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Nationalsozialistische Filme im historisch-politischen Unterricht | APuZ 16/1977 | bpb.de

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APuZ 16/1977 Nationalsozialistische Filme im historisch-politischen Unterricht „Wenn Sie nicht ins KZ wollen ...". Häftlinge in Bombenräumkommandos

Nationalsozialistische Filme im historisch-politischen Unterricht

Manfred Dammeyer

/ 59 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Für den Nationalsozialismus war Film ein überaus wichtiges Propagandainstrument, das von der staatsmittelbaren Filmgesellschaft Ufa organisatorisch und finanziell kontrolliert und gelenkt, sowie durch die Zensur des Reichsfilmdramaturgen der nationalsozialistischen Massenbeeinflussung total dienstbar gemacht wurde. Die Filme, die hier nach Themenbereichen (nationalsozialistische „Bewegung", Erster Weltkrieg, Ausländsdeutsche, Antisemitismus), historischen Stoffen (z. B. Bismarck, napoleonische Zeit, Friedrich der Große) und Filmformen (Spielfilme, Dokumentarfilme, Wochenschauen) gegliedert werden, lassen die Absichten nationalsozialistischer Filmpolitik und die Bezüge zur Propaganda deutlich erkennen. Nationalsozialistische Filme können als Dokumente nationalsozialistischer Politik verwandt werden, weil sie selbst Teil dieser Politik sind, weil sie den Faschismus verkünden und nicht über ihn distanziert berichten und urteilen. Es wäre wünschenswert, wenn im historisch-politischen Unterricht stärker als bisher auf diese interessanten und wichtigen Quellen eingegangen würde, wobei jedoch die gewandelten zeitgebundenen Seherfahrungen zu beachten wären.

I. Der unbekannte nationalsozialistische Film

Abbildung 1

In den Jahren von 1933 bis 1945 sind in Deutschland 1363 Spielfilme produziert worden Davon waren ca. 90 °/0 Unterhaltungsfilme; ca. 10% waren mit offen politischer Absicht und entsprechender Themenwahl gestaltet — unpolitisch waren aber auch die Unterhaltungsfilme nicht. Hinzu kam noch eine große Zahl von Kulturfilmen und Wochen-schauen. 1951 veröffentlichte die Alliierte Kontrollkommission einen Katalog verbotener Filme. Danach ergab die Überprüfung von 700 . verdächtigen'Filmen, daß 141 aus politischen Gründen in Deutschland nicht wieder aufgeführt werden durften 1965 galt diese Entscheidung noch für 47 Filme, und es bestand die Vermutung, daß auch von diesen viele wieder freigegeben würden, wenn sie nur zur Freigabe — ggf. mit geringfügigen, aber den Film erheblich verändernden Schnitten — eingereicht würden

Der Film des Dritten Reiches ist heute immer noch weitgehend unbekannt. Es gibt wohl eine Reihe von Darstellungen über ihn die Filme selbst sind aber kaum greifbar. Zwar sind einige der zwischen 1933 und 1945 entstandenen Filme in einzelnen Verleihprogrammen wieder aufgetaucht, aber zumeist waren das jene Unterhaltungsfilme, deren faschistischer Ursprung nicht aus jeder Einstellung zu erkennen war — wenn überhaupt. Mitte der sechziger Jahre hatte der Atlas-Filmverleih die Absicht, dezidiert nazistische Filme — bearbeitet — wieder öffentlich aufzuführen, aber es kam dann nur die Bearbeitung des Durchhalteepos von 1945 „Kolberg" von Veit Harlan heraus

Inzwischen hat die Filmabteilung des Bundes-archivs in Koblenz einen großen Teil der alten Filme von verrottungsbedrohtem und feuergefährlichem Nitro-Material auf Sicherheitsfilm umkopieren können. Ein Katalog informiert über die Bestände und Ausleihbedingungen. Demnach könnten Filme dieser Epoche wieder zur Verfügung stehen. Allerdings ist kaum an die kommerzielle „Nutzung“ dieser Filme in öffentlichen Kinoaufführungen zu denken sondern an ihre Verwendung im Unterricht. Filme können hier einen wichtigen Stellenwert haben, weil sie stärker als jede andere zeitgenössische Darstellung das Ambiente des Dargestellten deutlich zu machen vermögen. Jedoch gibt es kaum Hinweise und Anleitungen für die sinnvolle Verwendung des nationalsozialistischen Films im Unterricht und erst recht keine Erfahrungsberichte

Nicht gerade umfangreich ist die Literatur über propagandistische Absichten und Aktivi-täten der Nationalsozialisten auf dem Gebiet des Films und es gibt auch nicht genügend Filmanalysen ). Mit den vorhandenen Materialien und Darstellungen können aber immerhin

— die Bedingungen der Produktion, — die Forderungen der NS-Propaganda, — das Einsickern dieser Propaganda in den Film des Dritten Reiches, — die manipulativen, emotional stimulierenden, verfälschenden, kurzum: die propagandistischen Aspekte des Films sowie — die Einordnung der Filme, ihrer Autoren und sonstigen Beteiligten in Perioden und Tendenzen des NS-Filmschaffens nachgewiesen, dargestellt und bearbeitet werden'. Um Filme im Unterricht optimal aufarbeiten zu können, sollten sie — vorausgesetzt, daß sie zur freien Verfügung stehen — unbedingt in ihrer ursprünglichen Fassung vorgeführt werden. Sodann sind medienanalytische, -didaktische und -pädagogische Fragen hinreichend zu erarbeiten, z. B. wie die einzelnen Filme oder auch die inhaltlich und formal unterschiedlichen Genres (wie Unterhaltungsfilme, Kriegsfilme oder Filme mit historischen Themen) im Unterricht behandelt bzw. welche Kriterien der Filmbeurteilung dabei angelegt werden können.

Diese Studie will im folgenden sowohl die medienspezifischen Aspekte wie die Möglichkeiten zeitgeschichtlicher Interpretation durch Filme des Dritten Reiches darstellen.

II. Film im Unterricht

Wer die massenhafte Verbreitung optischer Medien wie Film und Fernsehen, die Konsumgewohnheiten Jugendlicher und ihren ausgeprägten und als selbstverständlich empfundenen Umgang mit Kino und Fernsehen beobachtet, der wird dies als ein Indiz dafür zu werten haben, daß von hier Einflüsse bzw. (Sozialisations Wirkungen auf Lebens-, Lernund Arbeitsbedingungen junger Menschen ausgehen. Zum einen hat sich das Fernsehen für Jugendliche „als ein regelmäßiger Bestandteil des Tagesablaufs etabliert" und „zu einer Gegebenheit des modernen Lebens entwickelt, der man sich . .. täglich für einige Zeit ganz einfach überläßt" Zum anderen stellen gerade auch Spielfilme „einen sehr wesentlichen Sozialisationsfaktor für Kinder und Jugendliche" dar, weil „... gerade die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen mit zu den häufigsten Kinogängern zählt" und weil „die Fernsehprogramme der deutschen Sendeanstalten seit Jahren einen wachsenden Anteil an ursprünglich für die Auswertung in Filmtheatern gedachten Spielfilmen verzeichnen und die Spielfilme gerade bei Jugendlichen besonders beliebt sind und entsprechend häufig und ausgiebig konsumiert werden"

Wenn man weiterhin bedenkt, daß in Filmen vor allem auch Wertorientierungen, Verhaltensweisen, Erklärungsmodelle und/oder Lebenshilfen dargestellt bzw. propagiert werden, so müssen erziehungs-und sozialwissenschaftlichen Fragen größte Bedeutung beigemessen werden. Insofern muß die Feststellung verwundern, daß die medienkritische Behandlung von Filmen im Politik-und Geschichtsunterricht noch keine Selbstverständlichkeit ist Dieses Medium ist bisher didaktisch-methodisch leider trotz einiger Bemühungen vernachlässigt worden: „Während in anderen Unterrichtsbereichen der Film schon seit längerem eine unbestrittene Motivations-und Informationsfunktion übernommen hat, wird er im Geschichtsunterricht noch selten verwen-det. In der Schule wird — wie auch in den Universitäten — das schriftliche Quellenmaterial bevorzugt. Zu den Gründen für eine solche Zurückhaltung gegenüber dem Medium Film gehören neben der umständlichen Beschaffung, der immer noch zeitraubenden Vorführung und der nur kurzfristigen optischen Präsenz von Filmbildern auch traditionelle Vorurteile gegenüber einem Massenmedium, berechtigtes Mißtrauen gegenüber der Manipulation bei der Produktion von Filmen (und gegenüber der Manipulierbarkeit des Zuschauers durch das Medium) sowie das Fehlen medienspezifischer Beurteilungskriterien."

Die medienkritische Filmerziehung steht also erst am Anfang. Nach wie vor fehlt eine differenzierte und zusammenfassende Systematik über Methoden der Filmanalyse. Zu verzeichnen sind allerdings medienpädagogische und -didaktische Ansätze bzw. Fragestellungen und die Arbeiten und Angebote einiger wichtiger Einrichtungen wie des Instituts für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, München, des Instituts für den wissenschaftlichen Film, Göttingen, oder der Film-und Medienabteilungen der Bundes-und Landeszentralen für politische Bildung. Diese Einrichtungen stellen didaktisch aufbereitetes Filmmaterial für vielfältige Unterrichtszusammenhänge zur Verfügung und liefern auch Unterrichtshilfen für diese Filme mit. Dennoch meint Wiethöft, daß leider immer noch Film-erziehung, die es „seit eh und je gegeben hat, allerdings nur zum geringsten Teil durch die öffentliche Erziehung beeinflußt" sei und im wesentlichen für Jugendliche „aus der Gewöhnung an die Wirkung einer weitgehend kommerziellen Produktion" bestehe

Vorschläge für den Umgang mit Film im Unterricht heben zu Recht in wesentlichen Teilen vor allem auf die medienkritische Verwendung ab. Koszyk und andere haben in diesem Sinne für die sozialwissenschaftlichen Schulunterrichtsfächer folgende Qualifikationen und Lernziele unter der Zielsetzung der Emanzipation der Schüler entsprechend den nordrhein-westfälischen Richtlinien für den Politikunterricht aufgestellt: 1. Massenmedien in ihrer gesellschaftlich-historischen Bedingtheit durchschauen können.

2. Durchschauen, daß Fernsehrealität vermittelte Realität ist.

3. Befähigung zur Ideologiekritik am Medium Fernsehen.

4. Befähigung zu aufgeklärtem Handeln.

5. Erweiterung der Selbstreflexion und Aufhebung der Kommunikationslosigkeit

Dieser Curriculumvorschlag konzentriert sich auf Fernsehprogramme, legt aber gerade innerhalb des sozialwissenschaftlichen Unterrichts vor allen inhaltlichen Betrachtungen vorrangiges Gewicht auf die Analyse des Mediums.

Auch Giesecke betont die Bedeutung von Filmen in der politischen Bildung für den Einstieg in einen Lernprozeß, sei es als Illustration, sei es zum Setzen neuer Impulse im Rahmen eines Lernobjektes, sei es als Hauptthema oder als Objekt eigener Bearbeitung Er sieht im Spielfilm „eine an individuellen Beispielen gestaltete allgemeine Wirklichkeitsbeschreibung ..., die ähnlich wie bei der literarischen Gestaltung so nicht durch politische Publizistik gestaltet und ersetzt werden kann" Der Zuschauer findet „durch den Film Zugang zu spezifischen Problemen anderer Menschen, die unter anderen subkulturellen, politischen und sozio-ökonomischen Bedingungen leben, einen Zugang, den ihmrational-verbalisierende Analysen so nicht vermitteln können"

Auch für die Fernsehserie „Zeitgeschehen im Film", in der in mehreren Folgen nationalsozialistische Erziehung, Judenverfolgung und aktuelle Fragen der Bildungspolitik behandelt werden, nennen die Autoren zunächst medienspezifische Lernziele:

„— die Beweiskraft von Filmdokumenten überprüfen, — den Anspruch von Objektivität bewerten,

— wichtige Manipulationsmethoden kennen,

— tatsächlich benutzte Manipulation erkennen können, — den Film als ein historisches Dokument verwenden";

und erst danach die Inhalte der einzelnen Sendungen:

»— die Situation Jugendlicher im NS-System verstehen, — die Verfolgung der Juden im NS-System kennen, — Ursachen für die Veränderung der Schule kennen"

Sowohl angesichts der vielfältigen, aber wenig strukturierten Erfahrungen Jugendlicher mit Filmen als auch angesichts der Kenntnisse eines sinnvollen Einsatzes von Filmen in Lernprozessen der politischen Bildung scheint es notwendig, die Verwendungsmöglichkeiten nationalsozialistischer Filme im einzelnen zu untersuchen. Zu den Wirkungen von Filmen zählen ihre emotionalen Stimuli, weil nicht allein das auf der Leinwand abgebildete Thema, sondern vor allem die Präsentation, das Ensemble aus konzeptioneller Verbindung der Sequenzen, der Einflußnahme durch Musik, durch Tonfall und Gestik der Darsteller, Tonfall und Suggestion des Kommentars, die Stimmung der Bilder etc. erst den Film konstituieren.

Filme sind nicht nur Dokumente aus fernen Tagen, deren man sich in gleicher Weise bedienen kann wie schriftlicher Urkunden oder anderer Berichte. Vielmehr muß ihre filmspezifische, Emotionen stimulierende Wirkung bei der Planung von Unterrichtszusammenhängen bedacht werden. Ton und Bild, Schnitt und Montage wirken zusammen wesentlich stärker, suggestiver, manipulativer als der „Inhalt" des Films, die Information, die durch Film „transportiert" wird. Das gilt gleicher-maßen für Spielfilme und deren Handlung wie für Dokumentationen und deren Gegenstände:

„Durch die Anschaulichkeit, die zusammenhängende Bewegung und die gesteigerte Stofflichkeit entsteht für den Betrachter eines Films der Eindruck absoluter Realität, er glaubt, durch die selbst erlebte Wirklichkeitswelt auf der Leinwand eine größere Sicherheit in der Beurteilung zu haben. Dadurch wird die Anschaulichkeit und emotionale Wirkung wesentlich erhöht, der Zuschauer fühlt sich als Miterlebender inmitten des Geschehens."

