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Der „Kontinentalismus" als außenpolitische Doktrin der USA und ihre historischen Analogien in Europa | APuZ 23/1970 | bpb.de

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APuZ 23/1970 Revolution, Reform oder Verteidigung des Status quo? Die Problematik der Veränderung der lateinamerikanischen Gesellschaft Der „Kontinentalismus" als außenpolitische Doktrin der USA und ihre historischen Analogien in Europa

Der „Kontinentalismus" als außenpolitische Doktrin der USA und ihre historischen Analogien in Europa

Helmut Wagner

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Von den Bürgern der Bundesrepublik ist unlängst gesagt worden, daß sie seit 1945 an einem „Defizit an weltpolitischer Perspektive" leiden würden. Dies gilt in nicht geringerem Maße auch von den anderen Völkern Westeuropas. Ihre weltpolitische Orientierung wie der Stand der bei ihnen gelehrten Theorie der internationalen Politik befinden sich, um ein Wort von W. Besson leicht zu variieren, gleichermaßen in einem „deplorablen Zustand" Dieser Mißstand wird freilich als solcher überhaupt nur empfunden, sofern ein historisches Bewußtsein weltpolitischen Denkens weiter-wirkt oder die Kenntnis aktueller weltpolitischer Konzeptionen vorhanden ist. Wird den Ursachen dieser Horizontverengung nachgegangen, so wird deutlich, daß sie ein Ausdruck dafür ist, daß Europa, genauer, daß seine einstigen großen Mächte ihre Rolle ausgespielt haben, daß sie im Vergleich zu den neuen, nach 1945 die weltpolitische Szenerie beherrschenden Supermächten eine protektierte Existenz, ein Schattendasein fristen Der weltpolitische Provinzialismus der Europäer erweist sich als eine Funktion ihres minderen machtpolitischen Status, den zu leugnen oder zu überspielen, von wem auch immer es in Angriff genommen wird, eher peinlich wirkt und vom Mißerfolg gekrönt wird.

Wer in diesen Staaten in weltpolitischen Kategorien zu denken sich bemüht, der kann das, scheint es, nicht anders, als daß er Anleihen bei nicht in Europa entwickelten Konzeptionen aufnimmt, in denen die Staaten Westeuropas entweder als quantite negligeable einfach übergangen werden oder aber — wie etwa von Raymond Aron, Pierre Hässner oder Lord Gladwyn — zu einer politisch handlungsfähigen Macht sui generis vereint werden. Wer sich weder auf das eine noch das andere einläßt, der kann sich an der Diskussion allenfalls mit Analogien aus der europäischen Geschichte beteiligen, die jedoch nur dazu beitragen können, den weltpolitischen Horizont der Gegenwart zu erhellen.

Die weltpolitischen Konzeptionen der Nachkriegszeit sind, soweit sie für die westliche Welt in Theorie und Praxis Bedeutung erlangt haben, amerikanischen Ursprungs. Das gilt für die Politik des Containment, die in der Regie-rungszeit Trumans eingeleitet worden und faktisch bis in die Gegenwart hinein für die Außenpolitik der Vereinigten Staaten bestimmend geblieben ist, mit ihrer zu einem bipolaren „Gleichgewicht des Schreckens" (balance of terror) verfestigten internationalen Machtstruktur; das gilt für die ein propagandistisches Schlagwort gebliebene Politik des rollback der Eisenhower-Dulles-Administration; das gilt für die auf George F. Kennan zurückgehenden Pläne eines disengagement wie für die von Zbigniew K. Brzezinski vertretene Politik eines engagement; und das gilt auch für die jüngste in den Vereinigten Staaten entwickelte und diskutierte Konzeption des iegionalism.über den internationalen Regionalismus gibt es heute, neben einer kaum noch zu übersehenden Zahl von Einzelbeiträgen, in den Vereinigten Staaten bereits text-books für den Unterricht an den Hochschulen Als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung bezeichnet er die Bildung und die Problematik von „Interstate associations or groupings on the basis of re-gions“; als außenpolitische Doktrin die Forderung und Förderung von regionalen, zwischenstaatlichen Zusammenschlüssen, die von den Anhängern dieser Doktrin als sowohl historisch notwendig wie politisch vorteilhaft und moralisch geboten angesehen werden Nur von dieser Doktrin, ihrer Entstehung, ihrer Wandlung und ihren Zielsetzungen ist hier zu berichten; wobei anzumerken bleibt, daß es sich bei ihr um eine Konzeption handelt, der eine Legitimation von der Art, wie sie der Monroe-, der Trumanund der Breschnew-Doktrin eigen ist, bisher abgeht, daß es vielmehr der Entwurf einer umfassenden politischen Neuorientierung ist, der doktrinäre Züge anhaften.

I. Der internationale Regionalismus und das Gleichgewicht der Mächte

Als die in allen Versuchen, eine Region zu bestimmen, wiederkehrenden Elemente erweisen sich: geographische Geschlossenheit (geogra-phical proximity), soziale und kulturelle Homogenität (social and cultural homogenety), intraregionale Handelsbeziehungen sowie komplementäre Rohstoffbasen (intraregional trade), strategische Sicherheitsinteressen (strategical security) und politische Interdependenz (political interdependence) Eine für die folgenden Erwägungen brauchbare, ihnen zugrunde gelegte Definition stammt von Joseph S. Nye, Jr., von der Harvard Universität: „An international region can be defined broadly as a limited number of States linked by geogra-phical relationship and by a degree of mutual interdependence." Wichtig an dieser bewußt allgemein gehaltenen Definition ist, daß es sich bei den so verstandenen Regionen erstens um interstaatliche bzw. supranationale Zusammenschlüsse handelt, die den national-staatlichen Rahmen überschreiten, aber unterhalb des universalen Rahmens einer einheitlichen Weltorganisation bleiben; zweitens, daß die innere Struktur der Regionen variieren kann, von bilateralen Bündnissen über Bündnissysteme bis zu den verschiedenen Formen freiwilliger und erzwungener Integration, und drittens, daß auf diese Weise sowohl potentielle wie für die internationale Politik relevante Regionen erfaßt werden.

An der Regionalismus-Diskussion in den Vereinigten Staaten sind außer Politologen, Staats-und Völkerrechtlern auch Soziologen und Geographen beteiligt Auf dem 20. Internationalen Geographischen Kongreß, der 1964 in Sheffield/Großbritannien stattfand, hat Prof. Saul B. Cohen von der Graduate School of Geography der Clark Universität im Rahmen eines Symposions über Politische Geographie den Versuch unternommen, die Regionen eines geopolitischen Gleichgewichtssystems zu bestimmen. Er war sich bewußt und bekannte sich auch ausdrücklich dazu, mit seinen Überlegungen in der Nachfolge von Sir Halford J. Mackinder und Isaiah Bowman, aber auch von Friedrich Ratzel, Rudolf Kjellen und Karl Haushofer zu stehen Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, jene „supranationalen Systeme" namhaft zu machen, die „in response to the inadequacy of the existing state System" entweder schon entstanden sind oder voraussichtlich noch entstehen werden

Dabei gelangte er zu der Unterscheidung zwischen zwei „geostrategischen Regionen", nämlich der amerikanischen „Maritimen" und der sowjetischen „Kontinental Eurasischen Region", und neun, sie entweder unterteilenden oder sie komplementierenden „geopolitischen Regionen" 1. Anglo-Amerika 2. Latein-Amerika 3. Westeuropa 4. Schwarz-Afrika 5. Offshore-Asia, also die der Ostküste Asiens vorgelagerten Staaten, und Australien 6. Sowjetunion und Osteuropa 7. Chinesisch-Ostasien 8.der arabische Mittlere Osten 9. Indisch-Südostasien Die beiden zuletzt genannten Regionen, der Nahe Osten und Südostasien, welche außerhalb der zwei großen „geostrategischen" Räume liegen, werden von Cohen als „shatter-belts" (Unruheherde) bezeichnet, die nach 1945 anstelle von Europa zu den Konfliktzonen der Welt avanciert sind. In ihnen ist es, ohne daß die Supermächte sich voll engagiert haben, aber doch nicht ohne ihre Interessen zu berühren und auch nicht ohne ihre Mitwirkung, zu den meisten militärischen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit gekommen. Eingegangen in diesen geopolitischen Entwurf relevanter und potentieller Regionen ist, daß es aufgrund der Entwicklung der Waffentechnik zum ersten Male in der Geschichte, vom strategischen Gesichtspunkt her gesehen, supranationale Systeme zweier Rangordnungen, der über Atomwaffen und ihre Träger verfügenden und nichtverfügenden Mächtegruppierungen, gibt Berücksichtigt worden ist auch, daß das Vorhandensein einer politischen „core area", einer Vormacht, welche eine Region führt oder beherrscht, ein entscheidender Faktor im Prozeß der Regionalisierung ist

