete Politik" sei „ein Ende zu setzen", den Charakter eines umfassenden Interventionsversuches Eineinhalb Monate später bezeichnete es der SED-Spitzen-funktionär Hager als ein vordringliches Gebot, daß die „Renazifizierung." West-Berlins rück-gängig gemacht werde Worum es der SED-Führung geht, wurde in einer maßgeblichen Stellungnahme vom Dezember 1967 unumwunden ausgesprochen: um eine „Umfunktionierung der Rolle West-Berlins" In einer weniger direkten, aber nicht minder deutlichen Form wird diese Forderung auch in denjenigen sowjetischen Stellungnahmen erhoben, die sich an das westdeutsche Publikum richten. Die West-Berliner „Frontsituation", so heißt es da, müsse beseitigt werden, wenn — und darin liegt die sowjetische Drohung — in der Stadt „friedliche Industrie und Handel normal funktionieren" sollten. Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die West-Berlin infolge des Verhaltens der DDR-Behörden geraten ist, auf die Bonner „Provokationen, die die Situation um das West-Berliner Problem erhitzen", zurückgeführt Sowohl der DDR als auch der Sowjetunion dienen bei ihren Forderungen nach einer politischen Umorientierung der Stadt Darstellungen einer um sich greifenden NPD-Macht in West-Berlin oder auch, als dies nach der Selbstauslösung dieser Partei in der Stadt nicht mehr glaubwürdig genug erschien, Anklagen einer angeblichen militärischen und rüstungswirtschaftlichen Integration in die Bundesrepublik zur Rechtfertigung.

Die Publikationsorgane der DDR formulieren aber auch unabhängig hiervon Maximen, denen West-Berlin zu folgen habe: „Demokratisierung" des öffentlichen Lebens, Abkehr von der „Notstandspolitik", „antimonopolistische" Ausrichtung, Durchführung einer Mitbestimmung in der Industrie, volle „Demonstrationsfreiheit" und — nach dem genauen Vorbild eines zentralen Paragraphen der politischen Justiz in der DDR — Bestrafung „aller Handlungen, die das Zusammenleben der Völker stören". Auch Solidaritätsbekundungen mit außenpolitischen Parolen von UdSSR und DDR werden für notwendig erklärt. Alle derartigen Forderungen erscheinen in der DDR-Publizistik als die Ziele der „demokratischen Kräfte" West-Berlins, die dann für die einzig vernünftige und mögliche Alternative zur „bankrotten" Senatspolitik erklärt werden.

Die Interventionsansprüche der Sowjetunion und der DDR sind heute offensichtlich aufeinander abgestimmt. Während die SED-Führung die Versuche der sowjetischen Führer unterstützt, in West-Berlin besatzungsrechtliche Befugnisse zu beanspruchen, leisten ihr diese Hilfestellung bei dem Versuch, sich gesellschaftlich-politischen Einfluß in West-Berlin zu verschaffen. Die in Moskau anerkannte These, daß die DDR in mustergültiger Übereinstimmung mit dem Potsdamer Abkommen handele, dient Ulbricht dazu, für die DDR die Rolle des deutschen Exekutors besatzungsrechtlicher Auflagen in Anspruch zu nehmen. Die sowjetischen Führer billigen diesen Standpunkt, da ja die erklärte Bindung der DDR an das Potsdamer Abkommen in seiner sowjetischen Auslegung mit einer Bindung der DDR-Politik an die wesentlichen Elemente des sowjetischen Kurses gleichbedeutend ist. Mithin ist das Nebeneinander von besatzungsrechtlichem Interventionsanspruch der UdSSR und nachbarlichem Interventionsanspruch der DDR nur eine taktische Funktionsteilung im Kampf gegen die Position der Gegner in West-Berlin. Die DDR agiert, wenn man von Einzelheiten absieht, innerhalb der sowjetischen Deutschland-politik wesentlich als deutscher Stellvertreter der Sowjetunion. Dementsprechend hat die SED-Führung bisher in wichtigen Fällen, in denen es auf eine Aktionseinheit der DDR mit der UdSSR ankam, entweder von vornherein die in Moskau vorgezeichnete Linie befolgt oder ist doch wenigstens sehr rasch wieder auf sie eingeschwenkt. Als Beispiel für das erste Verhalten kann die Politik Ost-Berlins in Zusammenhang mit dem SPD-SED-Dialog von Anfang 1966 gewertet werden Das zweite Verhalten hat sich, wie dargelegt, angesichts der Frage gezeigt, ob auch auf das westliche Besatzungsregime in West-Berlin der Direkt-angriff eröffnet werden sollte. In einem anderen Fall, als die DDR gegenüber der Bundesrepublik eine andere publizistische Linie verfolgte als die UdSSR (im Dezember 1966), ist deutlich, daß sich die sowjetische Führung dadurch in ihrer Politik nicht behindert sah

Grundsätzlich einhellige Auffassungen vertreten UdSSR und DDR hinsichtlich des Verhältnisses West-Berlins zur Bundesrepublik. Die generelle Formel lautet, daß die Bundesrepublik ihre „Anschläge auf West-Berlin" einzustellen habe. Es heißt weiterhin, die Stadt gehöre nicht zur Bundesrepublik und habe niemals zu ihr gehört. Seit Mitte Juni 1968 finden sich auch Formulierungen wie, daß West-Berlin „nichts mit der BRD gemein" habe oder daß die Bundesregierung in der Stadt „keinerlei Rechte" besitze Die Bundesregierung wird beschuldigt, sich West-Berlin unterwerfen zu wollen. Um den angeblichen Gewalt-und Eroberungscharakter des bundesdeutschen Vorgehens herauszustellen, verwenden die sowjetischen Kommentatoren den ressentimentbeladenen Begriff „Anschluß", der auch in den russischsprachigen Verlautbarungen in deutscher Lautung (ansljus) erscheint. Die Parallelisierung mit dem Hitlerschen Vorgehen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird durch die These unterstrichen, daß die Bonner West-Berlin-Politik auf eine Mißachtung des Potsdamer Abkommens hinauslaufe und damit die nationalsozialistischen Methoden des Vertragsbruches kopiere Außerdem sucht Moskau den West-Berlin-Standpunkt der Bundesregierung als neonazistische Plattform und als Grundlage der NPD-Aktivität in der Stadt zu diskreditieren Die DDR-Maßnahmen vom 11. Juni 1968 werden dementsprechend als Vorkehrungen hingestellt, die den Status West-Berlins und die Unabhängigkeit der Stadt vor der Bundesrepublik schützen sollen. Die DDR-Stellungnahmen betonen den „Mißbrauch" West-Berlins zu Zwecken der bundesdeutschen „Spannungs-und Revanchepolitik".

Ziele der publizistischen Angriffe aus der Sowjetunion und der DDR sind die politischen, administrativen, wirtschaftlichen und finan-zellen Verflechtungen West-Berlins mit der Bundesrepublik. Dabei treten jedoch Nuancen hervor. Während der letzten Monate des Jahres 1967 wandte sich die UdSSR nur gegen die politische Seite dieser Verbindungen, namentlich gegen die Abhaltung von Bundestagssitzungen und gegen Amtsaufenthalte des Bundespräsidenten in West-Berlin sowie gegen die — routinemäßige — Wahl des Regierenden Bürgermeisters zum Vorsitzenden des Bundesrates. Die DDR dagegen griff darüber hinaus die Präsenz von Bundesdienststellen in der Stadt, die außenpolitische Vertretung West-Berlins durch die Bundesrepublik und jegliche bundesdeutsche Einflußnahme auf die politischen und kulturellen Belange der Stadt an. In Zusammenhang mit den als rechtswidrig hingestellten Amtsaufenthalten des Bundespräsidenten wurde dessen Person systematisch als „KZ-Baumeister" diffamiert was dem Zweck diente, die bundesdeutsche Präsenz in West-Berlin als nazistisch hinzustellen. Gegen die wirtschaftlichen Verbindungen der Stadt zur Bundesrepublik und die Übernahme bundesdeutscher Gesetze durch das West-Berliner Abgeordnetenhaus richteten sich nur seltene und schwache Proteste. Als die Sowjetunion Mitte Januar 1968 ihre West-Berlin-

