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Die internationale Rohstoffpolitik Rückblick und Ausblick | APuZ 17/1979 | bpb.de

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APuZ 17/1979 Artikel 1 Die internationale Rohstoffpolitik Rückblick und Ausblick Entwicklungspolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Verflechtung mit der Dritten Welt und die Öffnung der Märkte Das entwicklungspolitische „Kongreß-Mandat" von 1973. Die „Grundbedürfnisse" der „armen Mehrheit" in der US-amerikanischen Entwicklungsstrategie *)

Die internationale Rohstoffpolitik Rückblick und Ausblick

Konrad Seitz

/ 33 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Ölkrise 1973 leitete eine Periode der Nord-Süd-Politik ein, in deren Zentrum Rohstofffragen standen. Der Beitrag geht aus von den Problemen, die sich für die Entwicklungsländer aus der Abhängigkeit von Rohstoffexporten ergeben. Er zeichnet dann die internationale Rohstoffpolitik der letzten fünfeinhalb Jahre nach: von der Kartellstrategie der Dritten Welt (Oktober 1973—Mitte 1975) über die UNCTAD IV-Resolution für ein Integriertes Rohstoffprogramm (Mai 1976) bis hin zur Grundsatzeinigung über einen Gemeinsamen Fonds (März 1979). Der Beitrag sucht dann die Risiken abzuschätzen, die mit Rohstoffausgleichslagerabkommen nach dem Modell des Integrierten Programms verbunden sind, analysiert die Gewinne, die eine erfolgreiche Stabilisierung der Rohstoffpreise den Entwicklungsländern und der Weltwirtschaft als ganzer brächte. In einem Ausblick werden die Themen aufgeführt, die in der Rohstoffdiskussion nach UNCTAD V neue, zusätzliche Schwerpunkte sein dürften: Erlösstabilisierung, Rohstoffverarbeitung in den Entwicklungsländern und — von den westlichen Industrieländern in den Dialog einzuführen — Rohstoffinvestitionen in der Dritten Welt. Den Abschluß bildet die Feststellung: Die alte Rohstoffordnung, unter der einige Dutzend westlicher Bergbaukonzerne die effiziente Versorgung der Weltwirtschaft sicherten, existiert nicht mehr. Die Aufgabe der Rohstoffversorgung läßt sich künftig nur innerhalb einer neuen Rohstoffordnung lösen, die auch den Interessen der Entwicklungsländer angemessen Rechnung trägt und deshalb von ihnen als legitim anerkannt und mitgetragen wird. Eine solche Teilordnung in dem auch psychologisch so wichtigen Rohstoffbereich könnte ein wesentlicher Schritt zu einer umfassenden Ordnung der Nord-Süd-Kooperation sein, in der alle Beteiligten Verantwortung übernehmen für die gemeinsamen Ziele des stabilen Wachstums und der beschleunigten Entwicklung in der Weltwirtschaft.

Am 20. März 1979, um 2. 00 Uhr morgens, einigten sich in Genf die über 100 Delegierten der Entwicklungsländer, der westlichen Industrieländer und der sozialistischen Industrieländer über die Grundelemente eines Gemeinsamen Rohstoffonds. Im umstrittensten Bereich der UNCTAD (United Nations Conference for Trade and Development) -Rohstoff-verhandlungen war nach dreimaligem vergebl 00 Uhr morgens, einigten sich in Genf die über 100 Delegierten der Entwicklungsländer, der westlichen Industrieländer und der sozialistischen Industrieländer über die Grundelemente eines Gemeinsamen Rohstoffonds. Im umstrittensten Bereich der UNCTAD (United Nations Conference for Trade and Development) -Rohstoff-verhandlungen war nach dreimaligem vergeblichen Anlauf der Durchbruch erreicht. Der Grundstein zu jener Institution war gelegt, von der zu Anfang der Verhandlungen die Entwicklungsländer das Heil erhofften, die Industrieländer das Schlimmste befürchteten.

Nirgends waren die Befürchtungen größer gewesen als in der Bundesrepublik Deutschland. Am deutschen und amerikanischen Widerstand gegen einen Gemeinsamen Fonds wäre im Mai 1976 beinahe die IV. Welthandels-und Entwicklungskonferenz in Nairobi gescheitert. Und als schließlich im letzten Augenblick die deutsche Delegation der UNCTAD-Resolution 93/IV und damit der Aufnahme von Verhandlungen über ein Integriertes Rohstoffprogramm und einen Gemeinsamen Fonds zustimmte, da wurden die Heimkehrer von der Presse mit Balkenüberschriften empfangen wie: „Tödliches Rezept für eine permanente Wirtschaftskrise" (Die Zeit) oder „Des freien Marktes Grabgesang" (Die Welt).

Die Rohstoffprobleme der Entwicklungsländer Vor dem Rückblick auf die internationale Rohstoffpolitik von der Ölkrise 1973 bis zur Einigung über einen Gemeinsamen Fonds 1979 seien zuerst die Probleme vergegenwärtigt, die dieser Politik zugrunde liegen: Die meisten Entwicklungsländer sind für ihre Ausfuhren — auch wenn einigen von ihnen in den letzten Jahren der Durchbruch im Industriegüterexport gelungen ist — nach wie vor von Rohstoffen, ja nicht selten von einem einzigen Rohstoff abhängig 1). Diese Abhängigkeit bringt schwerwiegende Probleme mit sich:

Das Problem, das zuerst in die Augen fällt, ist die Instabilität der Rohstoifpreise. So schwankten an den Londoner Warenbörsen zwischen Mitte 1972 und Ende 1974 der Zuckerpreis um über 900 Prozent, der Kakaopreis um über 400 Prozent, der Kupferpreis um fast 250 Prozent. Diese Zahlen geben den Abstand jeweils zwischen Höchst-und Mindestpreis an. Aber auch wenn man die Schwankungen der jährlichen Durchschnittspreise um den Markttrend betrachtet, bleiben die Amplituden groß — bis zu 50 Prozent zu beiden Seiten des Trends.

In Sambia z. B. trägt der Kupferbergbau . 25 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt, 90 Prozent zum Export und 50 Prozent zu den Haushalts-einnahmen bei. Es ist vorstellbar, was es für die Volkswirtschaft dieses Landes bedeutet, wenn der Kupferpreis innerhalb eines Jahres von über 1 400 Pfund pro Tonne auf rd. 500 Pfund stürzt, wie dies 1974/75 geschah.

Die meisten Entwicklungsländer haben überdies nicht die finanzielle Kraft, um für ihre Rohstoffverkäufe auf den richtigen Augenblick zu warten. Dringend angewiesen auf Deviseneinnahmen, sind sie oft gezwungen, in fallende Märkte hinein zu verkaufen und die Preise noch weiter in die Tiefe zu treiben. Umgekehrt können sie bei steigenden Preisen das Angebot nicht zurückhalten, um von dem günstigen Trend voll zu profitieren. Einkommens-verluste bei fallenden Preisen und Einkommensgewinne bei steigenden Preisen gleichen sich so nicht aus. Die Durchschnittspreise, die die Entwicklungsländer erhalten, liegen unter den Weltmarktpreisen. Zwischen 1971 und 1975 etwa betrugen sie nur 85 Prozent der Weltmarktpreise 2).

Zum Problem der Preisschwankungen kommt ein zweites: Die Rohstoffexporte der Entwicklungsländer steigen unterproportional zum Wachstum des Welthandels.

Bei Nahrungsund Genußmitteln ist in den westlichen Verbraucherländern ein gewisser Sättigungsgrad erreicht; die Nachfrage wächst nur noch langsam oder stagniert sogar. Durch Importschranken und Subvention der Eigen-Produktion haben die Industrieländer zudem insbesondere bei Nahrungsmitteln den Selbstversorgungsgrad gesteigert und z. T. sogar erreicht und überschritten; Überschüsse werden zu Dumping-Preisen am Weltmarkt abgesetzt und verderben Absatzchancen und Preise der Entwicklungsländer Bei Industrierohstoffen andererseits wird das Nachfragewachstum durch die Entwicklung synthetischer Ersatz-produkte und rohstoffsparender Verfahren gedämpft.

Das ungenügende Mengenwachstum der Rohstoffexporte der Entwicklungsländer verbindet sich mit der Verschlechterung der Austausch-verhältnisse bei vielen, vorwiegend agrarischen Rohstoffen

Während in den Industrieländern die Gewerkschaften Lohnerhöhungen durchsetzen können, die oft sogar über die Produktivitätsfortschritte hinausgehen, steigt in den Entwicklungsländern angesicht einer — immer größer werdenden — „Reservearmee" von Arbeitslosen das reale Lohnniveau nur langsam. Ja, in den Teeplantagen und in den juteerzeugenden Regionen Asiens sind die Reallöhne in den beiden letzten Jahrzehnten sogar gefallen.

