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Empirische Forschung und Geschichtsdidaktik Zu einigen neueren Veröffentlichungen | APuZ 33/1975 | bpb.de

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APuZ 33/1975 Artikel 1 Vorüberlegungen zu einem problemorientierten Geschichtsunterricht im sozialwissenschaftlichen Lernbereich Empirische Forschung und Geschichtsdidaktik Zu einigen neueren Veröffentlichungen

Empirische Forschung und Geschichtsdidaktik Zu einigen neueren Veröffentlichungen

Hilke Günther-Arndt

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die im Literaturbericht vorgestellten empirischen Untersuchungen von Filser, Wiese-müller, Anwander, Harnischfeger und Müller beziehen sich auf die Kenntnis von historischen Zusammenhängen, Einstellungen und Vorurteilen von Schülern zu historischen Personen, Ereignissen und Prozessen wie zum Geschichtsunterricht allgemein. Bei aller Vielfalt der Fragestellungen gibt es übereinstimmende Ergebnisse, die als Ausgangspunkt neuer Forschungsprojekte dienen könnten. Ohne Zweifel muß die empirische Forschung weiterhin zu den „Defiziten der Geschichtsdidaktik" (Rohlfes) gerechnet werden. Neben den fehlenden Forschungsmitteln für die Geschichtsdidaktik ist für diesen Zustand auch der geringe Stellenwert der empirischen Forschung an der geschichtsdidaktischen Ausbildung verantwortlich. Die Geschichtsdidaktik wird sich trotz aller berechtigten Einwände gegen Methoden und Ergebnisse empirischer Forschung verstärkt um die Erhellung der Voraussetzungen und Wirkungen des Geschichtsunterrichts und der Unterrichts-und Lernprozesse bemühen müssen. Ohne diese — wenn auch schwierig zu realisierende — empirische Absicherung wird die Curriculumreform im Fach Geschichte Stückwerk bleiben.

Lange Zeit beschränkte sich die Diskussion in der Geschichtsdidaktik auf die Inhalts-problematik und — relativ unvermittelt dazu — einige methodische Fragen, besonders die Anwendung von Quellen im Unterricht: Eine empirische Erforschung der Voraussetzungen und Auswirkungen des Geschichtsunterrichts, der historischen Begriffsbildung und des historischen Denkens bei Schülern gab es kaum. In einer knappen Übersicht über die empirische Forschung in der Fachdidaktik zählt Filser 1972 die vorliegenden Untersuchungen zu den psychologischen Voraussetzungen, zur Effektivität des Geschichtsunterrichts und zur Analyse von Schulbüchern auf: eine quantitativ knappe Ausbeute von acht Titeln, die überwiegend vor mehr als zehn Jahren veröffentlicht wurden

Angeregt durch die empirische Sozialforschung und die . realistische Wendung'(Roth) in den Erziehungswissenschaften, vollzieht sich auch in der Geschichtsdidaktik ein Wandel. In den 1971 erschienenen „Umrisse(n) einer Didaktik der Geschichte" zählt Rohlfes die „empirische Forschungsarbeit" ausdrücklich zu den Defiziten der Geschichtsdidaktik auf der Göttinger Tagung der Fachgruppe Geschichte 1973 werden in einer Resolution „Mittel für empirische Forschung" gefordert und 1974 hebt eine Arbeitsgruppe des Historikerverbandes die empirischen Forschungsaufgaben der Geschichtsdidaktik ausdrücklich hervor: „Die Aufgaben einer , Didaktik der Geschichte’ liegen auf drei Ebenen: sie hat empirisch zu untersuchen, wie in der Gesellschaft in den verschiedensten Schichten, auf verschiedenste Weise, mit den unterschiedlichsten Mitteln, Ergebnissen und Folgen dieses Bedürfnis (durch Geschichte die eigene Identifikation zu gewinnen und zu kritisieren; d. Verf.) befriedigt wird; sie hat die Normen aufzufinden, zu kritisieren und zu definieren, die, gemessen am Selbstverständnis unserer Zeit, den Prozeß der Rezeption unseres Geschichtsverständnisses bestimmen; sie hat schließlich — für den intentionalen Bereich 'dieses Vermittlungsprozesses — die Voraussetzungen zu klären, die Methoden und Materialien zu entwickeln, die Inhalte und Problemstellungen zu definieren, an denen dieser Vorgang gegenwärtiger Selbstvergewisserung durch Vergewisserung der Vergangenheit verantwortbar und begründbar zu leisten ist."

Nimmt man diese Aufgabenbestimmung ernst, wird die Geschichtsdidaktik einen Schwerpunkt ihrer Forschungsarbeit auf empirische , Forschung zu verlegen haben. Der Realisierung dieses Anspruchs stand bisher vor allem zweierlei im Wege: 1) die zu geringe Ausstattung der Pädagogischen Hochschulen mit Forschungsmitteln; 2) die „Herkunft" der Geschichtsdidaktiker, die in der Regel ausschließlich eine geschichtswissenschaftliche Ausbildung haben und selten die Forschungsmethoden und -praxis der modernen Erziehungswissenschaften kennen. 4 Diese nicht zu unterschätzenden Hemmnisse für die Geschichtsdidaktik auf dem Wege zu einer empirischen Wissenschaft werden verstärkt durch die Zweifel am Aussagewert von Ergebnissen aufgrund traditioneller empirischer Verfahren. Insbesondere die Befragungstechniken, die experimentellen Anordnungen und die Quantifizierungsmodelle für Bewußtseinsprozesse und soziale Verhältnisse werden gegenwärtig kritisch diskutiert, ohne daß die Notwendigkeit empirischer Forschung in Frage gestellt wird In den Erziehungswissenschaften hat der selbst gestellte Anspruch auf Überprüfung von Lernzielen zu neuen Ansätzen in der Schul-und Unterrichtsforschung geführt Die Neuartigkeit und die Komplexität von Forschungsstrategien im Bereich der Handlungsforschung, der Curriculumevaluation und der politischen Sozialisation sollte freilich kein Hindernis für empirische Arbeiten im Bereich der Geschichtsdidaktik sein, sondern eher ein Stimulans, mit bisher kaum erprobten Methoden und Verfahren die Voraussetzungen und die Wirkungen des Geschichtsunterrichts zu messen.

Die im folgenden vorgestellten empirischen Untersuchungen sind zum Teil schon Mitte der sechziger Jahre konzipiert worden. Sie zeigen in Ansätzen, welche methodischen Möglichkeiten und Aufgaben sich für die Zukunft ergeben. Die Ergebnisse der Befragungen und Beobachtungen sind trotz der aufgezeigten Schwächen in Fragestellung und Methode sowohl für den eher an Forschungsproblemen Interessierten als auch für den Lehrer in seiner täglichen Unterrichtsarbeit relevant, was eine ausführliche Darstellung und Kritik legitimiert.

I. Wissen und Kenntnis von historischen Zusammenhängen bei Hauptschulen

Mit einer 1967 durchgeführten Erhebung will Filser die Fragen klären: „Was leistet der Geschichtsunterricht in der Volksschule? Wie erfüllen-sich die Erwartungen, die, niedergelegt in Lehrplänen und Richtlinien, an dieses Fach gerichtet sind? Welche Ergebnisse zeitigt dieser Unterricht heute?" (S. 8) Zur Klärung dieser global formulierten Fragen stellt der Autor einen Zielkatalog für den Geschichtsunterricht aus den „Richtlinien für die bayerischen Volksschulen" vom 10. 6. 1966 auf und entwickelt daraus den Fragebogen für seine Untersuchung. Die Schwierigkeit, die allgemeinen Ziele des Lehrplans zu operationalisieren, umgeht Filser mit dem Hinweis auf noch nicht vorhandene Methoden der Unterrichtsforschung und trifft für seine Untersuchung die Entscheidung: „Der meßbare Bereich geschichtlicher Bildung ist weitgehend identisch mit dem Fundament von Kenntnissen und Vorstellungen, das im Unterricht unter Anwendung angemessener Verfahren (darbietende und erarbeitende Formen) geschaffen werden muß. Ohne die hinreichende Kenntnis des historischen Gegenstandes ist historisches Verständnis nicht möglich." (S. 10) Der Schüler-fragebogen enthält infolgedessen auch überwiegend Wissensfragen, nur zwei Fragen (Juden, Folgen des Zweiten Weltkrieges) fordern indirekt zu Stellungnahmen heraus. Methodisch geht Filser dann so vor, daß er aus der Kombination von Wissensfragen zu einem Bereich auf historisches Verständnis im allgemeinen schließt.

