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US-Hilfe für Lateinamerika -Unterstützung eines radikalen Wandels | APuZ 47/1969 | bpb.de

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APuZ 47/1969 US-Hilfe für Lateinamerika -Unterstützung eines radikalen Wandels Entwicklung und Tendenzen der amerikanischen Auslandshilfe Sicherheitskräfte in Preußen zu Beginn der Weimarer Republik

US-Hilfe für Lateinamerika -Unterstützung eines radikalen Wandels

George C. Lodge

I. Die Notwendigkeit revolutionärer Bewegungen in Lateinamerika

Abbildung 1

Die Krise, der wir uns in Lateinamerika gegenübersehen, ist ideologischer Natur — eine Frage der Zielsetzung. Mit Problemen dieser Art kommen wir sehr schwer zurecht; sie sind nicht nach unserem Nationalgeschmack. Wir fühlen uns versucht, uns zurückzuziehen, Mittel zu kürzen, den Blick nach innen zu wenden.

Doch das ist unmöglich. Unser Reichtum ist zu groß, um nicht davon mitzuteilen; unser Unternehmen zu erfolgreich und zu nützlich, um es nicht zu erweitern; unsere Interessen — und der Weltfrieden — zu verletzlich, um sie nicht zu schützen.

Es geht im Kern um eine Revolution — um radikalen, strukturellen Wandel im politischen, ökonomischen und sozialen System Lateinamerikas — und darum, wie sich die Vereinigten Staaten dazu verhalten. Es mag tröstlich und bequem sein, in vertrauten Fachausdrücken von „Entwicklung", besonders von „wirtschaftlicher Entwicklung" zu reden; aber wir müssen der Tatsache ins Gesicht sehen, daß wirkliche Entwicklung Wandel ist und daß Wandel zwangsläufig Fragen des Tempos, der Richtung und der Kontrolle aufwirft, die durch und durch politisch und zutiefst kontrovers sind. Besonders im lateinamerikanischen Milieu erfordert die Einführung scheinbar harmloser wirtschaftlicher oder technischer Neuerungen oft eine tiefgehende, permanente und radikale Umgestaltung bestehender Systeme.

Nehmen wir die Nahrungsmittelproduktion, die unter der Bürde der Bevölkerungszunahme dahinschleicht. Wir setzen in der Regel voraus, eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung hänge von solchen Dingen ab wie besserem Saatgut, mehr Dünger, Bewässerung und dergleichen. Wir gehen von der vagen Annahme aus, lateinamerikanische Bauern ähnelten irgendwie den Besiedlern unseres eigenen Westens — selbstsicheren, unternehmenden Protestanten, die nur darauf warteten, die Mittel zu einem besseren Leben in die Hand zu bekommen. Wir behandeln lateinamerikanische Regierungen, als wären sie wirklich repräsentativ für ihre Völker — fähig und willens, die vielfältigen Neuerungen, die zu versprechen wir sie anhalten (und bezahlen), auch einzuführen, und bereit, breit-gefächerte staatliche Hilfsmaßnahmen für ihre ländlichen Gebiete wirksam in Gang zu setzen. Einige Regierungen, die von uns Unterstützung erhalten, mögen die nötige Fähigkeit und Entschlossenheit besitzen; die meisten haben sie nicht. Der lateinamerikanische Bauer ist, allgemein gesprochen, der Gefangene eines historisch entstandenen Geflechts von Zwängen und Mächten, die ihm wenig Kontrolle über seine Umwelt lassen und ihm weder Selbstvertrauen noch Anreiz geben. Er identifiziert sich kaum oder gar nicht mit seiner Regierung oder mit dem, was seine Nation genannt wird; seine einzige Sorge ist, mit Mühe und Not sein Leben zu fristen. Unorganisiert, isoliert und an den Rand gedrängt, ist er, wie der Schwarzamerikaner, vom Besitz der Macht im eigenen Lande ausgeschlossen. Während aber nur etwa 20 Prozent der Nordamerikaner hiervon betroffen sind, leben vielleicht 80 Prozent der Lateinamerikaner unter solchen Bedingungen. Eine Änderung in der Nahrungsmittelproduktion oder irgendeine andere sinnvolle Änderung erfordern eine grundlegende Umgestaltung der Strukturen und Machtverhältnisse, die diesen Zustand stützen. Das ist weniger ein Problem der Technik als vielmehr der Grundbesitzverhältnisse, der Märkte, des Kredits, des Anreizes, der Organisation und des Engagements. Es ist im weitesten Sinne ein politisches Problem. Von den Regierungen, die auf der bestehenden Machtstruktur fußen, sind die Bande, welche die Bauern an ihre traditionelle Kümmerexistenz fesseln, nicht zu beseitigen. Denn das hieße, unrealistische Subversion gegen sich selbst zu treiben. Die Arbeit muß getan werden von einer Vielzahl selbständiger, größtenteils nichtstaatlicher Organe des Wandels.

Hier und da sind solche Organe am Werk:

Campesino-Bünde in Venezuela und der Dominikanischen Republik; Organisationen der radikalen Kirche, wie die in Brasilien, Chile und Panama; einige Gewerkschaften; schließlich verschiedene Unternehmen, etwa die großen kommerziellen Farmen Mexikos und bestimmte multinationale Gesellschaften mit Stammsitz in den USA, die im Gesamtbereich der Erzeugung, der Verarbeitung und des Absatzes von Lebensmitteln tätig sind.