Dieser Effekt ist dann sehr nützlich, wenn Aufmerksamkeit gesteigert, Teilnahme gefördert, persönliche Betroffenheit erzeugt werden soll. Wenn aber Distanz zu Inhalt und Darstellungswerse, kritische Würdigung statt unkritischer Identifikation angestrebt werden, muß diese emotionale Wirkung als Folge des Gefühls unmittelbaren Miterlebens auch als „störender" Effekt für den Umgang mit dem Thema von Film und Unterricht berücksichtigt werden

So müssen gerade jeweils diejenigen Filmwirkungen beachtet werden, die mit der Produktion der Filme beabsichtigt waren Zwar mögen einige Stilmittel, Darstellungsweisen, Musikuntermalungen oder pathetische Kommentare bei einem Publikum mit veränderten Seh-und Kinoerfahrungen heute nicht mehr „ankommen". Dennoch kann man über die ursprünglichen Absichten nicht hinwegsehen, denn gerade die „Reaktion des am Medium ungeschulten, unwissenden und wenig erfahrenen Betrachters wurde von der nationalsozialistischen Propaganda in raffiniertester Weise eingesetzt . . ., wurde nicht das Bild der Wirklichkeit vermittelt, sondern jenes, das der Propagandist als wahr unterschob"

Sowohl die inhaltlichen Aussagen als auch die formalen Gestaltungselemente von Filmen sind nicht von den ökonomischen Bedingungen und den politischen und gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung zu isolieren. Angesichts der hohen Wertschätzung als Propagandainstrument durch die Propagandisten des Nationalsozialismus ist gerade auch der Film des Dritten Reiches direkter Ausdruck nationalsozialistischer Propaganda und Politik. Zwar sollten Filme — so Joseph Goebbels — keine verfilmten Parteiprogramme darstellen, aber deshalb um so wirkungsvoller mit den Prinzipien, weniger mit den äußeren Zeichen des Nationalsozialismus verbunden sein.

Aus diesem Grunde ist der NS-Film eine besonders wichtige Quelle für den historisch-politischen Unterricht, in dem Leben und Anschauungen der damaligen Zeit bearbeitet werden sollen. Selbstverständlich eignen sich für den historisch-politischen Unterricht vor allem solche Filme, deren Themen offenkundig politisch sind oder deren Handlung in einem historisch-politischen Zusammenhang stehen. Zwar ist es reizvoll, gerade auch dem politischen Gehalt solcher Filme nachzugehen, die als unpolitisch angesehen werden, aber das wird kaum im Rahmen eines zeitgeschichtlichen Unterrichts möglich sein. Diese Arbeit konzentriert sich deshalb vor allem auf den mit nationalsozialistischer Auffassung und Politik offenkundig verbundenen Film.

Da der Film faschistische Ideologie transportiert und mit seinen Klischees wie Unterordnung, Führung, äußeren Feinden, deutschen Leistungen etc. an nationalistische Vorstellungen und autoritäre Haltungsneigungen anknüpft, die nicht erst mit der Machtergreifung entstanden sind, sondern eine lange Tradition haben — und die mit der militärischen Niederlage des Faschismus nicht zugleich vernichtet wurden, sondern weiterleben —, sind NS-Filme nicht nur Dokumente aus einer fernen Zeit. Sie transportieren und stimulieren auch heute noch solche Emotionen ebenso wie die dargestellten Themen. Beides muß deshalb zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden

Dies alles setzt voraus, daß zunächst Medien-kritik zu leisten ist, ehe das Zeitspezifische der Filminhalte wirksam bearbeitet werden kann Zu den im Film zustimmend dargestellten Verhaltensweisen muß im Unterricht eine kritische Distanz geschaffen werden, wenn über sie als dem Nationalsozialismus zugehörig gesprochen werden soll. Das wird dann besonders schwerfallen, wenn die gleichen „Tugenden" noch immer Bestandteile des Unterrichts sind.

III. Nationalsozialistische Filmpropaganda

Wie keine andere politische Bewegung und Organisation hat der Nationalsozialismus von Anfang an den Film als Propagandainstrument in seine Dienste gestellt. Den Charakter politischer Agitation für den Nationalsozialismus hatte Hitler bereits in „Mein Kampf" festgelegt: „Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll... Je mehr sie ausschließlich auf das Fühlen der Masse Rücksicht nimmt, um so durchschlagender der Erfolg . .. Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, daß sie, die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Masse findet."

In seiner dreifachen Eigenschaft als Präsident der Reichskulturkammer, welcher auch die Fachschaft der Filmschaffenden angehörte, als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und als Reichspropagandaleiter der NSDAP war Dr. Josef Goebbels in einer Person „oberster Führer des deutschen Kulturschaffens". Er sah seine Arbeit vor allem so: „Das Ministerium hat die Aufgabe, in Deutschland eine geistige Mobilmachung zu vollziehen. Es ist also auf dem Gebiet des Geistes dasselbe, was das Wehrministerium auf dem Gebiet der Waffe ist." Zur Eröffnung der Reichskulturkammer erklärte er: „Was wir wollen, ist mehr als ein dramatisiertes Parteiprogramm. Uns schwebt als Ideal vor eine tiefe Vermählung des Geistes, der heroischen Lebensauffassung, mit den ewigen Gesetzen der Kunst. . . Nicht das ist die beste Propaganda, bei der eigentlich Elemente der Propaganda immer sichtbar zu Tage treten, sondern das ist die beste Propaganda, die sozusagen unsichtbar wirkt, das gesamte öffentliche Leben durchdringt, ohne daß das öffentliche Leben überhaupt von der Initiative der Propaganda irgendeine Kenntnis hat."

Den Filmschaffenden der Zwangskorporation Reichsfachschaft Film, in der Mitglied sein mußte, wer beim Film arbeiten wollte, und von der die Mitgliedschaft allen verwehrt wurde, die aus politischen oder „rassischen" Gründen vom deutschen „Filmschaffen" ferngehalten werden sollten, geriet dieser Auftrag zum Gelöbnis: „Nach dem siegreichen Kampf unserer herrlichen nationalsozialistischen Bewegung hat uns unser Führer Adolf Hitler durch den Herrn Reichsminister Dr. Goebbels die Reichsfachschaft Film geschenkt. Dadurch ist in vorbildlicher Form das Fundament für den ständischen Aufbau und die geistige und kulturelle Entwicklung des neuen deutschen Films gelegt. Am denkwürdigen Tage des ersten offiziellen Zusammentritts der in der Reichsfachschaft Film nunmehr geeinigten deutschen Filmschaffenden geloben wir, in unwandelbarer Treue zu unserem Führer und dem deutschen Kulturgut mit allen Kräften an dem Aufbau des deutschen Films mitzuarbeiten."

Dabei mußten die NS-Propagandisten unter den Filmemachern nicht erst 1933 mit ihrer Arbeit anfangen Obwohl es gewichtige Beispiele bedeutender — gerade auch antifaschistischer — Filme aus der Weimarer Republik gibt, überwogen solche, die sich in seichtester Trivialität ergingen und dort, wo politische Einstellungen durchschimmerten oder offen zutage traten, den Vorstellungen völkischer Kreise und des Großbürgertums nahestanden Schließlich gehörte die Ufa zum Hugenberg-Konzern. Ein großer Teil der Regisseure, die nach 1933 ihre eigentliche Bedeutung erlangten hat auch schon vorher entsprechend gearbeitet weder am Stil noch an den politischen Tendenzen ihrer Filme mußte sich nach 1933 Entscheidendes ändern.

Bei vielen Gelegenheiten wurde die Absicht, für den Nationalsozialismus zu arbeiten und gezielt indirekt zu wirken betont. Für Heinrich Roellenbleg z. B. wurde der Film zum „Beitrag für die Wirkliche Vereinigung aller geistigen und seelischen Kräfte des ganzen Volkes in einer einheitlichen Front zu unbezwingbarem Siegeswillen": „Der moderne Krieg wird nun mal nicht nur auf dem Schlachtfeld entschieden; Presse, Rundfunk und nicht zuletzt der Film treten als Waffen einer modernen Staatsführung neben die Formationen der Wehrmacht, um zu ihrem Teil zur Entscheidung beizutragen."

Aufgabe des Reichsfilmdramaturgen und später des Reichsfilmintendanten war es, „rechtzeitig zu verhindern, daß Stoffe behandelt werden, die dem Geist der Zeit zuwiderlaufen" Mit erheblichen Subventionen und Krediten der staatlichen Filmkreditbank wurde die Filmwirtschaft auch ökonomisch beeinflußt und kontrolliert, so daß 1942 am Ende eines massiven Konzentrationsprozesses der Zusammenschluß früher selbständiger Gesellschaften zur reichsmittelbaren „Ufa-Film GmbH" (Ufa) vollzogen werden konnte. „Die gesamte deutsche Spielfilmproduktion wurde von den staatsmittelbaren Firmen getragen und war in diesen wirtschaftlichen und politischen Kontroll-und Lenkungsapparat der Ufa-Film bzw.der Reichsfilmintendanz einbezogen: Eine freie, d. h. wirtschaftlich und politisch vom Reich nicht kontrollierte und gesteuerte Betätigung auf dem Produktionssektor gab es nicht mehr... Für das politische System bedeutete die Zentralorganisation der Ufa-Film demnach die totale Perfektionierung: Jeder einzelne Filmstoff konnte nunmehr ohne Umwege über Institutionen außerhalb der Privatunternehmen im Betrieb selbst optimal überwacht werden, und jeder Film-schaffende wurde zentral ... verpflichtet und ausgewählt."

Mit der Konzentration der ökonomischen, organisatorischen und finanziellen Kontroll-und Lenkungsfunktion bei der staatsmittelbaren Ufa sowie mit der politisch-ideologischen bei den identischen Gremien von Staat und Partei waren alle Bedingungen erfüllt, um das gesamte Filmschaffen in allen Einzelheiten nationalsozialistisch auszurichten.

Schließlich waren die Filme auch so eindeutig wirksam, daß man in Presseanweisungen untersagen konnte, in den „Kunstbetrachtungen" — seit 1936 war der Begriff „Filmkritik" verboten — den Charakter der Filme und ihre Wirkung beim Namen zu nennen. So brauchte etwa „Jud Süß" nicht als antisemitischer Film bezeichnet werden, weil er durch seine spezifische Wirkung auf das Publikum diesen Zweck von selbst erfüllte

IV. Generalisierende Einschätzung des nationalsozialistischen Films

Der Film ist, wie alle künstlerischen Äußerungen, Produkt seiner Zeit; er spiegelt Zeit-strömungen und ist das Ensemble der Erfahrungen seiner Autoren, aber auch der Zuschauer. Auch Film ist generell das Produkt der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse, unter denen er entstanden ist.

Der nationalsozialistische Film ist zudem durch die Organisation seiner Mitwirkenden, das lückenlos gestufte System der den auf „Zeitgeist" verpflichteten Zensur, die ökonomisch-ideologische Organisation der Filmproduktion in Reichsabhängigkeit und durch die Omnipotenz von Staat und Partei nicht nur programmatisch-intentional, sondern vor allem auch in seiner Praxis der faschistischen Mobilisierung besonders verpflichtet. Nicht nur als „Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse" hatte er die Funktion, das System zu stabilisieren. Jeder einzelne nationalsozialistische Film war direkter Ausdruck nationalsozialistischer Propaganda und Manipulation. Massiver, direkter, authentischer als jede andere künstlerische und propagandistische Äußerung spiegelt der nationalsozialistische Film den deutschen Faschismus Der für die NS-Filmpolitik einflußreiche Funktionär Hans Traub faßte die „Haupteigenschaften einer vorbildlichen Propaganda" des nationalsozialistischen Filmschaffens wie folgt zusammen: „ 1. Der mögliche subjektive Appell an die , Welt der Gefühle', 2. die Beschränkung im Inhalt, 3. die Kampfansage von Beginn an, 4. die Wiederholung in . dauernder und gleichmäßiger Einheitlichkeit'(Adolf Hitler)." Das drückt sich auch in der Wahl der Themen aus.

1. Themen des nationalsozialistischen Films

Von Anfang an war der NS-Film den Problemen der „Bewegung", der „Kampfzeit" im „Weimarer System" verpflichtet: „SA-Mann Brandt" (1933), „Hitlerjunge Quex" (1933) und „Hans Westmar" (1933) schildern den Kampf von begeisterten Nationalsozialisten in der Auseinandersetzung mit der Familie und der — meist kommunistischen — Umwelt bis zum Tod, dem „Blutopfer" für Deutschland. „Im Mittelpunkt der Handlung stehen Familien, die geteilt sind: Vater Kommunist, Mutter weinend und sorgend, Sohn Nationalsozialist oder nazifreundlich. Am Ende fällt der Tote bekehrt für die Bewegung, die Mutter wird oder bringt sich um, der Vater wird erschüttert."

In den Filmen über den Ersten Weltkrieg wird das hohe Lied der Truppe im Felde gesungen. Unermüdlicher kämpferischer Einsatz unter schwierigsten Bedingungen zeichnet die Soldaten, strategische Übersicht die Offiziere aus. Fast alle diese Filme — z. B. „Unterneh-men Michael" (1937) „ . . . reitet für Deutschland" (1941), „Urlaub auf Ehrenwort" (1937), „Patrioten" (1937) — stimmen das Publikum im Vorspann bereits darauf ein, daß den im Felde unschlagbaren Soldaten gewissenlose Politiker und Revolutionäre in den Rücken gefallen seien.

Den Filmen zufolge hatten Deutsche im Ausland generell ein schweres Leben. Als rechtschaffene, arbeitsame Menschen werden sie in aller Welt unterdrückt und verfolgt. Und dabei sehen sie, wie die ferne Heimat vom Führer nun wieder aufgebaut wird. Das gibt viele Möglichkeiten, Eigenschaften zu personifizieren und Freund-Feind-Schemata aufzubauen. Die Lösung aller individuellen Schmach der Deutschen ist allein der Sieg Deutschlands über eine feindliche Umwelt

Die neue nationalsozialistische Ordnung steht im Mittelpunkt einer Reihe von Filmen über die Hitlerjugend (HJ), den Reichsarbeitsdienst (RAD) und die Organisation Kraft durch Freude (KDF), zu denen auch der Reichsparteitagsfilm „Triumph des Willens" (1935) zählt. In „Kopf hoch, Johannes!" (1941) erkennt ein individualistischer Junge in einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola), „wenn auch unter Kämpfen, den Sinn echter Jungen-kameradschaft . . . und zeigt, daß er ein ganzer Kerl geworden ist" „Junge Adler" ist eine Kombination von HJ-Erziehung, vormili-tärischer Ausbildung und bedingungsloser Aufopferung 10-bis 14jähriger Jungen. „Kadetten" (1941) verlagert die Erziehung der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten in die Zeit des Kampfes gegen die napoleonischen Besatzungstruppen der „Befreiungskriege". Er ist gleichermaßen Beispiel für die Darstellung militaristischen Staatsaufbaus wie dafür, den Einsatz von Filmen nach der politischen aktuellen Lage auszurichten und NS-Auffassungen und -Politik historisch zu kostümieren

Die Dokumentarfilme wie „Der Marsch zum Führer" (1940) über HJ-Wanderstaffeln zum Reichsparteitag nach Nürnberg und zur Festung Landsberg, oder „Soldaten von morgen" (1941) über die paramilitärische Ausrichtung der HJ demonstrieren die Staats-und Erziehungsabsichten mit Hilfe der Jugendlichen selbst, ihrer Opferbereitschaft und Begeisterung. Aktuelle Aspekte dieser Politik wurden in der HJ-Monatsschau „Junges Europa" vorgestellt.

