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Antikommunismus und amerikanische Demokratisierungsvorhaben im Nachkriegsdeutschland | APuZ 29/1978 | bpb.de

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APuZ 29/1978 Artikel 1 „Umerziehung" der Deutschen aus britischer Sicht Konzepte und Wirklichkeit der „Re-education" in der Kriegs-und Besatzungsära Demokratisierung der Deutschen durch Umerziehung? Die Interdependenz von deutscher und amerikanischer Politik in der Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Antikommunismus und amerikanische Demokratisierungsvorhaben im Nachkriegsdeutschland

Antikommunismus und amerikanische Demokratisierungsvorhaben im Nachkriegsdeutschland

Harold Hurwitz

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Zusammenfassung

Die Beschaffenheit und die Auswirkungen von Versuchen der US-Besatzungsmacht, Institutionen und politische Kultur der Deutschen zu demokratisieren und somit ihre gesellschaftliche Entwicklung zu beeinflussen, wird hier im Zusammenhang mit der Frage nach dem Einfluß des Antikommunismus untersucht. Es geht dem Verfasser mehr darum, methodische Hinweise auf die Notwendigkeit von Differenzierung und Vergleich zu geben, als ein abschließendes Urteil zu liefern. Die Deutschlandpolitik der USA steht in einem komplexen, von Verzögerungen begleiteten und teilweise widersprüchlichen Zusammenhang mit den demokratischen Reformbemühungen der Besatzungsmacht. Die tatsächliche Abfolge von Reformen entspricht weder zeitlich noch hinsichtlich der dafür aufgewendeten Energien dem offiziellen Schema, wonach es im Herbst 1947 einen Wandel weg von „control" zu „Services", von „Umerziehung" zu „Umorientierung" gab; die Reformbemühungen bestätigen damit in wesentlichen Bereichen auch nicht die kritische Interpretation, wonach eine anfängliche Periode ernsthafter Reformen infolge des Kalten Krieges durch eine „Umorientierungsphase" abgelöst wurde, in der es eigentlich nur noch darum ging, antikommunistische Standfestigkeit, Anlehnung an die USA und Restauration zu fördern. Der Vergleich zwischen Absicht, Verlauf und Rezeption von „bürgerlich-demokratischen" Reformversuchen im Pressewesen, im Rundfunk und im Schulsystem demonstriert, daß in einer Situation, in der die Deutschen nie völlig machtlos waren, es für die Besatzungsmächte zunehmend schwerer wurde, Reformen durchzusetzen. Der Antikommunismus förderte das der deutschen Politik immanente Restaurationspotential und trug so zum Scheitern der Schulreform bei, hinderte aber nicht Reformen bei Presse und Rundfunk. Dieser Vergleich weist auf die Notwendigkeit hin, das Schicksal von Reformabsichten der amerikanischen Besatzungsmacht in den unterschiedlichen Bereichen differenziert zu untersuchen.

In seinen Studien über die amerikanische Militärregierung in Deutschland wie auch über die Entstehung des Marshall-Plans ist John Gimbel zu zwei Schlußfolgerungen gelangt, die von jenen Wissenschaftlern künftig nicht mehr ignoriert werden dürfen, denen es darum geht, die Motive, Bemühungen und Konsequenzen der amerikanischen Versuche zu analysieren, im besetzten Deutschland demokratische Einrichtungen und eine neue politische Kultur zu fördern. Indem Gimbel beweist, daß es der amerikanischen Militärregierung (OMGUS) ') nicht vorrangig darum ging, die Deutschen „umzuerziehen" oder zu „demokratisieren", sondern primär die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten zu vertreten, konfrontiert er uns mit der zentralen Frage: Wie groß und von welcher Art war der Handlungsspielraum für eine Intention, die er an anderer Stelle als durch und durch engagiert und idealistisch bezeichnet hat? Mit anderen Worten: Wieviel Demokratie von welcher Beschaffenheit) (und wurde toleriert, unterstützt oder umgekehrt beschnitten?

Die orthodoxen Befürworter der amerikanischen Außenpolitik wie auch andererseits ihre Kritiker werden zu diesem Punkt unterschiedliche Ansichten vertreten. Und doch dürfte Gimbel mit seiner letzten Studie über den Marshall-Plan beide Seiten dazu zwingen, eine Reihe von Annahmen fallenzulassen. Er zeigt dort nämlich, daß die langfristigen amerikanischen Interessen in Deutschand in einem keineswegs rationalen Prozeß herausdestilliert wurden. Das geschieht an Hand von Beweisen dafür, daß General Clay 1945 und 1946 guten Grund hatte davon auszugehen, daß das historische Experiment der überzonalen Zusammenarbeit mit den Russen — wenn auch nicht mit den Franzosen — funktionieren konnte, daß weiterhin weder die Bizone noch der Marshall-Plan als Reaktion auf die sowjetische Obstruktion in Deutschland geschaffen wurden, sondern daß vielmehr die Furcht vor einem kommunistischen Vordringen in Westeuropa das Ergebnis dieser Initiativen bestimmte, wobei der Antikommunismus schon deshalb immer mehr Gewicht bekam, weil er sich hervorragend dazu eignete, den Marshall-Plan einem von den Republikanern kontrollierten amerikanischen Abgeordnetenhaus zu verkaufen. Sicherlich wird auch diese Einschätzung wieder revidiert werden müssen, wenn neues Material der von kaum beachteten hinsichtlich Gimbel sowjetischen Zielsetzungen und Aktionen in Mitteleuropa bekannt wird. Und dennoch tragen die Ergebnisse seiner Analyse nicht nur dazu bei, Veränderungen in der außenpolitischen Zielsetzung der USA verständlicher zu machen. Sie sind auch relevant im Zusammenhang mit der hier zu erörternden Frage nach der „Demokratisierung“ Nachkriegsdeutschlands, in dem die besiegten Deutschen zu keinem Zeitpunkt völlig machtlos waren, während umgekehrt die Besatzungsbehörden nicht alle ihre Vorhaben verwirklichen konnten. Versucht man, die einzelnen Abschnitte in der Zeit von 1945 bis 1952 in den Griff zu bekommen, dann muß man herausfinden, wieviel politischer Spielraum zu den jeweiligen Zeitpunkten vorhanden war bzw. wie er sich und zu wessen Vorteil veränderte. Auch muß man sich in Erinnerung rufen, daß sich der wissenschaftliche Streit über eine sogenannte „Demokratisierung durch ausländische Prokon-sule" bisher an dem Vorwurf entzündete, wonach die . imperialistischen Besatzungsmächte'die linken Nazi-Gegner in Deutschland daran gehindert hätten, 1945 die politische Initiative zu ergreifen ferner sei die von Anfang an antikommunistische und antisozialistische amerikanische Deutschlandpolitik mit Hilfe des Länderrats, der Bizone, des Marshall-Plans und der Währungsreform systematisch darauf ausgerichtet gewesen, den Kapitalismus und eine pseudo-demokratische Ordnung in Westdeutschland durchzusetzen

Gimbels sorgfältig belegte Forschungsergebnisse zwingen zu einer mehr differenzierenden Kritik. So kann er beispielsweise die Verein-facher unter den , Revisionisten'zumindest dazu veranlassen, ihre Legende von einer imperialistischen amerikanischen Verschwörung um rund zwei Jahre nachzudatieren — nämlich von 1945 auf die Moskauer Konferenz vom März und April 1947. Darüber hinaus könnte seine Studie den einen oder anderen orthodoxen Geschichtswissenschaftler dazu bringen, zwischen einer rationalen, objektiv begründeten und auch in der Praxis kontrollierbaren Reaktion auf die sowjetische Präsenz und „kommunistische Gefahr“ in Deutschland einerseits und den daraus sicherlich ebenfalls resultierenden irrationalen und unkontrollierbaren Aktionen andererseits zu unterscheiden.

Solche Unterscheidungen sind offenkundig dann von großer Bedeutungi wenn man der Frage nachgeht, wie die Deutschen und ihre ausländischen Besatzer die Entwicklung politischer Institutionen — und generell einer neuen politischen Kultur — zu beeinflussen suchten.

Zur Vereinbarkeit von Antikommunismus und Demokratisierung

Zweifellos hat es damals, als der Einfluß des Nationalsozialismus noch unmittelbar spürbar war und die militärische Niederlage noch als offene Wunde empfunden wurde, ein Problem der Vereinbarkeit von Antikommunismus und Demokratisierung in Deutschland gegeben. Die der amerikanischen Militärregierung beigeordneten Sachverständigen für „Umerziehung" und „Demokratisierung“ haben sich gegenüber diesem Problem durchaus aufgeschlossen gezeigt. Dies könnte vielleicht sogar mit erklären, warum General Clay eine Zeitlang so sehr auf Zurückhaltung und Vorsicht Wert legte, nach dem er sich im Oktober 1947 dazu entschloß, den schon seit längerer Zeit von den sowjetisch kontrollierten ostdeutschen Massenmedien vorgetragenen Propaganda-Angriffen durch eine antikommunistische Kampagne mit dem Titel „Operation back-talk" (Operation Gegenrede) zu begegnen

Die Widersprüche zwischen Antikommunismus und Antifaschismus machen auch verständlich, warum selbst nichtkommunistische Nazi-Gegner in Westdeutschland sich nur sehr zögernd dieser Kampagne anschlossen bzw. sie unterstützten; die Kampagne blieb sogar unter den Mitarbeitern der amerikanischen ICD (Information Control Division) wie auch ISD (der nachfolgenden Information Services Division) längere Zeit umstritten. In dem Maße nämlich, wie sich diese Kampagne im Laufe der Zeit zuspitzte, mußte die rationale Auseinandersetzung zwangsläufig aufgegeben und der Antikommunismus die Eigendynamik eines diffusen ideologischen Mechanismus annehmen, die der Entwicklung von genuin liberal-demokratischen Einstellungen in Westdeutschland langfristig eher geschadet als genützt haben dürfte. Dieser Prozeß ist jedoch noch mit erheblicher empirischer und methodologischer Sorgfalt zu untersuchen. Die Berliner Blockade wie auch der Ausbruch des Korea-Krieges stellen gewiß wichtige Etappen bei dieser Entwicklung dar. Berücksichtigt werden muß dabei auch die innere Dynamik eines zugleich kulturell bedingten Einstellungswandels.

In diesem Zusammenhang muß auch daran erinnert werden, daß es höchst unterschiedliche Traditionen des Antikommunismus gibt: einerseits den liberalen und sozialdemokratischen, andererseits den faschistischen oder ultra-konservativen (wobei selbst letzterer in Deutschland nicht als demokratisch zu bewerten ist) Aber auch in diesem Zusammenhang kann nur konkrete Forschung weiterhelfen. Fest steht auf jeden Fall, daß junge und kritische westdeutsche Forscher, die Zugang zu den Dokumenten haben, angesichts der Materiallage offenkundig nicht umhin können, von der Fortschrittlichkeit gewisser Reformen beeindruckt zu sein, die von den Amerikanern während der Besatzung angepackt wurden. Aber — so fragen diese Wissenschaftler — hat diese Demokratisierung nicht nachgelassen, wurde sie nicht durch die Wende hin zum Antikommunismus pervertiert, im Zusammenhang mit dem großen Vorhaben des Marshall-Plans, der Deutschland durch eine Politik teilte, bei der die Wiedergesundung Westeuropas mit einer Eindämmung des Kommunismus einherging?

Eben diese Frage ist vor kurzem von einer differenziert argumentierenden westdeutschen Wissenschaftlerin aufgeworfen worden, die sich von der antifaschistischen und demokratischen Qualität der für Deutschland bestimmten amerikanischen Rundfunksendungen in den Jahren 1945 bis 1947 durchaus überzeugt zeigt Wenn John Gimbel also klarstellt, wie begrenzt, unsicher und widersprüchlich die US-Besatzungsbehörden das nationale Interesse ihres Landes in Deutschland bis 1947 definiert haben, so heißt das, daß die „Progressiven“ nur in der Anfangsperiode eine Chance zur effektiven Mitarbeit hatten, daß jedoch die echten Demokratisierungsprogramme in dem Augenblick aufgegeben wurden, als es darum ging, aus Westdeutschland ein antikommunistisches Bollwerk zu machen.