Sie tragen dazu bei, wirkliche Gemeinschaften in Lateinamerika zu entwickeln und sie so zu formen und zu organisieren, daß sie sich selbst regieren, ihre Werte und Ziele bestimmen und die Institutionen und Organisationen schaffen können, die für ein kraftvolles, aufgeschlossenes, dauerhaftes politisches System notwendig sind. Diese Organe des Wandels schaffen eine neue Zuversicht, daß die Machtverhältnisse in der Umwelt nicht ein für allemal feststehen, daß Bewegung möglich ist; sie erzeugen ein neues Zielbewußtsein, ein neues Gefühl der Rechtmäßigkeit. Und diese Frage des Zielbewußtseins ist der Kernpunkt der Schwierigkeiten Lateinamerikas.

Ein Beispiel: In der Provinz Veraguas in Panama liegt das entscheidende Problem der Volksbildung nicht in der Zahl der Schulhäuser; es liegt vielmehr in der Tatsache, daß der Campesino nicht sieht, wozu es gut sein soll, wenn sein Kind jahraus, jahrein regelmäßig und pünktlich zur Schule geht. Er kann sich nicht vorstellen, daß sein Kind einmal wesentlich anders leben wird als er. Als sich jedoch in dem Dorfe San Francisco fünfundzwanzig Campesinos zu einer Genossenschaft zusammenschlossen und dabei feststellten, daß der einzige im Dorf, der ihre Buchführung besorgen konnte, der Ortspfarrer war, da begriffen sie bemerkenswert schnell die Notwendigkeit der Schulbildung. Wie nie zuvor sorgten sie dafür, daß ihre Kinder pünktlich und überpünktlich zur Schule gingen.

Auch Studentenorganisationen und nationalistische Guerilla-Bewegungen bemühen sich, als Organe des Wandels zu wirken, bisher jedoch nur mit begrenztem Erfolg. Und, was vielleicht verwundern mag, der Kommunismus hat in Lateinamerika als Urheber von Wandel dramatisch versagt. Es hat sich immer wieder gezeigt, daß seine in Europa wurzelnde marxistische Ideologie auf die lateinamerikanische Realität unanwendbar ist. Seine Bindung an Moskau macht ihn zu einer unannehmbaren Form von Neokolonialismus, einem Affront gegen den Nationalismus; und in der entscheidenden Auseinandersetzung war Moskau außerstande, seinen lateinamerikanischen Sprößling zu schützen. Die Sowjetunion muß zwar die wirtschaftliche Last Castros tragen, aber es ist offenkundig, daß sie seine Art von revolutionärer Kriegführung nicht billigt; und bedenkt man Castros offene Auflehnung gegen die vom Kreml festgelegte Parteilinie, so muß man sich fragen, ob es überhaupt richtig und zweckmäßig ist, ihn und .seine Anhänger in anderen Teilen Lateinamerikas Kommunisten zu nennen. Genauer ist es, sie als revolutionäre Nationalisten zu bezeichnen, die Hilfe aus Moskau erhalten oder auch nicht erhalten können. Die Anstrengungen der Sowjetunion in Lateinamerika sind in erster Linie darauf gerichtet, durch Förderung des Handels ihren allgemeinen Einfluß zu vergrößern und durch Einflußnahme innerhalb der bestehenden politischen Strukturen die Regierungen freundlich zu stimmen — am auffallendsten heute in Chile, Peru und Uruguay.

Der Wandel im Charakter des Kalten Krieges und das Verblassen der Bedrohlichkeit des kommunistischen Apparats haben das verständlichste und für manche Leute zwingendste Motiv unserer Außenpolitik und unseres Hilfsprogramms für Lateinamerika verschwinden lassen. Wir haben zwar stets bestritten, daß Auslandshilfe notwendig mit Schutz vor den Kommunisten gekoppelt sei, aber es ist fraglich, ob irgend jemand wirklich daran geglaubt hat. Der Antikommunismus war uns nützlich: Er erlaubte uns, die Klärung unserer eigenen Ideologie, unseres eigenen Bildes von einer guten Gemeinschaft hinauszuschieben. Er gab uns die Möglichkeit, mit einem fundamentalen Widerspruch zwischen Stabilität und Wandel zu leben. Wir konnten, wie in der Allianz für den Fortschritt, auf Wandel aller Art bestehen, aber gleichzeitig, unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Stabilität, Institutionen stützen, die den Wandel blockierten. Wir sprachen regelmäßig von Freiheit, Demo-B kratie und Selbstbestimmung, wobei wir unterstellten, daß Wandel und Stabilität Vorbedingungen für die Verwirklichung dieser politischen Ideale seien. Aber wegen des Kommunismus konnten wir die harte Tatsache ignorieren, daß in großen Teilen Lateinamerikas Demokratie ein Euphemismus ist und es bleiben wird, solange nicht die umfassende politische Organisation vorhanden ist, welche die Demokratie als Grundlage braucht. Und wegen des Kommunismus konnten wir die Frage umgehen, wer denn was für wen „bestimme“. So haben wir wegen des Kommunismus eine Politik betrieben, die Lippenbekenntnisse zu radikalem Wandel mit Unterstützung des Status quo vereinigte.

Das soll nicht heißen, daß die Agency for International Development (AID) und die Allianz für den Fortschritt nichts Gutes geleistet hätten. Sie haben Straßen, Schulen, Krankenhäuser und Staudämme gebaut; sie haben den Wohnungsbau, das Bildungswesen und die Einführung neuer Industriezweige und Techniken finanziert; sie haben den Export, die wirtschaftliche Diversifikation und die Verabschiedung zahlreicher Reformgesetze (von denen viele nicht durchgeführt worden sind) gefördert. All dies ist jedoch größtenteils über die lokalen Regierungen und in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der bestehenden Machtstruktur geschehen. Unsere Hilfe mag für einige Leute den Lebensstandard ein wenig gehoben haben, aber ebenso bedeutsam ist, daß sie eine Begünstigung und politische Stärkung des Status quo darstellte.