Filme zum Krieg nehmen dann die Stilmittel der Filme über den Ersten Weltkrieg wieder auf. Es gilt, Front und Heimat, Soldaten und Zivilisten auf den Krieg vorzubereiten und das Kinopublikum an den Kampfhandlungen teilnehmen zu lassen. Deshalb werden Heldentaten und Einsatzfreude mit den Landserund Kasernenspäßen gemischt. In diesem neuen Krieg aber stehen die Soldaten und Offiziere in Übereinstimmung mit den strategischen Konzepten der militärischen und vor allem der politischen Führung. Soldaten, Generalität und Heimat sind sich des Sieges sicher, „weil Deutschland und seine Sache siegen müssen" und weil diese Soldaten hervorragend trainiert sind, sie ihre Panzer, Flugzeuge und anderes Militärgerät vorbildlich beherrschen und jedem Feind überlegen sein müssen. „Stukas" (1941) und „Dill 88" (1939) zeichnen Soldaten-und Mannestugenden in Einklang mit nationalsozialistischer Politik.

Antisemitische Filme aktualisierten und propagierten antisemitische Einstellungen und Ausschreitungen. Als Verteidigung deklarierte Aggression wird schon weit im voraus gerechtfertigt, Pogromstimmungen werden aktiviert. Fritz Hipplers „Der ewige Jude" (1940) ist in der Perfidie seiner angeblichen Dokumentation seiner Überblendungen und seines Kommentars das herausragendste, unmoralischste Beispiel. Er „belegt" die rattengleiche Ausbreitung der Juden, ein ihrem Wesen entsprechendes Leben im Dreck, ihre Mimikry und Unterwanderung der Zivilisation, in der sie doch nur Fremdkörper bleiben müssen oder besser endgültig entfernt werden sollten. In der Direktheit seiner Wirkung entspricht ihm „Jud Süß" (1940) von Veit Harlan, der die Anpassung des Juden und seinen Aufstieg zu Macht und Herrschaft an den Hof des Herzogs von Württemberg zurückverlegt. Nur . gutes Volksempfinden'könne das Volk von dieser Geißel befreien. Aber auch Filme wie „Leinen aus Irland" (1939), „Die Rothschilds" (Aktien auf Waterloo, 1940) oder der biedermeierliche Operettenfilm „Robert und Bertram" (1939) von Hans Zerlett sind nicht viel weniger effektvoll.

2. Unterhaltungsfilme

In den Unterhaltungsfilmen, die als unpolitisch galten und gelten und viel zur Legende des künstlerisch hochstehenden und bedeutenden Ufa-Films beigetragen haben, können die Situationen, deren Bewältigung dargestellt wird, die Dialoge und auch die Schlagertexte analysiert werden. Da wird in einer eigentümlich unhistorischen Welt der wehenden Fenstervorhänge und der weißen Telefone als Symbolen einer spezifischen Lebensweise wohlsituierter Leute — die beiläufig zu einem Synonym für den Ufa-Film geworden sind — pausenlos gewartet, das Schicksal gemeistert, zu den Erfolgreichen aufgeblickt und Hehres bewundert.

In einigen Filmen wird diese Unterhaltung mit der dazugehörigen Politik verbunden. Im „Wunschkonzert" (1940) des Großdeutschen Rundfunks „umschlingt ein magisches Band Front und Heimat... Leid und Freude des einzelnen Unbekannten, Namenlosen wird Leid und Freude der gesamten Nation. Alle Herzen schlagen im gleichen Rhythmus des Empfindens." In „Die große Liebe“ (1942) singt Zarah Leander in ihrer versagungsvollen Liebe zu dem pflichteifrigen Fliegeroffizier die beziehungsreichen Songs „Davon geht die Welt nicht unter" und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n".

So hält auch die Heimat in schweren Tagen durch, ja, sie verwandelt sich gerade durch den Film zur „Heimatfront".

3. Historische Stoffe und ihre Verwendung

Der Nationalsozialismus hatte ein besonderes Verhältnis zur Geschichte: Eschatologisch bewegt sich das deutsche Volk auf das tausendjährige Dritte Reich zu. Wie das Dritte Reich als die historische Bestimmung des deutschen Volkes erscheint, so führte alle bisherige Geschichte zum Nazi-Imperium. Vielen Filmen wird die Authentizität dadurch unterlegt, daß sie an diese Gleichsetzungen und Analogien anknüpfen und historische Begebenheiten zum Vorbild oder bekannte historische Persönlichkeiten zum Protagonisten nehmen.

Einen großen Raum im NS-Filmschaffen nehmen Filme mit historischem Stoff ein. Helmut Regel unterscheidet bei ihnen drei Kategorien, die die Verquickung mit aktuellen nationalsozialistischen Absichten deutlich machen: — die Darstellung der Geschichte als Kostüm oder die Ein-bzw. Verkleidung der Gegenwart;

— die Darstellung der Geschichte als Exempel, als Fundus für beliebig austauschbare Beispiele;

— die Darstellung der Geschichte als Präfiguration der Gegenwart, als eine Entsprechung, die ihre Erfüllung in der Gegenwart findet

Vaterländische Geschichte, nach der Männer Geschichte machen, wird illustriert. Historische und politische Prozesse werden in das Handeln der Großen, der einzelnen, der Führernaturen aufgelöst. Politik wird auf diese Weise zur bloßen Folge einzelner dramatischer Akte solcher Persönlichkeiten, in der dann auch das Schicksal des Volkes (wohl) aufgehoben ist. Das ist besonders auffällig und bedeutsam, wenn die Filme mit historischen Themen als Beitrag zur aktuellen Politik produziert bzw. wenn sie als solche Beiträge eingesetzt werden.

Das Musterbeispiel dafür ist „Kolberg" (1944) von Veit Harlan. Diesen Film hatte Goebbels in Auftrag gegeben. Ursprünglich war erwogen worden, einen Durchhalte-Film dem Schicksal der Zerstörer unter Admiral Bonte im Narwik-Fjord zu widmen. Aber das ließ sich nicht verwirklichen. Der Kriegsfilm „Besatzung Dora" (1943) mußte von der Zensur verboten werden, weil sich die Kriegslage in Afrika, wo der Film spielte, längst geändert hatte. Weil so die aktuellen Themen ausfielen, suchte man nach einer historischen Verkleidung. Im opferreichen Kampf auf verlorenem Posten gegen napoleonische Okkupanten (wo z. B. das eigene Land überflutet wurde, ehe es den Besetzern in die Hände fallen konnte) mußte das deutsche Volk seine Aufgaben bei der bevorstehenden Besetzung des Reiches sehen. Die Opferbereitschaft für Deutschland, die die Bürger Kolbergs in der Geschichte bereits gezeigt hatten, sollte dem Volkssturm als Vorbild dienen und von ihm im Einsatz übertroffen werden. Als der Film 1965 wieder in die Kinos kam, hatten Lothar Kompatzki und Erwin Leiser eine Reihe von Einschüben aus dem Kriegsjahr 1944, in dem der Film entstand, einmontiert. Sie zeigten, daß „Kolberg" in der Parallelität der Themen und Motive, der optischen Formen, der Formulierungen und der Sprachregelung eine „Deutsche Wochenschau" in historischen Kostümen war. So hält Heinrich George als Bürgermeister Nettelbeck die berüchtigte Sportpalastrede des Dr. Goebbels zum totalen Krieg und der Mobilisierung der letzten Kräfte von Volkssturm und nun bereits buchstäblicher Heimatfront: „Nun, Volk, steh auf! Und Sturm, brich los!" Und in eine Szene, in der Kolberger Bürger Gräben ausheben, um ihre Äcker zu überfluten, konnten Wochenschau-Aufnahmen von Frauen eingeblendet werden, die in optisch gleicher Weise im Kriegs-Winter 1944/45 Panzergräben ausheben.

Wie bei anderen Filmen nicht die beabsichtigte Wirkung benannt werden durfte damit sie um so nachdrücklicher wirken konnten, gab es auch Anweisungen, bei Filmen mit historischen Themen Parallelen zur aktuellen Lage nicht zu ziehen

Wo die Geschichte -zum Exempel gemacht wird, sind nicht die Zeit, in der der Film spielt, nicht die Person, die handelt, bedeutsam, sondern bestimmte Stereotype und Klischees, deren andauernde Geltung bewiesen werden soll. Die Propagandawirkung dieser Filme resultiert ganz eindeutig nicht aus der historischen Komponente, sondern vielmehr ist diese beliebig austauschbar. Es geht in diesen Filmen gar nicht um einmalig Historisches, Individuelles, um den Einzelfall, sondern um die Propagandawirkungen, die bestimmte Stereotypen oder Mechanismen der Grundfabel haben. Bei der Reihe historischer biographischer Filme, die vor allem zwischen 1939 und 1943 gedreht wurde, interessiert die Darstellung des Führers, der Autorität, des einzelnen Genies und auf der anderen Seite die des Unverstandes der Massen und des Widerstandes und der Mißgunst derjenigen, die es eigentlich besser wissen müßten. Alle diese Eigenschaften sind unabhängig von der historischen Einkleidung, vom Beispiel. Das gilt für „Rembrandt", „Andreas Schlüter" und „Robert Koch". Bei den historischen antijüdischen Filmen sind die Stereotypen des Antisemitismus die gleichen, gleichgültig, ob man nun den Film im Absolutismus ansiedelt wie „Jud Süß" oder in der napoleonischen Zeit wie „Die Rothschilds", ob der Film im Biedermeier spielt wie „Robert und Bertram" oder in der Gründerzeit wie „Leinen aus Irland". Ähnliches kann man auch an den antibritischen Filmen feststellen, in denen ebenfalls der Zeitabschnitt, in dem die Fabel abrollt, relativ unbedeutend ist, gleichgültig, ob es sich um „Ohm Krüger" handelt oder um „Carl Peters" Auch in den Filmen, die im Mittelalter spielen — „Paracelsus" (1943) oder „Das unsterbliche Herz" (1939) über Peter Henlein und Martin Behaim — sind die Personen vor allem als geniale Erfinder und Entdecker von Interesse.

Gleichfalls Varianten des Themas vom überragenden Genie mit Durchblick, das von lauter Unverstand umgeben ist, sind die Filme: „Bismarck" (1940), „Schicksalswende oder Die Entlassung" (1942) und „Robert Koch, der Bekämpfer des Todes" (1939) sowie Sequenzen aus „Carl Peters" (1941).

Zwei Themen-und Zeitkomplexe finden sich noch im NS-Filmschaffen, in denen Verfilmungen vaterländischer Geschichte häufiger angesiedelt sind: die friderizianische Ära und die napoleonische Zeit

Bei den Filmen mit Themen und Figuren aus der Zeit der napoleonischen Besetzung und der Befreiungskriege registriert Regel eine größere Zahl von Filmen, die mit der Tonfilmzeit beginnen, aber bald nach 1933 abrupt abbrechen. Ihm sind diese Zeiten und Handlungen Zeichen nationaler Schmach: ein Thema nationalistischer Kreise der Weimarer Republik. Mit der Machtergreifung war aber diese Art Aufruhr und Empörung kein Thema mehr, wohl aber die Besinnung auf nationale Würde und staatlichen Aufbau durch planende und gestaltende Staatsmänner wie Bismarck und eben Friedrich II. Zwar wurde 1935 kurz nach dem Londoner Flottenabkommen noch ein Film gedreht, der in dieser Zeit spielt: „Höherer Befehl". Aber dieser Film ist gerade nicht aufrührerisch, sondern führt „Abwarten" und „Vorbereiten auf später" als preußische Tugenden ein.

Friderizianische Stoffe wurden in immer neuen Variationen verfilmt. Die anekdotisch fixierten Stereotype wurden nicht erst vom Nationalsozialismus erfunden. Sie waren schon vorher geprägt worden und brauchten nur beibehalten zu werden. Preußen wandelt sich vom Tiefpunkt seiner Niederlagen zur unbestrittenen Großmacht: „Wenn man jetzt statt Kunersdorf Versailles einsetzte, so konnte man eine Art magische Parallelentwicklung erwarten und im stillen hoffen, daß die Geschichte auch einmal zu einer nationalen Lösung, zu einem nationalen Aufstieg in der Gegenwart führen werde. Fester Bestandteil in den Fridericus-Filmen war Führersehnsucht, die Kehrseite eines gewissen Unbehagens an der Demokratie, an der , Systemzeit'. Bei den Fridericus-Stoffen in der Weimarer Republik hat man es also mit einer Phase zu tun, in der mehr unbewußt, mehr unterschwellig, nationaler oder nationalistischer Geist in die Filme einfließt bzw. aus ihnen wirkt." 1921/22 hatte Csereny den ersten Zyklus „Fridericus Rex" vorgelegt. Es folgen weitere Friedrich-Filme und 1930 Gustav Ucickys „Das Flötenkonzert von Sanssouci", in dem Friedrich, von Verschwörern umgeben, im Präventivschlag den siebenjährigen Krieg beginnt, und seine langen Kerls anfährt: „Es ist schöner zu Hause, was? Aber wir werden wieder marschieren müssen, sonst haben wir bald keine Heimat mehr auf diesem Boden."

Die Zielsetzung der neuen Filme war nun darauf gerichtet, das friderizianische Preußen als Vorläufer des Dritten Reiches und den Alten Fritz als kongenial zu Adolf Hitler erscheinen zu lassen — vorsichtig, versteht sich „Man konstruiert zunächst durch verfälschende Darstellung der friderizianischen Zeit eine Parallele zur Gegenwart, und zwar werden ty-* pische Einzelzüge des NS-Staates bzw.des Führers in die Vergangenheit zurückprojiziert. Durch diese Einzelparallelen wird der Betrachter dann suggestiv zu einem totalen Analogieschluß veranlaßt. Ihm wird die vollständige Deckungsgleichheit des friderizianisehen Staates mit dem NS-Staat und des friderizianischen Führers mit , dem Führer'aufgedrängt. Damit werden automatisch alle Leistungen, alle Erfolge und alle Werte, die sich mit dem Staat Friedrichs verbinden, diesem neuen Staat hinzugefügt. Die Werte eines Staates, der sich in der Geschichte bereits bewährt hat, werden einem Staate, der sich noch bewähren muß, im Vorhinein aufs Pluskonto geschrieben. Der Analogieschluß lautet: wer so auftritt wie Friedrich der Große, wird auch so aufsteigen, wie Preußen es damals tat." Die preußische Hausmachtpolitik mußte zur kleindeutschen umgewandelt werden, der quengelige Kosmopolit mit aufklärerischen Vorstellungen mußte zum umgänglichen „volks" -tümlichen Schlichter auch kleinster Sorgen von Landeskindern werden, schließlich mußte auch die Gestalt des „Alten Fritz" denkmalhafte Gestalt erhalten.