Zweifellos kann die Periode von der Moskauer bis zur Londoner Konferenz und dann weiter bis zur Währungsreform und der Berliner Blockade zu einer mehr oder weniger stim-migen Erklärung dafür herhalten, daß einzelne Reformen aufgegeben wurden und andere wiederum offenkundig scheiterten. Auch kann man diese Periodisierung so vornehmen, daß es auf den ersten Blick den Anschein hat, als würde sie mit den offiziellen Phasen des Demokratisierungsprogramms der Militärrgie-rung (OMGUS) übereinstimmen: Der Wandel weg von „control" und hin zu „Services", weg von „Umerziehung" und hin zu „Umorientierung" würde unter diesen Vorzeichen anscheinend zusammenfallen mit dem anfänglichen Interesse an ernsthaften Reformen und dann mit der Aufgabe dieser Reformfreudigkeit zugunsten eines „Umorientierungs-Vorhabens", bei dem es eigentlich nur noch darum ging, „public relations" zu betreiben. Schaut man jedoch genauer hin, dann stellt sich heraus, daß die tatsächliche Abfolge von Reformen weder zeitlich noch hinsichtlich der Schwerpunkte bzw.der dafür aufgewendeten Energien diesem Schema entspricht. Zwar bestand ein bemerkenswerter Zusammenhang zwischen den Demokratisierungsprogrammen und der neuen Politik, aber die Einflüsse des „Antikommunismus auf die Demokratisierungsvorhaben waren nicht nur negativ, zumindest nicht in der OMGUS-Periode von 1945 bis 1949.

Dieser Nachweis soll dadurch erbracht werden, daß im folgenden unterschiedliche Ziele der amerikanischen Reformbemühungen miteinander in Bezug gesetzt und sie mit den dafür verwendeten Ressourcen verglichen werden wie auch mit deren Wirkung auf deutsche Politiker und auf einzelne Bevölkerungsgruppen. Denn die Demokratisierungsmaßnahmen der Besatzungsmächte können nicht, wie das bisher der Fall war, auf der Basis eines einzelnen Reformprogramms ohne Berücksichtigung der jeweiligen Unterbereiche bewertet werden. Selbst bei der amerikanischen Medienpolitik, die im folgenden erörtert werden soll, ist die Praxis in den einzelnen Bereichen — also in der Presse, dem Rundfunk, den Buchverlagen, des Theaters und des Films — höchst unterschiedlich gehandhabt worden. Solche Gegensätze treten ebenfalls hervor, wenn man sich Programm und Wirklichkeit auf dem Gebiet der Volksbildung, des Staatsaufbaus, der Verfassungen, der Organisationsstruktur der Parteien und Gewerkschaften, der Dekartellisierung, der Gewerbefreiheit und der Sozialisierung von Betrieben anschaut.

Da die Archive der amerikanischen Militärregierung in wachsendem Maße für die wissenschaftliche Erforschung zugänglich ge-macht werden können heute immer besser fundierte Monographien zu spezifischen Themenstellungen erarbeitet werden, in denen die Vielfalt der amerikanischen Reformbemühungen zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden kann. Dabei würde auch das in der Folgezeit sich herauskristallisierende spezifische politische System der Bundesrepublik verständlicher werden. Als ein erster, kleiner Schritt in Richtung auf ein solches Gesamtbild sollen hier die Reformen im Bereich von Presse und Rundfunk hervorgehoben und mit den Bemühungen auf dem Gebiet der Volksbildung verglichen werden, wobei die Anstrengungen auf anderen Gebieten hier nur am Rande zu behandeln sind.

Für die einzelnen Besatzungsmächte galt, daß ihre Methoden der Umerziehung jeweils davon abhängig waren, wie man sich selbst als ein demokratisches Land definierte. Das negative Deutschlandbild, mit dem die offiziellen amerikanischen Umerziehungs-Fachleute operierten — also die Vorstellung von einer autoritären, hierarchisch strukturierten und ständisch gegliederten Gesellschaft, die zum Kollektivismus tendierte —, brachte sie dazu, ganz entschieden die liberalen und egalitären Aspekte ihrer eigenen Tradition hervorzuheben. Abgesehen von einem selbstgerechten moralischen Rigorismus zeichnete sich das Reformprogramm der US-Militärregierung durch starke Anklänge an den amerikanischen Liberalismus aus.

Die Nachrichtenmedien als „vierte Gewalt"

Hinsichtlich der Nachrichtenmedien hatte diese liberale Zielsetzung zur Folge, daß die deutschen Journalisten den Status einer „vierten Gewalt" bekommen sollten. Als Garanten der Wahrheit sollten sie zwar unabhängig von der Regierung fungieren, andererseits aber ebenso dem öffentlichen Interesse untergeordnet sein wie die Legislative oder die Rechtsprechung. Diese Konzeption verlangte die Bildung einer neuen Elite, erforderte neue Strukturen und Bürgertugenden, die man in den Jahren von 1945 bis 1952 durch ein ganzes Bündel von zentralen Reformen und flankierenden Maßnahmen zu erreichen suchte

Als erster Schritt war es erforderlich, die deutschen Nachrichtenmedien in die Hände zuverlässiger Nazigegner zu legen. Die „Information Control" nahm daher die politische Über-prüfung von zukünftigen Lizenzträgern, Redakteuren und Reportern für Presse und Rundfunk mit schärferen Auswahlkriterien vor als irgendeine andere Abteilung der Militärregierung. Weiterhin war die Umschulung des redaktionellen Personals vonnöten, ebenso die scharfe Trennung von Nachrichten und Kommentar in der Aufmachung der Zeitungen wie auch die standardisierte Benennung der Nachrichtenquellen. Dies erklärt, warum die im englischen, amerikanischen und skandinavischen Journalismus schon seit langem eingehaltenen Usancen inzwischen — mit erheblichen Modifizierungen zwar — auch in der bundesrepublikanischen Presse zur Regel geworden sind. Man ging dabei von der Annahme aus, daß die auf diese Weise redigierten deutschen Zeitungen und Nachrichtensendungen die Leser bzw. Hörer dazu bringen könnten, durch Wissen abgesicherte eigenständige Urteile zu fällen. Aus dem gleichen Grund wurde jeder Sensationsjournalismus abgelehnt. Befürwortet wurde das politische Engagement, nicht jedoch die parteipolitische Bindung. Da jedoch die sorgfältig überprüften Nazigegner in den Nachrichtenmedien mit großer Wahrscheinlichkeit einer Partei angehörten, waren die Amerikaner daran interessiert, jeweils zwei, drei oder mehr Lizenzträger von unterschiedlicher politischer Herkunft gemeinsam für eine Zeitung verantwortlich zu machen. Dies galt zunächst als eine durch die Papierknappheit hervorgerufene Übergangslösung, die später durch die Lizensierung von rivalisierenden örtlichen und regionalen Blättern hinfällig werden sollte. Dazu kam es aber nur punktuell. Auch bei den Redakteuren und Rundfunkkommentatoren setzte sich das Proporz-Prinzip durch.

Entscheidend bei allem war die Absicht, die Massenmedien in die Lage zu versetzen, ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Druck deut-scher Regierungsinstanzen auch dann zu verteidigen, wenn die Vorherrschaft der Militärregierung zu Ende gegangen sein würde. Von daher mußte das Recht auf journalistische Recherchen in allen öffentlichen Angelegenheiten ebenso gewährleistet sein wie eine unparteiliche Behandlung konkurrierender Nachrichtenmedien durch die Behörden und regelmäßige Pressekonferenzen. Und — wichtiger noch — es mußten neue Presse-und Rundfunkgesetze verabschiedet werden.

Die Lizenzträger von fast allen zugelassenen Zeitungen bekamen dabei die Chance, ausgesprochen wohlhabend zu werden. Die Amerikaner waren auch bereit, den neuen Nachrichtenmedien noch für einige Jahre ein außergewöhnliches Maß an juristischem Schutz und finanzieller Förderung angedeihen zu lassen. Als das Office of the U. S. High Commissioner for Germany" (HICOG) im Spätherbst 1949 an die Stelle der Militärregierung (OMGUS) trat, bestand eine ihrer wichtigsten Initiativen im Interesse der früheren Lizenzträger darin, einen Pressefonds zu organisieren, der vielen Lizenzträgern die Möglichkeit gab, sich eigene Druckereien zu kaufen bzw. technisch neu auszustatten

Die Altverleger, also die Rivalen der Lizenz-zeitungen, setzten sich nicht nur aus alten Nazis und Nationalisten zusammen. Zu diesem Personenkreis gehörten auch die Eigentümer einer Vielzahl von sehr kleinen Provinzblättern wie auch von einigen auflagestärkeren Großstadtzeitungen, die sich vor 1933 durch politische Farblosigkeit und eben deshalb durch leichte Manipulierbarkeit ausgezeichnet hatten; ihre Eigentümer hatten sich nach der Machtübernahme schnell damit abgefunden, den Interessen der Nazis zu dienen. Nicht wenige Zeitungen jedoch — und das galt besonders für die Parteipresse der SPD, des Zentrums und der KPD wie auch für liberale Intelligenzblätter und einige Provinzblätter konfessioneller Färbung — hatten sich vor 1933 durch eine eindeutig antifaschistische Haltung hervorgetan, bevor sie von den Nazis zur Kapitulation gezwungen bzw. vereinnahmt oder verboten wurden Das Wiedererscheinen dieser Zeitungen war von der amerikanischen Militärregierung untersagt worden — im Unterschied zu den Engländern und Franzosen, die sich in dieser Hinsicht etwas konzessionsbereiter zeigten. Hinsichtlich der Parteiorgane hatte zwar das US-Außenministerium sich bereits vor 1945 für ihre Wiederzulassung eingesetzt; doch obwohl Information Control wie auch die deutschen Lizenzträger in den folgenden Jahren ebenfalls für diesen Vorschlag eintraten, war es General Clay mit Hartnäckigkeit gelungen, sich dieser Forderung der demokratischen Parteien zu widersetzen

Die Weigerung der amerikanischen Reformer, die neuen deutschen Nachrichtenmedien nach, dem Vorbild der Weimarer Republik zu strukturieren, diente nicht nur der Entnazifizierung; die Förderung neuer Strukturen wurde auch deshalb als notwendig angesehen, weil man die „vierte Gewalt" vor der Einflußnahme seitens anderer Einrichtungen der neuen, liberal-demokratischen Ordnung schützen wollte — also vor dem Staat, den Parteien und Kirchen. Doch General Clays Uneinsichtigkeit hinsichtlich der Parteiorgane provozierte Widerstand von allen Seiten, wozu auch die meisten Nazigegner gehörten. Als Parteiführer oder als Regierungsvertreter waren sie alle — von den Sozialdemokraten bis hin zu den Konservativen — zutiefst davon überzeugt, daß sie nach den Nazi-Erfahrungen wie auch aus Gründen der Tradition, des Rechts und der Moral dazu berechtigt waren, die Nachrichtenmedien auch für ihre Zwecke einzusetzen — ging es doch in ihrem schwierigen Kampf darum, für ihre Parteien und Länderregierungen eine neue Legitimation zu schaffen —, und dies in einem gesellschaftlichen Milieu, in dem sie noch immer auf Vorurteile und Feindschaft gegenüber ihren Parteien stießen.

Keine genossenschaftlichen Eigentumsformen in der Presse Das Pressemodell, von dem die Amerikaner hofften, es würde auch nach Aufhebung ihrer Kontrollen vorherrschen, war ein System von regionalen und im Privateigentum befindlichen Zeitungen. Es sollte stark genug sein, um sich der Pressekonzentration oder einem Monopol der Materndienste widersetzen zu können. Dabei wurde jedoch die Frage außer acht gelassen, inwieweit kommerzielle Interessen in einer vom freien Unternehmertum bestimmten Gesellschaft prinzipiell die Pressefreiheit zu beeinträchtigen vermögen. Ignoriert wurden auch die schwer auf einen Nenner zu bringenden Gegensätze zwischen Journalisten und Verlegern.

