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I Wirtschaftspolitische Ziele und gesellschaftliche Gruppen in der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 28/1973 | bpb.de

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APuZ 28/1973 Artikel 1 I Wirtschaftspolitische Ziele und gesellschaftliche Gruppen in der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland Nationalstaatsbewußtsein in der DDR

I Wirtschaftspolitische Ziele und gesellschaftliche Gruppen in der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland

Rainer Feuerstack /Bernhard Gahlen /Heinz-Dieter Hardes Gerd-Jan Krol /Wolfgang Stork

/ 45 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In diesem Artikel soll gezeigt werden, daß das gleichzeitige Erreichen der vier Ziele des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes hauptsächlich deshalb mißlingt, weil die Konstruktion des Gesetzes nicht hinreichend der tatsächlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur in der Bundesrepublik Deutschland Rechnung trägt. Durch ihre Autonomie auf den Gebieten der Tarif-, Preis-und Investitionspolitik haben insbesondere die Gewerkschaften und Untemnehmerverbände als organisierte autonome Gruppen die Macht, ihren Interessen zuwiderlautenden Maßnahmen, auch solchen des Staates, zu-begegnen. Die Formulierung und Operationalisierung gesamtwirtschaftlicher Ziele durch den Staat bedarf daher einer zumindest grundsätzlichen Übereinstimmung zwischen den Gruppen mit wirtschaftspolitischer Handlungsmacht. Bei den vier Zielen des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes war dies zwar prinzipiell der Fall, aber bereits bei der Operationalisierung treten unterschiedliche Vorstellungen hervor. Bei anderen Zielen, insbesondere der Verteilungsgerechtigkeit, besteht der Interessenkonflikt in aller Offenheit. Dieses Ziel bleibt daher aus dem volkswirtschaftlichen Zielkatalog ebenso ausgeklammert wie das der Bereitstellung öffentlicher Güter und das der Kontrolle wirtschaftlicher Machtstellungen. Die Ausklammerung dieser Ziele stellt infolge der bei der gegenwärtigen Wirtschaftsstruktur gegebenen Interdependenz auch die Verwirklichung jener Ziele in Frage, bei denen ein grundsätzlicher Konsens zwischen den Gruppen besteht. Die staatliche Wirtschaftspolitik versuchte, dieses Problem zunächst durch die Beschwörung einer alle Gruppen umfassenden Harmonievorstellung zu lösen: Durch eine gemeinsame Ausrichtung auf das Wachstumsziel sollten die Konflikte in bezug auf Verteilung der privaten und Bereitstellung öffentlicher Güter bereinigt werden. Nachdem diese Vorstellung von den autonomen Gruppen nicht geteilt wird, steht sie vor einem gewissen Dilemma. Die staatliche Wirtschaftspolitik kann bei der gegenwärtigen Struktur weder Gewerkschaften noch Unternehmerverbände hindern, divergierende Interessen in bezug auf Verteilung, öffentlichen Sektor und ökonomische Macht unter Umständen zu Lasten der gesetzlichen wirtschaftspolitischen Ziele zu verfolgen. Da eine freiwillige Einigung zwischen den autonomen Gruppen politisch nicht möglich erscheint, besteht bei Verfolgung der Ziele Verteilungsgerechtigkeit, Ausdehnung des öffentlichen Sektors und Kontrolle wirtschaftlicher Macht nur die Wahl, entweder die ständige Gefahr einer Verletzung der Ziele des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes in Kauf zu nehmen oder eine gesamtwirtschaftliche Einschränkung der ökonomischen Autonomiebereiche autonomer Gruppen und die Kontrolle wirtschaftlicher Machtstellungen zugunsten eines eigenständigen wirtschaftspolitischen Konzepts anzustreben. Hierbei rührt die staatliche Wirtschaftspolitik jedoch an die Grundfesten der bestehenden Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung, deren zeitgemäße Ausgestaltung im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung eine durchgreifende Neuorientierung unter Integration der sozialen Gruppen erfordert.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben zunehmend gezeigt, daß die staatliche Wirtschaftspolitik bei der gleichzeitigen Realisierung der vier Ziele des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft — Stabilität des Preisniveaus, Vollbeschäftigung, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum sowie außenwirtschaftliches Gleichgewicht — keinen Erfolg hatte. muliert werden können. Dies nicht nur wegen des Wahlmechanismus sowie anderer politischer Entnscheidungsmechanismen sondern vor allem auch deshalb, weil die autonomen Akteure, wenn ihre Interessen nachteilig betroffen sind, durch unerwünschte Reaktionen die Wirtschaftspolitik scheitern lassen können.

Land Preisanstieg Lohn anstieg Arbeitslosig-

keit Periode 1 Quelle Bundes-republik Niederlande England USA 0 0 — __ — 0 2— 3 __ 0 0 — 0— 1 0 4, 5 — — — — 0 6 3 2, 3 1947— 1966 3, 5 1958— 1966 5— 6 1923— 1964 2, 5 1861— 1913 5__ß 1861— 1913 1948— 1957 5, 6 1965 5__ 6 1945— 1960 3 1945— 1960 8— 10 1945— 1960 3— 4 1945— 1960 5, 6 1965 1 2 3 4 4 5 6 6 6 6 5

Als Begründung für diesen auffallenden Sachverhalt wird in der Regel eine falsche Wirtschaftspolitik in dem Sinne angeführt, daß ungeeignete Instrumente zum falschen Zeitpunkt in falscher Dosierung zum Einsatz gekommen sind. Die Bedeutung dieser Argumente soll nicht bestritten werden. Wir meinen jedoch, daß der Frage einer effizienten längerfristigen Stabilisierungsstrategie die Analyse und Problematisierung der wirtschaftspolitischen Ziele auf dem Hintergrund der gegebenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur der Bundesrepublik Deutschland vorangehen muß.

Abbildung 5

Angesichts der in der Realität zu beobachtenden Vielzahl von Entscheidungszentren — seien es mächtige Unternehmen oder autonome Interessengruppen, die jeweils ihre eigenen Ziele verfolgen — liegt die Vermutung nahe, daß die von der staatlichen Wirtschaftspolitik gesetzten Ziele nicht unabhängig von den Partikularinteressen forDie unzureichende Berücksichtigung dieses Aspektes ist u. E. eine wesentliche Ursache für die unbefriedigenden Ergebnisse der staatlichen Wirtschaftspolitik. Angesichts der gesellschaftlichen Struktur in der Bundesrepublik muß eine rationale Wirtschaftspolitik explizit Ziele und Interessen der relevanten Gruppen in Rechnung stellen. Diese sollen zunächst in Grundzügen dargestellt werden. Wenn wir uns dabei auf die Gruppe der Arbeitgeber und die der Arbeitnehmer sowie ihrer Organisationen beschränken, so kann dies vor allem durch das Kriterium anerkannter wirtschaftspolitischer Handlungsmacht gerechtfertigt werden.

I. Divergierende Ziele gesellschaftlicher Gruppen

Gebhard Schweigler Nationalstaatsbewußtsein in der DDR ........................................................ S. 23

Das zentrale Merkmal der Gruppenbildung ist die Existenz gleichgerichteter, gemeinsamer Interessen. „Es gibt keine Gruppe ohne ihr Interesse. Ein Interesse ... ist gleichbedeutend mit der Gruppe selbst."

Für die Ziele der Arbeitgeber-und Arbeitnehmerorganisationen bedeutet dies, daß die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder das wichtigste Verbandsmotiv und damit eine entscheidende Determinante der jeweiligen Zielbildung darstellen. Das gilt insbesondere auch für die Gewerkschaften, deren Entstehung und Aktivitäten sich aus der wirtschaftlichen und sozialen Unterlegenheit der Arbeitnehmer in einer Wirtschaftsordnung begründen, in der Wachstum und Stabilität der Wirtschaft entscheidend von den Dispositionen der privaten Investoren bestimmt werden. Aus den gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder lassen sich vor allem das Sicherheitsziel und das Einkommensziel ableiten. Das Sicherheitsziel umfaßt die „soziale Sicherheit" und die „Erhaltung der Arbeitsplätze", da wegen geringer Ersparnisse das Interesse an einer Sicherung des laufenden Einkommens im Falle von Invalidität, Krankheit oder Arbeitsplatzverlust vordringlich ist. Unter das Einkommensziel ist einmal die Forderung nach Lohn-und Gehaltserhöhung zu subsummieren, da die Arbeitnehmer wegen der Kontraktgebundenheit der Lohneinkommen von der unmittelbaren Teilhabe am wirtschaftlichen Wachstum ausgeschlossen sind, zum anderen die Forderung nach einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen aus dem Bewußtsein einer allgemeinen Schlechterstellung der Arbeitnehmer gegenüber den Unternehmern.

Aus der prinzipiellen Unterlegenheit der Arbeitnehmer und dem Charakter der Gewerkschaft als Massenorganisation mit freiwilliger Mitgliedschaft folgt — wenn auch mit der Einschränkung durch das Arbeitsplatzrisiko — die Dominanz eines Verteilungsziels, welches den Anteil der Einkommen aus unselbständiger Arbeit am Gesamteinkommen mittels aktiver Nominallohnpolitik erhöhen will. Die mittels der Tarifautonomie erstrittenen Lohnregelungen und Arbeitsbedingungen können den Arbeitnehmern als sichtbare und sie interessierende unmittelbare Erfolge der Gewerkschaften dargestellt werden. Tarifautonomie und aktive Nominallohnpolitik erweisen sich somit für eine Gewerkschaftsorganisation ohne Mitgliederzwang als Notwendigkeit. Dies gilt auch dann, wenn sich die Nominallohnpolitik nur als ein höchst unzureichendes Mittel im Hinblick auf das angestrebte Verteilungsziel darstellen sollte.

Während die Gewerkschaften unmittelbar nur auf die Aktionsgröße Nominallohn einwirken können, liegen in den Investitionen und den Preisen zwei für die Zielerreichung wichtige Hebel bei den Unternehmern. Wichtig deshalb, weil einmal die gesamten privaten Investitionen einen entscheidenden Einfluß auf die Beschäftigung ausüben, die Beschäftigungslage aber neben dem Organisationsgrad eine entscheidende Determinante gewerkschaftlicher Handlungsmacht bei der Forderung und Durchsetzung höherer Löhne ist. Zum zweiten, weil der Verteilungseffekt der Lohnerhöhungen durch entsprechende Preiserhöhungen neutralisiert werden kann. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird die Tarifautonomie auch von den Arbeitgeberverbänden als die für sie eleganteste Regelung des Verteilungskonfliktes verteidigt, womit — wenn auch aus unterschiedlichen Motiven — ein faktischer Konsens hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Tarifautonomie zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden besteht.

Der legitimierende Charakter der Nominallohnpolitik für die Gewerkschaften legt angesichts der genannten Beschränkungen die Vermutung nahe, daß ihre Politik darauf angelegt sein muß, die Abhängigkeit ihres Handlungserfolges vom Investitionsund Preisverhalten der Unternehmer zu vermindern. Diese Vermutung wird u. a. durch die bisherigen Vorschläge und Stellungnahmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Problem einer Änderung der Vermögensverteilung erhärtet:

Der DGB fordert die Anwendung eines über-betrieblichen Gewinnbeteiligungsmodells, bei dem die Gewerkschaften einen wesentlichen Einfluß auf die Verwaltung des Fonds haben, an den die den Arbeitnehmern zukommenden Gewinnanteile abgeführt werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, daß die den Arbeitnehmern zufallenden Anteile am Produktivvermögen nicht wieder an die bisherigen Eigentümer zurückfließen. Mit diesem in der Substanz kaum bestreitbaren Schutzargument lassen sich jedoch auch verbandspolitische Eigeninteressen verbinden, die das Ziel der Einkommenserhöhung via Vermögensbildung als zweitrangig erscheinen lassen könnten. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes stellt hierzu fest, es könne bei der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand nicht primär um die persönliche Bereicherung des Arbeitnehmers gehen; entscheidend sei vielmehr die Mitverwaltung in den Unternehmungen Uber die Verwaltung des Arbeitnehmerkapitals will der DGB die Arbeitnehmer als Miteigentümer vertreten und Einfluß auf die Unternehmungen, insbesondere jedoch auf die Investitionsentscheidungen nehmen die die strategische Position in markt-wirtschaftlichen Systemen ausmachen. Von hierher wird auch die enge Verknüpfung von Vermögenspolitik und Mitbestimmungspolitik -seitens der Gewerkschaften deutlich, die beide darauf angelegt sind, Einfluß auf eine den gewerkschaftlichen Handlungsspielraum unmittelbar berührende Größe, die Investitionen, zu gewinnen. Spätestens hier wird die politische Natur gewerkschaftlicher Interessen und Zielsetzungen deutlich.

