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Zur politischen Relevanz historischer Theorien. Die Imperialismus-Diskussion im Schatten des Kalten Krieges | APuZ 20/1972 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 20/1972 Innenpolitische Blockbildungen am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Gewidmet Hans Herzfeld zum 80. Geburtstag Zur politischen Relevanz historischer Theorien. Die Imperialismus-Diskussion im Schatten des Kalten Krieges Mason, Czichon und die historische Wahrheit

Zur politischen Relevanz historischer Theorien. Die Imperialismus-Diskussion im Schatten des Kalten Krieges

Timothy W. Mason

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Zusammenfassung

Timothy W. Mason: Zur politischen Relevanz historischer Theorien

Wilhelm Treue hat sich vor kurzem in dieser Zeitschrift mit einigen der wirtschaftshistorischen Arbeiten zum deutschen Imperialismus beschäftigt, die im letzten Jahrzehnt von Historikern aus der DDR vorgelegt worden sind Seine Bilanz ist überwiegend negativ: Die Bücher und Aufsätze, die er rezensiert hat, stellen seiner Meinung nach mehr oder weniger säuberlich erarbeitete Stilübungen dar, worin das Quellenmaterial hauptsächlich die Funktion hat, die obligatorischen Ausgangsthesen der Autoren zu untermauern, welche zugleich Anfangspunkt und Schlußfolgerung ihrer Analysen bilden und einen vornehmlich politisch-propagandistischen Charakter besitzen. Eine monolithische staatliche Ideologie verhindert, so müßte man aus Prof. Treues Kritik folgern, sowohl eine umfassende Aktenforschung wie auch eine unabhängige und systematische Reflexion über das erarbeitete Material seitens der Historiker der DDR. Anscheinend auf Grund dieser vermeintlichen Beobachtung orientiert sich die Kritik Treues viel stärker an der Ideologie des Marxismus-Leninismus als an den geschichtswissenschaftlichen Leistungen und Mängeln der behandelten Autoren.

Diese Ideologiekritik weist nun genau dieselben Fehler und Blindheiten auf, die Prof. Treue in den rezensierten Arbeiten zu finden meint. Es muß vorweg bemerkt werden, daß der von ihm so heftig verworfene Marxismus-Leninismus Anspruch darauf erhebt, eine geschichtswissenschaftliche Methodologie zu bil-den. Angesichts der reichen, obgleich in der Qualität recht unterschiedlichen Ernte von an Marx orientierten Analysen, die in den letzten fünf Jahren auch in der Bundesrepublik erschienen sind, dürfte dieser methodische Anspruch kaum eine umstürzende Neuigkeit in der Wissenschaftsgeschichte mehr sein. Davon erfährt man in dem Aufsatz von Prof. Treue indessen nichts. Er bringt das Kunststück fertig, die Bedeutung des Marxismus-Leninismus für die Geschichtswissenschaft am Beispiel der zitierten Literatur aus der DDR zu diskreditieren, ohne sich mit den Fragestellungen der Arbeiten auch nur am Rande auseinanderzusetzen

Womit beschäftigt sich die moderne Wirtschaftsgeschichte? Nach dem Aufsatz von Prof. Treue zu urteilen, müßte sie sich in erster Linie mit der Persönlichkeit führender Wirtschaftsfiguren befassen. Daß die Historiker der DDR dieser Problematik sowenig Aufmerksamkeit schenken, daß ihre Abhandlungen sich vorwiegend auf Strukturen, Prozesse, Interessengruppen und Bewegungen konzentrieren, scheint ihm nicht ganz geheuer zu sein. War Schacht denn nicht „Deutschnationaler mit Hang zum Nationalsozialismus, kosmopolitischer Nationalist, ... unabhängig sich äußernder, mutiger Minister und Präsident“ (S. 21 des Beitrages)? Prof. Treue möchte die persönliche Rivalität zwischen Schacht und Göring in den Vordergrund der Darstellung nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik bringen. Der Leser möge für sich entscheiden, ob dieser Ansatz wichtigere Fragestellungen eröffnet als der des so arg zurechtgewiesenen Herrn Gossweiler: „Je erfolgreicher Schacht für die Aufrüstung des faschistischen Deutschland tätig war, desto mehr untergrub er seine eigene Stellung, indem er die Umstände beseitigen half, die ihn unentbehrlich gemacht hatten." Mir scheint, daß Prof. Treue rein deskriptive Belletristik betreibt, während Herr Gossweiler durch analytische Argumentation wirtschaftshistorische Zusammenhänge aufdecken will.

Wo sich andererseits Herr Czichon — im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen und durchaus im Sinne von Prof. Treues Kritik an ihnen — sich eben gerade mit Persönlichkeiten beschäftigt, da wird er sofort zum Ziel eines außerordentlich scharfen Angriffs, denn er hat sich herausgenommen, die frühere Laufbahn einer der wichtigsten Figuren in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik zu untersuchen Zugegeben, Herrn Czichons Zweck war sicherlich nicht frei von aktuellen politischen Überlegungen. (Ob Prof. Treue nicht ebensolche Überlegungen bei der Abfassung seines Manuskriptes angestellt hat, mag zunächst dahingestellt bleiben.) Es kann auch sein, daß Herrn Czichons Porträt von Hermann Josef Abs in der Tat schwerwiegende Entstellungen und Unterschlagungen enthält. Darüber wird — was einen eigentlich überraschen müßte — ein Gericht demnächst zu befinden haben. Man hätte aber gern von Prof. Treue gehört, ob Czichons Abs-Bild durchgängig falsch ist: Ob es seinen Einfluß zwischen 1933 und 1945 sowie den der Ban-ken, bei denen er beschäftigt war, in der Tat maßlos übertreibt; ob man für seine Tätigkeit in den besetzten Gebieten Europas völlig andere Erklärungen finden kann. Denn Prof. Treue ist wohl einer der ganz wenigen Wirtschaftshistoriker, die über die erforderlichen Fachkenntnisse in diesem sehr komplexen Be-reich verfügen, um ein solches Urteil abzugeben. Daß er eine distanzierte und abwägende Würdigung von Czichons Arbeit, die Fragen dieser Art reflektiert hätte, in einem Aufsatz schuldig bleibt, der zugleich ein Plädoyer für die Rolle der Persönlichkeit in der Wirtschaftsgeschichte enthält, mutet etwas paradox an. Die Tatsache, daß die Nachlässe führender Industrieller und Bankiers sowie der Inhalt von Firmenarchiven im Westen sich zum größten Teil im Privatbesitz befinden ist aber wohl der Hauptgrund dafür, daß solche Studien bis dato überwiegend Auftragsarbeiten gewesen sind, die für die Wirtschaftsgeschichte einen sehr begrenzten Wert haben. Nur in den seltensten Fällen sind die Fragestellungen solcher Arbeiten von irgendeinem übergeordneten methodologischen Interesse.

Nun liegen einige relevante Archivbestände in der DDR. Diese sozusagen archivarische Folge der Teilung Deutschlands bedeutet, daß sich führende Persönlichkeiten im westdeutschen Wirtschaftsleben ihnen unsympathische biographische Darstellungen werden gefallen lassen müssen. Eigentlich müßte es aber gerade demjenigen schwerfallen, diesen Tatbestand zu bedauern, der der Überzeugung ist, Wirtschaftsgeschichte sei die Geschichte handelnder Menschen und nicht die Aufdröselung blinder Prozesse — immer vorausgesetzt, daß auch die kritischste Biographie keine unbegründeten Diffamierungen und Verdächtigungen enthält.

