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Menschenrechte in der Deutung evangelischer Theologie | APuZ 36/1979 | bpb.de

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Menschenrechte in der Deutung evangelischer Theologie

Martin Honecker

/ 47 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In der evangelischen Theologie und Kirche wie in der ökumenischen Bewegung finden die Menschenrechte zunehmend Aufmerksamkeit. Am Beispiel der Menschenrechte wird freilich zugleich eine Spannung zwischen Theologie und Ethos sichtbar, insofern die Menschenrechte einerseits Geltung unabhängig von religiösen Normen fordern, christlicher Glaube andererseits aber beansprucht, auch für die Orientierung in fundamentalen gesellschaftlichen Lebensfragen bedeutsam zu sein. In vier Schritten wird diese Fragestellung entfaltet: 1. Zunächst ist zu klären, in welchem Sinne Menschenrechte überhaupt nur ethische Ansprüche oder auch positive Rechte sind. Dabei tritt die Verschränkung der Diskussion um die Grundwerte mit der Frage der Menschenrechte zutage. 2. Sodann ist auch für die ökumenische Diskussion wichtig und bestimmend ein oftmals behaupteter Gegensatz zwischen Individualrechten und Sozialrechten. Anhand des Rechtes auf Arbeit und der Religionsfreiheit wird gezeigt, daß dieses Schema jedoch unzulänglich ist und die Diskussion vor eine falsche Alternative stellen kann. 3. Gemeinsam ist allen Menschenrechten der Rückbezug auf die Menschenwürde. Die Menschenwürde kann sich sowohl auf die christliche Überzeugung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen wie auf Kants Begründung des Ethos in der christlichen Autonomie berufen. Es ist jedoch unmöglich, die Achtung der Menschenwürde auf eine bestimmte religiöse oder philosophische Interpretation als Voraussetzung ihrer staatlichen und gesellschaftlichen Anerkennung festzulegen. Menschenwürde als allgemeines menschliches Prinzip ist in einer pluralistischen Gesellschaft säkular, „profan" zu verstehen. 4. Theologische Begründungen der Menschenrechte sind dann fragwürdig, wenn sie eine zusätzliche, besondere Begründung von Recht und Würde des Menschen über die allgemeine und säkulare Begründung hinaus beibringen wollen. Sie sind sinnvoll, wenn sie zur Praxis des Umgangs mit Menschenrechten motivieren und wenn sie durch die Unterscheidung von Ethos und Religion, von menschlichem Handeln und christlichem Glauben eine Grenze politischer Aktivität sichtbar machen, welche dazu anhält, Menschenwürde als Wahrung des Geheimnisses des Menschseins zu achten und die durch keine Rechts-forderung zu erzwingende Tat der Liebe freizusetzen. Die kirchliche und theologische Erörterung der Menschenrechte vermag daher zu veranschaulichen, wie christliche Über-lieferung eine religiöse Dimension menschlicher Selbstbedeutung aufschließen und erhellen kann.

I. Die Grundwertediskussion und die Frage der Menschenrechte

Während in der katholischen Kirche der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig die Grundwerte die Diskussion thematisch beherrschen liegt in der evangelischen Kirche das Gewicht des Interesses auf den Menschenrechten. Dieser Unterschied ist nicht zufällig. Evangelische Theologie und Kirche üben solche Zurückhaltung in der Grundwertedebatte aus verschiedenen Gründen:

Einmal besteht, nicht ganz ohne Anlaß, die Vermutung, daß die Grundwerte in den katholischen Überlegungen die Stelle der klassischen Naturrechtsdoktrin einnehmen sollen, gegen die sich evangelische Theologie und Kirche aus mancherlei sachlichen Gründen ablehnend oder zumindest spröde verhalten, da sie die zugrunde liegende Berufung auf eine unwandelbare Seinsordnung und vor allem deren Erkennbarkeit kritisch in Frage stellen.

Zum anderen erweist sich der Begriff des Wertes im Wort „Grundwerte" als unscharf und wird überdies zum Teil in der Diskussion allzu ungenau gebraucht. Man unterscheidet nicht zureichend zwischen Werten als sittlichen Grundhaltungen oder Verhaltensweisen oder ethischen Ansprüchen und Normen auf der einen Seite und Rechtsgütern auf der anderen Seite. Für den Schutz der Rechtsgüter ist in der Tat auch der Staat mit seiner Rechtsordnung in Pflicht zu nehmen, während sittliche Verhaltensweisen allein von den Bürgern praktiziert werden können. Evangelische Stellungnahmen werden sich deshalb im Blick auf den Staat darauf beschränken, Menschenrechte zur Geltung zu bringen, während Grundwerte als ethische Forderungen in erster Linie die Bürger angehen. Dahinter steht freilich keine abstrakte Trennung von Grundwerten und Grundrechten, sondern das Bestreben nach sachgerechter Unterscheidung; solche Unterscheidung sieht freilich andererseits in der Achtung der Menschenwürde sowohl ein Rechtsgebot wie eine Forderung der „Grundwerte" und damit den gemeinsamen Bezugspunkt von Grundrechten und Grundwerten.

INHALT I. Die Grundwertediskussion und die Frage der Menschenrechte II. Die Pluralität der Menschenrechtsauffassungen 1. Menschenrechte als juristische Normen und als ethische Postulate 2. Das Recht auf Arbeit 3. Religionsfreiheit 4. Individualrechte und Sozialrechte III. Die Würde des Menschen als Grund und Maßstab der Menschenrechte 1. Zur Begründung der Menschenwürde a) Menschenwürde und Gottebenbildlichkeit b) Menschenwürde und Kants Grundsatz der sittlichen Autonomie c) Ein allgemeines Verständnis von Menschenwürde d) Menschenwürde als Rechtsgrundsatz 2. Gefährdungen der Menschenwürde 3. Die Säkularität der Menschenwürde und die „Ehre des Menschen"

IV. Theologische Deutungen der Menschenrechte 1. Die Problemlage 2. Beispiele theologischer Deutungen a) Die katholische Sicht b) Die reformierte Deutung c) Der lutherische Ansatz d) Die Thesenreihe der EKD 3. Was heißt „theologische Begründung ethischer Forderungen"?

a) Moralische Evidenz und theologische Begründung b) Begründung als Einweisung in den rechten Umgang mit Menschenrechten c) Liebe als Grundvoraussetzung von Ethik und Recht V. Zusammenfassende Thesen Drittens hat die Diskussion um die Kompetenz von Staat, Kirche und Gesellschaft bei der Wahrung der Grundwerte und damit um die Zuordnung von Recht und Ethos zwar die Auseinandersetzung beherrscht, aber auch teilweise stark verwirrt und eher vernebelnd als klärend gewirkt: Evangelische Stellungnahmen werden sich grundsätzlich mit der Berufung auf die formale Zuständigkeit oder Unzuständigkeit eines kirchlichen Lehramtes für die Auslegung der Grundwerte zurückhalten und darum sich bemühen, auch in der Grundwertediskussion an die staatlich positivierten Grundrechte oder an die weltweit anerkannten überstaatlichen Menschenrechte anzuknüpfen Stärker als die der Tradition des Naturrechts verhaftete katholische Soziallehre hat die evangelische Sicht eine Nähe zum Rechtspositivismus, und zwar wegen der Achtung der Rechtssicherheit und damit aus Respekt vor dem geltenden Gesetz, solange dieses nicht zu offenkundiger Ungerechtigkeit führt.