Allzuoft ist man der Meinung, eine Straße eine Brücke oder ein Wasserkraftwerk seien schon an und für sich etwas Gutes. Allzuoft vernachlässigt man die Frage, ob die Straße oder die Brücke so angelegt ist, daß sie die Organisierung der Bevölkerung und ihre Einbeziehung in die Nation fördert; ob das Wasserkraftwerk so eingerichtet ist, daß es mehr Menschen billigeren Strom liefert. Unsere Hilfe hat in Wirklichkeit Lateinamerika sehr wenig verändert.

Die amerikanische Militärhilfe läßt den Widerspruch, der unserem Streben nach Stabilität und Wandel innewohnt, dramatisch hervortreten. Ein lehrreiches Beispiel ist der Fall von Pater Thomas Melville in Guatemala. In den frühen sechziger Jahren bildeten sich in der guatemaltekischen Wildnis Guerillabanden. Es ist ungenau und irreführend, diese Gruppen als kommunistisch zu bezeichnen; denn soweit sich feststellen läßt, erhielten sie nicht durchweg internationale kommunistische Hilfe, und sie standen auch keineswegs unter kommunistischem Befehl. Sie erstrebten nur eine Veränderung in den Machtstrukturen Guatemalas; man könnte sie deshalb recht wohl National-revolutionäre nennen. Eine Zeitlang waren sie recht erfolgreich, bis eine Spezialeinheit von Antiguerilla-Kämpfern aufgestellt wurde, vermutlich mit Hilfe von US-Militärgruppen, die sich zu diesem Zweck in Guatemala befanden; auch die Waffen stammten aus US-Beständen. Diese Spezialeinheit erzielte so durchschlagende Wirkungen, daß guatemaltekische Grundbesitzer um ihre Dienste nachsuchten und ihrem Beispiel im Namen des Antikommunismus nacheiferten. Pater Melville war unterdessen damit beschäftigt, verarmte, lese-und schreibunkundige Indianer in einer Art Genossenschaft zu organisieren, um ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt zu verbessern. Die örtlichen Grundbesitzer betrachteten jedoch sein Wirken als umstürzlerische Wühlarbeit, als kommunistische Verschwörung. Sie mieteten deshalb Antiguerilla-Söldner, die dem Pater und seinen Arbeitern das Leben schwer machen sollten. Der Priester wollte einen Selbstschutz organisieren; er ging zu Freunden bei den Guerillas und bekam von ihnen Gewehre. Daraufhin wurde er des Landes verwiesen. Man übertreibt wohl nicht, wenn man sagt: Hier bildeten die Vereinigten Staaten Leute aus und gaben ihnen Waffen, damit sie US-Priester abknallten. Daß hier ein Konflikt vorliegt, ist schwer zu übersehen.

Nachdem das schützende Motiv des Antikommunismus entfallen ist, müssen wir uns nun klipp und klar die Frage stellen, wie wir zur Revolution oder zum radikalen Wandel in Lateinamerika stehen. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir genau feststellen, welches unsere Interessen sind. Meiner Ansicht nach besteht die folgende Rangordnung:

Das Hauptanliegen der Regierung der Vereinigten Staaten muß der Fortbestand des amerikanischen Volkes sein. Dieser Fortbestand ist bedroht, wenn irgendwo Chaos und Desorganisation herrschen. Diese nämlich erzeugen sozio-politische Vakuen, und Tyrannen und Beutemacher sind versucht, solche Vakuen mit Aggression zu füllen. In unserer Zeit kann eine derartige Aggression die Gefahr des totalen Krieges heraufbeschwören.

Die zweite Sorge der US-Regierung muß es sein, die Rechte und Interessen von Bürgern der Vereinigten Staaten in Lateinamerika zu schützen.

Aus diesen primären und sekundären Zielen folgt, daß es im Lebensinteresse der Vereinigten Staaten liegt, gewaltsame Konflikte unter Kontrolle zu halten Zur Konfliktkontrolle ist nötig, daß es in jeder nationalen oder internationalen Gemeinschaft eine leistungsfähige Polizei gibt, die imstande ist, den Banditen und den Verbrecher festzusetzen und einzusperren. Aber in Lateinamerika sind Banditentum und Kriminalität weder die Wurzel noch die hauptsächliche potentielle Ursache der Gewalttätigkeit; und man muß sich davor hüten, solche Gesetzlosigkeit mit Revolution zu verwechseln, denn das Recht auf Revolution ist tief in unserem eigenen politischen und moralischen Erbe verankert. Unser Daseins-grund als Nation ist an das Bekenntnis der Überzeugung geknüpft, daß alle Menschen bestimmte Rechte auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück haben; daß Regierungen eingesetzt sind, „um diese Rechte zu sichern";

und daß, „wenn immer eine Regierungsform diesen Zwecken abträglich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen ..."

Konflikte in Lateinamerika entspringen zum großen Teil dem Wunsch von immer mehr Menschen, diese Rechte zu erlangen. Um das zu erreichen, bedarf es unter den lateinamerikanischen Verhältnissen eines Wandels, der hinreichend radikal ist, um den Namen Revolution zu verdienen. Die Vereinigten Staaten haben somit ein Interesse daran, diese Revolution zu fördern, und sie haben ein Neben-interesse daran, sie dergestalt zu fördern, daß der gewaltsame Konflikt, der oft mit radikalem Wandel einhergeht, möglichst klein gehalten wird.