Allein von den vorhandenen „Kristallisationspunkten der Macht" ausgehend, ist Lord Glad-wyn in seinem 1966 erschienenen Buch „The European Idea" zu der gleichen Zahl von neun, wenn sich auch mit denen von Cohen nicht völlig deckenden supranationalen Regionen gekommen Im Gegensatz zu denjenigen, die, wie er sagt, der „Vision" eines triumphierenden Nationalismus oder einer machtvollen Weltföderation anhängen, sieht der ehemalige britische Botschafter in New York und Paris das Entstehen von Regionen als einen unaufhaltsamen Prozeß, der zwar keine Garantie, aber doch die Voraussetzung zur Ausbildung eines funktionierenden weltweiten Gleichgewichtssystems und die Chance zur Überwindung der „gefährlichen internationalen Anarchie unserer Ara" bietet. Durch den Regionalismus, das ist die Botschaft des Botschafters, würde ein „relativ einfacher und im Grunde vernünftiger Weg" zur Rettung der Menschheit gewiesen Von einem ganz anderen Ausgangspunkt ist Roger D. Masters von der Yale Universität zu einem sehr ähnlichen Ergebnis gelangt. Er hat in einem Aufsatz aus dem Jahre 1965 die neun Jahre zuvor von Morton A. Kaplan entwickelten sechs Modelle des Systems der internationalen Politik durch ein eigenes „Multi-Block-Modell" (multi-bloc-model) ergänzt, in dem nicht wie bei Kaplan die souveränen Nationalstaaten, sondern umfassendere politische Einheiten die „Akteure" der internationalen Politik sind Der Anlaß zu dieser Studie war, wie Masters eingangs feststellt, daß es zur Verfolgung einer auf die Zukunft gerichteten Außenpolitik (a long-range foreign policy) unerläßlich ist, unter Berücksichtigung nachweisbarer und absehbarer Entwicklungen die Alternativen zu kennen, die sich ihr bieten, und die Folgen zu bedenken, welche Entscheidungen für die eine oder die andere Konzeption in sich bergen. Als eine mögliche und daher theoretisch bedenkenswerte weltpolitische Konfiguration sieht Masters, daß das internationale System der Zukunft auf einer Vielzahl von Blöcken (multiplicity of blocs) basiert; repräsentiert etwa, wie Masters zum Zwecke der Illustration angefügt hat, durch 1. die westliche Hemisphäre der beiden Amerika, 2. Westeuropa, 3. die Sowjetunion und Osteuropa, 4. eine von China beherrschte Region, 5. Schwarz-Afrika, 6.den arabischen Mittleren Osten und 7. einen indisch-australischen Block. Wobei nicht auszuschließen sei, daß eine ganze Reihe von Einzelstaaten keinem dieser Blöcke oder einem anderen Block angehören würde

Unter der Voraussetzung, daß eine jede Region soweit integriert ist, daß sie außenpolitisch als Einheit handlungsfähig ist, würde auf diese Weise — nach der Ansicht von Masters — ein globales Gleichgewichtssystem der Macht (a global power of balance System) entstehen, vergleichbar mit jenem, das im 15. Jahrhundert zwischen den italienischen Stadtstaaten und im 19. Jahrhundert zwischen den europäischen Großmächten bestanden hat.

Daß Überlegungen dieser Art nicht nur das Privileg akademischer Zirkel in den Vereinigten Staaten sind, Jahrhundert zwischen den europäischen Großmächten bestanden hat.

Daß Überlegungen dieser Art nicht nur das Privileg akademischer Zirkel in den Vereinigten Staaten sind, dafür stehen Erklärungen von zwei amerikanischen Präsidenten der sechziger Jahre, ohne daß damit behauptet werden kann und soll, daß sie sich die Doktrin des Regionalismus in vollem Umfange zu eigen gemacht hätten. John F. Kennedy hat in seiner Philadelphia-Rede vom 4. Juli 1962 unter Berufung auf die Geschichte der Vereinigten Staaten vom Amerika den Zusammenschluß Westeuropas als eine historische Notwendigkeit begrüßt, welche die Voraussetzung dafür sei, daß Europa als Subjekt der Weltpolitik wieder eine Rolle spielen und als gleichberechtigter Partner der Vereinigten Staaten auftreten kann 18). Dieser Gedanke ist von Lyndon B. Johnson in seiner New Yorker Rede vom 7. Oktober 1966 erneut bekräftigt und in seiner Rede in Baltimore vom 7. April 1965 auch im Hinblick auf den südostasiatischen Raum variiert worden 19).

Für Europa wie für Südostasien ist damit von offizieller amerikanischer Seite regionalen Zusammenschlüssen das Wort geredet und Unterstützung zugesagt worden, durch welche zwischenstaatliche Konflikte in diesen Räumen beigelegt, ihre ökonomisch-technische Entwicklung gemeinschaftlich organisiert und ein durch den Abzug amerikanischer Streitkräfte entstehendes Machtvakuum aufgefüllt werden sollen.

George W. Ball, der beiden Präsidenten als Diplomat in führenden Stellungen gedient hat, dürfte mit seiner Meinung im State Department nicht allein stehen, wenn er im Jahre 1968 die Heraufkunft eines neuen, die Bipolarität ablösenden weltweiten Gleichgewichtssystems ankündigte, das für die nähere Zukunft aus vorerst dreieinhalb Hauptakteuren mit den ihnen zugeordneten Einflußsphären bestehen wird: aus den Vereinigten Staaten von Amerika, aus der westeuropäischen Gemeinschaft, aus der Sowjetunion und, aufgrund seiner beschränkten territorialen Basis und industriellen Kapazität als halbe Weltmacht, aus Japan

In diesen Regionen werden gegenwärtig zusammen etwa 80 % der Güter der Welt produziert Bei seiner Prognose ist Ball davon ausgegangen, daß nur „eine festgefügte Gesellschaft mit einer Bevölkerung von rund 200 Millionen und einem Nationaleinkommen von mindesten 300 Milliarden Dollar" heute und in Zukunft eine führende Stellung als Welt-macht beanspruchen kann In einem so um-strukturierten internationalen Machtsystem, das eine „wirkungsvollere Verteilung der Weltverantwortung möglich machen" würde, hat dieser amerikanische Diplomat eine weltpolitische Ordnung gesehen, die gut ist für die Vereinigten Staaten, für, wie er in Paranthese ironisch hinzugefügt hat, „General Motors" und für die Welt

Warum der Regionalismus als außenpolitische Doktrin seine Anwälte und Anhänger gefunden hat, dafür lassen sich insbesondere drei Gründe anführen, die zugleich verständlich machen, weshalb ihre Geburtsstunde gerade in den sechziger Jahren schlug und auch worauf ihre Faszination beruht hat und noch beruht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es in den Vereinigten Staaten schon bald zu einer Ernüchterung der auf die Vereinten Nationen gesetzten Hoffnungen. Schon wenige Jahre nach 1945 war eine Vielzahl von regionalen Pakten und Organisationen entstanden.

Prof. Ernst Haas hat berechnet, daß im Jahre 1957 von den damals 81 Mitgliedstaaten der Vv ereinten Nationen 58 mindestens einer der neun größeren regionalen Allianzen angehörten Im Jahre 1965 waren 92 UN-Mitgliedstaaten gleichzeitig an mindestens einem von neun regionalen Sicherheitspaktsystemen beteiligt Chadwick Alger und Steven Brams haben für das Jahr 1963 insgesamt 161 intergouvernementale Organisationen nachgewiesen, von denen 66 regionaler Art waren Louis Kriesberg hat herausgefunden, daß von 1 500 nicht-gouvernementalen internationalen Organisationen, die im „Yearbook of International Organizations“ für das Jahr 1962/63 aufgeführt sind, etwa ein Drittel einen regionalen Charakter haben Und Robert Angell gelangte zu dem Ergebnis, daß die regionalen Organisationen im Zeitraum zwischen 1956/57 und 1962/63 von allen internationalen Organisationen, neben „weltweiten" und „partikulari-

stischen“, prozentual die gößte Zuwachsrate gehabt haben Von den 23 bedeutendsten regionalen Gruppierungen der Gegenwart existierte vor dem Zweiten Weltkrieg nur eine einzige Dieses Phänomen: das spontane — nach keinem Plan und aufgrund keiner Theorie — Entstehen von regionalen Organisationen, ihre zahlen-und bedeutungsmäßige Zunahme, ihre Strukturen, die Chancen, Formen und der Grad der Integration, ist in den Ver-einigten Staaten der Gegenstand umfassender und systematischer Untersuchungen geworden Sie bilden den theoretischen Hintergrund und gaben einen Anstoß zu Ausbildung der Doktrin des Regionalismus.

Eingegangen in die Doktrin des Regionalismus ist zweitens der Beitrag der sogenannten „realistischen Schule", die in den Vereinigten Staaten während der fünfziger Jahre ihre Blütezeit gehabt hat Ihre Begründer, der Theologe Reinhold Niebuhr, der englische Historiker Edward H. Carr, der Geopolitiker Nicholas J. Spykman und der Politologe Hans J. Morgenthau, wie ihre Anhänger in der praktischen Politik, darunter George F. Kennan, Charles B. Marshall und George W. Ball, haben in einer Zeit, als die Vereinigten Staaten zwischen Isolationismus und Universalismus hin-und hergerissen Weltpolitik ohne weltpolitische Erfahrungen machten, einen entscheidenden Beitrag zur außenpolitischen Orientierung der USA geleistet. In einer relativ kurzen Zeitspanne — darin scheint mir die intellektuelle Bedeutung dieser Schule zu liegen — haben ihre Vertreter, nicht ohne auf heftigen Widerstand zu stoßen, traditionelle, zumeist in Europa entwickelte außenpolitische Kategorien rezipiert, die ihnen zugrunde liegenden Erfahrungen analysiert und mit ihrer Hilfe die weltpolitische Situation nach 1945 interpretiert.

