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Über das Verhältnis von „bürgerlicher" und „marxistischer" Geschichtswissenschaft | APuZ 31/1973 | bpb.de

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APuZ 31/1973 Artikel 1 Oppositionsstrategie im parlamentarischen System. Regierung und Opposition im parlamentarischen System Über das Verhältnis von „bürgerlicher" und „marxistischer" Geschichtswissenschaft

Über das Verhältnis von „bürgerlicher" und „marxistischer" Geschichtswissenschaft

Ernst Nolte

/ 30 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Abhandlung bringt zunächst das Selbstverständnis „bürgerlicher" und „marxistischer" Geschichtswissenschaft an Hand von repräsentativen Beispielen zu Wort und zeigt dann, daß nach Auffassung von Marx und Engels ein breiter Bereich von Regeln und Verhaltensweisen existiert, der allen Arten von Wissenschaft gemeinsam sein muß. Als unüberschreitbare inhaltliche Differenz erweist sich bei näherem Zusehen weder die Lehre vom Klassenkampf noch die materialistische Betrachtungsweise, die beide längst vor Marx von „bürgerlichen Wissenschaftlern" entwickelt wurden, sondern allein die Zielvorstellung der klassen-und staatlosen, nicht mehr arbeitsteiligen Weltgesellschaft, welcher die unaufhebbare Skepsis der „bürgerlichen Wissenschaft", und das heißt der Wissenschaft schlechthin, gilt. Die Unterscheidung von Macht-Marxismus und „freiem Marxismus" und die Kennzeichnung ihres unterschiedlichen Verhältnisses zur Wissenschaft führt den Gedankengang einen Schritt weiter. Sie leitet zu konkreten Folgerungen über, die sich aus der Tatsache ergeben, daß eine Vorlesung über das Verhältnis von „bürgerlicher" und „marxistischer" Geschichtswissenschaft, die zugleich den Anfang eines Kollegs über den „Kalten Krieg" darstellt, die Frage nach dem Selbstverständnis der Freien Universität Berlin nicht umgehen kann.

Mit keiner anderen Frage dürfte ein Historiker heute an vielen Universitäten der westlichen Welt so intensiv und so nachdrücklich konfrontiert werden wie mit derjenigen nach dem Verhältnis von „bürgerlicher" und „marxistischer" Wissenschaft und nach seiner eigenen Position im Rahmen dieses Verhältnisses. Die Schwierigkeit für die Erörterung besteht darin, daß die Grundvoraussetzung wissenschaftlichen Vorgehens, der gleichmäßige Abstand zu den Gegenständen der Frage, nicht gegeben zu sein scheint. Der „bürgerliche Wissenschaftler", so sieht es aus, hat zu der Frage von vornherein eine andere Beziehung als der „marxistische Wissenschaftler". Aber es darf nicht übersehen werden, daß die Fragestellung als solche eine Übernahme der marxistischen Position bedeutet. Diese Übernahme ist gewiß nur vorläufig, und im Verlauf der Überlegungen wird sich die Starrheit der Gegenüberstellung weitgehend verflüssigen, aber sie ist gleichwohl eine Art Vorgabe, welche die auf beiden Seiten beliebten Metaphern aus dem Bereich des Militärs relativiert. Ich werde so vorgehen, daß ich weder wie Bernard Willms in seiner lesenswerten Abhandlung „Marxismus — Wissenschaft — Universität" das schwere Geschütz Hegelianischer Begrifflichkeit auffahre noch wie die Autoren der „Kritik der bürgerlichen Geschichtswissenschaft" in Heft 70 des „Argument" auf einer ganzen Menge von Kampfstätten die Attacke eröffne. Ich will vielmehr zunächst das Selbstverständnis sowohl der marxistischen wie der bürgerlichen Geschichtswissenschaft darzulegen versuchen, und zwar so, daß ich beide durch den Mund anerkannter Repräsentanten zu Wort kommen lasse; in einem zweiten Schritt soll die Charakterisierung durch einen Vergleich der Themenbereiche führender Fachzeitschriften fortgeführt und dann in einem dritten Akt durch die Beschreibung der äußersten und bisher durchaus gewöhnlichsten Möglichkeiten des Wechselverhältnisses zunächst zu Ende gebracht werden. Danach soll die Frage dadurch eine neue Dimension gewinnen, daß Marx'und Engels’ Verhältnis zur Wissenschaft und vornehmlich zur Geschichtswissenschaft zum Thema gemacht wird. Dadurch wird das Fundament für Unterscheidungen geschaffen, die in einem dritten Teil zu Ergebnissen führen sollen, welche das Ende dem Anfang sehr unähnlich machen werden.

I. Das Selbstverständnis der „marxistischen" und der „bürgerlichen" Geschichtswissenschaft

Das Selbstverständnis der marxistischen Geschichtswissenschaft ist seit 1953 immer wieder in entsprechenden Beiträgen der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft" zum Ausdruck gekommen. Im folgenden werden vor allem drei Aufsätze von Ernst Engelberg aus den Jahren 1964, 1968 und 1971 zugrunde gelegt, daneben mehrere einschlägige Studien

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um die leicht gekürzte Antrittsvorlesung des Veriassers an der Freien Universität Berlin, die im Rah-men eines Kollegs über den „Kalten Krieg" angekündigt war. Daß sie nicht in der Hochschule stattfand, da einflußreiche Studentengruppen offensichtlich eine Boykottparole ausgegeben hatten, ist für die Situation an der Freien Universität wohl nicht uncharakteristisch.

von Ernst Diehl und Gerhard Lozek Stark, aber wohl nicht unzulässig konzentriert, ergibt sich daraus das folgende Bild: Die marxistische Geschichtswissenschaft erforscht den „weltgeschichtlichen Bogen" der sich zwischen der klassenlosen Urgesellschaft und der kommunistischen Gesellschaft der Zukunft spannt, d. h., sie begreift die Weltgeschichte als eine Folge von Klassenkämpfen, freilich auch von Klassenbündnissen, die sich aus dem für alle bisherige Geschichte grundlegenden Tatbestand der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ergeben. In ihrer Forschung aber ergreift sie Partei, und zwar für die jeweils fortschrittlichen Klassen und Parteien, welche in der Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen die Zukunft repräsentierten. Die umfassende Einsicht in das gesellschaftliche Wesen der Produktion, welche die Voraussetzung für eine unzweideutige Bestimmung des-sen ist, was jeweils fortschrittlich und was rückschrittlich ist, besitzt allein der bewußte Vortrupp der Arbeiterklasse, d. h. die marxistisch-leninistische Partei, und zwar deshalb, weil sie an der Spitze einer Menschengruppe steht, die nicht eine bloße geschichtliche Gruppe unter anderen Gruppen ist, sondern potentiell die große Mehrheit der Menschheit, mindestens jedoch des fortgeschrittensten Teils der Menschheit umfaßt und damit im Grunde schon jenseits der bisherigen Geschichte als einer gesetzmäßig bestimmten Folge von Formen der Ausbeutung steht.

