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Nordirland zwischen Bürgerkrieg und Reformen | APuZ 35-36/1970 | bpb.de

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APuZ 35-36/1970 Nordirland zwischen Bürgerkrieg und Reformen Chile vor den Präsidentschaftswahlen Westliche Demokratie und sozialer Wandel in Lateinamerika

Nordirland zwischen Bürgerkrieg und Reformen

Peter Alter

/ 42 Minuten zu lesen

I. Nordirland und die separatistischen Bewegungen in Europa

Dieter Nohlen Chile vor den Präsidentschaftswahlen S. 21

In einer Epoche, die immer neue Anläufe zu einem freiwilligen, auf dem Prinzip der Gleichberechtigung beruhenden Zusammenschluß der Völker in großen staatlichen und überstaatlichen Gebilden macht, erscheint es fast als ein Paradox, daß der Partikularismus und Separatismus kleiner und kleinster ethnischer Gruppen teilweise üppiger denn je gedeiht. Gerade in Europa gewannen separatistische Bestrebungen trotz aller Erfahrungen der Vergangenheit in den letzten zehn Jahren eine neue Bedeutung. Als Gegenbewegung zu den vielfältigen Bemühungen um eine europäische Einigung entwickelte sich ein neuer Separatismus, der aus den verschiedensten Gründen auf eine Auflockerung der bestehenden Nationalstaaten abzielt und Autonomie oder gar die volle Unabhängigkeit für Nationalitäten verlangt, die in den alten Nationalstaaten mehr oder minder vollständig integriert schienen.

In geographischer Hinsicht ist dabei eine auffallende Verlagerung des Wirkungsraumes dieses Separatismus festzustellen. Denn waren bis zum Ende des II. Weltkrieges vor allem Ost-, Mittel-und Südeuropa das bevorzugte Gebiet nationaler und separatistischer Spannungen, so sieht sich nun vor allem Westeuropa — Frankreich, Spanien, Großbritannien, die Schweiz, Belgien — mit solchen Problemen konfrontiert Nationale Gruppen fordern in diesen Staaten größere Rechte und eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen, da sie sich vernachlässigt und ständiger politischer, sozialer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt glauben.

Großbritannien sieht sich auf diese Weise heute sogar an drei Stellen gleichzeitig in seinem verfassungsrechtlichen Aufbau und staatlichen Bestand gefährdet. In den keltischen Randgebieten, dem sogenannten „celtic fringe", des von den Engländern bestimmten britischen Nationalstaats gewannen in den 1960er Jahren national-separatistische Bewegungen neue Bedeutung. Anhaltende Unruhen und Demonstrationen wiesen auf gefährliche Spannungen im Verfassungsgefüge des Vereinigten Königreichs hin Aber während die nationalen Bewegungen in Schottland und Wales in ihren Organisationsformen und Forderungen weitgehende Parallelen aufweisen, unterscheiden sich die Vorgänge in Nordirland davon grundlegend. In Nordirland wurzeln die fortdauernden Unruhen, die im Sommer 1968 begannen und inzwischen zur Entsendung britischen Militärs führten, primär nicht im Bereich des Nationalen, obwohl dort eine starke Minorität lebt, die sich als , nichtbritisch'begreift und lange Zeit die Vereinigung mit der Republik Irland erstrebte

Die Vorgänge in Nordirland sind also gar nicht oder nur bedingt dem Phänomen des neuen Separatismus zuzurechnen. In der Berichterstattung der Presse über die Vorgänge in Nordirland wird dieser Unterschied oft nicht deutlich. In Nordirland sind die Probleme weitaus komplizierter. Dort überlagern sich politische, konfessionelle, soziale und nationale Spannungen, die ihre Ursachen zum Teil in fast unbegreiflichen politischen Versäumnissen der Vergangenheit haben. Der Versuch einer Majorität, der Minorität die politische und soziale Gleichberechtigung vorzuenthalten, um die eigene Herrschaft zu sichern, führte Nordirland in eine Krise, deren Beilegung noch nicht abzusehen ist und deren ganze Problematik nur vor dem geschichtlichen Hintergrund zu verstehen ist.

II. Der irische Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert

I. Nordirland und die Bewegungen in Europa II. Der irische 20. Jahrhundert IV. Nordirlands Permanenz? Inhalt separatistischen Nationalismus III. Nordirland heute Zukunft — im 19. Krise und in 1. 2. 3. 1. 2. 3. 4. Die Home-Rule-Bewegung Das Ulster-Problem Die Teilung Irlands im Jahre Das Wahlrecht Die sozialen Spannungen Die Unruhen in Nordirland Die neueste Entwicklung 1920

Irland und Großbritannien waren von 1801 bis 1920 in einer Realunion miteinander verbunden und bildeten das „Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland". Seit der Unterwerfung Irlands durch den englischen König Heinrich II. im späten 12. Jahrhundert stand das Land in einem mehr oder minder engen kolonialen Abhängigkeitsverhältnis zu Großbritannien, das nur zwischen 1782 und 1800 im Gefolge des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges für kurze Zeit von einer autonomen staatlichen Stellung Irlands unterbrochen wurde. Schon 1801, nach einem vergeblichen Versuch, die volle Unabhängigkeit von Großbritannien zu erringen, wurde Irland durch den Act ior the Union, of Great Britain and Ireland in den englischen Nationalstaat einverleibt Das bis dahin bestehende besondere irische Parlament in Dublin wurde aufgelöst, und die irischen Abgeordneten wurden zu Mitgliedern des Reichs-parlaments in London. Obwohl die Bevölkerung Irlands um 1800 rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Vereinigten Königreichs ausmachte erhielt Irland im Parlament des Gesamtstaates nur eine Vertretung von 100 Abgeordneten, während Großbritannien durch 558 Abgeordnete vertreten war. Die im Unionsgesetz festgelegte Aufschlüsselung der Abgeordnetenzahl wurde in den 120 Jahren der Union durch spätere Wahlrechtsreformen nur unwesentlich verändert.

Zwischen der Repäsentation in Westminster und den Bevölkerungsanteilen Großbritanniens und Irlands im Vereinigten Königreich bestand also vom Beginn der Union an für lange Zeit eine außerordentliche Diskrepanz. Erst als sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts die Bevölkerungszahlen beider Inseln unterschiedlich entwickelten, hob sich dieses Mißverhältnis zwischen parlamentarischer Repräsentation und Bevölkerungsanteilen auf natür-liehe Weise auf. Durch den Rückgang der irischen Bevölkerung seit der Jahrhundert-mitte, verursacht durch Hungerkatastrophen und Auswanderung, und das stetige Wachsen der britischen Bevölkerung konnte man bereits um 1880 nicht mehr von einer unangemessenen parlamentarischen Vertretung Irlands im Reichsparlament sprechen. Von 35, 3 Millionen Einwohnern des Vereinigten Königreichs lebten 1881 2 Millionen in Irland (= 14, 5 % der Gesamtbevölkerung), die im Unterhaus von 105 Abgeordneten vertreten wurden (= 15, 5% der Gesamtabgeordnetenzahl) 5). Mochte damit zumindest statistisch ein Gleichgewicht in den Proportionen erreicht worden sein, so änderte das nichts an der Tatsache, daß die irischen Abgeordneten im Unterhaus eine permanente Minorität waren, die nach den Regeln des Parlamentarismus grundsätzlich der Gefahr ausgesetzt war, ständig überstimmt zu werden.

Der unzureichenden Repräsentanz Irlands im Londoner Unterhaus entsprach im administrativen Bereich eine bemerkenswerte Sonderstellung Irlands, die es von den schon früher unierten Reichsteilen Wales und Schottland deutlich unterschied. Das Prinzip der Union wurde nämlich nach 1801 nicht konsequent im Sinne einer einheitlichen Verwaltung des Vereinigten Königreichs angewandt Kennzeichnend blieb eine dualistisch strukturierte Reichsverwaltung, die als Übergangslösung wegen der in wirtschaftlicher, sozialer und konfessioneller Hinsicht unterschiedlichen Verhältnisse in beiden Ländern sicherlich berechtigt war, die jedoch der 1801 erklärten Absicht einer Fusion beider Länder in einen britisch-irischen Einheitsstaat widersprach. Irland behielt trotz der Vereinheitlichung der obersten Reichsorgane — Monarchie, Parlament, Premierminister — seine eigene Exekutive, die von London abhängig war. An ihrer Spitze stand als Vertreter der Krone der mit weitgehenden Befugnissen ausgestattete Vizekönig (Lord Lieutenant) Neben dem königlichen Statthalter, der im 19. Jahrhundert nur noch das nominelle Haupt der Administration war gab es den Irischen Staatssekretär (Chief Secretary for Ireland) als den tatsächlichen Leiter der Verwaltung. Er hielt die Verbindung mit den Londoner Ministerien, er vertrat die irische Exekutive im Unterhaus und ihm unterstand unmittelbar die Polizei.

Die benachteiligte Vertretung Irlands im Unterhaus und das Bestehen einer gesonderten irischen Administration zeigten die Bruchlinien der Union von 1801 an. Der Widerspruch zwischen der beabsichtigten verfassungsmäßigen Verschmelzung Großbritanniens und Irlands in einer Realunion und der tatsächlich bestehenden Diskriminierung Irlands im Vereinigten Königreich wurde zum Ansatzpunkt für die Entstehung des irischen Nationalismus. Die Schwierigkeiten, die dem britischen Reichs-gebilde durch die besonderen wirtschaftlich-sozialen und politischen Verhältnisse in Irland erwuchsen, und die aus diesen Verhältnissen resultierende, praktisch nie abreißende Tätigkeit zahlreicher Organisationen des irischen Nationalismus seit ungefähr 1840 belasteten die britische Innenpolitik des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mit Problemen, die schon früh mit dem Schlagwort „Irische Frage" umschrieben wurden Die meist recht vage Erinnerung an eine irische Eigenstaatlichkeit und hochstehende Kultur in einer fernen Vergangenheit blieb außerdem während der Union genügend lebendig, um ähnlich wie bei den Tschechen politisch bedeutsam zu werden und als ständiges Stimulans für den Nationalismus zu wirken.

Der sich im 19. Jahrhundert entwickelnde irische Nationalismus hatte nun zwei bedeutsame Folgen. In einem langen Prozeß, dessen entscheidende Etappen die Repealbewegung Daniel O'Connells in den 1840er Jahren, die Home-Rule-Bewegung Isaac Butts und Charles Stewart Parnells und der Dubliner Osteraufstand von 1916 waren, erreichte der irische Nationalismus, daß der größte Teil Irlands 1921 den Status eines Freistaats im Verbände des Britischen Commonwealth erhielt. 1949 erklärte sich dann der Freistaat zur Republik und trat aus dem Commonwealth aus.

