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Die Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft | APuZ 3/1976 | bpb.de

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APuZ 3/1976 Artikel 1 Hindernisse und Voraussetzungen für die Europäische Union Die Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft

Die Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft

Hans-Horst Misch

/ 41 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Einleitend wird der Energiebedarf der Welt als Folge des allgemeinen Bevölkerungszuwachses skizziert; dann wird auf die sich wandelnde Bedeutung der einzelnen Energieträger bei der Deckung des Bedarfs der Europäischen Gemeinschaft hingewiesen. Die Energiepolitik der Gemeinschaft in ihrer mehr als zwanzigjährigen Entwicklung wird als Folge der unterschiedlichen vertraglichen Bestimmungen (EGKS, EWG, Euratom) geschildert; die verschiedenen Bestimmungen der drei Verträge werden dann auf ihre Nutzbarkeit geprüft. Auf dieser Grundlage wird dann die energiepolitische Tätigkeit der Kommission, des Rates und des Europäischen Parlaments näher behandelt, woraus sich eine Bilanz sowohl des Erreichten als auch des Versäumten ergibt. In diesem Zusammenhang wird besonders die mahnende und auch treibende Rolle des Europäischen Parlaments, und das angesichts seiner geringen Befugnisse, gewürdigt. Das Schlußkapitel enthält die sich aus der Lage und den Möglichkeiten ergebenden Forderungen an eine gemeinsame Energiepolitik der Gemeinschaft und kommt auf Grund der Gegebenheiten zu der Erkenntnis, daß allein der politische Wille der Mitgliedsstaaten darüber zu entscheiden habe, ob es zu einer solchen Politik kommt. Die Notwendigkeiten werden in der Theorie anerkannt; die Mittel sind bei Einigkeit der Mitgliedsstaaten vorhanden. Bisher hat man sich im wesentlichen mit Absichtserklärungen begnügt; Anweisungen der Staats-und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten sind vom Rat der zuständigen Fachminister leider nur in Teilbereichen in Rechtsakte umgesetzt worden.

I. Energie im Ausblick

Die Weltbevölkerung hat sich zwischen 1950 und 1975 von etwa 2, 5 auf 4, 2 Milliarden Menschen erhöht. Sie wuchs in diesen 25 Jahren um zwei Drittel. In der gleichen Zeit nahm der Verbrauch an Primärenergie von jährlich 2, 5 auf 8, 8 Milliarden Tonnen Steinkohleneinheiten zu. Der Verbrauch überstieg also um mehr als das Dreieinhalbfache den Bevölkerungszuwachs. Das bedeutet die Gefahr einer zunehmenden Erschöpfung der Energievorräte, denn der Großteil der verbrauchten Energie entstammt Quellen, die sich nicht wieder erneuern. Daraus ergibt sich einerseits, daß neue Energiequellen erschlossen werden sollten, andererseits aber auch, daß die vorhandenen besser genutzt und sparsamer ausgebeutet werden müssten. Geschieht beides nicht, so kann der Lebensstandard der breiten Massen kaum gehalten, geschweige denn erhöht werden.

Das Erdöl hat sich angesichts der wachsenden Nachfrage in den letzten zwanzig Jahren zum wichtigsten Energieträger entwickelt. Die großen Ölgesellschaften waren in der Lage, jederzeit neue Ölquellen zu entdecken. Allerdings zeigte sich in Europa, daß immer mehr Erdöl eingeführt werden mußte — einerseits weil es billiger war, andererseits, weil die heimische Energie nicht auszureichen schien. In jüngster Zeit versucht man nun, die Ölquellen auf dem Grunde der Meeresküsten besser zu nutzen. Man mache sich jedoch keine Illusionen: Ihre Ausbeutung kann das eingeführte Erdöl nicht ersetzen.

Das Erdgas hat ebenfalls an Bedeutung stark zugenommen. Es stieg bisher von 10 auf 20 0/0 des Weltenergieverbrauchs. Stein-und Braun-kohle, die traditionellen Energieträger seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, verlieren dagegen an Bedeutung.

Die Wasserkraft als Energieträger für elektrische Kraftwerke wird in zunehmendem Maße genutzt. Davon befinden sich allein 40 °/o in Afrika, aber nur 3 °/o in Europa. Die Wasser-kraft ist einer der wenigen Energieträger, die sich nicht verbrauchen, sondern immer wieder genutzt werden können. In Europa ist mit ganz wenigen Ausnahmen das nutzbare Potential fast erschöpft; der Bau zusätzlicher Wasserkraftwerke erfordert immer höhere Kosten pro kWh installierter Kraft. Die Fort-leitung der so erzeugten elektrischen Energie findet ihre Grenze in dem Umstand, daß die Stromspannung bei 500 km Entfernung vom Erzeugerwerk bereits auf die Hälfte gesunken ist.

Es bleibt schließlich das Uran als Ausgangs-stoff für den Betrieb von Kernkraftwerken zu erwähnen. Solange Leichtwasserreaktoren der hauptsächlich genutzte Reaktortyp sind, muß die Energiewirtschaft mit beschränkten Reserven an Uranerzen rechnen. -Es ist aber möglich, daß in Ländern, in denen man es bisher nicht vermutete, bedeutende Vorhaben vorhanden sind. Zum Auffüllen der Energielücke ist man angesichts der ungleichen Verteilung anderer Primärenergien in zunehmendem Maße auf die Energie aus Uran angewiesen. Wurden 1970 in der Welt nur 1, 4 °/o des Energiebedarfs aus Uran gedeckt, so hofft man, 1985 13 %, im Jahre 2000 sogar 40'7o daraus decken zu können. Zu beantworten bleibt die Frage, ob das möglich und wünschenswert ist.

II. Die Energiedarbietung der Europäischen Gemeinschaft

1. Die Energiequellen der Gemeinschaft Die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft besitzen zwar eigene Energiequellen, doch sind diese ungleichmäßig verteilt. Leider gibt es auch energiepolitische Habenichtse: Dänemark, Irland und Luxemburg. Auch Italien ist stärker von Einfuhren abhängig als die anderen Mitgliedsstaaten. Das aber wäre nicht weiter problematisch, wenn die Gemeinschaft tatsächlich ein einheitlicher Energiemarkt sein würde. Die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien und Frankreich sind die größten Steinkohleförderer. Hinzu kommt Belgien, während die Niederlande ihre Kohleförderung als Folge der Schwemme eigenen Erdgases und billigen Importöls eingestellt haben. Die Braunkohlenförderung ist auf die Bundesrepublik konzentriert; sie ist vor allem der Elektrizitätserzeugung und chemischen Zwecken vorbehalten. Der größte Erdgasproduzent sind die Niederlande. Ihnen folgt die Bundesrepublik. Auch die französischen Vorkommen sind nicht unbedeutend. Diese Länder besitzen auf dem Festland auch eigene, freilich dem Gesamtbedarf nach unzureichende Erdölquellen.

Die Wasserkraftvorkommen sind weitaus geringer als man annimmt. Sie sind fast überall völlig ausgebaut. Hauptlieferanten sind Frankreich und Italien, die aber ihre Aufkommen fast vollständig selber nutzen. Jeder weitere Ausbau der noch erschließbaren Quellen erfordert steigenden Kapitalaufwand. Ob in den Flußläufen noch eine unausgeschöpfte Reserve steckt, wäre freilich der Nachforschung würdig.

Die eigenen Vorräte an Natururan sind gering. Möglicherweise können aber Neuentdeckungen das Bild ändern. Einige Aufbereitungsanlagen zur Urananreicherung sind vorhanden. Die Einfuhrabhängigkeit bei Natur-uran wie bei angereichertem Uran ist nach wie vor entscheidend.

Bleiben schließlich die Erdöl-und Erdgasreserven in der Nordsee, über ihren Umfang werden die widersprüchlichsten Meinungen laut. Tatsache ist, daß ihre Ausbeute eine gewisse Erleichterung der Lage mit sich bringen wird. Der größte Teil der Vorkommen gehört Norwegen, welches nicht Mitglied der Gemeinschaft sein will, aber wahrscheinlich sein Erdgas und sein Erdöl an die Gemeinschaft verkaufen wird. Danach dürfte der Löwenanteil der Förderung an Großbritannien gehen.

Dieser Tatsache ist man sich dort bewußt, wie die Ausführungen Premierminister Wilsons vor dem „Europäischen Rat", d. h.den Staats-und Regierungschefs der Gemeinschaft, am 1. und 2. Dezember 1975 in Rom bewiesen haben. Allerdings sind auch diese Vorräte alles andere als unerschöpflich. Auch die Niederlande gehören zu den bevorzugten Ländern, während sich die dänischen und deutschen Felder nicht durch besondere Vorkommen auszeichnen. Die Nutzung der Erdwärme ist derzeit auf bestimmte Gegenden Italiens beschränkt. Hierfür und für die Nutzung der Strömung aus Ebbe und Flut fehlen in der EG die natürlichen Voraussetzungen.

Was allerdings die Umwandlung der Primär-energie in Sekundärenergie angeht, so fand diese Umwandlung bisher fast ausschließlich innerhalb der Gemeinschaft statt. Die Lieferanten eingeführter Primärenergie legen aber in zunehmendem Maße Wert darauf, bearbeitete Energieträger und nicht nur Rohenergie zu liefern. 2. Die Verlagerung der Energienachfrage in der Gemeinschaft Im Jahre 1952, bei der Gründung der EGKS, wurden noch 95% des Energiebedarfs der Gemeinschaft aus eigenen Quellen gedeckt. Im Jahre 1973 waren es nur noch knapp 28 °/o. Was war geschehen? Das Erdöl war in den sechziger Jahren, zunächst aus Preisgründen, anstelle der Kohle zum wichtigsten Energieträger geworden. Die eigene Erdölerzeugung war und ist gering; sie beträgt höchstens zehn Millionen Tonnen jährlich. Dem stand ein Verbrauch gegenüber, der 1960 noch 160 Millionen Tonnen ausmachte, aber bis 1973 auf 580 Millionen Tonnen wuchs.