Wenn die marxistische Geschichtswissenschaft parteilich ist, so ist ihre Parteilichkeit essentiell von der Parteilichkeit jeder anderen Art der Geschichtswissenschaft verschieden. Sie steht nämlich nicht im Gegensatz zur Objektivität, denn „die Grundinteressen der Arbeiterklasse stimmen mit den Erfordernis-, sen der objektiven Wirklichkeit überein" Die Grundinteressen der bürgerlichen Klasse, dagegen können mit den Erfordernissen der objektiven Wirklichkeit nicht übereinstimmen, da die Zeit, in der ausbeutende Klassen fortschrittlich sein konnten, abgelaufen ist. Was für die bürgerliche Klasse gilt, das gilt selbstverständlich auch für ihren Exponenten, die bürgerliche Geschichtswissenschaft. Da sie an eine reaktionäre Ökonomie und an eine reaktionäre Politik gekettet ist, kann sie die Wahrheit immer nur verschleiern, weil „die wesentlichen Fragen, die der Historiker an die Geschichte stellt, in ihrem. Kern von den Gegenwartsinteressen jener Klasse bestimmt (sind), deren Position er einnimmt" Die bürgerliche Geschichtswissenschaft trägt daher einen unwissenschaftlichen Charakter, selbst Wenn sie sich mit entlegenen Themen beschäftigt. Sobald sie sich der Gegenwart nähert, wird ihre reaktionäre Defensivposition ganz unübersehbar: Sie übt zwar auf raffinierte Weise eine partielle Kritik an Bismarck und Hitler, macht aber gerade das Wesen des Bismarckreiches und ganz besonders des Faschismus, nämlich dessen Klassengrundlage, unsichtbar.

Die marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft ist dagegen streng wissenschaftlich, wenn sie zur „geistigen Bewaffnung“ der Kräfte des Sozialismus und des Friedens beiträgt, die neokolonialistischen Pläne der westdeutschen Militaristen und Monopolisten aufdeckt und insbesondere den Nachweis führt, daß die DDR der bisherige Höhepunkt der deutschen Geschichte ist Einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Staatsund Parteiführung auf der einen, den marxistischen Historikern auf der anderen Seite gibt es nicht, da die Leitung des Staates „auf der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft beruht"

Freilich erkennt Engelberg ein „dialektisches Spannungsverhältnis von Politik und Wissenschaft" an, und Lozek leugnet nicht, daß „bestimmte methodisch-handwerkliche Grundlagen der Fachmethodik klassenindifferent sind" Insofern existiert also kein totaler Gegensatz zwischen marxistischer und bürgerlicher Wissenschaft, und daher ist nach der 1971 formulierten Auffassung Engelbergs ein „begrenztes Lernen" von Seiten des marxistisch-leninistischen Historikers möglich Und es gibt offenbar Gegner, die beiden gemeinsam sind, wenn auch gewiß nicht in der gleichen Weise, z. B.der „Linksopportunismus", der Dogmatismus und das „linkssektiererische Abenteurertum", von denen manchmal ausdrücklich gesagt wird, daß sie das bürgerliche Denken grundsätzlich nicht überschritten. Und im gleichen Heft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft des Jahrganges 1964, in dem Engelberg sich über die Aufgaben der Historiker der DDR von 1964 bis 1970 äußert, findet sich ein Aufsatz zweier sowjetischer Autoren „über einige Fragen der Geschichtswissenschaft in der VR China", der mit großer Schärfe gewisse „bürgerlichnationalistische" Tendenzen kritisiert Schon hier drängt sich also die Frage auf, ob nicht am Ende das Verhältnis des „Bürgerlichen" und des „Sozialistischen", der (bürgerlichen'und der . marxistischen Wissenschaft, sehr viel komplizierter ist, als es nach den gewiß eindrucksvollen Gegenüberstellungen zu sein scheint, die in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft die Regel sind. Zunächst aber muß auch das Selbstverständnis der . bürgerlichen Geschichtswissenschaft'zu Gehör gebracht werden, und ich wähle in einem methodisch nicht ganz unanfechtbaren, aber an dieser Stelle doch wohl angebrachten Verfahren eine kleine Studie Friedrich Meineckes als repräsentative Aussage. Sie erschien zuerst 1916 in Friedrich Naumanns „Hilfe" und findet sich heute in Band IV der „Werke“ unter den Studien und Schriften „Zur Theorie und Philosophie der Geschichte"; ihr Titel lautet „Die deutsche Geschichtswissenschaft und die modernen Bedürfnisse" Meinecke setzt sich hier mit dem damals offenbar schon weitverbreiteten Vorwurf auseinander, daß die heutige deutsche Geschichtswissenschaft „zu wenig am inneren Leben unserer Zeit teilnehme und ihr deswegen auch zu wenig biete" Meinecke weist diesen Vorwurf keineswegs mit einer Handbewegung zurück. Er konstatiert ohne Polemik „das Drängen unserer jungen Forscher nach Stoffen des 19. Jahrhunderts" Er stellt sich selbst und sei Jahrhunderts" 16). Er stellt sich selbst und seine Generation bescheiden in ein epigonales Verhältnis zu der „großen Zeit der Ranke, Burckhardt und Treitschke" 17), und er konstatiert mit einem deutlichen Ton von Resignation, daß zwar auch er selbst und seine Zeitgenossen durch den Krieg auf den allgemeinen Kampfplatz der nationalen Kräfte gerufen worden seien, daß sie sich indessen an „überzeugender Kraft" der Programme mit einem Manne wie Treitschke nicht messen könnten 18).

Daß die Geschichtswissenschaft mit der jeweiligen Lebenswelt, mit ihrer Zeit und ihrem Staate zusammenhängt, ist für Meinecke also ganz selbstverständlich, und eine „ideologiekritische" Abhandlung, die solche Zusammenhänge aufwiese, würde ihn schwerlich überrascht haben. Aber wenn er sich mit großem Nachdruck gegen die „kräftigen und eindrucksvollen Synthesen" wendet, nach denen ein auf „immer neue Sensationen" erpichter Zeitgeist verlangt 19), dann hat er nicht nur Lamprecht im Auge, sondern auch die mitteleuropäische Idee und den „rücksichtslosen Nationalismus" — mitten im Kriege Und wenn er verlangt, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich waren, in ihrer eigenen Farbe, mit ihren eigenen Voraussetzungen, dann erhält dieses Postulat sein Gewicht doch gerade aus dem Bewußtsein, „daß im letzten Grunde es auch unser eigenes Lebensblut ist, mit dem wir die Schatten der Vergangenheit zu beseelen versuchen" Dann aber ist die strenge Selbstzucht und die tiefe Ehrfurcht vor den Tatsachen und Quellen, die Meinecke verlangt nicht Selbstverständlichkeit und Ausgangspunkt, sondern mühsam errungenes Resultat, das seinen eigentlichen Wert nur dadurch erhält, daß der Mensch in ihm zu seinen stärksten Neigungen Distanz gewinnt. Seine stärksten Neigungen jedoch sind der Drang zur Synthese und der Wunsch nach Selbstidentifizierung mit einem übergeordneten Ganzen.