Das Ergebnis der Befragung (n = 1726 Schüler aus der Oberpfalz) läßt sich in dem Satz zusammenfassen, daß der Wissensumfang der Schüler bei den einzelnen Fragen sehr unterschiedlich war und das historische Verständnis — gemessen mit dem von Filser angewandten Verfahren — außerordentlich diffus genannt werden muß. Am geringsten waren sowohl Faktenwissen als auch Kenntnis der Zusammenhänge bei den Fragen zu Karl Marx, zur russischen Geschichte und zur Weimarer Republik; die höchsten Werte erzielten Fragen zur jüngsten Vergangenheit und ein arrangement test zu wichtigen Geschichtszahlen (S. 22 f.).

Im dritten Kapitel versucht der Autor die „niederschmetternden" (S. 67) Eindrücke zu analysieren. Ohne weiter auf die empirische Untersuchung einzugehen, die wohl nur den Zweck hatte, die mangelnde Effektivität des Geschichtsunterrichts (S. 7 ff.) zu beweisen, folgt ein kurzer Abriß über die Geschichtsdidaktik und -methodik. Die Kritik an der Geschichtserzählung und den überwiegend darbietenden Methoden im Geschichtsunterricht (S. 69— 76), die durch einige Schüleräußerungen aus der Befragung illustriert wird, ist sicher berechtigt, doch brauchte man wohl kaum eine empirische Untersuchung, um diese methodische Einseitigkeit des Geschichtsunterrichts zu belegen. Auch was Filser zum „jugendlichen Geschichtsverständnis“ und zur Beliebtheit des Faches Geschichte referiert, bietet keine neuen Gesichtspunkte. Hier hätte man sich eine gründlichere Auswertung der empirischen Daten gewünscht: Besteht ein Zusammenhang zwischen sozialem Status und Geschichtsverständnis? Gibt es in der Stichprobe nachweisbare Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen? Besteht ein signifikanter Unterschied zwischen Schülern aus voll ausgebauten und aus ein-und dreiklassigen Schulen? (Die Daten lagen vor — S. 11 ff.). Auch wenn man von der Stichprobe nicht auf die Grundgesamtheit aller Schüler in der Bundesrepublik schließen kann, ließen sich doch Tendenzen erkennen und vielleicht Hinweise für die Geschichtsdidaktik ableiten. Der Aufwand für die relativ große Stichprobe hätte eine intensivere Auswertung der Erhebungsdaten verdient.

In den Ausführungen über die „Ziele des Geschichtsunterrichts" (S. 90— 101) kritisiert Filser zu Recht die mangelnde Berücksichtigung der Geschichtswissenschaft im Bereich der Volksschulgeschichtsdidaktik. Die Aufhebung der Distanz zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik bildet für Filser eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erneuerte Geschichtsdidaktik (S. 115 ff.), allerdings mit der Einschränkung, daß der Geschichtswissenschaft bei der Lernzielfindung und -formulierung keine „regulative Funktion“ zukomme.

Neben den Zielproblemen werden die methodischen Fragen in den Vordergrund gerückt. Die „Erstarrung des Geschichtsunterrichts“ soll durch eine stärkere Betonung des . Forschungscharakter(s) dieses Faches' (S. 120) aufgehoben werden. Das vorgeschlagene methodische Verfahren entspricht in weiten Bereichen dem regressiv-diachronischen Ansatz von Hans Süssmuth. Die stärkere Berücksichtigung selbständiger Schülerarbeit mit Quellen oder anderen Materialien wird sich nach Filser positiv auf die Effektivität und die Beliebtheit des Faches Geschichte auswirken. (S. 123)

Zusammenfassend: Wer in dieser Untersuchung Hinweise auf spezifische Defizite des Geschichtsunterrichts sucht, wird sicher enttäuscht. Belegt werden in der Untersuchung relativ geringe Kenntnisse der Schüler bei den vorgelegten Fragen. Die Standortbeschreibung der Geschichtsdidaktik und die Vorschläge für einen reformierten Geschichtsunterricht beziehen sich nur insofern auf die empirische Erhebung, als diese einen schon vorher bekannten desolaten Zustand bestätigt. (Freilich: Effektivitätsprüfungen in Form von Wissensfragen nach Schulabgang würden wohl auch für Mathematik, Biologie oder Erdkunde keine glänzenden Ergebnisse bringen!)

II. Der Nationalsozialismus — nach wie vor ein Bewältigungsproblem?

In einer einleitenden Bemerkung zur Zielsetzung der Schülerbefragung zur Zeitgeschichte stellt Wiesemüller — in Kenntnis und als Interpretation seiner Daten — die These auf, daß der Bezug der Gegenwart zur Vergangenheit von den Schülern nicht gesucht, sondern verdrängt wird (S. 31). Als Erklärung dienen ihm die „Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit". Die Fragen, die der Autor sich stellt, sind für den Geschichtsunterricht generell von Bedeutung: — „Haben die Jugendlichen Vorurteile, Klischees und Ressentiments (der) Erwachsenen übernommen?", das heißt, ist nicht nur die unmittelbar betroffene Generation unfähig, den Nationalsozialismus historisch zu erklären, zu verstehen, zu beurteilen? — „Oder ist es etwa die . überwältigende Gegenwart', die in den Jugendlichen das Bedürfnis weckt nach Geborgenheit in der bisher glücklich erfahrenen, wohl bekannten und als recht erkannten Lebensnorm und die sie zurückscheuen läßt vor der Betrachtung der finsteren, ungewohnten, anderen Vergangenheit? *(S. 32)

Leider versäumt es Wiesemüller, für seine Arbeit überprüfbare Hypothesen aufzustellen. Zwar betont er zu Recht, daß die Stichproben-auswahl (n = 133; hessisches Landstädtchen) keine allgemeinen Aussagen zuläßt, das bedeutet aber nicht, daß Anlaß, Fragestellung und theoretische Überlegungen — die es ja sicher gab — verschwiegen werden müssen. Die Vermutung, daß die Arbeit während der Diskussion um einen , neuen Nationalismus'oder ein , neues Nationalbewußtsein'in den sechziger Jahren entstanden ist, ist wahrscheinlich nicht unbegründet. Das Fehlen einer präzisen Fragestellung aus einem theoretischen Zusammenhang macht die größte Schwäche dieses Buches aus, was dazu führt, daß auch die Schlußfolgerungen für den Geschichtsunterricht unbestimmt bleiben.

Der methodische Gang der Untersuchung ist deutlich: Die Schüler antworteten auf offene Fragen, die später kategorisiert und quantitativ ausgewertet wurden. Darüber hinaus erfolgte eine qualitative Analyse, in der die Aussagen der Schüler ausgedeutet wurden und Erklärungen für Einstellungen Urteile gesucht werden. Das statistische Rohmaterial ist im Anhang zusammengestellt, so daß der interessierte Leser nachschlagen kann. Die quantitative Auswertung bleibt relativ bescheiden, das heißt, es werden Häufigkeiten gezählt, Daten gruppiert und rechnerisch oder graphisch dargestellt.