Durch das Entstehen des irischen Nationalismus, der anfangs nur Autonomie für Irland, dann aber zunehmend die Trennung von Großbritannien forderte kam es außerdem — und das war die zweite Folge — zu einer politischen Spaltung Irlands. Während das Unionsgesetz, die britische Gesetzgebung im 19. Jahrhundert und auch die irische National-bewegung Irland stets als Einheit betrachteten, ließ sich seit etwa 1880 in Irland immer deutlicher eine Polarisierung der politischen Gegensätze zwischen Nord und Süd beobachten, zwischen Ulster und dem Rest von Irland. Der irische Nationalismus, und hier vor allem die Home-Rule-Bewegung seit 1870, ließ in Irland tiefliegende Gegensätze offenbar werden, die bis dahin nicht in das politische Bewußtsein gedrungen waren. Die Forderung nach einem nationalen irischen Staat machte sichtbar, daß Irland nur in geographischer Hinsicht eine Einheit bildete. Spätestens um 1880 setzte eine Entwicklung ein, die schließlich 1920 zur politischen Teilung Irlands führte. 1. Die Home-Rule-Bewegung Im Jahre 1869 schlug der ehemalige irische Unterhausabgeordnete Isaac Butt (1813— 79), ein protestantischer Rechtsanwalt und Grundbesitzer, in einem Artikel der Dubliner Zeit-schrift The Nation die Gründung einer national-irischen Partei vor, die im britischen Unterhaus Home Rule, Autonomie für Irland, fordern sollte Nach den Vorstellungen Butts sollte das zentral regierte Vereinigte Königreich in einen dezentralisierten Föderalstaat überführt werden, dessen Glieder England, Irland, Schottland und Wales die Selbstregierung erhielten Danach sollte ein irisches Parlament für alle irischen Angelegenheiten zuständig sein, während dem überregionalen Reichsparlament, in dem Irland weiterhin vertreten sein sollte, die Verantwortung für alle außenpolitischen und den Gesamtstaat betreffenden Angelegenheiten überlassen blieb

Schon 1870 kam es zur Bildung der Home Government Association for Ireland, die sich Butts Gedanken zu eigen machte. Sie wurde 1873 abgelöst von der Irish Home Rule League, die für die Idee einer irischen Autonomie werben und die irischen Wahlkreise organisieren sollte. Die Home Rule League wurde zur Hilfsorganisation der nun entstehenden Home-Rule-Partei, die sich nach den allgemeinen Wahlen von 1874 bildete Unter der Führung Butts gehörten ihr 59 überwiegend liberale irische Abgeordnete an, die sich zwar alle in irgendeiner Form zur Home Rule bekannt hatten, die aber nur in Ausnahmefällen als geschlossen handelnde Fraktion auftraten. Infolge ihres mangelnden Zusammenhalts und ihrer Anlehnung an die englische Liberale Partei war ihre politische Bedeutung nur gering. Sie brachten im Unterhaus mehrere Anträge auf Home Rule für Irland ein, die von keiner der großen englischen Parteien unterstützt wurden und daher erfolglos blieben. Im allgemeinen wurde die Home-Rule-Partei als das katholische, gemäßigt-partikula-ristische Annex der englischen Liberalen betrachtet, mit denen sie zwischen 1874 und 1880 zur konservativen Regierung Disraeli in Opposition stand.

Eine neue Entwicklung nahm die Home-Rule-Bewegung erst, als sich von der Home-Rule-Partei seit 1875 ein kleiner radikaler Flügel abspaltete, der unter der Führung des Belfaster Lebensmittelhändlers J. Biggar (1828— 90) und des in der Nähe von Dublin begüterten Ch. S. Parnell (1846— 91) im Unterhaus eine systematische Obstruktionspolitik betrieb Obstruktion bei allen sich bietenden Gelegenheiten und unabhängig von den gerade zur Diskussion stehenden Problemen sollte demonstrieren, daß eine normale Arbeit des Parlaments nur noch möglich war, wenn es auf die politischen Wünsche der Iren einging. Aus dieser aktiven Splittergruppe, deren unkonventionelles parlamentarisches Gebaren bei den irischen Landpächtern und den Iren in Großbritannien schnell auf Resonanz traf, entwickelte sich die festgefügte Irish Parliamentary Party, die besonders in dem Jahrzehnt zwischen 1880 und 1890 als dritte Partei in der britischen Innenpolitik eine bedeutende Rolle spielte. Sie war bis 1918 im Unterhaus vertreten

Die entscheidende Wende, die aus der kleinen Gruppe der Obstruktionisten eine vom ganzen Land getragene nationale Bewegung werden ließ, lag einmal in dem Nachweis, daß die konseguente Anwendung aller Mittel, die die parlamentarische Geschäftsordnung nicht ausdrücklich verbot, für die Geltendmachung der irischen Forderungen von überraschender Wirksamkeit sein konnte. Seit dem Auftreten Parnells und Biggars war die britische Presse voll von Berichten über die politischen Forderungen Irlands. Zum anderen wurde die Wende bewirkt durch die Erweiterung des vornehmlich auf die Erringung von Autonomie gerichteten politischen Programms der Home-Rule-Partei um drängende soziale Forderungen. Im Unterschied zu früheren politischen Bewegungen in Irland machte sich die Minderheit der Obstruktionisten und später die Parlamentspartei die Interessen der irischen Pächter zu eigen, die durch eine seit 1876 einsetzende Agrarkrise in eine verzweifelte, ihre wirtschaftliche Existenz unmittelbar bedrohende Lage geraten waren. Die irischen Kleinpächter, deren Land fast ausnahmslos Groß-grundbesitzern gehörte, die selbst meist nicht auf ihren Besitzungen, sondern in Dublin oder England lebten, bildeten die Masse der Bevölkerung

Mit der finanziellen Hilfe amerikanischer Iren, den Nachkommen der zahllosen irischen Auswanderer organisierte Parnell die Pächter in der 1879 gegründeten Landliga, der „most formidable populär Organisation of the 19th Century in Ireland" Als diese Selbsthilfe-und Schutzorganisation der Pächter 1881 von der liberalen Regierung Gladstone verboten wurde, da ihre Demonstrationen, Pachtstreiks und Boykottmaßnahmen gegen Grundbesitzer angeblich die öffentliche Ordnung Irlands gefährdeten, war Parnell bereits der nationale Heros Irlands. Seit den allgemeinen Wahlen von 1880 stellte die von ihm geführte Parlamentspartei bereits über 30 Abgeordnete, deren Zahl sich durch Übertritte aus den Reihen der alten Home-Rule-Partei und Unterhaus-nachwahlen ständig vergrößerte. Als sich schließlich die Partei 1882 mit der Gründung der Irish National League eine höchst wirkungsvolle Propaganda-und Wahlkreisorganisation schuf und 1884/85 die letzten Wahlrechtsbeschränkungen im Vereinigten Königreich fortfielen, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Parnell vollends seine Stellung als „uncrowned king of Ireland" konsolidieren würde. Dieser Augenblick kam Ende 1885. Bei den im November und Dezember 1885 stattfindenden Unterhauswahlen gelangte die Irische Partei in eine Schlüsselstellung, da die englischen Liberalen mit 335 Mandaten gegen 249 konservative Mandate nur mit der nunmehr 86 Abgeordneten zählenden Irischen Partei in der Lage waren, eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden

Dieser Triumph des irischen Nationalismus kündigte zugleich seine Tragödie an. Die Parlamentspartei hatte sich bei den Wahlen in allen irischen Wahlkreisen mit teilweise überwältigender Mehrheit durchgesetzt — mit der Ausnahme der Wahlkreise in Nordostirland. Dort hatten die sogenannten Unionisten, die zusammen mit den englischen Konservativen für die unmodifizierte Aufrechterhaltung der Union mit Großbritannien eintraten, 16 Unterhaussitze gewonnen. Gemeinsam mit den zwei Abgeordneten vom Trinity College, der protestantischen Universität Dublins, bekämpften sie leidenschaftlich die Home-Rule-Forderung der Irischen Partei, die sich mit der Home-Rule-Vorlage Gladstones vom April 1886 zu verwirklichen schien

Wenn auch die Gladstonesche Vorlage den irischen Wünschen sehr weit entgegenkam und eine einem irischen Parlament verantwortliche Exekutive vorsah, so waren die Befürchtungen der Unionisten hinsichtlich der künftigen Tätigkeit eines irischen Parlaments keineswegs berechtigt. Das im Grunde bescheidene Maß legislativer Kompetenzen, das das irische Parlament in der Home-Rule-Vorlage bekommen sollte, wurde durch eine Reihe von Bestimmungen wieder eingeschränkt. Zudem wurde die Funktion des Reichsparlaments als übergeordnete Instanz in der Vorlage der Liberalen nicht in Frage gestellt Aber die Aussicht auf Wandel, auf eine wenn auch nur geringe Veränderung der politischen Verhältnisse in Irland, genügte, 1886 zu einem kritischen Jahr in der Entwicklung der inneririschen Verhältnisse werden zu lassen. Der Erfolg der Nationalisten und die Einbringung der Home-Rule-Vorlage ließen bisher verdeckte Gegensätze zwischen Nord-und Südirland aufbrechen und brachten latente politische Befürchtungen, Vorurteile und Probleme ans Licht. 2. Das Ulster-Problem Irland gliedert sich in die vier historischen Provinzen Leinster, Munster, Connacht und Ulster. Da die Grafschaften die wichtigsten Einheiten der Verwaltungsstruktur sind, haben die Provinzen, die an die Hauptstaaten des keltischen Irlands erinnern, verwaltungs-technisch keine Bedeutung, aber in der wissenschaftlichen Literatur und in der Umgangssprache dienen die alten Provinznamen oft zur Bezeichnung einer größeren regionalen Gliederung.