Demgegenüber will die Arbeitgeberseite eine breitere Vermögensstreuung vor allem über einen Ausbau der Sparförderung erreichen und in diesem Rahmen den Tarifvertrag als ein entscheidendes Instrument nutzen. Neue Formen der Vermögensbildung im Arbeitnehmerverband begrüßt sie insoweit, als das Prinzip der Freiwilligkeit gewahrt bleibt und keine bedrohliche Einengung des betrieblichen Finanzierungsspielraumes eintritt Konkret schlägt sie die Anlageform des Arbeitnehmer-Darlehens an den Betrieb vor, welches später in eine Gesellschaftseinlage nach dem Modell einer „stillen Gesellschaft" umgewandelt werden kann, um die Arbeitnehmer so zusätzlich am Ertrag zu beteiligen Damit implizieren die Pläne der Arbeitgeber-seite: — eine Förderung des Kapitalmarktes, — eine Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb, — eine potentielle Einschränkung des Handlungsspielraumes der Gewerkschaften, soweit eine tarifpolitische Absicherung erfolgt, — nicht notwendigerweise eine Beteiligung am Produktivvermögen, — keine Einschränkung der Verfügungsmacht über Produktionsmittel, soweit in Form der stillen Gesellschaft eine Beteiligung am Ertrag vorgesehen ist.

Dies legt den Schluß nahe, daß die Arbeitgeber eine Vermögensbildung in Arbeitnehmer-hand befürworten und unterstützen, solange ihre eigene Position dadurch nicht beeinträchtigt wird. Genau das ist jedoch Ziel der Gewerkschaften. Dabei können sich in diesem Zusammenhang hinter dem Demokratisierungsargument der Gewerkschaften ebenso eigenverbandliche Zielsetzungen verbergen wie hinter dem postulierten unlösbaren Zusammenhang zwischen Eigentum und Freiheit auf der Arbeitgeberseite Diese leitet zwar einerseits die Verfügungsmacht aus dem Privateigentum ab, akzeptiert jedoch andererseits im Zusammenhang mit der Vermögensbildung nur solche Eigentumsformen, bei denen eine Verfügungsmacht über die Produktionsmittel nicht gegeben ist.

Dieses Beispiel deutet darauf hin, daß der aus den Interessen der benachteiligten Arbeitnehmerseite resultierende Forderungscharakter gewerkschaftlicher Zielsetzungen den Abwehrcharakter der auf der Arbeitgeberseite formulierten Interessen und Ziele bedingt. Wenn wir nach den gemeinsamen Interessen der Arbeitgeberseite als Grundlage der Ziele der entsprechenden Verbände fragen, so scheiden die internen Unternehmensverhält-nisse weitgehend aus, da diese ja im wesentlichen zur eigenen Disposition stehen. Infolgedessen beziehen sich die gemeinsamen Interessen vor allem auf die gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedingungen der einzelwirtschaftlichen Produktion.

Sind diese günstig, werden sie verteidigt, z. B.

— die „Erhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung" wenn diese die eigene Freiheit, verstanden als Verfügungsmacht über die Produktionsmittel, und den eigenen Vorteil sichert, — die „Abwehr gewerkschaftlicher Forderungen", insbesondere der Lohnforderungen, weil diese die Kosten erhöhen und zumindest in den wenig produktiven Branchen den Gewinn senken, — die " Ablehnung eines höheren staatlichen Anteils am Sozialprodukt", weil dies die strategische Stellung der privaten Investoren beeinträchtigt, — die „Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit"

.

Wenn sich dagegen die Bedingungen einzel-wirtschaftlicher Produktion allgemein oder für einzelne Branchen verschlechtern, stellt man Forderungen an den Staat, wie z. B. nach Steuererleichterungen und Investitionsförderung.

Daß die am gesellschaftlichen Status quo orientierten Zielsetzungen der Verbände auf der Arbeitgeberseite in Sachzwängen, wie beispielsweise der Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, eine unbestreitbare Untermauerung finden, ändert nichts an ihrem Abwehrcharakter. Auch steht dazu nicht in Widersprch, wenn — wie am Beispiel der Stellungnahmen zum Problem der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand gezeigt — aus allgemeinen gesellschaftspolitischen Gründen Zugeständnisse gemacht werden, die jedoch eher an der langfristigen Sicherung der eigenen Position als an der optimalen Lösung des Problems ausgerichtet zu sein scheinen

Wenn man bei diesen zwischen den Gruppen kontroversen Fragen feststellen muß, daß der Staat bei der Formulierung gesamtwirtschaftlicher Ziele über Minimallösungen nicht hinauskommt, so kann dies die These nur bestärken, daß der Einfluß der Gruppen auf die staatlichen Entscheidungsinstanzen ein grundlegendes politisches Problem ist.

II. Wirtschaftspolitische Ziele des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes als Konsens zwischen den organisierten Gruppen

Abbildung 2

Trotz aller Interessengegensätze zwischen den autonomen Gruppen scheint auf den ersten Blick ein Konsens bei den gesamtwirtschaftlichen Zielen des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes gegeben zu sein. Alle Gruppen bekennen sich in ihren Äußerungen zu den Zielen Stabilität des Preisniveaus, ho-her Beschäftigungsstand, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum und außen-wirtschaftliches Gleichgewicht.

Es ist jedoch zu vermuten, daß die divergierenden Gruppenziele die Qualität des offenbar erreichten Konsenses über die wirtschaftspolitischen Ziele einschränken. Bevor die einzelnen wirtschaftspolitischen Ziele deshalb im folgenden vom Standpunkt der Gruppen analysiert werden, zunächst einige zentrale Thesen:

— Die gesetzlich fixierten wirtschaftspolitischen Ziele sind Ausdruck eines nur begrenzten Konsenses zwischen den großen wirtschaftlichen Gruppen; diese Ziele widersprechen zumindest elementaren Interessen der Gruppen nicht. — Divergierende Gruppenziele werden beim offiziellen Zielkatalog zwar ausgeklammert, sie reduzieren den allgemeinen Konsens aber auf eine abstrakte Ebene; bei der Operationalisierung der Ziele und bei der Prioritätenskala zeigen sich Unterschiede. — Gesamtwirtschaftliche Ziele sind offenbar ein Politikum, weil sie sehr fest im Bewußtsein der öffentlichen Meinung verankert sind. Die Regierung hat daher an ihrer Formulierung ein starkes Interesse, so daß sich die Gruppen aus verbandspolitischen Gründen einem Konsens trotz ihrer Differenzen nicht verschließen können. 1. Gesetzliche Einzelziele Hoher Beschäftigungsstand Der Begriff eines hohen Beschäftigungsstandes wird hier gleichbedeutend mit dem üblichen Begriff der Vollbeschäftigung verwendet. Vollbeschäftigung bedeutet nach der amtlichen Definition, daß die Arbeitslosen-zahl einen bestimmten geringen Anteil an der Gesamtzahl der Abhängig-Beschäftigten nicht überschreitet Von den Gewerkschaften wird dieses Ziel offenbar favorisiert. Es steht an erster Stelle im wirtschaftspolitischen Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes: „Eines der Grundrechte des Menschen ist das Recht auf Arbeit. Es kann nur durch Vollbeschäftigung verwirklicht werden." Vollbeschäftigung wird hier als Voraussetzung für die relative Verwirklichung elementarer Freiheitsrechte der Arbeitnehmer angesehen, ebenso wie das Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes und das Recht des Arbeitsplatzwechsels sowie das Recht auf freie Berufswahl. Noch wichtiger erscheint den Gewerkschaften wegen der besitzmäßigen Unterlegenheit der Arbeiter der Sicherheitsaspekt der Vollbeschäftigung. Dauernde Vollbeschäftigung bedeutet für die Gesamtheit der Arbeitnehmer Sicherheit des Arbeitsplatzes und damit Einkommenssicherheit. Die Situation der Vollbeschäftigung begünstigt zudem wegen der relativen Knappheit der Arbeitskräfte die tarifpolitischen Interessen der Arbeitnehmer. Diese Arbeitsmarktlage stärkt die relative Macht der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen und ermöglicht damit die Durchsetzung von mehr Lohn bzw. Gehalt und kürzeren Arbeitszeiten.

Vollbeschäftigung entspricht andererseits auch den Interessen der Unternehmer, weil mit zunehmender Beschäftigung die Kapazitätsauslastung und die Nachfrage auf dem Gütermarkt steigt. Die Sicherung der Nachfrage auf dem Gütermarkt und die Auslastung der Produktionskapazitäten beeinflußt die Gewinne, insbesondere die Gewinnerwartungen, positiv und sorgt für ein günstiges Geschäftsklima.

Allerdings sind Divergenzen zwischen Unternehmern und Gewerkschaften hinsichtlich der Auffassung darüber. möglich, wann der Zustand der Vollbeschäftigung konkret erreicht ist. Was der einen Seite als Vollbeschäftigung erscheint, bezeichnet die andere oft bereits als Überbeschäftigung mit Produktivitätsverlusten und sinkender Arbeitsmoral. Die Divergenzen resultieren auch aus dem Interessengegensatz in der Lohnfrage, da eine aggressive Lohnpolitik der Gewerkschaften kostensteigernd und die Preiserhöhungsspielräume vor allem in der Investitionsgüterindustrie später aber auch in der Konsumgüter-branche zu sinken drohen.

Eine größere Zahl von Arbeitslosen wird aber auch von unternehmerischer Seite nicht akzeptiert, schon aus Gründen der Systemerhaltung. Auch für jede Regierung ist Vollbeschäftigungspolitik eine unabdingbare Notwendigkeit, denn Arbeitslosigkeit beeinflußt die Wahlen, stärkt die Opposition und fördert die politische Radikalisierung Seit Keynes ist der Staat zur Nachfrageexpansion verpflichtet, wenn die Marktnachfrage zur Sicherung der Vollbeschäftigung nicht ausreicht.

Angemessenes und stetiges Wachstum Aus dem Einkommensmotiv der Arbeitnehmer lassen sich zwei Ziele der Gewerkschaften ableiten: angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Wachstum durch Lohn-und Gehaltserhöhungen und das Ziel der Einkommens-und Vermögensumverteilung. Das Wachstumsziel liegt offenbar im Einkommens-interesse aller Gruppen: Wachstum erlaubt eine allgemeine Erhöhung der Einkommen. Demgegenüber kann das Umverteilungsziel begriffsnotwendig nur den Einkommensinteressen eines Teils der Gruppen entsprechen. Wachstum scheint damit das Mittel zur Über-windung der Konflikte um höhere Einkommen, das Mittel zur Harmonisierung der Einkommensinteressen der verschiedenen Gruppen zu sein. Die staatliche Wirtschaftspolitik bemühte sich im Rahmen der Konzertierten Aktion um diese Harmonie Die Gewerkschaften verweisen jedoch auf die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Vergangenheit und verlangen eine Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer. Sie verzichten dabei ausdrücklich auf eine radikale revolutionäre Lösung, sondern wollen eine allmähliche Umverteilung durch eine Änderung der relativen Einkommens-und Vermögenszuwächse. Damit hat das wirtschaftliche Wachstum auch entscheidende Bedeutung für das Verteilungsziel— Wachstum ist Voraussetzung, um eine allmähliche Umverteilung zu erreichen.

Weiterhin scheint Wachstum eine notwendige Bedingung für die langfristige Erhaltung der Vollbeschäftigung zu sein; der technische Fortschritt würde ohne Wachstum der Nachfrage bei gleichbleibender Arbeitszeit zu ständig steigender Arbeitslosigkeit führen. Ohne Wachstum wäre daher ein stärkerer Widerstand der Gewerkschaften gegenüber Strukturwandel und Rationalisierung zu erwarten.