So verstanden, wäre bürgerliche Wissenschaft gekennzeichnet durch ihre Distanz zum eigenen Staate und zur eigenen Zeit — nicht oder nur in einem trügerischen Extremfalle in der Weise eines Entferntseins, sondern in der Weise eines Sich-Entfernens, jeweils und stets von neuem und in immer anderen Konstellationen. Gewiß hat Meinecke selbst manchmal durch fragwürdige Metaphern, wie die vom „Eiland reiner Wissenschaft" einem unrichtigen Verständnis Vorschub geleistet, und gewiß liegt es nahe, Treitschke als Beweis dafür ins Feld zu führen, daß bürgerliche Wissenschaftler sich ganz rückhaltlos mit ihrem Staate identifizierten. Aber einmal ist diese Auffassung sogar nach einer Lektüre der Berliner Vorlesungen über „Politik", sofern sie nicht lediglich auf das Sammeln anstößig klingender Stellen gerichtet ist, schwerlich uneingeschränkt zu halten, und zweitens verkörperte Treitschke so wenig „die bürgerliche Wissenschaft" wie Meinecke, sondern beide nahmen bestimmte Positionen im breiten Spektrum der Historiker des Bismarckreiches ein, und dieses Spektrum reichte von Treitschke bis zu Mommsen und von Dietrich Schäfer bis zu Ludwig Quidde. Bürgerliche Wissenschaft ist, wenn sie sich richtig versteht, überhaupt nicht vom Inhalt her durch Thematik und Methode bestimmbar, sondern sie ist gekennzeichnet durch die beträchtliche Bandbreite verschiedener Auffassungen und Ansätze, die untereinander durch Gesprächsbereitschaft verbunden sind und im ganzen zu den staatlichen und gesellschaftlichen Realitäten, in deren Mitte sie existieren, in einem Verhältnis selbstverständlicher Nähe und gar nicht selbstverständlicher Distanz stehen. Damit besitzt die bürgerliche Wissenschaft eine relative Autonomie, und sie kann sich vor der Entwicklung ihrer Gesellschaft bis zu einem gewissen Grade abschließen, sie kann ihr aber auch vorangehen. Beides kann die marxistische Wissenschaft — um vorgreifend ein erstes Ergebnis zu formulieren — nicht; sie will es aber auch nicht, weil nach ihrer Auffassung weder für das eine noch für das andere ein zureichender Grund besteht.

Unmittelbar anschaulich wird der Unterschied zwischen bürgerlicher und marxistischer Geschichtswissenschaft durch einen Vergleich der Themen, die behandelt werden. Es liegt nahe, die führenden Organe herauszugreifen, die Historische Zeitschrift auf der einen und die Zeitschrift für Geschichtswissenschaft auf der anderen Seite — beide sind ja grundsätzlich universalhistorisch orientiert. Als Zeitpunkt wird das Jahr 1962 herausgegriffen.

In der HZ werden in Form von Aufsätzen u. a.

folgende Themen behandelt: „Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der Fest-krönungen", „Der Linzer Vertrag zwischen Bayern und Österreich vom 11. September 1534 nach Münchner Akten", „Giovanni Giolitti und die italienische Politik im ersten Weltkriege", „Strukturen und Persönlichkeiten in der Geschichte", „Das Kaisertum Ottos des Großen. Ein Rückblick nach tausend Jahren", „Die Kladderadatschaffäre. Ein Beitrag zur inneren Geschichte des Wilhelminischen Reiches".

Die Zeitschrift für Geschichtswissenschaft brachte Aufsätze, wie die folgenden: „Versuche zur Rehabilitierung des deutschen Militarismus in der modernen bürgerlichen Historiographie", „Zur Atomrüstungspolitik des westdeutschen Imperialismus. Von MC 70 zu MC 96", „Die klerikal-imperialistische Abendlandideologie im Dienste des deutschen Imperialismus", „Messianische Bewegungen im Mittelalter", „Zur Theorie und Politik der SED in der nationalen Frage", „Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands", „Der Hauptklassengegensatz der feudalen Gesellschaft im Spiegel einiger literarischer Zeugnisse des 11. — 13. Jahrhunderts", „Friedrich Meinecke — ein Stammvater der NATO-Historiker in Westdeutschland", „Die mittelalterliche Kaiserpolitik im Spiegel der bürgerlichen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts". Die kennzeichnendste Tatsache ist indessen, daß das Heft 1 des Jahrgangs mit einem Aufsatz von Walter Ulbricht über „Das Banner der Volksdemokratie auf deutschem Boden" eröffnet wird und daß das ganze Heft 6 dem Abdruck von Ulbrichts Referat zum „Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" gewidmet ist. Zur HZ ist nachzutragen, daß sich nur unter den Miszellen ein Beitrag findet, der die Nennung des Autors erforderlich macht, nämlich Gerhard Ritters Kritik an Fritz Fischers „Griff nach der Weltmacht" unter der Überschrift „Eine neue Kriegsschuldthese?"

Es bedarf einer quantitativen Aufschlüsselung nach Themenbereichen und Allgemeinheitsgraden nicht, um das Wesentliche sichtbar zu machen: Die HZ stellt die großen Geschichtsperioden so gut wie gleichgewichtig nebeneinander, Einzelforschungen zu ganz detaillierten Themen finden ebensohäufig (oder häufiger) Platz wie Überblicke und Synthesen, die Zeitgeschichte tritt stark zurück, ohne ganz ausgespart zu werden, theoretische Beiträge sind selten, fehlen aber nicht vollständig. Dagegen rückt die Zeitschrift für Geschichtswissenschaft die Gegenwart und die unmittelbare Vergangenheit stark in den Vordergrund und stellt in diesem Rahmen Arbeiten zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands bzw.der SED an die erste Stelle, speziell unter dem Gesichtspunkt der Verbindung mit der KPdSU. Kritische, oft ungemein polemische Auseinandersetzungen mit Entwicklungen in der Bundesrepublik und besonders in der westdeutschen Historiographie stehen an Umfang kaum zurück, der ganze Rest der Geschichte nimmt vergleichsweise nur geringen Umfang ein, doch zeichnen sich die betreffenden Studien nicht selten durch ihr Niveau und durch die Energie aus, mit der sie vernachlässigte Aspekte bestimmter Themen ans Licht stellen, Aspekte freilich, die mit der Hauptfragerichtung nach den „Klassenstrukturen" bestimmter Gesellschaften sich zwanglos in das Ganze einfügen.

Auffallend ist, eine wie geringe Rolle die Sozialgeschichte und zumal deren quantifizierende Version spielt: Ideen stehen ganz beherrschend im Vordergrund, seien es die eigenen oder die gegnerischen. Das Niveau ist weitaus unterschiedlicher als in der HZ: neben sorgfältigen und gut dokumentierten Untersuchungen stehen immer wieder Beiträge, die man schwerlich anders charakterisieren kann denn als eine Art rhythmischer Hymnen mit rituellen Verdammungen. Am allerwenigsten zu übersehen ist indessen, daß die zeitgeschichtlichen und die mediävistischen Studien, die sorgfältigen und die unsorgfältigen Arbeiten durch eine allgegenwärtige und uneingeschränkt herrschende Konzeption zusammengehalten werden, zu der sich die in der HZ erkennbare und keineswegs einfach fehlende Grundauffassung verhält wie eine blasse Pastellfarbe zur intensivsten Ölfarbe. Von welcher Art kann nun das Wechselverhältnis zweier Geschichtswissenschaften sein, die so verschieden sind, daß es zweifelhaft ist, ob sie unter den gemeinsamen Begriff der „Wissenschaft" subsumiert werden dürfen? Es soll hier kein geschichtlicher Überblick gegeben werden. Bekanntlich haben die Historiker der DDR noch bis 1958 deutsche Historikertage besucht. In Trier wurden sie dann faktisch ausgeschlossen, nicht grundlos und gleichwohl zum Teil auf der Basis von Argumentationen, die wegen ihrer nationalistischen Untertöne auch in der Bundesrepublik kritisiert wurden. Seither ist auf westlicher Seite ganz überwiegend die idealtypische Möglichkeit der Ignorierung verwirklicht gewesen; wenn der Marxismus als solcher auch keineswegs vernachlässigt wurde, so wurde doch der Geschichtswissenschaft der DDR meines Wissens kein einziger Aufsatz gewidmet, bevor der neue Wissenschaftszweig der DDR-Kunde oder DDR-ologie ihr einige Aufmerksamkeit schenkte und dann „von unten her " eine gegenläufige Bewegung einsetzte, die allerdings an manchen Stellen das Verhältnis geradezu umkehrte. Auf Seiten der DDR ist das genaue Gegenteil der Fall. Wenn man von ganz wenigen Ausnahmen absieht, finden Historiker der Bundesrepublik nirgendwo in der Welt so viel Beachtung wie in der DDR. Es ist freilich eine fast ausschließlich negative Beachtung, die ganz auf die Kreise der Fachhistoriker beschränkt ist. Auch ihre üblichste Möglichkeit kann mit einem Wort beschrieben werden. Dieses Wort heißt Polemik, und es handelt sich oft genug um grob verzerrende Polemik: Ich habe vor kurzem in einer Publikation auf den symptomatischen Vorgang hingewiesen, daß ein Historiker der DDR eine von einem Gesinnungsgenossen hergestellte Paraphrase als wörtliches Zitat anführt und zur Destruktion des Gegners benutzt und ich war kürzlich selbst das Objekt einer Darstellungsweise, die ein Zitat durch Auslassungen so verändert, daß die Aussage buchstäblich in ihr Gegenteil verkehrt wird