Die Problematik der Rolle der Persönlichkeit bildet aber nur einen sekundären Aspekt in dem übergeordneten, von Prof. Treue sorgsam ausgelassenen Zusammenhang der geschichtswissenschaftlichen Methodologie. Die eigenartige Mischung von naivem Positivismus und oberflächlicher Polemik, die seinen Aufsatz kennzeichnet, wirft die Frage nach den Ursa-chen für die Misere der modernen Wirtschaftsgeschichte in Deutschland in der Zeit nach 1914 auf — eine Frage, die vielleicht einer detaillierten Untersuchung wert wäre. Nach den großen Arbeiten der Pioniere im 19. Jahrhundert ist diese Disziplin von den deutschen Historikern und Ökonomen bis Ende der 1950er Jahre fast völlig vernachlässigt worden. Noch immer gibt es keine fundierte deutsche Darstellung der Kriegswirtschaft 1914— 1918, der großen Inflation vom Jahr 1923 oder der Weltwirtschaftskrise. Und die in der Bundesrepublik erschienenen Arbeiten über die Wirtschaftsgeschichte des „Dritten Reiches" befassen sich in der Hauptsache mit den eher politischen Fragen der Kriegsvorbereitung und -durchführung. Selbst die brillianten Monographien von Dieter Petzina und Jörg-Johannes Jäger über die letztgenannten Fragen fußen nicht auf einem durchdachten Konzept des Wirtschaftssystems So gut sie auch die einzelnen Aspekte der Entwicklungen beleuchten, vermögen sie dennoch keinen überzeugenden Überblick über den Stellenwert ihrer Forschungsergebnisse zu vermitteln. Die Wirtschaft wird in erster Linie aus der Perspektive des Politikers, des Generals oder des Beamten gesehen, die die Prozesse zu beeinflussen suchten. Die Prozesse selber dagegen kommen viel zu kurz. Markt und Wettbewerb als Organisationsprinzipien der deutschen Wirtschaft in diesen Jahren, die erstrebte Regelung beider durch die Industrie selber, das Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Wachstum und wirt-sdhaftlicher sowie politischer Expansion beispielsweise werden nicht eingehend erörtert; darum werden auch die politischen Einfluß-nahmen auf die Wirtschaft implizit überschätzt. Alle wissenschaftliche Aufmerksamkeit gilt den Lenkungsmaßnahmen, wenig Beachtung hingegen dem ungemein dynamischen Bereich des öffentlichen Lebens selbst, der gelenkt werden soll: der deutschen Wirtschaft.

Man mag den Historikern der DDR ideologisches Denken vorhalten wollen; daß sie gerade diese Fragen außer acht lassen, wird man wohl nicht behaupten dürfen. Wenn man überhaupt als Wirtschaftshistoriker nur einige erste Schritte mit Kollegen in den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten zusammen gehen will so kommt man nicht darum herum, einige explizite Vorstellungen über Regel-und Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln, denen gemäß eine kapitalistische Industriewirtschaft funktioniert. Ein mögliches Konzept dieser Art liefert der Marxismus. Er hat den für den Historiker großen Vorteil, daß er selber eine historische Wirtschaftstheorie enthält, welche ferner zumindest im Umriß die gesamte Sphäre der Politik mit einbezieht. Die analytischen Komponenten des Marxismus stellen, ihrem eigenen Anspruch nach, sowohl eine Epochentheorie der Entwicklung der modernen Industrieproduktion wie auch ein Erklärungsschema zum Verständnis der wiederholten kurzfristigen Krisenerscheinungen dar, die die Geschichte des Kapitalismus gekennzeichnet haben. Auch wenn es bezweifelt werden darf, ob der Marxismus imstande ist, ihnen gerecht zu werden, so muß es doch anerkannt werden, daß keine andere Wirtschaftstheorie vergleichbar umfassende Ansprüche auf einer Ebene geltend gemacht hat, welche dem Historiker zugänglich ist

Diese im Marxismus wurzelnden gemeinsamen Fragestellungen, mit denen sich die Wirt-Schaftshistoriker der DDR beschäftigen, sind weder spekulativ noch uninteressant — und auch nicht als Propaganda abzutun. Eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Arbeiten, die diese Problematik wortlos übergeht, die stillschweigend annimmt, methodologische Probleme dieser Art seien zweitrangig oder gar nicht existent, die sich letztlich damit zufrieden gibt, diese Ausdrucksform des Marxismus als reine Dienstleistung der SED gegenüber zu werten, kommt einer intellektuellen Bankrotterklärung gleich.

Prof. Treue hat es sich viel zu leicht gemacht. Seine Diskussion der von ihm ausgewählten Arbeiten beschränkt sich weitgehend auf die obligatorischen Marx-, Lenin-und Ulbricht-Zitate der Verfasser. Damit will er vermutlich die angegriffenen Historiker nur noch weiter in ihrer Ehrfurcht vor den großen Autoritäten bestärken. Auseinandersetzungen dieser Art tendieren zu einem absurden Krieg aller ge-gen alle, in dem der Ausgangspunkt und der Sinn des Konflikts schlechthin vergessen werden. Denn mit dem Fortschritt der Geschichtswissenschaft im Spannungsfeld zwischen Kommunismus und Liberalismus hat der Beitrag von Prof. Treue allenfalls gelegentlich und zufällig etwas zu tun. Es mag sein, daß einige Historiker in der DDR in ihren sturen Phrasen zu einer Überreaktion herausfordern — Ulbricht als Marx-Autorität wirkt eingestandenermaßen etwas aufreizend. Doch hat es wenig Sinn, die Auseinandersetzung mit der marxistischen Geschichtstheorie auf diese Ebene herabzuschrauben. Kontroversen solcher Art können allein die Funktion haben, überkommene ideologische Fronten auf Kosten der Geschichtswissenschaft aufrecht zu halten über die konkreten Forschungsleistungen der von Prof. Treue kritisierten Historiker, über ihre Interpretation spezifischer Phasen der neueren deutschen Wirtschaftsgeschichte erfährt man von ihm fast gar nichts. In den seltenen Fällen, wo er selber detailliert und zur Sache schreibt, verfolgt er ausschließlich den Zweck, Autoren wegen irgendeines Wider-Spruchs, dieser Unterlassung oder jener Verdrehung zu rügen. Und dies geschieht mit einem bestechenden Hang zur Verallgemeinerung: „Es fehlt hier der Raum, um die beachtliche Zahl der Widersprüche im einzelnen darzustellen ..." (S. 19; ähnlich auch S. 17).