Ulster, das aus den neun Grafschaften Donegal, Londonderry, Antrim, Down, Tyrone, Fermanagh, Monaghan, Armagh und Cavan besteht, nahm seit dem 17. Jahrhundert eine vom übrigen Irland deutlich abweichende Entwicklung. Unter dem englischen König Jakob I. (1603— 25) wurde in Ulster damit begonnen, die katholischen irischen Landbesitzer zu enteignen und das Land protestantischen Siedlern aus Schottland und England zu geben Diese systematische Ansiedlungspolitik war vor allem aus dem Bem wurde in Ulster damit begonnen, die katholischen irischen Landbesitzer zu enteignen und das Land protestantischen Siedlern aus Schottland und England zu geben 23). Diese systematische Ansiedlungspolitik war vor allem aus dem Bemühen der britischen Regierung entstanden, das am Katholizismus festhaltende Irland, wo immer wieder Aufstände ausbrachen und das seine Unabhängigkeit noch nicht vollständig verloren hatte, endgültig für die englische Krone zu erobern. Die ausgedehnten Landkonfiskationen in Ulster wurden dadurch erleichtert, daß die Anführer der Iren in diesem Teil Irlands, der der englischen Eroberung bis dahin am längsten Widerstand geleistet hatte, 1607 aus nicht völlig geklärten Gründen das Land verließen 24). Ihr Besitz verfiel der Krone. Andere irische Landbesitzer wurden enteignet unter der recht dehnbaren Beschuldigung verschwörerischer Betätigung.

Insgesamt wurden während der Regierungszeit Jakobs I. zwei Drittel des Landes in Ulster konfisziert und an schottische und englische Neusiedler vergeben 25). Die ansässigen Iren verließen entweder die Provinz oder wurden gezwungen, in den unwirtschaftlichen Gebieten Ulsters zu siedeln Die Folgen dieser gewaltsamen Enteignungsund Siedlungspolitik in Ulster waren weitreichend: „A whole new Society was created, one which was not only entirely alien to the native traditions of the area, but also entirely different in character from every other part of Ireland. It was not just the protestantism of the planters that made Ulster distinctive, but their whole way of life." Als kompakte ethnische und konfessionelle Minorität lebten die anglo-schotti-

sehen Einwanderer fortan in der ständigen Furcht, von der katholischen Majorität aufgesogen zu werden. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Irlands schwankte im 18. und 19. Jahrhundert um 25 °/o Eine Vermischung mit den Iren durch Heirat scheiterte am religiösen Gegensatz.

Unterschied sich die Bevölkerung Nordost-Ulsters in ethnischer und konfessioneller Hinsicht vom übrigen Irland, so nahm dieser Teil Irlands seit Ende des 18. Jahrhunderts auch eine vom Rest des Landes abweichende wirtschaftliche Entwicklung. Ein besseres Pacht-recht als im übrigen Irland, das sogenannte Ulster Custom oder Ulster Tenant Right, das die Pächter vor der Willkür der Grundbesitzer schützte, war die Grundlage für eine prosperierende Landwirtschaft. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich daneben eine ausgedehnte Textilindustrie. Seit 1801 zog allein Ulster aus der Einbeziehung Irlands in das vom freihändlerischen Liberalismus geprägte wirtschaftliche System des industriell fortgeschritteneren Großbritanniens und dem Fortfall von Schutzzöllen (seit 1824) einen wirtschaftlichen Nutzen Während das übrige Irland seit 1801 auf dem Stand eines rückständigen Agrarlandes verharrte, fand Ulster Anschluß an die industrielle Entwicklung Großbritanniens im 19. Jahrhundert. Es entstand eine leistungsfähige Maschinen-und Schiffbauindustrie, die das Gebiet um Belfast zu einem der industriellen Zentren des Vereinigten Königreichs werden ließ Die enorme wirtschaftliche Entwicklung Belfasts läßt sich an dem für Irland einzigartigen Anstieg seiner Einwohnerzahl ablesen. Um 1800 war Belfast mit rund 25 000 Einwohnern Irlands fünftgrößte Stadt, um 1900 mit 350 000 Einwohnern nach Dublin die zweitgrößte Ulster zog aus der Union mit Großbritannien unbestreitbare Vorteile, so daß allein schon wirtschaftliche Gesichtspunkte für deren Fortbestehen sprachen. Es war daher fast vorauszusehen, daß sich mit dem Entstehen der Home-Rule-Bewegung, die die staatsrechtlichen Bindungen zu Großbritannien lockern wollte, eine Gegenbewegung bildete, die ihren Rückhalt im protestantischen Ulster fand. Wirtschaftliche Argumente, die oft beschworene Loyalität zur Krone und das Schlagwort „Home-Rule is Rome Rule" ließen den Ulster Unionism entstehen, der sich anfangs prinzipiell gegen eine Autonomie für Irland wandte und der später, als die Gewährung von Home Rule beschlossen schien, die Abtrennung Ulsters von einem autonomen Irland forderte.

Als 1912 die dritte Home-Rule-Vorlage im Unterhaus eingebracht wurde und mit ihrer Annahme zu rechnen war, da die Parlamentsreform von 1911 das Vetorecht des konservativen Oberhauses beseitigt hatte, erreichte die Bewegung für die Abtrennung Ulsters von einem Irland unter Home-Rule-Statut ihren Höhepunkt. Unter der fanatischen Führung Sir Edward Carsons, eines bekannten Juristen und Politikers, bildeten die Ulster-Unionisten eine provisorische Regierung für ihre Provinz und begannen mit der Aufstellung paramilitärischer Verbände Mehr als 470 000 Männer und Frauen in Ulster unterzeichneten im Herbst 1912 eine Erklärung, in der sie sich dazu verpflichteten, die Einberufung eines irischen Parlaments mit allen Kräften zu verhindern und seine Autorität nicht anzuerkennen

Im Sommer 1914 stand Irland am Rande des Bürgerkriegs zwischen Unionisten und Nationalisten. Nur der Ausbruch des Weltkrieges verhinderte die Katastrophe in Irland. Er eröffnete der britischen Regierung in einer hoffnungslos verfahrenen Situation die unerwartete Gelegenheit zu einem Kompromiß: das Home-Rule-Gesetz für Irland wurde zwar vom Parlament verabschiedet und erhielt auch die königliche Bestätigung (September 1914), aber seine Inkraftsetzung wurde bis zum Kriegsende suspendiert, überdies gab der britische Premierminister Asquith im Unterhaus zu verstehen, daß gegen Ulster keine Ge9 walt angewendet werde und das Home-Rule-Gesetz so verbessert werden könne, daß es in Großbritannien und Irland allgemeine Zustimmung fände Das war ein versteckter Hinweis darauf, daß nun auch die britische Regierung die Möglichkeit einer Teilung Irlands als einzige Lösung des Ulster-Problems in Erwägung zog. 3. Die Teilung Irlands im Jahre 1920 Der Widerstand Ulsters gegen eine Home-Rule-Lösung für ganz Irland, der Dubliner Osteraufstand von 1916 und die darauf folgende Radikalisierung des Landes, die in der Verdrängung der Parlamentspartei durch die extrem nationalistische Sinn-Fein-Bewegung bei den Unterhauswahlen von 1918 ihren sichtbarsten Ausdruck fand, führten dann auch 1920 zur Teilung Irlands, die sich seit 1912 immer deutlicher abgezeichnet hatte. Die britische Regierung war nun endgültig zu der Überzeugung gelangt, daß eine Unterstellung der protestantischen Ulster-Iren unter ein Dubliner Parlament „would be as glaring an outrage on the principles of liberty and self-government as the denial of self-government would be for the rest of Ireland"

Sechs Grafschaften Ulsters (Antrim, Armagh, Londonderry, Down, Tyrone, Fermanagh) machten von der im Government ol Ireland Act von 1920 eingeräumten Option Gebrauch und verblieben im Staatsverband des Vereinigten Königreichs, während sich 26 Grafschaften im Irischen Freistaat zusammenschlossen „Nordirland" ist also seit 1920 nicht einfach mit „Ulster" gleichzusetzen, denn drei der neun Grafschaften Ulsters (Donegal, Monaghan, Cavan), in denen die protestantischen Unionisten in der Minderheit waren, wurden zu Südirland geschlagen. Auch in zwei weiteren nordirischen Grafschaften, in Fermanagh und Tyrone, waren vor 1920 die Mehrheitsverhältnisse zwischen Nationalisten und Unionisten stets höchst prekär, doch wurden diese Grafschaften zugunsten der Lebensfähigkeit Nordirlands ohne Volksabstimmung in das unionistische Gebiet miteinbezogen Der Widerspruch zwischen zwei Teilungsprinzipien — Aspekte des politischen Willens und der Lebensfähigkeit — standen somit von Anfang an einer gesunden Entwicklung der staatsrechtlichen Konstruktion Nordirland im Wege.

Der Government oi Ireland Act von 1920 sah unter Aufrechterhaltung des gemeinsamen britisch-irischen Staatsverbandes je ein autonomes Parlament für Süd-und Nordirland vor. Die Parlamente sollten für die inneren Angelegenheiten der beiden Teile Irlands zuständig sein, während ein Council oi Ireland, bestehend aus Mitgliedern beider Parlamente, für gemeinsame Interessen zuständig blieb. Der Council sollte den Weg offenhalten für eine Wiedervereinigung Irlands Das Home-Rule-Gesetz von 1914, das noch von einem gesamtirischen Parlament ausging, wurde annulliert. Der Government oi Ireland Act, der von Süd-irland abgelehnt wurde, ist die Grundlage der heutigen Verfassungsordnung Nordirlands. Er gibt Nordirland nicht die Stellung eines Bundesstaates, sondern sieht nur vor, daß das Londoner Unterhaus gewisse Kompetenzen an das Provinzparlament von Nordirland abtritt, was die Möglichkeit einschließt, diese Kompetenzdelegierung unter bestimmten Umständen zu widerrufen. Das Reichsparlament in London, in dem Nordirland mit zwölf Abgeordneten vertreten ist, behält auf allen Gesetzgebungsgebieten seine Oberhoheit und das Recht, die Provinzialautonomie Nordirlands jederzeit einzuschränken Außerdem erläßt das gesamt-britische Parlament auf dem Gebiet der soge-nannten reserved matters (dazu gehören z. B. Zölle und Steuern) Maßnahmen, die gleichzeitig für Nordirland gelten. Statt einer völligen Föderalisierung des Vereinigten Königreichs wurde der vorsichtigere Weg der Devolution beschritten, der übrigens auch noch die heutige verfassungsrechtliche Diskussion in Großbritannien über die künftige Stellung Schottlands und Wales’ im Königreich bestimmt. Das dem englischen Modell folgende Parlament von Nordirland, der Stormont (so benannt nach dem Tagungsort), besteht aus zwei Kammern, dem Senat und dem House oi Commons Der Senat wird gebildet aus den Bürgermeistern der Städte Belfast und Londonderry und 24 Senatoren, die nach norwegischem Muster vom Unterhaus auf acht Jahre gewählt werden und von denen sich jeweils die Hälfte nach amerikanischem Muster alle vier Jahre einer Neuwahl unterzieht. Das aus 52 Mitgliedern bestehende Unterhaus muß sich spätestens alle fünf Jahre einer Neuwahl unterziehen. Die Exekutive besteht aus dem Governor, der die Rechte der Krone ausübt, und dem Kabinett mit dem Premierminister an der Spitze. Die exekutive Gewalt ist beschränkt in Entsprechung zu den legislativen Kompetenzen des nordirischen Parlaments.