Als erstes Ergebnis ist mithin folgendes festzustellen: Wissenschaft geht in Richtigkeit oder, wie man manchmal sagt, „Faktologie" nicht auf, aber Richtigkeit oder zumindest der Wille zur Richtigkeit sind ihr unabdingbares Moment, ob es sich um bürgerliche oder um marxistische Wissenschaft handelt. Offenkundige Verzerrungen, sinnentstellende Kürzung von Zitaten oder gar deren Fälschung, sind unter allen Umständen zu verwerfen und anzuprangern, aber sie sind um so verständlicher, je stärker eine Extremsituation den Historiker zum bloßen Exponenten seiner Gruppe macht.

II. Marx'und Engels'Begriff der Wissenschaft

Es ist indessen an der Zeit, einen weiteren Schritt zu tun und die Frage zu stellen, ob Marx oder Engels dieser Auffassung zustimmen würden — allgemeiner gesprochen: von welcher Art der Wissenschaftsbegriff der Begründer des Marxismus war.

Zunächst ist festzustellen, daß die heutigen Marxisten sich bei ihrer Kritik der bürgerlichen Geschichtswissenschaft mit Recht mindestens soweit auf Marx und Engels berufen können, als die deutsche Geschichtsschreibung und deren Traditionen gemeint sind. Marx'geringschätzige Äußerung über das „tanzende Wurzelmännchen Ranke" ist be-kannt, und Engels spricht bezüglich der kleindeutschen und der großdeutschen Richtung unter den deutschen Historikern verächtlich von „den beiden Schulen Geschichtsklitterern" Aber damit wird keineswegs ein Freibrief für jede beliebige Art des Angriffs ausgestellt. Im Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie nennt Marx seine Ergebnisse mit Nachdruck „das Ergebnis gewissenhafter und langjähriger Forschung" Bloßen Pamphleten würden Marx und Engels den Charakter der Wissenschaftlichkeit zweifellos auch dann abgesprochen haben, wenn sie den Interessen ihrer eigenen Partei dienten. Noch viel weniger würde etwa eine massenhafte Zustimmung für sie die Stelle von Argumenten eingenommen haben. Daß es für wissenschaftliche Arbeiten „nun einmal kein demokratisches Forum" gebe, ist für Engels ganz selbstverständlich; ja er scheut vor einer so traditionalistisch klingenden Wendung wie der folgenden nicht zurück: „Wenn man aber ein Ideal hat, kann man kein Mann der Wissenschaft sein, denn man hat eine vorgefaßte Meinung." Damit sind offenbar nicht nur die Ideale, Vorurteile und Parteiinteressen der anderen gemeint, denn auf eine Bitte um Stellungnahme zum Antisemitismus von der Seite Hermann Bahrs antwortet Engels im Jahre 1893, er könne in einem Augenblick, da seine deutschen Parteigenossen im Wahlkampf auch gegen antisemitische Kandidaten ständen, kein unparteiisches Urteil abgeben

Dreißig Jahre früher hatte Marx diese Auffassung auf allgemeinere Weise formuliert, als er sich in den „Theorien über den Mehrwert" mit Ricardo und Malthus auseinandersetzte:

„Einen Menschen aber, der die Wissenschaft einem nicht aus ihr selbst (wie irrtümlich sie immer sein mag), sondern von außen, ihr fremden, äußerlichen Interessen entlehnten Standpunkt zu akkomodieren sucht, nenne ich , gemein'."

Auch das unmittelbare Interesse des Proletariats oder einer Partei der Massen ist für Marx unzweifelhaft ein solcher der Wissenschaft äußerlicher Standpunkt, denn er betrachtet sich selbst qua Wissenschaftler, ja ois zu einem gewissen Grade sogar qua Poli-tiker keineswegs als Mandatar einer Gruppe; deshalb kann er erklären, er und Engels hätten ihre Bestellung als Vertreter der proletarischen Partei von niemandem als von sich selbst und deshalb stellt er in einem Brief an Kugelmann ohne jede Resignation fest, wirklich populär könnten wissenschaftliche Versuche zur Revolutionierung einer Wissenschaft niemals sein Am deutlichsten aber wird die unverrückbare Wichtigkeit, die das Postulat der wissenschaftlichen „Sorgfalt" für Marx hat, in dem jahrelangen Bemühen von seiner und Engels'Seite, den Vorwurf Lujo Brentanos zu widerlegen, in der Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation sei ein von Marx zitierter Satz Gladstones sinnentstellend angeführt, ja sogar „formell und materiell hinzugelogen" worden

Es stünde besser um die deutsche Wissenschaft, wenn diejenigen, denen unsorgfältiger Umgang mit Zitaten im Interesse einer bestimmten Partei oder gar im Zusammenhang eines Wahlkampfes vorgeworfen wird, auch nur einen kleinen Bruchteil der Mühe aufwendeten, die Marx und Engels sich machten, um den Beweis immerhin zu versuchen, daß die Vorwürfe zu unrecht bestehen. Es kann also gar keinem Zweifel unterliegen, daß für Marx und Engels Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Abstandnahme Grundpostulate der Wissenschaft schlechthin sind, die durch keinen noch so guten Willen im Dienste keiner noch so ausgezeichneten Partei zu ersetzen sind, geschweige denn durch Demonstrationen oder Gebrüll.

Freilich handelt es sich um formale Kennzeichen, um das Handwerkliche, wenn man will. Was den Inhalt angeht, so hat es manchmal den Anschein, als schreibe Marx nur der Naturwissenschaft „Treue" und in diesem Sinne Wissenschaftlichkeit zu und als sehe er in seiner eigenen Forschung eine Aufdeckung von Gesetzlichkeiten, die den Charakter der Naturwissenschaftlichkeit habe. So heißt es an einer vielzitierten Stelle im Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie: „In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz ideologischen Formen, wo-rin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten." Hier wären, ginge es um mehr als bloß um Marx'und Engels'Wissenschaftsbegriff, viele Fragen aufzuwerfen, etwa nach dem Verhältnis von einseitiger Kausalität und Dialektik, nach der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Vorstellung eines Konflikts, der vom Ausgetragenwerden grundsätzlich unabhängig ist, nach der Bedeutung des politischen Charakters des Marxismus selbst.