Polemik steigerte, vermehrte sie auch die einzelnen Ziele ihrer Attacken. Zu den neuen Angriffsobjekten gehörten das Auftreten von Mitgliedern der Bundesregierung und die Tätigkeit von Bundesdienststellen in West-Berlin, der Aufenthalt „revanchistischer Organisationen" wie etwa der Exil-CDU, die Übernahme bundesdeutscher Gesetze durch das West-Berliner Abgeordnetenhaus, die außen-politische Vertretung der Stadt durch die Bundesrepublik und alle administrativen, wirtschaftlichen und finanziellen Verbindungen West-Berlins zu Westdeutschland. Mit besonderer Schärfe wird gegenwärtig der bloße Aufenthalt von Repräsentanten der Bundesrepublik in der Stadt als prinzipiell rechtswidrig und spannungserzeugend gebrandmarkt. Bundesdeutsche Absichten, „die wirtschaftlichen Verbindungen der Bundesrepublik zu West-Berlin . nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch auszuweiten'", werden zu „absurden Bonner Ansprüchen" erklärt Daran schließt sich die Forderung an, West-Berlin müsse seine Wirtschaft auf alle Länder, namentlich auf die Länder des Warschauer Paktes, um-orientieren Die sowjetischen Kommentare verknüpfen vielfach die Präsenz bundesdeutscher Repräsentanten mit der Ausbreitung der NPD in West-Berlin. Das Potsdamer Abkommen wird mit stärkstem Nachdruck gegen das Eindringen" der Bundesrepublik in die Stadt geltend gemacht. Die DDR-Publizistik folgte dem sowjetischen Wechsel im Abstand von einigen Tagen nach.

Ein grundlegend neuer Tenor trat nach den DDR-Maßnahmen vom 11. Juni 1968 hinzu.

Presse und Rundfunk der Sowjetunion stellten sich unverzüglich mit all ihren Organen und mit größtem quantitativen Aufwand in den Dienst der Rechtfertigung. Hauptparole wurde : die von Ost-Berlin ausgegebene Argumentation, daß die DDR nunmehr unmißverständlich die Rechte in Anspruch nehme, die jedem souveränen Staat zuständen. Ihr Verhalten entspreche der normalen Praxis aller Staaten und den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts. Niemand könne der DDR die Befugnis bestreiten, für das überschreiten ihrer Grenzen Pässe, Visa und Visumgebühren zu verlangen, wie dies allgemein üblich und rechtens sei. Dabei wurde einfach unterstellt, daß dem kein der Existenz der DDR vorangehendes Recht entgegenstehe, auf das Rücksicht zu nehmen sei. Diese Prämisse wurde nur ganz selten seitens der DDR mit der These von dem Fehlen gültiger Vereinbarungen über den West-Berlin-Verkehr expliziert.

Zuweilen ließen sowjetische Verlautbarungen erkennen, daß sich die Kompetenz der DDR nur auf die Land-und Wasserwege beziehe — ein Standpunkt, von dem anscheinend zumindest einige der SED-Führer Anfang August loszukommen suchten. Offensichtlich suchte die sowjetische Führung im Westen dem Eindruck entgegenzuwirken, als könne der Angriff auf die Verbindungswege nach West-Berlin auch die Luftkorridore einbeziehen. Als zweites Argument führten DDR und UdSSR an, die neuen Maßnahmen stellten eine notwendige Antwort auf die westdeutsche Notstandsgesetzgebung dar, die als eine Kriegsvorbereitung nach Hitlerschem Vorbild die DDR und das gesamte sozialistische Lager provoziere und bedrohe.

Auch unabhängig davon wurden die Beschlüsse vom 11. Juni als unvermeidliche Schutzmaßnahmen in Anbetracht einer sich angeblich abzeichnenden bundesdeutschen Agression gegen den „sozialistischen Staat in Deutschland", gegen die „sozialistischen Errungenschaften" der DDR und gegen die Früchte „friedlicher Arbeit" der ostdeutschen Werktätigen hingestellt. Gemeint war dabei vor allem auch eine „innere Aggression" Bonns, worunter jede Form des geistigen Einflusses aus der Bundesrepublik auf die DDR-Bevölkerung verstanden wurde. Der zusätzlichen Rechtfertigung diente der Verweis auf vorangegangene „Warnungen" an die Westdeutschen, ihren politischen Kurs zu ändern. Da diesem, wie es hieß, berechtigten Verlangen nicht entsprochen worden sei, müsse die Bundesrepublik nunmehr die Konsequenzen tragen, das heißt, die DDR-Auflagen für den West-Berlin-Verkehr hinnehmen. „Wer nicht hören will, muß fühlen!", so faßte ein Volkskammerabgeordneter bei der Akklamation der Beschlüsse vom 11. Juni die offizielle These zusammen Ähnliche Darlegungen präsentierte Radio Moskau seinen deutschen Hörern. West-Berlin, so hieß es etwa am 18. Juni 1968, „wäre nicht in so eine Lage geraten, in der es sich jetzt befindet, es hätte die heutigen Schwierigkeiten im Wirtschafts-und Bildungsbereich nicht empfunden, wenn manche SPD-Bosse nicht einer der reaktionärsten Parteien in der deutschen Geschichte, nämlich der CDU/CSU, gedient hätten". Auch die Mißachtung des Potsdamer Abkommens und die Ablehnung der Artikel 53 und 107 der UNO-Charta (die Deutschland die Anrufung der Vereinten Nationen verwehren, wenn die S und 107 der UNO-Charta (die Deutschland die Anrufung der Vereinten Nationen verwehren, wenn die Siegermächte bei ihren Kriegsfolgemaßnahmen mit dem völkerrechtlichen Einmischungs-und Gewaltanwendungsverbot in Konflikt kommen sollten) durch die Bundesregierung wurden als Begründung für die restriktive Berlin-Politik der DDR angeführt. Nach sowjetischer Darstellung dienen daher die Maßnahmen vom 11. Juni allein „der Sache des Friedens und der europäischen Sicherheit" 52). Für weitere Schritte der DDR gegen West-Berlin bereitete der sowjetische Außenminister Gromyko am 27. Juni 1968 eine verbale Basis vor mit der drohenden Ankündigung, die UdSSR und ihre Verbündeten würden West-Berlin-Ubergriffen Bonns die „gebührende Abfuhr" erteilen 53).