Für das Verständnis der Beziehung zwischen unternehmerischen Interessen und dem Ziel des wirtschaftlichen Wachstums mag man sich zuerst kurz der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik erinnern. In den fünfziger Jahren war Wachstum kein explizit formuliertes Ziel der Wirtschaftspolitik, dennoch waren die Wachstumsraten des Sozialprodukts im internationalen Vergleich relativ hoch. Dieses hohe Wachstum galt als Produkt der marktwirtschaftlichen Ordnung und somit nicht zuletzt als ein Erfolg unternehmerischer Privatinitiative. So war es verständlich, daß ein staatlich verfolgtes Wachstumsziel zunächst auf Ablehnung und Skepsis der Unternehmer stieß und mit ordnungspolitischen Argumenten abgelehnt wurde Wachstumspolitik bedeutet nach herkömmlichem Verständnis Erhöhung und Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Angebots-potentials. Wenn nun der Staat numerisch fixierte Wachstumsziele verkündete, war zu befürchten, daß Staatsinvestitionen an die Stelle von privaten Investitionen traten, wenn die tatsächliche Wachstumsrate einmal unter dem projektierten Wachstumsziel blieb. Eine permanent betriebene, systematische staatliche Wachstumspolitik mußte daher auf die Dauer zu einer Einschränkung des privaten Sektors führen. Die Rolle der Privatinvestitionen und damit nicht zuletzt die eigene Position schien durch ein solches Ziel langfristig auf dem Spiele zu stehen.

Als die Mängel der öffentlichen Infrastruktur jedoch immer offensichtlicher wurden, das Verkehrssystem beispielsweise immer weniger den Anforderungen gerecht wurde, erkannte man den positiven Wert der Infrastruktur auch für einen privatgesteuerten Wirtschaftsprozeß. Infrastrukturinvestitionen wurden als notwendige Voraussetzung oder Ergänzung privater Investitionen erkannt, die die Investitionschancen der privaten Betriebe vergrößern und deren Kosten zu senken vermögen.

Die Einstellung zum Wachstumsziel und zur staatlichen Wachstumspolitik begann sich insbesondere auch dadurch zu wandeln, daß das wirtschaftliche Wachstum nach 1960 nachzulassen schien und im Jahre 1967 sogar ausblieb. Die jährliche Wachstumsrate des Sozialprodukts trat immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Damit aber wurde der Akzent auf den kurzfristigen Aspekt des Wachstums gelegt, und die privaten Investitionen erhielten Priorität, da sie — im Unterschied zu vielen öffentlichen Investitionen, die durch lange Ausreifungszeiten gekennzeichnet sind — einen kürzerfristigen Einkommens-und Kapazitätseffekt haben. Kurzfristig orientierte Wachstumspolitik dient damit — wie Vollbeschäftigungspolitik— der Vollauslastung der Kapazitäten und der Förderung der privaten Investitionen.

Ständiges Wachstum ist darüber hinaus eine notwendige Bedingung für die Erhaltung der unternehmerischen Freiheit. Denn Wachstum dient als Beweis für die Funktionsfähigkeit des Marktes und somit faktisch als Legitimation der unternehmerischen Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.

Stabilität des Preisniveaus Das Ziel der Preisstabilität wird allgemein dadurch definiert, daß die Kosten der Lebens-haltung eines durchschnittlichen Haushaltes eine bestimmte Steigerungsrate nicht überschreiten sollen. Von seifen der Regierung und von den Interessenvertretern wird die Bedeutung dieses Zieles immer wieder herausgestellt.

Die Gewerkschaften müssen im Interesse der Arbeitnehmer letztlieh an der Sicherung oder Steigerung des realen Lohnniveaus interessiert sein. Preissteigerungen führen zu einer Minderung oder zum Verlust des Realwertes der in Tarifverhandlungen errungenen Verbesserungen des nominalen Lohnniveaus. Die während der Dauer von Tariflohnverträgen auftretenden Preissteigerungen führen zu einer Veränderung der Verteilungsquote zugunsten der Unternehmer. Um von diesen Preissteigerungen nicht betroffen zu werden, versuchen die Gewerkschaften ihrerseits, die erwarteten Steigerungen der Güterpreise in ihren Tarifverhandlungen vorwegzunehmen, um die erwünschte Kaufkraftsteigerung tatsächlich zu erreichen.

Für die Arbeitgeber und ihre Organisationen bedeutet Preisstabilität dagegen in erster Linie ein Mittel zur Minderung der gewerkschaftlichen Lohnforderungen. In der Argumentation der Arbeitgeberverbände wird eine „Lohn-Produktivität-Preis" -Kette als sachliche Notwendigkeit oder „ökonomisches Gesetz” konstruiert, das einen kausalen Zusammenhang zwischen Löhnen, Produktivität und Preisen in der Weise enthält, daß eine „maßvolle Lohnpolitik" zur entscheidenden Stabilitätsbedingung wird

Für den Staat ist das Ziel der Preisstabilität bereits in der Rechtsordnung impliziert, in der das Nominalwertprinzip gilt, das Wertsicherungsklauseln verbietet sowie Abschreibungen auf den Wiederbeschaffungswert in der Steuerbilanz nicht zuläßt

Inflation wird außerdem von allen aus sozialen Gründen abgelehnt, weil jeweils die sozial Schwächeren am meisten darunter leiden, d. h. insbesondere die Sparer der niedrigen Einkommensschichten, die ihr Geld vorzugsweise auf Geldkonten anlegen. Die Inflation wird deshalb als Widerspruch zum Ziel einer breiteren Vermögensstreuung gesehen. Der besondere politische Stellenwert des Ziels der Preisstabilität bewirkt zudem, daß keine Regierung es sich leisten kann, nicht — Zumindest verbal —-für dieses Ziel einzutreten. Die breite Öffentlichkeit ist durch die Erfahrung zweier Hyperinflationen an einer Stabilität des Geldwertes stark interessiert. Daher steht die öffentliche Meinung allgemein allen Handlungen, die eine Inflation auslösen oder verstärken könnten, wie hohen gewerkschaftlichen Lohnforderungen, einer Politik des leichten Geldes und einer hohen staatlichen Verschuldung, mißtrauisch gegenüber. Wenn nun aber Preisstabilität in der öffentlichen Meinung und in der Grüppenaus-einandersetzung offenbar eine SO gewichtige Rolle spielt, scheint die empirische Beobachtung einer ständigen „schleichenden Inflation" in allen Ländern des organisierten Kapitalismus ein eklatanter Widerspruch. Entweder fehlt die Möglichkeit der wirksamen Inflationsbekämpfung oder das Interesse der wirtschaftlichen Akteure daran ist nicht so bedeutsam. Für beides lassen sich einige Argumente anführen: — Preisstabilitätsbemühungen haben eine Tendenz zum Fehlverhalten, weil häufig diejenigen, die sich der Stabilitätspolitik anderer entgegengesetzt verhalten, zumindest kurzfristig Vorteile daraus ziehen können (z. B.sektorale Differentialgewinne und Lohnvorsprünge — Eine anhaltende leichte Steigerung des Preisniveaus wird nicht als erheblicher Nachteil von den relevanten Gruppen angesehen, da bei ihren Entscheidungen bereits erwartete Preissteigerungen eingerechnet werden. Stärkere Preissteigerungen dagegen führen zu einer Verschärfung des Verteilungskampfes und letzterer zu einer weiteren Eskalation der Inflation, so daß die Gefährdung des Stabilitätsziels erst bei einem Kumulierungsprozeß gegeben zu sein scheint. — offenbar Da leichte Inflation keine großen Nachteile bringt, scheut jede Regierung einen harten Stabilitätskurs, da dieser eine Rezession und Arbeitslosigkeit bringen kann, deren Nachteile für die Betroffenen unmittelbarer und härter sind. * — Gruppen, die tatsächlich an Preisstabilität interessiert sind — etwa Verbraucherverbände —, fehlt die nötige Organisation und die Möglichkeit, sich entsprechend politisch zu artikulieren. — Die enge wirtschaftliche Verknüpfung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ausland bewirkt, daß die nationale Wirtschaftspolitik kaum auf eine strikte Einhaltung der Preisstabilität verpflichtet werden kann. Eine relative Preisstabilität im Inland gegenüber dem Ausland führt bei festen Wechselkursen zu Exportüberschüssen, d. h. zum außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht und auf diesem Wege zu einer tendenziellen Anpassung an die Inflationsraten im Ausland 2. Funktionsfähigkeit der Wirtschaft als Minimalkonsens zwischen den Gruppen Bei der Frage nach den jeweiligen Zusammenhängen der Interessen der beiden großen Gruppen mit den einzelnen wirtschaftspolitischen Zielen ist bisher ein wichtiger gemeinsamer Aspekt vernachlässigt worden: Alle sind Elemente eines „gesamtwirtschaftlichen Geichgewichts", in dessen Rahmen der Koordinationsmechanismus des Marktes funktionieren soll. So wird das Ziel der Preisstabilität nicht nur wegen seines Eigenwertes angestrebt, sondern weil die Inflation zu einer Verschärfung des Verteilungskampfes mit der Tendenz zur weiteren Beschleunigung der Inflation führt. Hierbei droht die Koordination des Marktes schließlich zusammenzubrechen, weil die Preise ihre Steuerungsfunktion verlieren. Die Tendenz stärkerer Preiserhöhungen muß daher, schon um die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft zu erhalten, verhindert werden. Das „Funktionieren" der Marktwirtschaft ist Voraussetzung für die Erhaltung des Systems.

Funktionsfähigkeit und Systemerhaltung entsprechen wahrscheinlich vor allem den grundlegenden Interessen derjenigen, die anderenfalls Rechte und Vorteile aufgeben müssen. Für die Unternehmer und deren Organisationen scheint dies ohne Zweifel zuzutreffen. Fraglich scheint, ob es auch für die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften gilt. Marxistische Theoretiker gehen von der Überzeugung aus, die Arbeiter würden im kapitalistischen System ausgebeutet, System-erhaltungund -Stabilisierung befänden sich also im Widerspruch zu den wahren Interessen der Arbeitnehmer. Aus dieser Sicht kritisiert Mandel die deutschen Gewerkschaften, weil sie eine systemstabilisierende Funktion übernommen hätten, z. B. durch ihre Teilnahme an der Konzertierten Aktion Für einen Nicht-Marxisten ist jedoch der behauptete grundlegende Widerspruch der Interessen nicht bewiesen, zumindest ist er aus der bisherigen Erfahrung in der Bundesrepublik Deutschland nicht offenkundig. Es scheint vielmehr, daß — solange das Sicherheitsmotiv bei den Arbeitnehmern eine bedeutende Rolle spielt— das Vollbeschäftigungsziel und die Sicherheit der Arbeitsplätze für die Mehrheit der Erwerbstätigen und ihrer Familien die größte und unmittelbarste Bedeutung haben. Daraus folgt, daß auch die Arbeitnehmer offenbar ein wesentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit und Stabilität der Wirtschaft haben werden. Der grundsätzliche Konsens dürfte allerdings weniger den Charakter eines dauernden festen Solidaritätsbündnisses haben, sondern von einem latenten Konflikt überlagert sein: einem Konflikt, der aus der Ungleichheit der Chancen, von Einkommen und Vermögen in der Marktwirtschaft resultiert. Dieser Konflikt läßt erwarten, daß bei den Arbeitnehmern im Falle einer größeren Krise kein Engagement für die Marktwirtschaft zu erwarten ist, daß die Marktwirtschaft also auf Stabilität und Erfolg angewiesen ist. 3. Mittelfristige Zielprojektionen der Gruppen Die vorhergehenden Überlegungen waren zum Teil spekulativer Art. Sie lassen sich aber empirisch abstützen, z. B. durch die Ziel-projektionen, die im Rahmen der Konzertierten Aktion von den Beteiligten vorgelegt wurden.