III. Nordirland heute

North Ward South Ward Waterside Ward Insgesamt Gesamtzahl der Wähler 6 476 11 185 5 549 23 210 Nationalistische

(kath.)

Stimmen 2 530 10 047 14 429 1 852 Unionistische (prot.)

Stimmen 3 946 1 138 3 697 8 781 20 Mandate 8 Unionisten 8 Nationalisten 4 Unionisten

Fünfzig Jahre nach dem Government oi Ire-land Act und dem anglo-irischen Vertrag von 1921, in dem Großbritannien Irland den Dominionstatus gewährte, ist die „Irische Frage" so brisant wie je zuvor. Aber wenn man heute von der „Irischen Frage" spricht, sind nicht mehr wie im 19. Jahrhundert die vielfältigen Probleme zwischen den beiden Inseln gemeint. Der Problemkreis hat sich geographisch verengt: aus der „Irischen Frage" ist genau-genommen eine „Nordirische Frage" geworden, die aber inzwischen den Rahmen eines internen Konflikts in Nordirland gesprengt hat. Die „Nordirische Frage" zeitigte mittlerweile

Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Nordirland und Großbritannien, zwischen Nordirland und der Republik Irland und zwischen Großbritannien und der Republik. Die inneren Verhältnisse dieser Provinz sind der Ausgangspunkt, der „Nordirland" zu einem Verfassungsproblem des Vereinigten Königreichs macht und zu einem außenpolitischen Problem im Verhältnis zu Dublin. Dies führt zu der Frage nach den Spannungen in der Gesellschaft Nordirlands und den Ursachen, die im August 1968 in Londonderry zum erstenmal zur offenen und sich seither ständig verschärfenden Krise führten.

Nordirland hat heute eine Bevölkerung von fast 1, 5 Millionen Menschen, von denen rund zwei Drittel Protestanten und ein Drittel Ka-tholiken sind Seit der Teilung Irlands hat sich an der Tatsache wenig geändert, daß in Nordirland einer protestantischen Majorität eine relativ starke katholische Minderheit gegenübersteht. Da die konfessionellen Trennungslinien im großen und ganzen wie im späten 19. Jahrhundert mit den politischen zusammenfallen, zeigte das nordirische Gemeinwesen in der Vergangenheit zumindest nach außen ein hohes Maß politischer Stabilität. Seit 1920 sind ununterbrochen unionistische Regierungen im Amt gewesen. Das politische Leben Nordirlands wird bis heute von dieser Partei beherrscht, der eine zersplitterte Opposition aus Nationalisten, katholischen Republikanern und Sozialisten gegenübersteht. Die Nationalisten, die in erster Linie den katholischen Bevölkerungsteil vertreten, besaßen im Stormont nie mehr als 9 Sitze, während die Unionisten stets die absolute Mehrheit hatten. Nordirische Premierminister amtierten oft jahrzehntelang: Sir James Craig von 1921 bis 1940, Lord Brookeborough von 1943 bis 1963.

In einer Provinz, in der politische und religiöse Überzeugungen mit Leidenschaft vertreten werden, in der ein Protestant, der kein Unionist, und ein Katholik, der kein Nationalist ist, überaus selten sind, gibt es keine fluktuierenden Stimmen, die die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse grundlegend ändern könnten. Die protestantische Vorherrschaft in Nordirland, begünstigt überdies durch das Mehrheitswahlrecht, blieb auf diese Weise fünfzig Jahre lang unbestritten, allerdings um den Preis politischer Stagnation. Die Formen des demokratischen Parlamentarismus wurden zwar nach außen hin gewahrt, aber ein demokratischer Geist konnte in der erstarrten politischen Atmosphäre Nordirlands kaum gedei-hen So fielen beispielsweise bisher regelmäßig fast die Hälfte aller Sitze im Stormont ohne Wahlkampf an die unionistischen Kandidaten, da die Bewerbung eines Gegenkandidaten von vornherein aussichtslos war In einer Gesellschaft, in der eine Partei das politische Geschehen unangefochten beherrscht, ist jedoch das Ansammeln von Konfliktstoffen unvermeidlich, deren Austragung sich auf außer-parlamentarische Ebenen verlagert, da eine Lösung auf der parlamentarischen Ebene blockiert ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die herrschende Partei unempfindlich gegenüber jeder Kritik wird, wenn sie Minoritäten negiert und politisch-soziale Reformen verhindert oder ständig aufschiebt. Die Kernfragen der in Nordirland mit solcher Heftigkeit geführten Auseinandersetzungen sollen im folgenden kurz dargestellt werden. 1. Das Wahlrecht Einer der Hauptstreitpunkte in der gegenwärtigen Krise in Nordirland ist das Wahlrecht, das bestimmte Teile der Bevölkerung diskriminiert, indem bei Wahlen für das Unterhaus in London, für den Stormont und die Organe der Kommunalverwaltung ein gespaltenes Wahlrecht zur Anwendung kommt. Es besteht also eine Situation, die in vieler Hinsicht an die Verhältnisse in Preußen zwischen 1871 und 1918 erinnert, als das allgemeine Wahlrecht für Wahlen zum Deutschen Reichstag galt und das Dreiklassenwahlrecht für die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus.

Die 12 nordirischen Abgeordneten für das Unterhaus in London werden nach dem allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrecht gewählt. Dieses Wahlrecht gilt auch für die Wahlen zum Stormont mit dem Unterschied, daß es Geschäftsleuten mit einem bestimmten Steueraufkommen und eigener Geschäftsniederlassung zusätzlich eine Zweitstimme oder sogar Dritt-und Viertstimmen gibt. Noch 1969 waren auf diese Weise 12 954 Zweit-und Mehrstimmen bei insgesamt 940 000 Stimmen möglich (= 1, 4 °/o der Gesamtstimmenzahl) Absolut gesehen ist dieser Prozentsatz von Mehrstimmen zwar gering, aber allein die Tatsache, daß Besitz zu größeren bürgerlichen Rechten qualifiziert, genügt, dieses Wahlsystem überaus ungerecht erscheinen zu lassen. Bei Kommunalwahlen waren bis 1968 -er hebliche Zensusbestimmungen in Kraft, die dazu führten, daß bei Kommunalwahlen fast ein Viertel weniger Wähler eine Stimme hatten Wahlen für Stormont. Das als den Wählerverzeichnis für Unterhaus-und Stor-montwahlen wies zuletzt rund 940 000 Wähler auf, das für die nordirischen Gemeindewahlen knapp 700 000 Wähler

Die wichtigste der Zensusbestimmungen war jeder Wähler bei -diejenige, daß Kommunal wahlen nur dann eine Stimme hatte, wenn er Hauseigentümer oder Wohnungsbesitzer war Der Grundsatz, das Wahlrecht an einen bestimmten Besitzstand des Bürgers zu binden, war noch ein Überrest eines altliberalen Denkens, das in England noch bis ins späte 19. die Be Jahrhundert hinein naturrechtliche -gründung des Wahlrechts auf ein allgemeines, egalitäres Menschenrecht ablehnte. Das auf Eigentum basierende Kommunalwahlrecht wurde auch in England erst 1948 abgeschafft. Die Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes in Nordirland noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte zur Folge, daß zwar Ehefrauen von Haus-und Wohnungsbesitzern der Gang zur Wahlurne gestattet war, daß aber Untermieter, Hausangestellte und Personen über 21 Jahre, die keinen eigenen Haushalt führten, bei Kommunalwahlen keine Stimme hatten. Da der katholische Bevölkerungsteil Nordirlands im allgemeinen sozial schlechter gestellt ist als der protestantische wurde diese Bestimmung vor allem als gegen Katholiken gerichtet empfunden Die zweite Bestimmung, die Inhabern von Geschäften nach ihrem Steueraufkommen gestaffelt bis zu sechs zusätzliche Stimmen gab, wurde erst im November 1968 abgeschafft

Die unionistische Regierung Nordirlands hat mittlerweile auch zugestanden, den Zensus abzuschaffen und bei den nächsten Kommunalwahlen, die 1972 stattfinden werden, den Grundsatz des „One man, one vote" zur Anwendung zu bringen. Diese längst überfällige Reform läßt aber einen weiteren Mißstand des Kommunalwahlrechts fortbestehen: die ungleichmäßige Größe der Wahlbezirke, durch die ebenfalls die Katholiken benachteiligt werden. Hier bestehen zum Teil enorme Mißstände, die meist dadurch entstanden, daß die durch Bevölkerungsverschiebungen eingetretenen Diskrepanzen in den Relationen zwischen Bevölkerung und Größe der Wahlbezirke nicht mehr korrigiert wurden.