Hervorzuheben ist, daß dieses Ziel auch in Einklang mit unserer moralischen Einstellung steht, daß es mit dem übereinstimmt, was wir als Definition der „Guten Gemeinschaft" proklamieren. Und insofern die Revolution unvermeidlich ist, steht es axiomatisch fest, daß unser politisches Interesse in enger Zusammenarbeit mit ihr liegt. Einen Krieg gegen das Unvermeidliche können wir nicht gewinnen, auch wenn wir heute gefährlich nahe daran sind, es zu versuchen.

Die Revolution in Lateinamerika erfordert die Mobilisierung jener politischen Institutionen, die ich schon als Organe des Wandels genannt habe und die für die Selbstbestimmung notwendig sind. Unsere Politik muß sich deshalb fest darauf orientieren, diese Institutionen und nicht die des Status quo zu unterstützen. Das wird zweifellos Streit zwischen uns und den Machthabern in Lateinamerika zur Folge haben. Sie werden geneigt sein, unsere Politik als eine Politik des Umsturzes zu betrachten — die sie in gewissem Sinne auch ist. Sie werden von Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten sprechen — was es ja auch ist. Man muß sie jedoch daran erinnern, daß unsere jetzige Politik auch eine Einmischung darstellt, nur zu ihren Gunsten. Es ist an der Zeit, einzusehen, daß nahezu jede Auslandshilfe in Lateinamerika auf die eine oder andere Art interventionistisch sein muß.

Leicht überschätzt man jedoch die Kontroverse und ignoriert man die Mittel, mit denen sie vermindert werden kann. Tatsächlich sind sich viele Regierungsführer in Lateinamerika selbst über die Notwendigkeit eines radikalen Wandels im klaren. In ihrem Bemühen, solchen Wandel herbeizuführen, werden sie jedoch behindert durch widerspenstige Oligarchen und konservative Bürokratien, die beide in der Regel durch unsere Hilfsprogramme gestützt werden; hemmend ist auch, daß es außerhalb des Staatsapparates keine ausreichende Organisation gibt, die den Wandel bewirken könnte. Viele dieser Führer würden also eine derartige Akzentverschiebung in der Politik der USA insgeheim, wenn schon nicht öffentlich, begrüßen.

Wollen wir diese Politik nicht einschlagen, so haben wir meiner Ansicht nach nur die Alternative, bei unserer bisherigen Zweideutigkeit in Sachen des Wandels zu bleiben. Das wiederum wird diejenigen, die dringend Wandel fordern, von der radikalen Kirche bis zu den revolutionären Nationalisten, dazu nötigen, Hilfe bei anderen Weltmächten einschließlich der Sowjetunion zu suchen. Trotz der Schwäche ihres Apparats auf unserer Hemisphäre und trotz ihrer neuerdings friedlichen Lateinamerika-Politik hat die UdSSR natürlich nach wie vor genügend Macht, um einzugreifen, wenn sie das als notwendig für ihre Weltstellung erachtet. Die Durchführung einer solchen Politik macht wesentliche Veränderungen in der Organisation unserer Auslandshilfe erforderlich. Im folgenden skizziere ich die Umrisse einer der-artigen Reorganisation. Es soll dies kein ausgefeilter, endgültiger Vorschlag sein, sondern nur die Richtung angeben, in der sich die US-Politik bewegen muß

II. Multilaterale Hilfe

Zwar muß die gesamte Stoßkraft einer neuen Auslandshilfe-Politik auf die von der Allianz für den Fortschritt gesetzten Ziele gerichtet sein, aber diese Politik läßt sich am besten durchführen, wenn man die Hilfsprogramme in zwei allgemeine Kategorien teilt: solche, die innerhalb der bestehenden Strukturen arbeiten, und solche, die darauf abzielen, einen grundlegenden, strukturellen Wandel herbeizuführen. Zu diesem Zweck müßte die AID sowohl in Washington wie in Lateinamerika durch zwei Hauptorgane für Auslandshilfe und vielleicht mehrere Nebenorgane ersetzt werden. (Eine entsprechende Reorganisation der amerikanischen Auslandshilfe in anderen Teilen der Welt müßte zweifellos folgen.)

Das erste Organ, das wir die Neue Allianz für den Fortschritt nennen wollen, müßte eine multilaterale Struktur haben, die vielleicht 70 Prozent der US-Hilfe für Lateinamerika erhielte. Das zweite Organ — es soll Amerikanische Stiftung heißen — würde etwa 25 Prozent verteilen. Der Rest könnte durch andere Kanäle verteilt werden, beispielsweise, wie vorgeschlagen worden ist, durch eine Ubersee-Investitions-Gesellschaft, deren Aufgabe es wäre, private Investitionen in weniger entwickelten Ländern zu fördern.

Der Neuen Allianz würden Programme unterstehen, die dazu bestimmt sind, vorhandene nationale Wachstumsstrukturen zu unterhalten und zu verbessern. Derartige Programme wären ihrer Natur nach ergänzend; sie würden die Existenz wirksamer lokaler Strukturen voraussetzen, die imstande sind, wirtschaftliche Einsätze in einem in sich geschlossenen, zweckmäßigen Entwicklungsvorhaben durchzuführen. Sie würden mithin dazu dienen, nationale Regierungen und solche öffentlichen und privaten Institutionen und Unternehmen zu unterstützen, die gemeinhin mit dem Staat verbunden oder von ihm autorisiert sind. Diese Programme würden zum Beispiel betref-fen: Gesundheitswesen, Volksbildung und öffentliche Arbeiten; normale industrielle Entwicklung; Ausbildung und Hilfe für Militär, Polizei und Zivilverwaltung; Entwicklung von Handel und Export.