Nach Darstellung der DDR und der Sowjetunion sind die Maßnahmen vom 11. Juni zu-gleich als ein Schritt zur „Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten" und damit zur Entspannung in Europa anzusehen. Den „Bonner Revanchisten" werde dadurch die Unerläßlichkeit einer Anerkennung der DDR deutlich gemacht. Gleichzeitig träten das Scheitern der „aggressiven Politik" der Bundesregierung und die Absurdität der „Bonner Alleinvertretungsanmaßung" deutlich hervor. Die Bundesregierung, so ist der nur angedeutete Gedanke, werde sich durch den Druck auf West-Berlin immer unabweislicher vor die Notwendigkeit gestellt sehen, mit der Regierung der DDR in offizielle Beziehungen zu treten. Bereits jetzt werden die Grenzformalitäten, denen sich jeder deutsche Transitreisende nach West-Berlin unterziehen muß, als eine erzwungene de-facto-Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik hingestellt. Die sowjetische Führung war also um die Jahreswende 1967/68 zunächst um eine gewisse Zurückhaltung in Berlin bemüht und klammerte deshalb die nicht-politischen beziehungsweise die nicht-demonstrativen Aspekte der Beziehungen West-Berlins zur Bundesrepublik aus der Polemik aus. Wie eine ungewöhnlich positive sowjetische Reaktion von Ende November 1967 auf eine vorangegangene Erklärung von Klaus Schütz, der Kulturaustausch zwischen West-Berlin und der Sowjetunion solle ausgedehnt werden vermuten läßt, setzte man in Moskau damals gewisse Erwartungen auf die Politik des neuen Regierenden Bürgermeisters. Auch sowjetische Hoffnungen darauf, daß Bonn bereit sein könnte, den Status West-Berlins zum Gegenstand von Verhandlungen mit der UdSSR zu machen, könnten mitgespielt haben. In beiden Fällen mußten bestimmte Rücksichten auf West-Berlin genommen werden, um den jeweiligen Partner nicht vor den Kopf zu stoßen. Wie dem auch sei, die sowjetischen Führer veranlaßten jedenfalls Ulbricht und seine Berater dazu, ihre publizistische Linie ebenfalls zurückhaltend zu formulieren, damit der sowjetische Kurs nicht gestört wurde. Da nämlich West-Berlin ebenso sehr an der Haltung der DDR wie an derjenigen der UdSSR interessiert sein mußte und da überdies die außen-politische Gesamtstrategie der Sowjetunion ein sowjetisches Abrücken von der DDR in der Art, wie dies im Dezember 1966 geschehen war, nicht mehr zuließ mußte Moskau ein Mitziehen der DDR unbedingt notwendig erscheinen. Wie sich an den gelegentlichen und beiläufigen Überschreitungen des von der UdSSR gesetzten Rahmens ablesen läßt, blieb die SFD-Führung zuweilen nur widerwillig in den Grenzen, die ihr die sowjetische Linie setzt. Mit der polemischen Eskalation von Mitte Januar 1968 fiel daher für das DDR-Regime ein lästiges Hemmnis weg, das ihm bis dahin verwehrt hatte, seinen Aspirationen vollen Ausdruck zu verleihen. An den Begleitumständen, vor allem der Maßnahmen vom 11. Juni, läßt sich ablesen, daß seither eine nahezu volle Solidarisierung der UdSSR mit den West-Berlin-Aspirationen der DDR stattgefunden hat.

Seit Chruschtschow 1958 den bis dahin unangefochtenen West-Berlin-Status in Frage gestellt und das Territorium der Stadt für die DDR reklamiert hatte, ist die SED-Führung nicht müde geworden, diesen Anspruch zu erheben. Noch Anfang 1968 fand sich die These, daß West-Berlin auf DDR-Gebiet liege, nur sehr selten in den publizistischen Stellungnahmen der UdSSR. Im Sommer 1968 wurde die These etwas häufiger vertreten. Die DDR folgt der sowjetischen Zurückhaltung. Offensichtlich halten zwar beide Staaten grundsätzlich an dem Anspruch fest, wollen ihm aber gegenwärtig kaum Publizität geben. Vermutlich erscheint es riskant, das volle Ausmaß der erhobenen Forderungen deutlich zu machen. Wie man annehmen möchte, ist auch hier die sowjetische Seite der auf vorläufige Zurückhaltung dringende Teil.

Die Strategie des Vorgehens gegen West-Berlin

Die Berlin-Politik der UdSSR und der DDR basiert auf einer günstigen Position gegenüber den Westmächten und der Bundesrepublik. West-Berlin ist auf Grund seiner geographischen Insellage in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht außerordentlich verwund-bar. Sein Territorium ist nicht durch militärische Stationierungsund Abwehrmaßnahmen zu verteidigen, die der anderen Seite die Bürde der Konfliktlösung überlassen würden, und seine Wirtschaft hängt von Zugangsrechten ab, die nur auf dem Gebiet und im Luftraum der DDR realisiert werden können Die westlichen Schutzmächte West-Berlins ziehen aus dieser Lage die Konsequenz, daß sie alles tun müssen, um eine überzeugende Anzweiflung ihrer Präsenz und der West-Berliner Existenzgrundlagen — als des wesentlichen psychologischen Aktivums gegenüber der UdSSR und DDR — unmöglich zu machen. Daher halten sie auch dort an dem interalliiert vereinbarten Berlin-Status fest, wo die Sowjetunion von dieser Grundlage längst abgewichen ist und damit die Symmetrie der Vertragserfüllung zerstört hat. Auf diese Weise begeben sie sich weithin der Reaktionsmöglichkeiten nach dem Prinzip des quid pro quo und dulden die Eingliederung Ost-Berlins in die DDR, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen und ohne eine entsprechende Eingliederung West-Berlins in die Bundesrepublik folgen zu lassen.

Die Gründe, welche die Westmächte veranlassen, nicht mit der UdSSR gleichzuziehen, werden grundsätzlich auch in Bonn akzeptiert. Trotzdem konnte es nicht ausbleiben, daß in der Frage, wie weit man West-Berlin mit der Bundesrepublik verbinden könnte, ohne die vertraglichen Grundlagen der West-Berliner Existenz zu gefährden, gelegentlich Differenzen auftraten. Im Ergebnis hat sich eine Lage herausgebildet, in der die Bundesrepublik mit westlicher Zustimmung politisch, administrativ, wirtschaftlich und finanziell in West-Berlin präsent ist, die außenpolitische Vertretung der Stadt übernimmt und die Bundesgesetze mit gewissen Ausnahmen dem West-Berliner Abgeordnetenhaus zur Übernahme zuleitet. Maßregeln jedoch, die als Rechtsfolge eine direkte Eingliederung West-Berlins in die Bundesrepublik implizieren könnten, wie etwa die Gleichstellung der West-Berliner Abgeordneten im Deutschen Bundestag, werden von den Westmächten verweigert.

Vor allem die sowjetische Führung tut ihr Möglichstes, um die gelegentlichen Auffassungsdivergenzen zwischen der Bundesrepublik und den Westmächten auszunutzen. Die Berlin-Angriffe werden gegen die Bundesrepublik konzentriert, während die westlichen Positionen scheinbar respektiert werden. Die deutsche Bundesregierung und der von ihr angeblich versklavte West-Berliner Senat sollen der westdeutschen Öffentlichkeit als die Spannungserzeuger erscheinen, die zu einer immer weniger erträglichen Belastung der westlichen Berlin-, Deutschland-und EuropaPolitik werden. Es war ein wohlberechneter Akt, wenn Gromyko in seiner ersten Stellungnahme zu den Juni-Maßnahmen am 27. Juni 1968 den Amerikanern mit Abrüstungsgesprächen, insbesondere mit den schon lange gewünschten Verhandlungen über die Einstellung des Aufbaus von Raketenabwehrsystemen, winkte, ehe er —-mit kurzen Worten — auf die Berlin-Frage einging. Damit suchte er in Washington den Eindruck zu erzeugen, daß großartige Zukunftsperspektiven bestünden, die man nicht um kleinlicher Berlin-Querelen willen aufs Spiel setzen dürfe. Als in der westdeutschen Öffentlichkeit einige Stimmen laut wurden, die für die Unterschrift Bonns unter den Nuklearsperrvertrag eine Lebens-garantie für West-Berlin verlangten, griff die sowjetische Propaganda dies sogleich auf und erklärte dem internationalen Publikum, namentlich den Franzosen, die „rheinischen Revanchisten" suchten ihre westlichen Verbündeten zu erpressen. Umgekehrt stellen die sowjetischen Propagandisten den Westdeutschen mit Nachdruck das Trügerische ihrer Hoffnungen auf westliche Unterstützung vor Augen. Auch wenn dabei zunächst nur auf den mangelnden Einsatz der Westmächte für die Interessen West-Berlins hingewiesen wird, so geht es doch recht eigentlich darum, generell die Solidarität der westlichen Bundesgenossen mit der Bundesrepublik in Zweifel zu ziehen und den Westdeutschen die NATO als eine zwar riskante, aber wertlose Bindung erscheinen zu lassen. Das hindert jedoch nicht, daß bei Bedarf die Westmächte dann auch wieder der Begünstigung der Bonner „Annexionspläne" gegenüber West-Berlin angeklagt werden.