Schließlich sind die evangelischen Stellungnahmen auf die ökumenische Diskussion bezogen und nicht nur auf die innerdeutschen, zum guten Teil parteipolitisch ausgerichteten Kontroversen. In der ökumenischen Diskussion spielen jedoch die Grundwerte kaum eine Rolle; hingegen gilt seit den Weltkirchenkonferenzen von Uppsala (1968) und Nairobi (1975) den Menschenrechten eine besondere Aufmerksamkeit. Genannt seien dafür zunächst nur folgende Stellungnahmen: Die Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirchen in Deutschland erarbeitete im September 1975 eine Stellungnahme „Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch" Auf der Weltkirchenkonferenz in Nairobi vom 23. November bis 10. Dezember 1975 wurden ebenfalls Empfehlungen zu den Menschenrechten erarbeitet Der Reformierte Weltbund und der Lutherische Weltbund veröffentlichten 1976 theologische Ausarbeitungen zu den Menschenrechten. Die Päpstliche Kommission „lustitia et Pax" hat ebenfalls 1975 ein Arbeitspapier „Die Kirche und die Menschenrechte“ verfaßt. Diese Ausarbeitungen enthalten erfreulich viele Gemeinsamkeiten.

Um jedoch die Grundfrage der Beziehungen zwischen Theologie und Menschenrechten zu klären, empfiehlt es sich, zunächst nicht die Dokumente zu analysieren und zu vergleichen, sondern zuvor das Problemfeld zu beschreiben und dann erst die unterschiedlichen Interpretationsansätze vorzustellen; denn einige theologische Kontroversen haben ihren Grund primär in einem unterschiedlichen sachlichen Verständnis der Menschenrechte und nicht in der theologischen Begründung und Argumentation als solcher. Zu diesem Problem-feld gehört einmal die Pluralität der Menschenrechtsauffassungen (Kapitel II), zum anderen aber auch der alle Pluralität übergreifende säkulare Anspruch der Menschenrechte, zusammengefaßt im Gedanken der Würde des Menschen (Kapitel III). Erst danach kann die theologische Deutung selbst zum Thema werden (Kapitel IV). Bereits bei der Darstellung der Problemlage soll jedoch auf theologische Fragestellungen und kirchliche Stellungnahmen hingewiesen werden.

II. Die Pluralität der Menschenrechtsauffassungen

1. Menschenrechte als juristische Normen und als ethische Postulate

Auch für eine theologische Deutung und eine kirchliche Bewertung ist zunächst die Einschätzung der Rechtsverbindlichkeit von Menschenrechten wichtig. Denn wenn man Menschenrechte nur als Inbegriff aller ethisch wichtigen Forderungen nimmt, neigt man dazu, die Frage der rechtlichen Durchsetzbarkeit unterzubewerten oder ganz zu übersehen. Man kann sich hierfür sogar auf die „Allgemeine Erklärung der Menschen-rechte" vom 10. Dezember 1948 berufen, welche die darin genannten Menschenrechte bezeichnet als „das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal" 8 Dezember 1948 berufen, welche die darin genannten Menschenrechte bezeichnet als „das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal" 8). Diese Auffassung von Menschenrechten als einem ethischen Ideal kann zu einer doppelten Fehleinschätzung führen, nämlich daß man sie entweder als bloßes Ideal in ihrer praktischen politischen und rechtlichen Bedeutung unterschätzt, oder daß man mit ihnen als Ideal überhöhte Ansprüche verbindet, ohne daß diese auf ihre praktische Durchsetzbarkeit hin bedacht würden. Eine derartige Überschätzung zeichnet sich ab, wenn in Stellungnahmen des Reformierten Weltbundes Menschenrechte als zukünftige „Rechte" gleichsam losgelöst von der gegenwärtigen Rechtswirklichkeit bestimmt werden. Menschenrechte erscheinen dann lediglich als noch nicht erfüllte Zukunftsrechte oder Befreiungsrechte. Umgekehrt verkennt eine bloße positiv-rechtliche Sicht der Menschenrechte als innerstaatlich anerkannter Grundrechte, daß Menschenrechte zwar staatlicher Rechtssetzung bedürfen, um einklagbar zu werden, aber immer auch in ihrem Anspruch einen aller staatlichen Rechtssetzung übergeordneten Maßstab bilden. Dies ist in zweifacher Hinsicht zu beachten: Die positiv-rechtliche Geltung kann zum einen nicht nur durch staatliche Rechtssetzung, sondern auch durch völkerrechtliche Verträge und Abmachungen bewirkt werden, sofern Rechtsinstanzen und Rechtsverfahren vorhanden sind oder geschaffen werden, welche die Einhaltung der Menschenrechte als Rechtsnormen zu kontrollieren und sicherzustellen vermögen. Die Menschenrechtskonvention des Europarates vom 4. November 1950 beispielsweise bietet ein ausgewogenes, freilich nicht durchgängig gesichertes transnationales Schutzsystem für die klassischen Menschenrechte 9). Für die theologische und kirchliche Sicht ist diese überstaatliche Dimension wichtig, soweit es das Eintreten der Kirchen für völkerrechtliche Regelungen betrifft. Insbesondere im Zusammenhang mit der kirchlichen Wertung der KSZE-Vereinbarungen von Helsinki erhielt dieser Gesichtspunkt Gewicht, sowohl in ökumenischen Äußerungen 10) als auch in der Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 10. Juli 1976 über „Fragen der KSZE-Schlußakte, der Menschenrechte und der Religionsfreiheit"

Theologie und Kirche werden zum anderen Anlaß haben, immer wieder auf noch nicht abgegoltene und eingelöste rechtliche Folgerungen aus der Anerkennung von Menschenrechten als einem moralischen Standard hinzuweisen. Dies gilt etwa in der Bundesrepublik Deutschland für die Ausgestaltung des Asylrechts, die Verwirklichung von Rechten auf Bildung und Arbeit und für die Rechte ausländischer Arbeitnehmer. Letztlich entscheidet sich an der Stellung eines Staates zu den Menschenrechten, ob das betreffende Gemeinwesen als menschenwürdig anzusehen ist oder nicht. Nach meiner eigenen Sicht ist dabei heute auch für Christen keineswegs die Formulierung neuer Standards vordringlich; die vorhandenen scheinen vielmehr im ganzen zureichend zu sein. Notwendig ist es jedoch, diese Standards rechtlich durchzusetzen, sie also in innerstaatlich einklagbares und zwischenstaatlich geschütztes Recht umzusetzen.