Solche Programme sind ihrem Wesen nach nicht revolutionär. Sie mögen zwar zur allmählichen Evolution bestehender Strukturen beitragen, aber in erster Linie zielen sie darauf ab, die Lebensbedingungen innerhalb dieser Strukturen zu verbessern. Sie sind notwendig und mit unseren Interessen vereinbar; da sie jedoch an die nationalen Regierungen gebunden sind und deshalb zur Stützung des Status quo tendieren, werden sie oft dem Wandel hinderlich sein. Aus diesem Grunde sollten sie von multilateralen Organen durchgeführt werden, damit die Vereinigten Staaten nicht allein die Verantwortung für ihre Auswirkungen tragen müssen. Die Schuld an Mißerfolgen müßte regional geteilt werden.

Eine lateinamerikanische Führung wäre besser geeignet als die US-Regierung, die lateinamerikanischen Regierungen dazu anzuhalten, den wirksamsten Gebrauch von großen Hilfsbeträgen zu machen; sie wäre auch empfänglicher für Fragen der Priorität, des Zeitpunktes und der Konzentration. Alle Programme dieser Kategorie sollten unter Leitung des Interamerikanischen Komitees der Allianz für den Fortschritt (CIAP) durchgeführt werden, das im Namen der Organisation Amerikanischer Staaten handeln würde. Zur Verwirklichung seiner Programme würde das CIAP die Weltbank, die Internationale Entwicklungsgesellschaft, die Interamerikanische Entwicklungsbank, regionale Entwicklungsbanken und je nach Bedarf weitere Institutionen einschalten. Zur Koordinierung der Auslandshilfetätigkeit dieser Institutionen müßte das CIAP in allen lateinamerikanischen Ländern Regionalbüros haben, welche die bestehenden AID-Missionen ablösen würden.

Programme, die der Neuen Allianz für den Fortschritt unterstünden, wären zu finanzieren durch Beiträge lateinamerikanischer Staaten, der USA und der europäischen Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Aufgabe, eine ehrliche und wirkungsvolle Verwendung dieser Mittel sicherzustellen, würde den internationalen Institutionen selbst zufallen, die, wie die Erfahrung gezeigt hat, in dieser Hinsicht hart und zäh sein können — oft härter und zäher, als US-Beamte es sein können oder wollen. Es wird also vorgeschlagen, die bestehenden Programme, die größtenteils gut funktioniert haben, zu erweitern und die lateinamerikanische Kontrolle über diese Programme auszudehnen und zu verstärken. Die Allianz für den Fortschritt würde als eine wirkliche „Allianz" weiterbestehen; und die Möglichkeiten zu regionalem Wachstum und integrierter Entwicklung unabhängig vom Druck und Einfluß der Vereinigten Staaten würden größer werden. Wegen ihres regionalen Charakters wäre die Neue Allianz anziehender für Europa und Japan, und vielleicht würde sie sogar die Sowjetunion zur Hilfe-leistung verlocken. Ausbildungs-und technische Hilfe könnten neben den USA viele andere Länder leisten. Besonders Israel hat viel zu bieten. Israelische Hilfe für Lateinamerika zu arrangieren, ist heute für die AID aus einer Vielzahl von Gründen schwierig (zu diesen Gründen gehören nicht zuletzt die Araber). Eine besonders heilsame Neuerung wäre auch die regionale Kontrolle über die Ausbildungsund sonstige Hilfe für Militär und Polizei. Sie würde es den Vereinigten Staaten erlauben, sich wenigstens einen Schritt aus diesem heiklen Gebiet zurückzuziehen; wir würden politischen Abstand und Manövrierraum gewinnen, den wir jetzt nicht haben.

Doch vielleicht die wichtigste Wirkung der Neuen Allianz wäre der neue Schwung, den sie der nationalen und regionalen Planung und damit der Integration Lateinamerikas gäbe — zuerst kommerziell und wirtschaftlich, dann auch politisch. Wir haben gesehen, wie lähmend die Nähe der Vereinigten Staaten und ihrer Beamtenschaft auf die lateinamerikanische Initiative wirken kann. Wir können nicht anders, es liegt in der Natur der Dinge;

wir sind groß und mächtig, und unser Atem ist schwer. Je näher wir den Prozessen sind, in denen die Lateinamerikaner planen, Prioritäten festlegen, ihre Interessen klären und über Aktionen entscheiden, desto mehr werden diese Prozesse verzerrt, behindert und durchkreuzt. Wir haben lange davon gesprochen, daß es notwendig sei, „den Lateinamerikanern die Werkzeuge zu geben und sie die Arbeit selber machen zu lassen", aber es hat sich als schwierig erwiesen, entsprechend zu handeln. Unsere AID-Programme schlagen sich zunehmend selber ins Gesicht und bewirken nahezu das Gegenteil dessen, was geplant war.

Wir gebrauchen gern das Wort „Selbsthilfe", aber was wir so nennen, ist meist mehr Schein als Wirklichkeit.

Die regionale Organisation der Auslandshilfe würde auch Investitionen im Ausland erleichtern. Das CIAP und die Neue Allianz könnten beispielsweise im Rahmen ihrer Integrationsplanung die Arbeit multinationaler Investment-Gesellschaften wie der ADELA beträchtlich verstärken und erweitern. Diese Gesellschaften wären natürlich Bundesgenossen des CIAP und der Interamerikanischen Entwicklungsbank beim Aufbau der Lateinamerikanischen Freihandelszone.

Die Ziele der Neuen Allianz wären im wesentlichen die gleichen wie die ihrer Vorgängerin. Wir können hoffen, daß sie neue und bessere Wege finden wird, diese Ziele zu erreichen. Wir können aber nicht erwarten, daß die Allianz von sich aus den revolutionären Prozeß in dem Maße beschleunigt, wie es die Interessen der Vereinigten Staaten und Lateinamerikas gebieten.