Ein Vergleich dieser Zielprojektionen ergibt „hinreichend Aufschluß sowohl über die Gemeinsamkeit als auch über die Interessengegensätze bei den Zielvorstellungen und bei den zu ihrer Verwirklichung entwickelten wirtschaftsund verteilungspolitischen Stra-tegien“ Im folgenden werden deshalb einige strategische Werte der mittelfristigen Zielprojektionen bis 1975 verglichen

Die Gegenüberstellung bestätigt die vorhergehenden Überlegungen: Bei den mittelfristig anzustrebenden Eckwerten der wirtschaftspolitischen Ziele scheint trotz geringer Differenzen in der Zielhierarchie ein grundsätzlicher Konsens gegeben zu sein. Hinter diesem Konsens stecken jedoch erhebliche verteilungspolitische Differenzen, die sich deutlich an den unterschiedlichen verteilungspolitischen Eckwerten zeigen. Das Ziel einer Verbesserung der Einkommens-und Vermögensverteilung „ist die Grundlage . . . (der, Erg. d. Verf.) gewerkschaftlichen Ziel-projektionen, die wir aus den ersten Lehrjahren der neuen Wirtschaftspolitik entwickelten. Sie muß zeigen, welche Verteilungsänderungen zugunsten der Arbeitnehmer mit Preisstabilität, Vollbeschäftigung und optimalen Wachstumsraten der Produktion vereinbar sind." Nach der unternehmerischen Projektion soll dagegen die globale Verteilungsquote auf den Stand der Jahre 1965/66 zurückgebracht werden.

Die verteilungspolitischen Differenzen schlagen sich aber nicht nur in den Verteilungsquoten nieder; sie haben Auswirkungen auf die gesamte wirtschaftspolitische Konzeption. Dies zeigt sich deutlich auch auf der Verwendungsseite der Projektionen. Nach den DGB-Vorstellungen sollen die Bruttoinvestitionen langsamer zunehmen als das Sozialprodukt. Dabei wird zusätzlich angenommen, daß der Anteil der privaten Investitionen zugunsten der öffentlichen (Infrastruktur-) Investitionen merklich eingeschränkt wird. Die Unternehmerverbände halten dagegen für die Zukunft die privaten Investitionen für die entscheidende Wachstumsdeterminante.

Das verteilungspolitische Ziel steht darüber hinaus auch hinter allen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stabilisierungspolitik. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat beispielsweise einen Katalog von Maßnahmen vorgelegt, der zur Sicherung von Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum insbesonder-re die Gewährleistung einer ausreichenden Massenkaufkraft und zur Stabilisierung des Preisniveaus vor allem Maßnahmen zur Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen enthält. Dieser Katalog zeigt deutlich, wie wenig der alleinige Konsens über die wirtschaftspolitischen Ziele des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes nützt. Die konkreten stabilisierungspolitischen Maßnahmen sind wiederum umstritten, sie sind nicht zuletzt abhängig von den verteilungspolitischen Absichten der Gruppen. 4. Gesamtwirtschaftliche Zielkonflikte zwischen den Einzelzielen: Der Zielkonflikt zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität Der im Stabilitätsund Wachstumsgesetz niedergelegte gesamtwirtschaftliche Zielkatalog der staatlichen Wirtschaftspolitik kann als Resultat eines allgemeinen Konsenses der wirtschaftsund gesellschaftspolitischen Interessengruppen angesehen werden. Dieser Konsens ist jedoch insofern unvollständig, als er sich lediglich auf einen Katalog von Einzelzielen bezieht, ohne die möglichen Beziehungen zwischen den gesamtwirtschaftlichen Zielen zu berücksichtigen. Zwischen diesen Zielen scheinen zum Teil Konkurrenz-beziehungen zu bestehen, die ihrer gleichzeitigen Verwirklichung entgegenstehen und zu einem permanenten Stabilitätsproblem führen Wegen dieser Zusammenhänge kann von einem „magischen Vieleck" gesprochen werden. Gemessen an den prognostizierten Eckwerten der mittelfristigen Wirtschafts-und Finanzplanung wurden die einzelnen Ziele nur tendenziell und für einen kurzen Zeitraum verwirklicht. Eine gleichzeitige und anhaltende Realisierung aller Ziele konnte nicht erreicht werden. Dem wirtschaftspolitischen Konsens hätte daher eine klare Prioritätensetzung folgen müssen; er klammert aber statt dessen die wirtschaftsund gesellschaftspolitischen Interessengegensätze aus und überläßt die faktische über-und Unterordnung der Ziele dem aktuellen politischen Kräftespiel.

Konflikte zwischen gesamtwirtschaftlichen Zielen können daher als Ausdruck eines un-ausgetragenen Konflikts zwischen den gesellschaftlichen Interessengruppen angesehen werden. Diese Konflikte sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Mit besonderer Deutlichkeit konnte in der Rezessionsperiode von 1966/67 ein Zielkonflikt zwischen der Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte und der Stabilität des Preisniveaus beobachtet werden. Während eine Preisniveaustabilität annähernd erreicht wurde, herrschte eine für die Bundesrepublik Deutschland unverhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit. Der genannte Zielkonflikt soll daher in diesem Zusammenhang exemplarisch herausgegriffen werden.

Ausgangspunkt einer empirischen Erfassung des Zusammenhangs sind die Arbeiten von Phillips und Lipsey und deren Erweiterung durch Samuelson und Solow Eine empirische Unverträglichkeit des Preisstabilitäts-und Vollbeschäftigungsziels wurde bereits in den dreißiger Jahren erkannt, jedoch erst in der Nachkriegszeit durch plausible ökonomische Erklärungen theoretisch gestützt. Seitdem sind die empirischen Zusammenhänge durch einen großen statistischen Aufwand für viele Volkswirtschaften einschließlich der wichtigsten Industrieländer quantitativ erfaßt und in weitgehender Übereinstimmung statistisch signifikante Resultate ermittelt worden

Wird der Grad der Arbeitslosigkeit und — zunächst — der relative Anstieg des Lohnniveaus eines Jahres in einem Streudiagramm erfaßt, so liefert deren zugeordnete Funktion eine sog. Phillips-Kurve (Abb. 1).

Der Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Lohnniveaus steht mit der allgemeinen Preisentwicklung in enger Beziehung. Allerdings muß zweifelhaft erscheinen, welche Größe jeweils als Ursache und welche Größe als Folge der Entwicklung der anderen zu betrachten ist. Die Diskussion um die Lohn-Preis-Spirale hat jedoch gezeigt, daß — je nach der wirtschaftspolitischen Ausgangslage — Lohnerhöhungen sowohl Ausdruck eines Nachholbedarfs sein können, um einen realen Kaufkraftverlust infolge von Preiserhöhungen auszugleichen, als auch ihrerseits den Anlaß von Preiserhöhungen liefern können, um die bestehenden unternehmerischen Gewinnspannen zu verteidigen.

Geht man nun zusätzlich von einer engen Beziehung zwischen Lohn-und Preissteigerungen aus, so folgt auch die Abhängigkeit des allgemeinen Preisniveaus von der Beschäftigungslage in Gestalt einer modifizierten Phillips-Kurve (Abb. 2).

Nach den langfristigen Berechnungen ist zwischen dem Beschäftigungsund Inflationsgrad der Preise und Nominallöhne über einen Zeitraum von nahezu 100 Jahren ein relativ enger und stabiler Zusammenhang zu beobachten.

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die für die Erhaltung einer allgemeinen Lohn-und Preisstabilität anscheinend notwendige Mindestarbeitslosigkeit bzw.der aus einer Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte resultierende Lohn-und Preisanstieg Größenordnungsmäßig ergeben sich in einem langfristigen internationalen Vergleich folgende Werte:

Das allgemeine Preisniveau könnte stabilisiert werden bei einer Erhöhung des Nominallohnsatzes (im Rahmen des Produktivitätsfortschritts) um 2 Prozent und einer Arbeitslosigkeit von ca. 2, 5 Prozent; bei einer Stabi -lisierung des allgemeinen Lohnniveaus würde eine Arbeitslosigkeit von ca. 5, 5 Prozent resultieren. Für verschiedene Länder liegen statistische Untersuchungen vor, die historische Angaben darüber enthalten, in welchem Umfange die jeweilige Preis-und Lohnentwicklung mit einer Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte einherging. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Maß an Arbeitslosigkeit, das mit einem absoluten Stillstand der Lohn-und Preisentwicklung verbunden war.

Eine internationale Übersicht hierzu enthält die nebenstehende Tabelle 1.

Die Möglichkeit, Phillips-Kurven zu berechnen, könnte den Eindruck erwecken, als stünde die Wirtschaftspolitik vor dem Wahlproblem, sich zwischen dem Maß an Inflation oder Arbeitslosigkeit zu entscheiden. Wäre dies möglich, könnte die Berechnung von Phillips-Kurven sogar dazu benutzt werden, den anscheinend in der Wirklichkeit bestehenden ZielTabelle 1 Die Beziehungen zwischen der Preis-und Lohnentwicklung und dem Grad der Arbeitslosigkeit nach der Berechnung von Phillips-Relationen Relative jährliche Werte in Prozent für ausgewählte Länder 1) H. Enke, Beschäftigungsgrad, Preisentwicklung und Lohnentwicklung in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland, in: Theoretische und empirische Beiträge zur Wirtschaftsforschung, Tübingen 1967, S. 183 f.

H. Enke, H. Maneval, Die Einflüsse des Beschäftigungsgrades und der Preisentwicklung auf die Lohnentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 180 (1967), S. 485 f.

W. G. Hoffmann, Die Phillips-Kurve in Deutschland, in: Kyklos, Bd. 22 (1969), S. 219 f.

2) H. Maneval, Preis für Stabilität und Vollbeschäftigung, in: Der Volkswirt, Jg. 23, Nr. 13, S. 44 ff. vom 28. März 1972.

3) W. Siddre, Mankracht, een verwaarloosde fac-tor? Economischstatistische Berichten, Vol. 53 (1967), S. 589 f.

4) A. W. Phillips, The Relation between Unemployment and the Rate of Change of Money Wage Rates in the United Kingdom 1862— 1957, in: Economica, Vol. 25 (1958), S. 299.

5) G. Perry, The Determinants of the Wage Rate Changes and the Inflation-Unemployment Trade-Off for the United States, in: Review of Economic Studies, Vol. 1964, S. 291.

6) P. A. Samuelson, R. M. Solow, Analytical As-pects of the Anti-Inflation Policy, in: American Economic Review, Vol. 50 (1960), S. 187, 192. konflikt quantitativ zu formulieren und rational zu lösen

In der Tat besteht eine eigenständige, auf die Möglichkeit einer Berechnung von Phillips-Kurven gestützte Theorie, die versucht, die Inflationsrate des Preisniveaus durch von der Arbeitsmarktlage begünstigte Lohnforderungen zu erklären. Anhänger dieser Theorie gehen in der Praxis sogar so weit, zur Stabilisierung des Preisniveaus den Abbau einer angeblichen Überbeschäftigung der Arbeitskräfte durch eine kurzfristige konjunktuelle Reini-. gungskrise zu fordern

Wirtschaftspolitische Relevanz und theoretische Analyse Die direkte Verwendung empirisch ermittelter Phillips-Kurven erscheint im wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozeß jedoch nicht zulässig. Hierfür sind mehrere Gründe maßgeblich. Entscheidend ist, daß ein echter empirischer Ziel-konflikt zwischen Preisstabilität und Vollbeschäftigung in Gestalt einer Phillips-Kurve nur dann vorausgesetzt werden darf, wenn die Preisentwicklung tatsächlich eindeutig allein von der Lohnentwicklung bestimmt wird. Von einem ökonomischen „Gesetz" dieser Art kann jedoch keine Rede sein.

Die Wirtschaftswissenschaft hat sich sehr nachdrücklich darum bemüht, die Bestimmungsgründe inflationärer Entwicklungen aufzuklären und in diesem Zusammenhang auch die Existenz und Begründung von sog. Lohn-Preis-Spiralen geprüft.