Im vorliegenden Zusammenhang kann es sich aber nur um das Problem handeln, ob auch die bürgerliche Wissenschaft an der für den Marxismus kennzeichnenden Fragestellung und Methode partizipiert oder nicht. Die Antwort muß lauten, daß sie nicht nur partizipiert, sondern daß sie diese Fragestellung und diese Methode geschaffen hat. In seinem bekannten Brief an Weydemeyer vom 5. März 1852 schreibt Marx: „. .. Was mich nun betrifft, so gebührt mir nicht das Verdienst, weder die Existenz der Klassen in der modernen Gesellschaft noch ihren Kampf unter sich entdeckt zu haben. Bürgerliche Geschichtsschreiber hatten längst vor mir die historische Entwicklung dieses Kampfes der Klassen und bürgerliche Ökonomen die ökonomische Anatomie derselben dargestellt. Was ich neu tat, war 1. nachweisen, daß die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; 2. daß der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; 3. daß diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet." Das heißt mit anderen Worten: Was man heute vielfach „Marxismus"

nennt — Aufweis der Existenz von Klassen, Strukturanalyse von Gesellschaften, Anerkennung des Begriffs des Klassenkampfes —, all das ist in Wahrheit und nach der klaren Aussage von Marx selbst ein Produkt der bürgerlichen Geschichtswissenschaft, wenn auch vornehmlich in ihrer französischen und englischen Gestalt.

Und man tut gut daran, sich klar zu machen, daß „Klassen" zu Marx’ Zeiten nicht wie heute eine kaum wahrnehmbare Entdeckung, sondern eine anschaubare Realität waren:

Noch bis 1869 war es in Preußen den Adligen gesetzlich verboten, Frauen aus dem niederen Bürgertum zu heiraten, und jene französischen bürgerlichen Historiker, die Marx im Auge* hat, Guizot, Mignet, die beiden Thierry, standen durchaus auf den Schultern von Dubos und Boulainvilliers im 18. Jahrhundert, also eines Priesters und eines Adligen. Und selbst wenn man den engeren der beiden Klassenbegriffe von Marx und Engels zugrunde legt, nach welchem „Stände" keine Klassen waren: was war zur Zeit des Bürgerkönigs Louis Philippe eigentlich geläufiger als die Gegenüberstellung von Bourgeoisie und Volk, ja von Bourgeoisie und Proletariern?

Was dagegen nach Marx das Spezifische seiner Lehre ist, das muß die bürgerliche Wissenschaft allerdings notwendig gerade das Unbeweisbare, das Politische, das Utopische, das Unwissenschaftliche des Marxismus nennen. Erst hier stoßen wir auf den inhaltlichen und unverrückbaren Gegensatz zwischen . bürgerlicher'und marxistischer’ Wissenschaft. Aber nicht einmal dieser Gegensatz ist absolut, denn die bürgerliche Wissenschaft ist nicht identisch mit einer ihrer Erscheinungsformen, weder mit dem Historismus der Mehrzahl der Historiker des deutschen Kaiserreiches, noch mit dem in der französischen Dritten Republik vorherrschenden Positivismus, noch mit dem Pragmatismus eines Großteils der englischen und amerikanischen Geschichtsschreiber. Sie kann es sehr wohl für wahrscheinlich halten, daß an die Stelle der „Klassengesellschaft" auf ähnliche Weise eine Nach-Klassengesellschaft tritt wie einst die Klassengesellschaft an die Stelle der Ständegesellschaft getreten ist; -sie kann die Tendenz zur Verdrängung der in der Vergangenheit führenden Gruppen und die Heraufkunft eines Zeitalters des „gemeinen Mannes" oder auch des in genügender Allgemeinheit verstandenen „Proletariers" für fundamental erklären. Aber sie vermag nicht an die zu irgendeiner Zeit mögliche Existenz einer von inneren Differenzierungen und insofern von Klassen freien Weltgesellschaft ohne verschiedene Machtzentren und insofern ohne Staaten zu glauben, in der alle Individuen der Teilung der Arbeit nicht mehr unterworfen sind. Ihr Skeptizismus gegenüber diesem Begriff der klassenlosen Gesellschaft, der das Herz des Marxismus ist, bildet die eigentliche Schranke zwischen bürgerlicher und marxistischer Geschichtswissenschaft. Die methodischen Grundpostulate dagegen sind beiden gemeinsam, und bestimmte Fragestellungen, wie Strukturanalyse, Ideologiekritik, sozialgeschichtliches oder sogar ökonomistisches Vorgehen, können beiden gemeinsam sein.

III. Macht-Marxismus, freier Marxismus und Wissenschaft

Freilich vermag die bürgerliche Geschichtswissenschaft ihren Unglauben nicht zu beweisen, denn die Zukunft gehört nicht zu ihren Gegenständen. Wohl aber kann sie in ihrem eigenen Bereich die Feststellung treffen, daß der herrschende Marxismus, fast von dem Tage an, an dem er die Macht ergriff, gerade von linken Marxisten auf das schärfste kritisiert worden ist, und zwar mit seinen eigenen Begriffen, denen der Ausbeutung, der Klasse, der Herrschaft einer Minorität über die Majorität usw., von Rosa Luxemburg, Hermann Gorter und den Kronstädter Matrosen angefangen über Arthur Rosenberg und Trotzki bis hin zu Ernst Bloch und einer jüngst erschienenen Publikation über den „Sozialismus als Staatsmacht” Daß man bezüglich der Systeme der Sowjetunion und ihrer Bündnis-partner sowie der VR China höchstens abkürzend und am besten in Anführungszeichen von „Sozialismus” sprechen dürfe, hat die heimatlose Linke von einst und die Neue Linke von gestern und heute mit stärkerem Nachdruck hervorgehoben als irgendein Vertreter der bürgerlichen Geschichtswissenschaft. Es ist also notwendig, einen Macht-Marxismus und einen freien Marxismus zu unterscheiden, die zwar beide marxistische Begriffe verwenden, aber über einen verschieden großen Bereich hin. Und da sticht nun der Tatbestand ins Auge, daß der Macht-Marxismus im engsten Sinne eine „Staatswissenschäft" ist, der selbst diejenige Distanz vom eigenen Staat und der eigenen Regierung fehlt, die sich sogar bei den entschiedensten Verfechtern des „bürgerlichen Klasseninteresses" auf der Seite der bürgerlichen Wissenschaft findet, und daß der freie Marxismus umgekehrt weiter nichts als die radikal und total gewordene Erscheinungsform dieser Distanz und insofern einen idealtypisch konstruierbaren Pol der bürgerlichen Wissenschaft darstellt. Während also der freie Marxismus im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft und der bürgerlichen Wissenschaft, die sein Lebensboden sind, eine außerordentlich forttreibende Rolle spielen kann, ist die Geschichtswissenschaft im Rahmen des Macht-Marxismus ein Faktor ohne Autonomie und eigene motorische Kraft, der durch rigide und fast stets interiorisierte Frageverbote gekenn-zeichnet ist — wo sich auf der Basis einer alten Tradition und infolge besonderer Verhältnisse Ansätze zu einer solchen Autonomie und Spontaneität fanden, wurden sie ihrer Virulenz beraubt oder mit Gewalt zerschlagen, wie im Falle der tschechoslowakischen Historiker, deren ich hier mit Bewegung gedenke.