Die billigen Preise für eingeführtes Erdöl sind nur ein Teil der Erklärung. Es stimmt, daß die heimische Kohle mit diesen Preisen nicht mehr konkurrieren konnte und ein Zechen-sterben einsetzte. Ebenso wahr ist aber auch, daß Erdöl bequemer vom Verbraucher zu handhaben ist als Kohle. Dem steht nicht entgegen, daß es jetzt auch Anlagen gibt, welche die Beschickung der Hausbrandkessel mit Kohle wesentlich erleichtern; allerdings ist der erforderliche Kapitalaufwand beträchtlich. Die vorhandenen heimischen Energieträger wären auch gar nicht in der Lage gewesen, die wachsende Bedarfsmenge zu decken. Der auf einer zunehmenden Energiezufuhr basierende steigende Massenwohlstand beruhte und beruht auf der Einfuhr billiger Energie (Erdöl). Daran ändern im Grunde auch die gestiegenen Preise nichts. Sicher ist freilich, daß eine Zeit derart billiger Energie nicht mehr wiederkehren wird. Auch neue Ersatz-energien werden auf absehbare Zeit nicht so billig werden wie die Einfuhrenergie der Jahre 1960— 1970. Die Abhängigkeit des Massen-wohlstandes von Energieeinfuhren aus Dritt-ländern bekamen wir 1972 zu spüren. Dem konnte auch die wachsende Erdgasförderung in den Niederlanden nicht abhelfen.

Hätte man rechtzeitig einer solchen Entwicklung Einhalt gebieten können?

Die erste Voraussetzung dafür wäre gewesen, die Preise für eingeführte Energie durch Abschöpfungen so zu gestalten, daß die heimische Energie wettbewerbsfähig geblieben wäre. Dann wäre ein Großteil der Zechenstillegungen vermieden worden. Freilich hätte sich der Massenwohlstand auch nicht so sprunghaft erhöhen können, denn die Energiepreise wären nicht in dem Maße abgesunken. Die Sicherheit der Energieversorgung wäre aber in größerem Maße gewährleistet geblieben, als sie es jetzt ist.

Als weitere Voraussetzung hätte man neue Energiequellen rechtzeitig entwickeln müssen. Hierfür hätte sich damals in erster Linie die Kernenergie angeboten. Und schließlich hätte man rechtzeitig die rationellere Verwendung der vorhandenen Energie fördern müssen. Derartige Maßnahmen sind möglich. Das beweist das Ergebnis der in allen Mitgliedsstaaten immer stärker werdenden Besteuerung des Benzins als Treibstoff. Man vergleiche nur die Motorenleistung der Automobile bei gleichem Treibstoffverbrauch am Anfang der fünfziger Jahre mit der heutigen! Diese Entwicklung zeigt aber auch, daß energietechnische Maßnahmen längere Zeit benötigen, bis sie wirksam werden. Das gilt ebenfalls für die Errichtung neuer Energieerzeugungs-und -förderungsanlagen.

Die Niederbringung von Bergwerksschächten, die Errichtung oberirdischer Bergwerksanlagen, die Errichtung neuer Erdölaufbereitungsanlagen und -fernleitungen, von Kraftwerken und überlandnetzen erfordern lange, zwischen fünf und zehn Jahren liegende Bauzeiten. Hinzu kommt ein so hoher Kapitalaufwand, daß er selbst über die Möglichkeiten der einzelnen Großfirmen vielfach hinausgeht. Das vorhandene Risiko des Kapitaleinsatzes zwingt daher zu sorgfältiger und vorausschauender Planung und Absatzgarantie, aber auch zur Koordinierung durch staatliche oder überstaatliche Stellen — z. B.der Europäischen Gemeinschaft.

Ganz allgemein gilt: Was heute an energiepolitischen Maßnahmen nicht in die Wege geleitet wird, kann sich vor zehn Jahren nicht auswirken. Was also heute bindend beschlossen wird, kann frühestens 1985 seine Folgen haben. Das gilt natürlich auch für Beschlüsse hinsichtlich des Baus und des Betriebs von Atomkraftwerken, denn von der Planung bis zur Inbetriebnahme vergehen zur Zeit etwa acht Jahre!

Selbst unter den günstigsten Umständen — wenn nicht ein Wunder geschieht — werden wir bis 1985 nicht wesentlich aus der bisherigen Abhängigkeit herauskommen. Und das wird auch nur dann der Fall sein, wenn die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft sofort zu einer gemeinsamen Energiepolitik gelangen. Dazu ist es aber bisher trotz aller schönen Worte nicht gekommen. Möglichkeiten hat es gegeben; man hat jedoch die vorhandenen Mittel nicht der Lage angepaßt.

III. Zweiundzwanzig Jahre gemeinschaftliche Energiepolitik

Gewisse Hoffnungen erweckt jedoch das Ergebnis des Europäischen Rats vom 1. /2. Dezember 1975 in Rom. Weniger wichtig in diesem Zusammenhang ist die Gewährleistung eines Mindestpreises für britisches Nordseeöl. Aber bei dieser Gelegenheit erhielt die Kommission den Auftrag, dem Rat geeignete Mechanismen zum Schutze der bestehenden Energiequellen der Gemeinschaft und zur Gewährleistung der Entwicklung alternativer Energiequellen vorzuschlagen. Die Kommission hatte zwar dem Rat schon längst entsprechende Vorschläge unterbreitet, doch müssen sie wahrscheinlich der nun entstandenen Lage, die sich aus der Gewährleistung eines britischen Ol-Preises für die Eigenerzeugung geben, angepaßt werden: Das könnte z. B. ein Grundpreis für eingeführtes Rohöl sein.

Es bleibt abzuwarten, ob hier ein Anstoß für eine gemeinschaftliche Energiepolitik gegeben wurde, auch wenn sie vielleicht nicht als solche deklariert werden wird. 1. Die energiepolitischen Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Es hat in der Tat am Anfang der Verträge — zu Beginn der fünfziger Jahre — eine gemeinschaftliche Energiepolitik gegeben, weil die erforderlichen Befugnisse fast 90 °/o der damaligen Energieerzeugung und -darbietung umfaßten. Damit ist natürlich jene Zeit gemeint, während der die Steinkohle der Hauptenergieträger war. Die Befugnisse der damaligen Hohen Behörde der EGKS reichten unter diesen Umständen für eine gemeinsame Energie-politik aus. Sie ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen der Artikel 3, 5, 46, 47, 49, 54, 55, 57, 59, 61 sowie 71 ff.des EGKS-Vertrages. Gäbe es entsprechende Bestimmungen hinsichtlich aller Energieträger, dann wäre heute vieles leichter zu regeln. Bei der Abfassung des EGKS-Vertrages war man noch bestrebt gewesen, Befugnisse von den Mitglieds-staaten in höherem Maße auf die Gemein-schäft zu verlagern, als es später beim EWG-und Euratom-Vertrag der Fall war.

Ferner war man davon ausgegangen, daß die Nachfrage nach Kohle (und auch nach Stahl) das Angebot auf lange Zeit übersteigen würde. Niemand hatte vorausgesehen, daß das zunehmende Angebot billigen Ols den Absatz der Kohle beeinträchtigen würde. Niemand sah auch voraus, daß eines Tages die Nachfrage nach Kohle erneut steigen würde, um den sich aus der Energiekrise von 1972 ergebenden Folgen und politischen Aussichten auszuweichen.

Bei der 1953 vorhandenen Struktur der Energiedarbietung konnte man mit Recht die steinkohlenpolitischen Befugnisse der Gemeinschaft als allgemeine energiepolitische Zuständigkeiten ansehen. Erst die sich ständig verringernde Bedeutung der Steinkohle bei der Energiedarbietung, verbunden mit einer Nichtanpassung der dann zusätzlich geltenden Bestimmungen des EWG-Vertrages an die entstandene Lage, hat dazu geführt, daß sich die Gemeinschaft allmählich ihrer energiepolitischen Befugnisse beraubt sah.

Auch heute noch kann man die Bestimmungen des EGKS-Vertrages vom 18. 4. 1951, soweit sie die energiepolitischen Befugnisse der Gemeinschaft als solche betreffen, als Muster ansehen. Das gilt freilich nicht für die Aufteilung der Zuständigkeiten auf die einzelnen Organe, die der Hohen Behörde eine übermächtige Stellung einräumen und daher der Anpassung bedürfen. Diese Befugnisse gelten für die Steinkohle unverändert bis zum heutigen Tag. Sie betreffen aber nicht die Braunkohle. Diese fällt, wie alle anderen Energieträger — ausgenommen die Kernenergie — unter die Bestimmungen des EWG-Vertrages. Für die Kernenergie gelten hingegen die Bestimmungen des Euratom-Vertrages.

Der EGKS-Vertrag bestimmt folgendes: Die Organe der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl haben auf eine geordnete Versorgung des gemeinsamen Marktes mit Steinkohle unter Berücksichtigung des Bedarfs dritter Länder zu achten, wobei sie allen in vergleichbarer Lage befindlichen Verbrauchern des gemeinsamen Marktes gleichen Zugang zu der Produktion zu sichern haben (Artikel 3 a und 3 b). Diese „Garantieklausel" entsprang der damals vorhandenen Mangellage. Sie könnte, falls eine akute Kohlekrise eintreten sollte, erneut von Bedeutung werden, denn sie gibt den nicht kohlefördernden Mitgliedsstaaten einen Rechtsanspruch auf Belieferung nach Maßgabe der Möglichkeiten.

Eine Absatzgarantie in Zeiten des Überschusses wäre logisch, ist aber im Vertrag ausdrücklich nicht aufgeführt. Sie wäre im Augenblick gerade der deutschen Steinkohle von Nutzen, die sich einem erneuten ruinösen Wettbewerb mit schwerem Heizöl gegenübersieht, das z. T. billiger als Rohöl abgegeben zu werden scheint.

Die Organe des EGKS haben freilich auch darauf zu achten, daß Voraussetzungen erhalten bleiben, die einen Anreiz für die Unternehmen bieten, ihr Produktionspotential auszubauen und eine Politik rationeller Ausnutzung der natürlichen Hilfsquellen unter Vermeidung von Raubbau zu verfolgen (Artikel 3 d). Diese Bestimmung war, wie gesagt, bei der damals vorherrschenden Bevorzugung der Steinkohle als Energieträger geschaffen worden angesichts eines drohenden Mangels. Heutzutage könnte sie eine andere Bedeutung gewinnen, weil sie der Gemeinschaft die Zuständigkeit gewährt, den Ausbau des Kohle-potentials zu unterstützen. Die Mittel sind an dieser Stelle nicht aufgeführt. Es wäre aber denkbar, daß dieser Artikel auch im Sinne eines Schutzes der Wettbewerbsfähigkeit der politisch sicheren gemeinschaftlichen Steinkohle ausgelegt werden könnte, und dazu gehört auch eine Absatzgarantie, weil sonst die Unternehmen nicht veranlaßt werden können, ihr Produktionspotential rationell auszubauen.