Die Industrieländer also behalten nicht nur die Produktivgewinne für sich, sondern treiben darüber hinaus die Fertigwarenpreise inflationär in die Höhe. Die rohstoffproduzierenden Entwicklungsländer andererseits geben ihre Produktionsgewinne zumindest teilweise an die Industrieländer weiter. Das relative Absinken der agrarischen Exportpreise der Entwicklungsländer geht dabei von einem Preis-niveau aus, das schon in der Vergangenheit durch unerträglich niedrige Löhne bestimmt war. In der Mitte der siebziger Jahre lagen die Löhne auf den Plantagen Asiens und Afrikas zwischen 50 Cent und 1, 20 US-Dollar pro Tag. Die Tageslöhne der Industriearbeiter in den führenden Industrieländern dagegen lagen im Durchschnitt bei 50 US-Dollar

Unterproportionale Zunahme des Exportvolumens und relativ sinkende Preise hatten zur Folge, daß sich der Anteil der Rohstoffe am Welthandel verringerte. Und mit dem Anteil der Rohstoffe ging auch der Anteil der Entwicklungsländer am Welthandel zurück — von 21, 8 Prozent im Jahre 1953 auf 13 Prozent (ohne Olländer) im Jahre 1972.

Und schließlich ein Drittes: Die einseitige, in der Kolonialzeit begründete Handelsstruktur, unter der die Entwicklungsländer Rohstoffe, die Industrieländer vor allem Fertigwaren liefern. Diese Struktur bedeutet, daß die Entwicklungsländer die weitere Wertschöpfung, die auf ihren Rohstoffen aufbaut, den Industrieländern überlassen. 1971 gingen z. B. vom Endverkaufspreis der Bananen nur 11, 5 Prozent an die lokalen Produzenten in Mittelamerika, 88, 5 Prozent dagegen an transnationale Unternehmen (für den Transport, das Reifenlassen, den Vertrieb), an Versicherungsunternehmen, an Werbeagenturen und Werbeträger und an die Groß-und Einzelhändler in den Industrieländern. Nach einer Schätzung des bekannten pakistanischen Ökonomen Mahbub ul Haq zahlen die Endverbraucher für die hauptsächlichen Rohstoffausfuhren der Entwicklungsländer (ohne öl) 200 Mrd. US-Dollar, wovon die Produzenten 30 Mrd. US-Dollar erhalten. Die Differenz geht vor allem an den internationalen Dienstleistungssektor und an den Handel.

Nach klassischer Freihandelslehre ist die bestehende Arbeitsteilung zwischen Industrie-und Entwicklungsländern für beide Seiten gleichermaßen vorteilhaft: Jeder produziert das, was er relativ am billigsten produzieren kann. Doch daß diese Theorie der komparativen Kosten nur auf den Austausch zwischen gleichgewichtigen Partnern anwendbar ist, hatte schon im letzten Jahrhundert Friedrich List gezeigt.

Und in der Tat: der Handel Industriegüter/Rohstoffe wirkte in der Vergangenheit einseitig zugunsten der Industrieländer. Er ermöglichte ihnen eine sichere Rohstoffversorgung zu günstigen Preisen. Für die Entwicklungsländer aber drohte sich ein Teufelskreis zu schließen: die Konzentration auf den Rohstoff-export führt zu unzureichendem Wachstum der Deviseneinnahmen — dies wiederum verlangsamt die Entwicklung und Industrialisierung und damit die Diversifizierung der Exporte. Die Austauschstruktur Rohstoffe gegen Industriegüter hat die Tendenz, sich zu verewigen. Das Ziel der Entwicklung, und damit das vorrangige politische wie wirtschaftliche Ziel der Länder der Dritten Welt, ist in diese Struktur nicht eingebaut. Oktober 1973 bis Mitte 1975: Kartellpolitik Die Entwicklungsländer hatten auf die Benachteiligung durch das bestehende Weltwirtschaftssystem seit langem hingewiesen und Reformen gefordert, die das dreifache Ziel haben sollten: stabilere Rohstoffpreise, höhere Preise und Beteiligung der Entwicklungsländer an Verarbeitung und Vermarktung ihrer Rohstoffe.

Sie hatten 1962 die Gründung der UNCTAD durchgesetzt, deren Aufgabe es sein sollte, die nötigen Reformen auszuarbeiten und in die Wege zu leiten. Aber drei UNCTAD-Konferenzen 1964, 1968 und 1972 hatten die Entwicklungsländer ihren Zielen nur unwesentlich näher gebracht.

Nun aber, im Oktober 1973, schien sich die Situation schlagartig zugunsten der Entwicklungsländer zu verändern. Denn als die OPEC im Gefolge des Yom-Kippur-Krieges die Olpreise abrupt vervierfachte und auf das 100-fache der Produktionskosten hob, da war dies weit mehr als eine erfolgreiche Kartellaktion. Triumphierend begrüßten die politischen Führer der gesamten Dritten Welt die Preiserhöhung. Sie beachteten nicht die lähmende Belastung, die auf viele ihrer Länder zukam, sie sahen nur den Sieg, den ersten wirtschaftlichen Sieg von . Staaten der Dritten Welt über die Industriestaaten. Eine neue Ära, so verkündeten sie, sei angebrochen. Nach der politischen Unabhängigkeit werde die Dritte Welt nun endlich auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit erkämpfen.

Die Ölkrise wurde zur Geburtsstunde eines neuen Bewußtseins. Der , Tiers Monde', der Dritte Stand der Welt, hatte seine Macht erkannt. Und im Hochgefühl der Macht wollten die Entwicklungsländer nun die Dinge selbst in die Hand nehmen und aus eigener Kraft eine „Neue Weltwirtschaftsordnung" durchsetzen.

Zentrales Ziel der neuen Ordnung sollte die Umkehrung der Terms of Trade sein. Jahrhundertelang, so lautete das Argument, hätten die Industrieländer die Kolonien und heutigen Entwicklungsländer nach dem Prinzip ausgebeutet: Kaufe billig, verkaufe teuer. Dieses Prinzip gelte es nun in der Gegenrichtung anzuwenden.

Im Kern war die geforderte „Neue Weltwirtschaftsordnung" also eine neue Weltrohstoff-Ordnung. In der alten Ordnung hatten einige Dutzend transnationaler Rohstoffunternehmen (vor allem der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs) einen großen Teil der Rohstoffe der Dritten Welt kontrolliert. Die neue Ordnung sollte den Entwicklungsländern die Kontrolle über ihre Rohstoffe zurückgeben. Es galt, die in den Entwicklungsländern arbeitenden Tochtergesellschaften der transnationalen Rohstoffkonzerne zu nationalisieren. Und es galt, für die einzelnen Rohstoffe Produzentenzusammenschlüsse (producers'associations) zu schaffen, die dann — von den OPEC-Ländern finanziell unterstützt — die Rohstoffpreise auf den Weltmärkten diktieren sollten.

Ende 1973 verdreifachten die Phosphatproduzenten unter Führung Marokkos (aber ohne förmlichen Zusammenschluß) die Preise. Togo verstaatlichte die Tochtergesellschaft der amerikanischen Grace Company.

Ebenfalls Ende 1973 ließen die Kaffeeproduzenten das internationale Kaffeeabkommen auslaufen und suchten die Preise durch eigene Aufkäufe und durch Drosselung der Exporte hinaufzutreiben. Das OPEC-Land Venezuela gab finanzielle Unterstützung.

Im März 1974 schlossen sich in Conakry, Guinea, sieben Bauxitproduzenten zur „International Bauxite Association (IBA)" zusammen. Dem Zusammenschluß gehört auch Australien, der weltgrößte Bauxitproduzent, an. Mit einem Produktionsanteil von 63 Prozent beherrscht die IBA den Markt für das zweit-wichtigste Metall der Welt. Jamaika, das die Hälfte des Bauxitbedarfs der amerikanischen Aluminiumindustrie deckt, übernahm die Preisführerschaft und erhöhte die Steuern um 700 Prozent. Den Tochterfirmen der ausländischen Aluminiumkonzerne wurde zugleich eine Mindestproduktion vorgeschrieben. Andere Erzeuger — jedoch nicht Australien — folgten. Die Bauxitpreise stiegen bis 1976 fast auf das Doppelte des Niveaus von 1973. Jamaika nahm mit den amerikanischen Konzernen Verhandlungen über die Übernahme von Mehrheitsbeteiligungen auf. Guayana verstaatlichte 1974 Produktionsanlagen von Reynolds Metals, nachdem es schon 1971 die Al-can-Anlagen übernommen hatte.

Gleichfalls im März 1974 schlossen sich in Panama sieben lateinamerikanische Bananen-exportländer zusammen und erhöhten die Exportsteuer auf 2, 5 Cent pro Pfund Bananen.

