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Skeptische Gedanken zum Europatag 1969. Zwanzig Jahre Europarat | APuZ 18/1969 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 18/1969 Skeptische Gedanken zum Europatag 1969. Zwanzig Jahre Europarat Lateinamerika und die EWG Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen

Skeptische Gedanken zum Europatag 1969. Zwanzig Jahre Europarat

Claus Schöndube

„Einmal im Jahr begehen die Bürger von alten und neuen Ländern überall in der Welt ihren Nationaltag, um die Leistungen und die Ideale, die zur Staatwerdung geführt haben, zu feiern. Wo Länder in weiteren Bindungen leben, wie zum Beispiel als Mitglieder der Vereinten Nationen oder des britischen Commonwealth, wird neben dem Nationalfeiertag auch noch an einem anderen Tag der internationalen Zusammengehörigkeit und der friedlichen Zusammenarbeit gedacht.

Jürgen Westphalen: Lateinamerika und die EWG . . . Bernd V. Dreesmann: Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen .... S. 17 S. 33

Trotz aller Fortschritte auf dem Wege zur Einigung, die unser alter Kontinent seit 1945 gemacht hat, haben die Europäer erst seit kurzer Zeit ihren , Europa-Tag'. Nach langen Vorarbeiten durch amtliche Stellen und Privatorganisationen hat der Europarat im Jahre 1964 schließlich den Vorschlag zur Einführung eines jährlichen Europa-Tages angenommen, der ein Symbol der gemeinsamen Ideale und Hoffnungen unserer Völker sein soll. So wehte am 5. Mai 1965, sechzehn Jahre nach der Unterzeichnung des Statuts des Europarates in London, die europäische Flagge zur feierlichen Begehung des ersten Europa-Tages.

Seither sind die Feiern immer zahlreicher und sinnreicher geworden. Plätze und Straßen in Städten und Dörfern überall in Europa wurden nach Europa selbst oder den Schrittmachern seiner Einigung benannt. Jedes Jahr werden besondere Veranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen, Diskussionen, Filmfestivals und sogar Paraden mit einem europäischen Thema durchgeführt. Immer häufiger sieht man die Fahne mit dem europäischen Symbol, dem Kreis von 12 goldenen Sternen auf blauem Grund, neben der Nationalfahne auf öffentlichen Gebäuden wehen.

Wenn der Europa-Tag wirklich ein Symbol der Hoffnungen unserer Völker sein soll und nicht nur eine Gelegenheit zum Festefeiern, müssen wir uns doch bewußt sein, daß das Werk der Einigung Europas noch lange nicht vollendet ist."

Mit diesen Sätzen beginnt eine Schrift des Europarates zum Europatag 1968. Am 5. Mai dieses Jahres begehen wir den zwanzigsten Jahrestag der Unterzeichnung des Statuts des Europarates in London. Wieder werden Reden gehalten werden, Erklärungen veröffentlicht, Mahnungen und trostreiche Worte zu vernehmen sein, die die gegenwärtige Stagnation der europäischen Integration zu erklären, abzuschwächen, umzuinterpretieren oder zu verharmlosen versuchen. Aber trotz dieser Bemühungen wird man nicht ableugnen können, daß spätestens seit der EWG-Krise 1965 (wenn man das Datum nicht noch früher ansetzen will — etwa beim Scheitern des ersten Beitrittsgesuches Großbritanniens in die EWG vom Januar 1963) der Aufbau des vereinten Europa stagniert. Als Zyniker könnte man hinzufügen: Seit wir den Europatag feiern, geht es mit Europa nicht mehr voran.

Und doch hatte es zu Zeiten der Gründung des Europarates so ausgesehen, als gelänge es im ersten oder zweiten Anlauf, den Kern einer politischen Einheit Europas zu schaffen, jenen Kern, der den „point of no return" bedeutet hätte, von dem aus nur noch der Weg der Erweiterung und der Vertiefung der einmal gegründeten Organisation möglich gewesen wäre, nicht aber die Rückkehr zu den totgeglaubten und damals verabscheuten und diskreditierten Nationalismen. Hatte es damals nicht den Anschein, als ob auch die Staaten sich der zwingenden Logik der Vereinigung nicht würden entziehen können? Der erste Anlauf Als im Mai 1948 knapp tausend Delegierte zum ersten Haager Kongreß zusammenkamen, der zur Gründung der Europäischen Bewegung führte, hatten wohl manche die Überzeugung, daß der Stein ins Rollen gekommen sei. Das Echo dieses Kongresses war beachtlich. Zudem waren nach dem Haag die bedeutendsten Politiker — zumindest des westlichen Europas — gekommen. Und auch die Regierungen waren beeindruckt. Nachdem bereits andere Ereignisse — die jedoch in die gleiche Richtung deuteten — zur Gründung der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) geführt hatten, der Brüsseler Pakt (die heutige WEU) gegründet worden war und erste Vorschläge für eine atlantische Verteidigungsallianz diskutiert wurden, schien es angebracht, Europa auch politisch zu organisieren. Es gelang tatsächlich den europäischen Kräften, die Regierungen Westeuropas, in denen sie teilweise selbst saßen, zur Gründung des Europarates zu bewegen.

Als aber dann der Vertragsentwurf bekannt wurde, zeigte es sich, daß nicht eine übernationale Institution gegründet werden sollte, sondern daß die Satzung eine zwischenstaatliche Institution ins Leben rief, deren entscheidendes Organ, das Ministerkomitee, nicht auf das Prinzip der Einstimmigkeit verzichtete und daß selbst einstimmige Beschlüsse dieses Organs für die Mitgliedsregierungen nicht bindend waren. Dem parlamentarischen Organ — oder sollte man pseudoparlamentarisch sagen? — hatte man überhaupt keine Rechte zugebilligt.

So brach — kaum war die Beratende Versammlung zum ersten Mal zusammengetreten — der offene Konflikt aus zwischen den Föderalisten (die auf der Schaffung einer übernationalen Autorität bestanden) und den anderen (die man damals wenig differenziert einfach Funktionalisten nannte, obwohl sich unter ihnen die verschiedensten Strömungen verbargen).

Dieser Konflikt in einer Versammlung, die nichts entscheiden konnte, dauerte bis in die Dezembertage 1951, obwohl sich schon vorher zeigte, daß im Europarat und in dieser Zusammensetzung der teilnehmenden Staaten die Einheit Europas nicht zu erreichen war (Robert Schuman hat daraus am 9. Mai 1950 die Konsequenz gezogen, wie weiter unten noch ausgeführt wird). Markiert wurde das Ende der „revolutionären Phase" des Europarates durch den Rücktritt von Paul Henri Spaak als Präsident der Beratenden Versammlung am 11. Dezember 1951; seine Rücktrittsrede gehört wohl zu den erregendsten Dokumenten jener Epoche.

Nachdem Spaak den Satz aus Bernard Shaws „Heiliger Johanna" zitiert hatte: „Lassen wir nun die Verrückten es machen! Seht doch, wohin die Weisen uns geführt haben!", fuhr er fort: „Ob wir es gern hören oder nicht, heute ist es nicht mehr diese Versammlung, die die Sache des Vereinigten Europas vertritt. Und das ist der Grund meiner Traurigkeit. Jene, die auf dem Wege fortfahren wollen, den wir seit einigen Jahren beschritten haben, wissen nunmehr, daß die hier bestehenden Möglichkeiten nahezu gleich Null geworden sind. Sie wissen nunmehr, daß man über die Mauer dieses Hauses hinaus schauen muß, daß man das Problem nur dann lösen wird, wenn man sich erneut der Propaganda zuwendet, erneut die öffentliche Meinung aufruft, indem man die Völker alarmiert, ihnen die wirkliche Lage aufzeigt und ihnen dartut, wo die Rettung liegt, wenn man das Unheil verhüten will."