Als sich einige Lizenzträger anfänglich daran machten, die Lizenzpresse in öffentliche Stiftungen umzuwandeln, wobei die Kontrolle beim Redaktionsstab gelegen hätte, wurde dieses Vorhaben vorübergehend von einigen amerikanischen Presseoffizieren unterstützt.

Die ICD erklärte jedoch schließlich, daß die Verantwortung der Lizenzträger nicht teilbar sei und daß daher „genossenschaftliche" oder auf Stiftungen fußende Eigentumsformen nicht gebilligt werden würden Und als sich solche genossenschaftlichen Konzeptionen soweit herauskristallisiert hatten, daß sie der ICD vorgelegt werden konnten (und zwar auf Zusammenkünften der bayerischen Lizenzträger im März und der hessischen Lizenzträger im Oktober 1946), sprach sich eine Mehrheit der Versammelten gegen den Gedanken aus, auf ein Privateigentum zu verzichten, das ihnen in Form von Lizenzen bereits in die Hände gelegt worden war. Sprecher der Journalisten setzten sich jedoch weiterhin für neue Eigentumsformen ein, die nach ihrer Meinung eher dazu geeignet waren, die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse zu gewährleisten. In den Jahren 1948/49, als mit dem Abbau der Kontrollen durch die Militärregierung die deutschen Eliten auf verschiedenste Weise in die Lage versetzt wurden, ihre Ziele dadurch zu erreichen, daß sie die Vormundschaft und die Anweisungen der Besatzungsbehörden ignorierten, umgingen oder sogar schlichtweg zurückwiesen, wurde nur ein einziger ernsthafter Versuch unternommen, die Betriebsleitung einer Lizenzzeitung zu demokratisieren. Die Initiative dazu ging allerdings nicht von sozialistisch orientierten Journalisten aus und auch nicht von Neulingen, die erst nach 1945 „entdeckt" und ausgebildet worden waren, * sondern von versierten Publizisten, die aus einer Tradition des intellektuell geprägten Journalismus hervorgegangen waren und die in Übereinstimmung mit einem individualistischen, bildungsbürgerlichen Liberalismus für redaktionelle Unabhängigkeit eintraten. Ihr Versuch jedoch, für die Stuttgarter „Wirtschafts-Zeitung" den Status einer Privatstiftung zu entwickeln, der die Redakteure zu Mit-eigentümern gemacht hätte, schlug fehl, weil sie sich mit dem Verleger der Zeitung nicht über die Modalitäten des Miteigentums und der Mitbestimmung einigen konnten. Die US-Militärregierung intervenierte in diesem Fall nicht.

Während der HICOG-Periode reagierten amerikanische Entscheidungsträger unwirsch auf alle Vorschläge, die eine Reform der Eigentumsverhältnisse zum Inhalt hatten. In den frühen fünfziger Jahren, als mehrere Lizenzträger dazu übergingen, sich gegenseitig aufzukaufen oder ihre Zeitungen den Altverlegern zum Kauf anzubieten, trat eine Vereinigung deutscher Journalisten an die HICOG mit dem Vorschlag heran, das seinerzeit mit Hilfe der Lizenzen und der amerikanischen Protektion für die Allgemeinheit geschaffene Eigentum durch Darlehen aus dem sogenannten Garioa-Fonds abzusichern, und zwar unter Bedingungen, die der Entstehung von Stiftungen förderlich gewesen wären. McCloy lehnte diesen Vorschlag ab. Zunichte gemacht wurde auch der Versuch, die ursprünglich von der Militärregierung gegründete „Neue Zeitung" durch die Umwandlung in eine deutsch-amerikanische Stiftung zu retten.

Eine „sozialistische" Lösung: Der Rundfunk als Anstalt des öffentlichen Rechts Bei der Umstrukturierung des deutschen Rundfunks dagegen zeigte sich die ICD durchaus bereit, mit unkonventionellen Maßnahmen für eine zukünftige Meinungsvielfalt zu sorgen. In der Vergangenheit standen die deutschen Rundfunkstationen als öffentliche Anstalten immer unter der Vorherrschaft der Ministerial-bürokratie. Zwar wurde in der Weimarer Republik die politische Neutralität zum Prinzip erhoben (deshalb konnte jede Partei im Funk zu Wort kommen), aber die politische Zuständigkeit für den Funk war zwischen zwei Ministerien, den Länderregierungen und den jeweils in Regierungsverantwortung stehenden Parteien so atomisiert, daß die autoritären Kanzler Brüning und von Papen die Programmstruktur den Interessen der Reichsregierung unterordnen konnten, noch bevor die Nazis an die Macht kamen und dann die Gleich-schaltung vollendeten Die amerikanische Militärregierung stand daher 1945 vor dem langfristigen Problem, für die Autonomie des neuen deutschen Rundfunks sorgen zu müssen. In der Dezentralisierung glaubten sie einen Teil der Antwort gefunden zu haben. Im Gegensatz zu den Franzosen und Engländern, die nach 1945 alle Rundfunkstationen auf zonaler Basis organisierten, gründete die amerikanische Information Control in jedem Land der amerikanischen Zone wie auch im Stadtstaat Bremen und in Berlin (West) eigenständige Rundfunkstationen. Die direkte Anleitung des deutschen Rundfunks hielt in der amerikanischen Zone länger an und wurde dort auch strikter gehandhabt als von den Engländern in ihrem Besatzungsgebiet Als die Amerikaner dann mit dem Problem konfrontiert wurden, die autonomen Rundfunkstationen an die Deutschen zu übergeben, erwogen sie zuerst die Möglichkeit der Privatisierung und damit des Wettbewerbs zwischen rivalisierenden Rundfunkgesellschaften Bisher ist noch nicht geklärt worden, wie die amerikanischen Besatzungsbehörden dazu gebracht werden konnten, für den deutschen Rundfunk auf ein Modell zu verzichten, das mit ihren eigenen nationalen Erfahrungen übereinstimmte, und sich für eine Struktur zu entscheiden, die vielen Amerikanern naturgemäß . sozialistisch'vorkommen mußte, nämlich für die revidierte Übernahme des BBC-Modells Dementsprechend verlangten die Amerikaner, daß die Rundfunkstationen der Länder von einer unabhängigen Körperschaft, nämlich den Rundfunkräten, verwaltet werden müßten, in der die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, nicht jedoch die Regierung oder die Parteien, vertreten sein sollten. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß die deutschen Länderregierungen im November 1947 angewiesen wurden, Rundfunkgesetze in der genannten Richtung zu entwerfen

Kurz zuvor hatte General Clay der ICD endlich die Anweisung zur „Operation back-talk" gegeben, um damit den seit langem vorgetragenen Propaganda-Angriffen der sowjetisch kontrollierten Medien in Deutschland zu begegnen. Jetzt übertraf Washington sogar noch Clay in dem Bemühen, . sozialistische'Experimente in der westdeutschen Wirtschaft um jeden Preis zu verhindern Die Dekartelli-sierung z. B. wurde von dem Militärgouverneur so weit zurückgeschraubt, daß sie einer schnellen Industrialisierung nicht mehr im Wege stehen konnte Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wurde auch damals die von Clay technokratisch konzipierte und in der Praxis erbärmlich gescheiterte Entnazifizierung formal zu Grabe getragen

Diese-Kursänderungen auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik und der Entnazifizierung machen verständlich, wieso man rückblickend zu der Annahme kommt, daß der Antikommunismus im Herbst 1947 eine Phase der amerikanischen Besatzungspolitik abschloß, in der es möglicherweise noch im amerikanischen Interesse hätte liegen können, die politische Kultur in Deutschland durch die Einführung neuer, demokratischer Institutionen zu beeinflussen.

Will man die Hypothese überprüfen, daß der Kalte Krieg die Bemühungen der Amerikaner um eine Demokratisierung beeinträchtigte, so tut man gut daran, sich zum Vergleich auch die Reformversuche von OMGUS hinsichtlich des deutschen Schulsystems anzuschauen.

Das amerikanische Programm zur Schulreform und sein Scheitern

Die Pädagogen von OMGUS hatten eine Schulreform im Sinn, die mit den traditionellen Klassenprivilegien in der deutschen Gesellschaft aufräumen sollte. An die Stelle der in dem vierten Schuljahr eintretenden Trennung der „Ober-Klasse" von der „Masse", die für das traditionelle Schulsystem gegolten hatte, wollten die Reformer ein einheitliches, umfassendes fließende und Übergänge erlaubendes System durchsetzen, bei dem die Differenzierung erst nach dem 6. Schuljahr — und auch dann nicht endgültig — vollzogen werden sollte. Vorgesehen war eine mindestens neun Jahre umfassende Schulpflicht, wobei die Abgänger der 9. Klasse im anschließenden Beruf oder in noch der Lehre bis zum 18. Lebensjahr an einigen Tagen die Schule besuchen sollten. Das Schulgeld sollte abgeschafft werden und Lehrbücher kostenlos sein. Die Koedukation sowie auch der Sozialkundeunterricht sollten allgemein eingeführt werden. Die Dorfschulen sollten in größeren Schulkomplexen aufgehen. Die konfessionellen Schulen sollten nicht mehr gefördert, sondern nur in dem Maße geduldet werden, wie sie dem ausdrücklichen Wunsch der Eltern entsprachen. Die Schülermitverwaltung wie auch die Beteiligung der Bürger (also der Eltern und Lehrer) an der kommunalen Schulpolitik wurde zwar unterstützt, ansonsten jedoch sollte das Schulsystem, wie auch in den Jahren bis 1933, auf der Länderebene organisiert werden

Die Zuständigkeit der Länder ermöglichte es den konservativen Kräften jedoch, die Durchführung von nennenswerten Schulreformen in Westdeutschland — abgesehen von den SPD-kontrollierten Gebieten wie beispielsweise Schleswig-Holstein und den Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg — zu blockieren. Insgesamt stellte die Schulreform eine emotional brisantere Herausforderung der Klassen-privilegien wie auch der Partikularinteressen der Kirchen, der Industrie und des tradierten politischen Herrschaftsgefüges in den agrarischen Gebieten dar als die Bemühungen der Amerikaner um die Demokratisierung anderer deutscher Institutionen. Die erbitterte Opposition gegen die Reform der Volksschule in den Westzonen erlaubt die These, daß unter den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die in der ersten Nachkriegszeit in Deutschland vorherrschten, der Klassenantagonismus von jenen Gruppen am akutesten empfunden wurde, deren Eigentum, Privilegien und Status durch die Folgen der Niederlage gefährdet waren, und daß der Klassenkampf aggressiver von oben nach unten, also gegen die traditionell unterprivilegierten Gruppen, als von unten nach oben geführt wurde.

Die Amerikaner hatten natürlich nicht vor, Klassenunterschiede in der deutschen Gesellschaft zu beseitigen. Ihnen ging es nur darum, das. starre, hierarchische Klassensystem durch eine Bodenreform, die Dekartellisierung, durch Gewerbefreiheit und die Schulreform aufzulockern

Mit ihrer Schulreform hofften sie, die ständisch geprägten Gesellschaftsstrukturen durch die Förderung sozialer Mobilität zu öffnen und dadurch — auch das entsprach dem amerikanischen Selbstverständnis — zu einem gesellschaftlichen Konsens in Deutschland zu gelangen. So stimmten die amerikanischen Vorstellungen hinsichtlich der Volksbildung mit jenen Reformkonzeptionen überein, die von einigen liberalen und der Mehrzahl der sozialistischen Pädagogen entwickelt und in der Weimarer Republik nur ansatzweise verwirklicht wurden

Die amerikanischen Bemühungen um eine Reform des deutschen Schulwesens scheiterten allerdings völlig, während auf dem Gebiet der deutschen Presse und des Rundfunks wichtige Veränderungen durchgesetzt werden konnten. Will man diesen Gegensatz begreifen, muß man die Ausgangsbedingungen und die Ressourcen untersuchen, die den Reformern in dem einen und im anderen Fall zur Verfügung standen.