Der breiten Öffentlichkeit Großbritanniens wurde dieser Mißstand erst durch die Protest-bewegungen bekannt, die seit 1967 gleiche Bürgerrechte in Nordirland fordern Diese Bewegungen nahmen bezeichnenderweise ihren Ausgang in den Gebieten, in denen der katholische Bevölkerungsteil besonders krass diskriminiert wurde und in denen eindrucks -voll demonstriert werden konnte, in welchem Ausmaß nordirische Kommunalpolitik eine Frage konfessionellen Proporzes, konfessioneller Kontrolle und konfessionellen Einflusses war: in den Städten Londonderry, Armagh, Omagh, Newry und Dungannon. In diesen Städten war bisher auf Grund überholter Wahlkreiseinteilungen die unionistische Mehrheit in den Stadträten weitaus größer als es die Zahl der unionistischen Wähler rechtfertigte. In Londonderry, Armagh, Omagh, Dungannon und in der Grafschaft Fermanagh wurde so beispielsweise eine katholische Bevölkerungsmehrheit von einem unionistischen Rat vertreten In Dungannon stellte eine kleine protestantische Mehrheit der Bevölkerung zwei Drittel der Ratssitze Der bekannteste Fall solcher Disproportionalität wurde Londonderry, wo rund 68% der Bevölkerung katholisch sind, wo jedoch 1967 60% der Ratssitze von protestantischen Unionisten gehalten wurden. Die Zahl der Wähler in den drei städtischen Wahlkreisen und die Verteilung der Ratssitze, die auf Grund des relativen Mehrheitswahlrechts en bloc an die im Wahlkreis siegende Partei gehen, war 1967 wie folgt

Im Ergebnis bedeutet das, daß bei 14 429 katolischen und 8 781 protestantischen Wählern die katholischen Nationalisten im Stadtparlament mit acht Sitzen und die protestantischen Unionisten mit zwölf Sitzen vertreten waren. Im Durchschnitt wurde damit ein unionistischer Stadtrat mit 730 Stimmen und ein nationalistischer Stadtrat mit 1800 Stimmen gewählt. In anderen Städten war die Situation ähnlich. 2. Die sozialen Spannungen Der vorherrschende Einfluß der Unionisten in den Organen der Kommunalverwaltung und der weitgehende Zusammenfall der politischen Fronten mit den konfessionellen ließen die politische Diskriminierung der Katholiken auch zu einer sozialen werden. In der Vergangenheit war es nämlich üblich, daß unionistische Stadt-und Grafschaftsräte die freien Arbeitsplätze in der Kommunalverwaltung fast ausschließlich an Protestanten vergaben. Dieses Einstellungsverfahren ist in einer Volkswirtschaft dann besonders diskriminierend, wenn Arbeitsplätze knapp sind wie in Nordirland, wo die Arbeitslosenquote trotz der intensiven Bemühungen der nordirischen Regierung um die Ansiedlung neuer Industrien mit 8 0/0 erheblich über dem Durchschnitt des Vereinigten Königreichs liegt

In Londonderry, das mit durchschnittlich 13 °/o eine besonders hohe Arbeitslosenrate hat, waren Ende 1968 nur 30 °/o der Beschäftigten in der Kommunalverwaltung Katholiken, und von den zehn am besten bezahlten Stellen war nur eine von einem Katholiken besetzt In Dungannon war kein Verwaltungsangestellter Katholik, und in der Grafschaft Fermanagh mit ihrer katholischen Bevölkerungsmehrheit war keine der höheren Verwaltungsstellen mit einem Katholiken besetzt Diese Diskriminierung, die nur teilweise auf eine schlechtere berufliche Ausbildung der Katholiken zurückzuführen ist, war nicht nur auf die höheren Beamtenstellen beschränkt, sondern setzte sich bis in die unteren Stellen fort: so waren in Fermanagh unter 75 Fahrern von Schulbussen nur sieben Katholiken Es ist aber zu erwähnen, daß auch von katholischer Seite eine Diskriminierung praktiziert wurde. So wurden 1968 in Newry, dessen Rat auf Grund des relativ geringen protestantischen Bevölkerungsanteils von Nationalisten kontrolliert wurde, nur wenige Protestanten beschäftigt Der Unterschied zu Londonderry oder Dungannon besteht aber in diesem und ähnlichen Fällen darin, daß hier nicht die Bevölkerungsmehrheit einer Konfession von der Minderheit der anderen Konfession regiert und systematisch benachteiligt wird.

Die gegenseitige Diskriminierung bei der Vergabe von Stellen in der Kommunalverwaltung, der durch eine öffentliche Kontrolle sicherlich beizukommen wäre, setzt sich fort in der Privatwirtschaft, wo bestimmte Firmen dafür bekannt sind, nur Protestanten bzw. Katholiken einzustellen, um — wie die Argumente der Unternehmer lauten — Unruhe an den Arbeitsplätzen zu vermeiden Da sich die Wirtschaftsunternehmen Nordirlands vorwiegend in protestantischen Händen befinden, bedeutet das wiederum eine Bevorzugung der Protestanten. Eine der positiven Entwicklungen in Nordirland ist es aber, daß diese Form der Diskfiminierung der katholischen Minderheit, die voh deß Gewerkschaften übrigens heftig abgelehnt wird immer bedeutungsloser wird, da die in den letzten Jahren neuangesiedelten Industriebetriebe ausländischer und britischer Gesellschaften im allgemeinen keine Personalpolitik nach konfessionellen Gesichtspunkten praktizieren.

Es ist ganz offensichtlich, daß die wechselseitig betriebene soziale Diskriminierung dazu angetan ist, die politischen und konfessionellen Spannungen beträchtlich zu erhöhen, zumal die Vergabe Vöh Gemeindewohnungen ebenfalls politischen und wahltaktischen Zwecken untergeordnet wurde. Nach dem letzten Weltkrieg wurde auch in Nordirland der Wohnungsbau staatlich gefördert, so daß bis 1965 nur 38 0/6 allet Wohhungeh und Einfamilienhäuser Von PriVaten gebaut wurden, 62 0/0 hi gegen Von den Gemeinden und dein 0/0 hi gegen Von den Gemeinden und dein Notthetn Ireland Höliising Trust 61). Häuser und Wohnungen, die auf diese Weise gebaut wurden, gingen bevorzugt an Protestanten 62), da der eigene Haushalt bekanntlich die Voraussetzung für das kotnniunale Wahlrecht ist. Darüber hinaus wurde der Bau neuer Wohnungen in einer Weise geplant, die das politische Gleichgewicht in den Wahlkreisen nicht störte. Das sah in der Praxis so aus, daß Katholiken in der Regel in vorwiegend protestantischen Wohngebieten keine Wohnungen bekamen, da sonst eventuell die unionistische Mehrheit in diesem Wahlkreis verlorenging So wurde im South Ward von Londonderry, der bereits einen hohen katholischen Bevölkerungsanteil hatte, in den letzten Jahren ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm ausschließlich für Katholiken durchgeführt In den Städten Omagh und Dungannon wurden Katholiken Wohnungen stur in bestimmten Stadtteilen zugewiesen, Protestanten ausschließlich in anderen Stadtteilen

Dieses System, das politische Auswirkungen im Hinblick auf Kommunalwahlen mit Bedacht auszuschließen versuchte, wurde im großen und ganzen von der Bevölkerung akzeptiert dehn das Gettödenken ist in Nordirland so eingewurzelt, daß es auch einem privaten Bauherrn kaum einfiele, ein Haus in einem Stadtteil zu bauen, der überwiegend von „the other sort" statt von „the right sort" bewohnt ist. Das hat dazu geführt, daß in den nordirischen Städten bestimmte Stadtteile oft ausschließlich von Angehörigen einer Konfession bewohnt werden, so etwa in Londonderry der Wahlbezirk South Ward mit dem in den Unruhen vom Herbst 1968 berühmt gewordenen Viertel der Bogside. In Belfast sind die Bezirke Falls Road und Smithfield zu 90 °/o von Katholiken bewohnt, Während die Bezirke St. Georges, Shankill Road, Victoria und Woödvale teilweise bis zu 96 0/0 von Protestanten bewohnt sind Diese Stadtviertel sind bei den Unruhen seit Herbst 1968 die Ausgangs-und. Rückzugsgebiete der Demonstranten und Unruhestifter beider Seiten. 3. Die Unruhen in Nordirland Seit dem Herbst 1968 lebt Nordirland am Rande des Bürgerkrieges. Die Unruhen, die am 5. Oktober 1968 in Londonderry begannen und die aüf dem Hintergrund eines unter der katholischen Bevölkerung seit langem aufgestauten Gefühls sozialer, politischer und konfessioneller Diskriminierung zu sehen sind, haben seither an Heftigkeit und Ausmäß ständig zugenommen. Nun zeigte es sich, daß die mangelnde Reformbereitschaft unionistischer Regierungen seit 1920 erheblich dazu beigetragen hat, daß die ursprünglich politischen Spannungen immer stärker auf das religiöse und soziale Gebiet übergreifen konnten. In Nordirland war ein Gemeinwesen entstanden, in dem an die Stelle von Zusammenarbeit und Toleranz Angst, Haß, Mißtrauen und die Bereitschaft zur gewaltsamen Lösung von Konflikten getreten waren. Blutige Ausschreitungen und der Einsatz britischen Militärs bestimmen seit 1968 die Situation in Nordirland. Die krisenhafte Entwicklung wurde nicht zuletzt dadurch beschleunigt, daß sich seit ungefähr 1960 unter der katholischen Bevölkerung Nordirlands ein deutlich nachlassendes Interesse an den nationalen Fragen im Zusammenhang mit der Teilung Irlands beobachten läßt. Der von einer unabhängigen Untersuchungskommission erstellte Bericht über die Unruhen in Nordirland, der Cameron Report, weist zu Recht darauf hin, daß das Problem dei konstitutionellen Bindung Nordirlands an Großbri-tannien in den Hintergrund der politischen Dis-kussion getreten ist. Statt dessen ist mit dem Entstehen einer breiteren katholischen Mittel-schicht die Entschlossenheit gewachsen, sich den unmittelbaren politischen und sozialen Problemen Nordirlands zuzuwenden

Es waren Angehörige dieser katholischen Mittelschicht, die 1964 die Campaign for Social Justice in Northern Ireland ins Leben riefen, um vor allem auf die Diskriminierung von Katholiken in der Stadt Dungannon aufmerksam zu machen Das Ziel unmittelbarer sozialer und politischer Reformen — gerechtere Verteilung von Arbeitsplätzen und Wohnungen, allgemeines Wahlrecht und Neuordnung der Wahlkreise für Kommunalwahlen — verfolgte auch die Northern Ireland Civil Rights Association, die im Februar 1967 in Belfast gegründet wurde Von Anfang an gehörten dieser Organisation auch bekannte Persönlichkeiten mit extrem republikanischen Ansichten, Mitglieder der nordirischen Liberalen Partei und der Arbeiterpartei an sowie Gewerkschaftler und Nationalisten. Offiziell agitierte die Association nur für die volle Gewährung der Bürgerrechte an alle Einwohner Nord-irlands, aber es war fast unausbleiblich, daß in der Praxis ihre Aktivität das nordirische Gemeinwesen in die traditionellen Lager polarisierte