Ursachen des Scheiterns Woran scheiterte die Beratende Versammlung und mit ihr jene Vorstellung, für West-, Nord-und Südosteuropa eine „Europäische Politische Behörde mit beschränkten Funktionen, aber realen Machtbefugnissen" zu schaffen, wie es die Beratende Versammlung des Europarates am 6. September 1949 beschlossen hatte? Heu-te besteht kein Zweifel mehr daran, daß das Nein Großbritanniens und in seinem Gefolge auch das Nein der nordischen Staaten die Hauptursache des Mißerfolges waren. Und das einigungswilligere Westeuropa (dessen Vertreter bereits am 18. April 1951 den Vertrag zur Gründung der Montanunion unterzeichnet hat-ten) war dem Mißtrauen aller sozialistischen und auch liberalen Kräfte ausgesetzt, die in der Sechsergruppierung ein klerikales Rest-europa vermuteten und zudem einen Versuch Frankreichs, in Westeuropa eine Hegemonie-stellung zu erringen. Widerstand gab es also überall, und das war der Grund, der Robert Schuman veranlaßte, die sogenannte „funktionalistische" Methode für die europäische Einigung anzuwenden, mit der schrittweise der Integrationsprozeß in Gang gesetzt werden sollte.

Der Europarat zwischen Politik und Kammerton Zurück blieb der Europarat, der in den folgenden achtzehn Jahren zwar noch manche politischen Vorstöße unternahm und als Diskussionsort europäischer Initiativen gute Dienste leistete, der aber nicht mehr als Ort zur Durchsetzung der europäischen Integration gelten konnte. So wandte er sich anderen Aufgaben zu. In über 50 Konventionen und durch seine Bemühungen auf dem Gebiete der Kultur, des Erziehungswesens, des Gesundheitswesens, der Rechtsangleichung und anderer Gebiete hat er sich verdient gemacht; er hat erstklassiges auf zweitrangigem Gebiet geleistet, wie ein Kenner der Materie treffend formulierte. Wenn man aber heute — zwanzig Jahre nach der Gründung des Rates — auf die Hoffnungen zurückschaut, die damals mit seiner Gründung verbunden waren, dann muß man mit Wehmut feststellen, daß er diese nicht erfüllt hat. Und ein Gefühl der Rührung gesellt sich hinzu, wenn man sieht, mit welchem Ernst verschiedene Arbeiten dort vorangetrieben werden, etwa die Bemühungen um die Fixierung des Kammertons.

Der vielleicht wichtigste Beitrag, der aus den frühen fünfziger Jahren übriggeblieben ist, ist die Konvention der Menschenrechte, in deren Rahmen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gebildet worden ist.

Vor diesem Gerichtshof findet zur Zeit der Prozeß gegen die griechische Regierung statt. Am Ausgang dieses Prozesses und an den Konsequenzen wird man erneut ermessen können, was der Europarat heute im politischen Rahmen noch wert ist. Daß Frankreich bis heute die Konvention nicht ratifiziert hat, erhöht leider weder das Prestige des Gerichtshofes noch die Bedeutung der Konvention.

Der zweite Anlauf Der französische Politiker Robert Schuman zog als erster die Konsequenzen aus den ergebnislosen Verhandlungen im Europarat, lange bevor deren Scheitern sichtbar wurde. Am 9. Mai 1950 verlas er vor der Presse mit Billigung der französischen Regierung, deren Außenminister er damals war, eine Erklärung, in der er die Gründung einer Montanunion vorschlug. Darin heißt es: „Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, daß der jahrhundertealte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird.

Das begonnene Werk muß in erster Linie Deutschland und Frankreich erfassen.

Zu diesem Zweck schlägt die französische Regierung vor, in einem begrenzten, doch entscheidenden Punkt sofort zur Tat zu schreiten. Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohlen-und Stahlproduktion unter eine gemeinsame Oberste Aufsichtsbehörde (Haut Autorite) zu stellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht.

Die Zusammenlegung der Kohlen-und Stahl-produktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Ent5 Wicklung sichern — die erste Etappe der europäischen Föderation — und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer sie gewesen sind."

Bundeskanzler Adenauer begrüßte noch am gleichen Tag den französischen Vorschlag. Die britische Regierung wurde vom französischen Botschafter in London ebenfalls am gleichen Tage informiert, aber — wie aus einer Depesche des britischen Außenministers Ernest Bevin an den britischen Botschafter in Paris hervorgeht — sie gab keine Stellungnahme ab. In den folgenden Wochen fand ein zähes Ringen zwischen Frankreich und Großbritannien statt. Es ging um die Teilnahme Großbritanniens an der geplanten Gemeinschaft. Kernpunkt der Auseinandersetzungen war die Bedingung der britischen Regierung, nur an unverbindlichen Verhandlungen teilzunehmen, während die französische Regierung von Anfang an als Ziel dieser Verhandlungen die Schaffung einer übernationalen Behörde sah, die mit gewissen Souveränitätsrechten ausgestattet sein sollte. Da trotz zahlreicher Versuche über diesen Grundsatz keine Einigung zu erzielen war, wurden schließlich die Verhandlungen von sechs Staaten, ohne Großbritannien, ausgenommen. Diese führten dann zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.

Mit dieser Gründung war erstmals das supranationale Prinzip in Europa eingeführt. Die durch den Vertrag geschaffene Hohe Behörde hatte zwar begrenzte, aber echte Machtbefugnisse auf dem Sektor Kohle und Stahl. Dagegen wurde das demokratische Prinzip nur sehr formal berücksichtigt. Zwar wurde eine gemeinsame Versammlung aus Delegierten der nationalen Parlamente errichtet, ihre Befugnisse waren jedoch praktisch gleich null. (Aus der Vereinigung dieser gemeinsamen Versammlungen mit den entsprechenden Einrichtungen der Europäischen Atomgemeinschaft entstand dann später das Europäische Parlament, das ebenfalls nur rudimentäre parlamentarische Rechte besitzt. Alle Bemühungen, diese Versammlung durch Direktwahl der Abgeordneten aufzuwerten oder ihr echte Kompetenzen zu geben, mißlangen, obwohl der EWG-Vertrag die Direktwahl ausdrücklich nach Ausarbeitung eines einheitlichen Verfahrens vorsieht [§ 138 EWG-VertragJ. Auch alle Versuche, innerhalb eines Landes die Direktwahl durchzusetzen, schlugen fehl, trotz „europafreundlichen" Mehrheiten in den entsprechenden Ländern. [Augenscheinlich gibt es in keinem Parlament der sechs Staaten eine Mehrheit, die in der einseitigen oder mehrseitigen Durchsetzung der Direktwahl ein Mittel sieht, um die europäische Integration zu fördern].)

Die relativ rasche Realisierung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl — vom Zeitpunkt der Erklärung von Robert Schuman am 9. Mai 1950 bis zur Unterzeichnung des Vertrages am 18. April 1951 war nicht einmal ein Jahr vergangen — ermutigte die europäischen Kräfte, auch andere politische Probleme durch funktionelle, partielle Integrationsverträge zu lösen. Von den zahlreichen Vorschlägen wurde jedoch zunächst nur das politisch aktuelle Problem der Verteidigung mit Beteiligung Deutschlands supranational angegangen. Erneut ergriff die französische Regierung die Initiative. Am 15. Februar 1951 begannen in Paris erste Verhandlungen, an denen Vertreter Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs, Italiens und der Bundesrepublik Deutschland teilnahmen. Als Beobachter beteiligten sich Vertreter Dänemarks, Großbritanniens, der Niederlande, Norwegens, Portugals und der USA, ebenso Bevollmächtigte von SHAPE und der NATO. Vom 9. Oktober 1951 an nimmt der Vertreter der Niederlande als stimmberechtigtes Vollmitglied an den Verhandlungen teil. Am 27. Mai 1952 konnte nach sehr schwierigen Verhandlungen der Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft unterzeichnet werden.