Dies verschärft sich zu einer weiteren Frage, nämlich ob die Vorstellung von Menschenrechten, die für Menschen aller Völker, Kulturen, Gesellschaften gleicherweise gelten, nicht nur eine Fiktion ist. Sind Menschenrechte denn nicht stets abhängig von sozialen, historischen, politischen Gegebenheiten, vom jeweiligen Kontext? Zeigt es sich denn nicht, daß staatliche Rechtsordnungen sehr unterschiedlich ausgestaltet werden können und daß Menschenrechte in der konkreten Rechtspraxis sehr variabel angewendet werden? Der Kolumbianer Orlando Fais Borda erklärte zur ökumenischen Menschenrechts-diskussion mit scharfer Kritik der westlichen Vorstellungen und Gesellschaften: „ 1. Menschenrechte neigen dazu, hauptsächlich durch und für Mächtige und Reiche wahrgenommen zu werden. Die Armen und Unterdrückten bleiben größtenteils ohne deren Schutz und Kenntnis. 2. Die diesem Denksystem eigene Ideologie und wirtschaftliche Zwänge haben die Erfüllung authentischer, grundlegender Menschenrechte praktisch unmöglich gemacht" Menschenrechte werden deswe-gen in dieser Sicht abgewertet zugunsten einer politischen Befreiung und der Verfolgung sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit. Menschenrechte gelten als Teil eines bestimmten Gesellschafts-und Wirtschaftssystems, zugespitzt als geistiger Ausdruck westlichen, liberalen, „kapitalistischen" Denkens. Menschenrechte sind lediglich Element einer besonderen „Ideologie" und Ausdruck eines Besitzindividualismus

Lassen wir es dahingestellt, inwieweit solche Kritik im einzelnen zutrifft. Man kann ihr jedenfalls insoweit zustimmen, als Menschenrechte unmittelbar Zusammenhängen mit der Staatsverfassung und mit der Gesellschaftsordnung: Diktatur und Menschenrechte schließen sich aus; rechtsstaatliche Demokratie hat Menschenrechte zur Voraussetzung. Diese Problematik sei nun nicht so entfaltet, daß ein Systemvergleich zwischen „westlilichem" und „östlichem“ Verständnis der Menschenrechte vorgenommen wird. Er wäre zwar verhältnismäßig einfach durchzuführen und auch rechtlich aufschlußreich aber er verdeckt nur zu leicht die Tatsache, daß die Menschenrechtsauffassungen vielfältiger sind, als daß sie sich auf die glatte Alternative „westlich" und „östlich" oder gar „individualistisch" und „sozialistisch" reduzieren ließen. Dazu kommt ein weiteres: Die eigentlich schwierigen rechtlichen und ethischen Probleme zeigen sich, wenn es um Zuordnung und Abgrenzung einzelner Menschenrechte voneinander, um das Verhältnis von subjektiven Rechten des einzelnen zu den berechtigten Ansprüchen der Gesamtgesellschaft und des Staates und um die Ausgestaltung einzelner Rechte geht. Gerade die sehr intensive und differenzierte Grundrechtsdiskussion in der Rechtswissenschaft der Bundesrepublik bietet dafür instruktives Material, erfordert aber eine solche Detailkenntnis, daß es immer schwieriger wird — auch für den Ethiker —, die Thematik der Menschenrechte unter ein einziges leitendes normatives Prinzip zu ordnen. Auch hier also Pluralität. Die Schwierigkeit möchte ich holzschnittartig an zwei Beispielen, dem Recht aüf Arbeit und der Religionsfreiheit, erörtern. Dabei lasse ich bewußt das Eigentumsrecht beiseite, das zwar in den ältesten Menschenrechtskatalogen stets enthalten war, das aber in der Gegenwart nicht mehr in einem internationalen

Konsens anerkannt wird. Zugleich soll anhand der Beispiele prinzipiell in Frage gestellt werden, ob die Alternative „Individualrechte oder Sozialrechte" tatsächlich zwingend ist.

2. Das Recht auf Arbeit

Das Recht auf Arbeit gilt als das Beispiel schlechthin für das unterschiedliche westliche und östliche Verständnis der Menschenrechte, da es eines der grundlegenden sog. Sozialrechte ist Nach klassischem liberalem Verständnis enthält das „Recht auf Arbeit" lediglich das Recht zur freien Wahl des Berufes, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte (so das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Artikel Diese freie Berufs-und Arbeitsplatzwahl ist ein Freiheitsrecht, kein Sozialrecht 17). Der einzelne hat keinen Rechtsanspruch an Staat und Gesellschaft auf Zuweisung von Arbeit und Arbeitsplatz. Seit 1848, der französischen Februarrevolution, gibt es freilich vielerlei Bestrebungen und Versuche, das Recht auf Arbeit zum Sozialrecht zu erweitern. Das Recht aüf Arbeit enthielte danach einen Anspruch auf staatliche Leistungen.

