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Die Arbeitgeberverbände und die „Werbung" | APuZ 15/1973 | bpb.de

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APuZ 15/1973 Reich und Nation Anmerkungen zu zwei zentralen Kategorien deutscher Geschichte und Politik Betreiben Arbeitgeberverbände „Werbung"? Die Arbeitgeberverbände und die „Werbung"

Die Arbeitgeberverbände und die „Werbung"

Heidrun Abromeit

/ 4 Minuten zu lesen

Erwiderung zu Sabine Schürer-Wagner: . „Betreiben Arbeitgeberverbände »Werbung

Es gehört zu den Verfahrensweisen der Werbung, „Wirkungen durch die Kunst der Benennung zu erzielen" 1); in diesem Sinn ist die Erwiderung der Pressereferentin der BDA, Frau Schürer-Wagner, auf meinen Aufsatz über Verbandswerbung in der Bundesrepublik durchaus selbst als „Werbung" einzuordnen. Ausgangspunkt dieser Erwiderung nämlich ist die recht willkürliche definitorische Abgrenzung von Werbung, Propaganda, Manipulation und Public Relations, die mit dem — in „werbenden" Stellungnahmen seit je benutzten — Kunstgriff operiert, für ein und dieselbe Erscheinung zwei (oder mehrere) Begriffe zu finden, in denen fein säuberlich getrennt die negativen und die positiven Elemente dieser Erscheinung gesammelt werden können; der eine Begriff taugt dann zur Aufwertung der eigenen, der andere zur Abwertung gegnerischen Tuns.

Das eigene Tun ist in diesem Fall eben nicht „Werbung" — die im Aufsatz kritisiert worden war —, sondern „PR" als „das bewußte und legitime Bemühen um Verständnis ... in der Öffentlichkeit". Mittels dieses als wissenschaftlich deklarierten definitorischen Tricks ist die Kritik vom Tisch gewischt, und überdies wird noch als „höchst unwissenschaftlich" abqualifiziert, wer die bei allen einschlägigen Autoren (Oeckl, Hundhausen z. B.) durchweg hilflos wirkenden Abgrenzungsversuche zwischen Werbung und PR nicht so recht ernst zu nehmen vermag.

Während Frau Schürer-Wagner einerseits kaum Unterscheidbares säuberlich auseinanderzuhalten versucht, gerät ihr an anderen Stellen manches durcheinander: So wirft sie mir „ein bedenkliches Maß an sachlicher Unsicherheit" vor, da meine Kritik an Werbe-aussagen über die Auslandskonkurrenz offenbare, daß mir „auch nur der Schimmer einer Ahnung von der Härte des Konkurrenzkampfes im Auslandsgeschäft" fehle. Nun ist allerdings in der inkriminierten Passage nicht die Tatsache negiert, daß Unternehmer mit Auslandskonkurrenz zu kämpfen hätten, sondern die Art kritisiert, in der die Arbeitgeberwerbung mit dem Argument der Auslands-konkurrenz operiert. Hätte die Pressereferentin der BDA „auch nur den Schimmer einer Ahnung" von PR, müßte es ihr eigentlich leichtfallen, diese Unterscheidung zwischen Tatbeständen und werblichen Aussagen über Tatbestände nachzuvollziehen.

Werbliche Aussagen über Tatbestände zeichnen sich u. a. dadurch aus, daß Tatbestände verzerrt dargestellt oder umgedeutet werden. In dieser Weise verfährt Frau Schürer-Wagner selbst mit dem von ihr als „Antipropaganda" — dieser Begriff ist vielleicht das heimliche Eingeständnis eigener „Propaganda"? — gekennzeichneten Aufsatz. So behauptet sie z. B., die Autorin des Aufsatzes könne es „nicht fassen, daß die Wirtschaft glaubt, in ihrer gegenwärtigen Verfassung optimal zu funktionieren". Oh doch: ich kann sehr wohl fassen, daß „die Wirtschaft" dies glaubt; ich kann sogar fassen, daß sie diesen Glauben der Öffentlichkeit einzureden ver-sucht, doch nehme ich mir die Freiheit, die mit diesem Versuch verbundene harmonistisehe Interpretation gegenwärtiger Zustände zu kritisieren und darauf hinzuweisen, daß das optimale Funktionieren des gegenwärtigen Wirtschaftssystems im Sinne der Unternehmensinteressen durchaus nicht mit einem optimalen Funktionieren im Sinne anderer Interessen oder gar der Interessen aller identisch sein muß.