Der zwischen den sechs Partnern geschlossene neue Vertrag, der bekanntlich gekoppelt war mit dem Deutschlandvertrag (Ablösung des Besatzungsstatutes), beruhte ebenfalls auf dem Prinzip der Supranationalität. Graf Kielmansegg, Mitglied der deutschen Delegation bei den Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, gab damals folgende Charakterisierung des Vertrages: „Auf den ersten Blick mag das System der .. . Verträge und Protokolle als verwickelt und schwerfällig erscheinen, insbesondere, wenn man in die Betrachtung andere noch bestehende Pakte einbezieht. ... Wenn man den Vertrag und seine Zusatzprotokolle des zwar notwendigen, aber etwas verwirrenden Beiwerks entkleidet, bleiben wenige klare Grundlinien, die dies garantieren, übrig: Automatisches Bündnis, echte Supranationalität, unbedingte Gleichberechtigung, wirksame Integration."

Waren die Verhandlungen bis zum Vertragsabschluß schon ungleich schwieriger als die über die Gründung der Montanunion (es handelte sich sechs Jahre nach 1945 immerhin um die Wiederbewaffnung Deutschlands!), so entbrannte nach der Unterzeichnung ein harter Kampf um die Ratifizierung.

In Deutschland war eine Wiederbewaffnung gar nicht populär und die SPD machte sich zum Wortführer aller jener, die sie ablehnten. Bei den westlichen Partnern war das Mißtrauen und die Angst vor Deutschland noch sehr lebendig, insbesondere in Frankreich. Während Deutschland bei und nach den Verhandlungen auf absolute Gleichberechtigung der Vertragspartner drängte, suchte Frankreich vor allem Sicherheit vor einem deutschen Übergewicht. Und ganz allgemein war das Mißtrauen groß gegen eine europäische Armee ohne ausreichende politische und demokratische Kontrolle. Nun war es aber den Föderalisten gelungen, den Artikel 38 in den EVG-Vertrag einzubauen, der die politische Weiterentwicklung der Verteidigungsgemeinschaft ermöglichen sollte. Er lautete: „§ 1. Innerhalb der im letzten Absatz dieses Artikels vorgesehenen Fristen untersucht die Versammlung:

a) die Bildung einer Versammlung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft durch Wahl auf demokratischer Grundlage;

b) die Befugnisse, die einer solchen Versammlung zu übertragen wären; c) die Änderungen, die gegebenenfalls an den Vorschriften dieses Vertrages über die übrigen Organe der Gemeinschaft vorgenommen werden müßten, insbesondere, um eine angemessene Vertretung der Staaten sicherzustellen.

Bei ihren Untersuchungen hat sich die Versammlung insbesondere von nachstehenden Grundsätzen leiten zu lassen:

Die endgültige Organisation, die an die Stelle der vorläufigen Organisation treten wird, soll so beschaffen sein, daß sie den Bestandteil eines späteren bundesstaatlichen oder staatenbündischen Gemeinwesens bilden kann, das auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung beru-* hen und insbesondere über ein Zweikammernsystem verfügen soll. Die Versammlung hat ferner die Fragen zu prüfen, die sich aus dem Nebeneinander verschiedener, bereits vorhandener oder zu schaffender Organisationen für europäische Zusammenarbeit ergeben, um deren Zusammenfassung im Rahmen des bundesstaatlichen oder staatenbündischen Aufbaus sicherzustellen. § 2. Die Vorschläge der Versammlung sind dem Rat binnen sechs Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit vorzulegen. Diese Vorschläge sind sodann mit der Stellungnahme des Rates vom Präsidenten der Versammlung den Regierungen der Mitgliedstaaten zuzuleiten; diese haben binnen drei Monaten eine Konferenz zur Prüfung der Vorschläge einzuberufen."

Schließlich konzentrierten sich die leidenschaftlich geführten öffentlichen Debatten auf drei Hauptelemente, die die Ratifizierung erleichtern sollten: 1. Ausarbeitung einer Satzung für eine Europäische Politische Gemeinschaft bereits vor Ratifizierung des EVG-Vertrages entsprechend § 38 dieses Vertrages; 2. engere Bindung Großbritanniens an die EVG, um ein ausgewogeneres Gleichgewicht der Kräfte innerhalb der EVG herbeizuführen; 3. Ausarbeitung von Zusatzprotokollen, die vor allem das französische Sicherheitsbedürfnis befriedigen sollten.

So kam es, daß die gemeinsame Versammlung der EGKS am 10. September 1952 von den Außenministern der sechs Mitgliedsländer den Auftrag erhielt, einen Vertragsentwurf für die Gründung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft auszuarbeiten. Die Versammlung akzeptierte diesen Auftrag und konstituierte sich zu diesem Zweck als „Ad-hoc-Versammlung", die in sechs Monaten einen entsprechenden Vertrag ausarbeitete, den sie den Ministern am 10. März 1953 übergab.

Die Debatten in der Ad-hoc-Versammlung sind auch heute noch interessant, vor allem die Rede des heutigen französischen Außenministers Michel Debre — damals Mitglied der gaullistischen Opposition in der Kammer —, der als einziger profilierter „Neinsager" zu den Entwürfen am 7. Januar 1953 alle jene Argumente aufzählte, die heute in fast unveränderter Form die offizielle französische Europa-politik charakterisieren. Debr sagte unter anderem: „Diese Entwürfe sind Ihnen bekannt. Man kann sie folgendermaßen zusammenfassen:

Man teilt die hauptsächlichsten Souveränitätsrechte in Europa zwischen zwei Gruppen von Behörden auf: einerseits die nationalen Behörden, andererseits die sogenannten supranationalen Behörden. Diese Teilung ist unmöglich;

eine solche Autoritätszersplitterung kann nicht von Dauer sein....

Es gibt Zuständigkeiten, sogar wichtige Zuständigkeiten, die man teilen kann, aber es gibt auch solche, die man nicht teilen kann. Wenn es sich um die wesentlichen Grundlagen der Verteidigung, der Außenpolitik und, kurz gesagt, aller derjenigen staatlichen Zuständigkeiten handelt, die die Verantwortung für das Leben der Gesamtheit berühren und die heutzutage viel stärker sind als früher und mehr fordern, so kann man unmöglich eine dauerhafte Ordnung ins Auge fassen, wenn diese Ordnung auf einer Teilung, einer Zersplitterung zwischen verschiedenerlei Autoritäten ruhen soll. ...

hat zur höhe -Man geglaubt, Schaffung einer ren Souveränität genüge es, die Souveränität der Einzelstaaten einzuschränken, und man hat geglaubt, jede gewählte Versammlung, jedes Wahlsystem, jede verfassungsmäßige Ordnung müsse ein legitimes Staatswesen begründen. Diese beiden Irrtümer sind von entscheidender Bedeutung. ... Das nationale Prinzip ist mit Europa so eng verkettet, daß man nicht darüber hinwegsehen kann, ohne Gefahr zu laufen, sich erheblich zu verrechnen. ... Wenn man heute im Westen ein europäisches politisches Gebilde nach den Gesetzen der Freiheit aufbauen will, darf man nicht leugnen, daß es Nationen gibt. Man muß die einzig mögliche Lösung ins Auge fassen, nämlich einen Zusammenschluß der Staaten und der Nationen zur Verteidigung eines gemeinsamen Ideals."