Die Verfassungen der sozialistischen Staaten wollen durchweg diesen Anspruch verwirklichen. So steht z. B. in Art. 24 Abs. 1 der Verfassung der DDR (1968): „Jeder Bürger ... hat das Recht auf Arbeit. Er hat das Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freie Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation." Dem Recht auf Arbeit entspricht hier aber eine Pflicht zur Arbeit; es kann also durchaus zum Arbeitszwang führen. Der Preis des Rechts auf Arbeit ist ferner erforderlichenfalls der Verzicht auf die schlechthin freie Wahl des Berufs und des Arbeitsplatzes. Zudem gewährleistet das „Recht" auf Arbeit keineswegs einen Anspruch auf sinnvolle und angemessene Arbeit. „Hunderttausende von Menschen mit Erdarbeiten zu beschäftigen, mag wohl jedem Staat gelingen; daß in einem differenzierten System jeder den seiner Vorbildung entsprechenden Arbeitsplatz findet, muß hingegen fast ein glücklicher Zufall genannt werden, zumal sich die wirtschaftlichen Strukturen vor allem wegen der starken außenwirtschaftlichen Verflechtungen in einem dauernden und in der Gegenwart geradezu rasant verlaufenden Entwicklungsprozeß um-bilden“ Ein weiterer fundamentaler Unterschied besteht außerdem darin, daß nur ein Staat, der selbst über die Produktionsmittel verfügt, auch jedem Bürger Arbeit zuteilen und zuweisen kann. Sonst ist es nur möglich, indirekt über eine Vollbeschäftigungspolitik die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sowie Arbeitslose gegen die wirtschaftlichen Risiken abzusichern. Kein Staat kann etwas verteilen und gewährleisten, was er nicht besitzt. Die europäische Sozialcharta (vom Oktober 1961) verpflichtet deswegen ihre Unterzeichner nur zu einer Wirtschaft-und Sozialpolitik, welche die Ausübung des Rechtes auf Arbeit ermöglicht, also zur „Arbeitsmarktpflege".

Dieses Beispiel verdeutlicht zur Genüge die Schwierigkeiten: Ein „Recht auf Arbeit" ist abhängig vom Wirtschaftssystem wie von der politischen Ordnung. Bei diesem Recht sind ferner Freiheitsrechte des einzelnen abzuwägen gegen gesamtgesellschaftliche Interessen. Spannungen bestehen zwischen der Sicherheit des Arbeitsplatzes und freier Selbstbestimmung. Absolute Sicherheit hat den Preis absoluter Unfreiheit; völlig freie Arbeitsplatz-wahl geht auf Kosten der Sicherheit. Schließlich treten unlösbare wirtschaftliche Probleme auf, wenn man das Recht auf Arbeit als und nur als nicht Menschenrecht Recht der Staatsbürger begreifen will: Könnten etwa Industrieländer arbeitslosen die die Massen nichtentwickelter Länder überhaupt aufnehmen (z. B. türkische, nordafrikanische Gastarbeiter in Westeuropa)? Die bloße Statuierung des Rechts auf Arbeit als Menschenrecht löst die realen Probleme eben noch nicht. Aus solchen Erwägungen heraus hat das Grundgesetz darauf verzichtet, Sozial-rechte festzulegen, anders als die Weimarer Reichsverfassung (z. B. WRV Art. 162: „Das Reich tritt für eine zwischenstaatliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Arbeiter ein, die für die gesamte arbeitende Klasse der Menschheit ein allgemeines Mindestmaß der sozialen Rechte erstrebt"). Solche sozialen Rechte waren freilich keine subjektiv-öffentlichen, einklagbaren Rechte des Bürgers, sondern nur Programmsätze für den Gesetzgeber.

Das bedeutet wiederum nicht, daß von diesem Menschenrecht nicht ein starker ethischer Appell ausgehen kann und daß es zur Aufstellung von Standards für das soziale und wirtschaftliche Handeln von Staaten nötigt.

3. Religionsfreiheit

Während für das Recht auf Arbeit die Veran-. kerung im politischen und ökonomischen Kontext evident ist, scheint im Unterschied dazu die Religionsfreiheit ein klassisches individuelles Freiheitsrecht darzustellen 18). Diese Annahme ist freilich eine Täuschung. Denn Religionsfreiheit umfaßt ja nicht nur das individuelle Recht, eine religiöse Über-zeugung für sich selbst zu haben, sondern auch das Recht, diese Überzeugung zusammen mit anderen öffentlich zu bekunden. Sie schließt also nicht nur die Gewissensfreiheit als Individualrecht ein, sondern erstreckt sich auch auf die Kultusfreiheit. Ein Kolloquium in Montreux, das vom ökumenischen Rat der Kirchen vom 24. bis 28. Juli 1976 abgehalten wurde, offenbarte die außerordentliche Spannweite der Auffassungen von Religionsfreiheit allein schon unter den europäischen Staaten, und zwar nicht nur in den verschiedenen Ländern, sondern auch innerhalb der verschiedenen Kirchen Europas. Es betonte: „Ernsthaft berücksichtigt werden müssen auch die verschiedenen konfessionellen, historischen und sozialen Traditionen in den einzelnen Ländern und Regionen, sowie der ekklesiologische Hintergrund, vor dem bzw. in denen die jeweiligen Kirchen leben und Zeugnis ablegen." Religionsfreiheit betrifft beispielsweise die gesamte Regelung der Beziehung von Staat und Kirche. Sie wird unterschiedlich ferner ausgelegt auch von den Kirchen selbst, je nachdem, ob die Kirchen die soziale und politische Diakonie oder nur den Kultus zu ihren ureigenen Aufgaben zählen. Auch in einem einigermaßen durch gleiche Traditionen und Anschauungen bestimmten Kulturkreis wie dem Europas bestehen hier sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen den Kirchen. Nicht nur eine repressive Religionspolitik seitens mancher Staaten, welche beanspruchen, alle Vereinigungen, also auch die Kirchen, zu kontrollieren, führt deswegen zu einer restriktiven Auslegung und Anwendung der Religionsfreiheit. Lenkt man den Blick darüber hinaus auf islamische Länder — Saudi-Arabien hat 1948 gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wegen der Gewährung der Religionsfreiheit gestimmt —, so wird das Bild noch unübersichtlicher. Der Islam kennt nicht die abendländische Unterscheidung von Religion und Staat; er bildet keine „Kirche" neben dem Staat. Das religiöse Recht des Islam soll vielmehr auch den Staat binden. Nach diesem Recht gibt es daher keine Religionsfreiheit. Bei Apostasie, Glaubenswechsel, droht dem Muslim Verlust der Staatsangehörigkeit; ja es kann sogar die Todesstrafe verhängt werden. Arabische Staaten interpretieren Artikel 18 der Menschenrechtserklärung deswegen dahin gehend, daß er nicht das Recht zum Glaubenswechsel einschließe.

Die Verpflichtung des Staates zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität, wie sie sich im westlichen Christentum seit der Aufklärung herausgebildet hat, ist also keineswegs allgemein und universal anerkannt. Nimmt man hinzu, daß auch das europäische Recht Schranken der Religionsfreiheit kennt — etwa die öffentliche Sicherheit oder die Gesundheit oder Freiheit anderer (zu denken ist an gesundheitliche Gefährdungen oder körperliche Mißhandlungen bei religiösen Handlungen, etwa Verhungern infolge einer Teufelsaustreibung, oder an die Sozialschädlichkeit von Jugendsekten) —, dann wird vollends deutlich, daß man Religionsfreiheit notwendig auch als Sozialrecht verstehen muß und nicht nur als Recht auf den Schutz der individuellen religiösen Überzeugung, also als Sonderfall der Gewissens-und Meinungsfreiheit.