Dabei blieb nicht aus, daß die Einschätzung des außenpolitischen Gleichgewichts zwischen einer Mehrzahl von Machtzentren, die „balan-ce of power" als System der internationalen Politik, als Mittel der Machtbegrenzung und als Prinzip der Politik, eine Umwertung erfuhr. Sie war von Woodrow Wilson während des Ersten Weltkrieges als das Herzstück der alten internationalen Ordnung aus politischen wie moralischen Gründen verworfen worden, weil sie weder den Krieg zu verhindern vermocht hatte noch mit den Prinzipien der Demokratie, der nationalen Selbstbestimmung und der politischen Moral, wie er sie verstand, zu vereinbaren war

Sie wurde, wenn auch mit einer Reihe präzisierter Vorbehalte, von Hans J. Morgenthau u. a. wieder aufgewertet. Morgenthau erblickte im internationalen Gleichgewichtssystem, in welchem Macht „zwischen mehreren Nationen von annähernder Gleichheit" verteilt ist, die besondere Manifestation eines allgemeinen Prinzips, dem alle Gemeinschaften, die sich aus autonomen Einheiten zusammensetzen, die Autonomie ihrer Mitglieder verdanken. Unter Bedingungen, die durch die Existenz von souveränen Staaten gekennzeichnet sind, sichert dieses Prinzip, wenn und solange es beachtet wird, sowohl die Unabhängigkeit der Staaten wie die Stabilität des von ihnen organisierten Staatensystems. Jedoch sind Unabhängigkeit wie Stabilität durch den fortlaufenden Wandel der internationalen Situation ständig bedroht, weshalb, um Unabhängigkeit wie Stabilität zu erhalten, das Gleichgewicht immer wieder neu geschaffen werden muß Zum unmittelbaren Anknüpfungspunkt für die Doktrin des Regionalismus wurde das so wiederbelebte Gleichgewichtsdenken dadurch, daß Morgenthau, dessen Name hier gleichzeitig für andere steht, dem bipolaren System der ersten Nachkriegszeit die Prognose stellte, daß es sich entweder zu einem Zwei-Blöcke-System verfestigen würde, welches alle „uncommitted nations of the world" absorbieren wird, oder aber, daß es in ein multipolares System zerfallen würde, welches mehr als nur zwei Machtzentren aufweisen wird Schien sich in den fünfziger Jahren der erste Teil der Prognose zu bewahrheiten, so machten in den sechziger Jahren viele Anzeichen den zweiten Teil wahrscheinlich. Der Doktrin des Regionalismus liegt erklärtermaßen die Erwartung zugrunde, daß das internationale System der Zukunft, wenn auch nicht militärstrategisch, so doch politisch ein multipolares sein wird.

Als Katalysator, durch den diese wie andere Erwägungen politisch relevant wurden und in eine Doktrin eingegangen sind, hat sich die außenpolitische Situation der Vereinigten Staaten erwiesen, die in den sechziger Jahren — unabhängig, aber doch verstärkt durch : das Engagement in Südvietnam — zunehmender Kritik ausgesetzt gewesen und von einem Teil der Kritiker mit der Formel des overcommitment umschrieben worden ist. Daraus er-wuchs die Forderung, die außenpolitischen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten in Übereinstimmung mit ihren vorhandenen Hilfsmitteln zu bringen.

Dafür hatte Walter Lippmann bereits 1943 die Parole ausgegeben: „The nation must maintain its objectives and its power in equilibrium, its purposes within means and its means equal to its purposes, its commitments related to its resources and its resources adequate to its commitments." Diese Warnung vor einem die amerikanischen Möglichkeiten übersteigenden Universalismus wurde nunmehr zum Vorbehalt und Einwand gegen die offizielle Politik des Containment. Für die Stabilisierung des Status quo, die in der ersten Nachkriegszeit in der Tat nur durch das globale Engagement der USA zu erreichen war, zeichnen sich in Zukunft neue, weniger aufwendige, dem Eigeninteresse angemessenere Möglichkeiten ab. Ein Abbau der weltweiten amerikanischen Verpflichtungen setzt jedoch voraus, daß die dadurch zwangsläufig entstehenden Machtvakuen weder von außen aufgefüllt noch auch durch wieder auf-brechende innere Konflikte zerrissen werden. Beides zu verhindern, das internationale Gleichgewicht auf der Grundlage von mehr als nur zwei Akteuren neu auszubalancieren und regionale Konfliktstoffe durch Integrationen aus der Welt zu schaffen, ist das Ziel des Regionalismus. Das von ihm empfohlene Mittel: die Schaffung von regionalen, überstaatlichen Einheiten, durch die erstens zusätzliche Weltmächte ins Leben gerufen und zweitens unruhige Konfliktzonen befriedet werden sollen. Internationale Stabilität durch die Konsolidierung eines Gleichgewichtssystems zu sichern und die Basiseinheiten des Gleichgewichtssystems auszuwechseln, es von seiner regionalen Ebene auf eine höhere, globale zu transformieren, sind Themen, für die es in der europäischen Geschichte exemplarische Analogien gibt.

II. Das Gleichgewicht der Mächte und die kontinentalen Großräume

Ein kritisches überdenken der Rolle, welche das Gleichgewicht der Mächte in der europäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts gespielt hat, fördert die Einsicht zutage, daß es stets von denen am meisten gerühmt worden ist, deren staatliche Interessen von ihm am wenigsten beeinträchtigt worden sind. Diesen Sachverhalt hat Nicholas J. Spykman im Jahre 1942 auf die klassische Formel gebracht: „The truth of the matter is that states are interested only in a balance which is in their favor." Auf die historischen Erfahrungen, die dieser Sicht zugrunde liegen, ist hier einzugehen, um die Art der Interessen und der Vorteile kennenzulernen, denen das Gleichgewichtssystem in der Verhangenheit sein Ansehen bei Theoretikern und Staatsmännern verdankt. Wobei, um einem möglichen Mißverständnis von vornherein zu wehren, sogleich angefügt sei, daß selbst ein Mißbrauch des Gleichgewichtsdenkens weder die Wirkungen des auf dem Gleichgewicht der Mächte beruhenden Systems außer Kraft zu setzen noch die von ihnen abgeleiteten Maxime der praktischen Politik ad absurdum zu führen vermag

Es ist ein offenes Geheimnis, daß die britische „power of balance" -Politik gegenüber Kontinentaleuropa dem Interesse Großbritanniens entsprach, das aufgrund seiner insularen Lage und als Flankenmacht zum Schiedsrichter in europäischen Angelegenheiten, zum „balancer" des europäischen Gleichgewichtssystems avanciert und das in dieser Position seiner Herrschaft über die Meere, seiner „supremacy"

in außereuropäischen Angelegenheiten sicher war. Von Robert S. Castlereagh dem britischen Außenminister der nach-napoleonischen Zeit, über Sir Eyre Crowe bis zu Sir Winston Churchill, der von der „wonderful unconscious tradition of British foreign policy" gesprochen hat war die Konservierung des Status quo auf dem Kontingent — nicht unbedingt der bestehenden territorialen Grenzen, aber doch des etablierten Machtgleichgewichts — ein offen erklärtes Ziel der britischen Außenpolitik. Das hat Europa zwar davor bewahrt, das Opfer einer europäischen Hegemonialmacht zu werden, hat aber nicht verhindert, sondern dazu geführt, daß es am Ende das Protektionsund Herrschaftsgebiet zweier außereuropäischer Großmächte geworden ist.

Die Uhr der britischen Gleichgewichtspolitik war 1945 endgültig abgelaufen. Ihr Mechanismus, der funktioniert hatte, solange die Mächte Europas untereinander auszubalancieren waren, solange Europa machtpolitisch „balkanisiert" war, ist jedoch schon früher defekt gewesen. Der Zeitpunkt und auch der Grund ist von Benjamin Disraeli, seinerzeit Führer der Opposition im britischen Unterhaus, exakt bestimmt worden. In einer Rede vor dem britischen Unterhaus hat er am 9. Februar 1871, drei Wochen nach der Geburt des kleindeutschen Reiches, erklärt: „Nicht ein einziger der Grundsätze in der Handhabung unserer auswärtigen Angelegenheiten, welche noch vor einem halben Jahr von allen Politikern als selbstverständliche Richtlinien anerkannt wurden, gilt heute noch. Es gibt keine überkommene Auffassung der Diplomatie, welche nicht fortgeschwemmt worden wäre. Wir stehen vor einer neuen Welt, neue Einflüsse sind am Werk; . .. das Gleichgewicht der Macht ist völlig zerstört."

Mit dem Beginn dessen, was Theodor Schieder die „latente" deutsche Hegemonie über Europa genannt hat war auch der traditionellen französischen Gleichgewichtspolitik der Boden entzogen. Ihr Interesse, so wie es von Richelieu, Mazarin und Talleyrand gesehen und verfolgt worden ist war darauf gerichtet, Deutschland im Zustande der Uneinigkeit zu halten. Denn auf der Vielzahl der deutschen Staaten und der damit gegebenen Möglichkeit, sie gegeneinander auszuspielen, beruhte die privilegierte Stellung und die Sicherheit des vereinigten französischen Staates. Die deutsche Einigung bedeutete das Ende der französischen Vorzugsstellung, die nur solange aufrechtzuerhalten war, solange Deutschland „balkanisiert" war. Kein Wunder, daß diese Abdankung von denjenigen Franzosen, die in den Kategorien der überkommenen Gleich-gewichtspolitik dachten, nicht verwunden und zur Ursache für das Unglück Europas verklärt worden ist.

Der Historiker Jacques Bainville hat diese Befürchtungen in die Worte gefaßt: „Es gab nach der deutschen Einigung in der Tat keine Spur mehr des alten Systems eines — wie auch immer — gegen die Übergriffe des Stärkeren organisierten Europas. Das System des Gleichgewichts, das die europäische Welt durch Frankreich gefunden hatte und das wesentlich auf der Ohnmacht Deutschlands beruhte, war zerbrochen. ... 1870 kennzeichnet die Herauf-kunft der internationalen Anarchie." Wie ein Nachklang dieses an der französischen Staatsräson orientierten Denkens klingt ein Satz, welchen Charles de Gaulle, wie einer seiner Biographen, Alain Murcier, zu berichten weiß, einem Gesprächspartner geantwortet haben soll, der ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die Teilung Deutschlands gut für Frankreich wäre: „Das sage ich schon seit tausend Jahren!"