Im Mai 1974 einigten sich in Algerien die Quecksilberproduzenten auf einen gemeinsamen Mindestpreis und beschlossen, diesen Preis durch Exportbeschränkungen zu halten. Es kam kurzfristig zu einer massiven Störung des Marktes; die Preise schossen in die Höhe. Im November 1974 beschloß der Rat der kupferexportierenden Länder (CIPEC), der bereits 1967 in Lusaka gegründet worden war, erstmals gemeinsame Exportkürzungen, um den Kupferpreis zu stützen. Die Kupferverbraucher wurden aufgeschreckt durch die Nachricht, einige OPEC-Länder erwögen, Kupfer-aufkäufe in Höhe bis zu 4 Mrd. US-Dollar zu finanzieren.

Im April 1975 gründeten die Eisenerz exportierenden Länder eine gemeinsame Organisation. Ihr gehören auch Australien und Schweden an.

Im Mai 1975 einigten sich die Kautschukproduzenten auf Exportbeschränkungen und faß-, ten den Plan ins Auge, gemeinsame Lagerkäufe zu finanzieren. Insgesamt bestehen heute 19 von Entwicklungsländern gegründete Produzentenzusammenschlüsse, die durch eine Dachorganisation, dem „Council of Producers'

Associations", koordiniert werden sollen.

Die Beteiligung westlicher Länder an einigen dieser Zusammenschlüsse zeigt bereits an, daß der neue Ressourcennationalismus keineswegs auf die Dritte Welt beschränkt ist. Die Hoffnungen, die in der Bundesrepublik Deutschland verbreitet zu sein scheinen, die westlichen Produzentenländer würden im Ernstfall Rohstoffkartelle der Dritten Welt unterlaufen, haben wenig, worauf sie sich stützen könnten. Kanada schloß sich ganz selbstverständlich der Erhöhung der Olpreise durch die OPEC an. Auch die Preise für englisches und norwegisches Nordsee-Ol orientieren sich am OPEC-Standard. Als sich durch Entscheidungen von IBA-Ländern die Phosphatpreise erhöhten, zogen auch die amerikanischen Produzentenpreise nach. Und ein Letztes: Das nach OPEC erfolgreichste Kartell ist ein rein westliches Kartell: die im Juni 1975 gegründete „Marktforschungsorganisation" für Uran mit Sekretariat in London. Gleichzeitig mit der auf einseitige Aktionen gerichteten Kartell-strategie suchten die Entwicklungsländer ihrem Ziel einer neuen Weltwirtschaftsordnung auch durch Resolutionen in den Vereinten Nationen näher zu kommen.

Zur Frist wurde für April 1974 eine Sondertagung über Rohstoffe und Entwicklung einberufen. Diese VI. VN-Sondergeneralversammlung — die erste, die wirtschaftlichen Fragen galt — verabschiedete die von der Dritten Welt vorgelegten Texte für eine Erklärung und ein Aktionsprogramm über die Errichtung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung. Die Verabschiedung geschah „ohne Abstimmung"; die westlichen Industrieländer wagten, unter dem Olschock stehend, keinen offenen Widerspruch.

Die Erklärung und das Aktionsprogramm faßten die seit Jahren in der UNCTAD erhobenen Forderungen der Entwicklungsländer in den Bereichen: Rohstoffe, Handel, Hilfe, Währungsbeziehungen, Kontrolle der transnationalen Unternehmen usw. in umfassender Weise zusammen. Im Mittelpunkt standen die Rohstoffprobleme.

Neu war die Forderung nach einem „Integrierten Rohstoffprogramm".

Neu waren weiter die starke Betonung der „collective selfreliance" der Dritten Welt, die Forderungen nach Produzentenzusammenschlüssen und die Behauptung, daß Verstaatlichungen ausländischen Eigentums nach rein innerstaatlichem Recht zu regeln seien. Die Entwicklungsländer versuchten hier, die Kartellstrategie quasi-völkerrechtlich (VN-Resolutionen sind Empfehlungen) abzusichern.

Der Versuch dieser Absicherung wurde fortgeführt in der „Charta wirtschaftlicher Rechte und Pflichten der Staaten", die die Dritte Welt noch im selben Jahr auf der regulären 29. VN-Generalversammlung (September /Dezember 1974) durchsetzte:

— Artikel 2 der Charta erkennt jedem Staat das Recht zu, ausländisches Vermögen zu nationalisieren und zu enteignen. Während jedoch in früheren Erklärungen dieser Art meist hinzugefügt wurde, daß die Entschädigungsfrage bei Enteignung nach Völker-recht zu regeln sei, heißt es jetzt ausdrücklich: „Ist die Entschädigungsfrage im Einzelfall umstritten, so wird sie nach dem innerstaatlichen Recht des nationalisierenden Staates und von seinen Gerichten geregelt, sofern nicht alle betroffenen Staaten frei und einvernehmlich vereinbaren, eine andere friedliche Art der Regelung zu suchen". — Artikel 5 konstatiert das Recht aller Staaten, sich zu Rohstofferzeugerorganisationen zusammenzuschließen. Und er legt allen Staaten die entsprechende Pflicht auf, „dieses Recht zu achten, in dem sie sich aller wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen enthalten, die es beschränken würden".

Dieses Mal stimmten die westlichen Industrieländer dagegen (so u. a. die Vereinigten Staaten, die Bundesrepublik Deutschland, Japan) oder enthielten sich der Stimme (u. a. Frankreich). Vom Scheitern der Kartellstrategie zum Nord-Süd-Dialog Im Februar 1975 formulierten die Entwicklungsländer auf der Rohstoffkonferenz in Dakar die Kartellstrategie nochmals in umfassender Weise. Zu jener Zeit jedoch hatten sich die Erfolgsaussichten für diese Strategie bereits grundlegend verschlechtert. In den westlichen Ländern hatte 1974 die schwerste Rezession seit den dreißiger Jahren eingesetzt. Der Rohstoffboom war in der zweiten Hälfte 1974 zusammengebrochen. Der Kupferpreis stürzte auf ein Drittel seines Höchststandes; die Exportkürzungen der CIPEC vermochten diesen Sturz nicht aufzuhalten. Das lateinamerikanische Bananenkartell wurde von den drei amerikanischen Firmen United Brands (früher United Fruit), Standard Fruit und Del Monte, die zusammen 70 Prozent der Weltexporte kontrollieren, zerschlagen. Und selbst da, wo die nominale Preiserhöhung durchgehalten werden konnte, wie bei Bauxit und Phosphat, begann die reale Preiserhöhung von der enormen Inflation der Exportpreise der Industrie-güter aufgezehrt zu werden.

Am Beispiel von Kupfer war Ende 1974 auch offenkundig geworden, daß die OPEC-Länder letztlich nicht bereit waren, die Kartellstrategie mit massiver Finanzhilfe zu unterstützen. Sie legten ihre Devisenüberschüsse lieber bei westlichen Banken an als in einem Fonds für Rohstofflager.

Während so die Hoffnungen, die die Dritte Welt auf die Kartellstrategie gesetzt hatte, an der Inflationsund Rezessionskrise des Westens scheiterten, begannen auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten von einer Konfrontationsstrategie auf eine flexiblere Politik einzulenken, die den Forderungen der Entwicklungsländer entgegenzukommen suchte. Beide Entwicklungen ermöglichten, daß innerhalb der Dritten Welt nun die Gemäßigten die Oberhand gewannen. Von der Konfrontation zwischen West und Süd führte der Weg zur Kooperation, von der „Tyrannei der Mehrheit" in den Vereinten Nationen zur Bemühung um Konsensus.

Die 7. VN-Sondergeneralversammlung im September 1975 leitete die neue Phase ein. Die Entwicklungsländer hatten in ihrer Vorbereitungssitzung in Lima bereits darauf verzichtet, die Streitpunkte der Produzentenzusammenschlüsse und der Nationalisierung ausländischer Unternehmen in das gemeinsame Positionspapier aufzunehmen. In der Sondergeneralversammlung selbst bekannten sich dann Kissinger und Genscher — und das heißt die Außenminister der beiden Staaten, die de facto den Rahmen für Konzessionen des Westens bestimmten — übereinstimmend zu dem Ziel, das Weltwirtschaftssystem zugunsten der Entwicklungsländer umfassend zu reformieren

Die verabschiedete Resolution der Sondergeneralversammlung entwarf das Programm für eine solche Reform. Im Vordergrund der Diskussion standen weiterhin die Rohstoffprobleme. Ihre Lösung wurde jedoch jetzt nicht mehr durch die Bildung von Erzeugerkartellen angestrebt, sondern durch das Zusammenwirken von Erzeugern und Verbrauchern in einem „Integrierten Rohstoffprogramm".

Das Integrierte Rohstoffprogramm: Grundzüge Im Mai 1976 verabschiedete UNCTAD IV in Nairobi — dem Auftrag der VII. Sondergeneralversammlung folgend — die Grundlinien für ein Integriertes Rohstoffprogramm (IP).