Die Ergebnisse der Untersuchung sind:

1) Alle Schüler haben sich zu den vier Frage-komplexen (Juden, Widerstand, deutsch-polnisches Verhältnis, Stellung zum Geschichtsunterricht) geäußert, obwohl der Nationalsozialismus nur in zwei der fünf befragten Klassen im Unterricht bereits behandelt wurde. Als Hauptquellen für historisches Wissen und

Urteile kamen das Fernsehen (S. 47) und der Religionsunterricht (S. 102) in Betracht. 2) Der Differenzierungsgrad der Aussagen stieg mit dem Schulniveau. 3) Der Umfang des Wissens und die Bereitschaft zu Urteilen war bei dem Komplex „Juden" am größten. Die Kontrollfrage zu den Juden in den USA und in Israel heute zeigte allerdings, daß Vorurteile über die Juden trotz der verbalen Verurteilung des Antisemitismus durch die Schüler weiterbestehen. 4) Beim dritten Fragenkomplex über die „Nachwirkungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Urteil der befragten Schüler" (S. 139 ff.), konkretisiert am Verhältnis Polen-Deutschland, waren 108 von 133 Schülern (= 81, 1 %) fähig, den Bezug von der Vergangenheit zur Gegenwart herzustellen. 5) Der Geschichtsunterricht wurde von rund 75 % der Schüler für wichtig gehalten, wobei die Volksschüler diese Frage am positivsten beantworteten, allerdings das Informationsbedürfnis über die Vergangenheit in den Vordergrund stellten, während bei den Gymnasiasten der Anteil derer, die die Gegenwart als durch die Vergangenheit bedingt ansahen, am höchsten war.

In der „Zusammenfassung und Schlußüberlegung" (S. 197— 211) kommt Wiesemüller zu dem Ergebnis, daß die Schüler sich von den „unangenehmen" und „peinlichen" Erinnerungen an die Vergangenheit distanzieren wollen. „Ein Grund, der von einzelnen Sonderschülern und Volksschülern unbefangen eingestanden wird, bei anderen, die ein positives Lippenbekenntnis zur Geschichte und eine Verurteilung der Untaten abgeben, sich darin zeigt, daß sie Entschuldigungen suchen, die Greueltaten mit Vorurteilen motivieren, die Schuld auf Hitler abladen, von dessen guten Seiten reden und damit andeuten, daß es eigentlich gar nicht so schlimm gewesen ist. Dieser Wunsch nach Verdrängung und Vergessen wird den Jugendlichen von ihrer Umwelt suggeriert, und es ist zu vermuten, daß auch die Argumente zur Verharmlosung von ihr übernommen sind.“ (S. 198)

Die Konfrontation mit der polnischenAngst vor Deutschland verunsicherte die Schüler nach Wiesemüller, „da sie Zweifel an und Angst vor dem gegenwärtigen Deutschland aussprach". Die positive Gegenwart, durch Wohl-B stand und demokratische Freiheiten charakterisiert, wurde durch Schatten der schuldbeladenen, durch Hunger, Krieg und Unterdrückung gekennzeichneten Vergangenheit verdunkelt. „So ist es zu begreifen, daß für viele Schüler der Vergangenheit in solcher Gegenwart keine essentielle Bedeutung mehr zukommt, während die Zukunft als integrierender Bestandteil empfunden, rational vorgeplant und in Raumfahrt, Technik und Automation bereits konkret erlebt wird.“ (S. 199)

Andererseits spricht Wiesemüller von der »Hoffnung auf ein latent vorhandenes Geschichtsbewußtsein" und nennt als Beleg dafür das „hohe Maß an Wissen über die jüngste Vergangenheit" (S. 200) bei allen Schülern, auch solchen, die im Geschichtsunterricht über diese Zeit noch nichts gehört haben. Die geringe Entfaltung und Differenzierung des Geschichtsbewußtseins begründet er einmal phasen-psychologisch (1967!), zum anderen mit dem fehlenden oder mangelhaften Geschichtsunterricht, so die personalisierende Geschichtsdeutung und die Verwendung von Gruppen-begriffen (S. 203— 207).

Die didaktischen Folgerungen aus der Erhebung sind nach Wiesemüller: 1) Die Einbeziehung des Vorwissens der Schüler in die Unterrichtsplanung ist für die historisch-politische Bildung unumgänglich. 2) Der Zeitgeschichte muß im Geschichtsunterricht mehr Bedeutung zugemessen werden. 3) Die noch bestehenden Vorurteile gegenüber Juden müssen in allen Unterrichtsfächern abgebaut werden.

Die Ergebnisse und die Schlußfolgerungen sind in ihrer Tendenz kaum zu bezweifeln, auch wenn Wiesemüller bisweilen zu Uberinterpretationen neigt (vgl. Zitate S. 198 und 199). Der Wert dieser Veröffentlichung liegt aber weniger in den teilweise durch die moderne Geschichtsdidaktik überholten (etwa bei der Phasenpsychologie) oder selbstverständlichen Aussagen (stärkerer Anteil der Zeitgeschichte am Curriculum), sondern in Hinweisen auf Fragen, die erst sechs bis acht Jahre nach der Datenerhebung relevant geworden sind und hier nur angedeutet werden können: Elemente des Geschichtsbewußtseins, Wirkungen der historisch-politischen Sozialisation außerhalb des Geschichtsunterrichts oder der Anteil des Geschichtsunterrichts an der Urteilsbildung von Schülern über historische Gegenstände. Als Anregung für weiterführende Arbeiten sollte diese Untersuchung nicht übersehen werden.

III. „Ein Fingerhut voll Erkenntnis?“

Als Band 3 der Materialien zur „Geschichtsdidaktik und Curriculumentwicklung“ legt Gerhard Anwander eine „psychologischsoziologische Untersuchung“ mit dem Titel »Geschichtliches Interesse und politische Bildung Jugendlicher“ vor. In einem kurzen Vorwort weist Johannes Timmermann, der auch den Bericht über die Erhebung (S. VII—XII) geschrieben hat, darauf hin, daß mit der Veröffentlichung nur ein Zwischenbericht über die 1972 begonnene Untersuchung vorgelegt wird. Wie der Titel schon andeutet, zielte die Fragestellung auf „Zusammenhänge zwischen emotionalen oder motivationalen Lernzielen für Geschichte und politische Bildung“ (S. VII) im 9. bzw. 10. Schuljahr der drei Schularten. Darüber hinaus geht es in dem Münchener Projekt grundsätzlich darum, angemessene empirische Verfahren für die Unterrichtsforschung zu entwickeln. Grundlage der Erhebung war ein umfangreicher Fragebogen (S. XIII—XXXIX), der von 245 Schülern an Münchener Gymnasien schriftlich ausgefüllt wurde. Der Fragebogen enthält 1) Polaritätsprofile zu den Fächern Deutsch, Physik, Geschichte, Sozialkunde und zu Geschichtsbüchern, 2) Fragen zur sozialen Herkunft und zur schulischen Laufbahn, 3) Fragen zur Nutzung von Medien innerhalb und außerhalb des Unterrichts, 4) „Einstellungsstatements" (S. XI) zum Geschichtsunterricht und — in geringem Umfang — zur Politik. Die Fragen zu den Medien und die Einstellungsstatements wurden einer Faktorenanalyse unterzogen. Für den Geschichtsunterricht wurden die Faktoren 1) Einschätzung von Aktivierungsfähigkeit und Beliebtheit des Geschichts-lehrers (S. 4— 15), 2) Urteil über den Nutzen von Geschichte und Geschichtsunterricht (S. 15 bis 25), 3) Urteil über die Durchsetzungsfähigkeit des Lehrers (S. 25— 30), 4) Aussagen über die primäre Motivation zur Beschäftigung mit Geschichte (S. 30— 34), 5) Aussagen über die geistigen Anforderungen im Geschichtsunterricht (S. 34— 37) und schließlich die Einstellung der Schüler zum Dogmatismus (S. 40 bis 44) gebildet. Der Untersuchungsbericht von Anwander dazu beschränkt sich auf eine Verbalisierung der rechnerischen Auswertung und eine graphische Darstellung der erhobenen Daten.