Man muß nicht selber Marxist sein, um die wissenschaftliche Bedeutung einiger in der DDR erschienenen Arbeiten zur deutschen Wirtschaftsgeschichte anzuerkennen; man muß nur an der historischen Forschung interessiert sein. So stellt etwa Kurt Gossweilers Analyse des Übergangs von der Arbeitsbeschaffung zur Rüstungskonjunktur 1933/1934 zweifelsohne einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik dar Andererseits bin ich mit Prof. Treue einer Meinung darin, daß ein zweiter Aufsatz von ihm sehr schwer verständlich ist Seine wissenschaftlichen Bemühungen gehen eindeutig dahin, die Existenz wirtschaftlicher und politischer Richtungskämpfe innerhalb der ökonomisch herrschenden Klasse zu belegen und zu interpretieren. Der eine Versuch mag besser gelungen sein als der andere, zweierlei steht aber fest: Es gibt gar keinen Anhaltspunkt dafür, das gesamte wissenschaftliche Unternehmen von vornherein zu disqualifizieren; weiter, dieser Ansatz bildet eine interessante Fortentwicklung früherer marxistischer Interpretationen des „staatsmonopolistischen Kapitalismus", die in der DDR selber einige Jahre lang umstritten war. Weder die wissenschaftliche Frage — stimmt die These? — noch auch ihre politisch-historiographische Funktion innerhalb des Marxismus scheint Prof. Treue zu interessieren. Er fällt statt dessen eine Reihe von Urteilen, die einem Preisrichter vielleicht angemessen wären, einem geistig interessierten Publikum aber nicht genügen können: So ist Prof. Kuczynski „zugleich aber auch (der) gedanklich wendigste(n) Wirtschaftshistoriker in der DDR", und Dr. Gossweiler „zieht in sehr geschickter Weise neuere westeuropäische Literatur heran" (S. 11, S. 15). Welche diskutablen Thesen und Forschungsergebnisse diese Wissenschaftler kraft ihrer so gelobten Fähigkeiten vorgelegt haben, bleibt im Hintergrund. Ähnlich ergeht es dem bedauernswerten Herrn Czichon, der nicht einmal das zunftmäßige

Handwerk richtig beherrsche, der andauernd falsch zitiere und der sich eindeutig in Berlin (Ost) beliebt machen wolle, indem er eine der führenden Figuren im westdeutschen Wirtschaftsleben angreift Inwieweit Czichons Biographie von Hermann Josef Abs diffamierende Entstellungen und Unterschlagungen enthält, vermag ich genausowenig zu beurteilen wie Prof. Treue: Wir haben beide keine: Einsicht in die wichtigsten der vom Autor benutzten Aktenbestände in Ostberlin gehabt. Ich habe an anderer Stelle auf Ungenauigkeiten in einer früheren Veröffentlichung von Herrn Czichon hingewiesen die Quellen für das zur Diskussion stehende Buch kenne ich indessen nicht. Mir scheint aber, daß seine Abhandlung über Abs den ersten ernsthaften Versuch überhaupt darstellt, die Rolle und Entwicklung der großen deutschen Privatbanken im nationalsozialistischen Deutschland an Hand originären Aktenmaterials zu analysieren. Mir ist — außer Auftragsarbeiten — keine ähnliche Studie bekannt. Die Wirtschaftshistoriker der Bundesrepublik, der Schweiz, Eng-lands und Amerikas haben sich — von der undurchsichtigen Figur Schachts und der Theorie Keynes’ fasziniert — hauptsächlich auf die staatliche Kreditpolitik konzentriert. Es ist, nebenbei bemerkt, schon allein aus diesem Grund etwas befremdend, daß Prof. Treue die angebliche Vernachlässigung der Thematik in der DDR moniert. Daß das Thema von erstrangiger Bedeutung ist, müßte für ein wissen-

schaftliches Publikum auf der Hand liegen. Man müßte sich außerdem fragen, warum es so lange nicht worden ist. aufgegriffen Diese Frage ist sicherlich schwer zu beantworten. Abgesehen vom Problem der Zugänglichkeit des Aktenmaterials dürfte aber einer der Gründe in der extremen Komplexität der in den Akten festgehaltenen Vorgänge liegen. Als Historiker bräuchte man etwa ein zweijähriges Bankpraktikum, um die Bedeutung bankpolitischer Entscheidungen immanent zu verstehen — was immer eine Voraussetzung für eine theoretisch zusammenhängende Analyse der relevanten Geschäftsverfahren sein muß. In dieser Hinsicht war ich selber von Herr Czichons Studie etwas enttäuscht, denn man erfährt daraus wenig über die Rolle der privaten Institute im Wirtschaftssystem; die Differenzierung zwischen nominellem Besitz, wirtschaftlichem Einfluß auf einzelne Unternehmen und wirtschaftspolitischer Macht wird nicht genau genug vollzogen. Die Probleme lösen sich etwas voreilig in einem Prozeß finanzieller und wirtschaftlicher Konzentration auf, dessen Konturen und Antriebskräfte verschwommen bleiben. Immerhin wirft das Buch zweifelsohne eine Reihe neuer und bedeutungsvoller Fragen für die zeitgeschichtliche Forschung auf.

Es ist vielleicht lohnenswert, die Kategorien von Treues Kritik an den Arbeiten von Czichon, Gossweiler und Eichholtz etwas genauer zu prüfen. Was sind seine Kriterien für Wissenschaftlichkeit? Welchen Bezugsrahmen für die moderne Wirtschaftsgeschichte schlägt er hier vor?

Er entrüstet sich vor allem über die unsaubere Quellenarbeit der Autoren. Läßt man einmal folgenlose Fehler in Detailfragen außer acht, so gilt dies innerhalb der Historiker-Zunft und auch darüber hinaus wohl als der schwerwiegendste Vorwurf, der von einem Kritiker erhoben werden kann. Gerade darum aber obliegt es dem Rezensenten in seiner eigenen Beweisführung, d. h. in der Begründung seiner Vorwürfe, selber ganz besonders genau zu sein. Prof. Treue ist es nicht. Für mehrere für seine Kritik zentrale Behauptungen führt er selber keine Belege an: so z. B. für die Größenordnung des Einflusses sowjetrussischer Verträge in der deutschen Wirtschaft während der Krisenjahre (S. 14); für die Rolle des Ministeriums Todt in den Jahren 1940/41 (S. 22) für die Aussagen von Baron v. Schröder im November 1945 (S. 26).

Sein Aufsatz enthält außerdem mehrere Pauschalurteile, die nur dann wissenschaftlichen Wert hätten, wenn sie sich eine auf konkrete Beweisführung und Argumentation oder aber wenigstens auf die Ergebnisse der zitierten Arbeiten gestützt hätten, welche er jedoch nur isoliert als Selbstverständlichkeiten vorträgt. Ist es wirklich ohne weiteres klar, daß die Historiker der DDR „die Bedeutung . ..der IG-Farbenindustrie ... im Rahmen der Gesamtwirtschaft überbewerte(n)"? Und wenn er die Rolle Goerdelers in der außenpolitischen Krise der Jahre 1938/39 gegen die in der DDR aufgestellte Behauptung verteidigt, Goerdeler habe selber imperialistische Ziele vertreten, so sieht er geflissentlich an der fundierten und abgewogenen Abhandlung von Hermann Graml zu diesem Thema vorbei Seine Verteidigung von Thyssen gegen ähnlich, absurde Angriffe — so will er suggerieren — ist in der Tat selber absurd, beziehen sich doch die kritischen Urteile der besprochenen Autoren auf die Zeit vor 1934, in der Thyssen, wie nun hinlänglich bekannt sein müßte, die NSDAP unterstützt und beraten hat.