In den Verlautbarungen, die ausschließlich oder unter anderem das Inland erreichen, übermittelten die sowjetischen Propagandisten während des späten Frühjahrs 1968 ihrem Publikum das Bild eines schwächlichen Gegners, dessen Berlin-Aktionen nicht sonderlich ernst zu nehmen sind. Die Proteste der deutschen Bundesregierung auf die DDR-Maßnahmen vom 11. Juni wurden verächtlich als die „übliche feindselige Lärmerei" abgetan Die Schlagzeile über einem ausführlichen sowjetischen Kommentar zu den Berlin-Ereignissen lautete: „Bonn ist ohnmächtig, irgendetwas zu ändern" Das Engagement der Westmächte für West-Berlin wurde stets sehr ge-ring bewertet. So wurden etwa die Erklärungen des NATO-Rates von Reykjavik, so sehr sie auch als rechtswidrige Einmischungen in die inneren Angelegenheiten der DDR angegriffen wurden, als wenig ernsthaft dargestellt. Die Distanzierung Frankreichs von der Reykjaviker Berlin-Deklaration wurde mit besonderem Interesse notiert. Eine bezeichnende Karikatur zu einem der entsprechenden Artikel zeigte einen westdeutschen und einen amerikanischen Soldaten beim angestrengten Aufpumpen eines vielfach geflickten und immer wieder neu Luft lassenden Schlauches, der das Wort „NATO" bildete. Darunter stand als Erläuterung: „Die übliche Pumperei" Erst das Aufsehen, welches das sowjetische Vorgehen gegen die Tschechoslowakei im Westen erregt hat, veranlaßte die sowjetischen Führer zunächst zu größerer Zurückhaltung, um einer — unter den neuen Umständen wahrscheinlicher gewordenen — umfassenden Solidarisierung der Westmächte mit der Bundesrepublik keinen Vorschub zu leisten.

Die Bagatellisierung der westlichen Berlin-Proteste vor dem 21. August, wie sie speziell in den sowjetischen Inlandsverlautbarungen festzustellen ist, steht in einem auffälligen Gegensatz zu der scharfmacherischen Behandlung, die Moskau sonst unerwünschten westlichen Stellungnahmen angedeihen läßt, um die kommunistische Gefolgschaft von einer Verminderung ihrer „Wachsamkeit gegenüber dem Klassenfeind" abzuhalten und zu erhöhten Kraftanstrengungen gegen die zwar mehr und mehr geschwächten, aber angeblich zugleich an Rabiatheit zunehmenden „Imperialisten" zu veranlassen. In der Berlin-Frage läßt sich die sowjetische Führung offenbar von anderen Gesichtspunkten leiten. Im Gegensatz zu einer abstrakt behaupteten Aggressivität westlicher „Imperialisten" und zu Vietnam ist West-Berlin potentiell ein konkreter und unmittelbarer Konfliktherd, dessen Anfachung die Öffentlichkeit der UdSSR und der ihr verbündeten Länder direkt berühren würde und daher dort ernstliche Beunruhigung hervorrufen könnte. Daran aber ist Moskau allem Anschein nach nicht interessiert. Das wiederum läßt darauf schließen, daß den sowjetischen Führern eine Mobilisierung ihrer Anhängerschaft zur Durchsetzung des eingeleiteten Berlin-Kurses überflüssig erscheint. Derartige Anstrengungen werden ganz offensichtlich darum für entbehrlich gehalten, weil die sowjetischen Führer nicht mit ernstlichen Gegenmaßnahmen der Westmächte rechnen, solange Moskau, wie das gegenwärtig der Fall ist, auf direkte Attacken gegen die westlichen Berlin-Positionen verzichtet und zugleich den Regierungen in Washington, London und Paris durch eine allmähliche und vorsichtige Dosierung des Vorgehens gegen die Interessen West-Berlins und der Bundesrepublik eine notdürftige Rechtfertigung ihrer passiv-be-schwichtigenden Berlin-Politik gegenüber Bonn zu ermöglichen hofft.

Die weithin skeptische Einschätzung des westlichen Engagements für West-Berlin seifens der sowjetischen Führer, die wesentlich auf die sowjetischen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Nuklearsperrvertrag und mit dem sowjetisch-französischen Bilateralismus zurückzuführen sein dürfte, muß als der primäre Grund dafür angesehen werden, daß sich Moskau Anfang 1968 entschloß, die im Jahre 1962 abgebrochene politische Offensive gegen West-Berlin wiederaufzunehmen. Diesem Entschluß ist allerdings anscheinend noch ein ernstlicher sowjetischer Versuch vorausgegangen, die deutsche Bundesregierung zu einer Anpassung an die sowjetischen Wünsche in der Berlin-Frage zu bewegen. Wie man annehmen möchte, wurden die Vorschläge, welche die Sowjetregierung bei Jahreswechsel in Bonn vorlegte, dort sowohl darum abgelehnt, weil ihr Inhalt die bundesdeutsche Seite nicht befriedigte, als auch darum, weil die Bundesregierung nicht gegen die bundesdeutsch-westliche Solidarität in Sachen Berlin und gegen die 1954 vertraglich festgelegten Berlin-Rechte der Westmächte verstoßen wollte.

In Moskau dagegen mag man im Hinblick auf den schwindenden Berlin-Rückhalt der Bundesrepublik bei den Westmächten das Ansinnen für den realen Gegebenheiten entsprechend angesehen haben. Als die Bundesregierung darauf nicht einzugehen bereit war, lag es nahe, gegen sie mit den Mitteln der vollendeten Tatsachen zu operieren, wie es die SED-Führung (die einer etwaigen sowjetisch-bundesdeutschen Übereinkunft stets mit großer Besorgnis entgegengesehen hatte) schon seit längerem befürwortet hatte. Bezeichnenderweise tastete die sowjetische Politik auch jetzt die Berlin-Frage zunächst nur durch heftige Anklagen, dann durch Drohungen und schließlich durch Maßnahmen von geringer praktischer Bedeutung, aber großer prinzipieller Tragweite ab. Erst als sich dabei die Annahme bestätigte, daß es die westlichen Bündnispartner der Bundesrepublik mit leeren Verbalprotesten bewenden lassen würden, ging die sowjetische Führung vor der Besetzung der Tschechoslowakei zu Schritten über, welche die Situation West-Berlins weB sentlich zu verschlechtern begannen. Die „Warnungen" an die Bundesrepublik, die in die sowjetischen Berlin-Verlautbarungen eingestreut wurden, hatten anscheinend die Funktion, die deutsche Bundesregierung nach den verschiedentlichen Demonstrationen fehlenden westlichen Rückhalts in der Berlin-Frage zu der vor Monaten versäumten Anpassung an den sowjetischen Standpunkt zu nötigen — natürlich unter den verschlechterten Bedingungen, die dem verschlechterten Status quo entsprachen. Erst die veränderte Lage nach dem 21. August 1968 — das angeschlagene Friedensimage der UdSSR, der sowjetische Rückschlag in Sachen Kernwaffensperrvertrag und die neuerlichen westlichen Engagements für die Sicherheit West-Berlins — hat die sowjetischen Führer bis auf weiteres zum Verzicht auf neue Berlin-Aktionen veranlaßt und auf diese Weise der bedrängten Stadt eine Atempause gewährt.