Die Untersuchungen haben ergeben, daß die Ursachen anhaltender Preissteigerungsprozesse keineswegs immer eindeutig sind. Selbst in einer vollkommenen Wettbewerbswirtschaft können preistreibende Ursachen sowohl in allgemeinen Kostensteigerungen wie in Nachfrageüberhängen begründet liegen In der Realität kann aber nicht einmal von der Existenz einer vollkommenen Wettbewerbswirtschaft ausgegangen werden. Insbesondere auf den Arbeitsmärkten stehen sich die Arbeitnehmer-und Arbeitgeberverbände wie ein zweiseitiges Monopol gegenüber. Unter diesen Voraussetzungen könnte die Phillips-Kurve nichts anderes als eine graphische Wiedergabe der zwischen den Tarifpartnern erzielten Verhandlungsergebnisse in Abhängigkeit von ihrer Verhandlungsmacht in unterschiedlichen Beschäftigungslagen sein

Diese Überlegungen zur Erklärung der Phillips-Kurve sind zwar erheblich wirklichkeitsnäher, sie berücksichtigen jedoch nur ungenügend, von welchen Umständen die Verhandlungsstärke der Tarifpartner ihrerseits abhängt, um der Phillips-Kurve ihre charakteristische Gestalt zu geben. Für die Seite der Arbeitnehmer gilt, daß ihre auf ein System kollektiver Tarifverhandlungen gestützte Verhandlungsmacht das gesamtwirtschaftliche Lohnniveau entscheidend mitbestimmt und dessen Steigerung auch bei relativer Arbeitslosigkeit noch möglich ist. Für die Seite der Arbeitgeber ist jedoch nicht nur ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt entscheidend, sondern ebenso auf den Absatzmärkten für ihre Produkte. Ein hoher Stand der Unternehmenskonzentration erlaubt nämlich auch in einer leichten Rezession Preissteigerungen durchzusetzen, um unvorhergesehene Kostensteigerungen zu überwälzen und die geplanten Gewinnspannen unter allen Umständen zu verteidigen

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Tarifpartner unter den gegebenen strukturellen Bedingungen auf den Arbeits-und Absatzmärkten autonome Entscheidungsbereiche besitzen. Diese werden auch bei einer restriktiven staatlichen Wirtschaftspolitik zur konjunkturellen Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung nicht vollständig eingeschränkt. Eine konsequente Ausrichtung der staatlichen Wirtschaftspolitik auf eine gleichzeitige Erfüllung des Preisstabilitäts-und Vollbeschäftigungsziels ist daher gegenwärtig solange nicht möglich, als die Tarifpartner gehalten sind, ihre Tarifautonomie in den Dienst verteilungspolitisch motivierter Einkommensansprüche zu stellen — es sei denn, man setzt die Festschreibung der gegebenen Einkommensverteilung voraus

Ein Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Vollbeschäftigung ist Ausdruck eines Verteilungskampfes in einer unzureichend verwirklichten marktwirtschaftlichen Ordnung. Er ist daher unter den auf den Arbeitsund Gütermärkten gegebenen wettbewerbspolitischen Bedingungen ohne die Entwicklung eines eigenständigen Konzeptes der Einkommens-verteilung nicht zu lösen.

III. Im Stabilitätsund Wachstumsgesetz ausgeklammerte Ziele als Grenzen des Konsenses zwischen, den Gruppen

Abb. 1 + Abb. 2

1. Gerechte Einkommensverteilung Von der Durchsetzung einer gerechteren Einkommensverteilung ist im Zielkatalog nicht die Rede. Das überrascht nicht, wenn auf die Tarifparteien und deren Ziele abgestellt wird. Bislang wurde gezeigt, daß die Gruppen dem offiziellen Zielkatalog, falls die Ziele allgemein formuliert bleiben, zustimmen. Weiterhin wurde dargelegt, daß die Übereinstimmung bereits dann fraglich wird, wenn die Ziele konkretisiert und die Zielbeziehungen analysiert werden. Stellt man nun auf die Forderung nach einer gerechteren Einkommensverteilung ab, so wird der Konflikt zwischen den Tarifparteien direkt angesprochen. Hier kann die eine Seite nur auf Kosten der anderen Seite gewinnen.

Wird das Volkseinkommen auf die Einkommen aus unselbständiger Arbeit und diejenigen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen aufgeteilt, und bezeichnet man den Anteil des Einkommens aus unselbständiger Arbeit am Volkseinkommen als Lohnquote und den Anteil des Einkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen als Profitquote, so wird deutlich, daß sich beide Quoten zu eins ergänzen. Streben demnach die Gewerkschaften eine Erhöhung der Lohnquote an, so bedeutet das eine Senkung der Gewinnquote.

Dem wird die Arbeitgeberseite nicht zustimmen. Bei der Forderung nach einer gerechteren Einkommensverteilung tritt also der Gruppenkonflikt in aller Deutlichkeit in Erscheinung.

Dabei zeigt es sich, daß durch die Handlungen der Tarifparteien häufig die Erreichung der gesamtwirtschaftlichen Ziele verhindert wird. Da die Gewerkschaften die relative Verteilungsposition der Arbeitnehmer verbessern wollen, setzen sie häufig Lohnerhöhungen durch, die allgemein als stabilitätswidrig angesehen werden. In diesem Fall kann eine autonome Gruppe die Verwirklichung des offiziellen Zielkatalogs gefährden. So fordert man dann auch um der Preisniveau-Stabilität willen eine zurückhaltende Lohnpolitik der Gewerkschaften.

Besonders in der Spätphase des Booms sollen die Löhne nicht zu stark steigen. Geschieht dies dennoch, wie z. B. im Jahre 1970, in dem die Bruttolohnund Gehaltssumme der Arbeitnehmer um 15 °/o stieg, so kommt es zu einem starken Anstieg der Lohnkosten pro Produkteinheit. Dieser Kostendruck gefährdet, wie häufig argumentiert wird, die Preis-niveau-Stabilität. Darüber hinaus sind aber auch die Ziele Wachstum und Vollbeschäftigung tangiert. Durch die Erhöhung der Kosten sind die Gewinne der Unternehmer bedroht. Diese sind aber nach gängiger Auffassung Voraussetzung für die privaten Investitionen. Gehen diese zurück, so sind Vollbeschäftigung und Wachstum nicht mehr sichergestellt. Folglich gefährde der Verteilungskampf zwischen den autonomen Gruppen die Erreichung des offiziellen Zielkataloges. Die Handlungen der Tarifparteien durchkreuzen die staatliche Wirtschaftspolitik. a) Lohnleitlinien statt Verteilungspolitik Genau diese Verhaltensweise der Tarifparteien soll durch die Einkommenspolitik verhindert werden. Dabei soll der Verteilungskonflikt im Interesse der Erreichung der vier Ziele unterdrückt werden. Einkommenspolitik ist dabei keineswegs Verteilungspolitik. Es geht nicht darum, die Einkommensverteilung gleichmäßiger zu gestalten. Vielmehr soll die Entwicklung der Einkommen so gesteuert werden, daß die offiziellen Ziele erreicht werden. Zu diesen Zielen gehört aber gerade nicht die Forderung nach einer gerechteren Einkommensverteilung. Insofern bleibt gerade bei der Einkommenspolitik das Verteilungsziel auf der Strecke.

Außerdem ist die Einkommenspolitik einseitig. Zu den Einkommen gehören Löhne und Gewinne. Demnach wäre es naheliegend, unter Einkommenspolitik Lohn-und Gewinn-politik zu verstehen. Das ist jedoch nicht der Fall: Gemeint ist nur die Lohnpolitik.

Die Gewinne glaubt man nicht steuern zu müssen, da sie Resultat des Marktprozesses seien. Ferner hängen sie in erster Linie von den Preisen ab. Demnach wäre Gewinnpolitik Preispolitik. Diese gilt aber als unvereinbar mit der gegenwärtigen Ausgestaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung. So wird auf Gewinnpolitik verzichtet und lediglich zur Regulierung der Preise eine schärfere Wettbewerbspolitik empfohlen. Diese kann aber nur als indirekte Gewinnpolitik bezeichnet werden.

Demgegenüber ist es das Ziel der Lohnpolitik, direkt über eine Steuerung der tariflich vereinbarten Lohnsätze einen Beitrag zur Erreichung des offiziellen Zielkataloges zu leisten. Zu diesem Zweck werden Lohnleitlinien entwickelt.

Hierbei wird davon ausgegangen, daß nur eine ganz bestimmte Entwicklung des Durchschnittslohnsatzes stabilitätspolitisch unbedenklich ist. Eine solche Lohnleitlinie liefert die produktivitätsorientierte Lohnpolitik. Ausgangspunkt ist die Definition der Lohn-quote:

Einkommen aus unselbständiger Arbeit Lohnquote = ------------------------------------------------Volkseinkommen Nun besteht das Einkommen aus unselbständiger Arbeit aus dem Produkt von Arbeit und Preis der Arbeit (= Lohnsatz). Weiterhin kann das Volkseinkommen steigen, wenn real mehr produziert wird und wenn Preissteigerungen stattfinden. Folglich ist das Volkseinkommen das Produkt von realem Volkseinkommen und Preisniveau. Demnach erhält man aus der Gleichung die Beziehung:

Wird jetzt davon ausgegangen, daß die Lohn-quote konstant ist, so kann der Lohnsatz um denselben Prozentsatz erhöht werden, wie die Arbeitsproduktivität wächst, damit das Preis-niveau konstant bleibt. Unter dieser Voraussetzung ist nur die Lohnleitlinie stabilitätspolitisch unbedenklich, die die Entwicklung des Lohnniveaus an die Entwicklung der Arbeitsproduktivität koppelt.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat die an der Produktivität orientierte Lohnleitlinie geringfügig modifiziert. Er entwickelte die kostenniveau-neutraie Lohnpolitik. Dabei soll im Interesse der Stabilisierung des Preisniveaus das volkswirtschaftliche Kostenniveau stabilisiert werden. In diesem Zusammenhang genügt es, darauf hinzuweisen, daß die Fixierung der Stückkosten letztlich auch auf die produktivitätsorientierte Lohnpolitik hinausläuft. Wichtiger aber als die Behandlung von Spezialeffekten der Lohnleitlinien ist in diesem Beitrag ein Eingehen auf die grundsätzliche Problematik. b) Harmoniemodell und autonome Gruppen Es ist ziemlich gleichgültig, wie die Lohnleitlinie modifiziert wird: Das Grundproblem wird dadurch nicht berührt. Ständig geht es darum, angeblich funktionslose Verteilungskämpfe zugunsten der Erreichung des offiziellen Zielkataloges auszuschalten. Warum sollten die autonomen Tarifparteien aber darauf eingehen? — Die hier angesprochene Problematik kann leicht an der produktivitätsorientierten Lohnpolitik verdeutlicht werden. Bei dieser Lohnleitlinie wird von einer konstanten Lohnquote, demnach von einem Status quo der Verteilung ausgegangen. Warum sollte dieser Status quo durch die autonomen Gruppen akzeptiert werden?

Dieser Zusammenhang wird häufig verschleiert, indem auf eine rationale „wirtschaftspolitische Konzeption" verwiesen wird, die es zuläßt „.. ., daß in einem marktwirtschaftlichen System auf mittlere und längere Sicht viele Interessengegensätze verschwinden, die kurzfristig unüberbrückbar erscheinen und erhebliche Spannungen in sozialem Gefüge verursachen können". So äußert sich z. B.der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Gedacht ist hier an ein Harmoniemodell: Wirtschaftliches Wachstum löst Gruppenkonflikte.

Diese Überlegungen können durch das folgende Beispiel verdeutlicht werden. 1969 war das Einkommen der Unselbständigen pro Kopf 13 689 DM, das Einkommen der Selbständigen pro Kopf 47 313 DM. Das Pro-Kopf-Einkommen der Unselbständigen betrug demnach lediglich 28, 9 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens der Selbständigen. In diesen Daten spiegelt sich die Ungleichheit der Einkommensverteilung wieder. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde eine Umverteilung die Unselbständigen enorm besser stellen. Doch würde eine radikale Umverteilung lediglich dazu führen, daß beide Gruppen jetzt ein Pro-Kopf-Einkommen von 17 092 DM hätten. Das ist lediglich eine relativ geringe Erhöhung der Einkommen der Unselbständigen. Sie basiert darauf, daß die Zahl der Selbständigen gegenüber der der Erwerbstätigen so gering ist.