Darüber hinaus ist grundsätzlich theoretisch und im besonderen theologisch zu fragen, ob Religionsfreiheit nicht einen Allgemeinbegriff von Religion voraussetzt, der so niemals gegeben war und ist, ob sie also nicht jeweils nach dem Selbstverständnis der einzelnen Religionen und Konfessionen zu differenzieren wäre. Ein allgemeiner Begriff von „Religion" ist ja bekanntlich ein theoretisches Konstrukt.

Auch an allen anderen Menschenrechten ließe sich dieselbe Vielfalt der Auffassungen verdeutlichen. Dazu kommt heute ein umfassender Wandel von Individualrechten infolge der technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen. Das beste Beispiel dafür ist die Meinungsfreiheit, die heute zwar nicht mehr — in den Ländern mit demokratischer Rechtsstaatlichkeit — als individuelles Recht, eine eigene Meinung zu haben, strittig ist, wohl aber als Medienfreiheit, als Freiheit, durch Massenmedien diese Meinung unbeschränkt zu veröffentlichen, ohne Berücksichtigung ihrer Bedeutung oder auch ihres Wahrheitsgehaltes. Auf die damit verbundenen Probleme, die nur oberflächlich gesehen technischer Art sind, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Das Stichwort „innere Pressefreiheit'sei nur als Hinweis genannt. Meinungsfreiheit ist heute im wesentlichen das vielbestrittene und vielfach beschnittene Recht auf Informationsfreiheit und auf einen Meinungspluralismus. Anhand solcher Beispiele läßt sich die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Menschenrechts-auffassungen verdeutlichen. Bei der Konkretion von Menschenrechten spielen Anschauungen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen eine wichtige, oft entscheidende Rolle. Es ist daher durchaus die Frage, ob es sinnvoll ist, Menschenrechte an sich und abstrakt zu erörtern.

4. Individualrechte und Sozialrechte

Mit dem Nachweis der Situations-und Kontextabhängigkeit der Menschenrechte wird zugleich die Reduktion der Problematik der Menschenrechte auf den einfachen Grundwiderspruch von Individualrechten und Sozial-rechten, von Freiheitsrechten und Gleichheitsrechten prinzipiell in Frage gestellt. Gewiß gab und gibt es Ansätze eines solchen Grundwiderspruchs. Die ursprünglichen klassischen Menschenrechte des 18. Jahrhunderts waren Individualrechte, negative Abwehr-rechte gegen Übergriffe der Staatsmacht. Inzwischen hat sich jedoch in den westlichen Industriestaaten die Einsicht durchgesetzt, daß diese Rechte der Ergänzung durch Sozial-rechte, durch ein Sozialstaatsprinzip bedürfen. Heute ist hier die Verpflichtung des Staates zu sozialem Handeln unstreitig; strittig sind nur die Grenzen staatlicher Sozialpolitik.

Umgekehrt sollte in Ländern, welche besonders die Sozialrechte betonen, nicht die Notwendigkeit der Respektierung fundamentaler Rechte der menschlichen Person, der Rechte jedes Individuums bestritten werden. Der Verzicht auf die Anerkennung der individuellen, persönlichen Rechte zugunsten des Sozialauftrags des Staates und der Gesellschaft verneint die Menschenrechte als Rechte des Menschen und pervertiert sie zur ideologischen Maske. Leben, Überzeugung und bestimmte Grundfreiheiten des Menschen kön-nen nicht zur Disposition von Staat und Gesellschaft stehen.

Die Reduktion der Probleme der Menschenwürde auf einen Grundwiderspruch von Freiheit und Gleichheit greift also zu kurz. Dazu ist in der Thesenreihe der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD vom 26. September 1975 wesentliches gesagt, das auch vom Lutherischen Weltbund in die „Theologischen Perspektiven der Menschenrechte“ 1977 aufgenommen wurde „In der europäischen und angelsächsischen Überlieferung und unter den dort gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen hat sich die Idee der Menschenrechte vorwiegend in der Richtung ausgeprägt, mehr Freiheit und mehr Gleichheit für den einzelnen Menschen zu schaffen. Freiheit und Gleichheit sind in diesen Regionen demzufolge seit Jahrhunderten beherrschende Themen der Gestaltung von Staat und Gesellschaft. Freiheit und Gleichheit schließen sich nur bei abstrakter Betrachtung gegenseitig aus. Eine Politik, die auf absolute Freiheit abzielt, führt bei der unbestreitbaren Verschiedenheit der Menschen sicherlich zur Ungleichheit. Will sie dagegen nur Gleichheit, so wird dadurch die Freiheit aller derer eingeschränkt, die dem jeweils festgesetzten Maß an Gleichheit aus biologischen, sozialen oder politischen Gründen nicht entsprechen. In Wirklichkeit bedingen sich Freiheit und Gleichheit aber gegenseitig. Eine Freiheit, die nur wenigen gewährt wird, verdient diesen Namen nicht, und eine Gleichheit, die nur in gleichmäßiger Unfreiheit besteht, widerspricht der Idee der Menschenrechte ebenfalls. Deshalb verlangt diese, daß die staatliche Ordnung ein fruchtbares Spannungsverhältnis zwischen den beiden Prinzipien schafft."

„Eine Politik, die sich auf die rein rechtliche Gleichbehandlung der Menschen beschränkt, wird dabei, zumindest in Industriestaaten, diesem Auftrag nicht gerecht. Die soziale Frage, die Europa im 19. und 20. Jahrhundert erschüttert hat, ist gerade daraus entstanden, daß die Freiheit überbetont, die Gleichheit aber auf eine Chancengleichheit im rein rechtlichen Sinne reduziert wurde. Sicherlich kann staatliche Politik immer nur eine teilweise Gleichbehandlung aller Bürger erreichen und muß sie sich im übrigen damit begnügen, für eine Gleichheit der Chancen zu sorgen. Aber es muß eine reale, nicht lediglich eine formalrechtliche Chancengleichheit sein.

Dem dient die Politik des modernen Sozialstaates. Daß sie diesem Auftrag gerecht wird, muß Gegenstand ständiger Bemühungen sein. Zumindest in Industriestaaten sind Freiheit und Gleichheit daher ohne Sozialstaatlichkeit nicht mehr denkbar."