Die zentrale Bedeutung, welche Deutschland als Raum von Staaten wie als Nationalstaat für das europäische Gleichgewicht, für seine Erhaltung, seine Störung und seine schließliche Außerkraftsetzung gehabt hat, legt die Frage nahe, welche Rolle das Gleichgewichts-denken im politischen Leben Deutschlands gespielt hat. Es war, dies ein historisch einmaliger Fall, unmittelbar in die Charta des 1815 gegründeten Deutschen Bundes eingegangen, in deren von den acht europäischen Großmächten der damaligen Zeit mitunterzeichneten Präambel steht, daß die 39 Mitgliedstaaten den Bund ins Leben gerufen hatten: „von den Vortheilen überzeugt, welche aus ihrer festen und dauerhaften Verbindung für die Sicherheit und die Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europas hervorgehen ... " Einer der geistigen Väter des Deutschen Bundes, Friedrich von Gentz, hatte schon 1806 die „Maxime" aufgestellt, daß kein Land des europäischen Staatensystems so mächtig werden dürfe, daß es von der „Gesammtheit der übrigen" nicht bezwungen werden könne, und daraus die politische Nutzanwendung abgeleitet, daß, wenn immer das Gleichgewicht von einer einzelnen Macht bedroht ist, „kein Mittel zur Schwächung derselben, das die Staats-Weisheit nur irgend an die Hand gibt, unversucht gelassen werden müsse" Unter dem Eindruck der von Napoleon beinahe verwirklichten und nur in einer großen Koalition niedergerungenen französischen Hegemonie in Europa hatte Gentz die Lehre gezogen, daß allen hegemonialen Bestrebungen, ganz gleich von welcher Macht sie ausgingen, zu begegnen sei.

Leopold von Ranke seinerseits glaubte gar aus den geschichtlichen Ereignissen, die er erforscht und die er erlebt hatte, die folgende Regel herauslesen zu können, die ebenfalls eine unüberhörbare Warnung an alle potentiellen Hegemonialmächte enthielt: „In großen Gefahren kann man wohl getrost dem Genius vertrauen, der Europa noch immer vor der Herrschaft jeder einseitigen und gewaltsamen Richtung beschützt, jedem Druck von der einen Seite noch immer Widerstand von der anderen entgegengesetzt und bei einer Verbindung der Gesamtheit, die von Jahrzehnt zu Jahrzehnt enger und enger geworden, die allgemeine Freiheit und Sonderung glücklich gerettet hat."

Als Gentz und Ranke das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schrieben, lag es ihnen fern, in Deutschland den Störenfried des europäischen Gleichgewichtssystems zu sehen, der, wie Gentz empfohlen hatte, als „gemeinschaftlicher Feind des gesamten Gemeinwesens behandelt" werden solle Deutschland konnte dazu gar nicht werden, solange es aus einer Vielzahl von Staaten bestand. Daß es dazu no-lens volens wurde, sobald es als vereinter Staat auf die europäische Staatenbühne trat, ist auch von hellsichtigen deutschen Beobachtern der Ereignisse erkannt und mit den daraus erwachsenden Folgen beschrieben worden. In diesem Zusammenhang sei nur an die Bemerkung erinnert, mit der Karl Marx das Entstehen des deutschen Nationalstaates „begrüßt" hat. In einer von ihm verfaßten Adresse des Generalrates der Internationalen Arbeiterassoziation aus dem Jahre 1870 heißt es, daß die europäischen Mächte die deutsche Vorherrschaft in Europa nicht hinnehmen, sondern zu brechen versuchen werden. „Das ist das Gesetz des alten politischen Systems." Der Krieg, auch das sind seine Worte, wäre entgegen den Erwartungen der „Militärkamarilla, Professorenschaft, Bürgerschaft und Wirtshauspolitik" durch die deutsche Einigung zu einer „europäischen Institution" gemacht, der kommende Friede in einen „bloßen Waffenstillstand" verwandelt worden. „Tritt dieser unwahrscheinliche Fall (der einer vorhergehenden Revolution — H. W.) nicht ein, so muß der Krieg zwischen Deutschland und Rußland als un fait accompli behandelt werden." /Und der liberale Historiker Georg Gottfried Gervinus schrieb in seinem 1871 verfaßten politischen Testament, seiner „Denkschrift zum Frieden", daß Deutschland durch die Reichs-gründung in einen „allzeit angriffsfähigen Kriegsstaat''umgewandelt worden wäre. Nur in der „Selbsttäuschung des Patriotismus" könne man sich verhehlen, daß eine solche, alle Nachbarn in gleicher Weise bedrohende Machtkonzentration im Herzen Europas auf die Dauer nie ertragen werden würde. Für jeden, der Augen habe zu sehen, sei es offenkundig, daß hier „eine permanente Kriegs-macht von so furchtbarer Überlegenheit" im Entstehen begriffen wäre, „wie sie die Zeiten . . .der letzten Jahrhunderte niemals, nicht entfernt gekannt haben" In seinem Nachlaß fanden sich auch diese Zeilen, mit denen er seine deutschen Landsleute gewarnt hat, daß ihr Umsturzversuch des europäischen Gleichgewichtssystems kläglich und schändlich scheitern werde: „Ihr aber könnt, wenn euer Taumel endet, nicht klagen, daß euch kein Prophet gesendet."

So erklärlich das Interesse an der Erhaltung des 1815 geschaffenen Gleichgewichtssystems derjenigen Deutschen war, die in ihm eine Garantie für die Unabhängigkeit und Sicherheit der ihm angehörenden, es ausbalancierenden deutschen und europäischen Staaten erblickten, so verständlich ist, daß es von denjenigen Deutschen mit Verachtung gestraft worden ist, deren Streben dahin ging, den auf dem Wiener Kongreß organisierten Status quo durch die Schaffung eines vereinigten deutschen Staates aus den Angeln zu heben. Das war unter den obwaltenden Umständen nicht gut möglich, ohne daß davon auch das europäische Gleichgewichtssystem betroffen wurde. Schon 1848 hatte Friedrich Christoph Dahlmann erklärt: „Auf dieser Verrückung des Gleichgewichts von Europa wollen wir bestehen, bis der letzte Tropfen Blutes uns entströmt ist" Daß es dabei nicht nur um eine Reorganisation des europäischen Gleichge-wichtsystems ging, wie wohl auch Bismarck geglaubt hat, sondern daß seine Funktionsfähigkeit, ja seine Existenz überhaupt in Frage gestellt war, darüber hat es zumindest bei den für die deutsche Außenpolitik Verantwortlichen nach der Jahrhundertwende keine Illusionen mehr gegeben.

Der Historiker Otto Hintze hat diese Sicht mit den schlichten Worten umschrieben: „Das europäische Staatensystem ist heute ein überwundener Standpunkt." Der General Friedrich von Bernhardi dozierte 1912 wohlgemut:

„Zunächst müßte das Prinzip des europäischen Gleichgewichtes, das seit dem Wiener Kongreß ein gewissermaßen sakrosanktes, aber ganz unberechtigtes Dasein führt, entschieden durchbrochen werden." Der Soziologe Max Weber hat mitten im Ersten Weltkrieg die Verbindung zwischen dem Kampf, in dem der deutsche Staat damals stand, und seiner Gründung, durch die er auf die Bahn zur Weltmachtpolitik eingeschwenkt war, mit dem Satz hergestellt: „Wollten wir diesen Krieg nicht riskieren, nun, dann hätten wir die Reichsgründung ja unterlassen und als ein Volk von Kleinstaaten weiter existieren können." Gleichwohl, und das allein ist hier bemerkenswert, hatten die Deutschen, die so argumentierten, nicht aufgehört, in den Kategorien des Machtgleichgewichts zu denken. Sie waren nach wie vor, worauf insbesondere Ludwig Dehio und Hans-Heinz Krill in ihren Untersuchungen aufmerksam gemacht haben an einem Machtgleichgewicht interessiert, wollten seine Voraussetzungen überhaupt erst schaffen — nur daß es sich dabei um ein weltweites Gleichgewicht handelte, während das kontinental-europäische Gleichgewicht von ihnen, wie es Dehio formuliert hat, aufs „Altenteil" verwiesen wurde Diese Überlegungen stützten sich auf Entwicklungen, die als in Gang befindlich erkannt wurden und die, in die Zukunft projiziert, so gedeutet wurden, daß es durch sie quasi naturgesetzlich zur Ausbildung eines neuen Gleichgewichtsystems kommen werde.

Die treibende Kraft war die Dynamik der technisch-industriellen Entwicklung, welche größere Märkte und Organisationen erforderlich machte. Schon 1898 hatte Karl Jentsch auf zwei politische Folgen dieser alte Ordnungen zerbrechenden und neue hervorbringenden Evolution hingewiesen: „Die europäischen Mächte fallen in den Rang von Kleinstaaten zurück, die keine Politik mehr treiben, sondern bestenfalls Lärm machen können, wenn sie für sich allein dastehen. Die Zukunft gehört den Weltmächten. Das deutsche Volk ist vor die

Entscheidung gestellt, ob es politisch abdanken oder ob es eine Weltmacht werden will. Diese Alternative ist mit einer zweiten gekoppelt: in Europa ist nur für eine Weltmacht Platz."