Dem steht auch nicht entgegen, daß Artikel 5 eine, allerdings nicht umfassende, Aufzählung jener Instrumente enthält, derer sich die Gemeinschaft bedient: Einholung von Auskünften, Organisierung von Beratungen, Festlegung allgemeiner Ziele einerseits, Zurverfügungstellen von Investitionsmitteln, Fürsorge für normale Wettbewerbsbedingungen andererseits. Die Artikel 46 und 47 gehen hier mehr in die Einzelheiten. Die Flohe Behörde als Exekutive hat dabei mit den Regierungen, den Unternehmern, den Arbeitnehmern, den Verbrauchern und den Händlern eng zusammenzuarbeiten. Die „konzertierte Aktion" ist also keine Erfindung der neuesten Zeit.

Bei der heutigen energiepolitischen Lage sind die Bestimmungen der Ziffern 2 und 3 des Artikels 46 von besonderer Bedeutung: Ihnen zufolge muß die Hohe Behörde (jetzt: Kommission) in regelmäßigen Zeitabständen sowohl Programme für die Erzeugung, den Verbrauch, die Ein-und Ausfuhr von Kohle als Hinweis aufstellen als auch allgemeine Ziele für die Modernisierung und die „Orientierung der Fabrikation" auf lange Sicht und die Ausweitung der Produktionskapazität angeben. Diese Aufgabe nimmt die Kommission nach wie vor wahr. Sie kann gemäß Artikel 47 hierzu die notwendigen Auskünfte einholen und die entsprechenden Überprüfungen vor-B nehmen lassen, sie kann die Auskunftserteilung auch erzwingen. Diese Bestimmung muß darum besonders hervorgehoben werden, weil sie in dieser Form für die unter den EWG-Vertrag fallenden Energieträger nicht gilt.

Angesichts der nur noch sektoriellen Bedeutung der Steinkohle wirken sich die vollständigeren Bestimmungen des EGKS-Vertrages unzureichend auf eine — nicht vorhandene — globale energiepolitische Strategie der Gemeinschaft aus.

Beim gegenwärtigen Stand der Dinge ist die Kohle z. B. in der Bundesrepublik nur in unzureichendem Maße Träger der Grundlast des Energiebedarfs. Dazu wäre sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen berufen. Die Kohle-förderung kann nur gleichmäßig vor sich gehen. Anderenfalls müssen Feierschichten gefahren werden oder die Kohle geht auf Halde. Da die Kohle derzeit die konjunkturellen Schwankungen bei der Nachfrage auszuhalten hat, erklären sich die in der Bundesrepublik wieder angewachsenen Halden von 20 Mio t. Glücklicherweise hat die Bundesregierung das Problem erkannt und zur Entlastung die Schaffung der nationalen Kohlenreserve von 10 Mio t um ein Jahr vorgezogen. Deutsche Kohle ist aber ein Exportgut in die Gemeinschaft. Man kann also von der deutschen Regierung allein nicht zu viel verlangen. Es muß auf Gemeinschaftsebene dafür gesorgt werden, daß die Kohle — nicht nur die deutsche! — in stärkerem Maße als bisher die Grundlast der Energieversorgung übernimmt.

Die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel beschafft sich die Kommission als Hohe Behörde gemäß Artikel 49 entweder durch die Aufnahme von Anleihen — natürlich zum Zweck der Weitergabe als Investitionsmittel — oder durch die Erhebung von Umlagen auf die Erzeugung von Kohle und Stahl. Diese „Montan-Umlage“ von derzeit 0, 29 °/o des Bruttoproduktionswertes wird jährlich neu festgesetzt. Es handelt sich dabei um die erste und älteste Gemeinschaftssteuer überhaupt. (Die andere Gemeinschaftsteuer — außer den Zöllen — ist bezeichnenderweise die Lohnsteuer auf die Gehälter der Gemeinschaftsbeamten; es gibt zwar noch keinen europäischen Bundesstaat, wohl aber einen europäischen Fiskus!)

Die eisenschaffende Industrie beklagt sich regelmäßig, sie werde durch die Montanumlage gezwungen, den notleidenden Bergbau zu unterstützen. In der Tat wird der größere Anteil der Montanumlage von ihr aufgebracht. Dabei ist festzuhalten, daß die eisenschaffende Industrie durch ihren großen Beitrag zur Umlage dazu beigetragen hat und auch weiter dazu beiträgt, einen Energieträger am Leben zu halten, dessen auch sie bedarf und ohne dessen Vorhandensein die übrigen, für die Eisen-und Stahlerzeugung benötigten Energieträger noch teurer sein würden, als es ohnehin der Fall ist.

Die Artikel 54 und 55 des Kapitels „Investitionen und finanzielle Hilfe" regeln die finanzielle und sonstige Beteiligung der Hohen Behörde bei Investitionen im Kohle-und Stahl-bereich und bei der Forschung. Hat doch die Hohe Behörde die Aufgabe, neben der Steigerung der Betriebssicherheit auch eie Forschung für die Erzeugung und Steigerung des Verbrauchs der Kohle auf verschiedene Weise zu fördern. Damit sollen nicht nur neue Verwendungsmöglichkeiten für die Kohle gefunden werden. Heute bedeutet diese Bestimmung, daß alles getan werden muß, damit die vorhandene Kohle besser genutzt wird. Dieser Aufgabe unterzieht sich die Kommission in der Regel durch indirekte Forschungen, d. h. durch Auftragsvergabe an Dritte und durch die Koordinierung der verschiedenen nationalen Forschungsvorhaben, die ein und demselben Ziel dienen sollen. Sie kann diese Forschungen auch finanziell unterstützen und benutzt dieses Instrument auch, um die zuvor erwähnte Koordinierung zu fördern.

Die Artikel 57 und 59 des Kapitels „Erzeugung" erwähnen die einzelnen Maßnahmen, welche die Gemeinschaft zur Steigerung der Kohleerzeugung ergreifen kann. Artikel 61 regelt praktische Maßnahmen der Preispolitik, z. B. auch die Subventionen für den Verbrauch gewisser Kohlensorten (Kokskohlensubventionen), die sich durchaus bewährt haben. Die Serie der Artikel 71 ff. schließlich regelt die Handelspolitik. Sie bestanden schon, bevor man im Rahmen des EWG-Be-reichs an die Durchführung der dort vorgeschriebenen allgemeinen handelspolitischen Maßnahmen ging. Erst seit dem 1. Januar 1975 ist der Abschluß von Außenhandelsverträgen im EWG-Bereich Sache der Gemeinschaft!

In diesem Zusammenhang wäre darauf hinzuweisen, daß die Aussichten, ein etwaiges Energiedefizit der Gemeinschaft durch massive Kohleeinfuhren aus Ubersee zu decken, nicht günstig beurteilt werden dürfen. Es gibt zwar einen weltumspannenden Kohlenhandel. Was aber an freien Mengen, die nicht durch Lieferverträge bereits gebunden sind, zur Verfügung stehen könnte, ist unbedeutend. Von dieser Seite her kann kaum Hilfe erwartet werden. 2. Die energiepolitischen Befugnisse der Europäischen Atomgemeinschaft Diese Gemeinschaft trat 1958 gleichzeitig mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ins Leben. Sie scheint im Vergleich zu jener verhältnismäßig unbedeutend zu sein. Wir müssen sie aber vor der EWG behandeln; ihre energiepolitischen Befugnisse sind zwar geringer als die der EGKS, aber immer noch umfangreicher als jene des EWG-Vertrages.

Trotz der unbestreitbaren Erfolge der EGKS waren die Mitgliedstaaten 1957 bei der Über-gabe von Befugnissen an neue Gemeinschaften zurückhaltender geworden. Das schlug sich unter anderem auch in der immer stärker werdenden Stellung des Rates, d. h.der Vertretung der Mitgliedsstaaten, nieder. Er vereint in EAG und EWG in zunehmendem Maße exekutive mit legislativen Befugnissen und hat sich im Laufe der Jahre eher als ein Instrument der Mitgliedsstaaten denn als solches der Gemeinschaft erwiesen. Hinzu kommt, daß die im EWG-Vertrag und im EAG-Vertrag nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen vorgesehenen einstimmigen Beschlüsse zur Regel wurden. Das zeigte sich auch bei der Anwendung des Euratom-Vertrages. Der Euratom-Vertrag war auf besonderen Wunsch Frankreichs geschaffen worden. Er sollte mit dazu dienen, die Kernforschung einiger Mitgliedsstaaten auf die Gemeinschaft zu verlagern und die übrigen Mitgliedsstaaten, die aus deren Ergebnissen eines Tages ihren Nutzen ziehen würden, auch an den Kosten zu beteiligen. Der Euratom-Vertrag war damit der Preis dafür, daß Frankreich sich für den EWG-Vertrag einsetzte. Die Dinge entwickelten sich im Laufe der Jahre aber ganz anders. Das Interesse Frankreichs am EWG-Vertrag wuchs, während es den Nutzen des Euratom-Vertrages immer geringer einschätzte. Als Folge der beherrschenden Rolle des Rates in dieser Gemeinschaft ergaben sich daraus die entsprechenden verzögernden Folgen in der Entwicklung der Euratom.

In den letzten Jahren ist immer wieder von den direkten Forschungsbefugnissen der Eura-tom-Gemeinschaft die Rede gewesen. In der Tat dürfen und sollen im Kernbereich direkte Forschungen, und zwar in der „Gemeinsamen Forschungsstelle" mit Hauptsitz Ispra am Lago Maggiore, durchgeführt werden. Diese Forschungen sind auch von energiepolitischer Bedeutung. Sie sollten aber bei einer Betrachtung der kernenergiepolitischen Befugnisse der Gemeinschaft nicht so in den Vordergrund gestellt werden, als wäre Eura-tom eine Forschungsgemeinschaft. Vornehmste Aufgabe der EAG ist es nämlich, durch die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien einheitlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Beziehungen mit anderen Ländern beizutragen (Artikel 1). Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat die Gemeinschaft u. a. die Investitionen zu erleichtern und durch Förderung der unternehmerischen Initiative die Schaffung der wesentlichen Anlagen sicherzustellen, die für die Entwicklung der Kernenergie in der Gemeinschaft notwendig sind, für die regelmäßige und gerechte Versorgung aller Benutzer der Gemeinschaft mit Erzen und Kernbrennstoffen Sorge zu tragen und einen gemeinsamen Markt für die auf dem Kerngebiet verwendeten Stoffe und Ausrüstungen zu schaffen (Artikel 2 c, d und g).