In dieses Programm sollten 18 Rohstoffe einbezogen werden: — Zehn Rohstoffe, bei denen Ausgleichslagerabkommen abgeschlossen bzw. weitergeführt werden sollten: Kakao, Kaffee, Tee, Zucker, Baumwolle und Baumwollgarn, Jutefasern und Jutefertigprodukte, Sisalfasern und Sisalfertigprodukte, Kautschuk, Kupfer, Zinn.

Diese „Kernrohstoffe" repräsentieren rd. drei Viertel des Wertes der Exporte der Entwicklungsländer bei den 18 Rohstoffen. — Acht weitere Rohstoffe: Bananen, Pflanzen-öle (einschließlich Olivenöl), Olsaaten, tropische Hölzer, Fleisch, Eisenerz, Mangan, Phosphat.

Als Ziele des IP nannte Resolution 93 u. a.: — Stabilisierung der Preise auf einem Niveau, das „lohnend und gerecht" für die Erzeuger und „fair" für die Verbraucher ist. — Stabilisierung der Exporterlöse (Preisstabilisierung führt ja nicht in allen Fällen — Beispiel: Mißernten — auch zu einer Stabilisierung der Erlöse). — Ausdehnung der Rohstoffverarbeitung. — Verbesserung des Marktzugangs für unverarbeitete und weiterverarbeitete Rohstoffe der Entwicklungsländer. — Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der natürlichen Rohstoffe gegenüber den synthetischen Ersatzprodukten. — Verbesserung der Absatz-, Verteilungsund Transportsysteme für die Rohstoffe der Entwicklungsländer.

Dieser Zielkatalog zeigt schon, daß das IP die Rohstoffprobleme in umfassender Weise angehen soll. Es werden auch Ziele und Maßnahmen genannt, über die außerhalb der UNCTAD, etwa im GATT (Marktöffnung) oder im IWF (Erlösstabilisierung) zu verhandeln ist.

In der UNCTAD selbst sollen vor allem zwei Maßnahmen verwirklicht werden: der Abschluß von Rohstoffabkommen und die Errichtung eines Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung der Abkommen. Im Zentrum der Diskussion stehen dabei die Abkommen über die zehn Kernrohstoffe, die die Preise dieser Rohstoffe stabilisieren, und das heißt also: die Einfluß auf die Preisentwicklung auf den Weltmärkten nehmen sollen.

Ausgleichslagerabkommen Eine Stabilisierung der Preise versucht das IP vor allem durch zwei Instrumente zu erreichen: durch Ausgleichslager und durch vereinbarte Exportbeschränkungen. Die zentrale Rolle soll dabei der Errichtung von Ausgleichslagern zufallen. Dadurch unterscheiden sich die Abkommen des IP von früheren Rohstoffabkommen, bei denen das Hauptinstrument die Vereinbarung eines Quotensystems für Exportbeschränkungen war. (Es sei angemerkt, daß die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Ausgleichslager gerade auch im Interesse der Verbraucher liegt. Quotenabkommen nützen den Erzeugern, denen sie Schutz in der Baisse geben. Preisdämpfung in der Hausse und Erhöhung der Versorgungssicherheit lassen sich dagegen nur durch Ausgleichslager erreichen.)

Vereinfacht dargestellt würde ein nach dem IP-Modell konstruiertes Rohstoffabkommen im preispolitischen Bereich also wie folgt funktionieren: Das Abkommen legt für den jeweiligen Rohstoff eine Preisspanne fest (z. B. 15 Prozent zu beiden Seiten des Referenzpreises). Droht der Preis auf dem Weltmarkt das untere Limit der Spanne zu unterschreiten, so greift der Manager des Ausgleichslagers mit Käufen ein. Umgekehrt beginnt er aus dem Lager zu verkaufen, wenn der Marktpreis das obere Limit zu durchbrechen droht. Zeichnet sich ab, daß mit Käufen allein der Mindestpreis nicht zu halten ist, dann werden für die Erzeugerländer Exportbeschränkungen gemäß dem vereinbarten Quotensystem in Kraft gesetzt. Für die

Verteidigung des oberen Preislimits allerdings fehlt ein solcher zweiter Schutzmechanismus. Ist das Ausgleichslager ausverkauft, so läßt sich das Ausbrechen des Preises nach oben nicht mehr verhindern.

Gemeinsamer Fonds Der hervorstechende Gedanke des Integrierten Programms ist der Vorschlag, die einzelnen Abkommen nicht individuell zu finanzieren, sondern einen Gemeinsamen Fonds zu errichten. Dieser Fonds würde das eigentlich integrierende Element des Programms bilden.

Nach den ursprünglichen Vorstellungen des UNCTAD-Sekretariats sollte der Fonds in der ersten Phase mit einem Eigenkapital von 1 Mrd. US-Dollar ausgestattet werden; damit verbunden sollte die Berechtigung sein, für weitere 2 Mrd. US-Dollar Kredite aufzunehmen. In einer zweiten Phase sollten diese Mittel dann mit derselben Verteilung von Eigenkapital und Krediten um weitere 3 Mrd. US-Dollar aufgestockt werden. Die Endsumme des Fonds würde damit 6 Mrd. US-Dollar betragen. Der Großteil dieser Mittel ist für Lagerkäufe der Abkommen bestimmt. Mit einem kleineren Teil sollen „andere rohstoffpolitische Maßnahmen" finanziert werden. Hier handelt es sich nicht um revolvierende Mittel wie bei der Lagerfinanzierung, sondern um Mittel, die als Entwicklungshilfedarlehen zu günstigen Zinssätzen vergeben würden. Dies macht es notwendig, einen „zweiten Schalter" einzurichten, dessen Mittel von Zeit zu Zeit aufzufüllen wären.

Dem Vorschlag eines Gemeinsamen Fonds liegen folgende Überlegungen zugrunde: — Der Fonds solle am Anfang errichtet werden, also vor Abschluß der Abkommen. Damit würde die Finanzierungsfrage vorweg gelöst. Die Verhandlungen über die Abkommen würden entscheidend erleichtert.

Der Fonds erfüllte die Funktion eines „Katalysators". — Bei Ausgleichslagern kann gemeinsame Finanzierung Mittel einsparen: Da es kaum jemals zu einer gleichzeitigen Baisse sämtlicher Rohstoffpreise kommt, befinden sich auch selten alle Ausgleichslager gleichzeitig in der Phase des Kaufens. Ungenutzte Mittel des einen Abkommens können also anderen Abkommen, die gerade Mittel für Legerkäufe benötigen, zur Verfügung gestellt werden. Die Gesamtmittel, die die Abkommen für die Stützung des Mindestpreises bereithalten müssen, sind also bei gemeinsamer Finanzierung geringer als bei getrennter. — Ein Gemeinsamer Fonds kann aufgrund der Risikostreuung höhere und billigere Kredite aufnehmen als die Einzelabkommen. Die Lagerfinanzierung kann deshalb in größerem Ausmaß über Kredite erfolgen. Es muß weniger Eigenkapital aufgebracht werden — ein Vorteil, der für finanzschwache Entwicklungsländer stark ins Gewicht fällt.

Bisherige Ergebnisse der Rohstoffverhandlungen Nach dem von UNCTAD IV aufgestellten Zeitplan sollten die Verhandlungen über die Rohstoffabkommen und den Gemeinsamen Fonds bis Ende 1978 abgeschlossen sein. Gemessen an diesem ambitiösen Ziel ist das Erreichte gering.

Zu den bereits bestehenden Preisstabilierungs-abkommen für Zinn, Kaffee und Kakao ist als einziges neues Abkommen 1977 das Zucker-abkommen hinzugekommen. Es sieht als Hauptinstrument Exportquoten vor, ergänzt durch relativ kleine nationale Lager. Die EG, die mit der zugeteilten geringen Quote unzufrieden ist, ist nicht beigetreten. Der amerikanische Senat hat das Abkommen bisher nicht ratifiziert.

Eine Verhandlungskonferenz ist eröffnet für ein Abkommen über Kautschuk. Es ist Einigung erreicht, ein reines Ausgleichslagerabkommen zu schaffen. Hauptstreitpunkt ist die Größe des Lagers. Interessanterweise besteht hier das Verbraucherland USA auf einem größeren Bufferstock (mindestens 600 000 t) als die Erzeugerländer (400 000 t). Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die Verteidigung der oberen Preisgrenze und damit der Schutz des Verbrauchers in Haussezeiten nur möglich ist, wenn der Bufferstock einen ausreichenden Umfang hat.

Für alle übrigen Rohstoffe befinden sich die Verhandlungen noch im Stadium der „Vorbereitenden Treffen".

So ist das wichtigste Ergebnis bisher die Einigung über die Grundelemente eines Gemeinsamen Fonds. Auch hier werden die Verhandlungen über die Details der Fondssatzung noch lange Zeit erfordern. Vor 1981 wird der Fonds kaüm operationsfähig sein.