Den für die Volksbildung zuständigen amerikanischen Einheiten fehlte völlig jene organisatorische Kontinuität und umfangreiche Erfahrung, die bei der Medienabteilung gegeben war. Letztere hatte bis 1945 mit deutschsprachigen Medien die psychologische Kriegführung gegen Deutschland betrieben und war dann mit dem Aufbau einer neuen deutschen Presse und des Rundfunks beauftragt worden. ICD ist also aus der „Psychological Warfare Division" (PWD) des Alliierten Oberkommandos (SHAEF) hervorgegangen. Der Leiter von PWD wie auch von ICD war General Robert McClure; obwohl mit einem niedrigeren Rang ausgestattet als General Clay, war er als Freund Eisenhowers einflußreich genug, um die Einverleibung seiner ICD in Clays OMGUS-Organisation bis zum Februar 1946 hinauszuzögern. Auch danach konnte er seinen zahlenmäßig umfangreichen und intellektuell hochkalibrigen Mitarbeiterstab von äußerem Druck abschirmen. Im Gegensatz dazu war die Unterabteilung „Education and Religious Affairs" (ERA) lange Zeit ein ausgesprochenes Stiefkind von OMGUS — personell unterbesetzt und politisch einflußlos. Sie wurde stets aufgabenfremden Abteilungen zugeordnet Dieser Zustand dauerte solange, bis eine unter Pädagogen in den Vereinigten Staaten weitverbreitete Kritik dazu führte, daß es in den Jahren 1947 und 1948 zu „drastischen Veränderungen" kam

Natürlich war die Tatsache hinderlich, daß es unzählige Schulen gab, die dringend eröffnet werden mußten. Die politische Überprüfung des für die Nachrichtenmedien zuständigen deutschen Personals (wie auch der deutschen Politiker) war erheblich weniger aufwendig als die Säuberung der gesamten Lehrerschaft. Es hätte großer Anstrengungen bedurft, schnell Lehrerseminare aufzubauen, um den erforderlichen Lehrernachwuchs in einem neuen Geist auszubilden. Die Sowjets — und in einem geringeren Umfang auch die Franzosen — waren zu diesen Anstrengungen bereit, um gleich am Anfang der Besatzung radikale Veränderungen im deutschen Schulsystem zu bewirken. Dies alles beweist nur, daß die Führungsgruppen von OMGUS an der deutschen Volksbildung nicht sonderlich interessiert waren, eine Feststellung, die dann wichtig wird, wenn man sich in Erinnerung ruft, welche zentrale Rolle die „Umerziehung" der Deutschen bereits ab 1942 in den amerikanischen Diskussionen über die Planung der Nachkriegszeit spielte und wie sehr sich die Sprecher der Militärregierung immer wieder formal zu diesem Begriff bekannten.

Wenn OMGUS für die „Umerziehung" nur verhältnismäßig geringfügige Finanzmittel bereitstellte, so lag das unter anderem an der Einstelung von General Clay. Seine Prioritäten wurden deutlich, als ihn das amerikanische Verteidigungsministerium aufforderte, für das Jahr 1947 mehr finanzielle Mittel für „Umerziehungs" -Aufgaben anzufordern als für das Jahr 1946, und er darauf mit der etwas einfältigen Antwort reagierte: „We still believe full bellies to be a first requisite to recapture minds." Für Clay war es undenkbar, zusätzliche Mittel anzufordern, um Papier für deutsche Schulbücher einführen zu können. Diese Denkweise hatte bereits zur Folge gehabt, daß sich eine Reihe der von ICD und ERA für das Jahr 1946 konzipierten Pläne für die Umerziehung nicht realisieren ließen. Lucius Clay sympathisierte nicht mit jenem „New Deal" -Enthusiasmus, der in der Militärregierung erneut eine Blüte erlebte, aber angesichts des „Fair Deal" -Selbst-Verständnisses des Präsidenten Truman bezog er sich in seinen Berichten für Washington hin und wieder auf Amerikas „liberale" Mission in Deutschland. Doch auch dies sollte sich ändern, als die Ergebnisse der Kongreßwahlen vom November 1946 den Sieg eines Konservativen bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 1948 ankündeten

Verspäteter Reformeifer

Die Ironie der Geschichte wollte es, daß sich erst die große außenpolitische Umorientierung durchsetzen und aus Westdeutschland ein unabdingbarer Bestandteil des antikommunistischen Bollwerks werden mußte, damit ein konservativer Kongreß plötzlich Sympathien für die Militärregierung entdeckte und jetzt mehr Geldmittel für das seit langem geplante liberale Programm der Umerziehung (nunmehr „reorientation" genannt) bereitstellte, als Clay zuvor gefordert hatte oder auch jetzt für gerechtfertigt hielt Erst im Oktober 1948, als die Währungsreform die auf dem deutschen Binnenmarkt von ICD mit ihren Publikationen erzielten Gewinne liquidiert hatte, stellte Clay für den Rest des Jahres eine Nachtragsforderung in Höhe von 2, 4 Millionen Dollar

Das „public relations" -Denken und damit auch die Selbsttäuschung von OMGUS lief darauf hinaus, daß Ende 1947 angeblich eine neue Periode begonnen habe, in der „control“ (Kontrolle) durch „Services" (Dienstleistungen), also negative durch positive Aufgaben ersetzt worden seien. In Wirklichkeit hatte es eine klare Trennung zwischen negativen und positiven Phasen der „reorientation" in dem Maße nicht gegeben, wie Institutionen offenkundig „politischer“ Natur gegründet werden mußten. Das traf auf die Nachrichtenmedien, die Parteien und die Gewerkschaften zu, nicht jedoch auf die Schulen. Die Überprüfung von Lizenzträgern, Redakteuren, Parteiführern und Wahl-beamten stellte eine konstruktive Form der Entnazifizierung dar. Natürlich boten sich die Nachrichtenmedien eher für eine direkte und kontinuierliche Kontrolle — wie auch Förderung — an als die Parteien und Gewerkschaften. Dies erklärt auch, wieso sich die amerikanischen Reorientierungs-Bemühungen auf dem Gebiet der Massenorganisationen nach einer Phase der direkten Einmischung, die in Bayern etwa bis Ende 1946 reichte auf eine höhere Führungsebene zurückzogen, um die deutsche Politik, den Staatsaufbau und die Gesetzgebung zu beeinflussen. ICD dagegen ging es auch dann noch darum, die nazifeindlichen und „umerziehenden" Inhalte dessen zu kontrollieren und mit neuen Gedanken anzureichern, was täglich in den Zeitungen veröffentlicht bzw. von den Sendern ausgestrahlt wurde, als ihre Aufgaben in den Jahren 1947 und 1948 um die Probleme der Presse-und Rundfunkgesetzgebung in den Länderparlamenten erweitert wurden.

Offenbar waren knapp zwei Jahre des koordinierten Drucks von enttäuschten OMGUS-Pädagogen, engagierten Regierungsvertretern in Washington und Teilen des amerikanischen Volksbildungs-Establishments erforderlich, um jene „drastische Veränderung" im Status von ERA zu bewirken, die es der jetzigen „Educa-tion and Cultural Affairs Division" ermöglichte, ernsthaft die Reform des Schulsystems zu betreiben Eine im August 1946 nach Deutschland geschickte Kommission führender amerikanischer Pädagogen setzte sich für ein Reformprogramm ein, das bereits zuvor von der ERA propagiert worden war Als entscheidend erwiesen sich dabei jene Hinweise im Arbeitsbericht der Zook-Kommission, daß Interventionen vonnöten seien, da freundliche Ratschläge an die Adresse der Deutschen nicht ausreichten. Weiterhin müsse die Volksbildungsabteilung einen ihren Aufgaben angemessenen Status auch und gerade gegenüber General Clay bekommen. Dennoch verging fast noch ein weiteres Jahr mit der Suche nach einem „big name", einen Abteilungsleiter, den Clay als Partner akzeptieren konnte Es war charakteristisch für diesen eigensinnigen Militärgouverneur, daß er sich als Stabsoffizier nach einer entscheidenden Kursschwenkung hartnäckig für ein Programm einsetzte, das er vorher mit gleicher Kraft hinauszuschieben versucht hatte.

Clay hat später in seinen Memoiren festgehalten: „Die deutsche Unfähigkeit, demokratische Freiheit wirklich zu erfassen, hat sich auf keinem anderen Gebiet außer vielleicht auf dem der Schulreform so deutlich gezeigt" wie bei der Verfassung von Presse-und Rundfunk-gesetzen Rückblickend wird man jedoch sagen können, daß offenkundig nicht nur die Deutschen Schwierigkeiten im Umgang mit der Demokratie hatten.

über das Demokratisierungspotential im Nachkriegsdeutschland hat Leonard Krieger 1970 geschrieben, dieses Potential hätte sich zu keinem Zeitpunkt als „bestimmte Eigenschaften, Gruppen oder Einrichtungen identifizieren" lassen, „sondern nur als ein Prozeß". Es war ein Prozeß der Interaktion — so würde ich hinzufügen —, bei dem die Wahrnehmungen und die gegenseitigen Erwartungen der Amerikaner und Deutschen voneinander letztlich darüber befanden, welche Art von Veränderungen und wie weitgehend Veränderungen eigentlich möglich waren

Der Maßstab für den geplanten politischen Wandel, den die Amerikaner auf Deutschland angelegt hatten, war durch die Entstehung des Marshall-Plans und des Kalten Krieges insofern geändert worden, als nun der Antikommunismus in die Demokratisierungsvorstellungen einverleibt wurde. Und doch war es nicht der Antikommunismus, der nun von 1948 bis 1949 sich direkt auf die Demokratisierungsanstrengungen negativ auswirkte, sondern eine andere Konsequenz der neuen Politik: nämlich der Zwang, so schnell wie möglich einen westdeutschen Staat zu schaffen, der unter dem Dach einer Hochkommission stehen sollte, die tatsächlich nur noch über begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten verfügen würde. Hinsichtlich General Clays Militärregierung war die Bereitschaft zum Rückzug allerdings nicht erst eine Konsequenz des Kalten Krieges. Bereits seit dem Jahreswechsel 1945/46 hatte man den deutschen Politikern mehrfach Anlaß zur Vermutung gegeben, daß zwar einige Amerikaner einen direkten institutionellen Wandel herbeiführen wollten, daß es aber zugleich andere und in der politischen Rangskala wichtigere Vertreter der US-Regierung gab, die sehr daran interessiert waren, Voraussetzungen für den Abbau direkter Kontrollen zu finden.

Autokratisches Verhalten der Besatzungsmacht

Hinzu kommt weiterhin, daß in der gesamten Periode der „künstlichen Revolution", die von der amerikanischen Militärregierung in Deutschland durchgeführt werden sollte, bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen verlangt waren, die auf eine Mißachtung, ja Verächtlichmachung der demokratischen Kräf-te in Deutschland hinausliefen Dabei mußte man auf eben diese Kräfte in dem Augenblick bauen, als OMGUS freiwillig auf eine durch Befehle erfolgende Gesetzgebung verzichtete. Vorurteile, die nur auf eine Unterschätzung des demokratischen Potentials der Deutschen hinausliefen, rechtfertigten zugleich auf dubiose Weise die autokratischen Verhaltensmuster, die jeder Militärregierung eigen sind. Diese Einstellungen gingen Hand in Hand mit einem illusionären Prinzip, die Militärregierung sei hinsichtlich der deutschen Innenpolitik überparteilich und neutral. Diese Illusion hinderte OMGUS nicht daran, eine kapitalistische Ent-Wicklung der deutschen Volkswirtschaft vorzubereiten, sie beeinträchtigte jedoch die Tätigkeit jener amerikanischen Reformer, die in Übereinstimmung mit den vorgegebenen politischen Richtlinien auf eine Liberalisierung der politischen und gesellschaftlichen Institutionen hinarbeiteten.