Aber die bürgerliche Geschichtswissenschaft ist in der Lage und gezwungen, noch eine zweite Unterscheidung innerhalb des Marxismus vorzunehmen. Es ist nicht bei dem einen Macht-Marxismus, der Sowjetunion oder dem „chinesisch-sowjetischen Block" geblieben, sondern bereits 1964 sprach die Prawda von dem „Kalten Krieg", den die chinesischen Führer gegen die Sowjetunion führten und seitdem ist der chinesisch-sowjetische Konflikt längst zu einer Konstante der Weltpolitik geworden, der zugleich die kommunistischen Parteien der Welt mehr oder weniger in zwei Lager gespalten hat. Heute muß die Frage erlaubt, ja geboten sein, ob nicht der Marxismus am Ende, statt den Streit der Staaten zu überwinden, ganz im Gegenteil dazu dienen könnte, diesen Streit zu verschärfen, vorausgesetzt, daß es sich um gleichrangige Staaten handelt; und man wird es mindestens für möglich halten müssen, daß eine Welt, die unter vier oder fünf marxistische Großstaaten geteilt wäre, von ihrer Einheit weiter entfernt wäre als ein bürgerliches System von 100 Nationalstaaten, die im Verhältnis des Wechsel-austausches und damit freilich auch dessen ständen, was Marxisten Neoimperialismus und Neokolonialismus nennen müssen.

über diese Unterscheidungen hinaus wird die bürgerliche Geschichtswissenschaft zu folgenden Feststellungen über den Marxismus und seine Art der Wissenschaft kommen müssen: . Der Gegensatz von Macht-Marxismus und freiem Marxismus ist leicht begreiflich, denn der Marxismus von Marx und Engels ist zu einem wesentlichen Teil eine Synthese des bürgerlichen Fortschrittsglaubens mit seinem Optimismus der Produktionssteigerung und des Primitivismus der frühen Sozialisten, der sich an den ältesten und in Resten auch im 18. und 19. Jahrhundert noch überlebenden Lebensformen der Menschheit orientiert, der Sippenbrüderlichkeit Und der Dorfdemokratie.

Bei Marx finden sich sowohl Aussagen, die seine Lehre als Gipfelpunkt der Aufklärung hinstellen, wie auch Thesen, die sie gerade als Potenzierung der romantischen Reaktion gegen die Aufklärung erscheinen lassen

Diese beiden nur in gedanklicher Konstruktion zu verschmelzenden Elemente zerfallen notwendig, sobald das Feld des Gedankens verlassen wird. Und schließlich zeigt sich, daß die Vorstellung der klassenlosen Gesellschaft als einer Art global gewordener Sippendemokratie nichts anderes ist als die Verdinglichung einer regulativen Idee, um kantische Begriffe anzuwenden.

Die bürgerliche Geschichtswissenschaft ist also keineswegs nur der passive Gegenstand der Kritik der marxistischen Geschichtswissenschaft, sondern sie übt ihrerseits Kritik, und zwar eine umfassende und grundlegende Kritik. Sie tut es, indem sie die simple Gegenüberstellung gleichgewichtiger Größen gerade nicht akzeptiert. Bürgerliche und marxistische Geschichtswissenschaft sind nicht kontradiktorische Gegensätze, sondern stehen in einer viel komplizierteren Beziehung, die sowohl für Übereinstimmung wie für Gegensatz wie für ein Fundierungsverhältnis Raum hat. Diese Beziehung entspricht in abgewandelter Form dem Verhältnis der bürgerlichen und der marxistischen Staaten. Es handelt sich dabei offenbar nicht um ein Verhältnis des historischen Nacheinanders, wie es eine naive Orthodoxie will, denn schon Lenin und nach ihm Stalin hatten ein klares Bewußtsein davon, daß der „Sozialismus" ihres Landes ein „anderer" und schwererer Weg war als derjenige der . fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten'und nicht etwa eine , höhere Stufe'implizierte, hinter der die bürgerlichen Staaten „um eine ganze historische Epoche zurück" wären. Der „Kapitalismus" des Westens ist vielmehr eine auf ganz spezifischen historischen Voraussetzungen beruhende Entwicklung, welche diese spezifischen Voraussetzungen zwar verändert, aber nie beseitigt hat, ja in ihrer Existenz von ihnen abhängig blieb. Eine dieser Voraussetzungen war jener Ständestaat, von dem Otto Hintze als von der weltgeschichtlichen Vorbedingung der Repräsentativverfassung gehandelt hat, eine andere war die Nicht-Identität von Staat und Kirche, eine dritte die relative Autonomie der Wissenschaft, eine vierte die Herausbildung eines relativ unpolitischen Unternehmertums, dem die Wirtschaft oder große Teile davon als scheinbare Privatangelegenheiten überlassen wurden.

Nur aus dem weithin zufälligen und ungeplanten Zusammenwirken jener Faktoren entwickelte sich jene ungeheure, weltumfassende und für jedes einfache Empfinden „unnatürliche" Dynamik, welche die Grundvoraussetzung der modernen Weltgeschichte ist und vom Marxismus in holzschnittartiger Vereinfachung als „Kapitalismus" bezeichnet wird.

Aber daß das Unternehmertum bis heute gerade nicht eine politische Klasse geworden ist, daß es zu keiner Zeit wirklich geherrscht hat, sondern Faktor unter Faktoren blieb, und zwar ein gegen sich selbst teilbarer Faktor — gerade das ist ein Grundkennzeichen für alle Stärken und alle Schwächen dieser eigenartigsten und schwierigsten aller gesellschaftlichen Formationen der Weltgeschichte. Und ihr gegenüber sind die marxistischen Staaten bis heute Konzentrations-und Mobilisationserscheinungen gewesen, gelenkt von einer neuartigen Klasse, einem „Körnchen", um Lenin zu zitieren das alles umgestalten will und alles umgestalten wird, einer Klasse, welche man als Ersatzbürgertum oder besser als politisches Bürgertum bezeichnen kann, dessen Macht ungeteilt, unverschleiert und nicht privat und dessen unselbständiger Ausfluß die Geschichtswissenschaft der Macht-Marxismen ist.

Es könnte nun der Eindruck entstehen, als solle durch diese Ausführungen der Absolutheitsanspruch der marxistischen Geschichtswissenschaft durch den der bürgerlichen Geschichtswissenschaft ersetzt werden, und die bedingungslose Apologie der eigenen Gesellschaft und des eigenen Staates ahme die spaltenlose Einheit der marxistischen Geschichtswissenschaft und des marxistischen Staates nach. Dieser Eindruck wäre ganz unrichtig. Es ist zwar wahr, daß die bürgerliche Geschichtswissenschaft hinsichtlich der Geschichte der eigenen Gesellschaft nicht von der unbegrenzten Empörung über die Ausbeutergesellschaft erfüllt sein kann, die trotz aller Herausstellung „fortschrittlicher Tendenzen" eben doch das Grundpathos aller marxistischen Geschichtsschreibung ist. Ihr Grund-wille muß vielmehr das Verstehen sein, da dieses Pathos eng mit jenem verdinglichenden Glauben und dem daraus resultierenden Vorrang der politischen Praxisbezogenheit vor der Einzelerkenntnis verknüpft ist, dem ihre Skepsis gilt, und ihr Wille schließt die Einsicht ein, daß es eine isolierte und funktionslose „Ausbeutung" nur in ganz bestimm-ten historischen Perioden gibt, daß in aller Regel also Ausbeutung und Organisierung bzw. Leitung zusammenfallen und daher die Leistungen der „herrschenden Klassen" über einen keimfrei herauspräparierten und übrigens ständig wechselnden Sektor der „fortschrittlichen Kräfte" hinaus gewürdigt werden müssen.