Die Menschenrechte sind deshalb immer zugleich unter dem Aspekt von Freiheit und Gleichheit — unter Anerkennung einer möglichen Spannung zwischen beiden — zu betrachten. Wolfgang Heinz Eduard Huber und Todt haben deshalb ausdrücklich Freiheit, Gleichheit und Teilhabe die „Grundfigur des Menschenrechtes" genannt Sie nehmen die Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" auf, um damit zu betonen, daß von Menschenrechten nur dort werden kann, wo gesprochen alle drei Aspekte gleichzeitig beachtet werden. Diese „drei Sachmomente der Grundfigur des Menschenrechts Freiheit, Gleichheit, Teilhabe — sind stets in wechselseitiger Bedingtheit und Bezogenheit ins Spiel zu bringen" Alle drei Sachmomente sind weiterhin „Verhältnisbegriffe". Sie erweisen sich folglich als bedeutsam erst, wenn man sie in ein Verhältnis zu Sachproblemen bringt. Dieser Hinweis auf eine konstitutive Grundfigur des Menschenrechts weist einen Ausweg aus einer bloßen Alternative von Freiheit oder Gleichheit, von individuellen Grundfreiheiten sozialen oder Anrechten für jedermann. Damit braucht nicht geleugnet zu werden, daß über die Zuordnung der drei Sachmomente zueinander sehr wohl recht unterschiedliche Ansichten bestehen können.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß eine lediglich ökonomische Interpretation der Menschenrechte deren Grundintention verfehlt. Auch wenn die französische Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers 1789 das Eigentum als das „geheiligte und unverletzliche Recht" bezeichnete, dessen niemand beraubt werden dürfe (Art. 17), wäre es eine unverzeihliche Verkürzung, wollte man den Wert der geistigen Freiheiten oder des fundamentalen Rechtes auf Unantastbarkeit und Unversehrtheit des Lebens übersehen. Eine Verkürzung von Menschenrechten auf die Sicherung ökonomischer Rechte und Ansprüche würde diese gerade um ihre entscheidende Legitimation bringen.

III. Die Würde des Menschen als Grund und Maßstab der Menschenrechte

1. Zur Begründung der Menschenwürde

Nachdem die Problematik der verschiedenen Deutungen der Menschenrechte dargestellt wurde, erhebt sich die Frage, ob nicht ein Gemeinsames in allen diesen unterschiedlichen Anschauungen zu finden sei und ob nicht die Anerkennung der Menschenwürde diese gemeinsame Grundlage und damit den Maßstab der einzelnen Menschenrechte abgebe. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland setzt die Garantie der Menschenwürde an den Anfang des Grundrechts-teils vor die einzelnen Grundrechte: „(1.) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2.) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3.) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht." Die Menschenwürde ist somit „Fundamentalnorm" der Verfassung und „Grundnorm" der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland überhaupt Diese beherrschende Stellung der Menschenwürde in Verfassung und Rechtsordnung ist auf dem Hintergrund der Absage an die Unmenschlichkeiten des nationalsozialistischen Regimes entstanden. Eine Vorstufe des Grundgesetzes (Herrenchiemseer Entwurf zu Art. 1) läßt dies klar erkennen: „(1) Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen. (2) Die Würde der menschlichen Persönlichkeit ist unantastbar. Die öffentliche Gewalt ist in allen ihren Erscheinungsformen verpflichtet, die Menschenwürde zu achten und zu schützen." Die Garantie der Menschenwürde soll also den Vorrang des Menschen vor dem Staat sichern. „Würde" ist somit der Eigenwert des Menschen. Der nachmalige erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss nannte die Menschenwürde während der Beratungen im Parlamentarischen Rat eine „nicht interpretierte These" Die Menschenwürde wird also vom Recht vorausgesetzt, aber weder begründet noch erläutert.

Juristen haben die „Würde des Menschen" in der Auslegung dieser Grundnorm deshalb sehr abstrakt und allgemein gedeutet, wenn sie etwa als Erklärung zur Antwort gaben: „Würde sei, was den Inhalt der Persönlichkeit ausmacht." Oder: „Was den Menschen im spezifischen und wesentlichen Sinne ausmacht." Eine derartig umfassende Erklärung wird aber nichtssagend. Andere Juristen haben deshalb kritisch die Garantie der Menschenwürde eine bloße „Manifestation des guten Willens" genannt und vergleichen sie einem „trojanischen Pferd", mit dessen Hilfe in das Rechtssystem die verschiedenartigsten Weltanschauungen eingeschmuggelt werden könnten Sozialwissenschaftlern liegt es nahe, im Begriff der Menschenwürde sogar eine „logische Leerformel" (Ernst Topitsch) zu sehen, und zwar eben deshalb, weil die Wurzeln des Begriffs der Menschenwürde außerhalb des Rechts und der Rechtswissenschaft liegen. Sie sind historisch im Würdebegriff des christlichen Glaubens und in Kants Auffassung von der Würde des Menschen zu suchen.

a) Menschenwürde und Gottebenbildlichkeit

Nach biblischem Zeugnis ist der Mensch als Gottes Ebenbild, imago dei, geschaffen und hat darin eine besondere Würde, welche ihn von allen anderen Geschöpfen auszeichnet (Gen 1, 27; Jak 3, 9 u. ö.). In einem säkularen, zur weltanschaulichen Neutralität verpflichteten Staat kann nun freilich dieses christliche Verständnis der Menschenwürde als solches nicht zur Grundlage staatlicher Rechtsordnung werden. Dieser Einsicht kann auch theologische Ethik sich nicht entziehen: Denn sie kann im Zeitlater des Massenatheismus und der Profanität die Benennung des Menschen als Goffes Ebenbild nicht zur gesellschaftlich verbindlichen, allgemein verpflich-tenden Aussage machen. Als Fundamental-norm der Menschenrechte kann darum Menschenwürde nicht im spezifischen und geprägten christlichen Verständnis allgemein-verbindlich von der Rechtsordnung vorausgesetzt werden, da diese im weltanschaulich neutralen Staat nicht auf den Gottesgedanken sich berufen kann; dies ist auch deshalb nicht möglich, weil die Idee der Menschenwürde geistesgeschichtlich zwar auch, aber nicht nur im Christentum wurzelt. b) Menschenwürde und Kants Grundsatz der sittlichen Autonomie Ebensowenig kommt freilich eine Festlegung auf Kants Verständnis der Würde des Menschen in Frage. Nach Kant besteht der Grund der Würde des Menschen in der sittlichen Selbstbestimmung, in der „Autonomie“ des Menschen. Sie ist der „Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur" Die Würde des Menschen als eines vernünftigen Wesens liegt darin, keinem Gesetz zu gehorchen „als dem, das es zugleich selbst gibt" Eine derartige Gesetzgebung, „die allen Wert bestimmt, muß eben darum eine Würde, d. i. unbedingten, unvergleichlichen Wert haben". Verletzung der Menschenwürde besteht folglich in der Mißachtung der sittlichen Selbstbestimmung und im Gebrauch des anderen Menschen „bloß als Mittel", nicht zugleich als Zweck. Aus der notwendigen Selbstschätzung folgt für Kant sodann die Pflicht, „die Würde der Menschheit an jedem anderen Menschen praktisch anzuerkennen" und damit die „jedem anderen Menschen notwendig zu erzeigende Achtung"