In der Praxis lief dies beispielsweise darauf hinaus, daß nichts unternommen wurde, um den deutschen Eltern zu zeigen, wie sehr das Programm zur Änderung des Schulsystems auf deutsche und nicht allein auf amerikanische Reformtraditionen zurückging Deutsche Anhänger der Schulreform wurden nicht dazu ermutigt, sich über die Zonengrenzen und Parteien hinweg zu organisieren. Indem die Amerikaner die Lizenzierung von Parteizeitungen nicht zuließen, wirkten sie gewollt oder ungewollt darauf hin, daß die von der ICD geförderten Gesetze zum Schutz der Presse vor Regierungseingriffen nicht von den Landtags-abgeordneten genügend unterstützt wurden Insgesamt zog es General Clay vor, die Macht an die deutschen Regierungs-und Verwaltungseliten zurückzugeben. Sie sollten auf Parlamente und Parteien einen bestimmenden Einfluß ausüben — und nicht umgekehrt. Amerikanische Programme für die Förderung einer „grass roots democracy" in Deutschland erwiesen sich als künstlich, da sie prinzipiell nicht mit dem ernsthaften Bemühen einhergingen, die Bürger zum Engagement für wichtige politische Fragen zu animieren. Anstatt also das jeweils vorhandene demokratische Potential im Volk systematisch zu aktivieren, anstatt die Selbstorganisation verschiedener Interessengruppen diskret zu fördern und sich mit ihnen je nach Anlaß zu verbinden, verließ OMGUS sich auch nach 1947 hauptsächlich auf die autokratische Praxis, den deutschen Instanzen Richtlinien für die Gesetzgebung zu erteilen und dann Gesetzentwürfe zurückzuweisen, wenn diese Anweisungen nicht befriedigend berücksichtigt worden waren.

Daß dieses Problem anders und besser gelöst werden konnte, wurde am Beispiel des Versuchs, die Kommunalverwaltung in der britischen Zone zu reformieren, demonstriert. Die Engländer haben sorgfältig und vorsichtig den Weg für eine Gesetzgebung geebnet, auf dem die örtliche Selbstverwaltung in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nach britischem Vorbild neustrukturiert wurde. Mit geduldiger Beharrlichkeit und Zurückhaltung hatten sie bei verschiedensten Regierungsinstanzen und über die Parteigrenzen hinweg ein gemeinsames Interesse an der Einführung von institutioneilen Veränderungen wachgerufen, das auch den Abschluß der Besatzungsperiode überleben sollte

Der Eklat in Bayern Was die Volksbildung betraf, mußte vom April 1947 bis zum Frühjahr 1948 jedes Land der US-Zone die geplante Reformgesetzgebung dreimal umschreiben und neu vorlegen, bis die während der gleichen Zeit schrumpfende Liste von Minimalforderungen der Militärregierung erfüllt war. In Bayern trat der stärkste Widerstand zu Tage: Die Amerikaner befürchteten, daß dort eine erfolgreiche Opposition auch die Reformbestrebungen in den anderen Ländern lähmen würde Deshalb erklärte Genera). Clay dem Ministerpräsidenten Hans Ehard im November 1947 unmißverständlich, daß die Mindestforderung in einem dritten Gesetzentwurf unbedingt befolgt werden müsse. Aber schon zu dieser Zeit waren Clay die Hände teilweise gebunden. Intern redete er zwar davon, daß er eventuell Alois Hundhammer seines Postens als Kultusminister entheben müsse, aber im Herbst 1947 galt es bereits als unwahrscheinlich, daß Clay so weit gehen konnte. Man hätte wissen müssen, daß die deutschen Politiker, die diesen Gesetzen ihre Zustimmung nur wegen des amerikanischen Druckes gaben, sich nicht mit dem Argument trösten würden, die Vereinbarung sei provisorisch, weil die ihr zugrunde liegenden Prinzipien nur unter Zwang erfüllt wurden

Clay hatte sich charakteristischerweise eingebildet, er könne dieses Problem lösen, indem er den Länderregierungen nahelegte, ihre Parlamente zu umgehen und die erwünschten Reformen per Anordnung in Kraft zu setzen An dieser Illusion hielt er sogar noch fest, als Hundhammer und Ehard in aller Öffentlichkeit von einem solchen Kompromiß abrückten Die Länderregierungen beharrten natürlich darauf, daß die Parlamente auch in diesem Fall ihrer demokratischen Pflicht nachkäme

Im Frühjahr 1948 war OMGUS bereits so pessimistisch, daß es nur noch jene Minimalforde-rungen stellte, deren Durchsetzung ihrer Meinung nach bis Ende 1949 erzielt werden könne. Für Bayern bedeutete dies im kommenden Schuljahr die Unterrichtsmittel-und Schulgeld-freiheit und bis Herbst 1949 ein 5. Grundschul-jahr sowie die universitäre Ausbildung von Grundschullehrern Dennoch nahm der Landtag die wirtschaftliche Situation, die Geldknappheit nach der Währungsreform, zum Anlaß, jegliche Entscheidung hierüber zu verschieben. Daraufhin befahl Clay dem Ministerpräsidenten Ehard energisch, mit Beginn des nächsten Schuljahres auf Schul-und Lehrmittel-geld zu verzichten Doch jetzt fanden sich nicht einmal die reformfreundlichen Sozialdemokraten und Liberalen in Bayern bereit, diesen Affront des Militärgouverneurs hinzunehmen. Das Drama endete mit neuen Versprechungen, die letztlich ebenfalls gebrochen werden sollten

Bayern blieb bei den Vier-Klassen-Volksschu-len und hielt damit an einem Bildungssystem fest, das durch Zwergschulen und — als Konzession — durch eine Stunde Sozialkundeunterricht in der Woche gekennzeichnet war. 1951 wurde die SPD-Regierung in Hessen durch die konservative Welle dazu gezwungen, auf die bereits zugesagte Einführung der Einheitsschule zu verzichten. Im Jahre 1957 wurde selbst in Bremen wiedef ein System hergestellt, wonach die potentiellen Gymnasiasten nur vier Jahre mit den unterprivilegierten Kindern in der Grundschule zubringen mußten

Zu dieser Entwicklung hat der antikommunistische Kurswechsel wie auch ein verändertes politisches Klima beigetragen. Clays verspäteter, aber dafür um so hartnäckiger unternommene Versuch, das deutsche Schulsystem zu demokratisieren, dürfte zum Teil vom Wunsch motiviert gewesen sein, die reaktionären Kräfte nicht von einem neuen Kurs profitieren zu lassen, den er selbst kurz zuvor noch bekämpft hatte. So wurde er schließlich auch gezwungen, sein unnachgiebig verteidigtes, aber fehlkonstruiertes Entnazifizierungsprogramm ebenso aufzugeben wie die De-kartellisierung, an der ihm zuvor ebenfalls gelegen war Seinem Durchsetzungsvermögen standen jedoch seine autokratischen Neigungen entgegen Es ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich, daß Clay genau in den Tagen, da er den westdeutschen Ministerpräsidenten hinsichtlich der Schulreform Befehle erteilte aus seiner Verbitterung kein Hehl machte, daß sie seinem Drängen nach der Gründung eines westdeutschen Staates nur bedingt entgegenkamen, da sie den Staat betont als Provisorium bezeichneten und ihm keine Verfassung, sondern nur ein Grundgesetz geben wollten

Ein Bischof aus North Dakota Die von Clay offensiv verfolgte Schulreform ist von deutschen Konservativen behindert worden, die angesichts des Antikommunismus plötzlich Oberwasser bekamen. Ein typisches Beispiel war die einflußreiche Wirkung von Bischof Alois Muench aus Fargo, North Dakota, der sich rühmte, das humanistische Gymnasium in Bayern gerettet zu haben. Obwohl er den amerikanischen Streitkräften als General-Vikar zugeordnet war, vertrat er in Deutschland offiziell nicht nur die amerikanische Kirchenhierarchie, sondern auch den Vatikan Muench konnte Kardinal Faulhaber mehrfach dazu überreden, sich der Schulreform in Bereichen zu widersetzen, die konfessionelle Belange offenkundig nicht tangierten „Was er ablehnte, nannte er willkürlich . nazistisch', . kommunistisch’, . sozialistisch’, , undemokratisch’ oder sogar . unamerikanisch'." Mit solchen Charakterisierungen wandte er sich nicht nur gegen die Militärregierung, sofern diese sich bei ihrem Programm zur Reform des deutschen Schulwesens auf die liberale Tradition des amerikanischen Bildungssystems berief Ähnlich ging er auch gegen die intellektuelle Urbanität des „Monat“ vor, einer höchst wirksamen antikommunistischen Zeitschrift, die im Rahmen von General Clays In-formationsprogramm „back talk“ (vgl. S. 44) gegründet worden war. Muench erklärte immer wieder, „Der Monat" werde von einem „New York Jew" herausgegeben. Er tat alles mögliche, um die Einstellung des „Monat" zu bewirken und behauptete sogar, daß auf sei-nen Einfluß hin dem „Monat" 1954 die amerikanische Finanzierung entzogen worden sei Im Verlauf der Polemik, die Anfang der fünfziger Jahre mit der Demontage der Schulreform einherging, bedienten sich die deutschen Reformgegner des Arguments, es sei eine impertinente amerikanische Zumutung, im Westen ein Schulsystem einführen zu wollen, das mit dem kommunistischen in Ostdeutschland faktisch identisch sei Es erübrigt sich beinahe die Feststellung, daß Ende der sechziger Jahre, als in der Bundesrepublik eine Schulreformbewegung auf den Plan trat, von ihr all die Forderungen vertreten wurden, die von den Amerikanern damals nicht verwirklicht werden konnten.

Antikommunismus in der Medienpolitik?

Mit sehr viel größerem Erfolg gelang es OMGUS, für die Presse und den Rundfunk einen juristischen Schutz der Pressefreiheit zu garantieren. Allerdings erwies sich auch hier die radikale Kehrtwendung als hinderlich, die im Zusammenhang mit der Gründung eines den Kommunismus eindämmenden westdeutschen Staates zum übereilten Abbau aller Kontrollen führte. Hinsichtlich der Gesetzgebung hatte der Rundfunk es leichter als die Presse. Nach Meinung von Barbara Mettler ist es nur auf das zweijährige Insistieren von ISD an einer adäquaten Rundfunkgesetzgebung zurückzuführen, daß es in Bayern und Baden-Württemberg nicht zu einer Restauration staatsmonopolistischer Verhältnisse kam

In den folgenden Jahren sollten die Länder-regierungen und politischen Parteien langsam an dem BBC-Vorbild Geschmack finden, wonach der Rundfunk und das Fernsehen als Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben werden. Innerhalb dieses Rahmens konnten sie allerdings ihren Handlungsspielraum im Laufe der Zeit vergrößern, indem sie entweder mehr Machtvollkommenheiten in die Hände eines von der Mitgliederzahl beschränkten und daher von der Regierung stärker kontrollierten Verwaltungsrates legten oder indem sie einen höheren Prozentsatz von Landtagsabgeordneten in die Rundfunkräte delegierten. Letzteres sollte im Jahre 1951 eine öffentliche Kontroverse zwischen einem machtlosen amerikanischen Land Commissioner und dem Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden provozieren Einen größeren Einfluß konnten die Parteien auch indirekt erreichen, indem sie über die Gewerkschaften, Kirchen, Handelskammern usw. Repräsentanten in diese Körperschaften entsandten, die ebenfalls parteilich gebunden waren.

Der föderale Staatsaufbau und die daraus resultierende Dezentralisierung erwiesen sich jedoch insgesamt als so gefestigt, daß Konrad Adenauers Versuche, in den fünfziger Jahren die Massenmedien unter die Kontrolle der Bonner Regierung zu bringen, scheiterten Nicht verhindert werden konnte jedoch, daß das zur Unterbindung einer direkten Staatskontrolle geschaffene System dem spezifisch deutschen parlamentarischen Proporz-Denken zum Opfer fallen sollte Im Falle eines tief-greifenden Konflikts neigen die Rundfunk-und Verwaltungsräte gegenwärtig dazu, die „Neutralität“ oder „Objektivität" einer kontroversen Sendung an dem Kriterium der Par-teipolitik zu messen und nicht an den Maßstäben eines unabhängigen, im öffentlichen Interesse den unbequemen Fakten nachforschenden Journalismus Von den deutschen Rundfunk-und Fernsehjournalisten kann man auf jeden Fall mit Fug und Recht behaupten, daß sie die in der Besatzungsperiode ihnen eingeräumten Vorrechte auch gegenwärtig hartnäckig verteidigen. Die Freiheit der Kritik, die ihnen seinerzeit von den britischen und amerikanischen Rundfunkoffizieren eingeräumt wurde, ist ihnen in guter Erinnerung geblieben.

