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Betreiben Arbeitgeberverbände „Werbung"? | APuZ 15/1973 | bpb.de

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APuZ 15/1973 Reich und Nation Anmerkungen zu zwei zentralen Kategorien deutscher Geschichte und Politik Betreiben Arbeitgeberverbände „Werbung"? Die Arbeitgeberverbände und die „Werbung"

Betreiben Arbeitgeberverbände „Werbung"?

Sabine Schürer-Wagner

/ 4 Minuten zu lesen

Anmerkungen zu Heidrun Abromeit: „Zur Identität von politischer und wirtschaftlicher Werbung", B 48/72 vom 25. 11. 1972

Immer noch wird den Arbeitgeberverbänden unterstellt, daß sie Werbung. Propaganda oder Manipulation für ihre Mitglieder — die Unternehmer — betreiben. Wer dies behauptet, sollte sich zunächst um definitorische Klarheit bemühen. Auf kurze Nenner gebracht, lassen sich diese Begriffe nach Inhalt und Bedeutung verhältnismäßig einfach bestimmen: Werbung ist die Summe aller Maßnahmen, die auf die unmittelbare Auslösung eines Kaufentschlusses oder auf die Inanspruchnahme von Dienstleistungen abzielen. Propaganda ist die Infiltration zweckbestimmter Auffassungen ohne Vorbehalte und ohne Rücksicht auf den objektiven Wahrheitsgehalt. Manipulation ist der methodische Versuch zur Beeinflussung von Haltungen und Über-zeugungen in konkreter Absicht (Täuschung, Anpassung etc.).

Nicht nur Arbeitgeberverbände, sondern schlechthin alle Verbände und Institutionen, die ihre Öffentlichkeitsarbeit an solchen Kriterien orientieren würden, müßten in ein Fiasko geraten. Informationen zur Meinungsbildung verkauft, infiltriert oder manipuliert man nicht, sondern stellt sie über die Medien der Öffentlichkeit mit klarem Absender kostenlos zur Verfügung. Andere Informationen mögen unter anderen Aspekten entgegengesetzte Aussagen enthalten, wie z. B. die sich zu den Meldungen der Arbeitgeber kontrovers verhaltenden Meldungen der Gewerkschaften. Das ist legitim und wird von beiden Seiten akzeptiert.

Was jedoch nicht akzeptabel ist, ds sind die Charakteristika, die Heidrun Abromeit in der oben erwähnten Untersuchung zur „Werbung der Sozialpartner" und hier speziell zur Praxis der Arbeitgeberverbände entwickelte. Die angewandte Polemik läßt eindeutig erkennen, daß die Verfasserin aus ihrem eigenen politischen Standort — der als arbeitgeberfeindlich bezeichnet werden muß — keinen Hehl macht. Und so betreibt sie mit spitzer Feder Antipropaganda gegen die Public-Relations-Bemühungen der deutschen Wirtschaft, wobei bei ihr — höchst unwissenschaftlich — ständig PR und Werbung durcheinandergeraten.

Welche Aufgaben die Werbung hat, ist eingangs bereits erläutert worden. Public Relati-ons hingegen sind das bewußte und legitime Bemühen um Verständnis sowie um Aufbau und Pflege von Vertrauen in der Öffentlichkeit. Wenn man das weiß, erscheint es auch völlig unnötig, sich — wie Heidrun Abromeit — über den „Werbestil" (richtig: über die PR) der Arbeitgeberverbände zu erregen. Sie kann es zum Beispiel nicht fassen, daß die Wirtschaft glaubt, in ihrer gegenwärtigen Verfassung optimal zu funktionieren. Die freie Marktwirtschaft ist in der Tat in den Augen der Arbeitgeber die entscheidende Voraussetzung für ihre wirtschaftlichen Erfolge. Sollen sie in der Öffentlichkeit etwa gegen ihre eigene Überzeugung argumentieren und damit diejenigen, die ihnen vertrauen, vor den Kopf stoßen? Oder: Nach Heidrun Abromeit gehört das von den Arbeitgebern reklamierte Verantwortungsbewußtsein, für stetiges Wachstum der Wirtschaft und Vollbeschäftigung zu sorgen, Löhne und Gehälter im vernünftigen Ausmaß zu erhöhen sowie für ein stabiles Preisniveau einzutreten, zur zweifelhaften (!) Werbung. Welche fortschrittlichen Unternehmer drängen nicht darauf, daß die Entwicklung — wie hier angedeutet — verläuft, selbst wenn sich ihrer Realisierung Probleme sozio-ökonomischer Natur entgegenstellen? Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, hierzu die Auffassungen und auch die Sorgen der Unternehmer zu erfahren.