Diese Auffassung ist um die Jahrhundertwende übrigens nicht nur von Deutschen vertreten worden, sie wurde auch z. B. von dem schwedischen Staatsrechtler Rudolf Kjellen geteilt. Er schrieb im Jahre 1913, daß das, was bisher nur ein voreiliger Gedanke gewesen wäre, die Einigung Europas, nunmehr den „Charakter einer Notwendigkeit im Interesse der Selbsterhaltung" angenommen habe. „Nur durch den Zusammenschluß können die heutigen europäischen Staaten ihre Widerstandskraft gegenüber schneller wachsenden Gegnern bewahren, die ihre Gebiete mit zweistelligen Millionen-zahlen zählen und sie gleichzeitig mit eigenen Vorräten ernähren können; ihre Schatten sehen wir bereits über unserem Erdteil in der amerikanischen, der russischen und der gelben Gefahr. So ist Europa unter einen Druck geraten, der möglicherweise einmal stark genug sein wird, die mächtigen Tatsachen und Traditionen, welche es noch in rein souveräne Teilchen zersplittern, zu überwinden. In einem solchen Zusammenschluß erscheint Deutschland als der geographisch und kulturell natürliche Führer."

Vor genau fünfundfünfzig Jahren, 1915, glaubte Friedrich Naumann, daß die Zentren der kommenden Weltmächte — außer auf der Linie Berlin—Prag—Wien — in London, New York und Moskau liegen würden. Unsicher war er lediglich, ob es auch noch in anderen Regionen zur Ausbildung von Weltmächten kommen werde. „Ob ein ostasiatischer Weltmittelpunkt in Japan oder in China sich bilden wird, liegt noch im unklaren. Ob Indien oder Afrika überhaupt jemals Mittelpunkte erster Größe hervorbringen, ist mindestens sehr fraglich. Dasselbe gilt von Süd-amerika." Der Zusammenhang zwischen dem versuchten Aufstieg Deutschlands zu einer Weltmacht und der Schaffung eines weltweiten Machtgleichgewichtes, der — meiner Ansicht nach — zum Schaden seiner Arbeiten von dem Hamburger Historiker Fritz Fischer übersehen wird ist vielleicht am klarsten von Otto Hintze formuliert worden, als er im Jahre 1916 verkündete: „Unter Weltmacht verstehen wir nicht eine überragende, der Welt das Gesetz gebende Macht, nicht ein neues Rom, das keine andere gleichberechtigte Macht neben sich duldet, sondern eine Großmacht im Rahmen des neuen Weltstaatensystems, eine Macht vom Typus, wie ihn die vergrößerten und erweiterten Weltverhältnisse bedingen und erfordern. Wir wollen als eine Weltmacht neben anderen Weltmächten in der zukünftigen Staatengesellschaft stehen, wie wir als eine Großmacht neben anderen Großmächten in dem bisherigen europäischen Staatensystem gestanden haben ... Der Gedanke, der unserer Politik zugrunde liegt, ist also nicht der der Weltherrschaft, sondern vielmehr der des Gleichgewichts der Mächte."

In diesem Lichte gesehen, war der Erste Weltkrieg ein Kampf zwischen den Mächten, die in Verfolgung ihrer Interessen das europäische Gleichgewichtssystem erhalten wollten und es dann doch nicht am Leben erhalten haben, und denen, die es in Verfolgung ihrer Interessen in ein Weltgleichgewichtssystem überführen wollten und dabei keinen Erfolg gehabt haben Gescheitert sind sie alle-, die einen früher, die anderen später. „Es ist", schreibt Ludwig Dehio, „als ob sich die Duellanten wechselseitig durchbohrt hätten."

Noch ein zweites Mal ist das politische Denken in Deutschland in weltpolitische Bahnen gelenkt worden. Die nationalsozialistische Zeit verdient deswegen hier Beachtung, weil es in ihr, abseits vom Strom der offiziellen Verlautbarungen, auch Überlegungen gegeben hat, die an ein früheres Gleichgewichtsdenken anknüpften und die bis in die Gegenwart hinein aktuell geblieben sind. Reinhard Höhn, Professor an der Berliner Universität, sah im Jahre 1941 Kräfte am Werk, welche nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt politische Gemeinschaften einer neuen Größenordnung ins Leben rufen würden: „So wie das Aufkommen von souveränen Staaten einst die Reiche zerstörte, so saugen die Großräume (heute) die Staaten auf." Mit dem Terminus Großraum taucht ein Begriff auf, der von Carl Schmitt in die Staats-und Völkerrechtslehre einzuführen versucht worden ist. Er selbst vermeinte die Notwendigkeit zu sehen, einer politischen Zwischeninstanz Anerkennung und einen Namen zu verschaffen, welche zwischen einem „Almanach-Staaten" -System (H. Jahrreiß) und einem Weltstaatsystem ihren historischen Platz hat. Als Präzedenzfall berief er sich dabei auf die Monroe-Doktrin aus dem Jahre 1823, welche er die „erste Erklärung in der Geschichte des modernen Völkerrechts" genannt hat, „die von einem Großraum spricht und für ihn den Grundsatz der Nichtintervention raumfremder Mächte aufstellt"

An dieser Interpretation der Monroe-Doktrin haben zwei Aspekte eine unverminderte Aktualität bewahrt: die innere Struktur des Großraumes und seine Außenbeziehungen. Mit der Konzeption des Großraumes, der von einer Führungsmacht, von ihm „Reich" genannt, konstituiert und garantiert wird, was praktisch der Anerkennung oder doch Hinnahme eines regional begrenzten „Interventionsrechtes" und „Interventionsverbotes" gleichkam, hat Carl Schmitt einen Prototyp international relevanter Organisationsformen namhaft gemacht, für den die Geschichte der Nachkriegszeit ihre Beispiele hat. Und als Folge der sich konstituierenden Großräume hielt er es für wahrscheinlich, daß in Zukunft vier verschiedene Formen internationaler Beziehungen zu unterscheiden sein werden: „Erstens solche zwischen den Großräumen im ganzen, weil diese Großräume selbstverständlich nicht hermetisch abgeschlossene Blöcke sein sollen, sondern auch zwischen ihnen ökonomischer und sonstiger Austausch und in diesem Sinne ein . Welthandel'stattfindet; zweitens zwischen-reichliche Beziehungen zwischen den führenden Reichen dieser Großräume; drittens zwischen-völkische Beziehungen innerhalb eines Großraumes und endlich — unter dem Vorbehalt der Nichteinmischung raumfremder Mächte — zwischen-völkische Beziehungen zwischen Völkern verschiedener Großräume." Auch damit hatte Carl Schmitt Realitäten antizipiert, die — unabhängig von den Ereignissen, deren Zeuge er war und deren Kommentator er zu sein glaubte — geschichtswirksam geworden sind.

In den Großräumen erblickte Werner Daitz, der diesen Gedanken mitten im Zweiten Weltkrieg öffentlich entwickelt hat, die Fundamente der neuen, sich abzeichnenden Weltordnung. Er sagte voraus, daß sich noch während des Krieges und unmittelbar nach seinem Ende insgesamt sechs Großräume konstituieren würden: 1.der Großraum der ostasiatischen Völker-familie 2.der Großraum der indisch-malaysischen Völkerfamilie 3.der Großraum der europäischen Völker-familie 4.der Großraum der afrikanischen Völker schwarzer Rasse 5.der Großraum der anglo-amerikanischen Völker Nordamerikas und 6.der Großraum der latein-amerikanischen Völker Südamerikas.

Nicht ganz klar war er sich, ob es auch zur Bildung eines siebenten Großraumes der arabischen Völker kommen werde. Aber bedacht hat er doch schon die Möglichkeit, daß es in einer ferneren Zukunft auch zu einer engen Kooperation zwischen den einander zugeordneten, auf der nördlichen und der südlichen Erdhälfte gelegenen Großräumen kommen könne. „Diese sechs Großräume, die heute schon harte, politische Realitäten sind, stehen insofern in einem interessanten natürlichen Verhältnis zueinander und bilden dadurch gewissermaßen drei Paare, als der südlich gelegene der tropische Komplementär zum nördlichen ist." Eine so strukturierte Weltordnung, das war seine Erwartung, „wird sich als friedlicher und krisenfester erweisen als die Unordnung der letzten Jahrtausende." *

III. Kontinentalismus

Auch gegen, die Doktrin des Regionalismus, die — das sei noch einmal besonders hervorgehoben — gegenwärtig nicht die Maxime der offiziellen amerikanischen Außenpolitik ist sondern die in den USA neben anderen außen-politischen Konzeptionen diskutiert und vertreten wird, ist im Sinne von Karl Mannheim der Ideologieverdacht zu richten Im Vergleich zu den europäischen Erfahrungen mit einer Gleichgewichtspolitik, von denen hier die Rede war, läßt sich vom Regionalismus weder sagen, daß sich hinter ihm das Interesse der Vereinigten Staaten an der für sie vorteilhaften Aufrechterhaltung des internationalen Status quo verbirgt, noch, daß damit der Aufstieg der USA zu einer Weltmacht oder zu der Welt-vormacht getarnt wird. Im Gegenteil, das internationale Machtsystem soll erklärtermaßen reorganisiert, das Gewicht der USA in ihm und ihre Verantwortung für sein Funktionieren sollen reduziert werden.

Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß dabei Interessen im Spiel sind und daß es um Änderungen zum Vorteil der USA geht: um den Ausgleich zwischen den von den Vereinigten Staaten eingegangenen weltweiten Verpflichtungen und ihren vorhandenen begrenzten Möglichkeiten, um die Umverteilung von Lasten, die Befreiung von Ballast. Interessen und Vorteile dieser Art sind, wenn überhaupt, allenfalls mit jenen zu vergleichen, die Kaiser Franz II. im Jahre 1806 dazu bestimmten, die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation niederzulegen — damit seine Macht auch offiziell von dem schwankenden Boden des Reiches lösend und auf die festeren des österreichischen Staates gründend —, und mit jenen, die Großbritannien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges veranlaßten, die Verbindung mit seinen überseeischen Besitzungen, darunter auch zu Indien, diplomatisch geschickt zu entflechten

Die Doktrin des Regionalismus eröffnet, und das mag einen Teil der von ihr in den USA ausgehenden Faszination erklären, einen Weg, auf den sich die Anhänger ihrer beiden traditionellen außenpolitischen Schulen einigen können, da diese Konzeption zwischen Isolationismus und Universalismus vermittelt.