Grundsätzlich befindet sich West-Berlin in einem Dilemma. Seine Weiterexistenz erfordert einen zweifachen Rückhalt. Die Westmächte breiten den Schirm ihrer militärischen Abschreckung über die Stadt und vermitteln ihr in ihrer Eigenschaft als die sowjetischen Vertragspartner von 1944/45 die damals festgelegten Zugangsrechte. Die Bundesrepublik bietet West-Berlin die notwendige politische und finanzielle Unterstützung und verschafft seiner Wirtschaft die unerläßlichen Lebensbedingungen. West-Berlin könnte sich zwar statt dessen gemäß den östlichen Forderungen auch an die Sowjetunion und an die DDR anlehnen, aber das würde mit innerer Konsequenz auf eine Aufsaugung der Stadt durch die DDR hinauslaufen, die dem Willen der Bevölkerung scharf widersprechen würde. Sowohl die Westmächte als auch die Bundesrepublik sind darum bisher davon ausgegangen, daß West-Berlin ihrer zusammen bedürfe, um existieren zu können. So ist es zu erklären, daß die Bundesrepublik 1952 und 1954, als es ihr um die Wiedererlangung der 1945 verlorenen deutschen Souveränitätsrechte ging, der Fortdauer des Besatzungsstatus in West-Berlin zustimmte. Andererseits haben die Westmächte seit 1949 stets ihr lebhaftes Interesse daran bekundet, daß die Bundesrepublik West-Berlin den notwendigen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Rückhalt gewährt. Dieses Interesse ist allerdings bei der Formulierung der amerikanischen „essentials" für die Freiheit West-Berlins nur wenig zum Ausdruck gekommen. Es wirkt sich auch aus, daß der objektive Wert West-Berlins im internationalen Machtkampf seit 1954 erheblich abgenommen hat. Mit dem Ausbruch des kalten Krieges verlor Berlin die Funktion der deutschen Hauptstadt, und durch den Bau der Berliner Mauer ging West-Berlin der Funktion eines politischen und psychologischen Faktors inmitten der DDR verlustig. Diese Wertminderungkönnte zusammen mit dem Entspannungsinteresse der westlichen Länder einschließlich der Bundesrepublik West-Berlin immer mehr zu einer Belastung werden lassen, der zumindest die nicht-deutschen Staaten zu entgehen suchen könnten, soweit ihnen das ohne Gesichtsverlust möglich wäre. In Anbetracht dessen, daß die UdSSR und die DDR als Hebel die Drohung mit mehr oder weniger weitgehenden Repressalien bezüglich der Zugangswege besitzen, ist es sehr fraglich, ob West-Berlin ohne einen entscheidenen Einsatz seiner Schutzmächte abgesichert werden kann. Unter diesen Voraussetzungen sehen, ungeachtet ihrer taktisch bedingten momentanen Zurückhaltung, die sowjetischen Führer nicht zuletzt in der Verstärkung des Drucks auf West-Berlin einen wirksamen Hebel, um ihrem auch sonst mit allen Mitteln beharrlich verfolgten Ziel näherzukommen, die Bundesrepublik als den entscheidenden kontinentaleuropäischen Allianzpartner der USA aus der NATO herauszubrechen.

Die sowjetische Berlin-Politik steht damit im Rahmen des außenpolitischen Gesamtkonzepts der UdSSR, das durch die Schlagworte der europäischen Sicherheit und der Nicht-Verbreitung von Kernwaffen abgesteckt wird. Unter Ausnutzung der amerikanischen Fixierung auf Vietnam und der antiamerikanischen Vietnam-Reaktionen in Westeuropa sucht die sowjetische Führung auf dem europäischen Kontinent einen politischen Durchbruch zu erzielen. Im Namen einer gesamteuropäischen Sicherheit, Entspannung und Zusammenarbeit wird das atlantische Bündnis zum Ziel der Angriffe gemacht. Die sowjetische Propaganda zielt darauf ab, in Westeuropa alle Ressentiments auf die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten — als die tragenden Pfeiler des Bündnisses auf dem europäischen und amerikanischen Kontinent — zu lenken Diese Spaltungstaktik erscheint geeignet, die Westeuropäer von den Westdeutschen und den Amerikanern zu trennen, birgt aber die Gefahr in sich, daß die mißliebige „Achse Washington — Bonn" noch fester wird. Daher nimmt die sowjetische Führung gleichzeitig gern die Chance wahr, mit sinnverkehrenden Umformulierungen amerikanischer Nicht-Verbreitungs-Vorschläge Keile auch zwischen die Vereinigten Staaten und die Bundesrepublik zu treiben Das Ziel der sowjetischen Politik ist, das amerikanische Gegengewicht aus Europa zu entfernen und danach auch den westlichen Teil des Kontinents in den sowjetischen Einflußbereich zu ziehen. Wenn dies gelänge, würde der Bundesrepublik, sofern sie nicht eine rechtzeitige Anpassung an die sowjetische Linie versuchen und zustande bringen sollte, unter Benutzung des sowjetisch interpretierten Potsdamer Abkommens, des Nuklearsperrvertrages und der diskriminierenden Artikel 53 und 107 der UN-Charta ein Status nach finnischem Vorbild aufgezwungen werden

Die sowjetische Berlin-Politik ist in mehrfacher Hinsicht auf dieses gesamtpolitische Konzept bezogen. Auch in der Berlin-Frage werden große Vorstöße vermieden, welche die westlichen Länder dazu veranlassen könnten, ihre Meinungsverschiedenheiten zurückzustellen und der UdSSR gemeinsam Widerstand zu bieten. Genau wie andere Differenzen zwischen westlichen Staaten spielt die östliche Seite auch die Auffassungsunterschiede, die zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik hinsichtlich des West-Berlin-Status bestehen, gegenüber beiden Seiten propagandistisch aus, um daraus grundlegende Gegensätze zu machen. Den Westdeutschen, den Westeuropäern und den Amerikanern wird in jeweils verschiedener Akzentuierung suggeriert, daß die westlichen Stabilitätsinteressen und der bundesdeutsche Wunsch nach einer Überwindung des Status quo in einem scharfen Widerstreit zueinander stünden. Dabei werden die westdeutschen Führer revanchistischer und aggressiver Absichten angeklagt. Das Auftreten der NPD, hinsichtlich dessen das Potsdamer Verdikt gegen nazistische Betätigungen geltend gemacht wird, dient dazu, die politisch maßgeblichen Kreise der Bundesrepublik und West-Berlins auf verschiedene Weise weiterhin mit dem Makel des Faschismus und Neonazismus zu behaften und sowjetische Rechtspositionen aufzubauen, von denen aus sich Interventionen gegen die Berlin-Politik von Senat und Bundesregierung begründen lassen. Die Anti-NPD-Parolen erweisen sich als ein so vorzügliches Instrument der östlichen Berlin-Politik, daß die Existenz der NPD als eines der wichtigsten Aktiva der UdSSR und der DDR im Ringen um Berlin betrachtet werden muß.

Ein weiteres Charakteristikum des östlichen Vorgehens ist die Salamitaktik, mit der nur ganz allmählich unter Vermeidung größerer Angriffe die deutsche wie westliche Position geschwächt und ausgehöhlt wird. Besonders deutlich wird diese Taktik bei den Übergriffen gegen den Berlin-Verkehr: Alle Schritte hatten keine entscheidenden praktischen Konsequenzenzen, setzten aber grundsätzliche Präjudizien und ausweitungsfähige Definitionen.

Die augenblickliche Atempause, die bei der politischen Berlin-Offensive der UdSSR eingetreten ist, wird vermutlich so lange dauern, wie die sowjetischen Führer glauben, daß sie sich noch um eine Überwindung des negativen Eindruckes ihres Vorgehens in der Tschechoslowakei bemühen müssen, um die Früchte der Entspannungspolitik — namentlich den antiatlantischen Bilateralismus mit dem gaullistischen Frankreich, das Zusammenwirken mit den USA in Sachen Nuklearsperrvertrag und die Resonanz der sowjetischen Sicherheitsparolen in der westeuropäischen Öffentlichkeit — so weit wie möglich zu retten. Auch danach wird Moskau aller Voraussicht nach aufsehenerregende Schritte gegen West-Berlin scheuen, zumindest solange die Gefahr einer westlich-bundesdeutschen Solidarisierung gegeben ist.