Der Verzicht auf eine Vorstrukturierung und wenigstens vorläufige Interpretation der Ergebnisse erschwert die gewünschte kritische Auseinandersetzung (S. XII) mit der Untersuchung sehr. Grundsätzlich ist zu fragen, ob eine Faktorenanalyse zum Geschichtsunterricht ein geeigneter Beitrag zur Unterrichtsforschung und damit zur Lösung von didaktischen oder methodischen Problemen ist. Selbst wenn wir einmal davon absehen, daß es problematisch ist, Urteile über den Geschichtsunterricht unter den Begriff Einstellungen zu subsumieren, bleiben Zweifel an der Zuverlässigkeit und Brauchbarkeit von Ergebnissen, die laut Testanweisung (S. XIV) aufgrund sehr geringer Überlegungsmöglichkeiten seitens der befragten Schüler zustande gekommen sind.

In fünfundvierzig Minuten sollten die Schüler rund dreihundertfünfzig Fragen beantworten, durchschnittlich sieben Fragen in der Minute. Eine Frage wie: „Im Geschichtsunterricht wird nicht genügend auf die täglichen Lebensumstände der Menschen der jeweils behandelten Geschichtsperiode eingegangen" (S. XXII), ist aber nicht in Sekundenschnelle zu beantworten, sondern erfordert Überlegung, Erinnerung an den Unterricht, Abwägung und Entscheidung für eine der sechs Antwortmöglichkeiten. Die Fragen sind zum überwiegenden Teil von anderer Qualität als bei den gängigen Einstellungsstests. Auf eine Aussage wie „Einem geachteten, bedeutenden und starken Volke anzugehören ist erhebend und wünschenswert kann und muß in der Regel eine rasche Reaktion erfolgen, nicht dagegen bei Fragen wie: „Vieles, was im Geschichtsbuch oder -unterricht als Tatsache dargeboten wird, ist oft nur eine Vermutung" (S. XXII). Es steht bei dieser Erhebung zu befürchten, daß die Antworten der Schüler häufig zufällig waren und von daher die Ergebnisse nur eine sehr beschränkte Aussagekraft haben. Die Projektleiter sollten überlegen, ob sie für ihre Fragestellung bei dieser Form der Erhebung bleiben. Insgesamt kann man zu dieser Veröffentlichung Friedrich J. Lucas zitieren, der in seinem Essay „Ein Fingerhut voll Erkenntnis“ das Dilemma vieler empirischer Untersuchungen beschreibt: „ ... wie viele um Aufklärung und Erklärung Bemühte hätten es nicht schon erfahren nach ermüdender Lektüre umfangreicher Erhebungen des irgendwo auf irgendeinem Gebiet bestehenden Zustands, mit aller methodologischen Sorgfalt erstellt, gedruckt, veröffentlicht und ohne generalisierbaren, theoretischen Wert. So erhebt sich der erste, verbitterte Einwand gegen , bloße Empirie’, die ohne definierte vorgängige Hypothese . etwas'beschreibt, bloßer Rohstoff für Gedanken, aber ohne Zielrichtung auf zu erfragende Schlüsse und daher hier zuviel, dort unzureichend." So sehr es zu begrüßen ist, daß diese Veröffentlichung einen Blick in die „Werkstatt" der empirischen Forschung erlaubt — für eine kritische Auseinandersetzung in diesem Stadium der Untersuchung sind nicht die Zahlen-kolonnen und Säulendiagramme von Belang, sondern eine Darstellung der theoretischen Prämissen, die Entwicklung der Fragestellung, die Aufstellung von Hypothesen, die Begründung für das methodische Vorgehen, die Vorstellung des Untersuchungsplans. Zu allen Komplexen findet der Leser nur sehr vage Andeutungen, so daß eine intellektuelle redliche und brauchbare Kritik kaum möglich ist. In der vorgelegten Form bleibt die Veröffentlichung eine Materialsammlung, die nur für mit dem Projekt Vertraute nützlich ist. 11

IV. Die Beeinflussung von historisch-politischen Einstellungen durch den Unterricht.

Im Gegensatz zu Anwander, Filser und Wiese-müller, die Querschnittanalysen zum Stand der historisch-politischen Bildung und des Geschichtsunterrichts vorlegen, versucht Harnischfeger bestimmte Unterrichtswirkungen mit Hilfe einer Längsschnittuntersuchung nachzuweisen. Im Rahmen eines Experiments an Berliner Gymnasien (1967) wurden Einstellungen zur Nation und deren Veränderungen gemessen und analysiert. „Dabei wird gefragt, inwieweit Einstellungen von relativ erwachsenen Schülern durch Unterricht verändert werden, ob mögliche Veränderungen in der gewünschten Richtung verlaufen und wie stabil die veränderten Einstellungen über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinweg bleiben. Außerdem wurden die einstellungsverändernden Unterrichtseffekte in Abhängigkeit von anderen Faktoren wie Geschlecht, Konfession, Schicht und örtliche Mobilität analysiert.“

(S. 26)

In dem übersichtlichen, auch für Lehrer und Studenten ohne gründliche Kenntnisse in empirischen Forschungsmethoden verständlichen Untersuchungsbericht folgt auf eine knappe Einleitung „Zum Stand der empirischen Untersuchungen über politische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland“ (S. 3— 21) eine Darstellung der Fragestellungen, des Untersuchungsplanes und der Stichprobe.

Die Erwartungen und Hypothesen zur Ausgangssituation vor Beginn der Unterrichtseinheit „Nationalismus" wurden aufgrund von Analysen zur Literatur des Nationalismus und von Erfahrungen aus der politischen Praxis in differenzierter Form formuliert. Im wesentlichen werden vier Ausprägungsformen der Nationbezogenheit erwartet: 1) die „traditionalkonservative Ausprägungsform", 2) die »antidemokratisch -kleinbürgerlich-nationalsozialistische'Ausprägungsform", 3) die „weltbürgerliche orientierte Einstellung" und 4) der „ressentimale Nationalismus". Ziele des Un-terrichts sollen eine Verstärkung der kritischen und weltoffenen Nationbezogenheit und ein Abbau antidemokratischer und ressentimaler nationalistischer Einstellungen sein.

Das Unterrichtsprogramm „Nationalismus“ enthielt entsprechend den Prinzipien für den Gemeinschaftskundeunterricht in der Oberstufe des Gymnasiums historische, politische und soziologische Aspekte, wobei die historischen Inhalte sich auf den „Nationalismus als allgemeine Erscheinung der neueren Geschichte“, die „Besonderheit der deutschen nationalstaatlichen Geschichte“ und den Nationalsozialismus bezogen. Das Unterrichts-modell ist vollständig abgedruckt (S. 127— 146) und für den Interessierten ebenso nützlich wie der umfangreiche statistische Anhang (S. 149 bis 255), der alle Untersuchungsschritte und statistischen Einzelheiten dokumentiert.