Obwohl Forschung und Schutz der Gesundheit bei der Verwendung der Kernenergie an hervorragender Stelle der einzelnen Aufgabenbereiche stehen und gemäß Artikel 45 ff. in der Rechtsform der „Gemeinsamen Unternehmen" auch Unternehmen errichtet werden können, die für die Entwicklung der Kernenergie in der Gemeinschaft von ausschlaggebender Bedeutung sind (hier üben Rat und Mitgliedsstaaten den entscheidenden Einfluß aus), so ist doch angesichts der gegenwärtigen Lage auf dem Brennstoffmarkt die Möglichkeit von Kernenergieinvestitionen (Anleihen für den Kraftwerkbau) und die gemeinsame Versorgungspolitik das Entscheidende. Bei der Gewährung von Darlehen — entweder durch die Kommission oder die Europäische Investitionsbank auf Grund des Ergebnisses emittierter Anleihen — haben sich keine Schwierigkeiten ergeben, nur machen manche Mitgliedsstaaten bzw. ihre Industrien keinen Gebrauch davon. Für andere hingegen ist die Finanzierungsquelle um so wichtiger.

Was die gemeinsame Versorgungspolitik angeht, so ist im Rahmen des Kapitels VI des Vertrages (Versorgung) eine „Agentur" mit eigener Rechtspersönlichkeit vorgesehen, welche als gemeinsames Versorgungsunternehmen mit Kernbrennstoffen zu dienen hat. Man war allerdings 1957 von einer viel schnelleren Entwicklung der Kernenergie ausgegangen, als sie dann in Wirklichkeit stattfand. Die erwartete Knappheit an spaltbarem Material blieb also zunächst aus. Immerhin stand und steht einer Vielzahl von Verbrauchern ein Angebotsoligopol, wenn nicht ein Monopol, gegenüber. Das gilt besonders für angereichertes Uran. In der westlichen Welt nahmen die Vereinigten Staaten lange Jahre eine Monopolstellung ein, und die Anlagen, die man in Europa für die Urananreicherung noch bauen will, hängen von einem ausreichenden Nachschub an Natururan ab.

Als das Angebot an spaltbaren Stoffen die Weltnachfrage mehr als reichlich zu decken schien, da empfand man die feste Konzentration der Nachfrage in der Gemeinschaft als Zwangsjacke. Das führte dazu, daß sich die Mitgliedsstaaten unter Umgehung der Agentur versorgten. Dieses Vorgehen veranlaßte die Kommission dazu, 1971 eine entsprechende Klage gegen Frankreich zu erheben. Dabei tauchte die Frage auf, ob dieses Kapitel VI des Euratom-Vertrages überhaupt geltendes Recht sei. Der in diesem Kapitel befindliche Artikel 76 sah und sieht nämlich eine Revision des ganzen Kapitels nach sieben Jahren vor. Trotz entsprechender Vorschläge der Kommission aus dem Jahre 1965 kam es vorerst nicht zu einer Revision, weil ein Mitgliedsstaat die unmittelbare Versorgung durch die Lieferanten ohne Inanspruchnahme der Agentur für den Umständen entsprechend angemessener hielt. Obwohl die Kommission mehrfach Vorschläge gemacht hat, durch eine Revision dieses Kapitels VI die Agentur lebensfähig zu machen, konnten sich bisher die Mitgliedsstaaten, vertreten durch den Rat, zu einer solchen Maßnahme nicht entschließen. Dabei gehen diese Vorschläge bis ins Jahr 1964 zurück und wurden 1974 zum letzten Mal erneuert. Angesichts des sich abzeichnenden Kampfes um Rohstoffe wäre es politisch unklug, wollte man auf die Dienste, welche die Agentur leisten kann, verzichten.

So kann selbst bei im Vertragstext vorhandenen Befugnissen eine gemeinsame Politik dann nicht zustande kommen, wenn die Interessen der Mitgliedsstaaten nicht auf einen Nenner gebracht werden. Diese Tatsachen schlagen sich in einer Beschlußmüdigkeit des Rates nieder. 3. Die energiepolitischen Befugnisse der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Alle Energieträger mit Ausnahme der Kernenergie und der Steinkohle sind den Bestimmungen des EWG-Vertrages unterworfen, wenn es darum geht, eine gemeinsame Energiepolitik zu entwickeln. Dieser Vertrag enthält aber keine spezifische Bestimmung, die sich ausdrücklich auf irgendeinen Energieträger, geschweige denn auf die Energiepolitik als solche bezieht. Bei allen energiepolitischen Maßnahmen mußte deshalb auf andere Artikel Bezug genommen werden. Artikel 2 des Vertrages führt unter den Zielen der Gemeinschaft auf, es sei durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitiken eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität zu erreichen. Seit 1972 haben wir alle erkannt, daß diese Ziele nur vermittels einer sicheren und ständigen Energieversorgung erreicht werden können. Logischerweise sollten auf Grund dieses Zusammenhangs die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden können, die genauso infrastruktureilen Charakters sind wie z. B. die Verkehrspolitik und die Regionalpolitik, aber natürlich auch die Arbeitsmarktpolitik.

Es muß also unter Zuhilfenahme allgemein gefaßter Vertragsbestimmungen gearbeitet werden. Ihre Anwendbarkeit ist unbestritten, doch sind bei ihrer Anwendung nur in seltenen Fällen Befugnisse der Kommission ohne Hinzuziehung des Rates vorhanden, bei dessen Tätigwerden sich der Brauch der Einstimmigkeit auch da eingebürgert hat, wo diese nicht zwingend vorgeschrieben ist. Das heißt, in der Praxis kann also ein einziger Mitgliedsstaat durch Ausscheren jede Maßnahme einer gemeinsamen Energiepolitik blockieren, ausgenommen im EGKS-Bereich! Es ist deshalb kein Wunder, wenn es zwar allmählich stückweise energiepolitische Maßnahmen, nie aber ein globales energiepolitisches Konzept der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gibt, das über das Vorschlagsstudium hinaus gediehen ist.

In der Regel , wird man sich bei der Energie-politik auf folgende Bestimmungen des EWG-Vertrages zu stützen haben, solange eine Vertragsrevision nach Artikel 236 des EWG-Vertrages, die zwar erwünscht, aber kaum durchführbar ist, auf sich warten läßt:

Auf die Bestimmungen über die Zollunion (Art. 9— 29);

über die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen (Art. 30— 37);

über die Wettbewerbsregeln (Art. 85— 94); über die steuerlichen Vorschriften (Art. 94 bis 99);

über die Angleichung der Rechtsvorschriften (Art. 100— 102);

über die Handelspolitik (Art. 110— 116);

über das Recht der Kommission, die erforderlichen Auskünfte einzuholen und die er-37 forderlichen Nachprüfungen vorzunehmen (Art. 213); über die Gewährung der für die Erreichung der Ziele erforderlichen Befugnisse, wenn diese nicht vorhanden sind (Art. 235).

Der Einsatz dieses Instrumentariums setzt einen entsprechenden politischen Willen nicht nur der Kommission, sondern vor allem der Mitgliedsstaaten voraus. Dieser Wille äußert sich in Ratsentscheidungen, und hier erleben wir immer wieder gute Absichtserklärungen, die sich mit Verzögerung in kleineren Einzelentscheidungen niederschlagen.

Die Geschichte der Energiepolitik der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist daher im wesentlichen eine Geschichte des Kampfes der übrigen Institutionen mit dem Rat um entsprechende Beschlußfassungen. Daher muß hier die Rolle der drei wichtigsten Institutionen, nämlich der Kommission, des Rates und des Parlaments beschrieben werden. 4. Kommission, Rat und Parlament als Träger der gemeinschaftlichen Energiepolitik Die Kommission besitzt das Initiativund Vorschlagsrecht, der Rat das Entscheidungsrecht. Die Kommission führt diese Entscheidungen aus und das Parlament kontrolliert die Kommission, nicht aber den Rat. Es kann die Kommission, nicht aber den Rat durch Mißtrauensvotum stürzen, besitzt überdies auch bestimmte Haushaltsbefugnisse.

Das ist die Theorie des EWG-Vertrages wie des Euratom-Vertrages. Sie wird angewandt, wenn genaue Befugnisse der Gemeinschaft festgelegt sind, z. B. im Bereich der Landwirtschaftspolitik. Was geschieht aber, wenn bei an und für sich notwendigen Maßnahmen die Befugnisse aus Bestimmungen abgeleitet werden müssen, die höchstens mit einem Seitenblick auf kommende Möglichkeiten eine Nutzung zugunsten einer gemeinsamen Energie-politik erlauben?

In diesem Fall macht die Kommission die entsprechenden Vorschläge, leitet sie dem Rat zu und dieser fällt die Entscheidungen — in der Regel einstimmig —, nachdem das Parlament dann konsultiert worden ist, wenn der Vertrag es verlangt, manchmal aber auch in Fällen, bei denen keine Konsultation vorgeschrieben ist.

Die retardierende Tendenz des Rates hat negative Auswirkungen auf die Tätigkeit der Kommission gehabt. Es wäre aber falsch zu glauben, die Kommission habe auf Grund der meist negativen Haltung des Rates ihre Tätigkeit eingestellt. Aber gewisse Ermüdungserscheinungen waren doch spürbar. Wenn man nämlich einem entscheidungsbefugten Organ Vorschläge macht, diese Vorschläge dann auf die lange Bank geschoben und inaktuell werden, dann wird man in der Regel den Mut verlieren. Nicht so die Kommission, der in Gestalt des Parlaments in dieser Sache ein Verbündeter erwachsen ist.