Grundsätzlich sondert die sowjetische Seite in ihren Berlin-Verlautbarungen ebenso wie in ihren Darlegungen zur europäischen Sicherheit die Bundesrepublik als Angriffsziel heraus. Der West-Berliner Senat erscheint dabei in der Rolle eines Satelliten. In den Berlin-Kommentaren werden, jedoch — anders als in den Stellungnahmen zur europäischen Sicherheit — neben den westeuropäischen Ländern auch die Vereinigten Staaten weitgehend geschont. Diese Abweichung vom generellen Schema hat offensichtlich den Grund, daß sich die Amerikaner in Berlin in einer Interessengemeinschaft mit den Franzosen und Briten gegenüber den Westdeutschen befinden und daß daher die sonst gebräuchliche Gegenüberstellung von Westeuropäern auf der einen und Westdeutschen und Amerikanern auf der anderen Seite nicht durchführbar ist. übergeordneter Zweck der verschiedenen Ausspielungsmanöver ist, die Gegensätze unter den Mächten, die West-Berlin Rückhalt gewähren, zur vollen Entfaltung zu bringen. Auf diese Weise soll das Engagement für die Stadt allmählich von innen zerstört werden. Die Spaltungsstrategie in der Berlin-Frage ist darauf berechnet, für den sowjetischen Angreifer eine Lage herbeizuführen, in der er nur einen der beiden Pfeiler der West-Berliner Existenz, nämlich die Bundesrepublik, attackieren müßte, aber zugleich damit das Ganze der West-Ber-liner Existenz (die ohne den Rückhalt an der Bundesrepublik nicht denkbar ist) bedrohen könnte. Die Solidarisierung der Westmächte mit dem bundesdeutschen Partner in der Berlin-Frage nach dem 21. August hat die sowjetische Berlin-Offensive vorerst zu einem Stillstand gebracht.

Auf längere Sicht hin sind damit freilich die Gefahren für West-Berlin noch nicht überwunden. Sobald die Situation dem wieder günstiger erscheinen mag, kann Moskau die schleichende Offensive vom Frühjahr und Sommer 1968 wieder aufnehmen. Im übrigen birgt auch der gegenwärtige Status quo West-Berlinsschon genügend Probleme in sich, die Ansatzpunkte für eine unvermerkte Strategie der psychologischen Entmutigung und der wirtschaftlichen Strangulierung West-Berlins bietet, wie sie auch im gegenwärtigen Moment relativer Ruhe deutlich genug betrieben wird. Inwieweit Moskau und Ost-Berlin damit Erfolge erzielen können, wird entscheidend von der künftigen Solidarität zwischen den Westmächten und der Bundesrepublik und der Fähigkeit beider Seiten zu raschen und adäquaten Reaktionen abhängen. Eine offene Aggressivität des sowjetischen Vorgehens wird, solange sich die sowjetischen Verhaltensmuster nicht grundlegend ändern, sich dabei nur in dem Ausmaße entwickeln, wie die Westmächte ihr Berlin-Engagement zu lockern scheinen und damit für die sowjetische Seite die Schwelle der Konflikterwartung erhöhen. Daß sich diese Schwelle gegenwärtig gesenkt hat, ist der Hauptgrund für die derzeitige relative Zurückhaltung Moskaus, die freilich nicht als ein grundsätzlicher Verzicht auf neue Berlin-Aktionen zu einem späteren Zeitpunkt mißdeutet werden darf.

Nachwort zur neuesten Entwicklung

Die vorstehenden Ausführungen wurden Anfang Dezember 1968 abgeschlossen. Inzwischen haben die Auseinandersetzungen um West-Berlin ein neues Stadium erreicht. Es entspricht den Voraussagen dieser Analyse, daß der neuen Berlin-Offensive der Sowjetunion und der DDR zwei Wandlungen in der westlichen Politik gegenüber der UdSSR vorausgegangen sind — nämlich die prononcierte französische Entscheidung für einen Kurs des engen Einvernehmens mit Moskau und die Festlegung des neuen amerikanischen Präsidenten auf den Kernwaffensperrvertrag. Beides wurde in der sowjetischen Hauptstadt mit sichtlicher Genugtuung, ja Erleichterung notiert, und die sowjetischen Führer sehen seitdem zwei wesentliche außenpolitische Aktiva, die nach der Intervention in der Tschechoslowakei gefährdet waren, neu gesichert: den sowjetisch-französischen Bilateralismus unter der Parole einer gesamteuropäischen Entspannung und den sowjetisch-amerikanischen Dialog im Namen einer weltweiten Rüstungskontrolle. In Moskauer Sicht akzeptieren damit Frankreich und die Vereinigten Staaten zugleich stillschweigend die sowjetische Politik gegenüber der Tschechoslowakei und die formelle Ausdehnung der sowjetischen Herrschaft über die Warschauer-Pakt-Staaten, wie sie in der soge-nannten Moskauer Doktrin vorgenommen worden ist. Dem stillschweigenden Einverständnis Frankreichs und der Vereinigten Staaten messen die sowjetischen Führer größte Wichtigkeit bei; Großbritannien, das noch immer Unzufriedenheit über das sowjetische Vorgehen in der Tschechoslowakei zeigt, wird ohne sonstige Interessengegensätze zur UdSSR seither zusammen mit der Bundesrepublik in das Kreuzfeuer der sowjetischen Polemik genommen.

Das Einschwenken Frankreichs und der Vereinigten Staaten auf eine Linie, die den gegenwärtig vordringlichen sowjetischen Wünschen entspricht, ließ Moskau weiterhin zu der Einschätzung gelangen, daß nunmehr auch seine alte Politik einer Isolierung der Bundesrepublik im Kreise der westlichen Nationen wieder gute Erfolgsaussichten habe. Dementsprechend begann die sowjetische Propaganda Ende Januar, die bisherige relative Zurückhaltung gegenüber der Bundesrepublik aufzugeben und Bonn in gleicher Schärfe wie bis zum Früh-herbst 1968 als den Unruhestifter im westlichen Lager und als den Erzfeind der nationalen Interessen aller westlichen Länder hinzustellen. Allem Anschein nach hat die Zuwendung Frankreichs und der Vereinigten Staaten die sowjetischen Führer auch zu der Annahme verleitet, daß sich die nach dem 21. August 1968 neu befestigte Solidarität des Westens mit der Bundesrepublik in der Berlin-Frage entscheidend verringert habe. Wie es scheint, hat Moskau in verschiedenen Details des westlichen Berlin-Verhaltens eine Bestätigung dieser Annahme erblickt. Ein Bonner Gerücht, wonach eine befreundete Macht Bundestagspräsident Gerstenmaier für die Bundes-präsidentenwahl die Wahl eines anderen Ortes als West-Berlin nahegelegt haben sollte, war in Moskau und Ost-Berlin mit größtem Interesse registriert worden. Auch die Reaktion der drei westlichen Botschafter in Bonn, die, wie berichtet wird, den Protest Abrassimovs gegen die Einberufung der Bundesversammlung nach West-Berlin kommentarlos entgegennahmen, dürfte die sowjetischen Führer in dem Glauben bestärkt haben, daß die Westmächte der Bundesrepublik nur wenig Rückhalt gewähren würden. Somit entstand in Moskau der Eindruck, daß Bonn und seine westlichen Partner in ihrer gesamten Außenpolitik und insbesondere in der Berlin-Frage gespalten seien und daß mithin ein vorsichtiges Vorgehen gegen die Verbindungen West-Berlins zur Bundesrepublik aus Anlaß der geplanten Bundespräsidentenwahl wenig Risiken in sich berge. Auf dieser Grundlage kamen die Führer der Sowjetunion und der DDR überein, von Verbal-protesten zu neuerlichen Maßnahmen gegen den freien West-Berlin-Verkehr überzugehen. Mit den Transitbeschränkungen vom 8. Februar 1969 bekräftigte die DDR ebenso wie mit den Maßnahmen vom Vorjahre ihren Anspruch auf das alleinige Verfügungsrecht über den deutschen West-Berlin-Verkehr. Dabei waren erneut eine peinliche Schonung der seitens des westlichen Militärs genutzten Zugangsrechte und eine enge Begrenzung der praktischen Auswirkungen auf den Ablauf des deutschen West-Berlin-Verkehrs festzustellen. In wiederholten Stellungnahmen der Sowjetunion und der DDR wurden weitere, bereits beschlossene Maßnahmen angekündigt für den Fall, daß Bonn nicht auf die vorgesehene Ab-haltungder Bundespräsidentenwahl in West-Berlin verzichte.