„Fridericus erscheint fast immer als der , alte Fritz', als ein Mann in den Fünfzigern, so alt etwa wie Otto Gebühr ... So erscheint er schon zu Beginn des 1. Schlesischen Krieges, als Friedrich 28 Jahre alt ist. Der Stilisierung auf ein Denkmal hin, im Äußeren, entspricht die Darstellung seines Charakterbildes. Es gibt keinerlei Wandlungen in dieser Figur, etwa den wichtigen Umschwung aus einer Periode der Aggressivität, der Befriedigung persönlichen Ehrgeizes, in die Verantwortung des Landesvaters." jekt ist das Sein, nicht der Schein" (der zweite Aspekt der Legende von der Qualität des Ufa-Films gründet sich auf die Unterstellung hoher dokumentarischer Qualitäten). Andererseits werden seine suggestiven und damit weniger dokumentarischen Wirkungen gerühmt. Der Zuschauer ist ihm Augenzeuge, der sich auf sein selbstgebildetes Urteil verlassen will, und Begeisterter — durch eben diesen Film begeisterter — zugleich Element wirksamer Manipulation ist, daß der Manipulierte sich dessen gar nicht bewußt wird, sondern den Eindruck hat und verteidigt, objektiv und umfassend informiert zu sein: „ . . .seit man erkannte, daß gerade der Film und besonders der Tonfilm wie nichts anderes sonst geeignet ist, für die Allgemeinheit zum wertvollsten Dokument großer Geschehnisse zu werden, ergriff man mit Eifer dies neue Konservierungsmittel . .. Das interessanteste Geschehnis wirkt, wenn es auf der Leinwand bloß wiedergebend gezeigt wird, schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit langweilig. Warum? Weil ohne künstlerische Formung die realistische Wiedergabe allein nicht imstande ist, den hinter den Dingen verborgenen Sinn, die jedem Ereignis anhaftende Atmosphäre mit einzufangen. Um auch dies zu erreichen, bedarf es einer künstlerischen Filmgestaltung . . . Schritt für Schritt vermag (der Regisseur) das längst verrauschte Ereignis wieder aufzubauen, und zwar so, daß durch Rhythmus und Ausdruck jedes Bild-schnitts auch der geistige Inhalt, das Ideelle des Geschehens, sei es der Glaubensinhalt eines Parteitagsfilms oder das Kampf-und-Sieg-Motiv eines Olympia-Films, ans Licht empor-gehoben wird. So wird der Schnitt, die Mon-

4. Der Dokumentarfilm

Der Dokumentarfilm des Dritten Reiches galt generell als „Kulturfilm" der sich mit den Leistungen und Äußerungen „der Kultur" — insbesondere des deutschen Volkes — beschäftigte. Ihm werden zwei paradoxerweise zusammengehörige, aber durchaus kontroverse Eigenschaften zugeschrieben. Einerseits gilt er als objektiv: „Kulturfilm ist die Wiedergabe ungestellter Wirklichkeit, sein Ob-tage des Films zum eigentlichen Schöpfungsprozeß, der seinen Werkstoff aus dem vorhandenen, einmaligen und endgültigen Material des bereits gedrehten Ereignisses nimmt so erhält der Dokumentarfilm jenen künstlerischen Wert, der ihn befähigt, nicht nur als Erinnerung an ein Geschehnis auf uns zu wirken, sondern als neues, aufwühlendes Erleben in unsere Sinneswelt zu dringen." Es besteht kein Zweifel, daß Leni Riefenstahl nicht nur so schrieb, sondern vor allem auch so ihre Filme gestaltete und dabei dem „Glaubensinhalt" des Reichsparteitages verpflichtet war.

Der Dokumentarfilm, dem unter diesen Bedingungen die Aufgabe zufällt, „die Kultur" darzustellen, zu informieren und zu beeinflussen und dabei am Zeitgeist (der von der Reichsfilmkammer überwacht wurde) orientiert zu sein, kann nicht als ernst zu nehmende originäre Quelle für das jeweils dargestellte Thema gelten. Auch die Dokumentarfilme müssen zunächst als Objekte sorgfältiger Medienkritik angesehen werden Allerdings belegen sie präzise, welches die Sicht, die Tendenz war, die nationalsozialistische Dokumentaristen den dargestellten Themen auferlegten. „Gestern und heute" (1938) wurde von der Reichspropagandaleitung der NSDAP im Anschluß an den Einmarsch in Österreich für die nachfolgende Reichstagswahl und die Volksabstimmung am 10. April 1938 in Auftrag gegeben. Dem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Niedergang „der Systemzeit" stellt er den Aufstieg des Dritten Reiches gegenüber zum Teil unterlegt mit Hitlerreden. Der Aufstieg erscheint als abgeschlossen, das nationalsozialistische Deutschland als vollendet. Selbstbewußt präsentieren sich der Staat und seine Geschichte: Mit programmatischen Reden und Berichten über Erreichtes kann die identifikationsstiftende Zustimmung jubelnder Massen zugleich dargestellt werden. „Der Marsch zum Führer" (1940) über den Adolf-Hitler-Marsch der HJ-Abordnungen mit ihren Bannfahnen zum Reichsparteitag zeigt gläubige Jugendliche, deutsche Städte und Landschaften, ihre Bewohner und Dialekte in der Vorbereitung der nationalen Heerschau. „Ewiger Wald" (1936) bebildert die Vorstellung, daß „das Leben des deutschen Volkes mit dem Walde von Anbeginn an (verbunden ist)" Der Film ist ein eigenartiger Beleg für deutschtümelnd-frömmelnde Naturorientierung buchstäblicher Blut-und Boden-Ideologie und anti-industriellem Ressentiment, das einfache, schlichte Erklärungen wünscht und sucht. Über gläubige, unterwürfige Gefolgschaftstreue informiert „Das Buch der Deutschen" (1936), in dem die Herstellung eines pergamentenen, handgemalten, in Leder gebundenen Prachtbandes von „Mein Kampf" als Geschenk des Deutschen Beamtenbundes für Hitlers Geburtstag gezeigt wird: der Reichsbeamtenführer Herbert Neef baut persönlich in einem Bergwerk das Erz für den Metall-schmuck ab. „Der ewige Jude" (1940) von Fritz Hippler ist kein Dokument über die Juden, sondern eines über den Antisemitismus der Nationalsozialisten Dieser Film ist eine beklem-mende Darstellung der Projektion eigener Vorstellungen wie auch der Stimulation von Ängsten der Zuschauer. Er zeigt, auf welche Weise und in welchem Ausmaß filmische Dokumente als Mordinstrumente entwickelt und verwandt werden können. Pogrome setzen Pogromstimmung voraus, hier wird sie planvoll (mit-) geschaffen.

Ein weiterer Beleg zynischer Verlogenheit einer filmischen Dokumentation ist „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" (1944). Auf Befehl des Reichsführers SS wurde das Konzentrationslager Theresienstadt umgebaut — nur, um diesen Film zu drehen: Dreistockbetten wurden auf Zweistockbetten verkürzt, der Lagerplatz als Rosengarten mit Musikpavillon hergerichtet, Sportplätze, ein Kleinkinderhort, eine Speisehalle, ein Siechenheim geschaffen, alles das in einem halben Jahr Arbeit. Zu Freiluft-Kabarett und Wettschwimmen in der Eger wurden Soldaten aus benachbarten Kasernen abkommandiert. Unmittelbar nachdem dieser „Dokumentarfilm" über ein Leben der Juden „in Saus und Braus" abgedreht war, wurden das Lager und seine Insassen fast vollständig „liquidiert". Die Prinzipien dieses Konzeptes prägen auch „Triumph des Willens". Die Wolken die geschichtsträchtige Stadt Nürnberg, das Gewühl der Menge mit Fackeln, die Scheinwerfer und die alles beherrschenden Marschkolonnen sind bei schmetternder Marschmusik die Requisiten für die große Heerschau der Nation, die dem Führer — als Person und Symbol zugleich — gewidmet ist Marsch-blöcke und die architektonisch-rechtwinklige Ausrichtung von Massen, Standarten und Fahnen sind die weihevoll-würdige Entsprechung der Inkarnation von Energie und Einsatzbereitschaft. Sie stehen dem „Herausragenden" gegenüber, sind auf ihn „ausgerichtet".

5. Die Wochenschau

Eine spezielle politische Bedeutung erlangte die Wochenschau. Sie wurde mit wöchentlich aktuellen Themen im Vorprogramm zu Spielfilmen in allen Kinoveranstaltungen vorgeführt. Sie informierte über einen Ausschnitt der Welt und leistete dabei ihren umfassenden Beitrag zur Indoktrinierung. Wochen-schauenhatten eine ungleich höhere Bedeutung als heute. Neben Zeitung und Rundfunk war die Wochenschau als Sammlung wöchentlicher Aktualitäten das einzige entscheidende optische Medium. Während die Kino-Wochenschauen heute weitgehend unpolitische Feuilletons verbreiten, ist die Funktion der Wochenschauen der dreißiger und vierziger Jahre vielleicht eher der Funktion heutiger Fernsehnachrichten-und -magazinsendungen vergleichbar. Wochenschauen lieferten die optisch belegten aktuellen Nachrichten und stellten sie durch Zusammenfassung und Kommentar in größere thematische Zusammenhänge. Deshalb müssen die Themenwahl und die Sicht-und Gestaltungsweisen der Wochenschauen sorgfältig analysieren werden.

Die Wochenschauen verschiedener Filmgesellschaften boten in den zwanziger Jahren bei aller sich verstärkenden konservativen Einflußnahme noch widersprüchliche, unterschiedliche, vielfältige Informationen. Damit sollte bald Schluß sein: „Die unverbindliche Bildnachricht vergangener Jahre wurde durch eine in erster Linie von staatspolitischen, kulturpolitischen und volksbildenden Gesichtspunkten geleiteten Filmberichterstattung abgelöst, ohne daß es dem einzelnen Betrachter zum Bewußtsein kommt, wertvolle Erziehungs-und Aufbauarbeit leistet."

Was das bedeutet, zeigt eine Statistik über die Inhalte der Ufa-Wochenschauen vom 1. Juni 1935 bis zum 31. Mai 1936: Schon daran, daß Politik in der Wochenschau und wiederum, was innerhalb der Kategorie „Politik" dominierte, ist zu erkennen, mit welcher Konsequenz die Wochenschau Instrument der unmittelbaren politischen Beeinflussung breitester Massen war.

Wichtigstes Element der Suggestivkraft der Wochenschauen war die durch den Schnitt der Sequenzen erreichte Rasanz, mit der Stationen und Fakten summiert wurden. Dieser optischen Dynamik entsprachen sowohl die Musikuntermalung wie Tonfall und Duktus der Sprache. Insbesondere in der Kriegsberichterstattung sollte „die so gewonnene Dynamik den Eindruck eines permanenten Blitz-krieges imaginieren. Durch die so suggerierte Schnelligkeit der Führung im Handeln und die simulierte Schlagkraft der Wehrmacht erweckte die Wochenschau selbst dann noch den Eindruck des Vormarsches, als die deutsche Armee längst den Rückzug angetreten hatte." In diesem Zusammenhang ist auch bedeutsam, daß es in der Wochenschau kaum Tote jedenfalls keine toten deutschen Soldaten, gibt. Die Wochenschau kannte nur Beiträge zum Vormarsch, zur deutschen Überlegenheit, zum Sieg. Zwar spricht der Kommentar vieltausendmal vom Tod, aber weder Tote noch das Sterben kommen überhaupt vor. Giese hatte diesen Aspekt 1940 in seiner Arbeit über die Wochenschau bereits dargestellt: „Sie stellt, in Erfüllung des Grundgebots jeder Propaganda, nicht die objektive Wahrheit an sich — denn das wäre sinnlos und liegt auch nicht in ihrer Macht — aber mit anständigen Mitteln die Seite der Wahrheit dar, die im Interesse des deutschen Volkes zu verbreiten notwendig ist"

Der Zusammenhang von Krieg und dem Beitrag der Kriegsberichterstattung zu seinem Verlauf wurde von den Wochenschau-und Propagandaleuten selbstbewußt reklamiert: „Die Wochenschau hat als Chronik des deutschen Freiheitskampfes eine Bedeutung und einen Umfang gewonnen, wie sie es niemals zuvor gehabt hat und haben konnte."

Als Dokumentarfilme und als Wochenschau-material nehmen die beiden Kriegsfilme „Feldzug in Polen" (1939) und „Sieg im Westen" (1941) einen besonderen Platz ein. Sie wurden von Fritz Hippler aus Wochen-schauen kompiliert Bei neuem Arrangement des Materials wurden der Wochenschaustil und der gerade durch ihn bewirkte Eindruck von Authentizität beibehalten. Die Einführung in dem Film „Feldzug in Polen" erläuterte Handlung und Absicht: „ ... das politische Vorspiel, die englischen Drahtzieher, ... die Befreiung Danzigs, die Aufstellung der polnischen Armeen und das Ziel der deutschen Heeresführung bis zum Beginn des deutschen Gegenangriffs mit packenden Bildern von unseren schnellen Waffen ... Zerstörungen, die die zurückweichenden Polen hinterlassen haben ...der Einsatz der Luftwaffe und die glänzenden Leistungen der Infanterie im Marsch und im Kampf, abschließend mit der Säuberung der Ortschaften von polnischen Franktireuren ... Verfolgung des Feindes, Übergang über den San unter den Augen des Führers . .. Vernichtung der polnischen Armee bei Kutno, zweiter Massenabmarsch der Gefangenen, unübersehbare Trümmerstätte eines geschlagenen Heeres ... Beschießung und Übergabe Warschaus mit schaurigschönen Aufnahmen der brennenden Stadt aus dem Flugzeug, dritter Massenabmarsch der Gefangenen und — in wunderbarer Haltung, als kämen sie gerade aus der Kaserne ihrer Friedensgarnison — die große Parade von Abordnungen der um Warschau versammelten deutschen Truppenteile vor dem Führer:

Großdeutschland ist vollendet." über „Sieg im Westen" berichtete das OKW: „Es versteht sich von selbst, daß es der bearbeitenden Stelle in erster Linie darauf ankam, das wahre Bild des Krieges zu zeigen ... Es sollte sowohl der Typus des Kämpfers wie sein Erlebnis, nicht aber nur der Kampf und damit das Feuer zum Ausdruck kommen, sondern auch der soldatische Alltag mit seinen kleinen Nöten und Sorgen und auch seinem Humor. In zweiter Linie ging es darum, den großen historischen Stoff, den der Feldzug im Westen im Mai und Juni 1940 darstellte, zu erfassen. Daß es sich dabei um einen einmaligen Vorgang in der Geschichte handelt, um die Sichtbarmachung eines genialen Feld-herrntums, bedarf kaum eines Wortes ... Der Film soll aber nicht nur den militärischen Kampf zeigen, sondern sichtbar machen, daß es das ganze deutsche Volk ist, das zur Verteidigung der Heimat aufgestanden und dessen gesamte Kraft für den Krieg mobilisiert worden ist. Hinter dem Film steht deutlich sichtbar die Idee: Es geht um die Erringung der Freiheit und damit um die Gewinnung des Lebensraumes."