Die Rolle des Parlaments sollte man in dieser Hinsicht nicht unterschätzen. Nach dem Wortlaut des EGKS-Vertrages braucht es zwar überhaupt nicht konsultiert zu werden. Seine Tätigkeit erschöpft sich demnach in einer Debatte über den Gesamtbericht der EGKS. Im EWG-und Euratom-Bereich muß es allerdings gehört werden zu allen den Wettbewerb, die Rechtsangleichung, die Gewährung fehlender Befugnisse, die Änderung des Euratom-Vertrages hinsichtlich der Versorgungsagentur betreffenden Fragen, ferner zum Gesamtbericht, den die Kommission jährlich in schriftlicher Form zu erstatten hat.

In Wirklichkeit geht die Anhörung aber viel weiter, weil das Parlament in zunehmendem Maße Haushaltsbefugnisse erhält und alle Maßnahmen, die vorgeschlagen werden und sich auf den Haushalt auswirken, vom Parlament auf Grund der Haushaltsbestimmungen kontrolliert werden. Rat und Kommission tragen dieser Möglichkeit lieber vorbeugend Rechnung, indem sie das Parlament — wenn auch nicht immer — „freiwillig" konsultieren.

Beim Kampf des Parlaments um die Zuständigkeit bei jenen Befugnissen, die den nationalen Parlamenten auf Grund der Verträge entzogen wurden, ohne dem Europäischen Parlament bisher zuzuwachsen, spielt diese Möglichkeit also eine nicht zu unterschätzende Rolle. Somit hat — was den uns interessierenden Bereich angeht — das Parlament die Rolle des Mahners für eine gemeinsame Energiepolitik übernommen. Es hat auch durchgesetzt, daß es von allen bedeutenden energiepolitischen Vorlagen — selbst im Rahmen des EGKS-Bereichs — in Kenntnis gesetzt wird. Erfolgt keine freiwillige Konsultation, so befaßt sich sein zuständiger Ausschuß in der Regel von sich aus mit jenen Dokumenten, die ihm zugeleitet werden. Außerdem macht er von sich aus Vorschläge, wie seiner Ansicht nach vorgegangen werden sollte. Davon wird noch im einzelnen die Rede sein. 5. Erreichtes und Versäumtes Was ist eigentlich der tiefere Grund dafür, daß die Energiesachverständigen in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre einen Energiemangel befürchten?

In den fünfziger Jahren hatten die großen Energiewirtschaftsunternehmen mit den Gewinnen aus den vierziger Jahren sehr große Explorationen vorgenommen. So wurden die Erdölfelder z. B. in Libyen, Algerien und Indonesien erschlossen wie auch die Erdgasfelder der Niederlande. Sie alle wurden in den fünfziger Jahren fündig. Infolgedessen setzte in den sechziger Jahren ein harter Wettbewerb auf den Märkten ein und neue Explorationen konnten nur noch in einem beschränkten Umfang durchgeführt werden.

Die Energiedarbietung hat aber die Eigenschaft, daß sie das Ergebnis früherer Bemühungen widerspiegelt. Es liegt also auf der Hand, daß die Gemeinschaft langfristige Leitlinien für die Energieversorgung besitzen muß, wenn sie eine Energiepolitik betreiben will. Der Grundsatz als solcher ist unbestritten. Derartige Vorschläge hatte die Kommission dem Rat unter Zustimmung des Parlaments bereits im Dezember 1968 unterbreitet, ohne daselbst eine Billigung der Einzelheiten zu finden. Sie hat zwar einige Einzelmaßnahmen treffen können, die in dieser „Ersten Orientierung für eine gemeinsame Energiepolitik" enthalten waren, konnte aber trotz der grundsätzlich positiven Erklärung der Staats-und Regierungschefs der Gemeinschaft auf ihrer Gipfelkonferenz in Paris Ende 1972 nicht mehr durchsetzen. Einem Vorschlag der-Kommission an den Rat über die notwendigen Fortschritte auf dem Gebiet der gemeinschaftlichen Energiepolitik, der bereits im November 1972 unter dem Druck der Ereignisse vorgelegt worden war und den das Parlament ebenfalls grundsätzlich billigte, war kein besseres Schicksal beschieden. Und schließlich ist ein Vorschlag der Kommission für eine Ratsentschließung über die Ziele der gemeinschaftlichen Energiepolitik von Mitte 1974, zu der sich das Europäische Parlament initiativ im März 1975 äußerte, bis heute unerledigt geblieben! Dabei stehen wir bereits im dritten Jahr der Erdölkrise, die auch nicht dadurch gemildert wird, daß im Augenblick die Versorgung ausreichend zu sein scheint. Das Problem der Unsicherheit ist geblieben.

Der Rat hatte im September 1974 — schon auf Grund der entsprechenden Aufforderung der Konferenz der Staats-und Regierungschefs der Gemeinschaft von Dezember 1973 in Kopenhagen — beschlossen, sich vor Ende 1974 zu den zahlenmäßigen Zielen einer energiepolitischen Orientierung der Gemeinschaft per 1985 zu äußern. Auch das geschah leider bisher nicht in dem erforderlichen Umfang.

Im Vergleich zu ihren Schätzungen von März 1974 kam die Kommission nunmehr zu einigen anderen Ergebnissen; so schätzte sie die im Jahre 1985 möglichen Energieeinsparungen nicht nur auf 10%, sondern sogar auf 15%. Voraussetzung dafür wäre allerdings, daß ein Mechanismus existiert, der die Einhaltung der sich daraus ergebenden politischen Verpflichtungen durchzusetzen in der Lage ist. Eine energiepolitische Ratsentschlie-ßung vom 17. Dezember 1974 wies jedenfalls nicht auf den bindenden Charakter dieser Ziele hin, wenn sie auch nicht umhin konnte, den Vorschlägen der Kommission unverbindlichen Beifall zu spenden.

Dabei muß allerdings klar sein, daß auch bei grundsätzlichen Orientierungen die Vorschläge von Zeit zu Zeit überprüft werden müssen. Eine gemeinschaftliche Energiepolitik besteht nicht aus starren Grundprinzipien und ist auch nicht in einer Art Kodex festzulegen, an dem nachher nicht mehr gerüttelt werden darf. Der Dialog mit den Erzeugerländern, auf den zu hoffen ist, bei dem aber die Gemeinschaft-mit einer Stimme sprechen muß, wenn sie sich durchsetzen will, wird neue Fakten und neues Informationsmaterial bringen. Gerade die rechtzeitige Information ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, daß die Kommission aktuelle Vorschläge machen kann. Was den Energiebereich angeht, so hat hier eine Zeitlang ein wahres Trauerspiel stattgefunden. Während nach den EGKSund EAG-Verträgen — worauf wir schon hingewiesen haben — die Kommission für Kohle und Kernenergie ein Recht hat, die Informationen anzufordern und die Herausgabe der Informationen von den zuständigen Firmen auch erzwingen kann, bedarf sie gemäß Artikel 213 des EWG-Vertrages zur Einholung der Auskünfte und zur Vornahme der erforderlichen Nachprüfungen zwecks Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben einer Festlegung des Rahmens und der näheren Maßgabe hierfür durch den Rat. Das gilt also für alle Energieträger mit Ausnahme der beiden zuvor erwähnten.

Ein konkretes Beispiel: Ende 1969 hatte die Kommission dem Rat auf Grund ihrer Mitteilung über die „Erste Orientierung für eine gemeinschaftliche Energiepolitik" Vorschläge für zwei Ratsverordnungen über die Mitteilung der beabsichtigten Einfuhren von Kohlenwasserstoffen (d. h. Erdöl und Erdgas) und betreffend Investitionsvorhaben von gemeinschaftlichem Interesse in den Bereichen der Erdöl-, Erdgas-und Elektrizitätswirtschaft vorgelegt. Dazu nahm das Europäische Parlament schon ein halbes Jahr später grundsätz-lieh positiv Stellung. Es dauerte aber bis Mai 1972, ehe der Rat in der Lage war, diese Vorschläge zu billigen, und zwar mit zahlreichen Änderungen. Es ging dabei unter anderem auch um die Frage, ob die Meldungen direkt an die Kommission gehen sollten oder über die betreffenden Mitgliedsstaaten (im EGKS-Bereich gehen die Meldungen direkt!). Diese Verordnung soll übrigens demnächst geändert werden.

Hier haben wir es mit einem Beispiel zu tun, das glücklicherweise noch einmal gut ausging. Aber es gibt auch eine Liste von Vorhaben, welche die Kommission im Laufe des Verfahrens zurückzog, weil sie nicht mehr aktuell waren oder angesichts der Umstände geändert werden mußten. Dazu gehören: — der Vorschlag einer Ratsverordnung hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Konsultationsverfahrens über die Versorgung der Gemeinschaft mit Kohlenwasserstoffen aus dem Jahre 1973; an dessen Stelle tritt ein Mitte 1975 von der Kommission erarbeiteter Vorschlag über eine vom Rat zu erlassende Verordnung für ein gemeinschaftliches Verfahren zur Unterrichtung und Konsultation über die Preise für Rohöl und Mineralölerzeugnisse in der Gemeinschaft, die derzeit in der parlamentarischen Prüfung ist und Anfang 1976 in Kraft treten soll; — der Vorschlag einer Ratsverordnung aus dem Jahre 1973 über die Mitteilung von Informationen betreffend die Versorgung der Gemeinschaft mit Erdöl; — fünf Vorschläge aus dem Jahre 1974 hinsichtlich Ratsempfehlungen oder Entscheidungen über den Erdölhandel.

Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß es natürlich auch Vorschläge zu Rechtsakten gibt, die vom Rat angenommen worden sind. Hierzu gehören insbesondere: — Ratsverordnung über die Mitteilungspflicht der Ausfuhr von Kohlenwasserstoffen an die Kommission (aus dem Jahre 1973; angenommen im Februar 1975);

— Richtlinien über die Beschränkung der Verwendung von Erdgas in und von Erdölerzeugnissen in Kraftwerken (aus dem Jahre 1974; angenommen im Sommer 1975); — Ratsentscheidung über die Einrichtung eines Energieausschusses im Rahmen der Exekutive; — Ratsentscheidung über die Aufstellung umfassender Energiebilanzen (aus dem Jahre 1973; angenommen Anfang 1975); — Richtlinie über die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, Lager fester Brennstoffe bei Wärmekraftwerken zu unterhalten (aus dem Jahre 1973; angenommen im Sommer 1975); — Aktionsprogramm über die rationelle Nutzung der Energie (aus dem Jahre 1974; angenommen im Sommer 1975); — kurzfristige Ziele bei der Verminderung des Erdölverbrauchs (aus dem Jahre 1975; und schon im Sommer 1975 gutgeheißen!).