Auch dieser eindrucksvolle Versuch, die Menschenwürde philosophisch zu begründen und zu konkretisieren, kann letztlich nicht allgemeinverbindlich sein. „Der Rückgriff auf Philosophie und Theologie ist nicht ohne -wei teres nachvollziehbar." Denn weder die philosophische Methode Kants, den Würde-begriff zu bestimmen, noch seine besondere Freiheitsauffassung vermögen Begriff so den zu bestimmen, daß für jedermann eindeutig er wird.

C) Ein allgemeines Verständnis von Menschenwürde

Wie ist dann aber dieser Begriff zu erfassen?

Gebräuchlich ist in der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland eine Formulierung geworden „Der Mensch als Person ist Träger höchster geistig-sittlicher Werte und verkörpert einen sittlichen Eigenwert, der unverlierbar und auch jedem Anspruch der Gemeinschaft, insbesondere allen rechtlichen und politischen Zugriffen des Staates und der Gesellschaft gegenüber eigenständig und unantastbar ist. Würde der menschlichen Persönlichkeit ist dieser innere und zugleich soziale Wert-und Achtungsanspruch, der dem Menschen um dessentwillen zukommt." Interpretiert man diese Formulierung, so ergibt sich ein Dreifaches:

(a) Die Würde des Menschen besteht in seiner Personalität, welche prinzipiell der Verfügbarkeit durch andere entzogen ist. Diese Würde steht jedem Menschen, um Kant zu zitieren, „kraft seiner Menschheit" zu, welche also „unabhängig von allem rechtlichen Akt jedermann von Natur zukommt" Menschenwürde enthält die Anerkennung des Personseins als eines Grundwerts. Sie ist jedoch in diesem Sinn „Sollensnorm", nicht „Seinstatsache" (b) Die Menschenwürde betrachtet den Menschen in seinem Verhalten oder Verhältnis zu anderen Menschen. Sie sieht ihn nach dem Prinzip der Goldenen Regel. Die Achtung der Menschenwürde schließt damit nicht nur die Anerkennung individueller Personalität ein, sondern zugleich die Achtung der Sozialität und Solidarität des Menschen.

(c) Die Achtung der Menschenwürde erfordert ferner eine Grundentscheidung hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Mensch und damit über das Staatsverhältnis. Ob man dabei, wie Werner Maihofer es tut, den Gedanken des demokratischen und sozialen Rechtsstaates, also des Rechtsstaatsprinzips, des Sozialstaatsprinzips und des Demokratieprinzips allein schon aus dem Begriff der Menschenwürde entwickeln kann, ist mir allerdings zweifelhaft. Denn die Achtung der Menschenwürde als solche führt nicht zwingend zu einer einzigen bestimmten Staatsform und Gesellschaftsordnung.

d) Menschenwürde als Rechtsgrundsatz

Mit diesen drei Gesichtspunkten ist Menschenwürde weder definiert noch auf eine bestimmte philosophische oder theologische Auslegung festgelegt. Daher kann ich mich als evangelischer Theologe auch nicht der Feststellung anschließen: „Der Rechtssatz von der Würde des Menschen ist ein natur-rechtliches Elementarprinzip." Gleichwohl ergeben sich aus der Näherbestimmung nun doch normative ethische und rechtliche Postulate. Diese Postulate beziehen sich freilich auf die Gesellschaftsordnung im ganzen. Ich nenne einige konkrete Folgerungen:

a) Zunächst folgt, wie bei allen Menschenrechten überhaupt, daß sich aus der Anerkennung der Menschenwürde das Unterlassen menschenunwürdiger Handlungen zwingend ergibt. Solche Handlungen sind beispielsweise Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Folterung, Freiheitsberaubung, Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen. Insbesondere am Beispiel der Folter als Verletzung der Menschenwürde ließe sich die Bedeutung dieser „Grundnorm" der Rechtsordnung für konkretes Verhalten aufzeigen. Diese Bedeutung der Grundnorm für die Abwehr von Angriffen auf die „Menschenwürde" läßt sich verhältnismäßig leicht juristisch formulieren.

b) Schwieriger wird es, wenn man aus der Achtung der Menschenwürde die Verpflichtung des Staates zur Hilfe für Menschen in materieller Not herleiten will. Friedrich Schiller meinte zwar: „Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst." Heute ist im allgemeinen aber in der Rechtswissenschaft, vor allem unter Berufung auf das „Sozialstaatsprinzip“ (GG Art. 20 I) anerkannt, daß der Schutz der Würde dem Staat eine Schutzpflicht auch zur Abwendung menschenunwürdiger Not auferlegt. Strittig ist jedoch, inwieweit aus dieser Schutzpflicht sich auch ein subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen ergibt, aufgrund dessen er einen materiellen Anspruch von sich aus einklagen kann. Selbst wenn für die Bundesrepublik ein Rechtsanspruch einklagbar wäre, so bedeutete dies, daß andere Staaten nur im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten zu sozialem Handeln verpflichtet werden könnten.

c) An dieser Stelle läge es nahe, auf vielfache Mißachtungen der Menschenwürde in aller Welt hinzuweisen, die eindeutig gegen Ethos und Recht verstoßen. Die Kluft zwischen theoretischer Anerkennung und praktischer Verletzung der Menschenwürde ist augenfällig. Dazu kommen einige neue Phänomene hinzu, die spezifische Gefährdungen der Menschenwürde enthalten. An diesen hier nur aufzuzählenden Gefährdungen zeigt sich überdies, daß die Achtung der Menschenwürde kein statisches Faktum ist, sondern dem jeweiligen Gesellschaftswandel anzupassen ist. Dabei beschränkt sich die Aufzählung auf Beispiele aus der industriellen westlichen Gesellschaft, die freilich darüber hinaus bedeutsam sind

2. Gefährdungen der Menschenwürde In der Bundesrepublik Deutschland hat der verfassungsrechtliche Würdebegriff in der Rechtsprechung und Lehre durch die Formulierung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes eine Konkretion erfahren. Dieses Persönlichkeitsrecht soll die Privat-und Intimsphäre schützen, etwa durch das Verbot unerlaubten Photographierens im Privatbereich oder durch den Schutz des gesprochenen Wortes vor geheimen Tonbandaufnahmen.