Prof. Treue ist offensichtlich darüber empört, daß marxistisch-leninistische Historiker sich die Freiheit nehmen, Bankiers zu verunglimpfen. Er sollte aber dann konsequenterweise davon absehen, selber diese Historiker zu diffamieren. Die Passage, in der Dr. Eichholtz als „Geschichtsfälscher" bezeichnet wird, ist ein treffendes Beispiel eben der Verfahrensweisen, über die er sich bei anderen so aufzuregen vermag. Allein weil Eichholtz in einem Zitat einem Syndikus ungenaue wirtschaftstheoretische Kenntnisse zuschreibt, stellt Prof. Treue seinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit radikal und wiederholt in Frage (S. 23, S. 27). Es ist aber wohl pure Vermutung, daß Eichholtz das Dokument unrichtig wieder-gibt; offensichtlich kennt Treue das Aktenstück selber nicht, denn er hätte es sonst wohl „richtig" zitiert. Die Unwahrscheinlichkeit der darin festgehaltenen Aussage ist für ihn Grund genug, seinen Gegner in der Auseinandersetzung unverblümt als „Geschichtsfälscher" abzustempeln. Schwerwiegendere For-men der Polemik lassen sich in einem wissenschaftlichen Kontext kaum vorstellen; zumindest kann Prof. Treue keinen so gravierenden Fall seitens der rezensierten Autoren vorbringen

Treues Kritik an Czichon bleibt größtenteils auf einer ähnlichen Ebene der kenntnislosen Verdächtigung. Ohne daß er die Quellengrundlage aus erster Hand kennt, fühlt er sich berufen, die schiere Existenz des gesamten von Czichon herangezogenen Aktenmaterials in Frage zu stellen. Er stellt die Tatbestände wohlgemerkt nur in Frage, er suggeriert nur, daß die Akten erfunden seien, denn ganz genau weiß er es auch wieder nicht. Das heißt, auch hier bedient er sich einer Methode der vage formulierten Unterstellung, die er bei den Historikern der DDR gerügt hat (u. a. S. 27).

Zum Sachverhalt ist folgendes zu sagen: Was die Aktenbestände der Deutschen Bank angeht, so dürfte es nicht überraschen, daß Prof. Mai in seiner Bibliographie allein von Restbeständen spricht, Herr Czichon dagegen eine umfangreiche Dokumentation ausgewertet ha-ben will: Schließlich hört Mais Interesse an dem Bestand um das Jahr 1900 auf, während sich Czichon hauptsächlich mit der Zeit nach 1937 beschäftigt. Der scheinbare Widerspruch zwischen den beiden Historikern aus Ostberlin ist eben nur scheinbar. Ob es „nachweislich unzutreffend" ist, daß Czichon viele der von ihm zitierten Akten der Reichskanzlei (Bundesarchiv Koblenz) tatsächlich eingesehen hat. ist zumindest fraglich: Denn es gibt inzwischen viele Mikrofilmkopien dieser Akten, und er hätte sie durch verschiedene Institute in der Bundesrepublik, in den USA und vielleicht auch in der DDR beziehen können, ohne daß das Bundesarchiv davon Kenntnis gewonnen haben müßte. Es ist ferner geradezu lächerlich, zu beanstanden, daß Herr Czichon die amtli. dien Titel von zwei Archiven falsch wiedergibt. Daß die Westberliner CDU ihm Einsicht in ihre Archivalien gewährt haben könnte möchte selbst Prof. Treue nicht glauben: Es handelt sich hier eindeutig um die CDU der DDR. Zweitens besteht eine gewisse Entschuldigung dafür, das Westberliner Geheime Staatsarchiv falsch zu benennen, in der Tatsache, daß diese Institution selber einige Zeit im unklaren gewesen zu sein scheint, wie sie sich nennen sollte. Sogar ein so genauer Wissenschaftler wie Dr. S. Aronson fand es noch 1971 ratsam, beide Titel in seiner Bibliographie aufzuführen

Durch Techniken dieser Art ist Prof. Treue bestrebt, eine Abwehrhaltung unter seinen Lesern hervorzurufen, noch ehe er den Inhalt des Buches überhaupt zur Diskussion stellt, Mit den Grundlinien von Herrn Czichons Interpretation der Wirtschaftsgeschichte des „Dritten Reiches" setzt er sich überhaupt nicht auseinander: die vorangegangene Abqualifizierung rein spekulativer Art entlastet ihn, zumindest in seiner eigenen Sicht, von dieser analytischen Arbeit. Drei Punkte folgen dann in seiner Kritik:

Zunächst führt Prof. Treue eine Reihe von Details an, die bei Herrn Czichon unrichtig sein sollen. Mangels Belegstellen aber wird es dem Leser nicht möglich gemacht, sich von der Richtigkeit der Kritik voll zu überzeugen „Die Welt am Sonntag" wird nicht jedem Dozenten und Schullehrer als die beste Quelle für derartige Behauptungen erscheinen Dennoch ist solche Detailkritik, wo berechtigt, für die Bewertung aller wissenschaftlichen Arbeit sehr wichtig. Fehler dieser Art sprechen aber — solange sie nicht irgendeine Konsequenz haben — eher für Schludrigkeit, Eile, Sorglosigkeit bei der Fahnenkorrektur usw. als für systematische Verdrehungen von Tatbeständen. So irritierend und verunsichernd es auch ist, zahlreiche Detailfehler in einem Buch festzustellen, so reicht die Feststellung aber an sich noch nicht aus, um auch die Argumentation von vornherein als indiskutabel abzutun. Czichons Studie sowie die in der DDR-Ausgabe veröffentlichten 46 Exzerpte aus dem herangezogenen Quellenmaterial bedürfen of fensichtlich einer sorgfältigen archivarischen Analyse

Die gebotene Genauigkeit ist, nach der Meinung von E. H. Carr, für den Historiker eine Pflicht, jedoch nicht an sich schon eine Tugend. Hat Czichons Studie irgendwelche Tugenden? Sie hat, so möchte man meinen, ein wesentliches Verdienst: als erste die Aufmerksamkeit auf den Fragenkomplex Banken/Wirtschaftsführung/Politik in dieser Zeit gelenkt zu haben. Diese Leistung wäre nur dann zweifelhaft, wenn die Ungenauigkeiten seiner Arbeit weitere Aktenforschung dadurch er-

würden, daß die beteiligten Personen und Institute sich genötigt fühlen würden, ihre Akten der Wissenschaft nicht mehr zugänglich zu machen. Aber vielleicht würde eine akkurate Darstellung die gleiche Wirkung haben. Es ist zweitens möglich — d. h. das Gegenteil ist noch nicht in allen Aspekten bewiesen —, daß sein Buch die Tugend hat, einen zutreffenden Umriß der Laufbahn von Herrn Abs zu bieten, eine Darstellung, die bei allen Fehlern die Meilensteine, die Wendepunkte und die politischen Umstände in etwa zutreffend schildert Diese Frage bleibt noch offen mangels einer wissenschaftlichen Rezension

Prof. Treue führt weiter zwei Stellen in Herrn Czichons Arbeit an, die es ihm erlauben, von Aktenmißbrauch zu reden. Der Fall des Berichts der amerikanischen Untersuchungskommission, die nach 1945 die Geschäftsführung der Deutschen Bank aufzuklären hatte, scheint unanfechtbar zu sein. Prof. Treue hat sich aber auch hier nicht dazu bequemt, den Fundort dieses Berichts anzugeben, damit andere Wissenschaftler den Text überprüfen können Die Frage der Arisierung des Petschek-Konzerns war sehr viel komplizierter, als sie sowohl bei Czichon wie auch bei Treue dargestellt ist. Die Übernahme der Hubertus Braun-kohlen AG war nur ein Teilaspekt, und auch nur ein untergeordneter eines großen und verästelten Verfahrens, wodurch in den Jahren 1937— 40 die Besitzverhältnisse im deutschen sowie im tschechischen Kohlenbergbau einschneidend verändert wurden. Uber die Rolle von Abs bei diesem Verfahren weiß ich nicht mehr, als was aus den Darstellungen und Akten von Czichon und Treue hervorgeht. Es ist aber unwiderlegbar, daß die Söhne von Ignaz Petschek Anfang 1938 -— also bevor es einen förmlichen „Druck der Gesetzgebung des Dritten Reiches" gab (Treue, S. 29) — unter sehr erheblichem wirtschaftlichen und politischen Druck standen, ihr Vermögen zu Preisen weit unter dem Marktwert zu veräußern. Die Probleme wurden in Nürnberg als Teil des Flick-Prozesses eingehend erörtert, und auf der Grundlage der Gerichtsverhandlungen hat Raul Hilberg eine knappe, aber präzise Darstellung der wichtigsten Vorgänge verfaßt. Die Rolle der Familie Abs wird dort nicht erwähnt; es besteht jedoch kein Zweifel daran, daß Flick und die Reichswerke Hermann Göring — entschieden unterstützt durch die Ministerialbürokratie insbesondere im Reichs-finanzministerium — den Hauptanteil an der Arisierung dieses Zweigs des Petschek-Konzerns hatten Soviel zum Hintergrund.