Bei so dringenden politischen Entscheidungen, wie sie im Energiebereich erforderlich sind, ist die gegenwärtige Struktur der Beschlußfassung zu schwerfällig und damit nutzlos. Das hat gerade in jüngster Zeit zu entsprechenden Reaktionen geführt, von denen später die Rede sein wird. Im Augenblick befinden sich beim Rat nur noch wenige Vorlagen aus dem Jahre 1974; sechs Vorlagen des laufenden Jahres müssen noch entschieden werden.

Als Bilanz des Erreichten und Versäumten ist festzuhalten, daß es außerhalb des EGKS-Bereichs eine bruchstückartige und schwerfällige Energiepolitik der Gemeinschaft gibt, soweit es die Ratsentscheidungen angeht. Sie ist durch Langsamkeit bei Rechtsakten gekennzeichnet, die den Organen der Gemeinschaft entstammen. Wenn es schnell geht — und auch dafür gibt es Beispiele —, dann sind gewisse außergemeinschaftliche Einflüsse die Ursache, von denen jetzt die Rede sein soll.

Ein Gesamtkonzept für eine gemeinschaftliche Energiepolitik ist zwar bei Kommission und Parlament vorhanden, vom Rat aber nicht gutgeheißen worden, weil die nationalstaatlichen Interessen nicht unter einen Hut gebracht werden konnten. Das Traurige ist, daß eine solche Praxis außerhalb der Gemeinschaft durchaus möglich ist — in einem „Europa der Vaterländer" also? 6. Außergemeinschaftliche Einflüsse und ihre Folgen Im Jahre 1974 war im Rahmen der OECD eine Internationale Energie-Agentur auf Betreiben der USA gegründet worden. Diese Agentur vereinigt den Großteil der Industriestaaten der westlichen Welt, d. h. außer den USA und Kanada z. B. auch die Neutralen Europas sowie außer Frankreich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Frankreich hat sich geweigert, dieser Agentur offiziell beizutreten. Es ist und bleibt natürlich Mitglied der OECD, ist auch geneigt, die von dieser Agen-B tur beschlossenen Maßnahmen als souveräner Staat zu übernehmen, will aber in dieser Hinsicht keine Bindungen eingehen. Andererseits steht die Kommission gemäß Artikel 239 des EWG-Vertrages in engem Zusammenwirken mit der OECD. Sie ist demzufolge konsultativ an den Arbeiten der Energie-Agentur beteiligt, vertritt aber leider nicht die Mitgliedsstaaten.

Es hat sich nun gezeigt, daß Maßnahmen, die auf Gemeinschaftsebene im energiepolitischen Bereich hätten ergriffen werden sollen, aber nicht wurden, im Rahmen der EnergieAgentur der OECD getroffen worden sind. Daraus ergibt sich, daß die Mitgliedsstaaten zwar nicht innerhalb der EWG, wohl aber koordiniert innerhalb der OECD eine Art gemeinsamer Energiepolitik durchführen — Frankreich de jure, aber nicht immer de facto ausgenommen. Diese Haltung wird möglicherweise dazu führen, daß bei einem Dialog zwischen Verbraucher-und Erzeugerländern die Gemeinschaft cusgeschlossen bleibt, was der Weiterbildung der Gemeinschaft nicht gerade förderlich ist.

Die Kommission versuchte hier eine taktisch nicht ungeschickte Gegenwehr: In zunehmendem Maße legt sie dem Rat Memoranden und Vorschläge vor, deren Inhalt dem entspricht, was demnächst innerhalb der Energie-Agentur der OECD beschlossen werden soll — und hat damit oft Erfolg. Daraus muß aber geschlossen werden, daß diese Organisation und der dahinter stehende überseeische Einfluß die Haltung der Gemeinschaft im Sinne einer Einbahnstraße bestimmt.

So sind die Bestimmungen des bezeichnenderweise im handelspolitischen Teil des EWG-Vertrages enthaltenen Artikels 116 im Grunde tote Buchstaben geblieben. Diese Bestimmung besagt, daß nach Ablauf der Übergangszeit — und das ist der Fall — die Mitgliedsstaaten in den internationalen Organisationen mit wirtschaftlichem Charakter bei allen Fragen, die für den Gemeinsamen Markt von besonderem Interesse sind, nur noch gemeinsam vorgehen. Das würde natürlich auch energiepolitische Vorschläge angehen, mit denen der Standpunkt der Mitgliedsstaaten gegenüber anderen Staaten durchzusetzen wäre. Zu diesem Zweck unterbreitet die Kommission dem Rat Vorschläge über das Ausmaß und die Durchführung des gemeinsamen Vorgehens. Wenn der Rat auch darüber mit qualifizierter Mehrheit, nicht aber einstimmig zu entscheiden hat, so ist es unter den gegenwärtigen politischen Umständen hoffnungslos, Vorschläge für ein solches gemeinsames Vorgehen zu konzipieren.

Im übrigen sind entsprechende Versuche auch in anderen, weniger umstrittenen Bereichen nicht unternommen worden. Die Bestimmungen des Artikels 116 gehören also zu jenen, über deren Anwendung man sich keine zu großen Hoffnungen machen darf. Immerhin fällt auf, daß jene Vorlagen, die der Rat schnell annimmt, Absprachen innerhalb der Energie-Agentur der OECD entsprechen. Vielleicht würden die Dinge etwas anderes liegen, wenn der Rat nicht die umfassenden Befugnisse besitzen würde, die er nun einmal innehat. Ein Wandel ist möglich. Die ersten Anzeichen zeigten sich bereits in der Sitzung des „Europäischen Rates", d. h.der Staatschefs der Mitgliedsstaaten vom 16. /17. Juli 1975. Die Ergebnisse des „Europäischen Rats" vom 1. /2. Dezember 1975 könnten als weitere Anzeichen dieser Art gewertet werden, wenn sie in absehbarer Zeit zu Folgemaßnahmen führen. Davon war bereits an anderer Stelle die Rede. 7. Die energiepolitische Rolle des Europäischen Parlaments Obwohl das Europäische Parlament von außen her ohne großen Einfluß erscheinen mag, so wäre es doch falsch, wollte man an seiner politischen Existenz zweifeln. Es ist die Kontrollinstanz der Kommission, kann aber den Rat kaum kontrollieren. Mit der Zunahme seiner Haushaltsbefugnisse wird es auch auf diesem Wege vorwärts gehen. Hier aber soll nur von dem die Rede sein, was das Parlament mit seinen bisher beschränkten Befugnissen trotzdem hat ausrichten können.

Das Europäische Parlament darf in seiner Struktur nicht mit der Beratenden Versammlung des Europarates verglichen werden. Anfangs war es als Gemeinsame Versammlung der EGKS geschaffen worden. Seine Aufgabe war es gewesen, eine Sitzungsperiode jährlich abzuhalten, dabei den Gesamtbericht der Hohen Behörde zu prüfen und gegebenenfalls die Hohe Behörde zu stürzen. Es hat von dieser letzten Befugnis nie Gebrauch gemacht, sich aber von Anfang an als wirkliches Parlament gefühlt. Seine Sitzungsperiode dauerte das ganze Jahr über. Es schuf sich seine eigenen Parlamentsausschüsse, vor denen die fachlich zuständigen Kommissare Rede und Antwort stehen; es schuf supranationale Fraktionen. Äls neben die EGKS die beiden neuen Gemeinschaften EWG und Euratom traten, verhinderte der letzte Präsident der Gemeinsamen Versammlung, Hans Furier, daß jede Gemeinschaft ein eigenes Parlament bekam — die Gemeinsame Versammlung, in den neuen Verträgen auch weiterhin und bis heute als „Versammlung" bezeichnet, wurde zum Europäischen Parlament, also der drei Gemeinschaften, ebenso wie der Gerichtshof von Anfang an eine gemeinsame Einrichtung der drei Gemeinschaften war. Diese Tatsache des gemeinsamen Parlaments ist darum nicht zu unterschätzen, weil, wie wir ja wissen, die Energiepolitik der Gemeinschaft nur unter Nutzung aller drei Verträge zustande kommen kann.

Der für Fragen der Energiepolitik zuständige Ausschuß (der wegen der Atomforschung seit 1969 auch gleichzeitig die Forschungsbefugnisse zugewiesen bekam) hat schon immer seine Befugnisse extensiv ausgelegt. Solange die Kohle der hervorragende Energieträger war, brauchte er sich hier nur um die Sicherung des Kohlenabsatzes und um arbeitspolitische Maßnahmen im Bergbau zu bekümmern. Das änderte sich, als die Bedeutung des Erdöls als Energieträger wuchs. Als Fachausschuß scheinbar weniger politischen Charakters zählt er Fachleute aus fast allen Mitgliedsstaaten zu seinen Mitgliedern. Bei seiner Arbeit spielt weniger die Fraktionszugehörigkeit als die Überzeugung der Bedeutung dieses oder jenes Energieträgers eine Rolle. Einig ist und war der Ausschuß sich aber immer darin gewesen, daß es zu einer gemeinsamen Energiepolitik kommen müsse. Er hat diese Haltung schon Ende der fünfziger Jahre vertreten, anfangs ohne viel Echo.

Das aber änderte sich schlagartig anfangs der siebziger Jahre, und zwar noch vor der Erdöl-krise, vor der er gewarnt hatte. Er hatte es nie 'hingenommen, daß der Rat sich — sagen wir es offen — um die gemeinsame Energiepolitik drückte. Er hat die Kommission moralisch nach besten Kräften unterstützt, verlangte die Vorlage aller energiepolitischen Dokumente auch wenn eine Konsultation nicht beabsichtigt war, und hat die Kommission mehr als einmal dazu veranlaßt, bestimmte Fragen und ihre Lösungsmöglichkeiten in den Vordergrund zu stellen, auch wenn er sich selber sagte, daß der Rat wieder einmal nichts entscheiden würde. Es kam ihm dabei darauf an, die Dinge in Bewegung zu halten, und das ist ihm in gewissem Sinne auch geglückt. Auf jeden Fall ist die Zahl der Energiedebatten im Europäischen Parlament in den letzten drei bis vier Jahren größer gewesen als die der Sitzungen des Rates der Energieminister!