In den ersten anderthalb Jahren ihres Bestehens griff die Association vor allem Einzelfälle auf, in denen sie eine Verletzung der Bürger-rechte zu erblicken glaubte. Als eine Art Selbsthilfeorganisation der katholischen Minderheit wurde sie im August 1968 dann auch in die Ereignisse in der kleinen, überwiegend von Protestanten bewohnten Ortschaft Caledon (Grafschaft Tyrone) verwickelt Aus Protest gegen die bevorzugte Zuteilung eines Hauses an eine Protestantin und gegen die Diskriminierung einer katholischen Familie besetzte im Juni 1968 der nationalistische Stormont-Abge-

ordnete Augustin Currie nach vergeblichen Interventionen im nordirischen Parlament ein von der Gemeinde gebautes Haus. Dieser ungewöhnliche Vorgang erregte einiges Aufsehen, und er veranlaßte die Civil Rights Association, am 24. August 1968 einen Bürgerrechtsmarsch von Coalisland nach Dungannon zu organisieren, da „Caledon" in geradezu exemplarischer Weise das übliche System der von politischen Motiven bestimmten Wohnungsvergabe in Nordirland zu illustrieren schien. Dies war die erste größere Demonstration der Bürgerrechtsbewegung. An ihr beteiligten sich mehr als 2 500 Menschen

War der Bürgerrechtsmarsch nach Dungannon noch in ruhigen Formen abgelaufen, so leitete der Marsch nach Londonderry im Oktober 1968 die zweite Phase der Krise ein Offiziell stand dieser Marsch wieder unter der Leitung der Civil Rights Association. Tatsächlich wurde er aber von lokalen Gruppen in Londonderry organisiert, die bereits früher gegen die Wohnungspolitik der Gemeindeverwaltung von Londonderry demonstriert hatten und die nun mit einem großen Bürgerrechtsmarsch auf die kommunalen Mißstände in ihrer Stadt hinweisen wollten. Die Labour Party, kleinere sozialistische und republikanische Vereinigungen und drei englische Unterhaus-abgeordnete beteiligten sich ebenfalls. Verschiedene Umstände im Verlaufe dieses Marsches, so vor allem das schlecht koordinierte Vorgehen der Polizei und das Auftreten unio-nistischer Gegendemonstranten, trugen dazu bei, daß die Konfrontation zwischen Bürgerrechtlern, Unionisten und Polizei in Gewalttätigkeiten überging und daß Londonderry zum Fanal wurde sowohl für die Bürgerrechtsbewegung als auch für ihre Gegner.

Die Ereignisse in Londonderry vom Oktober 1968, die durch Presse und Fernsehen weite Publizität erhielten, hatten zwei bedeutsame Folgen: 1. In verschiedenen Teilen Nordirlands bildeten sich nach dem 5. Oktober 1968 lokale Vereinigungen, deren Programme sich in den wesentlichen Zügen glichen 74a). Sie forderten das allgemeine Wahlrecht bei Kommunalwahlen, die Neueinteilung der Wahlkreise für Gemeindewahlen, eine Gesetzgebung zur Verhinderung von Diskriminierung bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, eine gerechte Wohnungspolitik, Auflösung der Ulster Special Constabulary — einer nur aus Protestanten bestehenden, 8 000 Mann starken Sondertruppe der Polizei 74b) und die Aufhebung des Special Powers Act von 1922 Die ses seit nunmehr fast fünfzig Jahren geltende Ausnahmegesetz, das ebenso wie die Ulster Special Constabulary ein Produkt des irischen Bürgerkrieges in den Jahren 1920— 22 ist, gibt der Polizei besondere Vollmachten (willkürliche Verhaftungen, Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl, Beschränkung der Rede-und Versammlungsfreiheit)

Eine der bedeutendsten dieser zunächst lokalen Vereinigungen wurde eine von Studenten der Belfaster Queen's University gegründete Organisation, die unter dem Namen People's Democracy bekannt wurde Da für die Mitgliedschaft in der People's Democracy keine spezielle Qualifikation gefordert wurde, waren ihre Mitglieder von Anfang an nicht nur Studenten. Die Gesamtzahl ihrer Mitglieder ist nicht bekannt. Führend beteiligt an ihrer Gründung und ihrer späteren Agitation war Bernadette Devlin, damals eine 21jährige Psychologiestudentin an der Queen's University, die im Frühjahr 1969 als Gemeinschaftskandidatin mehrerer katholischer, nationalistischer und republikanischer Gruppen in das Londoner Unterhaus gewählt wurde.

2. Eine zweite Folge der Vorfälle von Londonderry war, daß sich die Radikalen unter den protestantischen Unionisten in Reaktion auf die Bewegungen der Bürgerrechtler ebenfalls organisierten. Kern dieser radikalen Bewegung wurde das Ulster Constitution Defence Committee unter seinem Vorsitzenden Ian Paisley Reverend Dr. Ian K. Paisley, der inzwischen zu einer der umstrittensten Gestalten Nordirlands wurde, ist Leiter der sektiererischen Free Presbyterian Church of Northern Ireland, die 1961 nur rund 1000 Mitglieder zählte deren Anhängerschaft aber mittlerweile stark gewachsen ist.

Unter der direkten Kontrolle des Ulster Constitution Defence Commitee steht die militante Organisation der Ulster Protestant Volunteers, die von Major R. Bunting, Mathematiklehrer am Belfaster College of Technology und ehemaliger Offizier der Britischen Armee, geleitet wird. Beide Organisationen bezeichnen sich als „one united Society of Protestant patriots pledged by all lawful means to uphold and main-tain the Constitution of Northern Ireland as an integral part of the United Kingdom as long as the United Kingdom maintains a Protestant Monarchy" Die Anhänger beider Organisationen kommen vorwiegend aus dem protestantischen Kleinbürgertum.

Die Ulster Protestant Volunteers sind offiziell in Nordirland verboten. Ihre direkte Beteiligung an den protestantischen Gegendemonstrationen ist nur schwer nachzuweisen, aber nach Meinung des Cameron Report ist eine solche Beteiligung nicht in Frage zu stellen Der Cameron Report kommt zu dem Schluß, daß die von Paisley und Major Bunting geführten Demonstrationen vom U. C. D. C. und den U. P. V.organisiert und durchgeführt wurden und daß es deren Zweck war, entweder die vorgesehenen Bürgerrechtsdemonstrationen durch die Ankündigung von unionistischen Gegendemonstrationen zu verhindern oder, falls diese Taktik scheiterte, sie zu stören und, wenn möglich, zu sprengen Der Cameron Report belastet Paisley und seine Anhänger mit der direkten Verantwortung für die bei mehreren Demonstrationen ausgebrochenen Tumulte und Straßenschlachten, sowie für das Entfachen der politischen und religiösen Leidenschaften in Nordirland 4. Die neueste Entwicklung Die Unruhen, die im Herbst 1968 begannen, halten bis heute unvermindert an. Eine besondere Zuspitzung erfährt die Situation in Nordirland jeweils an den Gedenktagen der Protestanten bzw. Katholiken. Solche Tage sind meist Anlaß für Paraden und Umzüge (public processions) Die Paraden werden mit einer anderswo unbekannten emotionellen Anteilnahme durchgeführt, was sich zum großen Teil daraus erklärt, daß Paraden und Umzüge in Nordirland, besonders auf protestantischer Seite, ein traditionelles Mittel sind, um einen Herrschaftsanspruch in einem bestimmten Gebiet zu manifestieren Führend beteiligt an der Organisation solcher Paraden ist in der Regel der bereits 1795 gegründete protestantische Oranien-Orden, der sich wohl am ehesten als eine Art religiöser Freimaurerloge definieren läßt. Er steht der Unionistischen Partei nahe und zählt nach Schätzungen zwischen 80 000 und 100 000 Mitglieder

Obwohl die nordirische Regierung unter dem Druck der Ereignisse und der Londoner Regierung die von der katholischen Minderheit geforderten Reformen inzwischen eingeleitet hat, trat bisher keine Entspannung der Lage in Nordirland ein. Britisches Militär hält weiterhin die feindlichen Lager auseinander. Auf Seiten der Katholiken wächst die Ungeduld, weil die Verwirklichung der zugesicherten sozialen und politischen Reformen zu schleppend vor sich geht. Die protestantische Seite ist beunruhigt, weil die Reformen nach ihrer Meinung zu weit gehen und die protestantische Vormachtstellung in Nordirland zu bedrohen scheinen.

Besonders seit dem Frühjahr 1970 läßt sich eine weitere Radikalisierung und Verschärfung der gespannten Situation in Nordirland beobachten. Symptome dafür sind die Unterwanderung und Überflügelung der Bürgerrechtsbewegung durch terroristische Elemente die Wahl des Demagogen Paisley in den Stormont und ins Unterhaus und die erneute Aktivität der Irish Republican Army. Der Wahlsieg Paisleys vom April 1970 im Wahlkreis des früheren nordirischen Premierministers Terence O'Neill über den Kandidaten der regierenden Unionspartei und der gleichzeitige Sieg William Beatties, eines Ge-sinnungsgenossens Paisleys, in einer weiteren Nachwahl zum Stormont bedeuteten Triumphe der Extremisten von rechts. Sie stellten einen schweren Schlag für die Unionspartei des Premierministers James Chichester-Clark dar, und sie verstärkten die Besorgnisse der britischen Regierung über die weitere Entwicklung in Nordirland. Der Parteiführer der englischen Liberalen, J. Thorpe, warnte nach dem Doppel-sieg Paisleys bereits vor der Gefahr des Faschismus in Nordirland Durch den Ausgang der beiden Nachwahlen ist die unionistische Unterhausfraktion im Stormont mit nunmehr 28 von 52 Abgeordneten auf die geringste Zahl reduziert worden, die sie je seit der Staatsgründung hatte.

Die Opposition aus Bürgerrechtlern, nationalistischen und sozialistischen Republikanern, Labourabgeordneten, unabhängigen Unionisten und nun Paisley und Beattie ist jedoch hoffnungslos zersplittert. Die Gefahr für Chichester-Clark, der unter den heutigen Umständen schon als ein gemäßigter Unionist betrachtet werden muß, und sein Reformprogramm droht daher nicht von dieser Opposition, sondern aus den eigenen Reihen, denn die bei den Nachwahlen im April 1970 und bei den Unterhauswahlen im Juni 1970 bekundete Popularität des Extremismus wird den Druck nach rechts in der Unionspartei verstärken. Ein Auseinanderbrechen der Unionistischen Partei in Gemäßigte und Radikale rückt in den Bereich des Möglichen.