Der ausgearbeitete Entwurf faßte die EGKS und die EVG zusammen und enthielt weiter Bestimmungen zur Errichtung eines gemeinsamen Marktes. Ferner sah er als Instrumentarium vor: eine direkt gewählte Volkskammer, ein von den nationalen Parlamenten gewählter Senat, einen Ministerrat, einen Exekutivrat, einen Gerichtshof und einen Wirtschafts-und Sozialrat. Obwohl für entscheidende Fragen die Einstimmigkeit im Ministerrat vorgesehen war, hatte man einen Mechanismus eingebaut (ähnlich wie später im Rahmen der EWG), der den Organen des Gemeinschaftsinteresses gegenüber den Organen der nationalen Interessen mehr Rechte zuweisen sollte. Diese Satzung war juristisch eine Mischung zwischen staatenbündlerischer und bundesstaatlicher Struktur, wobei die Väter des Vertrages die Hoffnung aussprachen, daß im Laufe der Zeit — eben durch praktizierte Integration — die Entwicklung zu einem Bundesstaat hinführen würde. Es war jene Grundhoffnung aller Bemühungen der „Europäer" in den fünfziger Jahren und anfangs der sechzigerJahre, daß durch die „normative Kraft des Faktischen", durch die politischen Verhältnisse, durch die sich verstärkenden Interdependenz, durch die Schwäche der Nationalstaaten, durch den Druck aus dem Osten und durch die ökonomischen Notwendigkeiten etc. die Dinge sich „vernünftig" entwickeln würden, wobei europäische Einheit und Vernunft häufig kongruent gebraucht wurden. Man müsse nur, so wurde argumentiert, einen Weg öffnen, dann käme praktisch alles automatisch, eben weil es vernünftig und notwendig sei. Diese Grundhoffnung erwies sich schon in den letzten Augusttagen 1954 als trügerisch, ebenso wie sie sich später im Rahmen der EWG als falsch erweisen sollte.

Erneuter Rückschlag Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, Großbritannien zu einem Frankreich genügenden Arrangement mit der EVG zu bewegen, da Großbritannien jeder supranationalen Autorität völlig ablehnend gegenüberstand Die französischen Zusatzwünsche, über die ebenfalls lange verhandelt wurde, erregten allenthalben Argwohn, nicht nur in Deutschland. Als schließlich am 20. Juni 1953 der gemeinsam erarbeitete Text der Zusatzprotokolle veröf-fentlicht wurde, fand keiner der Partner daran Gefallen, auch nicht Frankreich.

Die partielle Veränderung der weltpolitischen Situation (Tod Stalins, Ende des Koreakrieges) und das Ausscheiden des M. R. P. (der Partei Robert Schumans) aus der französischen Regierung durch den Sturz der Regierung Laniel, die Regierungsübernahme durch Mendes-France, der durch das Genfer Abkommen vom 21. Juni 1954 den Indochinakrieg beenden konnte, machten das Klima für die Annahme des EVG-Vertrages nicht günstiger. Nach der gescheiterten Brüsseler Konferenz vom 19. — 22. August 1954, bei der Mendes-France vergeblich versuchte, die anderen fünf Partner zu einer Abänderung des Vertrages zu bewegen, war das Schicksal der EVG und der Europäischen Politischen Gemeinschaft besiegelt. Am 30. August 1954 scheiterte der Vertrag in der französischen Kammer, indem er mit 319 gegen 264 Stimmen von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Die deutsche Wiederbewaffnung wurde jedoch nicht verhindert. (Im Rahmen der Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954 wurde sie durch die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO anderweitig gelöst.) Gescheitert war aber die Integrationslösung für wichtige europäische politische Probleme.

Die Pariser Verträge — auf Initiative Großbritanniens eineinhalb Monate nach Ablehnung der EVG (!) unterzeichnet — waren trotz europäischer Beteuerungen nationalstaatliche Verträge, die die Souveränität nicht antasteten, von gewissen Beschränkungen der deutschen Souveränität abgesehen. Auch die dabei gegründete Westeuropäische Union, entstanden durch Erweiterung des Brüsseler Paktes durch Aufnahme Italiens und Deutschlands, schuf keine neue europäische Plattform. Die bisherige Arbeit der Westeuropäischen Union zeigt ebenso wie die jüngste WEU-Krise (Frankreich nimmt seit dem 14. Februar 1969 nicht mehr an den Sitzungen des ständigen Rates teil, weil es in der nicht einstimmigen Annahme der Tagesordnung einen Verstoß gegen den Vertrag sieht), daß diese Organisation kaum aus sich heraus einen Beitrag zur europäischen Einigung leisten kann, trotz aller Versuche, sie zu einer Plattform des Brücken-schlages zwischen der EWG und Großbritannien zu machen.

Nach diesen Rückschlägen wird man erneut die Frage des „Warum" stellen müssen. Ist der Hauptgrund wieder in Großbritannien zu suchen? Ohne Zweifel war die Nichtbeteiligung Großbritanniens für eine Reihe französischer Abgeordneter ein schwerwiegender Grund zur Ablehnung, und von der Insel aus wurde manches unternommen, um die „EVG zu töten"

Entscheidend aber bleibt, daß sich im französischen Parlament keine Mehrheit für das supranationale Prinzip fand (anderthalb Monate später jedoch für die deutsche Wiederbewaffnung!). Die Gaullisten auf der rechten Seite, die starke kommunistische Fraktion auf der linken, ein Teil der Sozialisten und der Radikalsozialisten brachten die EVG zu Fall. Zwar war es keine überwältigende Mehrheit, aber eben eine Mehrheit.

übrig allein bleibt aus jenen Jahren die Montanunion, die auf dem begrenzten Sektor von Kohle und Stahl zufriedenstellend und erfolgreich arbeitete, wodurch sie den Boden für einen dritten Anlauf vorbereitete.

Der dritte Anlauf Der dritte Anlauf wurde mit der Europäischen Atomgemeinschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unternommen.

Auf der Ministerratssitzung der EGKS am 1. und 2. Juni 1955 in Messina wurde die Fort-Setzung der Integration auf wirtschaftlichem Gebiet beschlossen; am 9. Juli 1955 nahm der Sachverständigenausschuß unter Vorsitz von Paul Henri Spaak in Brüssel seine Arbeit auf und knapp zwei Jahre später, am 25. März 1957, wurden die Verträge in Rom unterzeichnet. Auch in den nationalen Parlamenten konnten die Verträge fristgerecht ratifiziert werden, so daß die neuen Gemeinschaften am 1. Januar 1958 ihre Arbeit aufnahmen.

Warum waren zwei Verträge entstanden?