Für die Untersuchung wurde in den sieben Klassen der Experimentalgruppe (n = 134 Schüler) nach dem Unterrichtsprogramm unterrichtet, in der Kontrollgruppe I (sechs Klassen mit 94 Schülern) das Thema „Nationalismus“ vom jeweiligen Fachlehrer geplant und unterrichtet. In der Kontrollgruppe II (n = 149 Schüler) fand kein Unterricht zu diesem Thema statt. In allen beteiligten Gruppen wurden drei Einstellungsmessungen vorgenommen, und zwar unmittelbar vor Beginn und nach Beendigung des Unterrichts und ein halbes Jahr später, um Einstellungsveränderungen wirklich als Folge von Unterricht werten zu können. Das Untersuchungsinstrumentarium war der Fragestellung entsprechend differenziert und umfangreich (S. 39— 61). Das Hauptuntersuchungsinstrument, eine standardisierte Einstellungsskala für Primaner, mußte speziell für diesen Zweck entwickelt werden.

Die Wahl des Stichprobenumfangs und der Stichprobenziehung ist bei dieser Form von empirischer Curriculumevaluation besonders schwierig, weil keine echte Zufallsauswahl möglich ist. Trotzdem läßt die Berliner Untersuchung wegen der ausreichenden Zahl der Schüler und der zahlreichen demographischen und sozialstatistischen Daten Aussagen in vorsichtiger Form zu. Das Signifikanzniveau für alle statistisch gesicherten Aussagen betrug grundsätzlich 0,05 13a).

Die Untersuchungsergebnisse der Ausgangssituation vor Beginn des Unterrichts bestätigten die Hypothesen über die Ausprägungsformen der Nationbezogenheit und die sie bedingenden Faktoren nur teilweise: — Ein beachtlicher Teil der Schüler zeigte eine „traditional-konservative" Einstellung zur Nation.

— Die „antidemokratische-kleinbürgerlich-, nationalsozialistische'

“ Form der Nationbezogenheit war nur wenigen Schülern ausgeprägt bei vorhanden.

— Im Gegensatz zur aufgestellten Hypothese „zeigte eine erhebliche Anzahl von Schülern in der Ausgangssituation eine stark ausgeprägte weltbürgerliche Einstellung“ (S. 105). — Ein „ressentimaler Nationalismus“ war nur bei wenigen Schülern vorhanden.

— Primaner waren stärker weltbürgerlich eingestellt als Primanerinnen.

— In bezug auf die weltbürgerliche Haltung bestand kein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen Oberschicht und Unterschicht, zwischen Schülern mit häufigen, wenigen oder gar keinen Auslandsaufenthalten, zwischen politisch sehr interessierten und weniger interessierten Schülern, zwischen Schülern verschiedener Konfession.

Die Erhebung sofort nach Beendigung des Unterrichts zeigte bei den Mädchen der Experimentalgruppe eine signifikante „Beeinflussung der Einstellung in Richtung auf eine kritische und weltoffene Nationbezogenheit“, während der Unterricht bei den Jungen „keine deutlich einstellungsverändernden Wirkungen" hatte.

Der Unterrichtseffekt in der Kontrollgruppe I war entgegengesetzt: Bei den Jungen verfestigte sich die traditional-konservative Nationbezogenheit bzw. stabilisierte sich die weltbürgerliche Haltung. „Die Mädchen dieser Gruppe wurden in ihrem ressentimalen Nationalismus bestärkt.“ (S. 112)

Die Stabilitätsuntersuchung ein halbes Jahr nach Beendigung der Unterrichtseinheit im Sommer 1968 könnte durch die „Berliner Osterunruhen" und das verstärkte politische Engagement gerade bei Schülern und Studenten beeinflußt sein; die Daten sind allerdings nicht wesentlich verändert. Die Stärkung der kritischen und weltoffenen Nationbezogenheit bei den Mädchen der Experimentalgruppe blieb erhalten. Dagegen war die „durch den Unterricht bewirkte Verstärkung der traditionalkonservativ Nationbezogenheit“ bei den Jungen der Kontrollgruppe I „ein halbes Jahr nach Beendigung des Unterrichts erheblich abgeschwächt worden" (S. 115).

Die Untersuchungsergebnisse werden von Harnischfeger zusammenfassend folgendermaßen interpretiert: „Das Experiment hat ergeben, daß es möglich ist, auch noch bei Primanern durch Unterricht in relativ kurzer Zeit Einstellungen in voraussagbarer Weise zu beeinflussen und daß die so erzeugten Einstellungen stabil sein können. Auch hat sich gezeigt, daß trotz koedukativer schulischer Erziehung Knaben und Mädchen nicht nur verschiedene Haltungen aufweisen, sondern auch durch den Unterricht in verschiedener Weise beeinflußt werden. Der Unterricht zum Thema Nationalismus zeitigte in den Gruppen unterschiedliche Wirkungen. Dies kann auf eine unterschiedliche Interpretation der sehr offen formulierten Lehrpläne oder auf eine unterschiedliche inhaltliche und methodische Gestaltung des Unterrichts oder auch auf beides zurückzuführen sein. Jedenfalls zeigen die eindeutig unerwünschten Ergebnisse, wie notwendig es ist, Curricula zu entwickeln und eingehend zu überprüfen, ob sie dem Lehrer einen effizienteren Unterricht ermöglichen." (S. 123)

Die Studie von Annegret Harnischfeger zeigt für die empirische Forschung im Rahmen der Geschichtsdidaktik Möglichkeiten, die systematisch geprüft werden sollten. Hervorzuheben ist hier besonders das Bemühen um angemessene Untersucbungsinstrumente und -anOrdnungen und das Eingehen auf die Situation des Lehrers. Die Frage, die die Autorin im Literaturbericht im Hinblick auf andere empi-rische Untersuchungen stellt, nämlich: „Kann sich der Lehrer die Forschungsergebnisse direkt im Unterricht zunutze machen?" (S. 4), kann für die hier vorgestellte Untersuchung positiv beantwortet werden. Kritisch anzumerken wäre die sowohl in der Fragestellung als auch in der Methode stark psychologische Ausrichtung der Arbeit, was sich in der inhaltlichen Beschränkung auf Einstellungen und deren Veränderungen und dem — wenn auch begründeten — Verzicht (S. 59 f.) auf systematische Unterrichtsbeobachtung manifestiert, die für eine stärker didaktisch-methodisch orientierte Unterrichtsforschung konstitutiv wäre. Die Schwierigkeiten, solchen kritischen Einwänden gegen empirische Forschungen gegenwärtig zu begegnen, beschreibt Harnischfeger präzise: „Darüber hinaus läßt die Untersuchung erkennen, welche Schwierigkeiten bei schulnahen empirischen Arbeiten zu überwinden sind. Diese Arbeiten sind gegenwärtig besonders dadurch belastet, daß so wenig über pädagogisch relevante Schüler-, Lehrer-und Unterrichtsmerkmale für bestimmte Altersstufen und Schulfächer bekannt ist. Der große Aufwand, den solche Experimente erfordern, verringert sich, je mehr empirische Arbeiten durchgeführt werden, da damit immer mehr Untersuchungsverfahren und Auswertungstechniken entwickelt werden und vor allem Daten zur Verfügung stehen, die eine gezieltere Auswahl der relevanten Merkmale erlauben sowie in stärkerem Maße Rückschlüsse zulassen." (S. 123)

V. Unterrichtsmethoden und Schülermotivation

Weite Verbreitung hat inzwischen eine Untersuchung von Hans Müller zur „Effektivität des Geschichtsunterrichts" gefunden. Ziel der Arbeit ist es, die Wirkung bestimmter Unterrichtsformen im Hinblick auf den Unterrichtserfolg zu vergleichen. Für die Praxis des Geschichtsunterrichts ist das eine außerordentlich relevante Frage; gerade deshalb und weil das Ergebnis und die Empfehlungen der Untersuchung die Schwächen des Ansatzes und der Methode von Müller nicht erkennen lassen, ist hier eine ausführlichere Darstellung und Kritik berechtigt, die sich allerdings auf einige Schwerpunkte konzentriert. Müller gliedert die Arbeit in einen theoretischen Teil, die Darstellung der Untersuchungsergebnisse und die Schlußfolgerungen daraus. In einem umfangreichen Anhang sind ergänzende statistische Angaben, die Unterrichtsmaterialien und die verwendeten Fragebögen gesondert zusammengestellt. Für die Entwicklung seiner Fragestellung und die Anordnung der Untersuchung bindet Müller zwei nach seiner Meinung sich bedingende Unterrichtsformen und -mittel aneinander: — Frontalunterricht und Lehrererzählung — Gruppenunterrichtund Quellenarbeit (S. 22).