Der Antikommunismus hat sich also — dies wird man zusammenfassend festhalten können — auf die amerikanische Reformpolitik hinsichtlich der deutschen Rundfunkgesetzgebung nicht sonderlich schädlich ausgewirkt. Dabei erwiesen sich die westdeutschen Rund-funkstationen für die Amerikaner als wichtige Werkzeuge während des Kalten Krieges. Als jedoch bestimmte Dienststellen mit diesem Argument während der Berliner Blockade die Übergabe der Sender an die deutschen Rundfunkräte zu verhindern suchten, wurden solche Bedenken verworfen. Andererseits hat sich die amerikanische Hochkommission Adenauer widersetzt, als er 1950/51 seinen ersten Versuch unternahm, die Rundfunksender unter die Kontrolle der Bundesregierung zu stellen

Die Hypothese, der Antikommunismus habe einen negativen Einfluß auf die Demokratisierungstätigkeit der Nachrichtenmedien ausgeübt, wird hauptsächlich mit zwei Argumenten begründet: Zum einen wird berechtigterweise darauf verwiesen, daß es eine von den Amerikanern initiierte politische Säuberung des deutschen und des amerikanischen Personals gegeben habe, in dessen Verlauf nicht nur Kommunisten und Mitläufer ausgeschaltet wurden Zum anderen wird behauptet, daß das gegen Nazi-Einflüsse gerichtete Umerziehungsprogramm der Amerikaner eben wegen der antikommunistischen Kursänderung geschwächt wurde

Sieht man einmal ab von dem übergreifenden Problem, wie — oder ob überhaupt — Antikommunismus in Deutschland mit einer Demokratisierung der politischen Kultur des Landes kurz nach der Niederlage des Nazismus in Einklang gebracht werden konnte, so scheint mir, daß sich diese These in dem Augenblick nicht mehr aufrechterhalten lassen wird, wenn man mit den empirischen Methoden der Inhaltsanalyse umfassend und systematisch die Auswirkungen jener Kämpfe um Macht und Einfluß untersucht, die sich von 1947 bis Mitte der fünfziger Jahre in den Massenmedien abgespielt haben. Die Tatsache, daß das fehlkonstruierte Entnazifizierungsprogramm bereits vor dem Herbst 1947 jegliche Effektivität verloren hatte, stützt die Vermutung, daß nazifeindliche deutsche Journalisten ebenfalls im Laufe der Zeit den Problemen der Vergangenheitsbewältigung eine immer geringere Aufmerksamkeit geschenkt haben. Auf die kommunistische Parteipresse in Ostdeutschland trifft dies für die Periode 1946— 1947 zweifellos zu. Schließlich lag es auf der Hand, daß die konservativen Elemente in dem Augenblick zwangsläufig einen größeren Einfluß auf die Presse-und Rundfunk-redaktionen ausüben konnten, als ISD die Kontrollen über die Medien abbaute. Dennoch hat der beginnende Antikommunismus mit die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Konservativen ihren Handlungsspielraum erweitern konnten. Und bei manchen deutschen Konservativen, die sich erst nach der Niederlage und Besetzung Deutschlands zur freiheitlichen Demokratie bekannt hatten, war die Wahrscheinlichkeit groß, daß der Antikommunismus zu einem Instrument der Repression und der Intoleranz wurde.

Schließlich muß auch genauer untersucht werden, wie sich das Programm „Operation backtalk" der von ISD neu gegründeten „Political Information Branch“ (PIB) nach dem Oktober 1947 weiter entwickelte. Daß dieses Programm eine seit langem überfällige defensive Reaktion auf die sowjetischen Propagandaangriffe darstellte, gilt heute nicht mehr als umstritten

Wendet man sich PIB’s ersten Aktivitäten zu — den ersten „reorientation“ -Serien im Rundfunk, der Gründung des „Monat" oder der Herausgabe von Studien über die Geschichte der kommunistischen Fraktionen in der deutschen bzw. russischen Arbeiterbewegung —, so erkennt man sofort die Absicht, die Kampagne in die allgemeinen Demokratisierungsbemühungen zu integrieren und diese zu erläutern. Doch bereits vor dem Ende der Berliner Blockade lag das Schwergewicht der PIB-Tätigkeit nicht mehr bei der „Schlacht der Fakten und Ideen" mit dem Kommunismus. Das Büro der PIB war von Berlin in den Frankfurter Raum verlagert worden, da es jetzt des darum ging, die Integration westdeutschen Staates in eine westeuropäische -Wirtschafts gemeinschaft zu fördern und gleichzeitig in über die amerikanische Politik und Lebensweise zu informieren („Amerika-Dienst"). Die deutschsprachigen Sendezeiten, die OMGUS und später HICOG der „Voice of America" („Stimme Amerikas") wie auch den offiziellen Repräsentanten der Besatzungsmacht einräumten, dienten ebenfalls vordringlich diesem Zweck. Obwohl man der Hörerpost entnehmen konnte, daß die in gebrochenem Deutsch gehaltenen Vorträge der offiziellen Sprecher weitgehend wirkungslos blieben konnte PIB die Militärgouverneure der Länder nicht daran hindern, vor das Radio-mikrophon zu treten, überhaupt bestand das Grundproblem von PIB darin, daß sich seine Jurisdiktion nur auf jene Medien beschränkte, die im Rahmen dieses Programms gegründet worden waren

Hinsichtlich des Inhalts war die Tonart der „Umerziehungs" -und „Demokratisierungs" -Themen des amerikanischen Informationsprogramms im Jahre 1949 nicht so sehr antikommunistisch als vielmehr pro-westlich und pro-amerikanisch. Der mit dem Übergang von OMGUS zu HICOG einhergehende Personalabbau hatte im übrigen zur Folge, daß von den durch die PIB gegründeten antikommunistischen Informationsprogrammen nur noch zwei Veröffentlichungen für Intellektuelle übriggeblieben waren, nämlich der „Monat" und die „Ostprobleme" Erst im weiteren Verlauf des Kalten Krieges und besonders nach dem Ausbruch des Korea-Konflikts nahm der Antikommunismus eine stabilere Dynamik an.

Aus dem bisher Gesagten geht also hervor, daß man bei dem Urteil über den Wandel und die Effektivität des amerikanischen Versuchs, während der OMGUS-Periode und danach die politischen und kulturellen Institutionen Deutschlands zu liberalisieren, erheblich differenzieren muß: Da wären einerseits die widersprüchlichen Aspekte der Wirkung des Antikommunismus auf die amerikanischen Absichten und Leistungen in der Anfangsperiode. Andererseits müßte herauskristallisiert werden, wie aus der Wiederkehr des Antikommunismus das deutsche politische Verhalten mit-geformt wurde — im Prozeß der Wiedergewinnung Selbstbestimmung und der Rückkehr konservativer gesellschaftlicher Kräfte an die Macht. Es muß in diesem Zusammenhang festgehalten werden, daß diese letzteren Entwicklungen auf dem Gebiet der Massenmedien nicht die liberalen Reformen zu zerschlagen vermochten — ganz im Gegensatz zur Schulreform, wo die Tendenzwende total war.

Ausgang und Nachwirkungen der Reformversuche

Im Fall der lizensierten Presse konnte ICD/ISD ihre enge und sorgfältige Förderung der Lizenzzeitungen bis zum September 1949 fortsetzen. Dies hatte zur Folge, daß die Lizenzträger der Zeitungen mehr als ein Jahr nach der Währungsreform sich mit der harten Währung und den Bedingungen des freien Marktes vertraut machen konnten, ehe für sie der Wettbewerb mit den Zeitungen der Parteien und der Altverleger begann. Dafür hatte ISD gesorgt: Sie hatte bis zum Oktober 1948 gewartet und erst dann die Länderregierungen formal aufgefordert, Pressegesetze zu entwerfen, die noch vor Aufhebung der Kontrollen bestätigt werden mußten. Dieses Verfahren hatte einen Nachteil: Der Zeitfaktor war auf der Seite der Länderregierungen und -Parlamente. Die Pressegesetze der Länder, denen OMGUS schließlich im Sommer 1949, also wenige Monate vor der Umwandlung in HICOG, zustimmen mußte, stellten für die ISD eine Enttäuschung dar

Die verschiedensten Arten von Schikanen wie auch wiederholte Versuche deutscher Behörden, die Lizenzblätter zu bestrafen oder ihnen einen Maulkorb aufzusetzen, hatten demonstriert, daß die Kommunen und Länderregierungen den Zeitungen nicht jenen Status einer unabhängigen öffentlichen Dienstleistung zu geben bereit waren, der Voraussetzung für jede Pressefreiheit darstellte. Wäre OMGUS kurz vor seiner Auflösung nicht so in Zeitnot geraten, so hätte ISD zweifellos auch nicht gezwungen werden können, Gesetze hinzunehmen, die nach Ansicht der Presseoffiziere nicht ausreichten, um die Zeitungen vor bestimmten Formen des staatlichen Zwangs zu schützen.

Außer in Bayern mußten Zeitungen weiterhin „Berichtigungen" veröffentlichen, ohne die Möglichkeit zu haben, gegen wissentlich falsche Inhalte rechtlich vorzugehen. Nach wie vor konnte ein Journalist angeklagt werden, wenn er die Quelle seiner Meldungen nicht preisgab. Berücksichtigt man andererseits die verschiedenen Strafklauseln, die ISD aus den deutschen Gesetzesentwürfen entfernen konnte, dann muß die Reform der Presse-Gesetzgebung eindeutig als progressiv bezeichnet werden. In jedem Ländergesetz war das Prinzip festgehalten, daß die Nachrichtenmedien einen quasi-öffentlichen Status besaßen und daß die Regierungen verpflichtet waren, den recherchierenden Journalisten Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Gefahr willkürlicher Beschlagnahmungen hatte man reduziert. Als noch bedeutsamer jedoch erwies sich der Umstand, daß die später ohne ISD-Kontrolle zustande gekommene deutsche Pressegesetzgebung diese Errungenschaften nicht aufgab, sondern eher zu einem weitergehenden Rechtsschutz tendierte.

Verschiedene Faktoren können dafür verantwortlich gemacht werden, daß sich die Pressefreiheit in der Bundesrepublik etablieren konnte, während die Schulreform durchgängig scheiterte. Bei der Presse spielte wohl eine entscheidende Rolle, daß die um das Regierungsmandat kämpfenden rivalisierenden Parteien die Stärke besaßen, um auf dieser Freiheit zu bestehen. Dagegen hat sich bisher kein gesellschaftliches Machtzentrum herausgebildet, das entschieden genug daran interessiert gewesen wäre, mit einem Bildungssystem aufzuräumen, welches die überlieferte Klassen-aufspaltung zementierte Das Bemühen um Selbstverwirklichung durch Bildung, das für die deutsche Arbeiterbewegung früher so charakteristisch war, ist nach 1945 nicht mehr kraftvoll auf den Plan getreten.

Journalisten, die während der Lizenzperiode ausgebildet wurden, haben wahrscheinlich mehr für die Erhaltung der Pressefreiheit gesorgt als die Eigentümer der Lizenzen. In den Jahren 1949/50 gingen die Lizenzträger fast ohne Schaden aus dem Pressekrieg mit den Altverlegern hervor, der nach der Aufhebung der Kontrollen ausgebrochen war. Danach stellte ihnen HICOG die juristischen und finanziellen Mittel zur Verfügung, die viele Li-zenzträger benötigten, um sich eine angemessene Kapitalausstattung zu besorgen. Ihre politische Verpflichtung zur Pressefreiheit erwies sich jedoch oft schwächer als ihr Profitmotiv. Von daher resultierten die Zusammenschlüsse, Ausverkäufe sowie die verschiedensten Formen der Anpassung an die Altverleger. Und doch sind die früheren Lizenzzeitungen im allgemeinen dem Widerstand gegen autoritäre Entwicklungen in den fünfziger und frühen sechziger Jahren treu geblieben — wenn sie auch gegen diese Tendenzen nicht sonderlich phantasiereich und energisch gekämpft haben. Allein durch ihre Existenz haben sie in dieser Periode die Renaissance eines extrem nationalistischen Journalismus verhindert. Hinzu kam, daß die regionale Expansion und Lebenskraft vieler früherer Lizenzblätter in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone bis zum heutigen Tage ein Gegengewicht dargestellt hat zum ständigen Vordringen des Springer-Konzerns in diesem Gebiet.