Prof. Treues Darstellung der Details in bezug auf die Rolle der Familie Abs ist in jeder Hinsicht plausibel und beruht offensichtlich auf einer breiteren und präziseren Quellenbasis als die von Herrn Czichon zitierte. Doch enthalten seine Ausführungen in dieser Zeitschrift eine für den Laien verwirrende Unklarheit: Czichons Behauptungen über die Motive und das Verhalten von Herrn Abs betreffen allein die Hubertus Braunkohlen AG, früher ein Abs'sches Familienunternehmen, worüber die Gebrüder Petscheck 1924 die Kontrolle erwarben die von Treue erwähnten Akten dagegen betreffen vornehmlich die Ilse Bergbau AG, und seine Darstellung berührt die andere Firma nur am Rande. Erst der von Prof. Treue in der Zeitschrift „Tradition" abgedruckte Brief von William Petschek an Herrn Abs macht es eindeutig klar, daß die Gebrüder Petschek den Bankier in beiden Arisierungsverfahren als Beschützer betrachteten Doch ist auch hier die Beweisführung von Prof. Treue vollkommen unbefriedigend: Ein Historiker sollte es seinem Publikum nicht zumuten, sich mit der Behauptung abzufinden, „Mir sind der erhalten gebliebene Teil des Archivs der , Ilse'aus der Zeit vor 1945 und ihr Archiv seit dieser Zeit genau bekannt" — er sollte seine Kenntnisse genau mitteilen, sonst nutzen sie niemandem.

Prof. Treue begründet seine Zurückhaltung und die Skizzenhaftigkeit seiner Ausführungen zu diesem Thema mit der Bemerkung: „Dieser Komplex ist Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung und soll daher hier nicht behandelt werden" (S. 28). Das ist, in dem zitierten Zusammenhang, kein überzeugendes Argument. Unter solchen Umständen sollte man entweder ganz schweigen oder aber das relevante Material in aller Ausführlichkeit veröffentlichen, damit das interessierte Publikum sich ein eigenes Urteil bilden kann. Prof. Treues Mittelweg kann nur den Effekt haben, die öffentliche Meinung schon vor dem Ende der Gerichtsverhandlungen zu beeinflussen — ohne jedoch die von ihm vertretene Position voll und unzweideutig zu dokumentieren. Es ist in diesem Kontext vielleicht nicht ohne Bedeutung, daß Prof. Treues Aufsatz in dieser Zeitschrift sofort nach Erscheinen zum Bestandteil der Anklageschrift gegen Czichon und den Pahl-Rugenstein Verlag gemacht wurde. Und gerade dieser Historiker ist es, der sich über die „politische Nutzanwendung" der in der DDR betriebenen Forschungsarbeit in zeitgeschichtlichen Fragen empören kann (S. 17).

Man darf an diesem Punkt wohl keiner Elfenbeinturm-Ideologie huldigen und bedauern, daß Wissenschaft und politisch-juristische Auseinandersetzungen auf diese Art und Weise vermengt werden. Angesichts der historischen Vorbelastungen des geteilten Deutschlands ist das wohl unausbleiblich. Es kann auch niemand Herrn Abs sein Recht nehmen, sich ge-gen Diffamierungen vor Gericht zu verteidigen. Es scheint aber unumgänglich, daß die gesamte Prozedur in allen Stadien öffentlich ist, daß die juristische Auseinandersetzung soweit wie möglich dem gegenwärtigen Stand der geschichtswissenschaftlichen Erforschung der betreffenden Sachverhalte entspricht und daß die angeführten Argumente in allen Etappen stichhaltig sind. Nur dann wird ein Prozeß dieser Art auch für die Geschichtswissenschaft ergiebig sein (— und gerade dieser könnte sicherlich sehr ergiebig sein); nur dann kann die gerichtliche Entscheidung nicht nur gerecht sein, sondern audi gerecht erscheinen. Ob Prof. Treues Beitrag in diesem Sinne wirksam gewesen ist, darf bezweifelt werden.

So wichtig diese aktuellen Fragen auch sein mögen, so ist es doch eine Erleichterung, zum Hauptthema zurückkehren zu dürfen. Wie eingangs gesagt, scheint eine rein ideologische Auseinandersetzung mit der marxistisch-leninistischen Historiographie, wie die von Prof. Treue, völlig ohne Ertrag zu sein. Sie ist ferner dazu geeignet, alle methodologischen Überlegungen in der Wirtschaftsgeschichte diesseits der Elbe als überflüssig erscheinen zu lassen, die Wissenschaft hierzulande in ihrer bloßen Faktenaufzählung und in ihrem Hang zum Geschichtchen-Erzählen nur noch zu bestärken. Nicht allein aber aus diesen allgemeinen Gründen ist es notwendig, die Arbeiten der Historiker in der DDR wissenschaftlich ernst zu nehmen. Sie haben auf Grund ihrer Forschungsleistungen und ihrer Argumentation den unbestreitbaren Anspruch darauf, auf dieser Ebene gelesen und besprochen zu werden — einschließlich Herrn Czichon.

Eine Kritik an ihren Arbeiten müßte wohl immanent ansetzen und prüfen, wieweit es ihnen gelingt, den Marxismus für die neuere Wirtschaftsgeschichte fruchtbar und aufklärend einzusetzen. Die Frage kann nicht uneingeschränkt positiv beantwortet werden. Die von Prof. Treue rezensierten Arbeiten zeigen alle eine merkwürdig verkürzte Perspektive. Aus einer Wissenschaftslehre, die in ihrer klassischen Form den Ehrgeiz hat, epochale Zusammenhänge zu beleuchten, und die dem politischen Raum im Sinne des Liberalismus wenig Bedeutung beimißt, haben sie eine politische Soziologie gemacht, die in Querschnittsanalysen des modernen deutschen Herrschaftssystems und in den Prozessen politischer Willensbildung ihre Schwerpunkte hat. Das ganze erinnert stark an die Methodologie des großen konservativen Historikers Namier; riesenhafte Kapitalgesellschaften treten hier an die Stelle von Namiers Adelsfamilien, verhalten sich aber mit ihren spinnennetzartigen und rivalisierenden Einflußsphären jenen frappierend ähnlich. Wer saß an welchen Hebeln der Macht, wann und warum? — dies sind sicherlich nicht belanglose Fragen für den Historiker. Im klassischen Marxismus kommt ihnen aber gegenüber den säkular-ökonomischen Fragen der Entwicklung des Wirtschaftssystems eine zweitrangige Bedeutung zu. Lenins Imperialismus-Begriff legt zwar diese Art von Querschnittsanalyse nahe, doch ist dieses theoretische Konzept m. E. sowohl empirisch weniger solide wie auch vordergründiger als die Kategorien des historischen Materialismus bei Marx selber