III. Die Organisation des Wandels

Die Ziele der Vereinigten Staaten erfordern daher noch ein zweites, ganz anderes System von Hilfsprogrammen, um jene Organe des Wandels zu finden und zu unterhalten, die direkt daran arbeiten, die sozialen und politischen Strukturen Lateinamerikas zu revolutionieren. Während die Neue Allianz lokale Wachstumsstrukturen stützen würde, müßte die zweite Kategorie von Programmen helfen, solche Strukturen zu entwerfen und zu schaffen, wo sie nicht existieren, und neue lokale Organisationen zu bilden, die auf einen radikalen Wandel in den bestehenden Strukturen hinwirken könnten.

Es mag scheinen, daß diese beiden Kategorien von Programmen einander widersprechen. In einem gewissen Sinne tun sie es und müssen sie es. Uns geht es jedoch darum, den Widerspruch deutlicher und besser handhabbar zu machen. Der Widerspruch zwischen Wandel und Stabilität besteht heute; wir können sicher sein, daß er auch morgen bestehen wird. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Lateinamerika haben ein lebenswichtiges Interesse daran, Wege zu finden, um besser mit ihm 1 fertig zu werden. [Programme der zweiten Kategorie wären im wesentlich nicht staatlich. Sie würden jene Organisationen und Institutionen zu stärken suchen, die Druck auf die Regierung ausüben und nützliche Verbindungen mit ihr anknüpfen können. Aber sie wären deutlich von der Regierung abgehoben und könnten oft sogar dem an der Macht befindlichen Regime oder Teilen dieses Regimes feindlich gegenüberstehen. Sie sind die entscheidenden Hebel, die notwendig sind, um den Prozeß des Wandels in Gang zu setzen und in Gang zu halten.

Diese Programme müssen ihrer Natur nach lokal sein und einer ganz bestimmten Gemeinschaft, Organisation, Gruppe oder Institution gelten. Das Wirken unserer Organe des Wandels wurzelt in einem ganz bestimmten Ort, in einer ganz bestimmten Gruppe von Führern und Anhängern. Selbstvertrauen und Teilnahme an einem repräsentativen Regierungssystem entwickeln sich auf der lokalen Ebene. Je anhaltender Druck auf die Entscheidungsprozesse der nationalen Regierung ausgeübt wird, desto mehr wächst bei den Verwaltungsbeamten der Anreiz und die Fähigkeit, Maßnahmen für die ländlichen Gebiete zu ergreifen. Entsprechend wächst dann wiederum das Vertrauen des Campesino zu seiner Regierung und seine Fähigkeit, sich ihrer zu bedienen.

Eine Zeitlang wären die Kategorie-II-Programme natürlich umstritten. Der Umgang mit ihnen würde viel Sorgfalt und Feingefühl erfordern; man müßte experimentell vorgehen und von kleinen zu größeren Unternehmungen fortschreiten. Auch dann würde die neue Idee attackiert werden; sie würde den Angriff des Status quo nie überstehen, wenn sie Angelegenheit einer großen internationalen Bürokratie wäre.

Der Kongreß müßte deshalb eine Amerikanische Stiftung gründen und mit Mitteln ausstatten, deren Aufgabe es wäre, Kategorie-II-Programme durchzuführen. Die Stiftung müßte sich einer Vielzahl von nichtstaatlichen Gruppen, Instituten, Zentren und Organisationen bedienen, die ein breites Spektrum der in den USA vorhandenen Interessen und Talente repräsentieren würden; jede dieser Gruppen hätte eine spezielle Fähigkeit, mit einer ziel-setzenden lateinamerikanischen Institution zusammenzuarbeiten und ihr zu helfen. Ich schlage vor, hier den Pluralismus der amerikanischen Gesellschaft weitestgehend auszunutzen, seine große und vielfältige Stärke zu akzentuieren und ihn einzuspannen für die Aufgabe, Gruppen in den USA auf natürliche Weise mit lateinamerikanischen Partnern in Verbindung zu bringen.

Die Stiftung würde einem aus hervorragenden Persönlichkeiten zusammengesetzten Kuratorium unterstehen. Die Mitglieder des Kuratoriums und der Präsident der Stiftung wären vom Präsidenten der Vereinigten Staaten zu ernennen; sie müßten ein breites Spektrum von nordamerikanischen wie von lateinamerikanischen Interessen und Standpunkten repräsentieren. Die Gründe für die Schaffung einer solchen Stiftung sind fundamental: Ein revolutionärer Wandel ist im Gange; er ist unvermeidlich; er ist in vieler Hinsicht notwendig und moralisch gerechtfertigt; die Interessen des Weltfriedens und der Vereinigten Staaten verlangen, daß dieser Wandel unterstützt wird; ein gewisses Maß an Konflikt mag nötig sein, aber das Ziel sollte natürlich sein, mit möglichst wenig Gewaltsamkeit auszukommen. Aufgabe der Stiftung wäre es, die Revolution friedlich zu machen, sie wirksam zu machen, sie mit den besten Interessen der Vereinigten Staaten und Lateinamerikas vereinbar zu machen. Ein wichtiger Faktor bei der Auswahl der Kuratoriumsmitglieder wäre, daß sie sich zu diesen Zielen bekennen. Ehe Kritiker „Schwindel!" rufen, wollen wir betonen: Die Stiftung wäre erklärtermaßen ein Instrument der Vereinigten Staaten, das die Aufgabe hätte, nichtstaatliche Organisationen in den USA anzuregen, Organe des Wandels in Lateinamerika ausfindig zu machen und zu fördern. Sie wäre eine Schöpfung der US-Regierung — aber sie würde der Regierung, nicht unterstehen. Gerade in der Unabhängigkeit von staatlicher Kontrolle läge ein gut Teil ihrer Bedeutung

Entsprechend den Prinzipien der Charta von Punta del Este und den späteren Programm-erklärungen der Allianz würde die Stiftung durch Zuschüsse und Verträge die Tätigkeit derjenigen US-Institutionen finanzieren, die am besten geeignet sind, konstruktive Beziehungen zu solchen Institutionen in Lateinamerika herzustellen, die Ziele setzen und den Wandel fördern — zum Beispiel Organisationen der radikalen Kirche, Bauernverbände, Gewerkschaften, Universitäten und auf Wandel orientierte örtliche und multinationale Unternehmungen. Viele von diesen erreicht die AID heute überhaupt nicht; andere erreicht sie zwar, aber wegen ihrer Bindung an den Staat sind diese Kontakte nicht wirksam und nutzbringend.