Dies als „ideologische Voreingenommenheit" abzuqualifizieren, verweist auf die klassische Werbestrategie, das, was Anlaß zur Kritik gibt, kurzerhand auf den Kritiker zu projizieren: nicht die Ideologie des Verbands ist ideologisch, sondern der, der sie kritisiert.

III.

Damit dürfte klar geworden sein, daß die Argumentation der Pressereferentin der BDA in erster Linie „werbenden" Charakter — oder vornehmer: den Charakter von „Public Rela-tions" — trägt. Dies liegt bei Pressereferenten von Verbänden nahe, ist „Öffentlichkeitsarbeit" doch ihre Pflicht — nur sollten sie dann nicht den Anspruch der „Wissenschaftlichkeit" für ihre Äußerungen erheben und schon gar nicht anderen, nicht an Verbands-ideologien gebundenen Autoren vorwerfen, deren Wissenschaftlichkeit lasse sich „von politischer Präformation korrumpieren".

Hinter diesem Anwurf verbirgt sich indessen ein nicht ganz unbekannter, höchst fragwürdiger Wissenschaftsbegriff, der als wissenschaftlich" nur gelten läßt, was den eigenen Interessen nützt. „Wissenschaftlich" arbeitet nach Ansicht der Pressereferentin der BDA im vorliegenden Fall, wer „echte PR-Probleme" löst, wer „den Verbänden brauchbare wissenschaftliche Kriterien zur Selbstkontrolle und Aufdeckung von Fehlleistungen liefert", wer ihnen also dazu verhilft, ihre Werbe-methoden und ihre Methoden der Interessen-durchsetzung zu verfeinern. Das heißt letztlich nichts anderes, als Wissenchaft lediglich als „im Auftrag" betriebene zu akzeptieren.

IV.

Abschließend sei noch die Frage erlaubt, was die BDA denn eigentlich veranlaßt, auf eine Publikation über Verbandswerbung mit einem derartigen Aufschrei zu reagieren. In dem Aufsatz ist die Werbung einer ganzen Reihe von Verbänden — übrigens auch die der Gewerkschaften — unter Zugrundelegung der gleichen Kriterien kritisiert. Die BDA aber hat anscheinend das Bedürfnis, nicht in eine Reihe mit anderen Verbänden eingeordnet zu werden. Schon die Überschrift der Entgegnung der Pressereferentin — die Frage ‘ „Betreiben Arbeitgeberverbände Werbung'?" — deutet darauf hin und verweist zugleich auf die PR-Strategie des „Nachweises der Interessenidentität" von Partial-und Allgemein-interessen Andere Verbände mögen nach Ansicht der BDA „Werbung" betreiben, nicht aber die Arbeitgeberverbände, die nach außen den Anspruch erheben, als einzige in ihrer „Öffentlichkeitsarbeit" nichts als die „wahren" Interessen der Allgemeinheit aufzudecken.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ruth Römer, Die Sprache der Anzeigenwerbung, Düsseldorf 1968, S. 12.

  2. Lt. Herbert Gross ist dies die Hauptaufgabe der PR (Moderne Meinungspflege, Düsseldorf 1951, S. 12). Entsprechende Formeln finden sich bei nahezu allen PR-Autoren (s. Edward L. Bernays, Carl Hundhausen, Albert Oeckl u. a.).

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Heidrun Abromeit, Dr. phil., Assistentin am Institut für Sozialwissenschaf-ten der Universität Mannheim, geboren 1943 in Zoppot, Studium der Politikwissenschaft in Marburg und Berlin. Veröffentlichungen: Das Politische in der Werbung. Wahlwerbung und Wirtschaftswerbung in der BRD, Opladen 1972.