Beide Filme, auf dem Höhepunkt der Siege der deutschen Wehrmacht gestaltet, enthalten das optische und akustische Pathos und die Überheblichkeit des siegreichen Vormarsches. Jetzt konnte sich erfüllen, was so lange vorbereitet war: Feldherr und Soldaten, aber auch Filmemacher und Heimat standen im „Kriegseinsatz von Faust und Herz". Der Film bereitete nicht mehr nur vor. Er leistete seinen direkten Beitrag zur Kriegsführung.

V. Die Rezeption des nationalsozialistischen Films

Zum Film gehören nicht nur die Absichten und Möglichkeiten seiner Autoren, die Bedingungen bei der Produktion und seine inhaltliche und formale Realisierung, sondern gerade auch seine Wirkung auf das Publikum Der nationalsozialistische Film sollte ein breites Publikum erreichen und beeinflussen. Er hat diese Aufgabe voll erfüllt. Durch experimentfreie Gestaltungen und durch die lobende Kunstbetrachtung war der Boden für eine grundsätzlich wohlwollende und bewundernde Aufnahme des Films bereitet. Dennoch war es wichtig, die Rezeption auch zu kontrollieren. SD-Berichte in großer Zahl mit Anmerkungen zu vielen Nebensächlichkeiten dokumentieren die Aufmerksamkeit, mit der die Reaktionen im Publikum beachtet wurden. Konsequenzen wurden daraus vor allem in den Presseanweisungen, in denen die Schwerpunkte künftiger Berichte festgelegt wurden, in Umarbeitungen der Filme und vor allem in Anweisungen für neue Filmprojekte gezogen. Die Wirkung des Films wird durch die Disposition der Zuschauer für diese Stimuli stark unterstützt.

Wegen seiner im Prinzip beliebigen Reproduzierbarkeit, seinem weitgestreuten Einsatz, seiner Massenwirksamkeit also, ist der Film in besonderem Maße dafür geeignet, an die allgemeinen Erfahrungen, auch die sensitiven Seh-, Lern-und Erzählerfahrungen der Bevölkerung anzuknüpfen. Deshalb wiederholt Ge er die völkischen Realien-und -schichtsbücher, die der Bevölkerung wohlvertraut waren:

— Die Themen der deutschen Geschichte, die nationalen „Befreiungs" versuche, die spezifisch formulierte Sehnsucht nach Größe und Stärke, nach einfachen Lösungen durch Führernaturen und durch Ein-und Unterordnung etc. — Die Stilmittel der Orientierung an Männern, die Geschichte machen, so daß politische Prozesse in (filmische) Aktion aufgelöst werden konnten;

der Überblendung (vom Kaftanjuden zum europäisch gekleideten, von Parlamentsgebäuden auf Synagogen, vom König oder Führer auf das Symbol der flatternden Fahnen), die es dem Zuschauer erleichterte, das eine in dem anderen zu erkennen, beide für identisch anzusehen;

der Wiederholung von Anekdoten, die Gemeingut waren (etwa, daß Moltke in der Schlacht bei Königgrätz in höchst gespannter allgemeiner Erregung sich aufreizend ruhig eine Zigarre auswählt), wodurch das Gefühl vermittelt wurde, daß man sich in dem Stoff im allgemeinen schon ganz gut auskenne.

Die Lesebuchgeschichten nationaler Familien und der Geschichtsunterricht der Schulen waren einander ähnlich „auf dem — — vaterländischen, sprich: deutsch-nationalen Gedankengut jener Zeit aufgebaut, so daß die Disposition für diese Filme nicht zuletzt aus dieser, nennen wir es ruhig Vorbildung, gewachsen ist" Ein großer Teil der Filme im Dritten Reich ist für den Einsatz in „Jugendfilmstunden" konzipiert und gestaltet worden und hat gerade in diesen Veranstaltungen große Erfolge erlebt Die Filme — wie die Propaganda des Nationalsozialismus überhaupt — sehen in den Jugendlichen die Protagonisten zunächst der künftigen, dann der neuen Ordnung (Hans Westmar; Hitlerjunge Quex; Kopf hoch, Johannes!; Soldaten von Morgen; Der Marsch zum Führer; Kadetten; Junge Adler; Fest der Völker; Fest der Schönheit etc.). Alle diese Filme sind so fröhlich gehalten, wie ihre Folgen grauenhaft waren, aber die Identifikation der Jugendlichen mit dem, was auf der Leinwand in ihrer Stellvertretung alles vollbracht wurde, ist sicher nicht zu unterschätzen. Die Bereitschaft, den Vorbildern der Leinwand nachzueifern, war weit verbreitet. Solche Idole zu schaffen, wird noch heute einerseits vom Film — aber auch sonst in der Politik — erwartet und andererseits als Gefahr dargestellt.

Wenn demnach heute diese (oder einzelne dieser) nationalsozialistischen Filme solche Einstellungen und Haltungen, die den Faschismus verharmlosen oder unterstützen, bei den Zuschauern bestätigen oder verstärken, dann ist ihre erneute Vorführung nicht zu rechtfertigen. Es sei denn, daß im Anschluß an die Vorführung solche Einstellungen, Haltungen, Tendenzen und deren Stimulation durch den Film in einer Diskussion bewußtgemacht werden. Die Diskussion über den jeweils spezifischen faschistischen Gehalt des jeweiligen Films kann im Zuschauer Überlegungen auslösen, die ihm mehr kritische Distanz zu seinen Empfindungen ermöglichen.

Die Beschäftigung mit der Geschichte, mit Vergangenem, in dem eigene Erfahrungen und Wünsche wiedergefunden werden konnten, war sicher weit verbreitet und dominierte in der Rezeption der Filme. Anneliese Ursula Sander referierte 1944 in einer Dissertation „Jugend und Film" eine anonyme Umfrage mit 20 960 Fragebogen, von denen 2 630 ausgewertet wurden. Als beliebtester Film stand mit 1 161 Stimmen „Der große König" an der Spitze; es folgten „Bismarck" mit 1 041 und „Die Entlassung" mit 975 Stimmen, dann „Schiller", „Heimkehr", „Ohm Krüger", „ ... reitet für Deutschland", die alle zwisehen 300 und 200 Stimmen erhielten. „Kopf hoch, Johannes!" landete mit 162 Stimmen auf dem 19. Platz. Als Begründung für die Wahl von Filmen wurde vor allem die Wertung „historisch", nämlich 1 335mal, genannt

Solchen damaligen Selbstverständlichkeiten — etwa verherrlichende Kameraeinstellungen, pathetische Sprache, melodramatischer Augenaufschlag, die Wiederholung der anekdotisch verkürzten Lesebuch-Geschichtsschreibung als Ausdruck intimer Teilhabe an personalisierten historischen Prozessen — stehen heute andere Sehgewohnheiten gegenüber. Ein Teil dieser Gestaltungsmittel gilt als altertümlich. So geschieht es, daß sich heute andere als die einst beabsichtigten Emotionen einstellen: Unverständnis oder gar Heiterkeit, wo Ergriffenheit geplant war, wenn etwa die „Reichswasserleiche" Kristina Söderbaum im fackelverzerrten Dunkel aus dem Fluß geborgen wird.

Sicher gibt es auch Einstellungen und Verhaltensneigungen, deren Stimulation der nationalsozialistische Film beabsichtigte und die er auch heute noch erreicht. Aber viele der Themen wirken veraltet, so daß sie heute nur für damals junge Leute Erinnerungen wachrufen mögen. Die Orientierung am Sentiment ist — jedenfalls in diesen Formen — schwer nachzuvollziehen. Selbst wenn eine systematische medienkundliche Reflexion über Kino und Fernsehen nicht gepflegt wird, sind Zuschauer nicht mehr optisch tumbe Toren, die sämtlichen Manipulationsmethoden wehrlos ausgeliefert sind. Ihre Seherfahrungen ermöglichen ihnen bereits eine kritische Einstellung zu altertümlichen optischen Darstellungsweisen. Dennoch ist die Verbindung der bewegten Bilder und der lebendigen Sprache insbesondere dann wirksam, wenn durch Privatisierung und Intimisierung der Handlung politische Prozesse entpolitisiert erscheinen und auch, wenn per Kommentar der Nationalsozialismus sich authentisch über sich selbst äußert. Als authentische historische Quelle, als originale Selbstdarstellung des deutschen Faschismus in seinen vielfältigen — und im Film künstlerisch dargestellten — Erscheinungsformen, hat der NS-Film seine besondere Bedeutung. Wie der nationalsozialistische Film selbst sich ausdrückt, erscheinen die Ge-genstände nicht nur authentischer, sondern auch glaubwürdiger als in der Form, in der über den Nazismus gesprochen wird. Und muß man den Filmen nicht glauben, daß nach Jahren tiefer Wirren in Deutschland wieder Zucht und Ordnung herrschten, daß es große Feldherren waren, die die Größe eines großen Deutschlands verantworteten (und daß das den Nazis und ihrem großen Feldherrn unter Einsatz der opfermütigen Landser ja auch beinahe gelungen wäre, wie in der einschlägigen Assoziationskette fortgesetzt wird)?

Die Beobachtungen, die ich nach der Vorführung nationalsozialistischer Filme in Diskussionen sammelte ergeben ein durchaus widersprüchliches Bild: Vieles wird mit angemessener Distanz beurteilt und diskutiert. Viele Einzelheiten, und vor allem solche auf der Ebene der filmspezifischen Rezeption, werden akzeptiert. Daß sich die Geschichte anders entwickelt hat, als die Nazis sie darstellten, ist bekannt und stiftet Distanz. Aber die Art, wie vieles gesehen wird, wie Schauspieler sich benehmen, wie durch Blenden und Lichteffekte Stimmungen geschaffen werden, wie auch Fakten und Prozesse aneinandermontiert werden, das erweckt auch heute noch Zutrauen zur Darstellung. Und das läßt befürchten, daß das Zutrauen auch auf das Dargestellte, zumindest auf Teile, übertragen wird.

Solange diese Betrachtung einen unbefangenen Umgang mit der Darstellungsweise und dem Dargestellten ermöglicht und solange diese Effekte bewußtgemacht werden können, kann das nützliche Beiträge zu einem Unterricht liefern, der Zeiten und Verhältnisse lebendig erleben lassen will Feil be-richtet 1972 daß nach seinen Untersuchungen ein hohes Maß an Zustimmung zu Inhalten oder Gestaltungsformen von Filmen mit nationalsozialistischer Thematik mit „Bildungsbeflissenheit" verbunden werde.

Schließlich könne man aus ihnen lernen, wie es wirklich gewesen sein soll. Gesprächspartnern mit jeweils anderen Auffassungen wird seiner Untersuchung zufolge die gründliche Kenntnisnahme solcher Filme empfohlen.

Es wäre wünschenswert, wenn die heutige Filmwirkung nationalsozialistischer Filme noch genauer untersucht werden könnte. Aus Anlaß der Wiederaufführung von „Kolberg” wurde z. B. eine Untersuchung vorgelegt, die sich vornehmlich mit der Frage beschäftigte, ob und wie durch diesen Film die Einstellungen der Zuschauer verändert werden 1964 waren 60 Personen nach der Vorführung des originalen Films in Einzelinterviews befragt worden Danach wurden dem Film 25 Minuten im Vorspann und in vier kurzen Zwischenschnitten, sowie drei Minuten im Nach-spann zugefügt. Bevor der „neue" Film in den Kinos anlief, untersuchten Undeutsch und Salber 1965 seine Wirkung in einer Befragung von 2 205 Besuchern der Vorführungen einer Woche in vier Städten. Von den 2 205 befragten „durchschnittlichen Kinobesuchern", die'den Film in besonderen Vorführungen sahen und vor und nach der Vorführung Fragebogen ausfüllten, sind 87 % bei ihrer Meinung geblieben in Richtung auf die nationalsozialistische Ideologie sind Veränderungen bei 3, 4 % und in einer der Nazi-Ideologie widersprechenden Richtung bei 2, 9 % festgestellt Von denjenigen, die vor dem Film im Sinne nationalsozialistischer Ideologie geantwortet haben, wurden 29, 4 °/o durch den Film umgestimmt; von den Widersprechenden sind 3, 9 °/o zu einer der Ideologie des Nationalsozialismus analogen Einstellung gekommen Der Schluß, durch den Film würde kaum jemandes Einstellung verändert und wenn, dann wesentlich massiver gegen als für den Nationalsozialismus, hat dazu beigetragen, daß der Film wieder öffentlich anlief.

Aber diese Untersuchung kann nicht befriedigen. Schließlich haben diese Zuschauer nur die optisch kommentierte Fassung gesehen, was allerdings der Situation entspricht, in der auch sonst erläuterte, ergänzte, kommentierte Filme und Filmbearbeitungen im Unterricht gezeigt werden. Es wäre nützlich, auch die Auswirkungen der ideologietragenden filmischen Ausdrucksmittel zu untersuchen. Denn dabei sind in stärkerem Maße auch Analogie-schlüsse zu anderen Filmen möglich. Wenn die Sprache nur aus Prophezeiungen, Beschwörungen, Beten und Befehlen besteht und die Beschädigung der Form des Gesprächs nirgends deutlich wird, wenn Menschenmassen karreeförmig angeordnet und die Führer — in Unterperspektive — überlebensgroß auftreten, hat das sicher ebenso Auswirkungen wie die hergestellten Parallelen zu historischen Ereignissen. Gerade die Auseinandersetzung mit solchen Gestaltungsmitteln und mit solchen Effekten wäre eine Aufgabe für den Unterricht, auch wenn diese Diskussion nicht die Suggestivkraft des Films haben kann.

VI. Der nationalsozialistische Film als Beitrag zum Unterricht

Der nationalsozialistische Film spiegelt den deutschen Faschismus, konstituiert ihn aber nicht. Als Selbstdarstellung, als eine Erscheinung des Nationalsozialismus, hinter der sein Wesen erkannt werden muß, können nationalsozialistische Filme jedoch in den Unterricht eingeführt werden. Urkunden und Bücher mag man — ihrer möglichen künstlerischen Gestaltung entkleidet — reproduzieren und als Quellen verwenden, aber schon das ist in vielen Fällen problematisch. So werden nationalsozialistische Geschichtsbücher heute nicht als ernsthaftes Unterrichtsmaterial im historisch-politischen Unterricht verwandt werden können. Ihr Einsatz, wie der von Filmen, wäre zunächst nur sinnvoll, wenn der jeweilige Unterricht das Thema, den Inhalt der dargestellten Geschichte als Transportmittel für die Kritik des Mediums nehmen würde.