Bei dieser parlamentarischen Tätigkeit spielt ferner ein gewisse Rolle, daß verschiedene Mitglieder in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als nationale Abgeordnete guten Kontakt zu den Fachministern ihrer Regierung hatten.

Dabei handelt es sich nicht etwa nur um Abgeordnete der jeweiligen Regierungspartei. Das alles hat dazu geführt, daß dieser Ausschuß — und mit ihm das Parlament durch die Annahme der vorgelegten Entschließungen — zunehmend initiativ wurde.

Es stehen allein im Energiebereich seit Beginn des Parlamentsjahres 1972 bis heute 20 Konsultationen durch den Rat 15 Initiativberichte und -entschließungen gegenüber. Weitere fünf Initiativen im Energiebereich befinden sich derzeit in Arbeit. In dieser Zahl ist natürlich die Prüfung jener Dokumente inbegriffen, zu denen das Europäische Parlament nicht konsultiert wurde. Das politisch Wesentliche bei den bisherigen Initiativen ohne Basisdokument der Kommission ist, daß hier der Exekutive ein Vorgehen empfohlen wird, dem sie anschließend zu einem großen Teil in Vorschlägen an den Rat Rechnung getragen hat.

Am Anfang dieser Aktion hatte ein Initiativbericht des deutschen Abgeordneten Burgbacher, der lange Jahre Vorsitzender dieses Ausschusses gewesen war, über die Erfordernisse einer Sicherung der Energieversorgung als infrastrukturelle Maßnahme gewissei Gemeinschaftspolitiken gestanden. Ihm folgte ein Zwischenbericht des italienischen Abgeordneten Ballardini über die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Maßnahmen zur Lagerung radioaktiver Abfallstoffe. Dieser Bericht zeichnete sich dadurch aus, daß ihm die Ergebnisse einer Umfrage bei den Regierungen der Mitglieds-staaten zu diesem Thema beigefügt waren. Dabei hatten die Ausschußmitglieder nach den Regeln ihres heimatlichen Parlaments in ihrer Eigenschaft als nationale Abgeordnete ihie jeweilige Regierung befragt. Die Ergebnisse schienen zunächst nicht sehr ermutigend zu sein, und die Prozedur erwies sich als zeitraubend; sie war nämlich bereits Anfang 1971 eingeleitet worden. In einem Fall hatte die betreffende Regierung überhaupt nicht geantwortet, in einem anderen hatte der Ausschuß seine Anwesenheit in der Hauptstadt eines großen Mitgliedsstaates dazu benutzt, den betreffenden Minister zu diesem Thema anzuhören. Immerhin war als Ergebnis zu verzeichnen, daß die Kommission einen entsprechenden Vorschlag im Jahre 1974 vorlegte, für den aber nach der Natur der Dinge ein anderer Ausschuß federführend wurde. Aber das ist weniger wichtig als die Tatsache, daß hier anscheinend durch eine Initiative des Parlaments eine Entwicklung in Gang gebracht wurde, die sonst vielleicht nicht eingeleitet worden wäre und der der Rat grundsätzlich positiv gegenüberzustehen scheint.

In einem anderen Fall ging es um die Entschwefelung von Brennstoffen. Diese Arbeit wurde zusammen mit dem Ausschuß für Volksgesundheit und Umweltfragen durchgeführt. Hier hatte der berichterstattende deutsche Abgeordnete Kater zuerst umfangreiche Quellenstudien durchführen müssen, ehe er seinen Bericht vorlegen konnte. Ähnliches gilt für die gerade in Arbeit befindliche Berichterstattung im Hinblick auf eine Gemeinschaftsregelung für die Standortwahl von Atomkraftwerken. Die berichterstattende deutsche Abgeordnete Dr. Hanna Walz mußte internationale Kongresse aufsuchen und sich das Material über die vorhandene Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten und beispielgebender Drittländer beschaffen und ihren Parlamentskollegen in aufgearbeiteter Form zur Verfügung stellen, ehe sie sich an die eigentliche Berichterstatter begeben konnte, deren Ergebnis dem Parlament für die Januar-Session 1976 vorliegt. Möglicherweise wird auch hier eine wünschenswerte Entwicklung auf Gemeinschaftsebene ausgelöst werden. Das gleiche gilt für den Initiativbericht von Professor Burgbacher über notwendige Maßnahmen zur Kohlevergasung, der Mitte letzten Jahres nach langen Vorstudien der Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Alle zuvor geschilderten Aktionen benötigten eine gewisse Vorbereitungszeit. Schnelle Reaktionen auf plötzlich eingetretene Ereignisse sind auf diesem Wege nicht möglich. Hierfür bietet sich das Instrument des Entschließungsantrags im Dringlichkeitsverfahren an. In einem solchen Fall tritt der Ausschußvorsitzende im Namen seines Ausschusses als Wortführer auf. Das ist im Ausschuß für Energie, Forschung und Technologie der deutsche Abgeordnete Springorum. Er legt bereits dem Ausschuß kraft seines Amtes den Entwurf zu derartigen Entschließungsanträgen vor, die dort durchberaten werden, ehe sie an das Plenum gehen.

Unter der Nummer 266/73 legte ‘ auf diese Weise der Ausschußvorsitzende Springorum in der Dezember-Session 1973 dem Plenum einen Entschließungsantrag „über notwendige Sofortmaßanahmen zur Milderung der Krise in der Energieversorgung der Europäischen Gemeinschaft" vor, der von den unbefriedigenden Ergebnissen des Rates der Energieminister vom 25. und 26. November 1973 ausging. Hier wurden nicht weniger als 13 Sofortaktionen vorgeschlagen, von denen ein Teil tatsächlich Wirklichkeit wurde, auch wenn die Mitgliedsstaaten sie zum Teil un-koordiniertund nach eigenen Vorstellungen in Gang setzten.

Unter der Nummer 344/73/rev. folgte der sich aus den vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen ergebende Entschließungsantrag „über angemessene mittel-und langfristige Maßnahmen zur weiteren Milderung der Krise in der Energieversorgung der Europäischen Gemeinschaft". Er wurde in der März-Session 1974 angenommen und ging von der grundsätzlichen Haltung bestimmter Lieferländer bei der Energieversorgung, des daraus folgenden Anstiegs der Inflationsrate, der damit verbundenen währungs-und zahlungsbilanzpolitischen Probleme und der daraus zu ziehenden politischen Folgerungen aus. Hier wurden 23 Vorschläge gemacht, von denen ebenfalls ein Teil zu nationalen oder gemeinschaftlichen Aktionen geführt hat.

In der Februar-Session 1975 schließlich folgte unter der Nummer 488/74 ein Entschließungsantrag „zum gegenwärtigen Stand der Energiepolitik der Gemeinschaft". Das Parlament äußerte nicht nur seine Bestürzung über die negativen Ergebnisse der Ratstagung vom 20. und 21. Januar 1975, soweit sie die Energiepolitik angingen, sondern drohte auch Maßnahmen an, wenn der Rat sich weiterhin weder an die Beschlüsse der verschiedenen Gipfelkonferenzen halte noch die im Rahmen internationaler Initiativen im energiepolitischen Bereich gefaßten Beschlüsse in die Wirklichkeit umsetze.

Die Ergebnisse des „Europäischen Rats" vom 1. /2. Dezember 1975 in Rom könnten vielleicht doch der Anfang zu einer wirklichen gemeinsamen Energiepolitik werden. Der Energieausschuß scheint gewillt, nach Maßgabe seiner Möglichkeiten alles zu tun, wozu er in der Lage ist, um eine gemeinsame Energiepolitik Wirklichkeit werden zu lassen.

In diesem Zusammenhang muß schließlich das Grenzgebiet zwischen Energieversorgung und Forschung erwähnt werden. Der Ausschuß — übrigens auch die Kommission — waren schon immer der Ansicht, daß die Forschung nach neuen Energieträgern vorangetrieben werden müsse, ebenso aber auch die Forschung zugunsten einer besseren Nutzung der vorhandenen Energieträger. Die Kommission führt derartige Maßnahmen nicht nur durch Auftragsvergabe durch, sondern auch durch Forschungen in der auf Grund des Euratom-Vertrages bestehenden Gemeinsamen Forschungsstelle mit ihren Anstalten Ispra, Karlsruhe, Petten und Geel. Dabei soll es in zunehmendem Maße auch um nichtnukleare Bereiche gehen. Hier hat eine Reihe von Ini43 tiativberichten des stellvertretenden Ausschußvorsitzenden Flämig, eines der wenigen auf dem Gebiet der Atomenergieforschung spezialisierten deutschen Abgeordneten überhaupt, positiv gewirkt. Diese Berichteserie wird demnächst abgeschlossen. Sie setzt sich sehr kritisch mit den Vorgängen und Unterlassungen auseinander, zeigt aber auch Wege auf, wie vorgegangen werden sollte. Dabei hat der Ausschuß sich bei der Durchführung seiner Arbeiten verschiedener Sachverständigenanhörungen bedient. Es scheint, daß auch auf diesem Teilgebiet seine Initiativen nicht ohne Wirkung geblieben sind. Der Rat beschloß nämlich am 22. August 1975 unter Inanspruchnahme des Artikels 235 EWG-Ver-trag ein Forschungs-und Entwicklungsprogramm auf dem Gebiet der Energie, das bereits ab Juli 1975 für vier Jahre als indirekte Aktion läuft 1).

IV. Die Erfordernisse der Zukunft

1. Bestandsaufnahme der Möglichkeiten Aus all dem ergibt sich, daß der politische Wille oder Unwille das Entscheidende war und bleibt. Die gegenwärtigen Bestimmungen der drei Verträge gestatten durchaus eine gemeinschaftliche Energiepolitik! Das setzt aber voraus, daß alle neun Mitgliedsstaaten sich einig und entschlossen sind, gemeinsam diesen Weg zu gehen. Die verschiedenen Entschlüsse der Gipfelkonferenzen von Paris und Kopenhagen bejahen grundsätzlich diesen Willen. Auch der Europäische Rat vom 1. /2. Dezember 1975 könnte hier Zeichen gesetzt haben. Die Fachminister waren aber bisher nicht in der Lage, dem Rechnung zu tragen. Inwieweit interessierte Kreise der einzelnen Mitgliedsstaaten oder Weisungen der gleichen Regierungsspitzen, die grundsätzlich den Willen deklariert hatten, die Ursache sind, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Es wäre aber interessant, hierüber nähere Informationen zu erhalten. Nach wie vor besteht die Tendenz, der Kommission — das gilt auch für andere Bereiche — weniger exekutive Befugnisse zu belassen, als in den Absichten der Väter der Verträge lag, und statt dessen diese Befugnisse auf den Rat zu überschreiben. Anscheinend hat man aus der Geschichte nichts gelernt. Der immer-

währende Reichstag des hl. Römischen Reiches, der Sejm der polnischen Adelsrepublik mit seinem Liberum Veto, die Tagsatzung der Alten Eidgenossenschaft vor 1798 und schließlich der Kontinentalkongreß der dreizehn amerikanischen Kolonien sollten warnende Beispiele sein. Nur im letzteren Falle gelang es rechtzeitig, der föderativen Gewalt die erforderlichen Befugnisse zu geben, während in allen übrigen Fällen entweder der einstweilige Untergang des Staatswesens odei Bürgerkriege (manchmal auch beides) die Folge waren.