Die Untersuchung soll die effektivste Unterrichtsform im Hinblick auf Wissen und Schülerbeteiligung nachweisen. Der Begriff Effektivität wird unter drei Aspekten diskutiert: 1) der geisteswissenschaftlichen Pädagogik (S. 22— 24), 2) der „Erziehungswissenschaft in der industriellen Gesellschaft" (S. 25— 27), 3) aus dem Zusammenhang von „Erziehung und Emanzipation“ (S. 27— 31). Die Kriterien für diese Dreiteilung der Erziehungswissenschaft bleiben unklar, wissenschaftlich üblich ist sie nicht. Die aus der Literatur entwickelten Thesen für die Erhebung lassen alle eine höhere Effektivität des Gruppenunterrichts vermuten, über diese sehr allgemeine These hinaus werden keine präzisen, überprüfbaren Hypothesen entwickelt, so daß nicht deutlich wird, was im einzelnen untersucht werden soll.

Grundlage der Untersuchung waren zwei Unterrichtseinheiten (Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Die russische Revolution) in zehn Dortmunder Hauptschulklassen. In fünf Klassen wurde frontal unterrichtet, in den anderen Klassen Gruppenunterricht durchgeführt. Für die zweite Unterrichtseinheit wurde jede Klasse als ihre eigene Kontrollgruppe eingesetzt, das heißt, die Unterrichtsverfahren wurden gewechselt (Methode der Cross-Validierung). Lehrer, Stundenaufbau und Materialien waren in den jeweils fünf Klassen gleich; unterschiedlich dagegen Klassengrößen, Leistungsstand, soziale Herkunft der Schüler, An-teil von Jungen und Mädchen und die Führungsstile der Lehrer. Um die Validität der Untersuchungsinstrumente festzustellen, wurden alle Materialien in einer Vorlaufklasse erprobt. Als Untersuchungsinstrumente wurden verwendet: Wissenstest, Fragebogen für Schüler, Eltern und Lehrer, Schülerinterviews und ein Aufnahmebogen für den Unterricht.

Ansatz und Methode der Untersuchung sind vor allem in zwei Punkten grundsätzlich zu kritisieren: 1. Müller setzt Frontalunterricht mit Lehrer-erzählung und Gruppenunterricht mit Quellen-arbeit gleich. Hierbei handelt es sich um einen systematischen externen Fehler der Untersuchung, da Versuchsbedingungen angenommen und überprüft werden, die in dieser Form in der Unterrichtsrealität kaum vorkommen, daß heißt, die experimentellen Bedingungen sind nicht vergleichbar „mit der (späteren) Situation, für die das experimentelle Ergebnis gültig sein soll" Um einen wirklichen Vergleich zu ermöglichen, hätte der Untersuchungsplan mindestens noch eine Experimentalgruppe mit Frontalunterricht und Quellen-arbeit und schließlich eine vom Untersucher völlig unabhängige Kontrollgruppe vorsehen müssen. 2. Die Validitätskontrolle wurde nur in unvollkommener Weise vorgenommen, über die Verfahren zur Messung der Objektivität und Reliabilität, die Voraussetzung der Validität sind, wird nichts ausgesagt. Man kann die Notwendigkeit und die strengen Vorschriften für die Validitätsprüfung kritisieren — sogar zu Recht, wenn es um methodisch neue Wege der Unterrichtsforschung geht, was hier allerdings nicht der Fall ist. Fragwürdig ist es aber, den Eindruck zu erwecken, als sei eine Validitätsprüfung vorgenommen worden. Die Aufzählung von Untersuchungsschwierigkeiten ersetzt die Validitätskontrolle nicht.

Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse gliedert Müller in die Kapitel „Der gesellschaftspolitische Hintergrund" (S. 44— 69), „Lernerfolg und Aktivität im Frontal-und Gruppenunterricht" (S. 70— 88), „Der Gruppen-unterricht in der demokratischen Leistungsschule“ (S. 89— 127), „Gruppenunterricht und emanzipatorische Erziehung" (S. 128— 152).

Im ersten Untersuchungskomplex sind die Ergebnisse der Befragung von Eltern, Lehrern und Schülern aufschlußreicher als die systematisch angelegten Ausführungen zur Bedeutung des Geschichtsunterrichts in der „öffentlichen Meinung“, die nicht über eine willkürliche Zitatensammlung aus Didaktiken und Richtlinien hinauskommen. Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der Wertschätzung oder Beliebtheit des Faches Geschichte in der Schule und der Beurteilung seiner „Nützlichkeit“ (Eltern: 33 °/o zu 10 °/o, Schüler: 20 °/o zu 8 °/o).

Aus der Zusammenfassung Müllers zum „gesellschaftspolitischen Hintergrund" sind einige Punkte besonders aufschlußreich (S. 62 f.): 1) Das Interesse an Geschichte ist größer, wenn der Lehrer oder die Eltern politisch engagiert sind. Allerdings ist die Basis für diese Aussage sehr klein: drei von zehn Lehrern (I). 2) Die gesamtgesellschaftliche Einstellung zum Fach Geschichte ist relativ positiv. Außer bei der Schüler-und Elternbefragung ist diese Beurteilung aber nicht quantifiziert oder nachgewiesen. 3) Problematisch ist die Aussage, daß für die Unterschicht der Geschichtsunterricht zwar eine „subjektiv unterhaltsame, objektiv aber unwichtige Angelegenheit“ ist. Aus den Untersuchungsergebnissen ist diese Aussage kaum zu stützen, es sei denn, man wertet die Aussagen von achtunddreißig Eltern aus der unteren Mittelschicht, die zu 18, 42 °/o den Geschichtsunterricht für wichtig hielten, während es in der Unterschicht (n = 117) nur 7, 68% waren, entsprechend. Selbst wenn man einmal unterstellt, daß es ausgeprägte Unterschiede zwischen Unterschicht und unterer Mittel-schicht gibt und daß die Zuweisungskriterien schlüssig waren bleibt es statistisch unzulässig, auf der Basis von n = 38 bzw. 117 Aussagen in dieser Form zu generalisieren. Aufschlußreich ist immerhin, daß von den fünf Testklassen mit dem höchsten Anteil von Arbeiterkindern (Tabelle 5/70 °/o— 83®/o) vier die Rangplätze 2 bis 5 einnehmen, was die Wertschätzung des Geschichtsunterrichts angeht (Tabelle 23).