Der Schlag, den die Europaidee durch die Ablehnung der EVG erhalten hatte, war so stark, daß die Europäer unter den Politikern nicht sicher waren, ob das Klima für die Fortsetzung der europäischen Integration auf dem Gebiet der gesamten Wirtschaft günstig sei. Um nicht erneut in einer Sackgasse zu landen, sahen sie — getreu der funktionalistischen Methode, Funktion nach Funktion zu integrieren — als nächstes Gebiet den Atomsektor vor. Auf diesem Gebiet war der Rückstand Kontinentaleuropas besonders evident. Die allgemeinen politischen Konstellationen und die besonderen in Frankreich erwiesen sich aber als günstig, so daß es möglich erschien, mit einem zweiten Vertrag eine die ganze Wirtschaft umfassende Integration einzuleiten. Man hielt trotzdem an der Zweiteilung fest und vereinigte lediglich beim Abschluß der Verträge die vorgesehenen Gerichtshöfe und die parlamentarischen Versammlungen mit denen der Montanunion, so daß nun drei Gemeinschaften bestanden, die zwei Organe gemeinsam hatten. (In der Zwischenzeit konnten durch Vertrag vom 8. April 1964 alle Organe vereinigt werden, ohne daß jedoch die Verträge fusioniert wurden, weil wohl nicht zu Unrecht befürchtet wird, daß die Fusionsverhandlungen von der französischen Regierung benutzt werden könnten, um eine Totalrevision der Verträge anzustreben bzw. die bereits stark beschnittenen supranationalen Rechte der Kommission endgültig zu beseitigen.) Im Gegensatz zur Montanunion waren die neu-errichteten Europäischen Kommissionen von EWG und EURATOM nicht mit so weitgehenden supranationalen Rechten ausgestattet wie die Hohe Behörde. Es war jedoch im Vertrag vorgesehen, daß im Verlauf einer zwölf-bis fünfzehnjährigen Übergangszeit wesentliche Beschlüsse, die zunächst einstimmig im Ministerrat gefaßt werden sollten, mit qualifizierter Mehrheit gefaßt werden konnten. Ein besonders starker Einschnitt war hier — gemäß dem Zeitplan der Gemeinschaft — der 1. Januar 1966, von dem an positive Beschlüsse des Ministerrates mit Mehrheitsentscheidungen gefaßt werden konnten, während Einstimmigkeit nötig war, um die Kommission zu überstimmen. Es war also eindeutig vorgesehen, daß im Zuge der Entwicklung der Integration das Organ, das den Gemeinschaftswillen repräsentiert, einen Machtzuwachs auf Kosten des Ministerrates erhalten sollte, der als Gesetzgeber der Gemeinschaft zugleich die nationalen Interessen repräsentiert. Durch die Einführung des Mehrheitsprinzips sollten einzelne Nationalinteressen oder -egoismen überstimmbar gemacht werden.

Zugleich vertraute man noch auf ein anderes Element. Schon Friedrich List stellte fest: „Handelseinigung und politische Einigung sind Zwillingsschwestern, die eine kann nicht zur Geburt kommen, ohne daß die andere folgt." Auch durch die EWG, so hofften viele, würde sehr bald der Punkt eintreten, wo politische Entscheidungen notwendig sein werden, die dann in einer nach dem Modell der EWG konzipierten politischen Integration oder durch Erweiterung der Verträge ihren Niederschlag finden würden. Man vertraute darauf, daß die politische Integration zwangsläufig dem wirtschaftlichen Zusammenschluß folgen müsse.

Damals konnte man sich kaum vorstellen, daß die Staaten, die den EWG-Vertrag abgeschlossen hatten, der Idee der Integration im politischen und institutionellen Bereich die Gefolgschaft verweigern würden in dem Augenblick, wo Entscheidungen notwendig wurden. Daß wirtschaftliche Integration das Gefälle zur politischen Integration verstärkt, daß sie „die Tendenz habe, in den Bereich des Politischen überzugleiten (spill over)" hat sich als richtig erwiesen. Daß dann aber auch die entsprechenden Beschlüsse in Richtung auf eine politische Integration getroffen würden, war eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Wo der Wille zur politischen Integration und zur Einführung der Supranationalität fehlt, vollzieht sich trotz des politischen Gefälles nichts automatisch. Dies stellte auch Walter Hallstein deutlich fest, als er 1961 schrieb: „Das Vehikel der Einigung ist so zum Auto-Mobil geworden. Heißt das, daß man auf eine Automatik des Geschehens vertrauen kann? Mitnichten; wir haben es schon gesagt. Auch die Automobile fahren nicht von selbst. Politik ist kein Naturvorgang, sondern eine Sache des Willens. Entscheidend ist, daß dieser Wille da ist. Die wirtschaftliche Integration beweist ihn; denn er hat sie hervorgebracbt. Sie macht ihn bewußt und stärkt ihn; denn er muß täglich bestätigt werden — auch gegen die Gefahren, die sie bedrohen und die (wie für alle politischen Körper) ein Integrationsfaktor erster Ordnung sind. Sie erleichtern schließlich seine Verwirklichung; denn sie liefert Erfahrungen und damit der schöpferischen politischen Phantasie Stoff und Anregung für weiteres Fortschreiten."

Die Hoffnung aber, daß der Wille sich realisiert, ging nicht in Erfüllung: „Daß mit der Integration ein Prozeß in Gang gesetzt ist, der nur noch eine Richtung erlaubt: nach vorwärts. Wo immer eine Schwierigkeit auf unserem Weg entsteht, wird sie durch mehr Gemeinsamkeit überwunden, nirgends durch Zurücknahme bereits vorhandener Gemeinsamkeit." Diese Hoffnung war trügerisch. Die Ironie dagegen ist, daß die Erfolge der ökonomischen Integration das Tempo des Fortschrittes verlangsamt haben. Diesen Erfolgen ist es mit zu danken, daß heute die Einsicht in die Notwendigkeit der politischen Entwicklung in Richtung auf die Vereinigten Staaten von Europa längst nicht mehr als so zwingend angesehen wird wie vor zwanzig Jahren.

Der Prozeß der ökonomischen Integration führte also nicht zu einer Zunahme an politischer Integration, sondern zu einer Stärkung der Nationalstaaten, die sich heute viel selbstbewußter national verhalten, als dies bei Gründung der EWG der Fall war. Immer mehr entwickelte sich der Ministerrat der EWG zu einem Organ, daß nicht als Gesetzgeber der fortschreitenden Integrationsgemeinschaft wirkt, sondern in dem nationale Interessen wahrgenommen werden. Unzweideutig stellt dies die Kommission fest, wenn sie im zweiten Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft schreibt: „Die Kommission behauptet nicht, vollkommen zu sein, und darf sich nicht darüber wundern, daß auch andere Organe ihre Schwierigkeiten haben. Sie kann jedoch nicht umhin, ihrem Bedauern darüber Ausdruck zu verleihen, daß der Rat manchmal den Eindruck erweckt, eine internationale Konferenz zu sein, in der nationale Delegationen untereinander verhandeln, während er in Wirklichkeit doch ein Regierungsorgan einer Gemeinschaft von 180 Millionen Einwohnern ist, die wie jedes unserer Mitgliedsländer wirksam geführt werden muß."

Es wäre eine gefährliche Illusion, würde man in der gegenwärtigen Phase der Entwicklung noch die Meinung vertreten, aus den Europäischen Gemeinschaften würde sich die politische Einigung Europas entwickeln. Man muß vielmehr erkennen, daß die Europäischen Gemeinschaften heute als Substitut für die politische Einheit wirken und daß die Gefahr besteht, daß die Integrationselemente wieder in Richtung auf zwischenstaatliche Vereinbarungen alten Stils reduziert werden. Untersucht man die Vorgänge genauer, so kann man drei Ebenen feststellen, auf denen die Fortentwicklung der europäischen Integration abgestoppt wird: 1. Das Nein zur Erweiterung;

2.der Versuch, die Gemeinschaft zu überspielen;

3. die Aushöhlung des vorgesehenen Aufbaues.