Auf der anderen Seite hat auch die Irish Republican Army neue Bedeutung erlangt. Sie ist eine kleine Gruppe militanter irischer Nationalisten in Nord-und Südirland, deren Ziel die Errichtung einer geeinten irischen Republik ist. Im irischen Bürgerkrieg Anfang der 1920er Jahre entstanden, spielte sie lange Zeit als Untergrundorganisation in Irland eine verhängnisvolle Rolle. Zuletzt beunruhigte sie in den Jahren 1956— 62 die Bevölkerung beiderseits der Grenze in Irland durch Sprengstoffanschläge, politische Morde und Überfälle. In beiden Teilen Irlands ist sie verboten. Vom Cameron Report wird die Beteiligung der IRA an Demonstrationen der Civil Rights Association als erwiesen betrachtet Es gibt Indizien dafür, daß IRA-Mitglieder die Schlüsselpositionen in den kleineren Bürgerrechtsbewegungen besetzt halten

Was die Situation so gefährlich macht, ist die Tatsache, daß sich die extremistischen Flügel-organisationen zunehmend mit Waffen versorgen. Es könnte bald eine Lage entstehen, in der ein Funke genügt, um das nordirische Pulverfaß zur Explosion zu bringen. Heute bestehen verblüffende Parallelen zu der Situation in Irland in den Jahren 1912— 14, als Nationalisten, Unionisten und Arbeiterbewegung Privatarmeen aufstellten, Manöver abhielten und sich Waffen besorgten.

Die Regierungskrise in Dublin vom Mai 1970 zeigte überaus deutlich, wie sehr sich der illegale Waffenschmuggel schon ausgeweitet hat. In der jüngsten Vergangenheit hatte die Regierung der Republik Irland gegenüber Nordirland eine bemerkenswert maßvolle Politik verfolgt. Premierminister Lynch, der wie schon sein Vorgänger Sean Lemass eine Politik der Zusammenarbeit mit Nordirland betrieb, hat bisher alles unterlassen, was die nordirische Situation verschärfen konnte. Diese Haltung erklärt auch die schnelle Reaktion Lynchs, als bekannt wurde, daß Minister seines Kabinetts in Waffentransaktionen zugunsten der IRA verwickelt waren. Die Entlassung von drei wichtigen Ministern, selbst unter dem Risiko der Spaltung der eigenen Partei, der Fianna Fail, verriet die Entschlossenheit Lynchs, die politische Entwicklung in Irland unter Kontrolle zu behalten und die auf den bewaffneten Konflikt abzielende Aktivität der IRA zu unterbinden. Die Kabinettskrise zeigte aber zugleich an, in welchem Umfang auch in der Republik die Extremisten unterstützt werden. Dem Sieg Lynchs kann schnell die Niederlage folgen, denn wer für Irlands Wiedervereinigung kämpft, ist in Südirland immer noch ein Patriot.

IV. Nordirlands Zukunft — Krise in Permanenz?

Die Stärkung der extremistischen Lager in Nordirland, die wachsende Unterstützung, die die IRA in Südirland findet, und die schweren Unruhen im Sommer 1970 deuten für die unmittelbare Zukunft nicht auf eine Beruhigung der Verhältnisse in Nordirland hin. Obwohl die nordirische Regierung inzwischen nahezu alle Forderungen der katholischen Minderheit erfüllt hat, bestehen die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten fort. Die Durchführung von Reformen hat nun große Teile der Protestanten alarmiert und sie den demagogischen Parolen Paisleys zugänglicher gemacht. Die vollständige soziale und politische Emanzipation der Katholiken wird also nicht mit dem Ende der nordirischen Krise gleichzusetzen sein. Vielmehr sieht es so aus, daß sich nunmehr der ursprünglich konfessionelle, soziale und politische Konflikt zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen Nordirlands auf einen rein konfessionellen Konflikt reduziert. Gerade die Ereignisse im Sommer 1970 haben gezeigt, daß sich Protestanten und Katholiken unversöhnlicher denn je gegenüberstehen. Steht Nordirland am Rande eines Religionskrieges?

Es ist zu fragen, was überhaupt noch an Lösungsmöglichkeiten bleibt, wenn soziale und politische Reformen nicht ausreichen, um die verhärteten Gegensätze zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen aufzuweichen. Von Dublin wurde jahrelang die Wiedervereinigung Irlands als die beste Lösung der irischen Probleme gefordert. Von Beobachtern der irischen Verhältnisse ist diese Lösung angesichts der nordirischen Unruhen wieder auf-gegriffen worden, so etwa von Salvador de Madariaga in der Neuen Zürcher Zeitung Doch ein solcher Lösungsvorschlag verkennt die heutige Situation in Nordirland. Die Vereinigung mit der Republik wird heute von der großen Mehrheit der nordirischen Katholiken, gar nicht zu reden von den Protestanten, nicht mehr gewünscht. Auch von den nordirischen Katholiken wird die Beibehaltung der engen Bindungen an Großbritannien nicht in Frage gestellt

Bezeichnenderweise ist auch die nordirische Nationalist Party von der Forderung nach Vereinigung mit der Republik unter den gegebenen Umständen abgerückt. Fünfzig Jahre nach der Teilung des Landes ist sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Nord-irlands durchaus bewußt, daß ihre Provinz durch die Zugehörigkeit zum Vereinigten Königreich erhebliche wirtschaftliche Vorteile genießt. Der höhere Lebensstandard, den der britische Wohlfahrtsstaat der nordirischen Bevölkerung bietet, würde durch eine Vereinigung mit der Republik Irland aufs Spiel gesetzt werden.

Die Dubliner Regierung hat aus dieser Entwicklung die Konsequenzen gezogen. Zwar wünscht sie weiterhin die Vereinigung Irlands zu einem Staatswesen, doch soll diese Vereinigung nicht gegen den Widerstand der nordirischen Bevölkerung erfolgen. Dublin hofft, daß auf lange Sicht diese Widerstände um so schneller überwunden werden können, je eher sich durch die Mitgliedschaft Großbritanniens und Irlands in der EWG die Lebensverhältnisse auf beiden Inseln angleichen. Ein gewaltsames Eingreifen im Norden hat die Dubliner Regierung bisher grundsätzlich ausgeschlossen

Sofortlösungen gibt es nicht. Eine Lösung der emotionsgeladenen nordirischen Probleme kann letztlich nicht durch eine Änderung der verfassungsmäßigen Stellung Nordirlands erreicht werden, wie sie in abgewandelter Form auch von denjenigen vertreten wird, die die Suspendierung der nordirischen Verfassung von 1920 durch das britische Unterhaus und direkte Kontrolle der Provinz durch London befürworten. Auch das gelegentlich angeführte Modell der Behandlung einer englischsprachigen Minderheit in der kanadischen Provinz Quebec — dort existieren praktisch zwei separate Verwaltungen für die französisch-und die englischsprachige Bevölkerung — würde, auf Nordirland übertragen, kaum die Probleme lösen.

Eine Befriedung Nordirlands kann nur von innen heraus geschehen. Nur wenn die verfeindeten Bevölkerungsgruppen die Bereitschaft zu Toleranz, Verständigung und Zusammenarbeit aufbringen, werden sich die Probleme Nordirlands lösen lassen. Den Kirchen und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt auch den Gewerkschaften, fällt in diesem langwierigen Erziehungsprozeß eine wichtige, vielleicht sogar die entscheidende Rolle zu. So ist es ein hoffnungsvolles Zeichen in der von Haß und Feindschaft zerrissenen Szenerie Nord-irlands, daß dieser Weg der Verständigung und der Versöhnung von den Kirchen begonnen worden ist. Auf protestantischer und katholischer Seite ist die Initiative ergriffen worden, den konfessionellen Graben, der seit über 300 Jahren Irland so verhängnisvoll gespalten hat, und die aus ihm resultierenden Spannungen zu überwinden Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis diese Bemühungen die ersten Erfolge bringen werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu unter anderem das Märzheft des Monat (Nr. 258, 1970), das mehrere Beiträge über die separatistischen Bewegungen in diesen Ländern enthält.

  2. Dazu neuerdings O D. Edwards, G. Evans, I. Rhys and H. MacDiarmid, Celtic Nationalism, London 1968

  3. Vgl. G. C. Bolton, The Passing of the Irish Act of Union. A. Study in Parliamentary Politics, Oxford 1966.

  4. Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs (in Millionen):

  5. Vgl. R. C. K. Ensor, England 1870— 1914, Oxford 1936, S. 103. Im Jahre 1832 war die Zahl der irischen Unterhaussitze von 100 auf 105 erhöht worden.

  6. Zur Verwaltung Irlands im 19. Jahrhundert: R. B. McDowell, The Irish Administration 1801— 1914, London und Toronto 1964.

  7. Vgl. McDowell, S. 52— 77, und R.de Warren, L’Irlande et ses Institutions Politiques, Paris 1928, S. 95 ff.

  8. R. B. McDowell, The Irish Executive in the nineteenth Century, in: Irish Historical Studies 9 (1954 bis 55), S. 264 und S. 270.

  9. Dazu die Bücher von N. Mansergh, The Irish Question 1840— 1921, London 19652 und L. J. McCaffrey, The Irish Question 1800— 1922, Lexington 1968.

  10. Allgemein zum Problem des sezessionistischen Nationalismus: Th. Schieder, Der Nationalstaat in Europa als historisches Phänomen, Köln und Opladen 1964, und ders., Typologie und Erscheinungsformen des Nationalstaats in Europa, in: Historische Zeitschrift 202 (1966), S. 58— 81.

  11. D. Thornley, The Irish conservatives and home rule, 1869— 73, in: Irish Historical Studies 11 (1958 bis 59), S. 204, und J. C. Beckett, The Making of Modern Ireland. 1603— 1923, London 1966, S. 377.

  12. Vgl. I. Butt, Irish Federalism! Its Meaning, Its Objects, and Its Hopes, Dublin 1 8744, S. 15 f.

  13. Dazu D. Thornley, Isaac Butt and Home Rule, London 1964, S. 99 ff.

  14. L. J. McCaffrey, Home Rule and the general election of 1874 in Ireland, in: Irish Historical Studies (1954— 55), S. 190— 212, und Thornley, Isaac Butt, S. 212 ff.

  15. Vgl. McCaffrey, The Irish Question, S. 103 f.

  16. Die grundlegenden Arbeiten über die Irische Partei sind die Bücher von C. C. O'Brien, Parnell and his Party, 1880— 90, Oxford 19642; F. S. L. Lyons, The Fall of Parnell 1890— 91, London 19622, und ders., The Irish Parliamentary Party, 1890— 1910, London 1951. In ihnen finden sich auch Bibliographien der älteren Literatur.