Den zentralen Kapiteln über die Auswertung der Unterrichtsarbeit stellt Müller eine Bewertung des Gruppenunterrichts in den Erzie-hungswissenschaften voran (S. 64— 66). Leider wird der Begriff Gruppenarbeit auch hier nicht genau operationalisiert. Welche Merkmale sollen gemessen werden? (Größe der Gruppen? Länge der Unterrichtssequenzen mit Gruppenarbeit im Verhältnis zu anderen Lernformen? Grad der Selbständigkeit der Schüler im Gruppenunterricht? Anteil von mündlichen und schriftlichen Arbeitsformen im Gruppenunterricht? Häufigkeit der Meldungen?) Es ist keine Beckmesserei, diese Frage zu stellen; erst die genaue Beschreibung der Gruppenarbeit erlaubt Messungen zu ihrer Effektivität

Die Ergebnisse der Beobachtungen und der Testauswertung seien hier kurz zusammengefaßt: 1) Was den Lernerfolg angeht, ergab sich kein signifikanter Vorteil für eine der beiden Unterrichtsformen. Kritiker sollten daraus aber nicht die Gleichwertigkeit von Frontalunterricht und Gruppenunterricht folgern. Müller hat ohne Zweifel recht, wenn er anführt, daß nach einer gewissen Gewöhnung an den Gruppenunterricht auch die Lernerfolge größer werden. Um diese Hypothese zu stützen, wäre es sinnvoll gewesen, mehrere thematische Einheiten gruppenunterrichtlich zu betreuen und dann den Lernerfolg zu messen.

2) Die Schülerbeteiligung ist im Gruppen-unterricht durch die verstärkte Binnenkommunikation größer.

I 3) Die Ziele der Gruppenarbeit im Unterricht, nämlich größerer Lernerfolg für alle, gesteigerte Aktivität, Kooperation der Schüler untereinander, sind gefährdet, wenn sich eine führungszentrierte Gruppe bildet.

4) Nach Müller wird der selbständige Umgang mit Texten durch den Gruppenunterricht gefördert. Unklar bleibt bei diesem Komplex allerdings, was genau gemessen wurde. Auch wenn sich der Leser durch die Fehler in den Anmerkungen nicht verwirren läßt, ist es nicht möglich, die Texte, auf die sich Müller in den Tabellen bezieht, zu identifizieren, so daß eine Überprüfung nicht möglich ist.

Zusammenfassend läßt sich zu der Arbeit von Müller sagen, daß nicht das „Erkenntnisinteresse" und die „Ergebnisse" der Arbeit zu kritisieren sind. Im Gegenteil, der Geschichtsunterricht hat bei der Reform von Unterrichtsmethoden ein von niemandem bestrittenes Defizit. Zu kritisieren sind hier Ansatz und Methode der Untersuchung, die es den Gegnern eines besseren Geschichtsunterrichts — seien sie nun „progressiv" im Sinne einer Abschaffung des Geschichtsunterrichts oder „konservativ" aus Angst vor den möglichen Wirkungen eines „kritischen" Geschichtsunterrichts — leichtmacht, die Reform des Geschichtsunterrichts zu hintertreiben. Neben der anfechtbaren Versuchsanordnung sind es vor allem die Überinterpretationen von Daten, die Einwände geradezu herausfordern. Ein Beispiel: „Frontalunterricht ist prinzipiell für die Mehrheit der Schüler deprimierend. Trotz aller empfohlenen und auch wohl angewandten Tricks bewirkt er — abgesehen von einer bestimmten Elite — für die meisten Desinteresse und verhindert Leistung" (S. 88). Derartig weitgehende Interpretationen, in die eine Reihe von verschwiegenen Prämissen und pädagogischen Vorurteilen eingehen, sind aufgrund der Befragungsergebnisse von Müller kaum möglich.

Der mögliche Vorwurf einer Beweisuntersuchung wird insbesondere durch den Test-fragebogen gestützt. Der Fragebogen zielt weder auf historisches Wissen noch auf historisches Interpretationsvermögen oder methodische Fertigkeiten. Polemisch formuliert: Der Fragebogen ist eine Widerspiegelung der Müllerschen Geschichtsauffassung, bei der die Schüler sehr schnell merken, wie die Antwort ausfallen soll und entsprechend kreuzen sie die Antworten an Daß die Auswertung dieses 18 mißglückten Fragebogens ein tragender Pfeiler der Beweisführung ist, rundet den Eindruck ab, daß diese Untersuchung nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wurde.

Trotz unterschiedlicher Fragestellungen und Methoden lassen die vorgestellten Arbeiten eine vorsichtige Formulierung allgemeiner Erkenntnisse zu: 1) Die beiden Untersuchungen, die auf die Messung des Wissens und des historischen Urteilsvermögens von Schülern zielten (Filser, Wiesemüller) bestätigen die bisher vorliegenden Untersuchungen geringe Faktenkenntnisse, mangelhaftes historisches Einordnungsvermögen, undifferenzierte und häufig vorurteilsbehaftete Bewertungen historischer Prozesse, Ereignisse und Personen. 2) Die Wertschätzung des Geschichtsunterrichts ist bei den Schülern unterschiedlich verteilt. Eine massive Ablehnung des Geschichtsunterrichts ist in keiner der Erhebungen deutlich geworden. Als ein Grund für die geringe Beliebtheit des Faches kann die nur wenig entwickelte Fähigkeit der Geschichtslehrer vermutet werden, den Schülern den Nutzen — nicht die materielle Verwertbarkeit — historischer Bildung bewußt zu machen (Filser, Anwinder, Müller). 3) Dem Bedürfnis nach Aktivität und Selbständigkeit bei den Schülern scheint der Geschichtsunterricht nicht genügend entgegenzukommen, das heißt, die gängigen Methoden sind nicht geeignet, die Schüler in besonderer Weise für Geschichte zu motivieren (Filser, Anwander, Müller). 4) Vermutungen über die historisch-politische Sozialisation vor und neben dem Geschichtsunterricht werden durch die Erhebungen gestützt (Wiesemüller, Harnischfeger). Gleichzeitig zeigt das Experiment von Harnischfeger, daß Einstellungsveränderungen auch bei älteren Schülern durch Unterricht bewirkt werden können.

• 5) Methodisch sind zwei Ansätze zu unterscheiden: Querschnittanalysen zu den Ergebnissen des Geschichtsunterrichts (Filser, Wiese-müller, auch Anwander) und Arbeiten, die die Wirkung bestimmter Variablen prüfen (Harnischfeger, Müller). Trotz interessanter Einzel-ergebnissebei Querschnittsanalysen wird sich das Schwergewicht der Forschung eher auf andere Ansätze verlagern, da die Forderung nach lernziel-und curriculumorientierter empirischer Forschung nicht durch notwendigerweise unterrichtsunabhängige Erhebungen realisiert werden kann.

Die Befunde der Autoren spiegeln sowohl die Schwächen des Schulfaches Geschichte als auch der empirischen Unterrichtsforschung wider. Die Kritik am traditionellen empirischen Verfahren betrifft vor allem zwei Punkte: 1) Schriftliche oder mündliche Befragungen beschreiben scheinbar objektiv einen Zustand, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung durch Veränderungen in der inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung des Unterrichts, im Lehrerverhalten überholt ist, das heißt, der prozessuale Charakter von Erziehung und Unterricht wird durch die bisher verwendeten Forschungsmethoden nicht hinreichend erfaßt. Dieser Einwand gilt besonders bei Querschnittsanalysen. 2) Empirische Untersuchungen im Erziehungsbereich können auf das Medium Sprache nicht verzichten. Die Probleme aufgrund dieser nicht umgehbaren Notwendigkeit lauten vereinfacht: Verstehen die Versuchspersonen die Fragen in der intendierten Weise? Und umgekehrt: Werden die Antworten so interpretiert, wie sie gemeint sind? Solange dieser Komplex aus der wissenschaftsmethodischen Reflexion ausgeblendet bleibt, ist der Vorwurf berechtigt, der empirische Erziehungswissenschaftler konstruiere nur seine Wirklichkeit.