Durch internationale Regionalisierung sollen, wie ihre Befürworter erklären, die politischen Voraussetzungen geschaffen werden, die eine einheitliche Weltorganisation überhaupt erst funktions-und aktionsfähig machen würden. In diesem Sinne ist eine auf Regionen beruhende Weltordnung „the halfway house bet-ween the nation-state and a world not ready to become one" sowie „the next big step forward in international Cooperation“ und „both a stage in the development of the global Society and a permanent part of its structure" genannt worden. Der sich in diesen Worten äußernde Gesinnungswandel ist bereits im Jahre 1940 von Edward H. Carr auf die Formel eines „escape from a theoretical and ineffective universalism into practical and workable regionalism" gebracht worden Andererseits vermag die Konzeption auch jene anzusprechen, die gegenwärtig einem gebrochenen Isolationismus, dem, wie er neuerdings genannt wird, „limitationism" anhängen Zur Erreichung ihres Zieles, die USA nach Möglichkeit aus den Händeln der Welt herauszuhalten, ohne doch ihre Machtposition zu schmälern, kann der Regionalismus als Kompaß dienen. Tatsächlich hat der Regionalismus seine Anhänger auf beiden Seiten gefunden. Er präsentiert sich als die Vermittlung von zwei unpraktikablen, nicht einmal mehr theoretisch interessanten extremen Positionen.

Die hier nicht zu entfaltenden Vorbehalte und Einwände gegen die Doktrin des Regionalismus konzentrieren sich auf drei Punkte, die als Fragen formuliert seien:

Die Schaffung von regionalen Einheiten kontinentalen Zuschnitts würde zwar zu einer Reduzierung möglicher Konfliktfälle, aber doch auch zu einer Vergrößerung vorhandener Konfliktpotentiale führen. Inwieweit wird auf diese Weise die internationale Stabilität nicht gefestigt, sondern im Gegenteil gefährdet?

Zweitens: Durch die Entwicklung der modernen Waffentechnik auf einen Stand, der im Falle eines mit nuklearen Waffensystemen ausgetragenen Konfliktes die Existenz der Menschheit bedroht, ist ein neues Element in die internationale Politik getreten, das in Rechnung zu stellen ist. Inwieweit wird, wenn sich die Zahl nicht nur der Atomwaffen besitzenden Mächte, sondern auch der für einen Atomwaffenkrieg potentiell oder tatsächlich gerüsteten Kontinentalmächte vergrößern würde, die Verhinderung der Proliferation von Atomwaffen unmöglich bzw. unwirksam gemacht und die Gefahr eines Atomwaffenkrieges erhöht?

Drittens: Die Regionalisierung hat auch eine innenpolitische und moralische Kehrseite. Unmittelbar von ihr betroffen wird die innere Ordnung und das Leben der Bürger einer jeden einzelnen regionalen Einheit. Inwieweit wird auf diese Weise das Selbstbestimmungsrecht der Völker negiert, werden demokratische Regierungsformen gefährdet und individuelle Freiheiten abgeschrieben?

Die hier aufgeworfenen, gewiß nicht einfachen, sondern überaus komplexen Probleme werden in den Vereinigten Staaten in großer Breite und mit Leidenschaft diskutiert Die dabei angefallenen Ergebnisse sind überprüfbar. Sie haben bisher, so kritisch und einschränkend sie im einzelnen auch ausgefallen sind, das Interesse an der Doktrin des Regionalismus nicht zu mindern vermocht. Dies nicht etwa deshalb, weil die Einwände nicht schwer und bedenkenswert sind, sondern weil es offenbar an überzeugenderen und gleichzeitig praktikablen Alternativen mangelt.

Grundsätzliche und, wie ich fürchte, auch mit den stärksten Argumenten nicht zu überwindende Ablehnung ist von zwei Seiten zu erwarten: Von denen, die den Status quo des internationalen Staatensystems, die Kombination einer Vielzahl von Miniatur-, von einigen ehemaligen Groß-und von zwei Superstaaten verteidigen, und denen, die diesen Status sogleich und unmittelbar in eine Weltorganisation überführen wollen. Das sind durch vielfältige Interessen und ehrenwerte Wünsche gedeckte Positionen, von denen allerdings zweifelhaft ist, ob sie nicht historisch unzeitgemäß sind und dazu verurteilt, von den Ereignissen widerlegt zu werden.

Ein Argument jedenfalls scheint mir nur aufgrund eines bewußten oder unbewußten Mißverständnisses die Debatte in falsche Bahnen lenken zu können: daß die Konzeption des Regionalismus zwar theoretisch interessant, daß aber die Wirklichkeit halt anders ist; daß diese Konzeption, um es mit einem viel mißbrauchten Wort zu sagen, utopisch ist. Den Anwälten des Regionalismus, die ich hier vorgestellt habe, geht es nicht darum, an die Stelle der Wirklichkeit eine Idee zu setzen, sondern sie wollen die praktische Bewältigung und theoretische Analyse dieser Wirklichkeit durch eine Konzeption erleichtern. Durch eine Konzeption, von der Roger D. Masters gesagt hat, daß durch sie die langfristigen Ziele der amerikanischen Politik für die „nächsten Dekaden", für die nächsten „ 50 bis 100 Jahre“ anvisiert werden sollen

Versucht man die in den Vereinigten Staaten in jüngster Zeit entwickelte Doktrin des Regionalismus auf einen politischen Begriff sui generis zu bringen, der naturgemäß ein neuer, ein erst noch mit Inhalten zu füllender Begriff sein kann, dann bietet sich dafür der des „Kon-tinentalismus" an. Denn im Grunde geht es dabei um die bereits vorhandenen oder potentiell noch möglichen politischen Gemeinschaften von einer Größenordnung, die zwischen der von Nationalstaaten und der einer Weltorganisation steht. Diese Gemeinschaften können weder von der Nation im kulturellen Sinne noch von der Menschheit insgesamt und auch nicht vom Begriff der Rasse her bestimmt werden. Ein in der Tat formales, aber vielleicht gerade deshalb brauchbares Kriterium ist ihre territoriale Basis. Sie verfügen, wenn sie auch nicht in jedem Fall mit den geographischen Kontinenten identisch sind, über ein Territorium von kontinentalen Ausmaßen. Dies ist ihr principium individuationis.

Darauf auch laufen die versuchten Definitionen moderner Weltmachtstellung hinaus, wie etwa diejenige von George W. Ball, der sie in „einer Art mathematischer Kurzschrift" so formuliert hat: „Hilfsmittel und Bevölkerung eines Kontinents plus einem hohen Grad an innerer Stabilität und innerem Zusammenhalt plus einer starken Führung, die den Willen hat, die gemeinsamen Ziele der Gesellschaft zu definieren und nach dieser Erkenntnis zu handeln." Es dürfte in diesem Zusammenhang so überraschend gar nicht einmal sein, wenngleich sich darin ein Bruch mit mächtigen Traditionen ankündigt, aus Amerika die folgende Devise zur Außenpolitik zu vernehmen: „The immediate task, in short, is to make the world safe for the balance of power System, and the balance System safe for the world."

Fussnoten

Fußnoten

  1. W. Besson, Die großen Mächte — Strukturfragen der gegenwärtigen Weltpolitik, Freiburg i. Br. 1966, S. 8, 19.

  2. Vgl. dazu die Bemerkung von G. W. Ball: „Unter dem Eindruck dieser Erkenntnis (daß die einstigen europäischen Großmächte — gemessen am heutigen Standard der Weltpolitik — nur Mächte mittlerer Größe sind — H. W.) hat sich — unterschiedlich von Land zu Land — die Blickweite der Europäer bis zu einem Punkt verengt, an dem die Völker Europas heute wie niemals zuvor in der jüngeren Geschichte sich mit sich selbst beschäftigen und alle ihre Energien auf ihren eigenen kleinen Zipfel der eurasischen Landmasse konzentrieren." G. W. Ball, Disziplin der Macht — Voraussetzungen für eine neue Weltordnung, Frankfurt a. M. 1968, S. 19.

  3. Die neuen, sich im 20. Jahrhundert ausbildenden Größenordnungen sind von R. Aron eindrucksvoll beschrieben worden: „Der historische Untergang der europäischen Nationen ist durch die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts beschleunigt worden .. . Außerhalb der . kleinen Landspitze Asiens'stießen die europäischen Nationen notwendigerweise auf politische Einheiten anderer Größenordnung, weil anderen Typs. .. . Die Entwertung der Nationen erhält in unserer Zeit die Züge eines unwiderruflichen Schicksals. Die annähernde Proportionalität zwischen Kraft und Hilfsquellen, zwischen Hilfsquellen und Zahl der Menschen und der Rohstoffe, zwischen mobilisierbarer Kraft und Macht bietet keine Hoffnung, daß der Genius eines Führers oder die Tugend eines Volkes das Gesetz der Zahl umstoßen kann." R. Aron, Frieden und Krieg — Eine Theorie der Staatenwelt, Frankfurt a. M. 1963, S. 373, 374. — Diese Wandlung berücksichtigt und die sich daraus ergebenden Folgen für Europa gezogen haben u. a. P. Hässner und Lord Gladwyn. Vgl. P. Hässner, Was wird aus Europa?, in: Das 198. Jahrzehnt — Eine Team-Pro-gnose für 1970 bis 1980, hrsg. von C. Grossner u. a., Hamburg 1969, S. 57— 78, sowie Lord Gladwyn, The European Idea, London 1966; dtsch.: Plädoyer für Europa, Köln 1967.