  17. Dazu E. R. Hooker, Readjustments of agricultural Tenure in Ireland, Chapel Hill 1938, S. 23 und S. 222, Tabelle 10, sowie N. D. Palmer, The Irish Land League Crisis, New Haven 1940, S. 9 ff.

  18. Im Jahre 1890 waren fast 5 Millionen ÜS-Bürger, 1/12 der amerikanischen Bevölkerung, entweder in Irland geboren oder irischer Abstammung; vgl. T. N. Brown, Irish-American Nationalism, 1870— 1890, Philadelphia und New York 1966, S. 17 f.

  19. T. W. Moody, The New Departure in Irish Politics, 1878— 79, Essays in British and Irish History in Honour of James Eadie Todd, hrsg. v. H. A. Cronne, T. W. Moody und D. B. Quinn, London 1949, S. 331. Zur Landliga: M. Davitt, The Fall of Feudalism in Ireland or the Story of the Land League Revolution, London und New York 1904; O'Brien, Parnell and his Party, S. 120 ff., -J. E. Pom-fret, The Struggle for Land in Ireland, 1800— 1923, Princeton 1930 (Neudruck New York 1969), S. 119 ff., und Palmer, S. 132 ff.

  20. O'Brien, S. 150.

  21. Zur Home-Rule-Vorlage: O'Brien, S. 184— 92; Mansergh, S. 113— 52; L. P. Curtis, Coercion and Conciliation in Ireland, 1880— 1892, A. Study in Conservative Unionism, Princeton und London 1963, S. 76, und das wichtige Werk von J. L. Hammond, Gladstone and the Irish Nation, London 1938 (Neudruck 1964).

  22. Vgl. Beckett, S. 397.

  23. E. Curtis, A History of Ireland, London 1965®, S. 229 ff.

  24. Hooker, S. 8.

  25. Curtis, S. 232.

  26. T. W. Moody and F. X. Martin (eds.), The Course of Irish History, Cork 1967, S. 192. Eine ähnliche Politik betrieben die Engländer im übrigen Irland zeitweilig schon im 16. Jahrhundert. Sie wurde dann im 17. Jahrhundert von Cromwell wieder ausgenommen.

  27. 1881 waren 23, 5 % der irischen Bevölkerung Protestanten (Presbyterianer, Methodisten und Anglikaner), 1911 waren es 26, 1 °/o (Hooker, S. 220, Tab. 5).

  28. E. Strauss, Irish Nationalism and British Demo-cracy, London 1951, S. 231 ff.

  29. Zur Wirtschaftsgeschichte Ulsters vgl. J. C. Beckett and R. E. Glassock (eds.), Belfast. The Origin and Growth of an Industrial City, London 1967, und E. R. R. Green, The Lagan Valley, 1800— 50. A Local History of the Industrial Revolution, London 1949.

  30. Vgl. Curtis, S. 395.

  31. Beckett, S. 427, und A. T. Q. Stewart, The Ulster Crisis, London 1967, S. 69 ff.

  32. J. L. McCracken, Representative Government in Ireland. A Study of Dail Eireann 1919— 48, London 1958, S. 6. Der Text des Ulster Covenant ist abgedruckt in Stewart, S. 62.

  33. McCracken, S. 6.

  34. So Lloyd George im Unterhaus (Hansard. Pari. Deb., H. C„ 5. Serie, Bd. 113, Sp. 1171, 22. 12. 1919).

  35. Vgl. Mansergh, S. 206 ff., und K. Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien, Berlin, Heidelberg und New York 1967, Bd. 1, S. 32

  36. Mansergh. S 210 f

  37. Maureen Wall, Partition: The Ulster Question (1916— 1926), in: D. Williams (ed. J, The Irish Struggle 1916— 1926, London 1966, S. 85. Zum Government of Ireland Act vgl. auch D. Sternberger und B. Vogel (Hrsg.), Die Wahl der Parlamente und anderer Staatsorgane. Ein Handbuch, Berlin 1969, Bd. I, S. 654.

  38. Vgl. Loewenstein, S. 33.

  39. Loewenstein, S. 32.

  40. Für die einzelnen Grafschaften Nordirlands ergibt sich nach dem Zensus von 1961 folgendes Verhältnis von Katholiken und Protestanten: Gesamt-Kath. Prot.

  41. Der im Herbst 1969 veröffentlichte Cameron Report, der im Auftrag des Gouverneurs von Nordirland die Ursachen der nordirischen Unruhen untersuchte, bemerkt dazu: „In Northern Ireland the possibility of any organised Opposition becoming the alternative Government has not so far been one which was in any sense a reality. An Opposition which can never become a Government tends to lose a sense of responsibility, and a party in power which can never (in foreseeable circum-stances) be turned out tends to be complacent and insensitive to criticism or acceptance of any need for change or reform", Disturbances in Northern Ireland. Report of the Commission appointed by the Governor of Northern Ireland, Belfast 1969, S. 12. Im folgenden zitiert als Disturbances.

  42. Siehe Moody and Martin, S. 319.

  43. Orange and Green. A Quaker Study of Community Relations in Northern Ireland, Sedbergh 1969, S. 17.

  44. Vgl. Orange and Green, S. 20, und Die Zeit Nr. 43 vom 24. Oktober 1969.

  45. Orange and Green, S. 20, und Disturbances, S. 62.

  46. „The Catholic proportion of the population is more concentrated in the rural areas and Southern districts and on the whole tends to be economically poorer than the Protestant population" (Disturbances, S. 14).

  47. Ebda., S. 62.

  48. Orange and Green, S. 20.

  49. über die Entstehung der nordirischen Bürgerrechtsbewegung, ihre Ziele und Agitationsmethoden, gibt das Buch von Bernadette Devlin, mittlerweile deren bekanntestes Mitglied und Unterhaus-abgeordnete seit April 1969, interessante Informationen (Irland: Religionskrieg oder Klassenkampf?, Hamburg 1969, rororo aktuell).

  50. Orange and Green, S. 21 f., und Disturbances, S. 59 f.

  51. Disturbances, S. 59.

  52. Ebda.

  53. Im Mai 1970 lag die Arbeitslosenquote im Vereinigten Königreich bei 2, 7 °/o (Der Volkswirt Nr. 23 vom 5. Juni 1970).

  54. Disturbances, S. 60.

  55. Ebda.

  56. Ebda.

  57. Ebda.

  58. Vgl. Orange and Green, S. 26 f.

  59. Ebda., S. 27.

  60. Vgl. Disturbances, S. 14 und S. 61.

  61. Vgl. ebda., S. 61; Orange and Green, S. 25, und den Bericht in: Die Zeit Nr. 43 vom 24. Oktober 1969.

  62. Disturbances, S. 61.

  63. Ebda.

  64. Disturbances, S. 14.

  65. Vgl. die Tabelle in Orange and Green, S. 24.

  66. Siehe Disturbances, S. 15. Vgl. auch B. Devlin: „Wir müssen jederzeit deutlich machen, daß wir für die wirtschaftlichen Rechte eines benachteiligten Volkes kämpfen und nicht die sechs Grafschaften für Irland zurückgewinnen wollen" (Irland: Religionskrieg oder Klassenkampf, S. 119).

  67. Disturbances, S. 15.

  68. Ebda., S. 15 und S. 77 ff.

  69. Ebda., S. 15.

  70. Eine Schilderung der dortigen Vorfälle findet sich in: Disturbances, S. 21 ff.

  71. Disturbances, S. 22, und Devlin, S. 66 ff.

  72. Siehe dazu Disturbances, S. 24— 31, und die Beschreibung B. Devlins, die an dem Marsch beteiligt war (S. 70 ff.).

  73. Siehe z. B. das Manifest der People's Democracy vom Februar 1969 (in Disturbances, S. 124, Appendix XII).

  74. Disturbances, S. 12 f.

  75. Ebda., S. 32 f. und S. 80 ff., und Devlin, S. 73 ff.

  76. Siehe Disturbances, S. 87— 90.

  77. Orange and Green, S. 39.

  78. Präambel der gemeinsamen Satzung beider Organisationen (abgedruckt in Disturbances, S. 118 f.)

  79. Disturbances, S. 88.

  80. Ebda., S. 89.

  81. Ebda., S. 89 f.

  82. Katholische Gedenktage sind Mariä Himmelfahrt (15. August) und Ostermontag (zur Erinnerung an den Dubliner Aufstand von 1916). Die bekanntesten protestantischen Gedenktage sind der 12. Juli (zur Erinnerung an die Schlacht am Fluß Boyne, in der Wilhelm von Oranien 1690 den katholischen Jakob II. besiegte) und der 12. August (Umzug der Apprentice Boys in Londonderry zur Erinnerung an die Entsetzung der Stadt durch eine protestantische Armee im Jahre 1689).

  83. Vgl. Disturbances, S. 14.

  84. Vgl. Orange and Green, S. 34 ff., und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Juli 1970.

  85. Der Cameron Report stellt bereits fest: „There have been and are at work within Northern Ireland persons whose immediate and deliberate intention is to prepare, plan and provoke violence, reckless of the consequences to persons or property" (Disturbances, S. 95).

  86. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. April 1970.

  87. Disturbances, S. 86.

  88. Vgl. The Observer vom 12. April 1970 („Gun-man's Shadow over Ulster").

  89. In der Fernausgabe vom 20. November 1969.

  90. Vgl. die Umfrageergebnisse in Orange and Green, S. 48, und den Aufsatz von Dieter Schröder („Keltischer Nationalismus") in: Der Monat, März 1970.

  91. Vgl.den Leitartikel in: The Times vom 29. Mai 1970 und den Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung, Fernausgabe vom 12. Juli 1970.

  92. Von kirchlicher, aber auch von privater Seite, wurden eine Reihe von Organisationen gegründet, die für die Verständigung zwischen den Konfessionen arbeiten sollen. Die bekannteste dieser Organisationen ist PACE, Abkürzung für Protestant and Catholic Encounter (vgl. Orange and Green, S. 46 i.).

Weitere Inhalte

Peter Alter, Dr., phil., geb. 22. Juli 1940 in Parchim/Mecklenburg, seit Juli 1970 Wissenschaft!. Assistent am Historischen Seminar der Universität zu Köln; Diss.: Der konstitutionelle Nationalismus in Irland, 1880— 1918, (wird Anfang 1971 veröffentlicht).