Wohl die wichtigste Leistung der Stiftung könnte darin bestehen, daß sie direkte Kontakte zwischen nordamerikanischen und lateinamerikanischen Universitäten ermöglichen würde — auf beiden Seiten unbelastet von staatlichen Erwägungen. Die Stiftung könnte den nutzlosen und entwürdigenden Bemühungen der US-Regierung und einiger US-Universitäten, die lateinamerikanischen Universitäten zu Kopien unserer eigenen zu machen, ein Ende bereiten. Das Hauptproblem der lateinamerikanischen Universität ist nicht, daß sie der US-Universität zuwenig gleicht, sondern daß sie losgelöst ist von der Gemeinschaft, in der sie existiert, ja daß sie diese Gemeinschaft oft überhaupt nicht kennt.

Lateinamerika braucht vor allem anderen das Studium und die Einsicht, die notwendig sind, um seine eigenen, unabhängigen Ziele zu formulieren. Dieses Studium erfordert eine Disziplin und eine Objektivität, wie sie nur eine große Universität bieten kann. Der Gedanke, die Vereinigten Staaten könnten bei einem so wichtigen und heiklen Unternehmen eine bedeutende Rolle spielen, ist vielleicht vermessen. Ich glaube jedoch, unsere Stiftung könnte in Zusammenarbeit mit den besten nordamerikanischen Universitäten von großem Nutzen sein, und wäre es nur auf dem einen Gebiet, daß sie dazu beitragen könnte, daß lateinamerikanische Wissenschaftler zusammen mit jungen nordamerikanischen Kollegen und Assistenten in großem Stil die wahre Natur und die wirklichen Probleme ihrer jeweiligen Gesellschaft erforschen. Die Lateinamerikaner sollen nicht in die Vereinigten Staaten kommen, um ihre Region zu studieren; wir sollten zu ihnen gehen, um gemeinsam mit ihnen etwas über ihre Gesellschaften zu lernen. US-Wissenschaftler haben in der Forschung eine Menge zu bieten: zuerst einmal überhaupt die Idee, auf die Straßen, in die Fabriken und auf die Felder hinauszugehen und Fragen zu stellen. Beim Erwerb von Wissen in Schweiß zu geraten und sich schmutzig zu machen, ist für viele ein unvertrauter Gedanke. Dann sind auch die Forschungsmethoden in Nordamerika hoch-entwickelt, man denke etwa an den Einsatz von Computern oder an fortgeschrittene Untersuchungsverfahren. All das ist notwendig, um dem revolutionären Prozeß die richtige, wohl-durchdachte Richtung zu geben und auch seinen Gang zu beschleunigen. Es ist jedoch äußerst zweifelhaft, ob solche Vorhaben unter dem jetzigen, staatlich gebundenen AID-Programm mit seinem bürokratischen Wasserkopf und seiner politischen Empfindlichkeit durchgeführt werden können.

Nun mag man fragen: Was aber geschieht, wenn eine von der Stiftung unterstützte Gruppe in Konflikt mit dem Status quo in Lateinamerika gerät? Wie soll man in einer solchen Lage mit umstürzlerischen Implikationen verfahren? Schließlich umgehen wir ja die Regierung, um Wandel einzuführen, dem sich die Regierung widersetzen könnte.

Hier tritt der große Vorzug der Trennung vom US-Staatsapparat — Botschaft und AID — klar zutage. Nach unserem Vorschlag würde der Botschafter in einem bestimmten Land zwar über die dortigen Vorhaben, welche die Stiftung unterstützt, informiert werden, er trüge aber keine offizielle Verantwortung für sie.

Sollte jemand meinen, das sei unrealistisch, so möchte ich nur darauf hinweisen, daß eine ganze Anzahl von nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen in Lateinamerika westdeutsche Staatsmittel für Entwicklungszwecke erhält. Ein Teil dieser Gelder landet zweifellos bei den Organisationen der radikalen Kirche in Nordost-Brasilien, um ein Beispiel zu nennen. Ich bezweifle jedoch stark, daß die brasilianische Regierung für diese Aktivitäten im Nordosten, die ihr von Zeit zu Zeit heftiges Unbehagen bereiten, den deutschen Botschafter verantwortlich macht.

Der Grundgedanke, den ich ausdrücken will, ist dieser: Wir sollten aufhören, bei unserer Auslandshilfe so zu verfahren, als wären wir ein etatistischer Monolith wie die Sowjetunion. Unsere größte Stärke liegt in der Vielfalt unserer Interessen, Standpunkte und Fähigkeiten. Wenn wir durch Vermittlung einer Anzahl unabhängiger Gruppen arbeiten, können wir auch leichter jenen Kultur-Imperalismus vermeiden, der sich gern als Begleiter monolithischer, von zentraler Regierungsstelle gelenkter Unternehmungen ein-B stellt. Ein gut Teil unserer jetzigen Aktivität erweckt Befürchtungen in dieser Hinsicht, und in die gleiche Richtung gehen die Besorgnisse, die viele Kritiker in den USA wegen unserer Auslandstätigkeit hegen.