Das Nein zur Erweiterung Obwohl die Präambel des EWG-Vertrages „mit der Aufforderung an die anderen Völker Europas, die sich zu dem gleichen hohen Ziel bekennen, sich diesen Bestrebungen anzuschließen" schließt, sind alle Bemühungen (von der Assoziierung Griechenlands und der Türkei abgesehen) auf Erweiterung der EWG gescheitert. So 1957/58 der Versuch, im Rahmen der OEEC die EWG durch eine Freihandelszone zu erweitern, so 1961— 1963 die Verhandlungen mit Großbritannien, die als Schlüsselverhandlungen für die ebenfalls beitritts-oder assoziierungswilligen übrigen EFTA-Staaten und andere europäische Staaten galten. Und schließlich alle Verhandlungen und Bemühungen, die seit dem 10. Mai 1967 laufen — seit dem Tag, an dem Großbritannien seinen zweiten Beitrittsantrag übergab. Zwar kann natürlich niemand genau sagen, ob Großbritannien heute dem übernationalen Europa gewogener ist als früher. Aber keine Initiative hat bis zu dem Punkt geführt, der dies gezeigt hätte.

Gerade dieses Argument ist es aber nicht, das die Haltung Frankreichs beeinflußt. Im Gegenteil: Man kann durchaus sagen, daß in bezug auf die Supranationalität die französische Regierung sich sehr dem früheren britischen Standpunkt genähert hat.

Wurden beim ersten britischen Beitrittsantrag noch Verhandlungen ausgenommen, die dann von Frankreich abgebrochen wurden, so weigert sich heute die französische Regierung, überhaupt Verhandlungen aufzunehmen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß von allen Argumenten, die genannt worden sind, die französische Abneigung gegen die Aufnahme Großbritanniens vor allem in der daraus resultierenden Machtverschiebung gesucht werden muß, die durch eine Aufnahme Englands — und in dessen Gefolge auch der nordischen Staaten — natürlich eintreten würde.

Der Versuch, die Gemeinschaft zu überspielen Daß der französische Staatspräsident die supranationale Organisation Europas ablehnt, hat er immer wieder sehr deutlich ausgesprochen, vielleicht am klarsten in seiner Pressekonferenz vom 15. Mai 1962, in der er sagte:

„Ich möchte besonders auf den Einwand der Integration näher eingehen. Man präsentiert ihn mit den Worten: , Verschmelzen wir die sechs Staaten zu einer supranationalen Einheit! Dann wird alles sehr einfach, sehr praktisch sein.'Doch es ist unmöglich, eine solche Einheit zu finden, da es heute in Europa keinen Föderator gibt, der in ausreichendem Maße die Macht, den Kredit und die Fähigkeit besäße. Also begnügt man sich mit einer Art Hybris, in der die sechs Staaten verpflichtet würden, sich den Beschlüssen einer gewissen Mehrheit zu unterwerfen. Gleichzeitig müßte — obwohl es schon sechs nationale Parlamente gibt, dazu eine gemeinsame europäische Vertretung und darüber hinaus noch eine parlamentarische Versammlung des Europarates, die zugestandenermaßen der Konzeption der Sechs vorausging, die aber dabei ist, so sagt man mir, am Ufer zu sterben, an dem man sie zurückließ — ein weiteres Parlament gewählt werden, das man als . europäisch'bezeichnen und das den sechs Staaten Vorschriften machen würde. Das sind Ideen, die vielleicht einige Gemüter begeistern können, aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man sie praktisch verwirklichen könnte, selbst wenn man die sechs Unterschriften auf einem Vertrag hätte. Kann man sich ein Deutschland, ein Italien, ein Holland, ein Belgien oder ein Luxemburg vorstellen, die bereit wären, in einer für sie wichtigen nationalen oder internationalen Frage das zu tun, was ihnen schlecht erscheint, nur weil es von anderen befohlen wurde? Würde sich das französische, das deutsche, das italienische, holländische, belgische oder luxemburgische Volk Gesetzen unterwerfen, die von ausländischen Abgeordneten verabschiedet werden, wenn diese Gesetze seinem inneren Willen zuwiderlaufen? Das ist nicht wahr! Es gibt gegenwärtig keine Möglichkeiten zu erwirken, daß eine ausländische Mehrheit ihren Willen widerstrebenden Nationen aufzwingen könnte."

Alle drei Integrationsverträge sind vor de Gaulles Wiedereintritt in die offizielle Politik abgeschlossen worden oder, wie er selbst formuliert, „vor dem Wiederaufstieg Frankreichs von 1958" Berühmt wurde seine Äußerung vom 10. Januar 1965, in der er alle, die es heute noch wagten, über ein supranationales Europa zu sprechen, als Jean-Foutre (hirnlose Schwätzer) bezeichnete So ist auch sein Bestreben zu verstehen, die Europäischen Gemeinschaften durch eine neue politische Konstruktion von oben her neu zu formieren bzw. umzuformen. Dieser Versuch äußerte sich im Fouchet-Plan 1961/62, durch den eine Konföderation der sechs Staaten gebildet werden sollte, ohne jegliche supranationale Elemente. Dieser Plan hätte die supranationalen Elemente der Europäischen Ge-meinschaften an die politischen Beschlüsse der neuen Organisation gebunden und damit deren weitergehende Rechte aufgehoben.

Als dies am Widerstand der Partner scheiterte, versuchte der französische Staatspräsident, mit dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1963 nunmehr durch die Bildung einer deutsch-französischen Allianz nach den Grundsätzen des Fouchet-Planes eine gemeinsame deutsch-französische Politik auch gegenüber den Europäischen Gemeinschaften zu entwickeln. Diese Absicht war nicht durchzusetzen, da in Deutschland nur wenige Politiker dies akzeptiert hätten. Sichtbarer Ausdruck der deutschen Haltung war die Präambel, die der Deutsche Bundestag dem deutsch-französischen Vertrag anfügte (gegen 5 Stimmen und 10 Enthaltungen) und die in fast allen Punkten de Gaulles Absichten neutralisierte. Ausdrücklich wurde darin betont, „daß durch diesen Vertrag die Rechte und Pflichten aus den von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen multilateralen Verträgen unberührt bleiben, — mit dem Willen, durch die Anwendung dieses Vertrages die großen Ziele zu fördern, die die Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft mit anderen ihr verbündeten Staaten seit Jahren anstrebt und die ihre Politik bestimmen, nämlich — die Erhaltung und Festigung des Zusammenschlusses der freien Völker, insbesondere einer engen Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika" So kam es also nicht zu der Zweierallianz, die es de Gaulle ermöglicht hätte, seine Ziele mit der Autorität Frankreichs und Deutschlands durchzusetzen.

Schließlich wird man sich fragen müssen, ob die neuerliche Initiative de Gaulles — das durch die britische Regierung bekanntgewordene Gespräch ihres Botschafters Soames mit dem französischen Staatspräsidenten — ein Ablenkungsmanöver ist oder ein Versuch, mit Hilfe Englands die Europäischen Gemeinschaften in seinem Sinne umzubauen.

Die Aushöhlung des vorgesehenen Ausbaues der EWG Da es bisher nicht gelang, die Partner in den Europäischen Gemeinschaften auf die Gaullistische Linie zu bringen, handelte schließlich die französische Regierung im Alleingang. Noch rechtzeitig vor dem Übergang zur dritten Stufe am 1. Januar 1966 löste Frankreich am 30. Juni 1965 die EWG-Krise aus. Die Zeit drängte deshalb, weil neben den vertraglich vorgesehenen Bestimmungen des EWG-Vertrages die supranationalen Befugnisse der Kommission verstärkt worden wären, da das berühmte Vorschlagspaket der Kommission vom 25. März 1965 auf dem Tische lag, bei dessen Annahme die Kommission das Verfügungsrecht über die gemeinsamen Zolleinnahmen erhalten hätte, wobei ihr Vorschlag darauf hinauslief, dem Europäischen Parlament das Budgetrecht und damit ausdrücklich und erstmals echte Kompetenzen einzuräumen.