Parteizeitungen, die von den Engländern und Franzosen lizensiert wurden — ob sie nun parteiorientiert waren oder sich in Parteibesitz befanden —, haben sich in den meisten Fällen nicht so gut entwickeln können.

Im übrigen zeichnet sich die vom freien Unternehmertum getragene westdeutsche Presse gegenwärtig durch ein Desinteresse an „investigative journalism" (also an der kritischen Faktensammlung) und durch eine provinzielle Farblosigkeit aus, die auf ihre Weise ebenfalls eine Nachwirkung des Beharrens der amerikanischen Pressegründer auf Regionalzeitungen mittlerer Größe darstellt. Die Mittelmäßigkeit der kommerziellen Lokalpresse steht jedoch in einem Kontrast zu dem kritischen Niveau, das jene Journalisten noch immer aufzubringen vermögen, die im deutschen Rundfunk oder im Fernsehen tätig sind.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Office of Military Government for Germany, United States.

  2. John Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland 1945— 1949, Frankfurt 1971.

  3. John Gimbel, The Origins of the Marshall Plan, »tanford 1976.

  4. Als eine umfassende und ausgewogene Darstellung vgl. Lutz Niethammer, Ulrich Borsdorf und Peter Brandt (Hrsg.), Arbeiterinitiative 1945 — Antifaschistische Ausschüsse und Reorganisation der Arbeiterbewegung in Deutschchland, Wuppertal 1976, sowie Leonhard Krieger, The Interregnum in Germany, March—August 1945, in: Political Science Quarterly, 64 (1949), S. 507 f.

  5. Vgl. Eberhard Schmidt, Die verhinderte Neuordnung 1945— 1952, Frankfurt 1970; Ernst-Ulrich Hu-ster/Gerhard Kraiker/Burkhard Scherer/Friedrich-Karl Schlotmann/Marianne Welteke, Determinanten der Westdeutschen Restauration 1945— 1949, Frankfurt 1970; Rolf Badstübner und Siegfried Thomas, Restauration und Spaltung. Entstehung und Entwicklung der BRD 1945— 1955, Köln 1975.

  6. Harold Hurwitz, Die Stunde Null der deutschen Presse. Die amerikanische Pressepolitik in Deutschland 1945— 1949, Köln 1972, S. 325— 339.

  7. Wenn im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kalten Krieges in Deutschland solche Unterscheidungen getroffen werden, tut man gut, die Entwicklung des Antikommunismus und des demokratischen Selbstverständnisses der Bevölkerung in Berlin und in Westdeutschland zu vergleichen. Die Rollen der Amerikaner und der Deutschen entwikkelten sich in Berlin anders als in den Besatzungszonen. Die Amerikaner in Berlin entschieden sich erst nach dem Oktober 1947 dazu, einen von der Bevölkerung getragenen Kampf gegen kommunistische Vorherrschaft konsequent zu unterstützen, den Sozialdemokraten und Gewerkschaftler bereits seit dem Frühjahr 1946 organisiert hatten. Der antikommunistische Widerstandskonsens der Berliner Bevölkerung ging aus dem immer breiter werdenden politischen Engagement unterschiedlicher Grup-

  8. Barbara Mettler, Demokratisierung und Kalter Krieg. Zur amerikanischen Informationsund Rundfunkpolitik in Westdeutschland 1945— 1949, Reihe:

  9. Die in Suitland Maryland bei Washington D. C. gelagerten OMGUS-Records der U. S. National Archives werden gegenwärtig systematisch registriert und für die Benutzung in der Bundesrepublik auf Mikrofiches kopiert. Bis zum Abschluß dieses Programms dürfte es noch einige Jahre dauern. Das gesamte Material wird schließlich in das Bundes-archiv Koblenz kommen und Duplikate — je nach regionalen Gesichtspunkten —in die Landesarchive München, Stuttgart, Frankfurt, Bremen und Berlin sowie nach forschungsthematischen Schwerpunkten in das Institut für Zeitgeschichte in München und in das Zentralarchiv für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin.

  10. Vgl. in der Folge Henry P. Pilgert, Press, Radio and Film in West Germany 1945— 1953, Historical Division, Office of the US High Commissioner for Germany, 1953, S. 24— 31, 43— 55; Hurwitz, a. a. O., S. 117— 299.

  11. Vgl. Richard Strauß, Postwar Developments of the German Press, in: Department of State Bulletin, Bd. 28/713, S. 298.

  12. Oron J. Hale, The Captive Press in the Third Reich, Princeton 1964.

  13. Hurwitz, a. a. O., S. 193.

  14. Der Lizenzträger-Kreis der „Frankfurter Rundschau" war sich anfänglich darüber einig, daß das Blatt nach Beendigung der Besatzung in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt werden sollte. Der kommunistische und der sozialdemokratische Lizenzträger behaupteten, die zuständige Kontrollinstanz der Besatzungsmacht hätte ihnen entsprechende Zusagen gemacht („Frankfurter Rundschau", 22. September 1945, S. 1). Diese Konzeption wurde in Hessen von Lizenzträgern der unterschiedlichsten Parteiorientierungen geteilt. Jedoch wollte die Mehrheit der Lizenzträger davon nichts wissen. Der amerikanische Presseoffizier für Hessen, Anderson, erklärte den Lizenzträgern im Oktober 1946, Experimente mit Stiftungen seien nicht zulässig. Auch später wurde mehrfach die Bereitschaft bekundet, die Eigentumsform einer Stiftung zu übernehmen, aber in der Praxis von den Lizenzträgern nicht eingehalten — so zum Beispiel im Falle der „Stuttgarter Zeitung", der Münchener „Abendzeitung" sowie der „Süddeutschen Zeitung". Vgl. Helmut Cron, Lizenzen — Geschäft oder Legende?, in: 25 Jahre freie deutsche Presse, Der Journalist, 1974, Sondernummer; Klaus Dietlef Funke, Innere Pressefreiheit. Zu Problemen der Organisation von Journalisten, Pullach 1972, S. 49. Eine gute Übersicht dazu enthält die Magisterarbeit von Veronika de Saram, Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin.

  15. Hans Ulrich Reichert, Der Kampf um die Autonomie des deutschen Rundfunks, Heidelberg und Stuttgart 1952, S. 348— 376; Heinz Wilkens, Die Aufsicht über den Rundfunk, Diss. Frankfurt 1965, S. 41 ff.

  16. Liselotte von Reinken, Rundfunk in Bremen. Eine Dokumentation, Radio Bremen 1975, S. 51 f.

  17. Möglicherweise haben Erwägungen der militärischen Sicherheit dazu beigetragen, daß deutsche Rundfunkstationen 1945/46 nicht als Privatunternehmungen lizensiert wurden. Der von den Amerikanern offiziell betriebene Drahtfunksender in Berlin, aus dem später der RIAS hervorging, wurde ursprünglich unter deutschem Recht als eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Dieser Weg wurde gewählt, um die umständlich-bürokratischen Anschaffungsvorschriften der US-Militärverwaltung zu umgehen. Allerdings mußte dieser Status aufgegeben werden, als RIAS bald der Bankrott drohte. Vgl. D. G. White, US Military Government: Radio Reorientation, Historical Division, European Command, Karlsruhe 1950 (vervielfältigt), S. 124.

  18. Reichert, a. a. O., S. 24; Mettler, a. a. O„ S. 106.

  19. Pilgert, a. a. O., S 30. Der Plan, die Rundfunk-stationen den Deutschen schon zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt zu übergeben, zerschlug sich. Angesichts dieser Gefahr war Field Horine, der leitende Radio-Kontroll-Offizier in Bayern, unter Protest zurückgetreten. Barbara Mettler spielt diese Episode hoch, um zu beweisen, daß der Antikommunismus schon damals die nazifeindliche Umorientierungspolitik der Amerikaner ernsthaft behinderte, ignoriert dabei sowohl den Ausgang als auch die Tatsache, daß Clays Absichten ein ganz anderes Ziel verfolgten (Mettler, a. a. O., S. 199 bis 201).

  20. Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik, passim; Gimbel, The Origins of the Marshall Plan, S. 201— 222, 235, 277. Man stößt immer wieder auf die entschieden vertretene Annahme, die amerikanischen Bemühungen zur Verhinderung der Sozialisierung in Westdeutschland hätten nicht nur wesentlich zur kapitalistischen Entwicklung der Bundesrepublik beigetragen, sondern sie hätten diese Entwicklung geradezu zwangsläufig gemacht. Bei dieser Deutung, die „Kapitalismus oder Sozialismus" als einzige Alternative gegenüberstellt, bleibt praktisch kein Raum für die Frage, welche Chancen von den Gegnern einer solchen Entwicklung selbst nicht wahrgenommen wurden. Als General Clay sein Bestmöglichstes unternahm, um die Sozialisierung 1946 hinauszuschieben (im Falle der hessischen Verfassung), dachte er noch in den Kategorien einer gesamtdeutschen Lösung mit der Sowjetunion und rechnete wahrscheinlich damit, daß die zukünftige deutsche Volkswirtschaft sowieso über einen starken sozialisierten Sektor verfügen würde. Der Marshall-Plan für ein geteiltes Deutschland nahm ihm die Illusion einer gesamtdeutschen Verständigung;

  21. James Stewart Martin, All Honorable Men, Boston 1950, S. 186, 197 ff., 235 ff., 266 ff.

  22. Lutz Niethammer, Entnazifizierung in Bayern. Säuberung und Rehabilitierung unter amerikanischer Besatzung, Frankfurt 1972, S. 483— 515.

  23. Hans-Joachim Thron, Schulreform im besiegten Deutschland. Die Bildungspolitik der amerikanischen Militärregierung nach dem Zweiten Weltkrieg, Diss. München 1972, S. 63; Isa Huelz, Schulpolitik in Bayern zwischen Demokratisierung und Restauration in den Jahren 1945— 1950, Diss. Hamburg 1970, S. 166 f.

  24. Zum Thema Dekartellisierung, Bodenreform und Gewerbefreiheit vgl. Hans-Hermann Hartwich, Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher Status quo, Köln 1970, S. 75— 90.

  25. Thron, a. a. O., S. 74— 78; Helen Liddell (Hrsg.), Education in Occupied Germany, Paris 1949, S. 106 ff., 120. Das amerikanische Programm war darüber hinaus auch vereinbar mit den damaligen Überlegungen der englischen, französischen und sowjetischen Pädagogen in Deutschland. Obwohl die Direktive Nr. 54 des Alliierten Kontrollrats solche Fragen wie die Aufsicht durch die Zentral-oder die Länderregierung, die Einheitsschule und den Religionsunterricht offen ließ, verrät der Text dennoch die amerikanische Federführung. Die amerikanischen Bildungsexperten hatten für ihr Vorhaben damit die Zustimmung der vier Mächte bekommen.

  26. Harold Zink, American Military Government in Germany, New York 1947, S. 151— 152.

  27. Harold Zink, The United States in Germany 1944— 1955, Princeton/Toronto/London/New York 1957, S. 195, 199 f.

  28. Jean Edward Smith (Hrsg.), The Papers of General Lucius D. Clay, Germany 1945— 1949, Bd. 1, Indiana University Press, Clay persönlich an Noce, Director, CAD (War Department), vom 31. Januar 1947, S. 308 f.