Der politisch-soziologische Ansatz ist, auf den Nationalsozialismus angewendet, um so unbefriedigender, je schmaler das Interesse ist, das die Historiker der DDR für die Entwicklung des Staatsapparats im engeren Sinne aufbringen können. Die Bedeutung wirtschaftspolitischer Erwägungen in der allgemeinen politischen Willensbildung im „Dritten Reich", ja, das Ausmaß, in dem die politsche Führung einein von ihr nicht kontrollierten Wirtschaftssystem ausgeliefert war, ist wahrscheinlich von den Historikern im Westen bislang unterschätzt worden. Doch bleiben in den zur Diskussion stehenden Arbeiten die verschiedenen Varianten der marxistisch-leninistischen Thesen — zunehmende Verschmelzung von staatlichen und monopolwirtschaftlichen Interessen; Nationalsozialismus als „überbau“ im einfachen Sinne; historische Vorbestimmung nationalsozialistischer Expansion durch den deutschen Imperialismus vor 1918; entscheidende Mitwirkung der großen Kapitalgesellschaften bei den wichtigsten Etappen der Radikalisierung der nationalsozialistischen Politik; dauerhafte und gegenseitig zufrieden-stellende Arbeitsteilung zwischen Monopolen und politischer Führung usw. — diese Thesen bleiben allzuoft eben Thesen, deren Überzeugungskraft unter der Unwilligkeit der betreffenden Historiker leidet, die innen-, außen-und rassenpolitische Willensbildung des Regimes genau zu untersuchen und die Ergebnisse einer solchen Untersuchung mit ihren wirtschaftshistorischen Kenntnissen in Verbindung zu bringen.

Ihre Argumentation bewegt sich zudem auf verschiedenen Ebenen, welche nicht immer ge-nau genug auseinandergehalten werden. So steht z. B. eine Betrachtungsweise, die die funktionale Bedeutung des Nationalsozialismus für das Wirtschaftssystem, die handfesten materiellen Vorteile für die großen Kapitalgesellschaften betont, einer eher ethisch-subjektiven Betrachtungsweise gegenüber, welche das Schwergewicht auf die Pläne und Absichten der Industriellen setzt. Es ist doch nicht ohne weiteres angängig, die beiden Ebenen durcheinanderzubringen oder Beweismaterial aus den beiden Kontexten so zu behandeln, als würde alles die gleiche These untermauern. Aus denselben Gründen, aus denen man darauf bestehen möchte, daß eine Klärung der subjektiven politischen Präferenzen führender Industrieller in den Jahren 1930 bis 1933 die Frage des Verhältnisses zwischen Kapitalismus und Nationalsozialismus nicht erschöpft, muß man ebenfalls darauf bestehen, daß z. B. programmatische Äußerungen und Denkschriften von Industriellen über wünschenswerte Annektionen usw. in den Jahren 1939 bis 1943 nur in ihrem Kontext gedeutet werden dürfen. Allein die Existenz solcher Dokumente besagt nicht, daß wirtschaftliche Interessen so spezifischer Art die Hauptantriebskräfte des Expansionskriegs waren; auch muß dann noch gefragt werden, ob diese Pläne tatsächlich verwirklicht wurden

Die gelegentliche Verschmelzung dieser beiden Ebenen der Argumentation in den Arbeiten von Historikern in der DDR führt zu einer etwas vordergründigen und leicht antiquiert anmutenden Moralisierung der Geschichte, die der Theorie des historischen Materialismus — wenn auch nicht immer seinem Urheber selber — fremd ist. Dieses moralistische Moment bildet in methodologischer Hinsicht vielleicht die notwendige Ergänzung zu den sich dem Positivismus annähernden Fragestellungen des politisch-soziologischen Marxismus. Denn wenn der epochale geschichtsphilosophische Aspekt der Marxschen Theorie nicht mehr im Vordergrund steht, so wird das Bedürfnis für eine Ethik allzu schnell spürbar. Vielleicht dürfte man die These ganz allgemein zur Diskussion stellen, daß der anklagende Ton marxistisch-leninistischer Abhandlungen über den Imperialismus seine Wurzel ebensosehr in diesem vertrackten methodologischen Problem hat wie in der von Prof. Treue stets wiederholten Behauptung, es handele sich hier bloß um zynische, gegenwartsbezogene Auftragsarbeiten. Das Problem ist deshalb so kompliziert, weil die Einordnung des Faschismus in ein differenziertes, epochales Geschichtsbild Marxscher Prägung eine denkbar schwierige wissenschaftliche Aufgabe darstellt, ist doch gerade hier die von Marx selber im unklaren gelassene Frage nach dem Verhältnis von wirtschaftlicher Basis und politisch-ideologischem überbau von ausschlaggebender Bedeutung. Versuche, wie sie neuerdings Ernest Mandel unternommen hat, das Problem rein nominalistisch zu lösen, indem er die ganze Weltgeschichte seit etwa 1750 pauschal als bürgerlich-kapitalistisch definiert — wo es sich nicht gerade um kommunistische Herrschaftsformen handelt —, zeugen zumindest von einer gewissen Ungeduld gegenüber der Arbeitsweise des Historikers Eine Geschichtsschreibung, die etwa den englischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts und den Nationalsozialismus partout unter einen Hut bringen will, indem sie die beiden Phänomene als die der Profitmaximierung jeweils adäquaten Herrschaftsformen kategorisiert, läßt so vieles außer acht, daß Forschung und Diskussion eigentlich eingestellt werden könnten. Beim gegenwärtigen Stand der Forschungsarbeiten und Diskussionen sind Thesen über den eventuell einheitlichen Charakter der bürgerlichkapitalistischen Epoche allenfalls auf einer anthropologischen Ebene von Interesse, wo es sich um das marxistische und das bürgerliche Menschenbild handelt, aber nicht jedoch dort, wo es sich um das Entstehen und die Entwicklung der großen politischen Bewegungen dieses Jahrhunderts handelt. Historiographische Eintopfgerichte, die vorschnell so ziemlich alles auf den Kapitalismus oder den Imperialismus reduzieren, erinnern an die scharfsichtige Selbstironie von Engels, als er sein Leid über die Zustände in England gegen Ende des Jahres 1858 klagte: dieses bürgerlichste aller bürgerlichen Völker strebte nach seiner Beobachtung offensichtlich danach, zu seinem Bürgertum auch noch eine bürgerliche Aristokratie und ein bürgerliches Proletariat ins Leben zu rufen Eine ähnliche Distanz den eigenen theoretischen Postulaten gegenüber möchte man sich manchmal auch unter den direkten Nachfolgern von Engels wünschen.