Bei der Einigung über den Gemeinsamen Fonds haben die westlichen Industrieländer ihr wesentliches Verhandlungsziel voll erreichen können. Der Fonds ist ein reines Finanzierungsinstrument; er darf nicht selbst auf den Rohstoffmärkten intervenieren, sondern finanziert lediglich die von den autonomen Abkommen vorgeschlagenen Maßnahmen.

Seiner Funktion nach ist der Fonds also eine Art Rohstoffspezialbank mit zwei Schaltern. Uber den Ersten Schalter finanziert er den Ankauf von Ausgleichslagern, über den Zweiten Schalter „andere rohstoffpolitische Maßnahmen" wie Forschung und Entwicklung, Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität, Maßnahmen zur besseren Vermarktung und ähnliches.

Das Eigenkapital des Fonds beträgt 750 Mio. US-Dollar, davon 400 Mio. für den Ersten Schalter und 350 Mio. für den Zweiten Schalter.

Die 400 Mio. US-Dollar des Ersten Schalters (von denen im übrigen nur 150 Mio. in bar einzuzahlen sind) sind nicht eigentlich für die Lagerfinanzierung gedacht, sie stellen vielmehr einen Liquiditätsvorrat dar und ein Grundkapital, dessen Erträge u. a. auch dazu verwandt werden können, die Verwaltungskosten des Fonds zu decken. Die Mittel für die Lagerfinanzierung selbst kommen aus zwei Quellen: aus den Einlagen der Abkommen und aus Krediten, die der Fonds aufnimmt. Das Verhältnis zwischen Einlagen und Krediten beträgt dabei ein Drittel zu zwei Dritteln.

Das einzelne Abkommen würde also bei Beitritt zum Fonds von der Summe, die zum Ankauf des Lagers nötig wäre, ein Drittel in bar einzahlen und zwei Drittel als Garantien zur Verfügung stellen. Das Abkommen kann seine Einlage bei Bedarf abziehen. Es hat darüber hinaus Anspruch auf Kredite des Fonds für die anderen zwei Drittel der Höchstsumme für die Lagerkäufe. Der Fonds seinerseits finanziert diese Kredite aus den Einlagen anderer Abkommen, oder — wenn diese Einlagen erschöpft sind — durch eigene Kreditaufnahme auf den Kapitalmärkten.

Die 400 Mio. US-Dollar Eigenkapital sagen also noch nichts über die „Bilanzsumme" des Ersten Schalters aus. Für diese kommt es darauf an, wie viele und wie große Ausgleichslagerabkommen zustande kommen und wie viele dieser Abkommen dem Fonds beitreten.

Das Eigenkapital des Fonds in Höhe von 750 Mio. US-Dollar wird in folgender Weise aufgebracht: —Jedes Mitgliedsland zahlt einen Sockelbetrag von 1 Mio. US-Dollar (den armen Entwicklungsländern werden die OPEC-Länder diesen Betrag zur Verfügung stellen). Das ergibt ca. 150 Mio. US-Dollar, von denen 80 Mio.dem Ersten Schalter und 70 Mio.

dem Zweiten Schalter zufließen sollen. — Die restlichen 320 Mio. US-Dollar des Ersten Schalters sollen nach folgendem Schlüssel aufgebracht werden:

Gruppe B (westliche Industrieländer): 68 Prozent, Gruppe 77 (Entwicklungsländer): 10 Prozent, Gruppe D (sozialistische Länder): 17 Prozent, China: 5 Prozent. — Die restlichen 280 Mio. US-Dollar des Zweiten Schalters sollen durch freiwillige Beiträge zusammenkommen. Die Mittel dieses Schalters müßten dabei in periodischen -Ab ständen immer wieder aufgefüllt werden.

Die Stimmrechte verteilen sich wie folgt: Entwicklungsländer 47 Prozent, westliche Industrieländer 42 Prozent, sozialistische Länder 8 Prozent, China 3 Prozent. Hier wird also zum erstenmal das für finanz-internationale Organisationen gültige Prinzip durchbrochen, wonach die Stimmrechte sich nach der Kapitalbeteiligung richten. Darin liegt die Bedeutung dieser Regelung. Für wichtige Entscheidungen wie Satzungsänderungen und Beschlüsse mit größeren finanziellen Auswirkungen ist eine Mehrheit von 75 Prozent der Stimmen erforderlich. Solche Entscheidungen könnten also nicht gegen die westlichen Industrieländer oder auch nur gegen einige der größeren dieser Länder getroffen werden.

Soweit also die Ergebnisse am Vorabend von UNCTAD V. Der Abschlußtermin für das IP ist inzwischen auf Ende 1979 verlängert worden. Auch dieser Termin ist nicht einzuhalten. Wie immer sich jedoch die weiteren Verhandlungen entwickeln werden, schon jetzt ist klar, auch im günstigen Falle wird ein auf bescheidenere Proportionen geschrumpftes Integriertes Programm herauskommen: — Fünf bis acht Preisstabilisierungsabkommen mit Ausgleichslagern: Zinn, Kakao, Zucker, Kautschuk; vielleicht Tee, Kaffee, Jute, Kupfer (bei Kupfer haben die Vereinigten Staaten im Februar 1979 vorgeschlagen, die Errichtung eines Ausgleichslagers mit 1 Mio. t Kupfer zu prüfen, nach gegenwärtigen Preisen würde dieses Lager rd. 2 Mrd.

US-Dollar kosten); — für die meisten anderen Rohstoffe Vereinbarungen, die sich auf die Zusammenarbeit im Bereich der „anderen Maßnahmen" konzentrieren; — -ein Gemeinsamer Fonds für die Finanzierung der autonomen Abkommen und Vereinbarungen.

Risiken bei Ausgleichslagerabkommen Die entscheidende Frage bei einem Ausgleichslagerabkommen ist: Auf welchem Niveau soll der Preis stabilisiert werden? Geht es nur darum, die kurz-und mittelfristigen Schwankungen zu dämpfen und den Preis also um die Linie des langfristigen Markt-trends herum zu stabilisieren? Oder ist es das Ziel, das Preisniveau über diese Linie hinaus zu heben?

Die Formel der UNCTAD-Resolution 93 spricht von einem stabilen Preisniveau, das „lohnend und gerecht (remunerative and just) für die Erzeuger und fair (equitable) für die Verbraucher" ist. Im Klartext also: die Entwicklungsländer wollen — nicht anders als andere Rohstoffproduzenten — höhere Preise, als sie der Markttrend hergibt. Sie wollen solche höheren Preise insbesondere auch bei den Rohstoffen, bei denen sich ihre terms of trade verschlechtern. Diesem Ziel dient die (in der Resolution 93 nur angedeutete) Forderung, die Preise der von den Entwicklungsländern exportierten Rohstoffe zu „indexieren", d. h. sie in eine feste Relation zu den Preisen der importierten Industriegüter zu, bringen.

Es sind diese Vorstellungen, an denen die deutschen Befürchtungen ansetzten, das IP werde zu einem weltweiten Dirigismus und einer ungeheuren Ressourcenverschwendung führen. Man zog die Parallele zu der EG-Agrarmarktordnung, unter der überhöhte Preise durch unbegrenzte Interventionskäufe garantiert werden. Hinter den Fleisch-und Butterbergen der EG sah man im Geiste bereits UNCTAD-Hochgebirge aus Kupfer und Kaffee aufragen.

Analogien führen oft in die Irre. Auf sie Politik zu gründen, ist gefährlich. Eine nüchterne Überlegung hätte rasch deutlich machen können, daß ein UNCTAD-System, das mittels unbegrenzter Aufkäufe weltweit für zehn der größten Rohstoffe überhöhte Preise durchset, zen wollte, schlechthin unfinanzierbar wäre. Kostete doch das Garantiesystem der EG in dem einzigen Jahr 1977 über 23 Mrd. DM; und dieses System ist unvergleichlich kleiner und kann zudem Überschüsse — wenn auch zu Verlustpreisen — auf den Weltmärkten abladen. Mittels begrenzter Lagerkäufe aber überhöhte Preise durchsetzen zu wollen, wäre für die Erzeugerländer geradezu selbstmörderisch: Muß das Lager die Stützungskäufe einstellen, bricht der Preis zusammen; seiner Wiedererholung steht das gefüllte Lager entgegen. Die Lager, die unter dem Integrierten Programm der UNCTAD vorgeschlagen werden, sind denn auch allein dafür gedacht, übermäßige Preisschwankungen zu dämpfen. Sie sollen also im wirklichen Sinne des Wortes „buf-ferstocks", Ausgleichslager, sein. Diesem Ziel entspricht der vom UNCTAD-Sekretariat errechnete Finanzbedarf von 6 Mrd. US-Dollar (davon 2 Mrd. Eigenkapital des Fonds und 4 Mrd. als Möglichkeit, Kredite aufzunehmen). Dieser fest begrenzte Betrag, der einmalig aufzubringen ist, unterscheidet sich deutlich von den jährlichen, ungleich höheren und verlorenen Zuschußzahlungen aus dem EG-Haushalt.