Die Einwände zu formulieren, ist freilich leichter als Methoden zu entwickeln, die geeignet sind, die Komplexität von Erziehungs-und Unterrichtsprozessen adäquat zu erfassen. Aus forschungsorganisatorischen und -ökonomischen Gründen werden sich auch in Zukunft empirische Vorhaben immer nur auf Teilaspekte beschränken, das heißt, auf — die Voraussetzungen des Unterrichts; — die Unterrichts-und Lernprozesse und — die Wirkungen des Unterrichts.

Für die Erforschung der Voraussetzungen des Geschichtsunterrichts sind auch im Sinne eines umfassenderen Begriffes der Geschichtsdidaktik folgende Schwerpunkte denkbar: 1) die Inhaltsanalyse von historischer Belletristik, von historisch-politischen Sendungen in Rundfunk und Fernsehen, von Artikeln und Serien in Zeitschriften und Zeitungen, besonders in Regionalzeitungen; 2) die Messung der Wirkung von Medien, der „geheimen Erzieher", auf historisch-politische Werturteile und Entscheidungen; 3) die Untersuchung des Einflusses von Eltern, Geschwistern, Freunden, gesellschaftlichen Gruppen im Prozeß der historisch-politischen Sozialisation.

Die Analyse der Unterrichts-und Lernprozesse im Geschichtsunterricht wird sich in Zukunft besonders die Möglichkeiten der Unterrichts-beobachtung und -dokumentation durch audiovisuelle Hilfsmittel zu eigen machen müssen Aber auch die Selbstbeobachtung und teilnehmende Beobachtung sollten trotz der berechtigten Einwände hinsichtlich der Objektivität wieder verstärkt in den Forschungsprozeß einbezogen werden.

Die Wirkungen des Geschichtsunterrichts sind kurzfristig durch Methoden der Lernzielkontrolle und Curriculumevaluation zu überprüfen. Die langfristigen Wirkungen des Geschichtsunterrichts auf politisches und soziales Verhalten werden nur in aufwendigen Längsschnittuntersuchungen über möglichst große Zeiträume hinweg zu kontrollieren sein, wobei es methodisch nicht einfach sein wird, die Wirkungen des Geschichtsunterrichts von anderen Einflüssen zu isolieren.

Die Verwirklichung empirischer Vorhaben hängt wesentlich von der Gewährung materieller Hille ab. Trotz knapper werdender Mittel für Forschung und Hochschulen sollten die Verantwortlichen in Ministerien und Stiftungen Projekte im Bereich der Unterrichts-forschung vorrangig unterstützen, denn solide empirische Forschungsarbeiten sind eine Voraussetzung für das Gelingen der Curriculum-und Schulreform.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. K. Filser, Empirische Forschung in der Fach-didaktik'Geschichte, in: W. Fürnrohr, J. Timmermann (Hrsg.), Geschichtsdidaktisches Studium in der Universität (Fachdidaktische Studien, Bd. 1), München 1972, S. 86— 90. Die Liste von Filser ist nicht ganz vollständig, vor allem fehlen die wichtigen Schulbuchanalysen aus dem Internationalen Schulbuchinstitut in Braunschweig.

  2. Vgl. J. Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte (Kleine Vandenhoeck-Reihe, Bd. 338), Göttingen 1971, S. 14.

  3. W. Fürnrohr (Hrsg.), Geschichtsdidaktik und Curriculumentwicklung 1. Beiträge zur Neugestaltung von Unterricht und Studium (Fachdidaktische Studien, Bd. 11), München 1974, S. 359.

  4. J. Rohlfes/K. E. Jeismann (Hrsg.), Geschichtsunterricht. Inhalte und Ziele. Arbeitsergebnisse zweier Kommissionen (Beiheft zur Zejtschrift Geschichte in Wissenschaft und Unterricht), Stuttgart 1974, S. HO.

  5. Die Forderung nach Empirie impliziert nicht eine Festlegung der Geschichtsdidaktik auf ein empirisch-analytisches Wissenschaftsverständnis; die wissenschaftstheoretischen Positionen werden durch die Forderung nach empirischen Methoden nicht tangiert.

  6. Vgl. A. V. Cicourel, Methode und Messung in der Soziologie (suhrkamp taschenbuch Wissenschaft, Sd. 99), Frankfurt 1974; K. Holzkamp, Kritische Psychologie (Texte zur politischen Theorie und Praxis), Frankfurt 1972.

  7. Vgl. ZfP 19 (1973), Heft 4: Schul-und Unterrichtsforschung.

  8. K. Filser, Geschichte mangelhaft. Zur Krise eines Unterrichtsfaches in der Volksschule. Ergebnis, Interpretation und Konsequenzen einer empirischen Erhebung bei Schülern der letzten Hauptschulklasse, München 1973.

  9. G. Wiesemüller, Unbewältigte Vergangenheit — überwältigende Gegenwart. Vorstellungen zur Zeit-geschichte bei Schülern des 9. Schuljahres verschiedener Schulformen (Anmerkungen und Argumente zur historischen und politischen Bildung, Bd. 5), Stuttgart 1972.

  10. Geschichtsdidaktik und Curriculumentwicklung UI: Gerhard Anwander, Geschichtliches Interesse und politische Bildung Jugendlicher. Eine psychologisch-soziologische Untersuchung in Münchner S 10c 7hAulen (Fachdidaktische Studien, Bd. 13), ’ '‘ München

  11. Frage 1 aus dem Einstellungstest bei Harnischfeger (vgl. Anm. 13).

  12. F. J. Lucas, Ein Fingerhut voll Erkenntnis, in: Wiesemüller, a. a. O., S. 9.

  13. A. Harnischfeger, Die Veränderung politischer Einstellungen durch Unterricht. Ein Experiment zur Beeinflussung der Nationbezogenheit (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: Studien und Berichte, Bd. 26), Berlin 1972.

  14. H. Müller, Zur Effektivität des Geschichtsunterrichts. Schülerverhalten und allgemeiner Lernerfolg durch Gruppenunterricht (Anmerkungen und Argumente zur historischen und politischen Bildung, Bd. 4), Stuttgart 1972.

  15. K. Heller/B. Rosemann, Planung und Auswertung empirischer Untersuchungen. Eine Einführung für Pädagogen, Psychologen und Soziologen, Stuttgart 1974, S. 59.

  16. Tatsächlich kannte Müller nur die Berufsangaben der Eltern, als alleiniges Kriterium für eine Schichteneinteilung eine höchst fragwürdige Basis.

  17. Wie problematisch der Begriff Gruppenunterricht und die Gegenüberstellung von Frontal-und Gruppenunterricht sein kann, beweisen die Ausführungen von Müller zum „autoritären" Gruppen-unterricht eines Lehrers der Versuchsklassen (S. 40 und Anm. 80). Entweder braucht Müller diese für seine Interpretation, das wäre mißlich, oder sie sind ein Hinweis auf die Problematik des Begriffs Gruppenunterricht, der von Müller eben nicht hinreichend klar festgelegt wird.

  18. Zwei Beispiele aus dem siebzehn Fragen umfassenden Testfragebogen (S. 223— 226):

  19. Vgl. L. von Friedeburg/P. Hübner, Das Geschichtsbild der Jugend, München 1970 2).

  20. Vgl. H. P. Deschler, Theorie und Technik der Unterrichtsdokumentation, München 1974.

Weitere Inhalte

Hilke Günther-Arndt, geb. 1945; Realschullehrerin; seit 1973 Wissenschaftlicher Assistent für Geschichte und ihre Didaktik an der Universität Oldenburg. Veröffentlichungen: Theorie und Praxis der freiwilligen Volksbildungsarbeit bei Johannes Tews, in: Zeitschrift für Pädagogik 16, 1970; Zeitperspektive und Geschichtsbewußtsein in der Grundschule, in: Sozialgeschichte und Struktur-geschichte in der Schule (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 102), Bonn 1975.