  4. Vgl. J. S. Nye, Jr., (ed.), International Regionalism — Readings, Boston 1968, und die darin enthaltenen Literaturhinweise.

  5. J. S. Nye, a. a. O.. p. VII. Vgl. ferner R. J. Yalem, Regionalism and World Order, Washington, D. C., 1965, p. 143 f.

  6. Vgl. B. M. Russett, International Regions and the International System — Ä Study in Political Ecology, Chicago 1967, p. 1— 13, sowie R. J. Yalem, a. a. O., p. 14 ff.

  7. J. S. Nye, a. a. O., p. VII.

  8. Uber den Beitrag, den einzelne Wissenschaftszweige zur Entwicklung der Theorie des Regionalismus geleistet haben und leisten können, siehe E. B. Haas, Beyond the Nation-State, 2. ed., Stanford 1968.

  9. S. B. Cohen, The Contemporary Geopolitical Setting — A Proposal for Global Geopolitical Equili-brium, in: Ch. A. Fisher (ed.), Essays in Political Geography, London 1968, p. 61— 72. Vgl. auch die grundsätzlichen Erwägungen über die Geopolitik als Wissenschaft und Ideologie durch den Herausgeber Ch. A. Fisher in der Einleitung, p. 1— 10.

  10. S. B. Cohen, a. a. O., p. 62 f.

  11. S. B. Cohen, a. a. O., p. 68.

  12. S. B. Cohen, a. a. Ö„ p. 63.

  13. S. B. Cohen, a. a. O., p. 66 f.

  14. Lord Gladwyn, The European Idea, London 1966; dtsch.: Plädoyer für Europa, Köln 1967, S. 128. Vgl. auch ders., World Order and the Nation-State — A Regional Approach, in: Daedalus, 1966, 95/2, p. 694— 703.

  15. Lord Gladwyn, a. a. O., S. 127, 126, 132.

  16. R. D. Masters, A Multi-Bloc Model of the International System, in: The American Political Science Review, 1961, 55/4, p. 780.

  17. R. D. Masters, a. a. O., p. 782.

  18. Vgl. die Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Lyndon B. Johnson, vor der Konferenz amerikanischer Leitartikler in New York am 7. Oktober 1966, in: Europa-Archiv, 1966, 21, S. D 517— D 521, sowie: Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Lyndon B. Johnson, zur Lage in Vietnam in der John-Hopkins-Universität in Baltimore am 7. April 1965, in: Europa-Archiv, 1965, 20, S. D 442—D 447.

  19. Vgl. G. W. Ball, 3 1/2 Super Powers, in: Life (Atlantic), 15. 4. 1968, 44/7, p. 42— 55; sowie: Disziplin der Macht — Voraussetzungen für eine neue Weltordnung, Frankfurt a. M. 1968, S. 351— 366.

  20. G. W. Ball, Disziplin der Macht, S. 25.

  21. G. W. Ball, a. a. O., S. 24.

  22. G. W. Ball, a. a. O., S. 34.

  23. E. B. Haas, Regional Integration and National Policy, in: International Conciliation, 1957, 513, p. 381 f. — Darin findet sich auch dieser Satz:

  24. Ph. Jacob and A. Atherton, The Dynamics of International Organization, Homewood, 111., 1965, p. 115— 116.

  25. Ch. Alger and St. Brams, Patterns of Representation in National and Intergovernmental Organizations, in: World Politics, 1967, p. 659.

  26. L. Kriesberg, Social Processes in International Relations, New York 1968, p. 468 ff.

  27. R. Angell, An Analysis of Trends in International Organizations, in: Peace Research Society, Papers (International), 1965, 3, p. 186.

  28. J. S. Nye, International Regionalism, p. V. — Bei der einen Ausnahme handelt es sich um den Vorläufer der Organization of American States (OAS), um die Pan-American Union. Vgl. O. C. Stoetzer, The OAS — An Introduction, New York 1965.

  29. Einen guten Überblick über den Stand der Forschung, die Theorie des Regionalismus im Rahmen der internationalen Politik betreffend, vermittelt K. Kaiser, The Interaction of Regional Subsystems — Some Preliminary Notes on Recurrent Patterns and the Role of Superpowers, in: World Politics, 1968, 21/1, p. 84— 107. — Zu den amerikanischen Standardwerken zählen. E. B. Haas, The Challenge of Regionalism, in: International Organization, 1958, 12/3, p. 440— 448; A. Etzioni, Political Unification — A Comparative Study of Leaders and Forces, New York 1965; R. J. Yalem, Regionalism and World Order, Washington, D. C., 1965; B. M. Russett, International Regions and the International System — A Study in Political Ecology, Chicago 1967. Vgl. ferner die informative Einleitung von J. S. Nye, in: ders. (ed.), International Regionalism, Boston 1968, p. V-XII. — In der Bundesrepublik ist der Regionalismus behandelt worden von: P. Coulmas, Regionalismus, in: Moderne Welt, 1969, 10/1, S. 3— 13; K. Krakau, Der Regionalismus im Spannungsfeld hegemonialer Interessen, in: Moderne Welt, 1969, 10/1, S. 22— 34; A. von Schack, Europa ist kein Einzelfall — Die Regionen der Welt, 1969, Manuskript; E. Senghaas-Knobloch, Frieden durch Integration und Assoziation — Literaturbericht und Problem-studien, Stuttgart 1969.

  30. Uber die Entstehung und die Vertreter der „realistischen Schule" in den Vereinigten Staaten unterrichtet: K. W. Thompson, Political Realism and the Crisis of World Politics — An American Approach to Foreign Policy, Princeton, N. J., 1960. Kritisch behandelt wird diese Position von I. L. Claude, Power and International Relations, New York 1962.

  31. Vgl. 1. L. Claude, The Wilsonian Critique, in: ders., a. a. O., p. 75— 87.

  32. H. J. Morgenthau, Politics Among Nations — The Struggle for Power and Peace, 3. ed., New York 1962, p. 167, 174.

  33. H. J. Morgenthau, a. a. O., p. 361.

  34. W. Lippmann, U. S. Foreign Policy — Shield of the Republic, Boston 1943, p. 21.

  35. N. J. Spykman, America's Strategy in World Politics, New York 1942, p. 21.

  36. Auf die auch diesem Denken innewohnende Tendenz zur Ideologisierung hat ausdrücklich schon H. J. Morgenthau hingewiesen, in: ders., a. a. O., p. 213 ff.

  37. Robert S. Castlereagh (1769— 1822) war von 1811— 1822 britischer Außenminister. Er verstand unter Gleichgewichtspolitik: „the maintainance of such a just equilibrium between the members of the family of nations as should prevent any of them becoming sufficiently Strong to impose its will upon the rest". Zit. nach: A. Mills and Ch. H. Laugh-tin, World Politics in Transition, New York 1956, p. 108.

  38. Sir Eyre Crowe sah zu Beginn des Ersten Weltkrieges die Aufgabe (mission) Großbritanniens darin, „by throwing her weight now in this scale and now in that, but ever on the side opposed to the

  39. W. S. Churchill, The Second World War — The Gathering Storm, Boston 1948, p. 208. — Vgl. auch: „For four hundred years the foreign policy of England has been to oppose the strongest, most aggressive, most dominating Power on the Continent." Ebda. Beide Zitate stammen aus einer Rede des Jahres 1936.

  40. W. F. Monypenny and G. E. Buckle, The Life of Benjamin Disraeli, 5. t., p. 133 f.; zit. nach: W. Bussmann, Bismarck im Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt, Stuttgart 1954, S. 28.

  41. Th. Schieder, Bismarck und Europa — Ein Beitrag zum Bismarck-Problem, in: W. Conze (Hrsg.), Deutschland und Europa — Historische Studien zur Völker-und Staatenordnung des Abendlandes, Düsseldorf 1951, S. 36. — L. Dehio spricht von einer „halbhegemonialen Stellung des Bismarckreiches auf dem Festland". L. Dehio, Deutschland und die Weltpolitik im 20. Jahrhundert, München 1955,

  42. Vgl. u. a. J. Bainville, Histoire de deux peuples (1915), dtsch.: Geschichte zweier Völker, Hamburg 1939, und E. von Vietsch, Die historische Gleichgewichtspolitik Frankreichs, in: ders., Das europäische Gleichgewicht — Politische Idee und staatsmännisches Handeln, Leipzig 1942, S. 47— 130.

  43. J. Bainville, a. a. O., S. 175. — Bainville zitiert auch die Worte, welche Thiers sechs Wochen vor Königgrätz (1866) gesprochen hat: „Der wichtigste Grundsatz der europäischen Politik geht dahin, daß Deutschland aus unabhängigen Staaten zusammengesetzt sein muß, die untereinander nur durch ein einfaches föderatives Band verknüpft sind." J. Bainville, Les consequences politiques de la paix (1920), dtsch.: Frankreichs Kriegsziel, Hamburg 1939, S. 61.

  44. A. Murcier, Was will de Gaulle, die Sphinx Frankreichs? Diessen /Ammersee 1965, S. 14.

  45. Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; zit. nach: E. R. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Ver-fassungsgesdiichte, Stuttgart 1961, 1. Bd., S. 75.

  46. F. von Gentz, Fragmente aus der neusten Geschichte des politischen Gleichgewichts in Europa, St. Petersburg 1806, Neudruck Osnabrück 1967,

  47. L. von Ranke, Die großen Mächte (1833), in: ders., Geschichte und Politik — Ausgewählte Aufsätze und Meisterschriften, hrsg. von H. Hofmann, Stuttgart 1940, S. 11.