Nicht die Politik Friedrichs II. könnte dann Unterrichtsgegenstand sein, sondern die Darstellung der Politik Friedrichs II. im nationalsozialistischen Film (oder im NS-Lesebuch, im NS-Geschichtsbuch oder im NS-Schulunterricht). Das setzt die Kenntnis der Politik Friedrichs II. voraus. In diesem Sinne genügen die nationalsozialistischen Filme einem schlichten Verständnis von „historischer Quelle" sicher nicht. Und das gilt auch für jene Filme, die zeitgeschichtliche Stoffe handelnder Nationalsozialisten imaginieren, einschließlich der Dokumentar-und Wochenschaufilme.

Aber weil die Filme aus der Periode des Dritten Reiches diese Epoche schildern und ihr verhaftet sind, vor allem aber, weil sie mit den spezifischen Möglichkeiten des Mediums Film die Atmosphäre der nationalsozialistischen Bewegung zeigen, eben auch die „Glaubensinhalte" eines Reichsparteitages oder des Kriegseinsatzes in bewegten Bildern vorführen, sind sie wichtige Quellen: Weniger um zu belegen, warum etwas geschehen ist, sonder um zu erläutern, wie in nationalsozialistischer Betrachtung der Ablauf von Fakten dargestellt wird.

Spielfilme, auch solche mit Tatsachenhintergrund, stellen die allgemeine Stimmung — allerdings im Film subtil gestaltet — dar, nicht aber die ihnen zugrunde liegenden Fakten. So können die Filme der „Kampfzeit" in den Figuren des Hans Westmar, des SA-Mannes Brandt und des Hitlerjungen Quex und noch mehr in deren Lebensmilieu die politischen und tätlichen Auseinandersetzungen zu Ende der Weimarer Republik aus der Sicht handelnder Nazis wieder auferstehen lassen, so daß sie mehr als nur kognitiv auch sinnlich erfahren werden können. Sie sind aber nicht exakte Dokumente dieser Zeiten und dieser Vorfälle.

Eine Saalschlacht aus dem Spielfilm „Hans Westmar" (1933) als dokumentarische Sequenz im Dokumentarfilm „Gestern und heute" (1938) wird zu Recht als unzulässige Manipulation angesehen. Würde der ganze Film mit dem Eindruck: „Ja, so war es” behandelt, wäre das gleiche Urteil gerechtfertigt. Der Unterhaltungsfilm „Wunschkonzert" (1940) bebildert zwar die vom Großdeutschen Rundfunk übermittelten Größe vom Frontsoldaten an seine tapfere Soldatenfrau und die von der einsam weinenden Mutter am Fenster an den lieben Sohn. Aber selbstverständlich illustriert er nicht das Verhältnis von kämpfender Truppe zur Heimat.

Aus der Darstellung, welche Themen und Figuren aus der Geschichte mit Vorliebe verfilmt wurden, welche Handlungs-und Verhaltensmuster mit ihnen verbunden wurden und wie diese mit Elementen nationalsozialistischer Politik oder Absichten verknüpft worden sind, kann deutlich werden, welche Aspekte dieser Filme für den Unterricht nutzbar gemacht werden können: das Verhältnis des Nationalsozialismus zu einigen Helden und Epochen der Vergangenheit, die eschatologische Erfüllung aller bisherigen deutschen Geschichte im dann immerwährenden tausendjährigen Reich und die Vollstreckung ungelöster Probleme der Vergangenheit durch die Nazis.

Bei der Analyse von Filmen dürfen nicht nur die Handlungsinhalte, sondern müssen auch die filmspezifischen Gestaltungsmittel beachtet werden, die eigentlich erst bewirken, daß die Inhalte sinnlich erfahren und daß sie verstanden werden. Dazu können auch schulfächerübergreifende Analysen beitragen: — für den Musikunterricht die Hintergrundfilmmusiken mit ihrer auffallenden Dramatik und Schicksalsergebenheit oder das handlungstragende Singen marschierender HJ-Kolonnen: „Uns’re Fahne flattert uns voran .. — Für den Deutschunterricht die Sprache des Anherrschens in Dialogen oder das Vokabular und die Dramaturgie der Kriegsberichterstattung. — Für den Unterricht von Kunst und Ästhetik die monumentale rechtwinklige Architektur oder die optische Versammlung von ebenfalls monumental rechtwinklig angeordneten Menschenmassen oder die stereotype Wiederkehr von Hakenkreuzen auf Fahnen, Flaggen, Standarten, Armbinden, Stempeln, Behörden-häusern usw.

Sie alle zusammengenommen können einen lebendigen Bilderbogen zu historischen Verhältnissen spannen und eine Epoche in ihren vielfältigen Ausdrücken erkennen lassen. Allerdings muß der in den jeweiligen Unterricht eingeführte Film seinen spezifischen Beitrag zu den Lernzielen der Unterrichtseinheit erbringen, sowohl im Hinblick auf seine emotionalen Stimuli wie auf seine Inhalte und Themen. Schließlich sollen die Filme in diesem Zusammenhang ihren Beitrag zum Unterricht leisten, nicht aber der Unterricht den Zielen der Filme dienstbar gemacht werden.

Teile der Vorstellungen, die in den dreißiger und vierziger Jahren die Aufnahmebereitschaft der nationalsozialistischen Filme verstärkten, sind sicher überdeckt, andere verschwunden. Aber identifikationsstiftende oder -verhindernde Wirkungen müssen beachtet werden, um sie bei der Vorbereitung und mehr noch bei der Diskussion der Filme berücksichtigen zu können. Die für jeden einzelnen Film bedeutsamen Aspekte seiner Darstellung von „Zeitgeist", der Bedingungen seiner Produktion, der offenen und unterschwelligen propagandistischen Absichten, der Zuordnung zu anderen Filmen, zu literarischen Vorlagen, zur aktuellen politischen (oder Kriegs-) Lage müssen gleichfalls berücksichtigt werden.

Filme des Dritten Reiches können als hervorragendes Anschauungsmaterial über den Nationalsozialismus verwandt werden, weil sie nicht bloß über den deutschen Faschismus berichten, sondern ihn verkünden. Der Film hilft bei der Behandlung NS-spezifischer Typisierungen von Geschichtsauffassung, „Zeitgeist", Lebensauffassung, Bildern und Sprache, aber auch von propagandistischen Absichten, ihrer Verwirklichung und ihrer Wirkungen. Seine Verwendung setzt vielfältige Kenntnisse über Geschichte, Propaganda, Ästhetik, Film und Filmwirkung voraus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Alfred Bauer, Deutscher Spielfilm-Almanach 1929- 1950, Berlin 1950.

  2. Gert Berghoff, Die Spielfilmproduktion 1933 bis 1945, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, Protokoll des 1. Arbeitsseminars der Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen. Zusammengestellt und bearbeitet von Manfred Dammeyer (Oberhausen 1965).

  3. David Stewart Hull, Film in the Third Reich, New York 1973, S. 8.

  4. Vgl. Diskussionsbeitrag von Gert Berghoff, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 61 ff., bes. S. 64.

  5. Vgl. Siegfried Kracauer, From Caligari to Hitler, Princeton 1947; gekürzte deutsche Ausgabe Reinbek 1958. Die umfassendsten Darstellungen der Inhalte und Tendenzen finden sich in ausländischen Werken: Courtade/Cadars, Geschichte des Films im Dritten Reich, München und Wien 1975; D. S. Hull, Film in the Third Reich, New York 1973, und Isaksson/Fuhrhammar, Politik und Film, Ravensburg 1974.

  6. Unter dem Titel „ 30. Januar 1945. Uraufführung in La Rochelle und Berlin: Kolberg". Der Film war zum Jahrestag der Machtergreifung in der von den Alliierten bereits eingeschlossenen Atlantikfestung La Rochelle abgeworfen worden und dort (in echtem Kolberg-Klima) und simultan in dem einzigen an diesem Tage geöffneten Kino in Berlin uraufgeführt worden.

  7. Daß Atlas seine NS-Filme nicht als „Staffel“ startete, dürfte nicht nur daran liegen, daß der Verleih inzwischen nur noch als Schmalfilmverleih ambitioniert weitergeführt wird, sondern auch an den geringen Marktchancen, die man sich ausrechnete.

  8. So schloß das zweite Arbeitsseminar der Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen über den Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich 1968 mit der Aufforderung an alle verantwortlichen Stellen, die nationalsozialistischen Filme für die politische Bildungsarbeit zur Verfügung zu stellen und vor allem Dozenten für die Arbeit mit diesen Filmen zu qualifizieren. Vgl. dazu auch Hilmar Hoffmanns Plädoyer gegen die Aufführung von Unterhaltungsfilmen des Dritten Reiches im Fernsehen, weil dort Diskussionen nicht möglich sind, in: Vorwärts vom 10. 2. 1977.

  9. Vgl. Joseph Wulf, Theater und Film im Dritten Reich, Gütersloh 1964; Erwin Leiser, Deutschland erwache! Reinbek 1968; Gerd Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik, Stuttgart 1968.

  10. S. Anm. 5.

  11. Joachim H. Knoll, Georg Wodraschke, Jürgen Huther, Jugend und Kulturpolitik, Neuwied und Berlin 1970, S. 196.

  12. Bernhard Claußen, Spielfilm in der politischen Bildung, in: LA 6/76, S. 30 ff., S. 31.

  13. Harald Witthöft, Zeitgeschichtliche Filmdokumente im Geschichtsunterricht, in: Moltmann/Reimers (Hrsg.), Zeitgeschichte im Film-und Tondokument, Göttingen 1970, S. 217.

  14. Landesbildstelle Berlin (Hrsg.), Zeitgeschichte im Film, Berlin 1973, S. 10.

  15. Harald Witthöft, Der Film in der politischen Bildung, a. a. O., S. 15.

  16. Kurt Koszyk u. a., Fernsehen und Sozialkundeunterricht, Bochum 1975.

  17. Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Richtlinien für den Politikunterricht, Düsseldorf 1973, S. 7: „Emanzipation als Ziel von politischem Lernen heißt, die Schüler in die Lage zu versetzen, die vorgegebenen gesellschaftlichen Normen entweder frei und selbstverantwortlich anzuerkennen oder abzulehnen und sich gegebenenfalls für andere zu entscheiden. Das setzt die Fähigkeit voraus, sich von überkommenen und gegenwärtig wirksamen Prägungen mit dem Ziel weitgehender Selbstbestimmung distanzieren zu können.“

  18. Kurt Koszyk u. a., Fernsehen und Sozialkundeunterricht, a. a. O., S. 242 ff.

  19. Hermann Giesecke, Methodik des politischen Unterrichts, München 1974, S. 159 f.

  20. Ebenda, S. 161.

  21. Ebenda.

  22. Landesbildstelle Berlin (Hrsg.), Zeitgeschichte im Film, Berlin 1973, S. 10.

  23. Gerhard Jagschitz, Filmpropaganda im Dritten Reich, in: Konlechner/Kubelka (Hrsg.), Propaganda und Gegenpropaganda im Film 1933— 1945, Wien 1972, S. 19 ff., S. 29. Vgl. Hans Greetfeld, in: Moltmann/Reimers,

  24. a. a. O„ S. 233.

  25. Witthöft (in: Moltmann/Reimers, a. a. O., S. 218) hält das für einen entscheidenden Faktor dafür, daß entsprechende Filme noch kaum zur Verfügung stehen, selbst nicht in den vom Institut für den wissenschaftlichen Film, Göttingen, bearbeiteten Fassungen.

  26. Gerhard Jagschitz, Filmpropaganda im Dritten Reich, in: Konlechner/Kubelka (Hrsg.), Propaganda und Gegenpropaganda im Film 1933— 1945, Wien 1972, S. 19 ff., S. 29.

  27. Vgl. zum „Dokument" -Charakter von Filmen Witthöft, in: Moltmann/Reimers, a. a. O., S. 219.

  28. Vgl. auch Witthöft, Der Film in der politischen Bildung, a. a. O., S. 20: „Die Medien und nicht zuletzt der Film sind zu einem Element, zu einem Fundament der Macht geworden, sie sind eminent politisch."

  29. Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1939, S. 197.

  30. Zitiert nach Gerd Albrecht, Filmpolitik im Dritten Reich, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 38 ff., S. 39.

  31. Ebenda, S. 40 f., so auch in der Rede bei der 1. Jahrestagung der Reichsfilmkammer am 5. 3. 1937 in der Krolloper, Berlin: „Ich wünsche nicht etwa eine Kunst, die ihren nationalsozialistischen Charakter lediglich durch Zurschaustellung nationalsozialistischer Embleme und Symbole beweist, sondern eine Kunst, die ihre Haltung durch nationalsozialistischen Charakter und durch Aufraffen nationalsozialistischer Probleme zum Ausdruck bringt. Diese Probleme werden das Gefühlsleben der Deutschen und anderer Völker um so wirksamer durchdringen, je unauffälliger sie behandelt werden. Es ist im allgemeinen ein wesentliches Charakteristikum der Wirksamkeit, daß sie niemals als gewollt in Erscheinung tritt. In dem Augenblick, da eine Propaganda bewußt wird, ist sie unwirksam. Mit dem Augenblick aber, in dem sie als Propaganda, als Tendenz, als Charakter, als Haltung im Hintergrund bleibt, und nur durch Handlung, durch Ablauf, durch Vorgänge, durch Kontrastierung von Menschen in Erscheinung tritt, wird sie in jeder Hinsicht wirksam." Zitiert bei Gerd Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik, Stuttgart 1969, S. 456.

  32. Wolfgang Becker, Film und Herrschaft, Berlin 1973, S. 48.

  33. über die „Zusammenarbeit und Auseinandersetzung der NSDAP mit dem etablierten Film-system" vgl. Wolfgang Becker, Film und Herrschaft, Berlin 1973, S. 20 ff. Dort auch der Hinweis, daß nach Mitteilung des Gaupropagandaleiters von Berlin, der die „Reichsfilmstelle" der NSDAP aufbaute, 1931 verschiedene Filmfirmen der Reichsfilmstelle Angebote machten, „nationalsozialistische, getarnte Spielfilme für den regulären Theaterverleih herzustellen" (S. 24 f.). Als solche „Tarnfilme" wurden „Horst Westmar, einer von vielen", „SA-Mann Brandt", „Hitlerjunge Quex", aber auch die dokumentarischen Großfilme „Deutschland erwacht", „Hitlerjugend in den Bergen", „Hitlers Flug über Deutschland", „Terror oder Aufbau?", „Blut und Boden", „Sieg des Glaubens" von der Privatindustrie produziert, ohne dafür finanzielle Unterstützung zu fordern. Die Manuskripte wurden mit der Reichsfilmstelle abgesprochen und die Filme in der nationalsozialistischen Presse propagandistisch unterstützt.