Ohne solche Postulate kommt man aber in der Wirtschafts-und Sozialgeschichte überhaupt nicht aus. Wie nutzbringend ein artikulierter theoretischer Rahmen für die Forschung sein kann, haben in letzter Zeit vor allem Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler gezeigt. Insbesondere Wehler ist bemüht, die empirisch begründeten und theoretisch fruchtbaren Elemente des Marxismus in seiner Forschung auszuwerten Wichtige Beiträge dieser Art sind aber nicht von Auseinandersetzungen zu erwarten, die sich auf Verdächtigungen und Kleinkorrekturen beschränken. In einigen Kreisen hat sich dies schon herumgesprochen: so mahnte Prof. v. Laue vor kurzem dazu, durch das ideologische Gerüst sowjetrussischer Veröffentlichungen bis zu ihrer Intention und der erbrachten Forschungsleistung hindurchzudringen, indem er eine Rezension scharf zurückwies, die genau den gleichen Ton hatte wie der hier zur Diskussion stehende Aufsatz von Prof. Treue Und ein klug abgewogener, informationsreicher Literaturbericht im

Times Literary Supplement stellte neuerdings

fest, zwischen den Ergebnissen der Arbeiten von Fritz Klein und Peter Graf v. Kielmannsegg über den Ersten Weltkrieg bestünden nur unwesentliche Unterschiede in der Betonung Wandel durch Annäherung, auch in der Wissenschaft? — sicherlich eine irreale Prognose, und wohl nicht einmal wünschenswert. Doch scheint die Luftbrücken-Mentalität von Prof. Treue einem vergangenen Zeitalter anzugehören. Seine pathetische Heraufbeschwörung Rankes am Ende seines Aufsatzes mutet in dem gegebenen Zusammenhang wie ein Vorwand an, nicht analytisch denken zu wollen. „Wie es eigentlich gewesen ist...", ist gewiß keine ausgediente Formel, wenn es darum geht, durch gewissenhafte Entdeckerfreude die Forschung voranzutreiben. Nur besteht das Problem darin, daß sehr vieles eigentlich gewesen ist. Wie steht es aber um die Zuordnung erforschter Themen zueinander? Um diese Frage ist eine schwierige und wichtige Diskussion zwischen kommunistischen und nicht-kommunistischen Historikern zu führen. Prof. Treue will offensichtlich nicht mitdiskutieren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. »Zur jüngeren Wirtschaftsgeschichtsschreibung in der DDR über den .deutschen Imperialismus'“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 33/71 v. 14. August 1971. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf methodologische Probleme sowie auf die Wirtschaftsgeschichte des nationalsozialistischen Regimes, da der Verf. nicht kompetent ist, sich zu Prof. Treues Kritik an der Arbeit von Joachim Mai zu äußern.

  2. Nicht wesentlich anders waren die Reaktionen von Prof. Treue auf die Veröffentlichungen von Hans-Ulrich Wehler zum gleichen Thema: s. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Juli 1969 und 23. Sept. 1970.

  3. Kurt Gossweiler, Der Übergang von der Weltwirtschaftskrisis zur Rüstungskonjunktur in Deutschland 1933— 1934, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Teil II, S. 115.

  4. Eberhard Czichon, Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik, Köln 1970; der Text der DDR-Ausgabe dieses Buchs, der mit einem langen Dokumentenanhang versehen ist, weist einige Unterschiede auf (Hermann Josef Abs. Porträt eines Kreuzritters des Kapitals, Berlin 1969). Die Abfassung dieses Aufsatzes wurde dadurch wesentlich erleichtert, daß beide Bücher — trotz einstweiliger Verfügung — im westdeutschen Buchhandel noch leicht erhältlich sind.

  5. In diesem Zusammenhang erscheint es dem verfassungsjuristischen Laien, als enthielte das Grundgesetz einen eventuellen Widerspruch, denn die Eigentumsgarantie ist nicht immer vereinbar mit der Freiheit der Forschung.

  6. Dieter Petzina, Autarkiepolitik im Dritten Reich, Stuttgart 1968; Jörg-Johannes Jäger, Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dritten Reiches vom Ausland, Berlin 1969.

  7. Peter Mathias hat einen Aspekt dieser Diskussion in seiner Oxforder Antrittsvorlesung klar zusammengefaßt: Living with the Neighbours, Oxford 1971.

  8. Wirtschaftliche Theorien, die das Wachstum oder die Modernisierung'als ihren Angelpunkt neh-men, scheinen in noch größere Schwierigkeiten als der Marxismus zu geraten, wenn es um das Pro-Dem des Verhältnisses zwischen ökonomischer und Politischer Entwicklung geht. Zur möglichen Bedeutung des markttheoretischen Ansatzes für die Wirtschaftsgeschichte s. John Hides, A Theory of Economic History, Oxford 1969.

  9. Unter den bedeutsamen Beiträgen, die er nicht diskutiert, wäre wohl die Abhandlung von Eva Seeber, Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft, Berlin 1964, an erster Stelle zu erwähnen. Die von ihr behandelten Themen gehören, so möchte man meinen, ganz in den Mittelpunkt jeder Diskussion über den Imperialismus. Eine einseitige Konzentration der Debatte auf die Antriebskräfte der . großen Politik'wird den eventuellen Ertrag entscheidend schmälern.

  10. Es soll an dieser Stelle nicht impliziert werden, daß eine . reine'Geschichtswissenschaft denkbar sei, noch daß diese durch sachliche Diskussion allein alle methodologischen und ideologischen Probleme überwinden könnte.

  11. Gossweiler, Der Übergang . . ., a. a. O. Vgl. dazu die aufschlußreiche Untersuchung von Dörte Doering, Deutsche Außenwirtschaftspolitik 1933 bis 35, Phil. Diss., WiSo. Fak., FU Berlin, 1970, hier S. 315 f.

  12. Kurt Gossweiler, Die Vereinigten Stahlwerke und die Großbanken, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1965, Teil IV.

  13. In Anm. 145, S. 28 seines Aufsatzes, zitiert Prof. Treue, ohne mich zu fragen, ein Gespräch zwischen uns, nach dem ich „es ablehnt[e], Czichon als einen wissenschaftlichen Historiker ernst zu nehmen'. Nach meiner Erinnerung ist diese Formulierung viel zu scharf: Genauigkeit ist nur eine Qualität unter mehreren, die man von einem Historiker erwartet. Aus zwei weiteren Gründen finde ich die Verfahrensweise von Prof. Treue an dieser Stelle völlig unvertretbar. Erstens bildet dieser Satz einen billigen ideologischen Schachzug, denn auch andere Kollegen haben Czichons Quellenarbeit bemängelt; meine angeblichen Bemerkungen sind nur darum für ihn von Interesse, weil ich „dem Sozialismus zumindest nahe" stehe (ebda.). Diese sozusagen ideologische Tatsache kann nur in einem juristischen, nicht aber in einem wissenschaftlichen Zusammenhang von Bedeutung sein. Zweitens wäre das Leben als Wissenschaftler völlig unerträglich, wenn Gespräche andauernd in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zitiert werden würden — selbst akkurat zitiert. Dieser doppelte Mißbrauch eines Gesprächs, um einen dritten Kollegen — ohne Vorkenntnis des Gesprächspartners — zu kritisieren, ist mir in der seriösen historischen Literatur noch nie begegnet. Dies reicht aber für Prof. Treue nicht aus. In der nächsten Etappe seiner Verfolgung von Herrn Czichon zitiert er — durch falsche Zeichensetzung sinnentstellend und wiederum ohne mid zu informieren — aus dem Brief, den ich ihm in Protest gegen seine Verfahrensweise in dieser Zeitschrift schrieb. Siehe „Ein Fall von Arisierung im Dritten Reich und heute", in: Tradition, Heft 5/6 1971, S. 289.