Aber „die bürgerliche Wissenschaft" ist noch weniger eine platonische und unveränderliche Entität als die marxistische. Heute sind z. B., ganz anders als im 19. Jahrhundert, die Historiker der Bundesrepublik Deutschland und diejenigen der Vereinigten Staaten eng miteinander verbunden, und sie bilden in gewisser Hinsicht eine einzige große Arbeitsgemeinschaft. Es ist sicherlich nicht ganz ohne Grund, wenn Gerhard Lozek von den NATO-Historikern sprach und Friedrich Meinecke als einen ihrer Stammväter bezeichnete, aber es dürfte eine Ursache legitimen Stolzes sein, daß auch in der schärfsten Phase des Kalten Krieges der komplementäre Ausdruck „Warschauer Pakt-Historiker" meines Wissens in keinem Organ unserer Wissenschaft je aufgetaucht ist. Und es versteht sich daher auch ganz von selbst, daß eine distanzlose Verherrlichung des Bismarck-Reiches außer jeder Möglichkeit liegt und daß jene kritischen Gesichtspunkte stark in den Vordergrund getreten sind, die in der amerikanischen Geschichtsschreibung schon seit langem vorherrschend sind. Das gleiche gilt in noch viel stärkerem Maße für das Dritte Reich und für die Epoche des Faschismus.

Aber die spezifische Schwierigkeit und damit der Rang der Aufgabe besteht doch gerade in der Forderung, sich nicht mit der Heraus-stellung der Diskontinuität oder mit der Empörung über die Kontinuität zu begnügen, sondern sowohl die Diskontinuität wie die Kontinuität anzunehmen und denkend, zu erfassen. Kein Staatsmann, ob Amerikaner oder Russe, und kein ausländischer Geschichtsschreiber kann uns deutschen bürgerlichen Historikern diese Aufgabe abnehmen, die niemals perfekt lösbar ist und Irrtümer, sogar gravierende Irrtümer, unvermeidbar macht, die aber gerade durch ihre Schwierigkeit das Denken anzieht und seiner würdig ist.

Der freie Marxismus hat es mit Hilfe seines archimedischen Punktes viel einfacher, und wir tun gut daran, ihn als Orientierungspunkt stets im Auge zu behalten. Der Macht-Marxismus steht vor einer immerhin vergleichbaren Aufgabe, derjenigen nämlich, den Stalinismus ernsthaft zu seinem Gegenstand zu machen, wie übrigens auch die westliche Sozialdemokratie, und sich nicht mehr mit den ganz un-marxistischen Phrasen vom unglückseligen Personenkult und vom verwerflichen Verrat korrumpierter Arbeiterführer zu begnügen. Es ist empfehlenswert, diese Parallele nicht aus dem Blickfeld zu verlieren.

IV. Schlußfolgerungen, zumal für die Freie Universität Berlin nach dem „Ende des Kalten Krieges"

Ich fasse zusammen und ziehe einige abschließende Schlußfolgerungen:

Bürgerliche und marxistische Geschichtswissenschaft sind nicht Gegensätze wie Schwarz und Weiß und auch nicht Gegensätze wie Schwarz und Nicht-Schwarz. Es gibt einen wichtigen Bereich formaler Übereinstimmung, der es rechtfertigt, von beiden als „Wissenschaft" zu sprechen. Es gibt einen unaufhebbaren und zentralen Gegensatz, der aber nicht auf der gleichen Ebene liegt, und es gibt ein Fundierungsverhältnis, das die bürgerliche Wissenschaft als die originalere, umfassendere und schwierigere erscheinen läßt. Beide stehen in einem eigenartigen und durchaus unterschiedlichen Verhältnis zu bestimmten Gesellschaftsformen, wobei ein Vorrang des „bürgerlichen" Systems der ursprünglich europäischen liberalen Gesellschaft schon darin deutlich wird, daß eine der Richtungen, in die der Marxismus zerfällt, zu ihm gehört und nur in seinem Rahmen existieren kann, während bisher nichts Vergleichbares auf der anderen Seite vorhanden ist. Aber dieses europäische System ist, um noch einmal Marx zu zitieren, „kein fester Kristall" und seine spezifische Beweglichkeit gründet nicht zuletzt darin, daß es eine relativ autonome Wissenschaft zu seinen Elementen zählt, die sich selbst und die Gesellschaft, in der sie lebt, stets von neuem, wenn auch nicht auf absolute Weise, in Frage stellt und doch auch gerade dadurch versteht und insoweit rechtfertigt.

Die Wissenschaft des Macht-Marxismus dagegen war bisher stets die Wissenschaft eines* bedrängten, in einem mühevollen Prozeß des „Einholens" und „Sich-Behauptens" begriffenen Staates, dem in seiner kriegsartigen Mobilisiertheit jenes Entspanntsein fehlte, in dem allein so etwas wie eine relativ autonome Wissenschaft existieren kann. Aber wie der freie Marxismus, mit dem er insofern übereinstimmt, hat er doch mindestens in der Idee immer an jenem Universalismus der Perspektive festgehalten, der den Marxismus als solchen jeder bürgerlichen Wissenschaft überlegen machte, die sich in ihrem Nationalstaat oder in ihrer Fachmethodik einschloß. Diese Thesen werden zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Orte aufgestellt. Ich würde keine Vorlesung über den Kalten Krieg ankündigen, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß diejenigen mindestens in einem bestimmten Sinne recht haben, die das Ende des Kalten Krieges für gekommen hal-ten. Der Kalte Krieg war dadurch gekennzeichnet, daß durch ein ganzes Geflecht von Ereignissen, Meinungen und Handlungen in der westlichen Welt ein immerhin einigermaßen vergleichbarer Zustand der Gespanntheit und weitgehenden ideologischen Übereinstimmung entstand, wie er im Bereich des Macht-Marxismus von Anfang an selbstverständlich war. Dabei hat der freie Marxismus zeitweise in vorderster Front gefochten. Aber diese Art Spannung, dieser neue dreißigjährige Krieg, war dem System nicht natürlich, und so ging sie Schritt für Schritt zurück. Keine Institution mußte diese Veränderung stärker spüren als diese Universität, die ihre Gründung der schärfsten aller Spannungsphasen verdankt. Keine befindet sich während einer Periode, die kein Krieg mehr sein kann und noch kein Frieden sein darf, in einer schwierigeren Situation als sie. Mir scheint, daß folgende Schlußfolgerungen unausweichlich sind:

Der freie Marxismus hat einen legitimen Platz an dieser Universität und an anderen Universitäten der westlichen Welt, sofern er sich darüber Rechenschaft gibt, daß die sehr unvollkommene, aber gerade in ihrer Unvollkommenheit reale Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft für ihn in einem noch weit präziseren und unaufhebbareren Sinne mit Engels'

Worten „Luft, Licht und Ellbogenraum" ist als für die Arbeiterbewegung und sofern er seinen Platz verläßlich neu bestimmt, hat: jenseits (oder diesseits) beider Hauptgesellschaftsformen und doch -innerhalb der einen von beiden, forttreibendes Element und dennoch kritisch nicht nur gegenüber „den anderen". Dem Macht-Marxismus und seinen Anhängern sollte eine Gastrolle und Rederecht gewährt werden, obgleich volle Reziprozität — unter abstrakten Gesichtspunkten allein gerecht — nicht verlangt werden kann. Aber eine gewisse Wechselseitigkeit ist, wir mir scheint, unverzichtbar, und wir sollten nur mit solchen Historikern der DDR oder der Sowjetunion diskutieren, die von jenem Niveau geprägt sind, für das zu Beginn Beispie-le gegeben wurden, und nicht von jener Niveaulosigkeit, die uns auch an Beispielen entgegengetreten ist.