Im kommunikativen Bemühen um ein geschärftes öffentliches Bewußtsein ist es auch legitim, daß die Wirtschaft auf Risiken hinweist, die dem — wie Heidrun Abromeit es zynisch formuliert — „Wohlergehen der Industrie und damit dem Wohlergehen aller -drohen" können, dann nämlich, wenn die Grenzen der betrieblichen Leistungsfähigkeit erreicht sind und wenn soziale Forderungen bzw. politische Entscheidungen die ökonomischen Erfolgsbedingungen oder die für eine freie Wirtschaft relevanten ordnungspolitischen Voraussetzungen gefährden.

Die hier sichtbar gewordene ideologische Voreingenommenheit der Verfasserin wiederholt sich in anderen Bemerkungen, die sie zur Interpretation von Arbeitgeber-Standpunkten heranzieht: „Der Schwarze Peter für Fehlentwicklungen läßt sich bequem den Gewerkschaften zuschieben", oder: „Die Verteilung des Sozialprodukts dürfe sich nicht zugunsten der Arbeitnehmer ändern", oder: „Im Zusammenhang mit der Mitbestimmung werden die Gewerkschaften geradezu als machtgieriger Moloch hingestellt, der nie zufrieden ist und schließlich auch die Freiheit jedes einzelnen auffrißt", oder: „Nahezu jede Forderung der Gewerkschaften erweist sich als Gefahr für die Allgemeinheit."

Ein bedenkliches Maß an sachlicher Unsicherheit verraten die Unterstellungen der Verfasserin zu Reflexionen und Informationen der Wirtschaft über ihre Weltmarkt-Position. Sie zeigt sich zum Beispiel irritiert von folgenden zwei Sätzen in einem Arbeitgeber-organ: „Unsere Mitbewerber in den USA, Japan, in Westeuropa und auch im Ostblock warten doch nur darauf, daß wir Schäden zeigen . . . Deshalb müssen wir jetzt besonders auf die Kosten aufpassen." Wer auch nur den Schimmer einer Ahnung von der Härte des Konkurrenzkampfes im Auslandsgeschäft hat.der weiß, wie begründet solche Überlegungen sind. Heidrun Abromeit aber verurteilt sie als eine unstatthafte Argumentation. Ihre Quintessenz: „Hier ist der nationalistische Appell auffällig — in der Darstellung der Auslands-konkurrenz als feindselige Meute, die danach trachtet, sich auf ein geschwächtes Deutschland stürzen zu können."

Die Frage, warum einer so tendenziellen Veröffentlichung Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist schnell beantwortet: Es gibt nur wenige aussagekräftige Analysen über PR-Akti•vitäten in Verbänden, von denen diejenigen, die die Öffentlichkeitsarbeit dort betreiben, etwas lernen könnten. Hochschulen und Universitäten finden hier noch ein weites Feld für Stil-und Methodenkritik. Die vorliegende Arbeit mag als Beispiel dafür dienen, wie in wissenschaftlicher Aufmachung an echten PR-Problemen vorbeigeredet werden kann, wenn sich die Wissenschaftlichkeit eines Autors von politischer Präformation korrumpieren läßt und kaum etwas anderes als Propaganda zur Veränderung der gesellschaftspolitischen Landschaft am Ende übrigbleibt. Nur wer der Wirtschaft, den Arbeitgeber-und Arbeitnehmer-Verbänden das Recht zugesteht, Öffentlichkeitsarbeit auszuüben, wer also nicht schon in seinem Denkansatz prohibitive oder negative Vorzeichen einbaut, kann den Verbänden brauchbare wissenschaftliche Kriterien zur Selbstkontrolle und Aufdeckung von Fehlleistungen liefern.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Sabine Schürer-Wagner, Pressereferentin bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Schwerpunkte: Betriebliche Publizistik, PR-Probleme, Ost-West-Analysen, Medienbeobachtung und Werkbüchereiwesen); Studium der Philosophie und Verlagsausbildung in einem Berliner Unternehmen sowie verschiedene journalistische Tätigkeiten, u. a. für den Rundfunk und in Betrieben; zahlreiche Veröffentlichungen von Untersuchungen über Entwicklungstendenzen und quantitative Veränderungen im Werkzeitschriften-Bereich sowie von Studien zur Struktur der Schülerund Jugend-Presse.