Die sowjetische Einschätzung der westlichen Haltung erwies sich als eine Fehlspekulation:

Die Berlin-Gruppe der drei Westmächte protestierte mit ungewöhnlicher Promptheit undl mit eindeutiger Klarheit gegen die Maßnahmen der DDR und wies die Angriffe, mit denen Ost-Berlin sein Vorgehen zu rechtfertigen suchte, scharf zurück. Im übrigen signalisierten die kurz zuvor (vor der Proklamation der Transitbeschränkungen, aber nach der sowjetischen Genehmigung für diese) angekündigten Besuche des amerikanischen Präsidenten und des britischen Premierministers in West-Berlin daß das frühere Engagement des Westens für die Stadt weiterhin galt. Auf Grund der vorangegangenen Fehleinschätzung haben sich jedoch die sowjetischen Führer inzwischen so weit festgelegt, daß es für sie äußerst schwer sein dürfte, die Auseinandersetzung ohne Gesichtsverlust zu beenden. Auch die deutsche Bundesregierung kann, nachdem sie sich in der früheren Periode fehlender sowjetischer Neigung zu Aktionen auf den Zusammentritt der Bundesversammlung festgelegt hat, kaum noch einen Rückzieher machen: Das würde nicht nur in aller Welt den Eindruck einer klaren Niederlage vor der Sowjetunion schaffen, sondern auch katastrophale Folgen für die Moral der West-Berliner Bevölkerung zeitigen können. Unter diesen Voraussetzungen ist es heute (am 13. Februar 1969) noch nicht abzusehen, wie die scharfe Konfrontation aus Anlaß der Bundespräsidentenwahl in West-Berlin — eine Konfrontation, wie sie unter diesen Umständen weder von Moskau noch von Bonn beabsichtigt worden ist — ausgehen wird. Sicher ist nur, daß die sowjetischen Führer in jedem Fall versuchen werden, die Konfrontation auf den jetzigen Anlaß zu begrenzen und den Ausbruch einer umfassenden Berlin-Krise zu vermeiden, der ihre in Paris und Washington gerade erst neu gesicherten Entspannungsvorteile wieder gefährden müßte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Abdruck bei Alois Riklin, Das Berlinproblem, Köln 1964, S. 293— 311.

  2. Abdruck bei A. Riklin, a. a. O., S. 312— 380. — Die Übereinkunft vom 14. 11. 1944 ist nicht identisch mit der vorher erwähnten Vereinbarung gleichen Datums.

  3. Vgl. Hans Speier, Die Bedrohung Berlins, Köln-Berlin 1961, S. 16— 52; J. E. Smith, a. a. O„ S. 151— 208; Fritz Faust, Das Potsdamer Abkommen und seine völkerrechtliche Bedeutung, Frankfurt-Berlin, S. 203— 218. Dokumente: Dokumente zur Berlin-Frage, a. a. O„ S. 123— 138, 166— 195, 228— 236.

  4. So wird beispielsweise die außenpolitische Vertretung durch einen anderen Staat auch bei Klein-staaten wie Monaco, San Marino, Sikhim und Bhutan als natürlich akzeptiert, obwohl diese völkerrechtlich sogar souveränen Status besitzen.

  5. Vgl. Jean Edward Smith, The Defense of Berlin, Baltimore 1963, S. 71— 89; Alois Riklin, Das Berlinproblem, Köln 1964, S. 262— 275. Dokumente: A. Riklin, a. a. O., S. 381— 394; Dokumente zur Berlin-Frage 1944— 1962, hrsg. vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., München 1962, S. 38— 59.

  6. Das Recht hierzu war in den — im November 1945 endgültig fixierten — Vereinbarungen eindeutig enthalten: Die UdSSR hatte von ihrer anfänglichen Forderung Abstand genommen, daß die westlichen Uberflugrechte nur für den westlichen Militärverkehr gelten sollten.

  7. Vgl. Gerhard Wettig, Moskau und die Große Koalition in Bonn, in-Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 10/68 vom 6. 3. 1968, S. 3— 22.

  8. Spartak Beglov, Za fasadom , osobych otnosenij', in Mezdunarodnaja izn‘, 1968 H. 3, S. 55.

  9. Bonner Annexionspolitik verschärft Spannungen, in: Neues Deutschland [hinfort: NDj vom 19. 1. 1968.

  10. Radio Moskau (russisch und deutsch) am 5. 2.

  11. M. Podkljucnikov, Reitel’nyj otpor, in: Pravda vom 17. 2. 1968.

  12. Presseerklärung des sowjetischen Außenministeriums, in: Pravda vom 25. 2. 1968.

  13. Erklärung des Außenministeriums der DDR, in: ND vom 4. 3. 1968.

  14. Erklärung von Botschafter P. Abrassimov am 4. 3. 1968, in: Pravda/ND vom 5. 3. 1968.

  15. In: ND vom 11. 3. 1968.

  16. Abgedruckt in: ND vom 15. 4. 1968.

  17. Abgedruckt in: ND vom 12. 6. 1968.

  18. Wiedergabe in: Außenpolitische Korrespondenz (Ost-Berlin), 12 Jg. Nr. 27, vom 8. 7. 1968, S. 229. — über erwogene weitere Maßnahmen gegen West-Berlin: Ullrich Rühmland, SED-„Sorgen" um West-Berlin, in: Der Volkswirt (Frankfurt), 1968 Nr. 26, S. 19 f.

  19. Der Aufsatz in der — Anfang Oktober zusammengestellten — Novembernummer der offiziösen „Deutschen Außenpolitik", in dem der Standpunkt der DDR dargelegt wird, daß die DDR die volle Souveränität über die Zugangswege nach West-Berlin zu beanspruchen habe, ist vermutlich als theoretische Flankierung anzusehen.

  20. Vgl. die entsprechende Mitteilung der Alliierten Kommandantur [West-]Berlins an den Regierenden Bürgermeister vom 5. 5. 1955, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik, bearb. von E. Deuerlein und H. Schierbaum, hrsg. vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, II 1/1, Bonn-Berlin 1961, S. 5.

  21. Ju. Semenov/B. Chodakovskij, Interv’ju v Zapadnom Berline, in: Pravda vom 10. 7. 1968.

  22. In: Dokumentation der Zeit (Ost-Berlin), H. 391 (1. Oktoberheft 1967), S. 33.

  23. In: ND vom 2. 12. 1967.

  24. Bernd Kaufmann/Peter Morgenstern, Völkerrechtswidrige Westberlinpolitik, in: Deutsche Außenpolitik, 1967 H. 8, S. 929.

  25. Sendung „Pulsschlag der Zeit" im [Ost-]Berliner Rundfunk am 26. 1. 1968 - Diese These ist seit Juni 1968 mehrfach wiederholt worden.

  26. Schütz bot Polizei gegen SP-Parteitag auf, in: ND vom 12. 2. 1968.

  27. West-Berlin-Kommentar von Hein Geggel im Deutschlandsender am 27. 2. 1968.

  28. Vor dem Einmarsch in die SSR machte Ost-Berlin nochmals tastend den Versuch, Einschränkungen an den westlichen Rechten vorzunehmen (s. o.). Dabei war die sowjetische Unterstützung angesichts der bisherigen Berlin-Strategie der UdSSR von vornherein höchst zweifelhaft; die neue Lage im Verhältnis zu den Westmächten seither läßt die frühere sowjetische Vorsicht noch wichtiger als vor dem 21. August erscheinen.