  29. Smith, a. a. O., Bd. 1. Betr. Hinweise auf eine Identifizierung mit dem „liberalism" siehe: S. 82, 90, 94, 125, 142, 226, 164. In der Zeit nach dem September 1946 finden sich in seinen veröffentlichten Papieren nur zwei solcher Verweise, die sich beide als Gegenüberstellung zum Kommunismus verstehen. Im November 1946 argumentiert er, die Vereinigung Deutschlands würde den „westlichen Liberalismus bis an die Grenzen der Länder unter kommunistischem Einfluß“ ausdehnen; im März 1948 plädiert er für die Förderung einer liberalen Gewerkschaftsbewegung, die sich dem Kommunismus widersetzt, Bd. 2, S. 586.

  30. Mettler, a. a. O., S. 69 f. Sie dokumentiert, wie Clay sich im Herbst 1947 der Forderung des Außenministeriums widersetzte, er solle ein größeres Budget beantragen, um die Drudekosten für sein kurz zuvor begonnenes antikommunistisches Programm „Operation back-talk" finanzieren zu können.

  31. Smith, a. a. O., Bd. 2, Clay persönlich an Draper, vom 9. Oktober 1948, S. 896.

  32. Alf Mintzel, Die CSU. Anatomie einer konservativen Partei, Opladen 1975, S. 104- 123.

  33. Als die Zook-Kommission im Sommer 1946 nach Deutschland geschickt wurde, verfügte die ERA über 71 Personalstellen, von denen nur 55 besetzt waren (Thron, a. a. O., S. 64). Obwohl sich Clay sofort mit dem Bericht der Kommission befaßte (dort war u. a. auch ein radikaler Personalzuwachs

  34. Thron, S. 84 f.

  35. Ebenda, S. 133; Brief von Clay persönlich für Noce, vom 7. August 1947, in: Smith, a. a. O., Bd. 1, S. 394; Zink, The United States in Germany, S. 200 f.

  36. Lucius D. Clay, Entscheidung in Deutschland, Frankfurt/Main 1950, S. 321.

  37. The Potential for Democratisation in Germany, in: John D. Montgomery und Albert Hirschmann (Hrsg.), Public Pollicy, XVII, Cambridge, Mass. 1970, S. 58.

  38. Krieger, a. a. O., S. 35.

  39. Thron, a. a. O„ S. 107, 167.

  40. Hurwitz, a. a. O., S. 166 ff.

  41. Wolfgang Rudzio, Die Neuordnung des Kommunalwesens in der britischen Zone — Zur Demokratisierung und Dezentralisierung der politischen Struktur: Eine britische Reform und ihre Aussage, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 17, Stuttgart 1968.

  42. Thron, a. a. O., S. 104, 107 f.

  43. Im Prinzip hat der dritte bayerische Gesetzentwurf, der schließlich die Zustimmung der Militärregierung fand und danach verabschiedet wurde, eine 6jährige Grundschule und insgesamt 9 Jahre Schulpflicht vorgesehen.

  44. Thron, a. a. O„ S. 108.

  45. Ebenda, S. 123, 128.

  46. Ebenda, S. 155— 157.

  47. Ebenda, S. 147 f.

  48. Ebenda, S. 151.

  49. Zugesagt wurde der schrittweise Verzicht auf das Schulgeld bis 1950/51. Thron, a. a. O., S. 153 bis 155.

  50. Arthur Hearnden, Bildungspolitik in der BRD und DDR, Düsseldorf 1973, S. 40. Obwohl sich die SPD für jene Gedanken der Schulreform ausgesprochen hatte, die mit den Demokratisierungsvorstellungen der Besatzungsmächte übereinstimmten, waren die Bildungsreformer innerhalb der Partei von jeher mit abwertender Unbekümmertheit behandelt worden — ohne daß man sie allerdings völlig ihres Einflusses beraubte.

  51. Niethammer, a. a. O„ S. 483— 537.

  52. Martin, a. a. O., passim.

  53. Smith, a. a. O„ Bd. 1, S. XXXV f.

  54. Huelz, a. a. O., S. 125.

  55. Willy Brandt und Richard Löwenthal, Ernst Reuter. Ein Leben für die Freiheit, München 1957, S. 472— 474.

  56. Frederich Spotts, Kirchen und Politik in Deutschland, Stuttgart 1976, S. 73 ff. Spotts hat für seine Studie Zugang zu den Papieren von Muench gehabt. Muench wurde später päpstlicher Nuntius in Deutschland.

  57. Spotts, a. a. O., S. 76 f. Die französische Regierung forderte den Papst im Februar 1947 auf, Muench aus Deutschland zurückzuziehen. Als dies abgelehnt wurde, wandten sich die Franzosen an Clay. Dieser flog im Oktober 1947 mit Muench in die Vereinigten Staaten, konnte dort aber Kardinal Spellmann nicht davon überzeugen, daß Muench in den USA besser aufgehoben sei. Sieben Monate später, auf dem Höhepunkt der Schulreform-Kontroverse, wurde Clay von Murray van Wagner, dem Land Director of Military Government in Bavaria, erneut angesprochen, den Bischof nach Hause zu schicken, aber nach den vorangegangenen Fehlschlägen wollte Clay es nicht noch einmal versuchen. Spotts, a. a. O., S. 77.

  58. Ebenda, S. 74. Muench war ernsthaft darauf aus, Juden und Emigranten aus der Militärregierung zu säubern.

  59. Ebenda, S. 76.

  60. Ebenda.

  61. Diese vergleichsweise Übereinstimmung bestand definitiv nicht mehr nach dem Jahr 1949, als in der DDR ein starres, eindeutig vom sowjetischen Vorbild übernommenes Schulsystem eingeführt worden war. Heardon, a. a. O„ S. 53— 54.

  62. Mettler, a. a. O., S. 109. OMGUS widersetzte sich diesen Vorschlägen in Württemberg-Baden bis zum April 1949; der Widerstand dort dauerte also ein halbes Jahr länger als in Bayern.

  63. Reinken, a. a. O., S. 114.

  64. Reichert, a. a. O., S. 39— 44.

  65. Rolf Steininger, Rundfunk zwischen Bund und Ländern 1953— 1961. Ein Beitrag zur Innenpolitik Adenauers, in: Politische Vierteljahresschrift, Bd. 17, Nr. 4 (Dezember 1976), S. 474— 519; Rolf Steininger, Rundfunkpolitik im Ersten Kabinett Adenauers, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), Bd. 21, 4 (Oktober 1973), S. 389— 454.

  66. Auf deutscher Seite bediente man sich dabei des mit OMGUS eingegangenen Kompromisses: Einige Landtagsabgeordnete wurden in die Rundfunkräte delegiert. Hinzu kam die Schaffung der Verwaltungsräte.

  67. Wolfgang Jacobmeyer, Politischer Kommentar und Rundfunk. Zur Geschichte des Nordwestdeutschen Rundfunks, 1949— 1951, in: VfZ, Bd. 21, 4, S. 386 f.

  68. Steininger, Rundfunkpolitik im ersten Kabinett Adenauers, a. a. O., S. 409 f.

  69. So wurden beispielsweise mindestens drei Amerikaner auf die schwarze Liste gesetzt, die sich noch vor der Blockade Berlins in Zusammenarbeit mit der SPD, der Unabhängigen Gewerkschaftsopposition (UGO) und der CDU persönlich für einen Widerstand gegen den Kommunismus eingesetzt hatten. Die amerikanischen Sicherheitsbeauftragten hatten nämlich das jugendliche Engagement dieser drei in der amerikanischen linken Studenten-politik der Roosevelt-Ära mit stalinistischem Sympathisantentum gleichgesetzt. Während der McCarthy-Periode wurde Melvin J. Lasky, Chefredakteur des »Monat“, mit einer Sicherheits-Liste konfrontiert, in der die Mitarbeiter der Zeitschrift in drei Kategorien eingeteilt waren: eine schwarze Liste, eine graue (Beiträge aus diesem Personen-

  70. Mettlers Studie (a. a. O.) stellt in diesem Zusammenhang die objektivste und einsichtigste Variante dieser These dar. Sie schreibt auf S. 116: „Obwohl bei der damaligen Form stalinistischer Herrschaft Antikommunismus nicht notwendigerweise gleich restaurativ oder antireformistisch sein mußte, war ihre Funktion in Westdeutschland ... gesellschaftspolitisch restaurativ." Das Kriterium zur Differenzierung verschiedener Inhalte von antikommunistischer Informationspolitik hat sie leider nicht in der Praxis ausprobiert. An anderer Stelle schreibt sie, daß „mit der sich seit 1947 vollziehenden Wende in der amerikanischen Besatzungspolitik" die wichtigsten Sendereihen von Radio München „zunehmend ihren Demokratisierungscharakter" verloren hätten, „ohne ihn je bis zur Übergabe des Senders (an die Deutschen — H. Hurwitz) im Januar 1949 ganz aufzugeben“. Mettler fragt leider nicht danach, in welchem quantitativen und qualitativem Maße dieser Verlust eingetreten ist. Ihre Inhaltsanalyse, die sich nur auf die vor und nach der Wende ausgestrahlten Rundfunktexte von Herbert Gessner und Walter von Cube (also von zwei höchst gegensätzlichen Publizisten) bezieht, stellt nur einen Anfang dar und läßt viele Probleme ungelöst. Schließlich vermißt man bei ihr völlig die Kontrollfrage, ob die anderen Rundfunkstationen unter amerikanischer Verwaltung (also Frankfurt, Stuttgart und Bremen) in ihren Sendungen möglicherweise eine größere Kontinuität in dieser Hinsicht an den Tag gelegt haben als Radio München.

  71. Dies zeigt sich in einer vergleichenden Inhalts-analyse der Titelseiten des „Neuen Deutschland“ (bis März 1946 „Deutsche Volkszeitung") und des „Tagesspiegel" von 1945— 1949. Sie ist vom Verfasser im Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt am Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin vorgenommen worden.

  72. Mettler, Demokratisierung und Kalter Krieg, Berlin 1975, S. 54.

  73. White, a. a. O., S. 106 f„ 110 ff.

  74. Die politische Effektivität der „Political Information Branch“ im Rahmen der praktischen Arbeit der ISD in den Ländern wurde erheblich beeinträchtigt durch die erbitterte Rivalität zwischen den beiden stellvertretenden Leitern von ISD, nämlich zwischen Alfred Boerner (verantwortlich für die Planung) und Thomas Haeden (für „operations“). Nach dem Umzug von Berlin nach Frankfurt wurde unter PIBs neuem Chef Charles Arno die Herausgabe des „Amerika-Dienst“ zur wichtigsten Aufgabe des Propagandabüros.

  75. Weitere bei den offiziellen amerikanischen Medien vollzogene Änderungen dieser Art bezogen sich ausschließlich auf Berlin: die Einrichtung einer Lokalausgabe der „Neuen Zeitung" sowie die RIAS-Sendungen für die sowjetische Besatzungszone.

  76. Audi im folgenden nach Hurwitz, a. a. O., S. 173 bis 193.

  77. Daß hinter dieser Tatsache ein Komplex von sozial-institutioneller Tradierung, klassen-und kulturdynamischen Faktoren stand, der hier nicht untersucht werden kann, liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang vgl. eine 1944 gemachte allzu pessimistisch begründete, aber zutreffende Voraussage von Talcott Parsons über die Chancen radikaler Reformversuche an dem deutschen Schulsystem: Parsons, The Problem of Controlled Institu-tional Change, in: Essays in Sociological Theory Pure and Applied, Glencoe, Illinois 1949, S. 231 bis 232.

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Harold Hurwitz, Dr. phil., MA, BA, geb. 1924 in Hartford, Connecticut, Professor für politische Soziologie an der Freien Universität Berlin; von 1946 bis 1949 Zivilangestellter der US-Militärregierung in Berlin, vor allem bei der Information Control Division; anschließend freiberuflich in der Forschung und Publizistik tätig; seit 1967 am Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Der heimliche Leser. Beiträge zur Soziologie des geistigen Widerstandes, Köln 1966; Die Stunde Null der deutschen Presse. Die amerikanische Pressepolitik in Deutschchland 1945— 1949, Köln 1972.