  48. F. von Gentz, a. a. O. t S. 8.

  49. Marx, Engels, Lenin, Stalin, Zur deutschen Geschichte, 3 Bde., Berlin 1954, II, 2, S. 897 und S. 886, 887. Aufschlußreich auch die Prognose von F. Engels über den kommenden Krieg, von dem er im Jahre 1887 gesagt hat: „Deutschland wird Verbündete haben, aber Deutschland wird seine Verbündeten, und diese werden Deutschland bei erster Gelegenheit im Stich lassen. Und endlich ist kein anderer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so kahl fressen wie noch nie ein Heuschrecken-schwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet . . ." Marx, Engels, Lenin, Stalin, a. a. O., II, 2, S. 1114.

  50. G. G. Gervinus, Denkschrift zum Frieden — An das preußische Königshaus (1871), in: Hinterlassene Schriften, Wien 1872, S. 22 ff.

  51. G. G. Gervinus, a. a. O., S. 35.

  52. Zit. nach: W. Mommsen, Die deutsche Einheitsbewegung — Eine Auswahl zeitgenössischer Äußerungen, Berlin 1930, S. 275 f.

  53. O. Hintze, Deutschland und das Weltstaatensystem, in: ders. (Hrsg.), Deutschland und der Weltkrieg, 2 Bde., 2. erw. Ausl., Leipzig und Berlin 1916, I, S. 23 f.

  54. F. von Bernhardi, Deutschland und der nächste Krieg, Stuttgart und Berlin 19125, S. 117. — Vgl.

  55. M. Weber, Deutschland unter den europäischen Weltmächten, in: ders., Gesammelte Politische Schriften, 2. erw. Ausl., neu hersg. von J. Winckelmann, Tübingen 1968, S. 172. Bereits 1895 hatte " Weber gesagt: „Wir müssen begreifen, daß die Einigung Deutschlands ein Jugendstreich war, den die Nation auf ihre alten Tage beging und seiner Kostspieligkeit halber besser unterlassen hätte, wenn sie der Abschluß und nicht der Ausgangspunkt einer deutschen Weltmachtpolitik sein sollte." M. Weber, Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik, in: ders., a. a. O., S. 23.

  56. Vgl. L. Dehio, Ranke und der deutsche Imperialismus, in: ders., Deutschland und die Weltpolitik im 20. Jahrhundert, München 1955, S. 37— 69; sowie H. -H. Krill, Die Rankerenaissance — Max Lenz und Erich Marcks: Ein Beitrag zum historisch-politischen Denken in Deutschland 1880— 1935, Berlin 1962, insbes. Kap. 6 und 7, S. 172— 225. Vgl. auch das materialreiche Kapitel „Vom Großmacht-zum Weltmachtsanspruch: Das Selbstverständnis der . Nation'", in: F. Fischer, Krieg der Illusionen — Die deutsche Politik von 1911 bis 1914, Düsseldorf 1969, S. 62— 84.

  57. L. Dehio, a. a. O., S. 14.

  58. K. Jentsch, in: Die Gegenwart, v. 9. 4. 1898.

  59. R. Kjellen, Die Großmächte der Gegenwart, Leipzig und Berlin 19155, S. 204 f.

  60. F. Naumann, Mitteleuropa, Berlin 1915, S. 165. Vgl. auch: „Der Geist des Großbetriebes und der überstaatlichen Organisation hat die Politik erfaßt. Man denkt, wie einst Cecil Rhodes sich ausdrückte, , in Erdteilen'. Wer klein und allein sein will, wird trotzdem von selber mit abhängig von den Lage-veränderungen der großen Mächte. ... Wer unverbündet ist, ist isoliert; wer isoliert ist, ist gefährdet." Ebda., S. 4.

  61. Obwohl F. Fischer dieser Zusammenhang nicht unbekannt ist, hat er den doppelten Aspekt, der die deutsche Politik vor und während des Ersten Weltkrieges überhaupt erst verständlich macht, in seinen beiden Hauptwerken nicht erfaßt. Er hat sich statt dessen ausschließlich auf das deutsche Streben, zur europäischen Hegemonialmacht aufzusteigen, kapriziert, für das er allein innenpolitische Faktoren verantwortlich macht. Vgl. F. Fischer, Griff nach der Weltmacht — Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18,. Düsseldorf 1961, und: Krieg der Illusionen — Die deutsche Politik von 1911 bis 1914, Düsseldorf 1969.

  62. O. Hintze, Der Sinn des Krieges, in: ders. (Hrsg.), a. a. O., II. S. 822 f.

  63. Vgl. dazu W. Vogel, Das neue Europa, Leipzig 1925, S. 32, wo es heißt: „Die deutsche Auffassung (vor und während des Ersten Weltkrieges — H. W.) ging im allgemeinen dahin, daß Deutschland nur seinem berechtigten und natürlichen Ausdehnungsstreben nachkomme und daß es allerdings sein geschichtlicher Beruf sei, den Zustand des europäischen Gleichgewichts in einen solchen des Welt-Gleichgewichts zu überführen.''Ferner L. Dehio, a. a. O., S. 37 ff.

  64. L. Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie — Betrachtungen über ein Grundproblem der neueren Staatengeschichte, Krefeld 1948, S. 228. — Uber das nach Dehio seit 1871 gestörte europäische Gleichgewichtssystem heißt es an anderer Stelle: „Im engen Rahmen des morbiden Systems war das größte und vitalste Volk Europas nur zeitweise zu fesseln, nicht dauernd zu befriedigen." L. Dehio, Deutschland und die Weltpolitik im 20. Jahrhundert, S. 27.

  65. R. Höhn, Großraum und völkisches Rechtsdenken, Darmstadt 1941, S. 7.

  66. C. Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte — Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht, Berlin—Leipzig—Wien 1941, S. 18.

  67. C. Schmitt, a. a. O., S. 47 f.

  68. W. Daitz, Lebensraum und gerechte Weltordnung — Grundlagen einer Anti-Atlantikcharta, Amsterdam 1943, S. 31. Ferner auch S. 50, 115 f., 127 f. — Ein anderer Versuch, einen Großraum zu bestimmen, stammt von G. Jentsch: „Ein Gebiet, dessen einzelne Staaten in gut nachbarlichem Vertrauen und mit Verständnis für ihre gegenseitigen Bedürfnisse einander politisch , zugewandt'sind und einander die Sicherheit geben, daß keiner der Teilnehmer eine Politik der Feindschaft oder Allianz gegen irgendeinen anderen Staat im selben Raum verfolgt, besonders nicht in Verbindung mit Außenseitern oder als deren Werkzeug." G. Jentsch, Lebensraum, in: Monatshefte für auswärtige Politik, Berlin 1940, 7/2, S. 85.

  69. W. Daitz, a. a. O., S. 34. Vgl. auch: „ .. . es gibt keine neuen Kontinente mehr zu entdecken. Die vorhandenen richten sich nunmehr planmäßig als durch Völkerfamilien biologisch gebundene Großraumwirtschaften ein. Sie werden so zu Bausteinen einer neuen, natürlichen und friedlicheren Welt-und Wirtschaftsordnung." Ebda. S. 104.

  70. Die von R. C. Lawson bereits im Jahre 1962 getroffene Feststellung, daß „regionalism can without exaggeration be termed a cornerstone of American foreign policy", trifft zu diesem Zeitpunkt allenfalls auf die von den USA organisierten Militärpaktsysteme zu. Der Begriff „regionalism" wird hier in einem ganz spezifischen Sinne verwandt, der sich später gewandelt hat. R. C. Lawson, International Regional Organizations — Constitutional Foundations, New York 1962, p. VI.

  71. Vgl. K. Mannheim, Ideologie und Utopie, Frankfurt a. M. 19654, S. 53 ff.

  72. Vgl. die offizielle Abdankungsurkunde von Kaiser Franz II. vom 6. 8. 1806, worin es heißt: „Wir erklären demnach durch Gegenwärtiges, daß

  73. Vgl. H. J. Morgenthau, Politics Among Nations, p. 141 f.

  74. Sir Oliver Franks, zit. nach: F. O. Wilcox, Regionalism and the United Nations, in: International Organization, 1965, 19, p. 811.

  75. Christian Science Monitor, v. 25. 3. 1965.

  76. A. Etzioni, The Hard Way to Peace — A New Strategy, New York 1962, p. 195.

  77. E. H. Carr, Nationalism and After, London 1945, p. 45.

  78. Vgl. Ch. Gati, Another Grand Debate? — The Limitationist Critique of American Foreign Policy, in: World Politics, 1968, 21/1, p. 133— 151.

  79. Nach einer eigenen, unvollständigen Bibliographie wird das Thema Regionalismus von nicht weniger als 163, vorwiegend in jüngster Zeit erschienenen Publikationen, davon 117 in den USA, direkt oder indirekt behandelt.

  80. R. D. Masters, A Multi-Bloc Model of the International System, in: The American Political Science Review, 1961, 55/4, p. 798.

  81. G. W. Ball, Disziplin der Macht — Voraussetzungen für eine neue Weltordnung, Frankfurt a. M. 1968, S. 23.

  82. I. L. Claude, Power and International Relations, New York 1962, p. 284.

Weitere Inhalte

Helmut Wagner, Dr. phil., Diplom-Politologe, geb. 1929 in Rastenburg/Ostpr., 1963 bis 1965 UNESCO-Forschungsauftrag in Warschau, z. Z. Gastdozent an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Die moralische Revolte des Leszek Kolakowski, 1961; Die ideologischen Kapriolen des Adam Schaff, 1967; Mit den Waffen von Karl Marx — Junge Polen wider den Monopolsozialismus, 1968; Stagnation in Polen, 1969; Strukturen und Typen deutscher Länder, 1969; Europa und die deutsche Frage, 1970.