Wo die UNCTAD Preiserhöhungen anstrebt, da soll dieses Ziel nicht durch Lagerkäufe, sondern durch Export-und Produktionsbeschränkungen erreicht werden.

Für einen Teil der Rohstoffe des IP stellt sich dabei die Frage höherer Preise von vornherein nicht. Zu diesen Rohstoffen gehören die agrarischen Industrierohstoffe Baumwolle, Jute, Hartfasern und Kautschuk, die mit synthetischen Ersatzstoffen konkurrieren; und hierher gehören die Olsaaten und Fleisch, bei denen die Angebots-und Nachfrage-Elastizitäten sehr hoch sind.

Für die verbleibenden zwölf Rohstoffe des IP könnten Preiserhöhungen nur angestrebt werden durch Quotenabkommen. Ausgleichslager wären für dieses Ziel sogar hinderlich. Aus diesem Grunde drängen die Vereinigten Staaten aus dem Verbraucherinteresse heraus bei Rohstoffen, für die Preiserhöhungen grundsätzlich denkbar sind, auf reine Ausgleichslagerabkommen.

Wo aber Quotenabkommen, die Preiserhöhungen durch Produktionsbeschränkungen anstreben, für die Erzeugerländer selbst sinnvoll sein sollen, müssen zwei Bedingungen gegeben sein: Die Erzeuger müssen sich von Produktionsbeschränkungen Preissteigerungen erhoffen können, die — auch auf mittlere Frist — über die Prozentsätze der Mengenreduzierung ihrer Exporte hinausgehen (nur dann erhöhen sich ja ihre Exporterlöse). Und sie müssen sich zweitens auf die Aufteilung der Exportquoten untereinander einigen können. Dies aber heißt nichts anderes als: es müssen die Bedingungen für ein erfolgversprechendes Preiskartell gegeben sein.

Eben dies aber ist zumindest für die meisten Rohstoffe des IP nicht der Fall. Wäre es der Fall, so würden die Entwicklungsländer nicht Abkommen mit den Verbrauchern anstreben, sondern ihre Kartellstrategie fortsetzen. Die OPEC-Länder verweigern ja sogar die Gründung eines Konsultationsgremiums, da sie fürchten, auch ein solches unverbindliches Gremium könnte ihre Souveränität in der Preisfestsetzung beeinträchtigen. Und ebenso sind bei den UNCTAD-Rohstoffverhandlungen die Bauxitproduzenten und der größte Phosphatproduzent an Abkommen desinteressiert. Fassen wir zusammen: Die Abkommen, die unter dem Integrierten Programm zustande kommen, werden — soweit sie überhaupt preispolitische Bestimmungen enthalten — auf die reine Preisstabilisierung hinauslaufen.

Auch Ausgleichslagerabkommen, die mit dem Ziel reiner Preisstabilisierung geschlossen werden, enthalten natürlich ein gewisses Risiko, daß die Mindestpreise am Anfang zu hoch angesetzt werden oder daß sie sich später in veränderter Situation als zu hoch erweisen. Die Bufferstock-Käufe würden in einem solchen Fall — jedenfalls zeitweise — überhöhte Mindestpreise stützen und Überproduktion anreizen.

Läßt sich dieses Risiko auch nicht gänzlich vermeiden, so läßt es sich doch sehr stark begrenzen, indem man in die Abkommen Sicherungen gegen eine derartige Entwicklung einbaut. Solche Sicherungen sind vor allem: Stimmengleichheit von Erzeugerund Verbraucherländern (verbunden mit der Regel, daß Beschlüsse der Mehrheit in beiden Gruppen bedürfen); strikte Höchstgrenzen für die Ausgleichslager; flexible Preisspannen, die es ermöglichen, falsche Mindestpreise schnell und in möglichst automatischer Weise zu korrigieren (z. B. kann festgelegt werden, daß der Mindestpreis automatisch herabgesetzt wird, wenn die Stützungskäufe ein Drittel der Höchstmenge des Lagers erreicht haben, und daß er erneut herabgesetzt wird, wenn das zweite Drittel erreicht ist).

Daß es möglich ist, solche Sicherungen in Verhandlungen über Abkommen durchzusetzen, beweisen die in den letzten Jahren erneuerten Abkommen über Zinn, Kakao und Kaffee und ebenso die laufenden Verhandlungen über ein Kautschukabkommen

Und in der Tat hat keines der bestehenden Abkommen in der Vergangenheit je zu einer Lagerakkumulation unverkäuflicher Überproduktion geführt.

Nicht daß ‘Rohstoffabkommen durch -Durch setzung überhöhter Preise die Marktwirtschaft zerstören, ist die wirkliche Gefahr, sondern vielmehr, daß sie selbst bei dem ungleich bescheideneren Ziel der Preisstabilisierung unwirksam bleiben.

Die Ansicht, Rohstoffabkommen seien in der Praxis funktionsunfähig, wird mit den Hinweis auf die Erfahrungen in der Vergangenheit begründet. Die Lehren der Vergangenheit sind jedoch richtig zu interpretieren: Die Abkommen (Zinn, Kaffee, Kakao) vermochten in der Regel die festgesetzten Mindestpreise zu verteidigen. Der Vorwurf der Funktionsunfähigkeit bezieht sich darauf, daß sie sich Preis-haussen gegenüber als machtlos erwiesen und die Höchstpreise nicht zu halten vermochten. Die Erfahrung mit dem Zinn-Abkommen — dem einzigen Ausgleichslagerabkommen, das ausreichend lange Zeit besteht — zeigt die Gründe dafür: — die Höchstmenge des Ausgleichslagers war zu gering bemessen;

— wenn sich der Marktpreis dem Mindestpreis näherte, setzten sofort Produktionsbeschränkungen ein, so daß selbst die erlaubte Höchstmenge des Lagers niemals angekauft werden konnte;

— der Mindestpreis war zu tief angesetzt und wurde niemals rechtzeitig korrigiert.

Die Erfahrungen in der Vergangenheit schließen also nicht aus, daß besser konzipierte und besser ausgestattete Stabilisierungsabkommen künftig wirksamer sein können. Bei anhaltenden Preishaussen wird sich zwar das Durchbrechen der Obergrenze kaum verhindern lassen, denn Ausgleichslager, die für diesen Fall groß genug sind, lassen sich weder finanzieren noch vor allem ansammeln. Möglich jedoch erscheint es, daß Ausgleichslagerabkommen die Hausse dämpfen und ihre Dauer verkürzen können.

Gewinne bei erfolgreicher Preisstabilisierung Stabilere Rohstoffpreise würden den exportierenden Entwicklungsländern eine Reihe direkter Vorteile bringen. Sie würden zunächst von verschiedenen Richtungen her einen — allerdings mäßigen — Ressourcentransfer bewirken:

— Der Preisstabilisierungsmechanismus ist asymmetrisch, da für die Einhaltung der oberen Preisgrenze ein zweiter Verteidigungsmechanismus fehlt. Eine typische Wirkung bisheriger Abkommen war deshalb, daß Preisausschläge nach unten abgeschnitten, Preishaussen jedoch nicht verhindert wurden. In der Praxis kommt es damit zu einer Erhöhung Durchschnitts des -preises. — Zugleich wird die Verkäuferstellung der Entwicklungsländer auf den Rohstoffmärkten gestärkt. Sie werden also auf Kosten der Importeure und Spekulanten ihren Anteil an diesem Durchschnittspreis erhöhen können. — Bei den agrarischen Industrierohstoffen, die mit synthetischen Ersatzstoffen konkurrieren, werden stabilere Preise die Wettbewerbsfähigkeit erheblich verbessern. Die Entwicklungsländer können hier also ihre Exporterlöse durch Ausdehnung der Exportmengen steigern.

Stabilere Preise können ferner die Planung der Investitionen und die Auslastung der Kapazitäten verbessern. In der Situation scharf schwankender Preise kommt es zu dem bekannten „Schweinezyklus": Überinvestition bei hohen Preisen, Unterinvestition bei niedrigen Preisen. Der Zyklus der Instabilität gebiert so aus sich selbst heraus den nächsten Zyklus. Eine Stabilisierung der Preise könnte deshalb erhebliche Effizienzgewinne und d. h. niedrigere Kosten für die Produzenten bringen. Eine kontinuierliche Ausweitung der Produktionskapazität und die mit ihr verbundene Kostensenkung wird im übrigen auf Dauer zu niedrigeren Rohstoffpreisen führen, so daß von diesen Effizienzgewinnen auch die Verbraucher profitieren.

Der wichtigste Gewinn jedoch, den stabilere Rohstoffpreise bringen würden, wäre der Gewinn für die Weltwirtschalt als Ganzes: Stabilisierung der Rohstoffpreise könnte beitragen zur Stabilisierung des Wachstums der Weltwirtschaft.