Bedenkt man nun aber, daß die Selbständigen aus ihrem Einkommen die Investitionen zum Teil finanzieren, so würde eine derartige drastische Umverteilung kaum stattfinden können, ohne daß die Investitionstätigkeit beeinträchtigt wird. Folglich wäre das Ergebnis einer solchen Umverteilung sehr wahrscheinlich ein verringertes Wachstum. Damit werden aber die Spielräume für Lohnerhöhungen in der Zukunft drastisch beschnitten. Was haben die Unselbständigen davon, wenn die Ungleichheit zwischen den Gruppen beseitigt wird, damit aber die Chance, in der Zukunft ständig höhere Einkommen zu erzielen, beschnitten wird? Schließlich ist zu bedenken, daß beim Tempo der Lohnerhöhungen in der Vergangenheit die Durchschnittseinkommen der Unselbständigen in wenigen Jahren auch auf 17 092 DM steigen werden. Dabei ist damit zu rechnen, daß sie ständig weiter anwachsen. Was macht es dabei schon aus, daß die Einkommen der Selbständigen mit denselben Wachstumsraten zunehmen, folglich die Ungleichheit nicht beseitigt wird? Schließlich geht es darum, die eigene Einkommensposition laufend zu verbessern und nicht voller Neid auf die Einkommen der anderen Gruppen zu schauen. Nimmt man diese Position ein, so ist dem Wachstum Priorität einzuräumen. Demnach stellen sich die Probleme unter dem Aspekt des Wirtschaftswachstums anders als in kurzfristiger Betrachtung. Konflikte werden in Interessen-identität, sprich Wachstum, umgedeutet.

Was ist von einer solchen Argumentation, die heute gängig ist und auf dem Harmonie-modell fußt, zu halten?

Zunächst ist festzustellen, daß die Lohnleitlinien bislang nicht erfolgreich gewesen sind. Verteilungskämpfe konnten nicht verhindert werden. Das ist ein empirisches Faktum. Dabei gelang es auch nicht, den offiziellen Ziel-katalog zu erreichen. Niemals waren in der BRD gleichzeitig Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung sowie angemessenes und stetiges Wachstum bei außenwirtschaftlichem Gleichgewicht realisiert.

Die Vertreter des Harmoniemodells glauben nun, die Verteilungskämpfe als irrational abtun zu können. Diese Position wurde hier referiert. Doch stellte sich die Frage, ob die Auseinandersetzung um die Verteilung nur durch die Uneinsichtigkeit der Tarifparteien bedingt ist. Ist sie demnach durch Einsicht in ökonomische Sachzwänge überwindbar?

Nach dem hier vertretenen Gruppenansatz ist das nicht der Fall. Es ist keineswegs böser Wille der Akteure, daß die Ziele des Stabili17 tatsund Wachstumsgesetzes nicht erreicht werden. Vielmehr ist darauf zu verweisen, daß über die offiziellen Ziele nur ein sehr oberflächlicher Konsens der Gruppen besteht. Elementare Anliegen einzelner Gruppen werden ausgeklammert.

Ein vorrangiges Ziel der Gewerkschaften ist die Verbesserung der relativen Verteilungsposition der Arbeitnehmer. Hierauf können sie aus Selbsterhaltung nicht verzichten. Folglich besagt die Zustimmung zum offiziellen Zielkatalog wenig. Die grundsätzliche Problematik, die hinter dieser Feststellung verborgen ist, wird verdeutlicht, wenn weitere gesamtwirtschaftliche Ziele untersucht werden, die nicht im gesamtwirtschaftlichen Zielkatalog erfaßt sind. 2. Verbesserung der Lebensbedingungen a) Das Zurückbleiben des öffentlichen Sektors Der Versuch, das Problem der Einkommens-verteilung über das Wachstum zu lösen oder zumindest weitgehend zu entschärfen, stößt auf zwei Widerstände: Einmal blieb es den Gewerkschaften, die die Entwicklung der Einkommensverteilung in ihren wirtschaftswissenschaftlichen Instituten ständig verfolgten, nicht verborgen, daß sich auch weiterhin die Diskrepanzen vergrößerten. Die Forderung nach einer gerechteren Einkommensverteilung blieb also auf der Tagesordnung. Zum zweiten zeigten sich im Laufe der 60er Jahre neue Probleme: Das rasche Wirtschaftswachstum der 50er und beginnenden 60er Jahre war durch die Ausrichtung auf die privaten Investitionen und den privaten Konsum erreicht worden. Dieser Prozeß konnte nur solange verhältnismäßig problemlos verlaufen, wie die Privatwirtschaft in eine bereits vorhandene Infrastruktur hineinwachsen konnte Nachdem dieser Prozeß nun weitgehend abgeschlossen war, wurde fühlbar, daß der öffentliche Sektor hinter den Erfordernissen der privatwirtschaftlichen Entwicklung zurückblieb. Begriffe wie öffentliche Armut, Verkehrschaos, Bildungsnotstand, Energielücke etc. wurden binnen weniger Jahre Schlagworte in der wirtschaftspolitischen Diskussion.

Das Zurückbleiben des öffentlichen Sektors machte sich in allen wirtschaftlichen Bereichen bemerkbar: In der Produktionsphäre fehlten notwendige Voraussetzungsbzw. Komplementärinvestitionen und verminderten damit die privaten Investitionschancen. Damit wurde das Wachstumsziel selbst gefährdet.

In der Konsumsphäre führte das Fehlen staatlicher Komplementärleistungen zur Entwicklung von Widersprüchen: Man konnte sich größere und schnellere Autos leisten, mit denen man dann auf verstopften Straßen nur noch langsamer fahren konnte etc. Dazu kam das Umweltproblem. Hier zeigte sich der Widerspruch darin, daß der private Bereich, auf dessen Expansion das Wachstum in erster Linie beruhte, auf die Weckung zusätzlicher und immer ausgefallenerer Bedürfnisse angewiesen war, bei deren Befriedigung dann die elementare Lebenssphäre des Menschen verletzt wurde.

Wirtschaftliches Wachstum, das zu steigendem Massenkonsum führte, und die Verbesserung der Lebensbedingungen waren nicht unbedingt, wie man 20 Jahre lang allzu voreilig angenommen hatte, ein und dasselbe, sondern begannen sich sogar zu widersprechen.

Weitere Ansprüche an den öffentlichen Sektor ergaben sich aus dem stärker ins Bewußtsein der Öffentlichkeit tretenden Gefühl der sozialen Ungleichheit. Die Forderung nach mehr Chancengleichheit und sozialer Emanzipation bisher unterprivilegierter Schichten der Bevölkerung bedeutete vor allem eine Reform und einen kostspieligen Ausbau des gesamten Bildungswesens.

Die Kritik gegenüber dem unmodifizierten Wachstumsziel, das nur auf die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts abgestellt war, begann sich zu regen. Gefordert wurde statt dessen ein modifiziertes Wachstum, das die Zusammensetzung des Bruttosozialproduktes mit berücksichtigte und zu einer Verbesserung der „Lebensqualität" führen sollte.

Sowohl die Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen für das weitere Wachstum als auch die bessere „Lebensqualität" stellten neue Aufgaben für die staatliche Wirtschaftspolitik, da die hier notwendig gewordenen „Reformen" den öffentlichen Sektor betrafen. Diese „Reformen" implizierten eine verstärkte öffentliche Investitionstätigkeit. Dabei blieb es kontrovers, inwieweit die hierzu nötigen Mittel durch Einsparungen auf anderen Bereichen —wie etwa Subventionsstreichungen, erhöhte Sparsamkeit der öffent-liehen Hand etc. — allein zu erreichen waren. Nach überwiegender Meinung der politischen Parteien und der Verbände war eine Erhöhung des Anteils des staatlichen Sektors am Bruttosozialprodukt unumgänglich. In welchem durch welche Maße und Finanzierungsart (Steuererhöhungen, Anleiheaufnahme) war dabei ebenso noch eine offene Frage wie die nach Prioritäten und Inhalten der Reformen. b) öffentliche Ausgaben und Gruppeninteresse Nach dem zentralen Ausgangspunkt dieser Arbeit setzt die Operationalisierung und Durchsetzung wirtschaftspolitischer Ziele einen Konsens zwischen den wirtschaftlichen Gruppen voraus. Tatsächlich beinhaltet aber das gegenwärtig bei allen Gruppen herausgestellte Reformbewußtsein nur einen höchst vordergründigen Konsens, der weder in bezug auf die Prioritäten noch der inhaltlichen Ausgestaltung eine von allen Gruppen unterstützte Operationalisierung zuläßt. Weiterhin wird behauptet, daß die Reformen, insofern sie mit einer Ausdehnung des öffentlichen Sektors verbunden sind, überhaupt nur bei einer freiwilligen oder erzwungenen Änderung des derzeitigen Gruppenverhaltens möglich werden.

Die Unternehmerverbände akzeptierten, wie bereits dargelegt, mit der Aufnahme des Wachstumszieles in den offiziellen Zielkatalog des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes auch die Ausdehnung der staatlichen Investitionen, insbesondere auf dem Gebiet der Infrastruktur. Aus ihren Handlungsmotivationen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen erscheint es verständlich, wenn sie an den Ausbau des staatlichen Sektors vor allem die folgenden Erwartungen knüpfen:

— -Sicherstellung der infrastrukturellen Voraussetzungen für weiteres Wachstum auf privatwirtschaftlicher Grundlage;

— Übernahme von Voraussetzungskosten und Folgelasten zur Senkung privater Kosten, insbesondere bei den international stark verflochtenen forschungsintensiven Industriebereichen wie Luft-und Raumfahrt, Atomenergie, Datenverarbeitung etc., ferner Subventionen für Investitionen (z. B. im Rahmen der Strukturpolitik);

— keine Änderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.

Für die Gewerkschaften dürften demgegenüber — zumindest solange man sie von ihrer derzeitigen Programmatik aus beurteilt und wenn man das Verteilungs-und Emanzipationsinteresse der Arbeitnehmer in den Vordergrund stellt — wichtig sein: — Verbesserung der „Lebensqualität" und emanzipatorische Zielsetzungen;

— der Angriff auf die strategischen Positionen der Unternehmer, mithin das Ziel der Machtbeschneidung der Unternehmer;

— die Erwartung unmittelbarer Umverteilungswirkungen über die Angebotsseite;

Arbeitnehmer und unterprivilegierte Schichten sollten aus der Bereitstellung öffentlicher Güter relativ größeren Nutzen ziehen als die Unternehmerseite.

Akzeptiert man diese Interessenstruktur, zeigt sich, daß die Gewerkschaften eher dazu neigen werden, den Ausbau des öffentlichen Sektors als Ziel an sich anzusehen, während für die andere Gruppe mehr der instrumentale Charakter der Infrastrukturinvestitionen im Vordergrund steht.

Selbst auf den Gebieten, wo scheinbar sehr ähnliche Forderungen gestellt werden, entpuppt sich die Gemeinsamkeit rasch als trügerisch. Ein Beispiel dafür könnte die Reform des Bildungssystems sein, die von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden gefordert wird. Nach der Programmatik der Gewerkschaften soll die Bildungsreform mehr auf soziale Emanzipation als auf unmittelbare Verwertbarkeit ausgerichtet werden:

„Immer noch wird die Verwertbarkeit des Menschen für ein Produktionssystem gefördert, das Ursache der gegenwärtigen Krisen ist; die Bedeutung von Konflikten und gesellschaftlichen Entscheidungen für die Entwicklung der Gesellschaft wird negiert und vor allem, ob in der beruflichen Bildung an der Kapitalverwertung orientierte Unternehmen nach wie vor überwiegend über Struktur und Höhe des Bildungsangebots entscheiden, daß die Existenzen von Millionen Menschen bestimmt Der DGB fordert ein Bildungswesen, das Einsichten in gesellschaftliche Interessenkonflikte vermittelt . . . Der DGB lehnt eine Bildungsreform ab, die lediglich eine rationellere Vermittlung ökonomisch verwertbaren Sachwissens anstrebt."

Das folgende Zitat aus einem Jahresbericht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDJ) setzt demgegenüber andere Akzente; deutlich wird der instrumentale Charakter herausgestellt: „Bildungswesen und Forschung werden künftig noch stärker als in der Vergangenheit die langfristigen Entwicklungschancen eines jeden Landes im internationalen Wettbewerb mitbestimmen und damit gleichzeitig die künftigen gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen vorzeichnen.