  34. Vgl. dazu Will Wehling (Herausgeber im Auftrage der Stadt Oberhausen), Der Weg ins Dritte Reich. Deutscher Film und Weimars Ende, Dokumentation zur Retrospektive der 20. Westdeutschen Kurzfilmtage, Oberhausen 1974. So auch Lotte H. Eisper in ihrer Arbeit über den expressionistischen Film: „Heute ist man sich nur selten darüber klar, daß die deutschen Filme, die wir jetzt als klassisch bezeichnen, zur Zeit ihrer Entstehung Ausnahmen waren, daß sie damals bereits von der Flut der publikumswirksamen Filme, den Kassenfilmen vom Rhein, der schönen blauen Donau, vom Herz, das man in Heidelberg verlor, den hurra-patriotischen Filmen über Friedrich den Großen, die elf Schillsehen Offiziere, des Königs Grenadiere und den Ersten Weltkrieg überschwemmt worden sind. Zu diesen Kassenrekordfilmen kamen natürlich noch allerhand recht ordinäre Kasernenfilme..." Lotte H. Eisner, Die dämonische Leinwand, Frankfurt (Kommunales Kino) 1975, S. 323 f.

  35. Z. B. Gustav Ucicky, Karl Ritter, Luis Trenker, Herbert Selpin.

  36. Die filmkritische und politische Auseinandersetzung mit diesen Filmen ist sorgfältig dokumentiert in: Film und revolutionäre Arbeiterbewegung in Deutschland 1918—-1932, Berlin 1975.

  37. Vgl. dazu auch Siegfried Kracauer, Theorie des Films, a. a. O., S. 219.

  38. Heinrich Roellenbleg, Von der Arbeit an der Deutschen Wochenschau, in: Der deutsche Film, Berlin 1941, wiederabgedruckt in den Materialien zu: Der Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  39. § 2 des Lichtspielgesetzes vom 16. 2. 1934.

  40. Becker, a. a. O., S. 205 f„ 211.

  41. Die Kunstbetrachtung „soll alles enthalten, was zu sagen ist. Aber sie soll nicht richten. Für die Beurteilung eines Kunstwerks kann im nationalsozialistischen Staat nur die nationalsozialistische Kulturauffassung maßgebend sein. Nur Partei und Staat sind in der Lage, aus dieser nationalsozialistischen Kulturbetrachtung heraus Werte zu bestimmen. Der Kritiker ist heute kein Privatmann mehr, der seine Beziehungen zur Kunst nach irgendwelchen persönlichen und sonstigen Gesichtspunkten eigenmächtig regelt. Der Kritiker ist heute Träger einer öffentlichen Aufgabe, die ihm der nationalsozialistische Staat und die nationalsozialistische Weltanschauung stellen." Zitiert bei Gerd Albrecht, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 45.

  42. Geheimes Presserundschreiben Nr. 11/279/40 des Reichspropagandaamtes Berlin vom 27. April 1940: „(Nur zur Information, nicht jedoch zum Abdruck bestimmt) Sollten in nächster Zeit einige Filme über Juden herauskommen, z. B. ein Film , Jud Süß', so sollen sie nicht als antisemitische Filme bezeichnet oder besprochen werden. Eine derartige Charakterisierung dieser Filme ist deshalb nicht richtig, weil sie durch ihre Wirkung auf das Publikum ihren Zweck von selbst erfüllen werden.“ Zitiert bei Joseph Wulf, Theater und Film im Dritten Reich, Gütersloh 1964, S. 400.

  43. Vgl. dazu besonders Joseph Wulf, a. a. O. — auch im Vergleich zu seiner Untersuchung der bildenden Künste im Dritten Reich —, und Erwin Leiser, a. a. O.

  44. Hans Traub, Der Film als politisches Machtmittel, 1933, in: Wilfried von Bredow/Rolf Zurek (Hrsg.), Film und Gesellschaft in Deutschland, Hamburg 1975, S. 171.

  45. Untertitel: „Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend". — „Als bei der Uraufführung des Films das letzte Bild versunken war, standen auf der großen Bühne der Hitler-Junge und das Hitler-Mädchen wie zwei kleine Wanderer in einer großen Welt und grüßten mit erhobenem Arm hinauf zum Führer. Er aber trat vor und grüßte ebenso und blickte mit einem gütigen Lächeln auf die beiden unbekannten Spieler und Sprecher der großen deutschen Hitler-Jugend hinab, die das Walten des Zufalls dazu ausersehen hatte, für Hunderttausende Zeugnis abzulegen von einer Gesinnung, die würdig neben den großen Taten der Bahnbrecher der Bewegung stehen können. Der Gruß des Führers galt der Unverbrüchlichkeit eines Geistes, der auf Gedeih und Verderb zum Vaterland steht und der immer wieder unaufdringlich aus den Tiefen des Films emporsteigt. Am Anfang und am Ende des Films steht das Lied der Hitler-Jugend, das Baldur von Schiradi gedichtet hat... Es war ein Festprogramm . . . von einer hinreißend schönen Ansprache des Reichsjugendführers, der an das Vorbild des Films, den in Berlin ermordeten Herbert Norkus, erinnerte." Reichsfilmblatt vom 16. 9. 1933, zitiert in: Joseph Wulf, Theater und Film . .., a. a. O., S. 359 f. „Der Roman von K. A. Schenzinger (Anilin, Metall) ist schon vor 1933 geschrieben und veröffentlicht worden. Der Film ist ein Beispiel dafür, daß die Filmindustrie es gut verstanden hat, sich auf die veränderten politischen Machtverhältnisse einzustellen. Diese schnelle Anpassung erklärt vielleicht auch, daß die linksintellektuellen Künstler'wie etwa George in diesem Film relativ glaubwürdig sind, wenn sie sozusagen ihre eigene Vergangenheit spielen. Es folgt daraus, daß die Kehrseite dieser raschen Anpassung ist, daß der Film schon ein Jahr später nicht mehr gestimmt hat." Walter Schmieding in der Diskussion in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 59.

  46. „Hans Westmar" behandelt die Geschichte von Horst Wessel und ist auch unter diesem Titel uraufgeführt worden. Er wurde dann aber für einige Zeit zurückgezogen, weil hier das Corpsstudententum zu sehr betont worden war.

  47. Gert Berghoff, a. a. O., S. 34.

  48. „ ... Im Dorf kämpft der Major mit seinen paar Feldgrauen tapfer und hoffnungslos. Der Generalstäbler hat wie jeder Musketier die Knarre in der Hand und schmeißt seine Handgranaten. Es werden immer weniger. Da setzt das Vernichtungsfeuer ein. Grimmig lacht der Major." „So ist's richtig! Jetzt können sie stürmen!" Das ist seine letzte Überlegung als Generalstäbler. Dann ist er nur noch Soldat und Kämpfer. Alles ist auf einmal so herrlich unkompliziert. Da, ein Tommy! Handgranaten geschmissen! Da, ein Tank. Rasch eine geballte Ladung dem Ungetüm in die Luke. So kämpft und stirbt der la des Generalkommandos 69 wie Tausende seiner Kameraden und die anderen stürmen vorbei an dem rauchenden Trümmerhaufen, der einst Beaurevoir war, Marschrichtung: Labyrinth. Ein Opfer wurde gebracht, gern und freudig, aber es war nötig so, für das Ganze, für . Michael', für die Heimat." Illustriertes Filmprogramm, 1937, zitiert in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 161.

  49. Filme dieses Themenbereiches sind „Flüchtlinge" (1933, Regie: Gustav Ucicky), „Menschen ohne Vaterland", „Der Kaiser von Kalifornien" (1936, Regie: Luis Trenker), „Die Reiter von Deutsch-Ostafrika" (1934, Regie: Herbert Selpin), „Ein Mann will in die Heimat", und vor allem „Heimkehr" (1941, Regie: Gustav Ucicky).

  50. Illustriertes Filmprogramm, 1941: in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 169.

  51. Der Film wurde im Frühjahr 1939 gedreht, aber durch den Molotow-Ribbentrop-Pakt war die antirussische Position überholt. Deshalb wurde er erst im November 1941 nach dem „Unternehmen Barbarossa", dem Überfall auf die UdSSR, öffentlich aufgeführt.

  52. Im Vorspann werden als Darsteller die Napola-Zöglinge benannt: „Als Kadetten — deutsche Jungen von heute aus dem gleichen Fleisch und Blut wie damals."

  53. Der heute als Pensionär lebende Fritz Hippler, Jahrgang 1909, war als Leiter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes NSDStB von Berlin der Organisator der Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933. Er promovierte 1934 bei Arnold Bergsträsser in Heidelberg mit einer Arbeit über „Staat und Gesellschaft bei Mill, Marx, Lagarde", wurde Oberbannführer im Stabe des Reichsjugendführers, trat dann in das Propagandaministerium ein und war 1939 bis 1943 Leiter der Filmabteilung und Reichsfilmintendant. Die Zusammenfassung des Polenfeldzuges hat er als Regisseur gestaltet, auf die entsprechende des Westfeldzuges hat er maßgeblich Einfluß genommen. Vgl. auch Michael Siegert, Fritz Hippler — Goebbels'Reichsfilmintendant, in: Konlechner/Kubelka (Hrsg.), Propaganda und Gegenpropaganda im Film 1933— 1945, Wien 1973, S. 51 ff.

  54. Ein Teil der Szenen stammt aus Spielfilmen „Der Jiddel mit der Fidel" und „Der Purimspieler"; einzelne Szenen wurden zusätzlich eingespielt. Juden des Warschauer Ghettos wurden zu „dokumentarischen" Aufnahmen abkommandiert. Hippler selbst berichtete: „ ... haben wir uns besonders markante Typen von Ghetto-Juden herausgesucht und sie filmisch so porträtiert, wie sie im Ghetto herumzulaufen pflegen: mit Pajes und Vollbart, Kappe und Kaftan; dann haben wir sie geschoren und rasiert, sie in europäische Anzüge gesteckt und dann wieder in derselben Art aufgenommen — dergestalt, daß dieses Bild aus dem ersten herausblendet ... und siehe da, der Ghetto-Jude war nicht wiederzuerkennen." In: Die Judenfrage, Berlin, 28. 11. 1940 (Sondernummer), zitiert bei Michael Siegert, „Der ewige Jude", in: Konlechner/Kubelka (Hrsg.), Propaganda und Gegenpropaganda im Film 1933— 1945, Wien 1973, S. 63 ff., S. 68 f. Auf diese Weise wird im Film „nachgewiesen", daß und auf welche Art verschiedene Juden in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen doch die gleichen blieben.

  55. Vgl. Anmerkung 54. Mit solchen Überblendungen wurde das gemeinsame Wesen verschiedener Erscheinungen (Juden an einer Mauer — Ratten an einer Mauer; Synagoge — Parlament) imaginiert.

  56. Hippler nannte den Film selbst eine Symphonie des Grauens.

  57. Vgl. Anmerkung 42.

  58. Illustriertes Filmprogramm, 1940, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 179.

  59. Helmut Regel, Historische Stoffe als Propagandaträger, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 117 ff.

  60. Vgl. Anmerkung 42.

  61. Anweisung des Propagandaministeriums an die Presse: „Der künstlerisch und volkserzieherisch hervorragende Film „Der große König" verdient besondere Beachtung der Blätter. In der Besprechung sind jedoch alle Vergleiche Friedrichs mit dem Führer unter allen Umständen zu vermeiden, ebenso alle Analogien mit der heutigen Zeit..." Zitiert bei Gerd Albrecht, Filmpolitik im Dritten Reich, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 38 ff., S. 46.

  62. Helmut Regel, a. a. O., S. 119.

  63. Ebenda, S, 120 ff.

  64. Ebenda, S. 125.

  65. über die politischen Auszeinandersetzungen zu diesen Filmen und die Aktionen von Arbeitern gegen ihre Aufführungen („Das Flötenkonzert der Kriegshetzer", „Weg mit dem Fridericus-Dreck") vgl. Film und revolutionäre Arbeiterbewegung in Deutschland 1918— 1932, a. a. O., Band 1, S. 259 ff.

  66. Vgl. Anmerkung 61.

  67. Helmut Regel, a. a, O., S. 126.

  68. Ebenda, S. 127.

  69. Von diesem Ausdruck konnte sich die Filmindustrie nur schwer lösen. So werden z. T. noch heute die im Kinoprogramm vorgeführten kurzen Filme als Kulturfilme bezeichnet.

  70. Hans Spielhofer, Köpfe des deutschen Kultur-films, in: Der deutsche Film, Zeitschrift für Film-kunst und Filmwirtschaft, Berlin 1941. Zitiert in den Materialien: Der Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  71. „Wir fliegen gleichsam mit, sehen die Bomben zur Erde taumeln, sehen aus nächster Nähe, hoch in der Luft, wie der Fallschirmjäger aus seinem Flugzeug sich in die Tiefe stürzt. Wir begreifen den Schrecken, den unsere Stukas erregen, wenn wir gewissermaßen selbst mit der Kamera auf das Ziel herunterstürzen . .. Wer kann jemals die Szene vergessen, als der Führer auf den historischen Wagen in Compiegne zuschritt, wie dann die französische Delegation das Waffenstillstandsabkommen unterschrieb. Das war erregendstes Zeitgeschehen — wahrhaft Weltgeschichte —, und dieses Beispiel beweist schon die Bedeutung dieser modernsten Geschichtsschreibung . .." Heinrich Roellenbleg, Von der Arbeit an der deutschen Wochenschau, in: Der Deutsche Film, Berlin 1941, zitiert in: Der Dokumentar-und Kulturfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  72. Leni Riefenstahl, über Wesen und Gestaltung des dokumentarischen Films, in: Der deutsche Film, Berlin 1941, Zitiert in: Der Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  73. Vgl. dazu Siegfried Kracauer, Theorie des Films, a. a. O., S. 219 f.: „Die Nazi-Filmregisseure ... wandten sich an die Instinkte der Zuschauer, und sie waren Meister in der Kunst, die Zwielicht-Regionen der Seele aufzurühren ... Dokumentarfilme sollen der Wahrheit entsprechen; und ist nicht Wahrheit die beste Propagandawaffe? Wann immer ein Dokumentarfilm imstande ist, die Gemüter zu beeinflussen, ist sein Erfolg teilweise der Über-zeugung des Zuschauers zuzuschreiben, er werde mit unwiderleglichem Beweismaterial konfrontiert. Jedermann ist geneigt zu glauben, daß an Ort und Stelle aufgenommene Bilder nicht lügen können. Natürlich können sie lügen ... Die gezeigten Aufnahmen müssen eine Auswahl möglicher Aufnahmen sein."

  74. Regie Hans Weidemann; im Vorspann des Films wird Hans Steinhoff genannt, der aber an der Arbeit nicht beteiligt war und nur seinen Namen her-gab.