Die Instabilität der Rohstoffpreise verschärft die Instabilität der Konjunktur: Im Boom verstärken steil steigende Rohstoffpreise die Inflation die dann eine deflatorische Brems-Politik erzwingt. In den zahlungsbilanzschwachen Industrieländern vergrößern die steigenden Preise für Rohstoffimporte zugleich die Zahlungsbilanzdefizite; auch dies zwingt die Regierungen zu einer Bremspolitik.

In der Rezession umgekehrt vertiefen die nun ebenso steil fallenden Rohstoffpreise den Konjunkturrückgang in den Rohstofferzeugerländern und zerrütten ihre Zahlungsbilanzen. Dies wiederum hat negative Rückwirkungen auf die Exporte der Industrieländer und treibt dort die Rezessionsspirale weiter an.

Die Verschärfung der weltweiten Konjunkturschwankungen durch die Schwankungen der Rohstoffpreise verursacht also erhebliche Wachstums-und Beschäftigungsverluste für die Weltwirtschaft. Keynes hatte diese Verluste vor Augen, als er nach dem Krieg mit Dringlichkeit ein System zur Stabilisierung der Rohstoffpreise forderte

Um die Größenordnungen, um die es hier geht, bewußtzumachen: ein Verlust von nur 0, 1 Prozent des Weltprodukts entspricht einer Summe von über 8 Mrd. US-Dollar.

Stabilere Rohstoffpreise würden überdies, indem sie eine kontinuierliche Ausweitung der Investitionen begünstigen, die Rohstoffversorgung einer wachsenden Weltwirtschaft verbessern. Sie würden im allgemeinen verbunden sein mit stabileren Exporterlösen der Entwicklungsländer. Dies wiederum würde die Fähigkeit dieser Länder erhöhen, ihrem Schuldendienst nachzukommen 1 und neue Kredite aufzunehmen, und würde die Stabilität des internationalen Kreditsystems stärken. Auch diese Wirkungen wären Beiträge zur Stabilisierung von Wachstum und Entwicklung der Weltwirtschaft.

Ausblick Die Verhandlungen über das auf UNCTAD IV beschlossene Integrierte Programm haben sich bisher auf zwei Themen konzentriert: Rohstoffabkommen und Gemeinsamer Fonds.

Nach UNCTAD V (Mai 1979 in Manila) dürften nun auch die weiteren Ziele des IP zu Verhandlungsthemen werden: Erlösstabilisierung, Rohstoffverarbeitung in den Entwicklungsländern und — komplementär dazu — Marktöffnung in den Industrieländern, Verbesserung der Absatz-, Verteilungs-und Transportsysteme für die Rohstoffe der Entwicklungsländer.

Auf der Ministerkonferenz der Gruppe der „ 77" in Arusha/Tansania (12. — 16. Februar 1979), auf der die Entwicklungsländer ihre Verhandlungsposition für UNCTAD V absteckten, kündigte sich diese Weiterentwicklung der Rohstoffverhandlungen bereits an. Die Rohstoffresolution dieser Konferenz fordert, die Verhandlungen über einen Gemeinsamen Fonds und Rohstoffabkommen mit Nachdruck fortzuführen, und nennt dann als drei neue Schwerpunkte: — die Errichtung eines Erlösstabilisierungssystems, zusätzlich zur IWF-Fazilität (Sonderziehungsrechte)

und zum Stabex-Sy-

stem der EG;

— die Schaffung eines umfassenden Rahmens für die internationale Zusammenarbeit bei der Ausdehnung der Rohstoffverarbeitung der Entwicklungsländer und der Marktöfinung der Industrieländer;

— die Schaffung eines Rahmens für die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Vermarktung und Verteilung der Rohstoffe, mit dem Ziel, den Anteil der Entwicklungsländer an diesen Funktionen zu steigern.

Ein viertes Thema wäre von den westlichen Industrieländern in die Verhandlungen einzuführen: das Thema der Rohstoffinvestitionen und insbesondere der Bergbauinvestitionen in den Entwicklungsländern.

Der Anteil der Entwicklungsländer an der Weltbergbauproduktion ist mit 32 Prozent stark unterproportional, sowohl in Relation zu ihrem Anteil an den bekannten Reserven (42 Prozent) wie zu ihrem Anteil an der festen Erdoberfläche (50 Prozent). In der Dritten Welt liegt das größte und oft das wirtschaftlich günstigste Rohstoffpotential. Ohne daß dieses Potential in ausreichendem Umfang exploriert und erschlossen wird, kann der wachsende Rohstoffbedarf einer wachsenden Weltwirtschaft nicht gedeckt werden. Und das heißt vor allem auch: Ohne daß dieses Potential genutzt wird, kann die Rohstoffversorgung des Westens nicht gesichert werden; denn — anders als der im wesentlichen autarke Osten — der Westen ist von massiven Rohstoffeinfuhren aus der Dritten Welt abhängig. Einfuhren kann man nur, was produziert wurde. Und hier liegt die Gefahr. Denn das System, unter dem in der Vergangenheit Rohstoffinvestitionen in den Entwicklungsländern finanziert und durchgeführt wurden, ist zusammengebrochen. Die westlichen Bergbau-konzerne, die diese Aufgabe erfüllten, werden heute — falls sie überhaupt noch zugelassen würden — von der herrschenden Rechtsunsicherheit für Auslandsinvestitionen abgeschreckt.

In der ersten Hälfte der siebziger Jahre entfielen nur noch 15 Prozent der Explorationsausgaben der westlichen Firmen auf die Entwicklungsländer Die meisten Entwicklungsländer können jedoch Bergbauprojekte nicht allein verwirklichen. Sie haben dazu nicht das Kapital und vor allem auch nicht das Know-how. Die Folge ist: In vielen Ländern der Dritten Welt sind Exploration und Erschließung neuer Lagerstätten zum Stillstand gekommen. Die Bergbaukonzerne konzentrieren die Investitionen auf Kanada, Australien, die Vereinigten Staaten und — bis vor kurzem! — Südafrika. Statt kostengünstiger Lagerstätten in der Dritten Welt werden teure Ressourcen in den „sicheren" Ländern ausgebeutet. Und angesichts unzureichender Preise unterbleiben Investionen überhaupt. Jährlich erschöpfen sich in der Welt etwa 5 Prozent der erschlossenen Lagerstätten. Zugleich wird die Weltnachfrage nach mineralischen Rohstoffen (ohne Brennstoffe) in den nächsten zehn Jahren jährlich um 4 bis 5 Prozent steigen; das aber heißt nichts anderes, als daß die Bergbaukapazität der Welt in diesen zehn Jahren um 50 Prozent (!) wachsen muß. Für die Dekade 1975— 1985 wurde der Bedarf an Bergbauinvestitionen auf 120 Mrd. US-Dollar (Preise von 1975) geschätzt. Hält die gegenwärtige Stagnation der Exploration und Er

Schließung von Lagerstätten in der Dritten Welt an, so werden diese Investitionen nicht zustande kommen. Das Funktionieren der Marktwirtschaft wäre auf ganz andere Weise bedroht als durch den „Rohstoffdirigismus", der so oft als Schreckgespenst an die Wand gemalt wird — dadurch nämlich, daß trotz steigender Nachfrage die nötigen Investitionen nicht unternommen werden.

Die extreme Rohstoffpreishausse 1972— 1974 machte bereits offenbar, daß die Rohstoffproduktion den Bedarf der Welt in einer Boom-Periode nicht mehr befriedigen kann. Und ebenso läßt sich die Anfang 1979 in Gang gekommene neue Rohstoffhausse nur von der Angebotsseite her erklären n).

Der grundlegende Wandel des Angebot-Nachfrage-Verhältnisses auf den meisten Rohstoffmärkten ist der Hintergrund, vor dem die UNCTAD-Verhandlungen stattfinden. Wer den Verhandlungen in den letzten Jahren zu folgen versuchte, hat allerdings das Gefühl, daß die Vertreter beider Seiten noch aus der Bewußtseinslage der fünfziger und sechziger Jahre heraus verhandeln, die durch ein Rohstoffüberangebot gekennzeichnet waren.

Kissinger warnte schon 1976 auf der UNCTAD IV in Nairobi, die Rohstoffkosten würden explodieren, wenn die derzeitigen Investitionstrends anhielten. Er schlug vor, eine Interrationale Rohstoffbank zu errichten, die eine Art Mittelglied zwischen Regierungen in den Entwicklungsländern und westlichen Bergbauunternehmen sein sollte und die ebenso Kapital für Investitionen wie Garantien für Investoren geben sollte. Es war ein Versuch, ein neues System für Rohstoffinvestitionen in der Dritten Welt aufzubauen. Der Vorschlag wurde abgelehnt, weil er eingebracht wurde als Alternative zum Gemeinsamen Fonds.