Frankreich verließ seinen Platz im Ministerrat, der im nächsten halben Jahr ohne den französischen Vertreter tagen mußte und daher gelähmt war. Eindeutig stellte die französische Regierung die fünf Partner vor die Wahl, entweder die Wünsche Frankreichs zu akzeptieren oder den Gemeinsamen Markt zu gefährden.

In dieser Zwangslage entschieden sich die Partner Frankreichs für den Gemeinsamen Markt und akzeptierten die Bedingungen. Sie setzten damit dem vorgesehenen weiteren supranationalen Ausbau ein Ende. Frankreich kehrte Anfang 1966 in den Ministerrat zurück, aber seit jener Zeit entwickelt sich die EWG nicht mehr in die erhoffte Richtung.

Das französische Beispiel machte Schule. Heute hat man immer häufiger den Eindruck, daß die EWG ein Kartell von sechs Staaten zur Erringung von ökonomischen Vorteilen für die Nationalstaaten ist, wobei immer stärker die Nationalegoismen zum Vorschein kommen. Kein Partner ist mehr bereit, für das Gemeinschaftsziel gewisse Opfer zu bringen. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die deutschen Stimmen und die breit organisierte Kampagne gegen den Mansholt-Plan. Von den Zielen, die die Väter der Verträge bewegten, ist nicht mehr viel verblieben Das Ziel wurde nicht erreicht Zwanzig Jahre nach Gründung des Europa-rates und fast zwanzig Jahre nach dem historischen Beschluß der Beratenden Versammlung, daß es das Ziel des Europarates ist, „eine Politische Behörde zu schaffen mit beschränkten Funktionen, aber realen Machtbefugnissen" muß man feststellen, daß es weder mit Hilfe des Europarates noch mit der der funktionellen Integration, weder im ersten noch im zweiten Anlauf zu einer politischen Autorität im Sinne eines Bundesstaates gekommen ist. Man wird gut daran tun, wenn man alle darauf zielenden Bemühungen als bisher gescheitert ansieht. In bezug auf die wirtschaftliche Integration muß man hinzufügen, daß diese die politische Einheit nicht begünstigt hat, sondern daß sie eher das Gegenteil bewirkte. Sie gab nämlich den Staaten durch die ökonomischen Erfolge die Möglichkeit, ihre staatliche Souveränität wieder zu festigen. Wieder einmal scheint sich zu bewahrheiten, daß Zoll-und Wirtschaftsunionen nicht, wie bis zum Überdruß behauptet wurde, Mittel zur Förderung von politischer Einheit sind, sondern der Versuch, notwendige Einigungen durch ökonomische Arrangements zu umgehen Man wird angesichts der gegenwärtigen Lage an die Argumente erinnert, die der Staatsrechtler W. Kaufmann in der Auseinandersetzung um die deutsch-österreichische Zollunion von 1931 vor dem Haager Gerichtshof anführte: „Niemals hat eine Zollunion als Konsequenz eine nationale Union gehabt, diese folgt ihren eigenen Gesetzen. . . . Eine Zollunion kann sogar dazu dienen, einer nationalen Union auszuweichen, denn sie ist ein Mittel, die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines schwachen Staates zu befriedigen, und sie erlaubt ihm so eine politische Existenz. . . . Aber die wahre Bedeutung einer Zollunion in bezug auf die Frage der nationalen Einheit besteht doch darin, daß diese Regelung, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen zweier Staaten Rechnung trägt, die politische Einheit aus Wirtschaftlichen Gründen überflüssig macht. Statt die politische Einheit zu begünstigen, ist eine Zollunion zwischen Staaten, deren wirtschaftliche Bedürfnisse eine Zusammenarbeit erfordern, die Form, welche es den beiden Staaten ermöglicht, ihre Unabhängigkeit zu behalten. Das war die historische Rolle der Zollunion und ist sie noch."

Bisweilen wird aber auch die Meinung vertreten, daß der europäische Bundesstaat nur über eine staatenbundliche Konstruktion erreicht werden kann Aber auch dieser Versuch, der ja in Form des Fouchet-Planes gemacht wurde, wurde abgelehnt. Es besteht heute überhaupt keine Chance, daß eine solche Konstruktion verwirklicht wird. Selbst wenn er verwirklicht worden wäre, würde man heute — angesichts der verschiedenen Meinungen über die Grundsätze der zu verfolgenden Politik — Krise auf Krise erleben, da auf das Regulativ der Mehrheitsentscheidungen bei staatenbundlichen Konstruktionen nicht zurückgegriffen werden kann.

So muß man heute feststellen, daß unter den gegenwärtigen Voraussetzungen keine der europäischen Institutionen in der Lage ist, die Absichten, mit denen sie gegründet wurden, zu verwirklichen. Aus den Zielen wurden so im allgemeinen Sprachgebrauch „Fernziele". In bezug auf die politische Einheit Europas stehen wir heute wieder da, wo der Europarat begonnen hatte — nämlich am Anfang.

Um viele Erfahrungen sind wir reicher. Wir haben feststellen können, daß Integration praktizierbar und erfolgreich sein kann, wenn der politische Wille vorhanden ist. Aber im Gegensatz zur Zeit vor zwanzig Jahren ist dieser politische Wille heute viel weniger sichtbar. Weder bei den führenden politischen Kräften noch bei den politisch Aktiven der jungen Generation, die von anderen Zeitabläufen geprägt sind und die nicht selten in der Linigung buropas euer eine konservative rolitik des Establishments vermuten, um seine Herrschaftsstruktur zu erhalten, als einen Beitrag zur Begründung einer freiheitlichen und solidarischen demokratischen Gesellschaft in Europa. Aber genau um diese Gesellschaft ging es den europäischen Föderalisten, die als Widerstandskämpfer überall in Europa zwischen 1940 und 1945 die gedanklichen Grundlagen schufen, auf denen die Europäische Bewegung nach dem Krieg aufbaute

Es waren die Gedanken, die auch den heutigen deutschen Außenminister Willy Brandt im norwegischen Exil bewegten, als er 1940 schrieb: „Nur eine solidarische europäische Lösung kann den alten Gegensatz aufheben zwischen den nationalen Sicherheitsinteressen eines Landes und dem Fortgang der ökonomischen, sozialen und kulturellen Entwicklung in ganz Europa. . . . Die Forderung nach europäischer Einheit schließt ein, daß man über die primitive Auffassung hinauslangt, als ob man die eigene Sicherheit nur im Kampf gegen andere behaupten könne."

Es waren auch die Gedanken der Geschwister Scholl, die in ihrem fünften Flugblatt schrieben: „Der imperialistische Machtgedanke muß, von welcher Seite er auch kommen möge, für alle Zeit unschädlich gemacht werden."