  14. Vgl. die Diskussionsbeiträge in: Das Argument, Nr. 47. Ich habe persönlich wenig Grund, Hern Czichon hier zu verteidigen, denn er wiederholt in: Der Bankier . . ., a. a. O., S. 67 ein sinnentstellend verkürztes Zitat von mir, das ich schon in der genannten Nummer des Argument richtiggestellt hatte. Vgl. ferner Henry Ashby Turner Jr., Big Business and the Rise of Hitler, in: Amer. Hist Rev., vol. LXXV, No. 1. Okt. 1969, S. 66, Anm. 45.

  15. Die Interpretation von Dr. Eichholtz in dieser Frage wird indirekt bestätigt durch die wiederholten Forderungen führender Industrieller im letzten Vierteljahr 1939, die Reichsregierung möge eine mit effektiven Vollmachten versehene Instanz schaffen, um die Kriegswirtschaft zu dirigieren; s. die Protokolle mehrerer Besprechungen mit General Thomas im Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg, WiIF 5, Bd. 412.

  16. Siehe dagegen Petzina, Autarkiepolitik . . ., a. a. O„ S. 123, 173.

  17. Die außenpolitischen Vorstellungen des deutschen Widerstandes, in: Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hrsg. von Walter Schmitthenner und Hans Buchheim, Köln/Berlin, 1966.

  18. Es sei an dieser Stelle festgehalten, daß Czichon und Eichholtz ihre Polemiken gegen nicht-kommunistische Kollegen entschieden sachlicher halten als Treue; vgl.: Argument, Nr. 47. Eichholtz'letzter Aufsatz enthält einige unbegründete und sinnlos scharfe Passagen, doch setzt er sich mit den Hauptthesen der von ihm besprochenen inhaltlich auseinander, zitiert sie ausführlich und kommt zu differenzierten Schlußfolgerungen. Vgl.: Alte und „neue" Konzeptionen. Bürgerliche Literatur zur Geschichte des Faschismus in Deutschland, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1971 Teil III.

  19. Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, Stuttgart 1971, S. 331.

  20. Dieses Versäumnis hat Prof. Treue nun z. 1 nachgeholt; s. Tradition, 1971 Nr. 5/6, S. 290— 294 Diese Nummer der Zeitschrift, für Oktober geplant (s. Beilage 33/71, S. 29), ist erst Mitte Dezember als Doppelheft erschiehen, was die Fertigstellung die ser Erwiderung auf seinen ersten Aufsatz ven zögert hat. Die Texte der beiden Beiträge von Prof Treue sind über weite Strecken im Wortlaut gleich

  21. Es sollte an dieser Stelle vermerkt werden, daß Czichons Arbeit auf einer sehr großen Sammlung gedruckter und ungedruckter Quellen beruht. Damit ist natürlich nichts über die Exaktheit seiner Arbeitsweise gesagt, doch sind auch seine anderen Studien durch hartnäckige und imaginative Forschung gekennzeichnet: so hat er z. B., wie auch der Verf. und unabhängig von ihm, vom beachtlichen Gedächtnis des Reichsministers a. D. Günther Gereke profitiert und seine Memoiren herausgegeben: Schwär königlich-preußischer Landrat, Berlin, 1970. In seiner Forschung ist Herr Czichon wohl intelligenter und emsiger als viele Kollegen in Ost und West. Daß er die westdeutschen Firmenarchive nicht ausgewertet hat, bildet zwar einen Mangel in seiner Abs-Biographie, doch muß gefragt werden, ob ihm dieses Material zur Verfügung gestellt worden wäre. Seine Fähigkeit, große Materialmengen auszusuchen und zusammenzutragen, ist schon Grund genug, um ihn als Historiker ernst zu nehmen.

  22. Es sei hier wiederum auf die Fülle vor allem des gedruckten Materials hingewiesen, auf das sich Herr Czichon stützt.

  23. Auch die Bemerkungen von Reinhard Kühnl in: bas Argument, Nr. 58, S. 268— 71, sind ganz unkritisch. Aufschlußreich die von Martin Walser in: Der Spiegel 1970 Nr. 35, S. 128; Nr. 38, S. 16, 214; Nr. 40, S. 23. angeregte Diskussion.

  24. Die Akte liegt nun in einer überarbeiteten deutschen Fassung vor: Bericht über die Ermittlungen in bezug auf die Deutsche Bank (OGMUS), Arbeitsmaterialien des IMS Frankfurt, Frankfurt a. M„ 1972.

  25. Vgl. Raul Hilberg, The Destruction of the European Jews, London 1961, S. 76— 81. Helmut Genschei, Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, Göttingen 1966, hat bemerkenswert wenig zu dem Thema zu sagen, was um so auffälliger ist, wenn man bedenkt, daß sein Doktorvater Prof. Treue ihm vielleicht Zugang zu den relevanten Firmenarchiven hätte verschaffen können. In jeder anderen Hinsicht ist Genscheis Buch zuverlässig und nützlich.

  26. Tradition, 1971, Heft 5/6, S. 297 f.

  27. Czichons Darstellung dieser Vorgänge ist — insbesondere was die Kriegsjahre anbetrifft — in der DDR-Ausgabe seines Buchs aus nicht erläuterten Gründen bedeutend ausführlicher: Kreuzritter ..., a. a. O., S. 59 f.

  28. Petscheks Brief wurde am 22. 7. 1970 in Bühlerhöhe, Erholungsheim der Deutschen Bank, verfaßt.

  29. Eine ähnliche Kritik und ausführliche Argumentation liefert der ausgezeichnete Beitrag von Eike Hennig, Industrie und Faschismus, in: NPL, 1970, Nr. IV.

  30. Siehe z. B. Dietrich Eichholtz, Die IG-Farben . Friedensplanung’, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1966, Teil III; vgl. auch Alan Milward, The New Order and the French Economy, Oxford 1970. Nicht zufällig — denn beide Parteien sind moralisch entrüstet — ist die Tatsache, daß Prof. Treues Entlastung von Herrn Abs sich z. T. ähnlicher Verfahrensweisen bedient: schriftlich festgehaltene Absichten werden zitiert, ohne daß aber die relevanten Vorgänge bis zum Schluß analysiert werden; s. Beilage 33/71, S. 25 f.

  31. Einleitung zu L. Trotzky, The Struggle against Fascism in Germany, 1971; seine Ungeduld gibt er offen zu. Marx war etwas penibler.

  32. Engels an Marx, 7. Okt. 1858, abgedruckt u. a. in: Karl Marx and Frederick Engels, On Britain, Moskau 1953, S. 491 f.

  33. Allgemein zu diesem Fragenkreis s.den brillanten Aufsatz von Eric Hobsbawm, L'apport de Karl Marx ä l'historiographie, in: Diogene, Nr. 64, Okt. —Dez. 1968.

  34. Leserbrief in: Amer. Hist. Rev., vol. 76 No. 5, Dezember 1971, S. 1630.

  35. Times Literary Supplement vom 12. Nov. 1971.

Weitere Inhalte

Timothy W. Mason, MA, Ph. D., geb. 2. 2. 1940; Fellow und Tutor in ModernHistory am St. Peter’s College, Oxford; 1965/66 Assistent am Institut für Politische Wissenschaft an der FU Berlin, 1972 Gastdozent im Fachbereich Geschichtswissenschaften der FU Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Aufsätze zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands in den Zwischenkriegsjahren. Eine kritische Aktenedition zur Lage der Arbeiterklasse und zur staatlichen Sozialpolitik 1936— 1940 steht unmittelbar vor der Drucklegung.