Die Zeit aber drängt. Größere Bergbauprojekte brauchen von der Exploration bis zur Produktionsreife sechs bis zehn Jahre. Was heute getan wird, entscheidet über unsere Rohstoffversorgung in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre.

Eine neue Weltrohstoffordnung Die alte Rohstoffordnung, unter der einige Dutzend westlicher Bergbaugesellschaften die effiziente Versorgung der Weltwirtschaft sicherten, existiert nicht mehr. Die Aufgabe ist, auf neue Weise ausreichende Rohstoffinvestitionen und die unentbehrliche Zusammenar-beit zwischen den Bergbaugesellschaften und den Entwicklungsländern wiederherzustellen. Das Schicksal des Kissinger-Vorschlags jedoch zeigt, daß diese Aufgabe sich nicht isoliert von den übrigen Rohstoffproblemen lösen läßt. Sie läßt sich vielmehr nur innerhalb einer umfassenden neuen Weltrohstoffordnung lösen, die alle Rohstoffe, die agrarischen wie die mineralischen, einschließt und die den Interessen der Entwicklungsländer Rechnung trägt und deshalb von ihnen als legitim anerkannt wird. Es muß dies eine Ordnung sein, die ein doppeltes Ziel verwirklicht: die effiziente Sicherung der Weltrohstoffversorgung und die Mobilisierung der Rohstoffressourcen der Dritten Welt im Interesse einer beschleunigten Entwicklung. Elemente dieser Ordnung müßten sein: stabilere Rohstoffpreise, stetige und wachsende Exporterlöse der Dritten Welt, Aufbau weiterverarbeitender Kapazitäten in den Entwicklungsländern und Öffnung der Märkte der Industrieländer, Versorgungssicherheit für die Verbraucherländer und Rechtssicherheit für die westlichen Bergbau-unternehmen in ihrer Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Es wäre dies eine Ordnung, in der die Entwicklungsländer die Steigerung ihrer Exporterlöse nicht durch Produktionsbeschränkung und höhere Preise zu erreichen suchten, sondern durch Ausdehnung der Produktion und Vergrößerung ihres Markt-anteils sowohl bei unverarbeiteten wie bei weiterverarbeiteten Rohstoffen.

Eine ausgewogene Regelung in diesem auch psychologisch so wichtigen Kernbereich der Rohstoffbeziehungen wäre zugleich ein wesentlicher Schritt auf das Ziel hin, eine umfassende Ordnung der Nord-Süd-Kooperation zu entwickeln, in der alle Beteiligten gemeinsame Verantwortung für die Lösung der Probleme unserer interdependenten Welt übernehmen.

Eine solche Ordnung gemeinsamer, gegenseitiger Verantwortung aufzubauen — dies muß das Ziel des Nord-Süd Dialogs werden. Es erfordert, daß alle drei beteiligten Ländergruppen ihre Einstellung zu diesem Dialog ändern: — Die Dritte Welt muß davon abgehen, diesen Dialog nur als Forum für einseitige Forderungen der Entwicklungsländer zu sehen. — Die östlichen Industrieländer, die ja beginnen, sich in die Weltwirtschaft zu integrieren, müssen Mitverantwortung übernehmen. Dies heißt vor allem auch: sie müssen einen ihrem Potential adäquaten Beitrag zur Entwicklung der Dritten Welt leisten;

ihre — allerdings unter Vorbehalten angenommene — Einbeziehung in die Finanzierung des Gemeinsamen Fonds ist ein erster Schritt in diese Richtung. — Und als Vorbedingung, ohne die sich diese Verhaltensänderungen nicht erreichen lassen: Die westlichen Industrieländer, die immer noch drei Fünftel des Weltprodukts erzeugen und damit weiterhin den Schlüssel für Wachstum und Stabilität der Weltwirtschaft in der Hand halten, müssen von einer reaktiven Politik stückweiser Konzessionen vorstoßen zu einer aktiven, gestaltenden Politik. Sie müssen großzügig Leistungen anbieten und als Gegenleistung fordern, daß die Entwicklungsländer und die östlichen Industrieländer ihrerseits die Beiträge für das Ganze der Weltwirtschaft leisten, ohne die die gemeinsamen Ziele des stabilen Wachtums und der beschleunigten Entwicklung nicht zu verwirklichen sind.

Die Welt ist in einem tiefgreifenden Wandel begriffen. Die Aufgabe für die industriellen Demokratien lautet, diesen Wandel mitzugestalten, statt ihn zu erdulden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Im einzelnen vgl. dazu Dragoslav Avramovi, Common Fund: Why and of What Kind?, in: Journal of World Trade Law, Sept. /Oct. 1978, S. 376 ff.

  2. Die EG z. B. autorisierte für das Produktionsjahr 1977/78 Zuckerexporte in Höhe von fast 3 Mio t. Die aufzubringende Subvention pro Tonne war rund doppelt so hoch wie der Weltmarktpreis.

  3. Nach Berechnungen der Weltbank (34 Rohstoffe) und der UNCTAD (28 Rohstoffe) sanken zwischen 1953 und 1972 die Rohstoffpreise relativ zu den Industriegüterpreisen durchschnittlich um 2, 2 Prozent pro Jahr; siehe UNCTAD Sekretariat „Indexation", Genf 7. 7. 1975, Dokument TD/B/563. — Die Annahme der Verschlechterung der Terms of Trade der Rohstoffexporteure ist allerdings, aber wohl zu Unrecht, umstritten. Eine nichtveröffentlichte Studie, die eine Gruppe von Ökonomen unter Leitung von Hendrick Houthakker (Harvard) 1975 für UNCTAD erstellte, kam zu dem Ergebnis, daß es zwischen 1945 und 1975 keine Verschlechterung gab.

  4. Siehe Avramovic, a. a. O., S. 383.

  5. Die Reden Kissingers und Genschers sind abgedruckt in: Henry Kissinger, American Foreign Policy, New York 19773, S. 237 ff., bzw. in: Hans-Dietrich Genscher, Deutsche Außenpolitik, Stuttgart 1977, S. 83 ff.

  6. In den drei bestehenden Abkommen wurde der Mittelpreis der Preisspanne eher weitsichtig angesetzt und dürfte unter dem längerfristigen Markttrendpreis liegen. Die Ausgleichslager für Zinn und Kakao (das Kaffeeabkommen ist ein Quotenabkommen) und ebenso das vorgeschlagene Ausgleichs-lager für Kautschuk haben feste Höchstgrenzen. Beschlüsse bedürfen in allen Abkommen einer Mehrheit sowohl der Erzeuger wie der Verbraucher; dies gibt den großen Verbraucherländern (z. B.den Vereinigten Staaten zusammen mit der EG) praktisch ein Vetorecht.

  7. So wurde im Boomjahr 1973 die dramatische Beschleunigung der Inflation in den westlichen Ländern ausgelöst durch den starken Anstieg der Rohstoffpreise. Die Rohstoffpreise (ohne Brennstoffe und Baumaterial) trugen 1973 zum Gesamtanstieg des amerikanischen Großhandelspreisindexes für die Industriekomponenten nicht weniger als 72 Prozent bei. Siehe dazu R. N. Cooper und R. Z. Lawrence, The 1972— 1975 Commodity Boom, Broo-

  8. Vergleiche sein Memorandum vom 14. 4. 1942: The International Control of Raw Materials, abgedruckt in: Journal of International Economics 4 (1974), S. 299— 315. Siehe auch N. Kaldor, Inflation and Recession in the World Economy, Economic Journal vol. 86, No. 344 (December 1976), S. 703 bis 714.

  9. Siehe Rex Bosson und Bension Varon, The Mining Industry in the Developing Countries, Weltbank, Oxford University Press 1977, S. 188. Vgl. auch: „Mineralische Rohstoffe", Studienreihe des BMWi, Nr. 21, Mai 1978, S. 82.

  10. Siehe Hans-Jürgen Schmahl, Rohstoffhausse — kaum bemerkt, in: Wirtschaftsdienst März 1979, S. 104, HWWA Hamburg.

Weitere Inhalte

Konrad Seitz, Dr. phil., MA (Fletcher School for International Law and Diplomacy), geb. 1934 in München, Mitglied des Planungsstabs im Auswärtigen Amt. Veröffentlichungen zu Fragen der Außenpolitik, der Weltwirtschaftspolitik und der Entwicklungspolitik. Zum Thema dieses Beitrags seien u. a. genannt: Die Dritte Welt als neuer Machtfaktor der Weltpolitik, in: Europa-Archiv 7/1975; Rohstoffversorgung und Rohstoffabkommen, in: Europa-Archiv 14/1975; Die Verhandlungen über einen gemeinsamen Rohstoffonds, in: HWA-Wirtschaftsdienst 1978, II (Februar); OPEC als Modell — Der Kampf um eine neue Weltrohstoffordnung, in: Manfred Tietzel (Hrsg.), Die Energiekrise: Fünf Jahre danach, Bonn 1978.