So bietet der Europatag 1969 wenig Ursache für abendländische Hochgefühle. „Ein tragischer Bruch besteht zwischen der nationalen Eigen-staatlichkeit und den Erfordernissen zeitgemäßer, umfassender Gesellschaftsordnung", so stellt Professor Hans Huber in seiner kleinen Schrift über weltweite Interdependenz fest

Die Idee des politisch vereinten Europa, der demokratischen und föderalen europäischen Ordnung, die diesen Bruch für Europa und als offene Gesellschaft beispielhaft für die Welt überwinden wollte, konnte nicht verwirklicht werden. Zu diesem Schluß kommt auch der Europarat in seiner zum zwanzigjährigen Bestehen herausgegebenen Schrift. „Tatsächlich erweisen sich die überlieferten Strukturen und Methoden der internationalen Beziehungen heute als unzulänglich, aber es ist noch kein Ersatz dafür gefunden worden, der den ebenso neuen wie gebieterischen Erfordernissen entspricht." Da die Hoffnung der Gründer des Europarates nicht in Erfüllung gegangen ist, diesen Prozeß des sozialen und wirtschaftlichen Wandels durch politische Mittel zu vollziehen, hat sich der Europarat „der Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung in einer sich wandelnden Welt als Vorbereitung des Europa von morgen" zugewandt: „Im Bewußtsein des auf die Zukunft gerichteten Prozesses der europäischen Einigung hat die Versammlung dem Europarat seine wahre Bedeutung vor Augen geführt: die Planung des zukünftigen Gesamteuropas. Die Versammlung ihrerseits wird auf dieses Ziel hinarbeiten, indem sie ihre Tätigkeit auf ein systematisches Studium der künftigen Lebensbedingungen in der europäischen Gemeinschaft ausrichtet, um sich so über deren evolutionären Tendenzen klar zu werden. Ihrer Aufgabe getreu wird die Versammlung die Körperschaft sein, wo mögliche und erwünschte Entwürfe von . Zukünften'entstehen werden."

Niemand wird bezweifeln, daß diese Arbeit nützlich und notwendig ist. Darüber hinaus muß man dankbar sein, daß der Europarat sich dieser Aufgabe widmet und nicht resignierend sich selbst verwaltet. Aber eines Tages wird auch bei dieser Arbeit der Augenblick kommen, wo aus Planung und Studium Wirklichkeit werden will. Dann rückt auch hier der Augenblick näher, wo der politische Sprung gewagt werden muß, der in den letzten zwanzig Jahren dreimal versucht und dreimal mißlungen ist. Denn man täusche sich nicht: Ein neuer Sozialzustand, eine neue Verfassungswirklichkeit, eine neue politische Ordnung entstehen nicht nur deshalb, weil sie notwendig oder vernünftig sind. Sie entstehen durch einen politischen Akt, der getragen wird von Menschen, die ihn durchsetzen wollen und können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Europatag — 5. Mai, hrsg. von der Presse-und Informationsabteilung des Europarates, Straßburg o J. (1968), S. 2.

  2. Claus Schöndube, Christel Ruppert, Eine Idee setzt sich durch, Hangelar 1964, S. 169.

  3. Europa. Dokumente zur Frage der europäischen Einigung, München 1962, S. 386.

  4. A. a. O., S. 680.

  5. A. a. O., S. 682 f.

  6. Die Vertragswerke von Bonn und Paris, Dokumente und Berichte des Europa-Archivs Bd. 10, Frankfurt/M 1952, S. XVI.

  7. A. a. O., S. 201 f.

  8. Claus Schöndube, Christel Ruppert, a. a. O., S. 209 f.

  9. Ausführliche Schilderung der Verhandlungen bei Claus Schöndube, Christel Ruppert, a. a. O., S. 197 ff.

  10. Lord Boothby, damals ein einflußreicher konservativer Politiker, erklärte in der außenpolitischen Debatte des Unterhauses am 18. November 1954: „Auf die Gefahr hin prahlerisch zu wirken, möchte ich doch sagen, daß ich selbst mithalf, die EVG zu töten. . . . Durch diesen Vertrag sollte eine kontinentale Föderation gegründet werden, die weder historisch, noch geographisch, noch wirtschaftlich gerechtfertigt war. Es sollte in Europa etwas gegründet werden, das supranationale Autorität heißt. Ich liebe diese Dinge nicht ... Das Versagen der EVG hat dem Begriff des kleinen Europa, den ich immer für eine schlechte Idee gehalten habe, ein Ende gesetzt und prägte den Begriff eines vereinigten Westeuropa unter britischer Führung, was ich immer für sehr gut hielt. ...". Zitiert nach Claus Schöndube, Christel Ruppert, a. a. O., S. 222.

  11. Friedrich List, über den Wert und die Bedingungen einer Allianz zwischen Großbritannien und Deutschland, in: Schriften, Reden, Briefe, Bd. 7, Berlin 1931, S. 276.

  12. Ernest B. Haas, Technocracy, Pluralism and the New Europe, in: Stephan R. Graubard (Hrsg.), A New Europe?, Boston 1964, S. 65.

  13. Walter Hallstein, Wirtschaftliche Integration als Faktor politischer Einigung, in: Franz Geiss u. Fritz W. Meyer (Hrsg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, Berlin 1961, S. 278.

  14. A. a. O.

  15. Zweiter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften, Brüssel-Luxemburg 1969, S. 19.

  16. Wohlfahrt, Everling, Glaesner u. Sprung, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Berlin— Frankfurt/M 1960, S. 1.

  17. Hans Stercken (Hrsg.), Vive la France — Vive l’Europe!, München 1969, S. 208 f.

  18. A. a. O., S. 241.

  19. Le Monde vom 10. 7. 1965, zitiert nach Heinrich Siegler, Europäische politische Einigung, Bonn—• Wien—Zürich 1968, S. 340.

  20. Heinrich v. Siegler, Europäische politische Einigung, Bonn—Wien—Zürich 1968, S. 223.

  21. Daß dies auch für die Bundesrepublik Deutschland zutrifft, hat der heutige Parlamentarische Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Gerhard Jahn, am 20. März 1965 in einem Vortrag vor dem Deutschen Rat der Europäischen Bewegung bestätigt: „Aber auch Deutschland hat vielleicht nicht immer alles getan, was es hätte tun können. Auch bei uns gab und gibt es nicht nur Integrationsbegeisterung, sondern hier und dort Hemmungen, den bewußten Souveränitätsverzicht zu leisten."

  22. Siehe Anmerkung 3.

  23. VgJ. Michael R. Gruson, Wird der Gemeinsame Markt zur politischen Integration Europas führen? in: Des Föderalist, Frankfurt/M, Mai 1961, S. 7 ff.

  24. Regime douanier entre l’Allemagne et l'Autriche, Serie A/B, Bd. 41, S. 311 und 517, zitiert nach Michael R. Gruson, a. a. O., S. 21.

  25. Von allen bekannten Vorkämpfern für die Einigung Europas ist es nur Graf Coudenhove-Kalergi, der diese These vertritt. In einem Vortrag am 11. März 1969 im Hessischen Rundfunk sagte er unter anderem: „Nach zwanzig verlorenen Jahren darf Europa von neuem hoffen: seit Frankreichs Staatspräsident, General de Gaulle, eine neue Initiative ergriffen hat zur Einigung Europas.

  26. Siehe hierzu Walter Lipgens, Europa-Föderationspläne der Widerstandsbewegungen 1940— 1945, München 1968, 547 S.

  27. Willy Brandt, Draußen, München 1966, S. 37.

  28. Hans Huber, Weltweite Interdependenz, Bern 1968, S. 27.

  29. Der Europarat 1949— 1969, Bonn 1969, S. 65.

  30. A. a. O. S. 68.

  31. A. a. O. S. 68.

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Claus Schöndube, freier Journalist, geboren am 23. 12. 1927 in Frankfurt/Main. Veröffentlichungen: Eine Idee setzt sich durch, Hangelar 1964, (zusammen mit Christel Ruppert); Lehr-und Informationsmappe „Die europäische Integration", Köln 1968; Grundsatzfragen der europäischen Integration, Hangelar 1968; einige Jugendbücher, zahlreiche Broschüren und Artikel.