Diese Auffassungen mögen Verwunderung er-regen, und sie werden Widerspruch hervörrufen, nicht nur bei Marxisten. Ich verstehe und würdige die große Sorge, die sich angesichts der neuen Ungleichheit der Situation und ihrer ersten Auswirkungen so vieler Menschen und so vieler Wissenschaftler bemächtigt hat. Es birgt ohne jeden Zweifel größte Risiken in sich, wenn bürgerliche und marxistische Wissenschaftler, wenn Menschen, die primär an der Richtigkeit der Erkenntnis, und Menschen, die primär an der Wirkung politischer Praxis interessiert sind, in diesem Teile der Stadt in ein wie immer geartetes Verhältnis gebracht werden, von dem im anderen Teile der Stadt überhaupt keine Rede sein kann. Aber ich glaube, wir dürfen auf die Kraft des Denkens vertrauen, des Denkens, das ja sehr rasch zeigt, daß die Entgegenstellung, von der wir ausgegangen sind, unzutreffend ist. Und was ist Denken anderes als die Weise, in der sich der Mensch als endliches und historisches Wesen immer von neuem in ein Verhältnis zum Ganzen setzt? Eine Lehre, die dieses Verhältnis für alle Zeiten und für ein nachgeschichtlich-vollkommenes Wesen festzulegen versucht, kann nicht wahr sein. Der Marxismus will das nicht, aber mit einem Teil der Tradition, die er zu seiner Einheit verknüpft hat, müßte er es wollen. Auch dem Marxismus steht das Denken noch bevor, ganz wie die Geschichte den Charakter seiner Staaten nicht unangetastet lassen wird.

Den Spielraum zu bilden, in dem neue Entwicklungen ihren Anfang nehmen können, in dem eines Tages vielleicht auch Politiker und Historiker der DDR den Fortschritt machen, den Friedrich Engels schon vor 80 Jahren machte indem auch sie zuzugestehen wa-gen, die Geschichte habe ihnen in wesentlichen Punkten unrecht gegeben — das könnte für den freien Teil Berlins und seine Freie Universität eine Aufgabe sein, welche derjenigen an Wichtigkeit nicht nachstände, die sie im Kalten Krieg erfüllten, vorausgesetzt, daß nicht bloße Schlaffheit oder naive Vertrauensseligkeit den tragenden Grund ausmachten. Ich würde indessen mißverstanden, wenn die Meinung aufkäme, ich wolle mich nach politischen Auswegen und raffinierteren Instrumenten, den Gegner zu schwächen, auf die Suche machen. Was ich meine, läßt sich abschließend und abkürzend vielleicht am ehesten folgendermaßen formulieren: Die Geschichte dieses Jahrhunderts hat uns alle, bürgerliche Wissenschaftler und Marxisten in allen jeweiligen Spielarten, so sehr durchrüttelt und in unseren liebsten Annahmen erschüttert, daß wir allesamt aufhören sollten, Rechthaber zu sein, und anfangen müssen, Mit-Denker zu werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bernard Willms, Marxismus — Wissenschaft — Universität. Zwölf Thesen, Düsseldorf 1971.

  2. Kritik der bürgerlichen Geschichtswissenschaft I, in; Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften, Nr. 70, Sonderband, Berlin 1972.

  3. Ernst Engelberg, Die Aufgaben der Historiker der DDR von 1964 bis 1970, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, XII. Jg. 1964, S. 388— 402; ders., über Gegenstand und Ziel der marxistischleninistischen Geschichtswissenschaft, ebenda, 1968, S. 1117— 1145; ders., über Theorie und Methode in der Geschichtswissenschaft, ebenda, 1971, S. 1347 bis 1366. Vgl. ferner Ernst Diehl, Zu einigen Problemen und Aufgaben der Geschichtswissenschaft der DDR in der gegenwärtigen Etappe, ebenda, 1969, S. 1393— 1402, und Gerhard Lozek, Zur Methodologie einer wirksamen Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Geschichtsschreibung. Das Problem der Strukturelemente und die Hauptrichtung der Auseinandersetzung, ebenda, 1970, S. 608- 616.

  4. Engelberg, a. a. O., 1968, S. 1129.

  5. Engelberg, a. a. O., 1964, S. 391.

  6. Lozek, a. a. O„ 1970, S. 611.

  7. Engelberg, a. a. O„ 1964, S. 388, 399.

  8. Diehl, a. a. O., 1969, S. 1397.

  9. Engelberg, a. a. O., 1964, S. 388.

  10. Engelberg, a. a. O., 1964, S. 393.

  11. Lozek, a. a. O., 1970, S. 613.

  12. Engelberg, a. a. O., 1971, S. 1360.

  13. R. V. Vjatkin/S. L. Tichvinskij, über einige Fragen der Geschichtswissenschaft in der Volksrepublik China, a. a. O., S. 403— 422.

  14. S. 172— 180.

  15. S. 172.

  16. S. 173

  17. S. 174.

  18. S. 173, 174, 179.

  19. S. 177.

  20. Ebenda.

  21. S. 172.

  22. Vgl. Ernst Nolte, Ideologie, Engagement, Perspektive, in: Geschichte heute. Positionen, Tendenzen und Probleme, hrsg. von Gerhard Schulz, Göttingen 1973, S. 292.

  23. Vgl Ludwig Elm, Hochschule und Neofaschismus. Zeitgeschichtliche Studien zur Hochschulpolitik in der BRD, Berlin (Ost) 1972, S. 250 f.

  24. Karl Marx, Friedrich Engels, Werke (MEW), Berlin 1956 ff., Bd. 30, S. 432.

  25. Ebenda, Bd. 32, S. 452.

  26. Ebenda, Bd. 13, S. 11.

  27. Ebenda, Bd. 34, S. 286.

  28. Ebenda, Bd. 36, S. 198.

  29. Ebenda, Bd. 39, S. 79.

  30. Ebenda, Bd. 26, 2, S. 112.

  31. Ebenda, Bd. 29, S. 436.

  32. Ebenda, Bd. 30. S. 640.

  33. Ebenda, Bd. 18, S. 89, bes. Bd. 22, S. 93— 185.

  34. Ebenda, Bd. 13, S. 9.

  35. Ebenda, Bd. 28, S. 507 f.

  36. Der Sozialismus als Staatsmacht. Ein Dilemma und fünf Berichte, in: Kursbuch 30, Berlin 1972.

  37. Europa-Archiv, 1964, Zeittafel, unter 2. 9.

  38. MEW, a. a. O., Bd. 32, S. 51.

  39. W. I. Lenin, Werke, Bd. 33, Berlin 19663, S. 428.

  40. MEW, a. a. O„ Bd. 23, S. 16.

  41. Ebenda, Bd. 35, S. 270.

  42. Ebenda, Bd. 7, S. 514, 516.

Weitere Inhalte

Ernst Nolte, geboren 1923 in Witten (Ruhr), seit 1965 ord. Professor für Neuere Geschichte an der Philipps-Universität Marburg, folgte zum Sommersemester 1973 einem Ruf an das Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Der Faschismus in seiner Epoche, München 1963; Theorien über den Faschismus, Köln 1967 (Hrsg.); Die Krise des liberalen Systems und die faschistischen Bewegungen, München 1968.