  29. Der Standpunkt, daß die DDR bereits am 20. 9. 1955 die Hoheit über den deutschen Berlin-Transit erlangt habe, wurde schon vor dem 11. 6. 1968 formuliert: vgl die Erklärung der sowjetischen Botschaft in Ost-Berlin vom 10. 5. 1968 (Izvestija vom 11. 5. 1968). Nach dem 11. 6. 1968 wurde diese These zum dauernden Bestandteil der Argumentationen in den Fragen des Berlin-Zugangs und nahm dabei die oben umschriebene Funktion an.

  30. Sendung „Any Questions?; in Radio Berlin International am 5. 4. 1968.

  31. A. a. O.

  32. So Radio Moskau (deutsch) am 16. 2. 1968.

  33. Radio Frieden und Fortschritt (deutsch) am 2. 12. 1968.

  34. Radio Frieden und Fortschritt (deutsch) am 30. 11. 1968.

  35. Referat von Kurt Hager auf der 4. Tagung des ZK der SED am 29. 1. 1968, in: ND vom 30. 1. 1968.

  36. APN-Kommentar von Elizaveta Zeveleva vom 20. 2. 1968.

  37. Zitiert nach der sowjetamtlichen deutschen Fassung in: ND vom 14. 7. 1968.

  38. In: ND vom 13. 12. 1967.

  39. Referat auf der 4. Tagung des ZK der SED am 29. 1. 1968, in: ND vom 30. 1. 1968.

  40. Heinz Dieter Schliebe, Wohin treibt West-Berlin? in: Deutsche Außenpolitik (Ost-Berlin) 1967 H. 12, S. 1447.

  41. Radio Frieden und Fortschritt (deutsch) am 2. 12. 1968. — Die Maßnahmen der DDR zur Einengung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit West-Berlins betreffen nicht nur die verschiedenen Einschränkungen und Belastungen des Verkehrs zwischen der Stadt und der Bundesrepublik, sondern auch handelspolitische Diskriminierungen vielfältiger Art. So sorgt die SED-Führung beispielsweise dafür, daß die landwirtschaftlichen Ausfuhrgüter Polens nicht nach West-Berlin (wo man ihrer am meisten bedarf), sondern nur nach Westdeutschland geliefert werden, oder erteilt ihre Aufträge im Rahmen des innerdeutschen Handels an westdeutsche Firmen, auch wenn deren Preisangebote erheblich über denen entsprechender WestBerliner Firmen liegen.

  42. Hierzu: Gerhard Wettig, Der Dialog zwischen SPD und SED in der kommunistischen Deutschland-politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 9/67 vom 1. 3. 1967, S. 13— 24.

  43. Die UdSSR wollte sich damals der Bundesrepublik Deutschland annähern mit dem Ziel, die bundesdeutschen NATO-Bindungen abzubauen. Feindselige Töne gegen Bonn aus der DDR bedeuteten dabei für die sowjetischen Führer keine ernstliche Verlegenheit, da sie durch einen abrupten Stopp aller sowjetischen Pro-DDR-Erklärungen der Bundesregierung ihre Ablehnung der ostdeutschen Haltung signalisieren konnten. Anders als bei kämpferischen Aktionen bedurften sie bei einer Anknüpfungsinitiative der DDR-Mitwirkung nicht. — Literaturhinweis in Anm. 7.

  44. So Radio Moskau (deutsch) vom 18. 6. 1968.

  45. So Radio Moskau (deutsch vom 14. 6. 1968.

  46. Vgl. J. Masic, Igrajut s ognem, in: Sovetskaja Rossija vom 10. 3. 1968.

  47. Vgl. V. Kukuskin. Po stopam ssovcev, in: fzvestija vom 23. 12. 1967.

  48. Zur Tatsachenbasis der Anschuldigungen: Die kommunistische Verleumdungskampagne gegen den Bundespräsidenten [Stellungnahme des BMI mit Dokumenten], in: Innere Sicherheit, Nr. 11/1966 vom 28. 10. 1966.

  49. TASS-Meldung (russisch) vom 15. 6. 1968.

  50. Ju. Semenov/B. Chodakovskij, Interv'ju v Zapadnom Berline, in: Pravda vom 10. 7. 1968.

  51. In: ND vom 12. 6. 1968.

  52. In: Pravda vom 28. 6. 1968. - Darstellung des vor dem Einmarsch in die SSR sich verringernden Engagements für die Berlin-Standpunkte der Bundesrepublik und der DDR im Westen beziehungsweise unter den kleineren kommunistischen Staaten Osteuropas bei: Günter Hindrichs, Die Berlin-Frage in der Sicht des Auslandes, in: Europäische Begegnung (Essen), 1968 H. 7/8, S. 344- 347.

  53. V. Kukuskin, Vystavka otkryta, in: Izvestija vom 28. 11. 1967.

  54. Die seither erneuerte unerbittliche Anti-BRDundi Anti-USA-Ausrichtung der UdSSR unter der Parole der europäischen Sicherheit erfordert eine Zusammenfassung aller kommunistischen Staaten Ost-und Mitteleuropas.

  55. Zu den sich dadurch ergebenden politischen und völkerrechtlichen Problemen vgl. Dieter Schroeder, Berlin ist nicht Singapur, in: FAZ vom 10. 10. 1967.

  56. E. Grigor'ev Sobytiya i resenija, in: Pravda vom 16. 6. 1968. Wiederholt von TASS (russisch) am 16. 6. 1968.

  57. G. Gurkov, Bonn bessilen cto-libo izmenit’, in: Komsomolskaja pravda vom 13. 6. 1968.

  58. V. Kuznecov, NATO nagnetaet naprjazennost', in: Pravda vom 27. 6. 1968.

  59. Vgl. Gerhard Wettig, Die europäische Sicherheit in der Politik des Ostblocks 1966, in: Osteuropa, 1967 H 2/3, S. 94— 113; Wolfgang Berner, Das Karlsbader Aktionsprogramm, in: Europa-Archiv, 1967 H. 11 (5. 6. 1967), S. 393— 400; Gerhard Wettig, Haupttendenzen der gegenwärtigen Deutschlandpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, B 42/67 vom 18. 10. 1967, S. 3— 16; Malcolm Mackintosh, Die Sowjetunion und die europäische Sicherheit, in: Europa-Archiv, 1968 H. 6 (25. 3. 1968), S. 201— 210.

  60. Vgl. Gerhard Wettig, Funktionen eines Sperrvertrages in der sowjetischen Politik, in: Außenpolitik, 1968 H. 1, S. 9— 23.

  61. Vgl. die Angaben in den Anmerkungen 60 und 61 sowie die Schlußfolgerungen bei Richard Löwenthal, Der Einfluß Chinas auf den Ost-West-Konflikt, in: Europa-Archiv, 1967 H. 10 (25. 5. 1967), S. 345 ff.

Weitere Inhalte

Gerhard Wettig, Dr. phil., geboren 1934 in Gelnhausen/Hessen, Studium der Geschichte, Slawistik und Politikwissenschalt, Wiss. Referent am Bundesinstitut für ost-wissenschaftliche und internationale Studien in Köln. Veröffentlichungen u. a.: Entmilitarisierung und Wiederbewaffnung in Deutschland 1943 bis 1955. Internationale Auseinandersetzungen um die Rolle der Deutschen in Europa, München 1967; Die Rolle der russischen Armee im revolutionären Machtkampf 1917, Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Band 12, Berlin 1967; Politik im Rampenlicht. Aktionsweisen moderner Außenpolitik, Fischer Bücherei 845, Frankfurt 1967.