  75. Z. B.: vor 1933: Verelendung der Landwirtschaft, Versteigerung, Pfändung des Korns am Halm — nach 1933: Hitler spricht beim Erntedankfest 1933 auf dem Bückeberg; vor 1933: Elendswohnungen, Jugend in Not — nach 1933: Hitlerjugend, Hitler auf dem Parteitag in Nürnberg vor der HJ, Reichs-arbeitsdienst im Einsatz; vor 1933: Wahlkundgebungen der SPD und KPD, Wahlredner, Aufmärsche im Berliner Lustgarten (aus Filmen der SPD und KPD) — nach 1933: Hitler spricht anläßlich der Eröffnung des Winterhilfswerks, WHW-Sammlung auf der Straße, gemeinsames Eintopfessen; vor 1933: Unruhen am 1. Mai 1929 auf dem Bülowplatz in Berlin, Polizei geht gegen flüchtende Demonstranten vor, Saalschlacht (eine Szene aus dem Spielfilm „Hans Westmar") — nach 1933: Feier zum 1. Mai im Berliner Lustgarten mit Hitler und Goebbels.

  76. Ein Film im Auftrag der NS-Kulturgemeinde: „Das Leben des deutschen Volkes ist verbunden mit dem Walde von Anbeginn an. Sein Leben, seine Weltanschauung, seine Kunst, seine Volkwerdung, seine Kraft in den Zeiten tiefster Erniedrigung, seine Fähigkeit zum überwinden aller Hemmnisse und Schwierigkeiten, sein triumphaler Aufstieg — all dies saugte das deutsche Volk aus dem Walde. Der Film zeigt nach einer Einleitung, die uns den Wald als Ganzes photographisch schildert und den ewigen Wechsel der Jahreszeiten mit Chören untermalt, die Entstehung der Welt, das Werden des Menschengeschlechtes, die Bronzezeit. Dann kommt der Sprung in die Historie. Der Wald wird der Verbündete der deutschen Stämme in der Teutoburger Schlacht, in der sie sich des römischen Jodis entledigen. Weiter läuft das Rad der Zeit. Wikinger durchschiffen die Meere. Das Christentum nimmt seinen Einzug. Dome erwachsen, den ewigen Streben und Bögen des Waldes nachgebildet. Die Deutschritter errichten im Osten die Mark-steine deutscher Kultur. Baumstämme, von mutigen Flößern zu Tale gebracht, verwandeln sich in die herrlichen Werke mittelalterlicher Holzschnitzerei. Kaltes Feudalrecht macht sich breit: hart leidet der Bauer unter der Fron der Adeligen und der Klöster. Der Bauernaufruhr durchtobt das Land und stürzt doch den Bauern in noch tiefere Not. Der Wald ist geplündert und zerstört. Aufs neue forsten die Bauern auf. In der friderizianischen Zeit wird aus dem wilden Durcheinander System; die Anfänge der Forstwirtschaft tun sich kund, und andererseits durchschwärmen Dichter und Verliebte die grünen Gründe und suchen nach der blauen Blume der Romantik. Sie weicht zurück vor der entstehenden Industrie. Der Wald um die Großstädte herum ist in der Vorkriegszeit erfüllt von dem Gelächter vergnügter Spießer. - Ein anderer Wald wächst auf: die Granaten-Fontänen des Weltkriegs. Er endet mit deutscher Schmach. Unter der Bewachung triumphierender Neger holzen deutsche Männer den Reparationswald ab und dienen einer sinnlosen Vernichtung. - Das Volk findet sich. Ein neuer Wald entsteht: der Fahnenwald der Hakenkreuzbanner reckt sich auf. Aus seiner Heimat, aus dem deutschen Wald hat das deutsche Volk aufs neue die Kraft gesogen, den Sturmlauf zur Sonne zu wagen." „Licht-Bild-Bühne" vom 17. 6. 1936, zitiert in: Der Dokumentar-und Kulturfilm im Dritten Reich a. a. O.

  77. Vgl. auch oben, S. 10.

  78. Als Vorspann zeigt der Film den Text: „Die zivilisierten Juden, welche wir in Deutschland kennen, geben uns nur ein unvollkommenes Bild ihrer rassischen Eigenart. Dieser Film zeigt Originalaufnahmen aus den polnischen Ghettos, er zeigt uns die Juden, wie sie in Wirklichkeit aussehen, bevor sie sich hinter der Maske des zivilisierten Europäers verstecken." In den Sprechtexten heißt es weiter: „... Man merkt es ihnen an, daß sie die Arbeit nicht gewöhnt sind Und auch nicht lieben. Aber das ist nicht Hilflosigkeit, die zu bedauern wäre, das ist etwas ganz anderes. Diese Juden wollen nicht arbeiten, sondern schachern, hier sind sie in ihrem Element. Es ist nicht so, wie Uneingeweihte entschuldigend annehmen, daß die Juden zum Handeln gezwungen sind, weil man ihnen andere Tätigkeiten und Berufe versperrte. Das Gegenteil ist wahr. Sie drängen sich zum Handel, weil er ihrem Charakter und ihrer natürlichen Veranlagung entspricht. Der uneingeweihte Betrachter wird diese handelnden Kinder zunächst als Zeichen einer großen Armut betrachten wollen, aber wer ihnen länger zusieht, stellt fest, daß sie stolz darauf sind, es wie die Großen tun zu können, über dieser Jugend steht kein Idealismus wie bei der unseren. Der Egoismus des einzelnen wird bei ihnen nicht in den Dienst höherer Gemeinschaftsziele gestellt. ... So ist es in Polen, so war es in Deutschland, so haben es die Juden in ihrer ganzen Geschichte gemacht. Sie tragen die jahrtausende-alten Züge des ewigen Schmarotzertums im Gesicht, die Züge des Ewigen Juden, der sich durch den Lauf der Zeiten und weltweite Wanderungen stets der Gleiche geblieben ist. Es gibt keinen Unterschied zwischen diesen Juden in Polen und diesen in Palästina, obwohl Erdteile sie trennen ... Eine verblüffende Parallele zu dieser jüdischen Wanderung durch die ganze Welt bieten uns die Massenwanderungen eines ebenso ruhelosen Tieres — der Ratten. Die Ratten begleiten als Schmarotzer den Menschen von den Anfängen an. Ihre Heimat ist Asien. Von dort aus wandern sie in riesigen Scharen über Rußland und die Balkanländer nach Europa. ... Wo Ratten auch auftauchen, tragen sie Vernichtung ins Land, zerstören sie menschliche Güter und Nahrung. Auf diese Weise verbreiten sie Krankheiten, Pest, Lepra, Typhus, Cholera usw. usw. Sie sind hinterlistig, feige und grausam und treten meist in großen Scharen auf. Sie stellen von den Tieren das Element der heimtückischen und unterirdischen Zerstörung dar — nicht anders, als die Juden unter den Menschen. Das Parasitenvolk der Juden stellt einen großen Teil des internationalen Verbrechertums ..." In: Der Dokumentar-und Kulturfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  79. „Sonne liegt über dem Land der Deutschen. Wolken ballen sich, türmen sich zu gigantischen Gebirgen, von silbernen und goldenen Lichtern umkränzt, senken sich, fließen, zerflattern . .. Einem phantastischen Aar gleich, durchrast ein Flugzeug die Luft. Weit seine Flügel spannend, stürzt es vorwärts, seine Propeller mahlen sich heulend in den Wind. Es ist das Flugzeug, das den Führer jener Stadt entgegenträat, in der sich das große, stolze, herzenerhebende Schauspiel eines neuen Deutschland vollziehen wird. Vorwärts rast die mächtige Maschine. Der dröhnende Rhythmus der Motoren ruft in die Winde: „Nürnberg ..., Nürnberg .. ., Nürnberg..." Tief unten leuchtet die Stadt. Unübersehbare Menschenmassen starren zum Himmel. Da — in Wolkennähe, am sonnengoldenen Firmament, zieht der jagende Schatten, wird größer, nähert sich. Donnernd und brausend kreist er über der Stadt. Ein Flugzeug. Das Flugzeug! Der Führer kommt." Illustrierter Filmkurier Nr. 2302, 1935, zitiert in: Der Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  80. Ebenda: „Der Führer, wie ihn dieser Film zeigt: Mit welch herzlicher Güte tritt der Führer zu den in ihren alten Trachten nach Nürnberg gekommenen Bäuerinnen, ergreift die nur scheu und zaghaft gereckten Hände, lacht, lächelt und spricht mit den Frauen. Welche feierliche Kraft, welcher männliche Ernst spricht aus seinen Zügen, wenn er die Front der Standartenträger abschreitet — wie ganz anders hier, fast symbolisch heiliger Art, der Handschlag! Und immer wieder spüren wir es mit einer beinahe mythisch zu nennenden Gewalt: Wie sehr gehört dieses Volk zu seinem Führer, wie sehr gehört dieser Führer zu ihm! Aus jedem Blick, aus jedem Drude der Hände spricht das Bekennen und das Gelöbnis: Wir gehören zusammen. In ewiger Treue zusammen."

  81. Hans Joachim Giese, a. a. O.

  82. Ebenda: Giese zitiert eine Seminararbeit des Zeitungswissenschaftlichen Instituts der Universität Berlin, die im Film-Kurier vom 18. 9. 1939 veröffentlicht wurde.

  83. Hilmar Hoffmann, Die Wochenschau in Deutschland, in: Jahrbuch der Filmkritik, Emsdetten 1970; vgl. auch Siegfried Kracauer, Theorie des Films, Frankfurt 1973, S. 221.

  84. Gerd Albrecht berichtet, daß er in allen Wochenschau-Sequenzen insgesamt überhaupt nur zwei tote Soldaten gesehen habe.

  85. Giese, a. a. O.

  86. Roellenbleg, a. a. O.; vgl. auch Fritz Hippler, Fragen und Probleme der deutschen Wochenschau im Kriege, in: von Bredow/Zurek (Hrsg.), Film und Gesellschaft in Deutschland, a. a. O., S. 230 ff.

  87. Einführung in „Der deutsche Film", 1940, Heft 7, zitiert in: Der Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  88. Oberstleutnant Prof. Dr. Hesse, Leiter der Pressegruppe des Heeres der Abt. Wehrmacht-Propaganda im OKW, im offiziellen Heft des OKW-WPr. V (Heer), zitiert in: Der Kultur-und Dokumentarfilm im Dritten Reich, a. a. O.

  89. Vgl. dazu vor allem das Kapitel „Der Zuschauer" bei Siegfried Kracauer, Theorie des Films, a. a. O., S. 215 ff.

  90. Max Lippmann in der Diskussion in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 136.

  91. Vgl. dazu auch Cort Belling/Alfred Schütze, Die Filmarbeit der Hitler-Jugend, in: Wilfried von Bredow/Rolf Zurek (Hrsg.), Film und Gesellschaft in Deutschland, a. a. O., S. 199 ff.

  92. Nach Wilhelm Roth in der Diskussion, in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 136.

  93. Das bezieht sich auf die beiden Arbeitsseminare der Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen über den Spielfilm, 1965, und den Dokumentar-und Kulturfilm des Dritten Reiches, 1969, an denen vor allem Filmjournalisten, Filmwissenschaftler und Historiker teilnahmen, sowie auf die Retrospektiven der Westdeutschen Kurzfilmtage „Der Weg ins Dritte Reich — Deutscher Film und Weimars Ende", und „Deutschland in Trümmern. Filme von 1945 bis 1949", 1976, sowie auf ein Seminar der Volkshochschule Oberhausen über das „Dritte Reich im Film des Dritten Reiches".

  94. Untersuchungen über diese Wirkungen wurden bisher nicht angestellt. Witthöft trägt einige Berichte von der Verwendung entsprechender Filme, Filmteile oder Filmbearbeitungen vor und äußert sich ähnlich ambivalent. Siehe Harald Witthöft, Zeitgeschichtliche Filmdokumente im Geschichtsunterricht, in: Moltmann/Reimers (Hrsg.), Zeitgeschichte im Film-und Tondokument, a. a. O., S. 217 ff.

  95. Geord Feil, Zeitgeschichte im Deutschen Fernsehen, in: Dialoges, Band 7, Osnabrück 1974, insbesondere S. 104 und S. 133.

  96. Wilhelm Salber, Udo Undeutsch, Psychologische Untersuchung der politischen Wirkung des Films „ 30. Januar. Uraufführung in La Rochelle und Berlin: Kolberg". Bericht über eine Repräsentativer-hebung, Köln 1965. Siehe auch die Erläuterungen von Udo Undeutsch zu diesem Bericht in: Der Spielfilm im Dritten Reich, a. a. O., S. 7 ff. und die nachfolgende Diskussion, S. 13 ff.

  97. Vgl. Salber, Undeutsch, Psychologische Untersuchung der politischen Wirkung des Films „ 30. Januar 1945. Uraufführung in La Rochelle und Berlin: Kolberg", a. a. O., S. 1: „Es wurde festgestellt: der Film bewegt die Zuschauer durch sein Thema und führt zu einer Auseinandersetzung. Die Erinnerungen an den Nationalsozialismus sind überwiegend negativer Art; die Zuschauer sind nicht auf die überspitzte Auslegung der Bedeutung, wie Vaterland, Durchhalten, eingeengt, die der Nationalsozialismus fördern wollte. Als Gefüge des Erlebens trat heraus eine Belebung der eigenen Haltung unserer Lage gegenüber. Der Film vermag die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu fördern; es wäre jedoch sinnvoll, dem Film einen klaren Akzent — etwa durch ein Nachwort — zu geben.“ ... „Wir haben damals vor Jahresfrist festgestellt, daß der Abstand zu jener Zeit und jener Ideologie, aus der heraus der Film geschaffen worden ist, so groß geworden ist, daß jedenfalls irgendeine Form der Faszination, wie sie vielleicht 1944 oder 1945 denkbar gewesen wäre, heute nicht mehr feststellbar ist, schon allein deswegen, weil ja nicht nur die politischen, sondern auch die militärischen Verhältnisse in ihrer Struktur völlig anders geworden sind."

  98. Salber, Undeutsch, Psychologische Untersuchung ..., a. a. O., S. 3.

  99. Ebenda, S. 5.

  100. Ebenda, S. 6.

Weitere Inhalte

Manfred Dammeyer, Diplom-Sozialwirt, geb. 1939; Studium der Sozial-wissenschaften; seit 1965 an der Volkshochschule Oberhausen, seit 1966 deren Direktor; ständige Mitarbeit bei den Westdeutschen Kurzfilmtagen Oberhausen; seit 1975 Abgeordneter des Landtages NRW. Veröffentlichungen u. a.: Der Spielfilm im Dritten Reich, Oberhausen 1965; Filme für die Arbeiterbildung, in: Protokoll der 21. Westdeutschen Kurzfilmtage, Oberhausen 1975.