Wenngleich die Zusammenhänge zwischen Forschung und Wirtschaftswachstum nicht im Sinne einer einfachen Kausalkette zu erklären sind, lassen sich doch gewichtige Gründe dafür anführen, daß Bildung und Forschung zunehmend wichtiger werden, um die ökonomische und soziale Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu sichern und zu steigern..."

In den Vorstellungen der Unternehmensver-bände zur Bildungsreform kommen der ökonomischen Verwertbarkeit und der beruflichen Effizienz der Ausbildung eine wesentlich größere Rolle zu. Bildungsreform bedeutet hier Priorität der Reform der Berufsausbildung nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes und den Anforderungen der Betriebe und Behörden.

So wird unter einer „Reform des Bildungswesens" oder unter dem Begriff „Reformuniversität" etwas sehr Verschiedenes verstanden. Die „Reform" selbst wird häufig zur pseudonormativen Leerformel, die entgegengesetzte Wertvorstellungen aufnehmen kann und daher auch ein besonderes Beharrungsvermögen in der politischen Diskussion des Staates und der Verbände aufweist. c) Finanz-und stabilitätspolitische Probleme Einen besonderen Aspekt erhalten die öffentlichen Investitionen für den Staat durch die Aufgabe, für Vollbeschäftigung und Preisstabilität sorgen zu müssen. Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere in der Bauwirtschaft (Verkehr, Wohnungsund Gesundheitswesen) gehören zum klassischen Instrumentarium keyne-sianischer Vollbeschäftigungspolitik. Im Fall einer Depression finden entsprechende staatliche Aktivitäten allgemeinen Konsens der Gruppen. Die Übereinstimmung schwindet, wenn nach der Überwindung der Krise einerseits nun antizyklisches Gegensteuern durch Zurückhaltung des Staates gefordert wird, während die andere Seite die Fortführung „innerer Reformen" nicht von der jeweiligen Konjunkturlage abhängig gemacht sehen möchte* und statt dessen die Kürzung privater Investitionen zugunsten öffentlicher fordert.

Das Dilemma der staatlichen Wirtschaftspolitik besteht nun darin, daß sie aus den langfristigen Wachstumserfordernissen wie aus sozialpolitischen Gründen die öffentlichen Investitionen tätigen muß, andererseits vor der denkbar schwierigen Aufgabe steht, zur gleichen Zeit das Stabilitätsziel nicht zu verletzen. Auch besteht wegen der langen Ausrei-fungsund Nutzungsdauer öffentlicher Investitionen die Wahrscheinlichkeit, daß die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts kurz-und mittelfristig zurückgenommen werden müßte. Durch die Dauer der Legislaturperioden sind die staatlichen Organe aber vor allem auf kurz-und mittelfristige Erfolge angewiesen. Das führt dazu, daß das Wirtschaftsministerium einem gewissen Zwang unterliegt, sog. Reformen an die Konjunktur-und Wirtschaftslage anzupassen — und das heißt i. d. R. zurückzustellen. Dies entspricht im wesentlichen auch den Vorstellungen der Unternehmerverbände, die bei schlechter Konjunktur-und Wirtschaftslage die staatlichen Investitionen begrüßen, in besseren Zeiten aber den Staat als Konkurrenten auf den Kredit-und Investitionsmärkten fürchten. Aus ihrem in jüngster Zeit zunehmend betonten gesellschaftspolitischen Engagement fordern die Gewerkschaften dagegen Priorität für Reformen.

Für die gesamtwirtschaftlichen Ziele im Sinne des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes ergeben sich aus den hier angesprochenen Interessenkonflikten ähnliche Probleme wie beim Verteilungskampf. Wenn die gewerkschaftlichen Vorstellungen einer Durchführung der öffentlichen Investitionen zu Lasten der privaten möglich sein sollen, so würde das voraussetzen, daß — bei Steuerfinanzierung die Unternehmer auf die Überwälzung der Steuererhöhungen auf die Preise verzichten und bei verminderten Gewinnen auch entsprechend weniger private Investitionen getätigt würden; — bei Anleihefinanzierung das gesamte Kreditaufkommen konstant gehalten würde und die Unternehmer entsprechend der staatlichen zusätzlichen Kreditaufnahme ihre Nachfrage am Kapitalmarkt einschränkten.

Beide Annahmen sind irreal. Im ersten Fall werden die Unternehmer langfristig die Steuererhöhungen auf die Preise weiterwälzen; im zweiten Fall wird es zu einer Kon-kurrenz zwischen privaten und öffentlichen Investoren kommen mit dem Ergebnis steigender Zinsen und einer Ausdehnung des Kreditvolumens. Beides enthält eine inflationäre Tendenz: höhere Kapitalkosten durch Zinserhöhungen werden i. d. R. auf die Preise überwälzt; die Vergrößerung des Kreditvolumens führt — sofern die Kapazitäten der Kapitalgüterindustrie ausgelastet sind — zu Preiserhöhungen, zunächst am Kapitalgüter-markt, später dann auch auf dem Konsumgütersektor.

Bei gegebener Preis-und Investitionsautonomie der Unternehmer bedeutet daher die Durchführung von Reformen, die eine Ausdehnung des öffentlichen Sektors bedingen, nahezu zwangsläufig die Verletzung des Ziels der Preisstabilität. Damit könnte aber immerhin die Ausdehnung des öffentlichen Sektors zu Lasten des privaten Konsums erreicht werden. Eine solche nachhaltige Umstrukturierung würde aber wiederum die Änderung der jetzigen Nominallohnpolitik der Gewerkschaften voraussetzen, d. h., diese müßten darauf verzichten, zum Ausgleich für die gestiegenen Preise entsprechende Lohnerhöhungen zu fordern, weil dadurch der inflatorische Prozeß sich nur beschleunigen würde. So scheint es fraglich, inwieweit in der jetzigen Ordnung bei dem derzeitigen Gruppenverhalten eine Ausdehnung des öffentlichen Sektors überhaupt güterwirtschaftlich abgesichert werden kann.

Für die staatliche Wirtschaftspolitik lassen sich daraus die folgenden Alternativen ableiten: — Man bekennt sich zu den Zielen des Stabilitätsgesetzes. Dann sollte man konsequenterweise die Ausdehnung des öffentlichen Sektors zwecks Durchführung von Reformen nicht anstreben. — Man bekennt sich zu Reformmaßnahmen.

Dann sollte man die Ziele des Stabilitätsgesetzes relativieren oder neufassen. Eine Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Strategie scheint dabei aber, daß die Gruppen, die sich zu den Reformen in erster Linie bekennen, also in erster Linie die Gewerkschaften, ihre Wirtschaftspolitik revidieren würden.

— Mah möchte die Ziele des Stabilitätsgesetzes erreichen und die reformerischen Maßnahmen durchführen. Dann muß man eine Weiterentwicklung der Wirtschaftsordnung, insbesondere eine Einschränkung der Autonomiebereiche der Gruppen, anstreben. 3. Kontrolle wirtschaftlicher Macht Im Laufe des Wachstumsprozesses hat sich in der Bundesrepublik eine ständig fortschreitende Vermögens-und Unternehmenskonzentration eingestellt. Im Vermögensbereich verfügten nach Untersuchungen von Krelle u. a. bereits 1960 1, 7 Prozent der Haushalte über 70 Prozent des Produktivvermögens Im Unternehmensbereich beschäftigten 1965 1 Prozent der Unternehmen 40 Prozent aller Arbeitnehmer, erzielten die Hälfte des Umsatzes und kontrollierten über formal selbständige Zulieferer, Abnehmer etc. einen noch höheren Prozentsatz der Wirtschaft Diese Konzentrationsbewegung hat sich seit Anfang 1969 beschleunigt fortgesetzt Die Schalthebel der Wirtschaft werden dabei nach Schätzungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften (WWI) von einem kleinen Personenkreis von nur ca. 600 Personen kontrolliert, die in vielfältigen Überschneidungen in Vorstandsund Aufsichtsratsposten als die eigentliche ökonomische Herrschaftselite anzusehen sind

Aus dieser Konzentration der Macht entsteht das gesellschaftspolitische Problem ihrer Kontrolle. Einmal, weil „das Problem der wirtschaftlichen Macht" nur „die andere Seite des Problems der Freiheit"" ist zum anderen, weil die Entwicklung der letzten Jahre zeigte, daß durch die Ballung wirtschaftlicher Macht es immer schwieriger wurde, den Instabilitäten des marktwirtschaftlichen Systems durch staatliche Wirtschaftspolitik zu begegnen. Als wichtigste Instrumente zur Eindämmung bzw. Umverteilung der wirtschaftlichen Macht werden gegenwärtig die Wettbewerbspolitik und die Mitbestimmung diskutiert.

Die staatliche Wirtschaftspolitik möchte die Kontrolle der wirtschaftlichen Macht auf der Unternehmensebene vor allem durch eine Intensivierung des Wettbewerbs herbeiführen. Zu diesem Zweck wird das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zurZeit novelliert, indem insbesondere eine vorbeugende Fusionskontrolle eingeführt und ein besserer Schutz vor Mißbrauch marktbeherrschender Positionen gewährleistet werden soll. Bei den Unternehmern, zumindest denen der Großindustrie, stoßen wettbewerbspolitische Maßnahmen i. d. R. auf Widerstand. Wie die Erfahrungen des 10jährigen Taktierens um das GWB, ferner um die Verhinderung des Abbaus der Preisbindung der zweiten Hand und wie auch die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Novellierung des GWB gezeigt haben, wehren sich die betroffenen Unternehmer und die sie vertretenden Verbände recht heftig und auch nicht ohne Erfolg gegen für sie nachteilige Regelungen zur Wettbewerbspolitik. Nach einem bekannten Bonmot sind die Unternehmer bereit, nur so viel Wettbewerb zuzulassen, wie sie nicht verhindern können. Allerdings wird ihr Gegentaktieren dadurch erschwert, daß sie den Wettbewerb als Ordnungsleitbild zumindest prinzipiell akzeptieren müssen. Ihre Argumentation ist daher vor allem darauf gerichtet, nachzuweisen, daß der Wettbewerb ohnehin noch sehr stark sei. Ihr bestes Argument ist dabei der Hinweis auf die 'Weltmärkte. So spricht der BDI in seiner Stellungnahme zur Novellierung des GWB davon, einem „noch nie erlebten Wettbewerb" ausgesetzt zu sein und von weiteren „eingetretenen oder zu erwartenden Wettbewerbsverschärfungen"; er warnt vor Schwächung der „eigenen Position" insbesondere gegenüber der internationalen Konkurrenz Ferner befürchtete er ein „Übermaß von Verboten und Reglementierungen" und schließlich, und das vor allem, daß der Staat „die Wirtschaft auf dem Wege über die Wettbewerbsgesetzgebung stärker in den Griff zu bekommen versucht"

Aus der zuletzt genannten Argumentation des BDI läßt sich viel eher der Wille zur Macht als der zum Wettbewerb heraushören, jedoch wagt er es angesichts der langjährigen Propagierung, teilweise sogar ethischen Überhöhung des Wettbewerbsleitbildes durch Wissenschaft, Wirtschaft und Politik nicht, sich offen gegen den Wettbewerb zu stellen. Auch müßte er befürchten, daß ohne Wettbewerb auf längere Sicht mit stärkerem staatlichem Dirigismus gerechnet werden müßte. Letztlich sind es daher Systemerhaltungsgründe, die die Unternehmerverbände veranlassen, Wettbewerbspolitik zu akzeptieren und, wenn es gar nicht anders geht, auch nachteilige Bestimmungen anzuerkennen.