Es könnte freilich geschehen, daß jene Pläne für die Errichtung einer Politischen Union, zu denen sich das Parlament in der Juli-Session 1975 geäußert hat, rechtzeitig verwirklicht werden. Das aber kann für eine gemeinsame Energiepolitik zeitlich nicht genügen. 2. Welche zusätzlichen Befugnisse braucht die Gemeinschaft?

Das Ideale wäre — was die Exekutivbefugnisse angeht — die Erweiterung des EGKS-Ver-trages auf alle Energieträger. Vom legislativen Standpunkt her gesehen ist dieser Vertrag aber genauso unbefriedigend wie die gegenwärtigen Bestimmungen des EWG-Vertrages und des EAG-Verttrages. In der EGKS nimmt eine fast allmächtige Kommission jene Stellung ein, die sich in EWG und EAG der Rat zugeschrieben hat.

Wenn es auch keiner zusätzlichen Befugnisse bedarf, so müssen sich die Mitgliedsstaaten darin einig sein, wie eine gemeinsame Energiepolitik in den Grundsätzen durchgeführt würde. Sie müßten sich darin einig sein, daß die entsprechenden Ratsentscheidungen mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit und innerhalb kurzer Frist gefaßt und auch von jenen Staaten als bindend anerkannt werden, die jenen Entscheidungen nicht zugestimmt haben. Ferner müßte jede Ratsentscheidung es der Kommission ausdrücklich überlassen, auf dem Verordnungswege die Einzelmaßnahmen zur Erreichung des angestrebten Zieles zu treffen.

/Das wäre der pragmatischste Weg. Leider sieht es nicht so aus, daß er bald beschritten wird. Die Energiekrise war bisher anscheinend noch nicht würgend genug, um eine sol-ehe Einsicht der Beteiligten zu erzwingen. Sie kann — als Preis-oder als Lieferkrise — jederzeit wieder ausbrechen. Wären Kommission und Parlament allein zum Handeln befugt, dann hätten wir nach den bisherigen Erfahrungen schon längst eine gemeinsame Energiepolitik. Aber das würde bedeuten, daß die Gemeinschaft — sagen wir es offen — zum Bundesstaat geworden wäre.

Unter diesen Umständen bleibt nichts anderes übrig, als einerseits auf die unter dem Namen „Politische Union" angesteuerte Totalrevision der Gemeinschaftsverfassung zu hoffen, andererseits aber im Vorgriff die Inkraftsetzung jener dafür geforderten Kompetenzen zu verlangen, welche die Energiepolitik betreffen. In seiner Entschließung zur Politischen Union vom 10. Juli 1975 hat das Europäische Parlament in seinem umfangreichen Forderungskatalog folgende Maßnahmen vorgeschlagen, die gerade für die gemeinsame Energiepolitik von Nutzen wären:

„ 4. Der dynamische Charakter der gegenwärtigen Gemeinschaft muß vollständig gewahrt bleiben. Die Befugnisse und Zuständigkeiten der Union sind daher, unter Achtung der wesentlichen Interessen der Mitgliedsstaaten, schrittweise auszudehnen, insbesondere: g) auf die Energiepolitik und die Politik der Rohstoffversorgung; „ 11. daß unverzüglich die erforderlichen Anpassungen der institutionellen Struktur an die Aufgaben der Europäischen Union erfolgen, insbesondere, a) daß der Rat auf das Prinzip der Einstimmigkeit verzichtet, wie es die Verträge gebieten, und im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens öffentlich tagt, c) daß der Prozeß der gemeinschaftlichen Beschlußfassung nach folgendem Verfahren geregelt wird: — Der Rat prüft den Vorschlag erst nach Erhalt des Textes des Parlaments und an Hand dieses Textes; — ist der Rat der Ansicht, vom Wortlaut des vom Parlament gebilligten oder geänderten Vorschlags abweichen zu müssen, so muß vor dem Beschluß des Rates innerhalb festzulegender Fristen ein Konzertierungsverfahren eingeleitet werden, das solange läuft, bis Rat und Parlament Übereinstimmung erzielt haben . .

Damit würde schon ein wesentlicher Fortschritt erzielt werden. Inzwischen hat der „Europäische Rat", also die Ministerpräsidenten der Mitgliedsstaaten, dem Parlament etwas erweiterte Haushaltsbefugnisse zugestanden und dessen Wunsch auf Errichtung eines Europäischen Rechnungshofes — der auch in dieser Entschließung geäußert wird — entsprochen. Es besteht also die begründete Hoffnung, daß auch in dem von uns skizzierten Bereich etwas geschehen könnte — vorausgesetzt, daß es auf Grund der sich weiterentwickelnden Ereignisse, insbesondere der Folgen eines Dialogs mit den Lieferländern für Energie, dann nicht schon reichlich spät ist. 3. Abhängigkeiten und politische Möglichkeiten Die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft sind und bleiben bis auf weiteres von Energieeinfuhren aus Ländern der Dritten Welt abhängig. Inwieweit diese Abhängigkeit gemildert werden kann, ist noch nicht abzusehen. Wenn wir den Abhängigkeitsgrad bis 1985 auf 40% unseres Energiebedarfs (derzeit über 60!) senken könnten, dürften wir vorerst einigermaßen zufrieden sein. Für dieses Ziel sind drei Gründe maßgebend:

Erstens die oligopolistische Rolle, welche die Mitgliedstaaten der OPEC einnehmen, und die man ihnen ohne Heuchelei nicht übel nehmen darf, denn Erdöl ist bisweilen ihr einziger Rohstoff, der in der Vergangenheit zum überwiegenden Profit der Fördergesellschaften ausgebeutet worden ist.

Zweitens die Tatsache, daß sich diese Vorkommen im Laufe der Zeit erschöpfen.

Drittens der durch die Preissteigerungen für Rohöl in vielen Fällen schwer gestörte Wirtschaftskreislauf. Ein Teil der Erdölproduzenten — aber beileibe nicht alle! — haben die ihnen zufließenden Erträge nicht in ausreichendem Maße investiv im eigenen Lande anlegen können. Daraus ergeben sich Zahlungsbilanzstörungen auf beiden Seiten, die Gefahr einer fortschreitenden Inflation und krisenhafte Erscheinungen im Wirtschaftsleben.

Wenn Dr. Khene, der ehemalige Generalsekretär der OPEC, schon vor einigen Jahren vor einer zu raschen Ausbeutung der Erdölvorkommen gewarnt hat, so ist das ernst zu nehmen und an Hand der vorgebrachten Argumente alles andere als eine Heuchelei. Das hat nicht zuletzt auch das Gute, daß sich die Verbraucherländer auf ihre eigenen Möglichkeiten sowohl der Bedarfsdeckung als auch der Energieeinsparung besinnen. Das bedeutet: Möglichst breite Streuung der Versorgungsquellen; möglichst breite Streuung der einzelnen Energiearten; möglichst rationelle Ausnutzung der vorhandenen Energie und Einsparung, die aber eher im Konsumbereich als bei der Industrie möglich ist; möglichst große Förderung der Forschung zu allen diesen Zwecken, und als Grundvoraussetzung all dessen: enger Zusammenhalt und gemeinsames Auftreten der Mitgliedsstaaten, für welche die Gemeinschaft mit einer Stimme sprechen muß, bei allen diesen Schritten und Maßnahmen. Das gilt auch bei den Verhandlungen mit den jeweiligen Handelspartnern.

Das wissen auch die Verhandlungspartner der Internationalen Energie-und Rohstoffkonferenz, die Mitte Dezember 1975 in Paris tagte. Ob Großbritannien selber das Wort ergreift oder nicht — wesentlich ist, daß die Lieferseite sich der Tatsache bewußt ist, daß die Gemeinschaft noch keine globale energiepolitische Strategie hat, sondern höchstens die Ansätze zu einer solchen. Wenn auch der Abschluß von Handelsverträgen jetzt Sache der Gemeinschaft ist, so fehlt doch die energiepolitische Strategie. Das schwächt unsere Position bei derartigen Verhandlungen.

Damit hat die Gemeinschaft es weitgehend selbst in der Hand, den Grad der Sicherheit ihrer Energieversorgung in absehbarer Zukunft zu beeinflussen. Nur die Einigkeit macht die Mitgliedstaaten, die zusammen der wichtigste Handelspartner der Welt sind, stark. Der politische Wille ist hierfür das Entscheidende.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Arbeitsgebiete sind: Gebäudeisolierung, Einsatz von Wärmepumpen, Stadtverkehr, Abwärme-nutzung, Rohstoffrückführung, Energieerzeugung aus Abfällen, Ermittlung des spezifischen Energie-verbrauchs der verschiedenen Ausrüstungen und Techniken, Entwicklung der Methoden für die Speicherung der Sekundärenergie.

Weitere Inhalte

Hans-Horst Misch, Dr. rer. pol., geb. 1918 in Berlin; Studium der Volks-und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Basel und Genf; 1950— 1957 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Wirtschaftsdirektion der Hamburger Gaswerke GmbH; 1957— 1959 Leiter der Kongreßhalle Berlin; seit 1959 Beamter des Europäischen Parlaments im wissenschaftlichen Dienst; seit 1970 dort Erster Sekretär des Ausschusses für Energie, Forschung und Technologie. Wirtschaftspolitische Veröffentlichungen im „Wirtschafts-Correspondent", Hamburg, in den „Annalen für Gemeinwirtschaft", Genf, sowie in verschiedenen Fachzeitschriften.