Zur Amerikanischen Stiftung wird es viele Fragen geben: Wird nicht die US-Regierung eingreifen, wenn eine Tätigkeit der Stiftung geschäftliche Interessen unseres Landes bedroht? Werden nicht das Außen-und das Verteidigungsministerium ein Mitspracherecht über die Projekte der Stiftung verlangen? Wie lange würde ein Botschafter davon absehen, gegen ein Anstoß erregendes Programm einzuschreiten? Die Antwort auf diese Fragen liegt ganz offensichtlich darin, daß die Regierenden in den Vereinigten Staaten sich die Grundziele der Stiftung zu eigen machen und daß die Arbeiten der Stiftung klug geleitet werden. Um erfolgreich zu sein, muß die Stiftung auf einem neuen Bewußtsein von den Lebensinteressen der Vereinigten Staaten aufbauen und müssen ihre Leiter viel Umsicht und gesunden Menschenverstand besitzen.

IV. Ein neuer Anfang

Diese vorgeschlagenen Veränderungen in den Grundsätzen und der Struktur der US-Auslandshilfe hätten bedeutende Auswirkungen auf die Rolle unserer Botschafter. Mit der Ablösung der Agency for International Development (AID) und ihrer Auslandsmissionen durch die neuen Organisationen würde dem jeweiligen Botschafter die Verantwortung für die Verwaltung der US-Hilfsprogramme abgenommen. Diplomatische Beziehungen sollten nichts mit der Billigung oder Mißbilligung eines Regimes zu tun haben; sie sollten lediglich die Anerkennung eines bestehenden Zustands und bestehender Machtverhältnisse ausdrücken. Als Vertreter des Präsidenten soll der Botschafter zwar die Interessen der Vereinigten Staaten deutlich machen; es dürfte aber nicht seine Funktion sein — wie das heute oft der Fall ist —, eine Änderung der inneren Strukturen anzustreben, auf denen das Regime beruht, bei dem er beglaubigt ist.

Die vorhandenen Programme und Funktionen der AID, die mit unserer neuen Formulierung der Interessen und Ziele vereinbar sind, würden entweder von der Amerikanischen Stiftung und ihren angeschlossenen Gruppen oder von der Neuen Allianz übernommen werden. An wichtigeren AID-Programmen blieben dann nur diejenigen übrig, die Garantien, Anreize und Unterstützung für private US-Investitionen in Lateinamerika bieten. Diese sollten erweitert und der Aufsicht des Handels-ministeriums oder der vorgeschlagenen Gesellschaft für Ubersee-Investitionen unterstellt werden. Einige mehr experimentelle Projekte, darunter die zur Entwicklung neuer Unternehmensformen als Organe des Wandels, würden jedoch zweifellos in den Bereich der Stiftung oder der Neuen Allianz gehören.

Manchen erscheint es vielleicht seltsam, daß eine so radikale Umgestaltung der Auslandshilfe gerade zu einer Zeit vorgeschlagen wird, da das bestehende Programm gefährdet ist und die isolationistische Stimmung in unserem Lande anscheinend an Boden gewinnt. Sieht man sich jedoch die Haltung des Kongresses zur Auslandshilfe genauer an, so wird man bemerken, daß die ernsthafteste Kritik von denen kommt, die seit langem die energischsten Befürworter der Auslandshilfe sind. Diese Männer sind beunruhigt, weil die Auslandshilfe offenbar die ihr gesteckten Ziele nicht erreicht. Einige haben sogar, wie schon bemerkt, den Eindruck, daß unsere Hilfe auf lange Sicht das Wachstum und besonders die politische Entwicklung verzögert. Der Initiative des Kongresses — und nicht der AID — ist es zu verdanken, daß die Administratoren der Auslandshilfe vor einigen Jahren genötigt wurden, den Akzent stärker auf die politische Entwicklung zu legen (das geschah durch Einfügung des Titels IX in das Auslandshilfe-gesetz). Es ist meine Überzeugung, daß die Notwendigkeit eines radikal neuen Ansatzes von vielen führenden Persönlichkeiten des Kongresses früher erkannt worden ist als von der AID.

Nur mit einem solchen neuen Ansatz können wir hoffen, den nationalen Enthusiasmus zu erwecken, der notwendig ist, um den Betrag der US-Auslandshilfe auf die Höhe zu bringen, die er haben sollte: mindestens 1 Prozent des Bruttosozialprodukts, mit der Zeit hoffentlich mehr.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Man muß zwischen notwendigen und vermeidbaren Konflikten und Gewalttätigkeiten unterscheiden. Die mexikanische Revolution forderte eine Million Menschenleben; dennoch würden heute nur wenige sagen, sie sei nicht notwendig gewesen. Zu hoffen ist, daß die Gemeinschaften seither klüger geworden sind, daß sie gelernt haben, die Revolution, die zur Nationwerdung unentbehrlich zu sein scheint, weniger schmerzhaft zu gestalten.

  2. Dieser Plan ähnelt teilweise dem, den Teodoro Moscoso, der erste Koordinator der Allianz für den Fortschritt, in einer Rede vor der US-Handelskammer am 8. Mai 1968 vorgelegt hat.

  3. Als administratives Modell für die Amerikanische Stiftung könnte in großen Zügen die Smithsonian Institution dienen — mag das auch auf den ersten Blick etwas weit hergeholt erscheinen.

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George C. Lodge, Direktor der Division of International Activities an der Harvard Graduate School of Business Administration. Autor von „Spearheads of Democracy".