Die Gewerkschaften unterstützen die Wettbewerbspolitik der Bundesregierung, fordern darüber hinaus aber noch wesentlich weitergehende Maßnahmen zur Einschränkung der Unternehmermacht. Es sind dies vor allem die bereits angesprochene überbetriebliche Vermögensbildung und die Mitbestimmung, die nicht nur mit dem Argument einer notwendig gewordenen Umverteilung der Macht, sondern auch aus Gründen der sozialen Emanzipation und der Demokratisierung der Arbeitswelt gefordert wird. Auch die Ausdehnung des öffentlichen Sektors durch Zurückdrängen privater Investitionen sollte dazu beitragen, die Unternehmermacht zu beschneiden. In jüngster Zeit rückt auch die Forderung nach dem Ausbau gemeinwirtschaftlicher Unternehmen und sogar der Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum wieder stärker in den Vordergrund

Die Unternehmerseite sieht durch solche Forderungen die gegenwärtige Ordnung gefährdet und droht, entsprechende Maßnahmen mit Investitionsenthaltung und Kapitalflucht zu quittieren. Damit würden die Ziele Wachstum und Vollbeschäftigung gefährdet, was politisch untragbar wäre. Die staatliche Wirtschaftspolitik kann daher bei der derzeitigen Ordnung entsprechenden Forderungen der Gewerkschaften nicht oder nur sehr bedingt folgen. Sie muß andererseits aber berücksichtigen, daß auf gewerkschaftlicher Seite die gegenwärtige Ausgestaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung gerade auch aufgrund der ungleichen Machtverteilung in jüngster Zeit wieder stärker zur Disposition gestellt wird. Das Ziel einer wirksamen Kontrolle wirtschaftlicher Macht wird daher schon aus Gründen der Systemerhaltung die Wirtschaftspolitiker beschäftigen müssen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. 6. 1967 (BGBl. I S. 582).

  2. Man denke beispielsweise an die Verbandsaktivität im Hinblick auf die öffentliche Meinung, die Parteien, die Parlamente sowie auf Regierungen,

  3. A. F. Bentley, The Process of Government, Evanston, Jll. 1949, S. 211.

  4. Vgl. dazu: Neue Zürcher Zeitung vom 16. 1.

  5. Vgl. dazu: K. H. Pitz, über die potentiellen Gefahren der großen Lösung des Vermögensproblems für die gewerkschaftliche Lohnpolitik: in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 21. Jg. (1970), S. 588.

  6. Vgl. dazu: Jahresbericht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1971, Bergisch-Gladbach 1971, S. 49 f.

  7. Vgl. dazu: Erklärungen zur Vermögenspolitik, hrsg. v. BDA Köln 1971.

  8. K. H. Pitz, a. a. O., S. 588.

  9. H. M. Schleyer, Vermögensbildung der Arbeitnehmer — Tarifvertrag oder Gesetz, Bergisch-Glad-bach 1971, S. 3.

  10. Daß die „Erhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung" dabei gleichzeitig Konträres beinhalten kann, zeigen die Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zur Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbs-beschränkungen. Die ASU fordert als Vertreterin vorwiegend mittelständischer und oft in eine totale Abhängigkeit von der Großindustrie geratener Eigentümerunternehmungen um der Existenz der marktwirtschaftlichen Ordnung willen eine verschärfte Konzentrationskontrolle. Dagegen lehnt der BDI, der aufgrund der innerverbandlichen Willensbildung vor allem die Interessen der Großindustrie vertritt, jene mit eben demselben Argument entschieden ab. Dieses Beispiel macht den Leerformelcharakter des politisch höchst brisanten Terminus besonders deutlich. Vgl. BDI-Jahresbericht 1970/71, S. 61 ff., sowie Jahresbericht der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer, Bonn-Bad Godesberg 1971, S. 19 f.

  11. So erscheint es wenig glaubwürdig, wenn im Zusammenhang mit der Vermögensbildung einerseits das Prinzip der Freiwilligkeit zum Sparen betont wird, andererseits jedoch eine keineswegs auf ihre Informationsfunktion beschränkte aggressive Werbung eine Erhöhung des Konsums bewirken soll.

  12. Vgl. Fachgruppe Makroökonomie (Hrsg.), Volkswirtschaftslehre. Eine problemorientierte Einführung, B. Gahlen u. a. (Bearb.), München 1971, S. 55 ff.

  13. Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes, beschlossen auf dem außerord. Bundeskongreß am 21. /22. 11. 1963 in Düsseldorf, S. 6.

  14. Zu den negativen sozialpsychologischen Folgen längerfristiger Arbeitslosigkeit vgl. A. A. and T. Scitovsky, Inflation versus Unemployment. An Examination of their Effects, in: Commission on Money and Credit (Ed.), Inflation, Growth and Em-ployment, Englewood Cliffs 1964, S. 433 ff.

  15. „Der aktuelle Sinn der Kooperation mit den organisierten Gruppen, also der Konzertierten Aktion, liegt auch darin, das gemeinsame Interesse aller, z. B. an einem stetigen Wachstum in Stabilität, verständlich zu machen . . . Wir können jetzt — in der ersten Phase eines Aufschwungs und in Zukunft — bei richtigem Verhalten aller das reale Einkommen eines jeden und einer jeden Gruppe steigern, ohne irgend jemanden etwas wegzunehmen. Und das ist eine unglaubliche Chance für die Politik." K. Schiller, Konjunkturpolitik auf dem Wege zu einer Affluent Society, in: BMWI, Reden zur Wirtschaftspolitik, Bd. 3, Bonn 19702, S. 157.

  16. Vgl. die Äußerungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Jahresgutachten 1967, Ziff. 278 ff.), die sich gegen solche Bedenken richteten.

  17. Jahresbericht des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände 1955, S. 13 f. r zitiert nach K. O. Hondrich, Die Ideologien von Interessen-verbänden, Berlin 1963, S. 120.

  18. Vgl. H. Giersch, Geldwertstabilität, Sparen und Wirtschaftswachstum, in: Kontroverse Fragen der Wirtschaftspolitik, Serie Piper, Bd. 21, München 1971, S. 55 f.

  19. Vgl. B. Külp, Zur Frage der Effizienz von Lohnleitlinien, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Jg. 1 (1972), S. 96.

  20. Das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts wird hier nicht weiter behandelt.

  21. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1967, Zif. 274.

  22. „Mitbestimmung und Mitverantwortung, bei gleichzeitigem Beibehalten des Privateigentums und profitorientiertem Wirtschaftsgefüge, bedeutet daher unvermeidlich Mitbestimmung und Mitverantwortung für diese Blüten kapitalistischer Produktionsweise." E. Mandel, Systemkonforme Gewerkschaften, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 21. Jg. (1970), S. 365.

  23. Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 1972, Bundestagsdrucksadie VI/3078, S. 20.

  24. Quelle: Jahresbericht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 1971, S. 72. Inzwischen liegen zwar neuere mittelfristige Projektionen vor, die jedoch nicht zu wesentlich anderen Schlußfolgerungen führen.

  25. R. Henschel, Die wirtschaftspolitischen Aufgaben der siebziger Jahre, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 21. Jg. (1970), S. 450.

  26. G. Gäfgen, Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung, Tübingen 1968, S. 167; W. Krelle, Präferenz-und Entscheidungstheorie, Tübingen 1968, S. 13.

  27. A. W. Phillips, The Relation between Un-employment and the Rate of Change of Money Wage Rates in the United Kingdom 1862— 1957, Economica, Vol. 25 (1958) N. S„ p. 283— 299; R. G. Lipsey, The Relation between Unemployment and the Rate of Change of Money Wage Rates in the United Kingdom 1862— 1957, Economica, Vol. 27 (1960), p. 12— 23.

  28. P. A. Samuelson, R. M. Solow, Analytical As-pects of the Anti-Inflation Policy, American Econo-mic Review, Vol. 50 (1960), p. 177— 194.

  29. Vgl. S. Borner, Das Beschäftigungs-Inflations-Dilemma. Eine theoretische Analyse der wirtschaftlichen Relevanz der Phillips-Kurve, Schweizerische Zeitschrift für Nationalökonomie und Statistik, Nr. 107 (1971), Nr. 2 (Juni), Fn. 9, S. 404 f.

  30. A. W. Phillips, a. a. O„ S. 299.

  31. P. A. Samuelson, R. M. Solow, a. a. O., S. 187, 192.

  32. H. Enke, H. Maneval, Die Einflüsse des Beschäftigungsgrades und der Preisentwicklung auf die Lohnentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 180 (1967), S. 499.

  33. F. Brechling, The Trade-Off between Inflation and Unemployment, Journal of Political Economy, Vol. 76 (1968), p. 712 ff.; H. J. Ramser, Inflation und Beschäftigung. Der Beitrag der Phillips-Kurve, Kyklos, Bd. 23 (1970), S. 473— 500.

  34. P. Sweerts-Sporck, Stabilität — ein Mißverständnis, Wirtschaftswoche, Jg. 24, Nr. 40, S. 41 vom 2. Okt. 1970; A. E. Ott, Magische Vierecke, in: A. E. Ott (Hrsg.), Fragen der wirtschaftlichen Stabilisierung, Tübingen 1967, S. 102 ff.; L. Schubert, Preisstabilität in den 70ern, Der Volkswirt, Jg. 23, Nr. 20, S. 41 vom 16. Mai 1969; Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftswissenschaftlicher Institute, Die Lage der Weltwirtschaft und der westdeutschen Wirtschaft im Herbst 1972, Berlin, 19. Okt. 1972, S. 12 f.; R. Bremer, Bundestagsabgeordneter der CDU, Pinneberg, Oktober 1972, öffentlicher Vortrag, nach: Der Spiegel, Jg. 26, Nr. 45 vom 30. Okt. 1972, S. 98, 100.

  35. B. Hansen, Full Employment and Wage Sta-bility, in: The Theory of Wage Determination, London, New York 1957, Chap. 5; H. Enke, H. Maneval, a. a. O. S. 500; H. J. Ramser, Inflation und Beschäftigung: Der Beitrag der Phillips-Kurve, Kyklos, Vol 23 (1970) S 473.

  36. H. J. Ramser, a. a. O., S. 479.

  37. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob die Phillips-Kurve unmittelbar als „wage equation" eine Verhaltsweise oder Faustregel gewerkschaftlicher Lohnpolitik beschreibt oder bereits als Finalgleichung der zwischen den Tarifpartnern erzielten Ergebnisse zu verstehen ist. A. G. Hines, Trade Unions and the Wage Inflation in the United Kingdom 1893— 1961, Review of Economic Studies, Vol 1964 p. 221 f.; A. P. Lerner, Employment Theory and Employment Policy, American Economic Review, Vol 1967, No. 2, p. 165; K. W. Rothschild, The Phillips-Curve and all That, Scottish Journal of Political Economy, Vol 18 (1971) No. 3 (nov.) p. 250; O. Eckstein, G. Fromm, The Price Equation, American Economic Review, Vol 58 (1968), p. 1159 f.

  38. S. Borner, a. a. O., S. 442— 444.

  39. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1971/72, Ziff. 380.

  40. W. Rothschild, Einkommenspolitik. Die Verteilungsprobleme müssen offengelegt werden, Wirtschaftswoche, Jg. 26, Nr. 46, S. 65— 66; H. Meinhold, Die Vereinbarkeit von stabilitäts-und verteilungspolitischen Konsequenzen, Wirtschaftswoche, Jg. 26, Nr. 47, S. 45— 50.

  41. Jahresgutachten 1967, Ziff. 255.

  42. Bombach sieht hierin sogar den eigentlichen Hintergrund des bundesdeutschen Wirtschaftswunders. Vgl. G. Bombach, Lohnentwicklung, Sparprozeß und Kapitalbildung, Veröffentlichungen der List-Gesellschaft, Band 37, Basel-Tübingen, 1964, S. 49.

  43. H. Vetter, Gewerkschaftliche Forderungen an die politischen Parteien, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 1972, S. 605.

  44. Bildungspolitische Vorstellungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Düsseldorf, 1972, S. 5.

  45. BDI-Jahresbericht 1970/71, S. 83.

  46. Vgl. Krelle/Schunk/Siebke, überbetriebliche Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer. Eine Untersuchung über die Vermögensstruktur in der BRD, Tübingen 1968.

  47. Zu Verlauf und Stand der Unternehmenskonzentration vgl. Fachgruppe Makroökonomie (Hrsg.), a. a. O., S. 174 ff., sowie Autorenkollektiv, a. a. O

  48. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1971, Bonn 1971, S. 125.

  49. Vgl. Autorenkollektiv, a. a. O., S. 272.

  50. Vgl. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 46. — 53. Tsd., Februar 1964, S. 122.

  51. Vgl. BDI, Jahresbericht 1970/71, S. 61.

  52. Ebenda.

  53. Vgl. Vetter, a. a. O., S. 615.

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