Die technischen Möglichkeiten, in die Privatsphäre einzudringen, machen es notwendig, heute die Unantastbarkeit der Menschenwürde erneut und nachdrücklich zu betonen.

Dazu gehört beispielsweise auch das Verbot des Ausspähens von ärztlichen Daten und Unterlagen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausbau der Computertechnik und des Datenschutzes wurde ferner die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Menschenwürde ausführlich erörtert. Die Macht der Massenkommunikationsmittel kann ebenfalls durch Indiskretionen aus der Privatsphäre die Menschenwürde des einzelnen beeinträchtigen, sogar zerstören. Auch die moderne, technisch gewordene Medizin, die sogenannte Apparatemedizin, bietet Beispiele dafür, daß die verfassungsmäßig anerkannte Achtung der Menschenwürde den Forderungen technischer und organisatorischer Effizienz oftmals leichthin geopfert wird. Das Eintreten für die Würde des leidenden und sterbenden Menschen kann heute daher erneut zur sittlichen Pflicht werden. Andere Problemfelder seien nur beiläufig erwähnt, wie die Gefährdung der Menschenwürde durch die moderne Kriegstechnik oder durch menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse. Die Aufgabe der Verwirklichung der Menschenwürde erstreckt sich also auf sehr vielfältige und weite Bereiche. Auf einen dieser Problembereiche sei ausdrücklich hingewiesen, zumal er in der Sozialwissenschaft eingehend erörtert wird: Es ist die Beeinträchti37) gung der Menschenwürde und Menschenrechte durch Bürokratisierung. Menschenwürde erfordert wirksame Beschränkung von Machtkonzentrationen und Kontrolle von Inhabern der Macht Die. Menschenrechte wehren ursprünglich Eingriffe des Staates in die persönliche Sphäre ab. Zu diesem Individualrechtsschutz verhält sich jedoch die Inanspruchnahme einer Bürokratie kontraproduktiv. Es ist ein Irrtum, Menschenrechte gleichzusetzen „mit bürokratisch identifizierbaren Rechten" Solche Gleichsetzung nimmt an, irgendeine Bürokratie sei stets für bestimmte Menschenrechte zuständig. Mit dieser Suche nach Zuständigen in der Bürokratie liefert man Menschenrechte gerade wiederum der bürokratischen Manipulierbarkeit aus. Im äußersten Fall gelangt man dabei von der Idee der allgemeinen Menschenrechte zur Idee der Notwendigkeit einer allgemeinen Bürokratie

Dagegen bleibt daran zu erinnern, daß die Berufung auf Menschenwürde und Menschenrechte ihrer ursprünglichen Intention und Zielsetzung nach gerade die Selbstverantwortlichkeit und den Eigenwert des Menschen als Persönlichkeit aktivieren und schützen wollte. Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn die Mißdeutung der Menschenrechte als Ansprüche, die von einer Bürokratie zu verwalten und einzulösen wären, diese ursprüngliche Intention in ihr Gegenteil verkehren würde. Beabsichtigt ist mit dieser Feststellung mitnichten eine Polemik gegen Bürokratie und Bürokratisierung, obgleich diese heute in der Bundesrepublik zweifellos Resonanz finden würde. Die Forderung nach Abschaffung von Bürokratie ist illusionistisch. Realistisch ist es hingegen, zu betonen, daß Bürokratie mit ihrer Sachgesetzlichkeit eben nicht von der Notwendigkeit eigener Verantwortung und persönlichen Eintretens für die eigene wie die fremde Menschenwürde entlasten kann. Gerade im Zeitalter scheinbarer technischer Sachgesetzlichkeit und bürokratischer Sachzwänge wird eine Rückbesinnung auf die Menschenwürde unentbehrlich. Damit wird nicht ein fernes Ideal beschworen, sondern eine Grundnorm für die Beurteilung staatlichen und gesellschaftlichen Handelns, ein Sollensanspruch zur Geltung gebracht.

3. Die Säkularität der Menschenwürde und die Ehre des Menschen

Diese Grundnorm ist freilich ausgesprochen neuzeitlich. Sie ist neuzeitlich, weil sie die Menschenwürde als Fundamentalnorm der Rechtsordnung ausschließlich diesseitig, säkulär bestimmt und nur als gesellschaftlichen Tatbestand versteht. Das schließt nicht aus, daß man sie auch anders interpretieren kann, sie also etwa theologisch auslegt, setzt dieses andere Verständnis aber nicht zwingend voraus. Neuzeitlich ist ferner die Anschauung von der Menschenwürde als einem jedem Menschen gleicherweise zukommenden Recht. Die Würde des Menschen gilt ihrem Anspruch nach universal. Die Würde ist „demokratisch". Schließlich gründet Menschenwürde in der unableitbaren individuellen Autonomie, in dem, was Dietrich Bonhoeffer die „Mündigkeit" der modernen Welt nannte. Säkularität, Universalität und Autonomie sind Prämissen und Kennzeichen der Menschenwürde und der daraus abgeleiteten einzelnen Menschenrechte.

Daß diese Prämissen spezifisch neuzeitlich sind, zeigt ein Vergleich der klassischen Vorstellungen von der Ehre des Menschen mit der neuzeitlichen Anschauung von der Würde des Menschen Der Ehrbegriff hat heute im allgemeinen Bewußtsein einen unübersehbaren Niedergang erfahren; sein Stellenwert ist gering. Dagegen findet die Sorge um die Würde und die Rechte des Individuums weithin Verständnis und Unterstützung. An die Stelle des Begriffs der Ehre scheint also der der Würde getreten zu sein. Dies hat seine Ursache darin, daß Ehre jeweils einem Stand, einer Gesellschaftsschicht, einer Klasse zugeordnet ist. Die Ehre ist rollenspezifisch. Das neuzeitliche Ich wird jedoch von seinen Rollen gelöst und gerade als einsames Ich zum Träger der menschlichen Würde und unveräußerlicher Menschenrechte

Die Annahme einer allgemeinen Menschenwürde gründet damit in der neuzeitlichen Anthropologie, die prinzipiell das Ich ahistorisch und unter Abstraktion von seinem gesellschaftlichen Ort sieht. Auf dieser Anthropologie beruhen auch spezifische — im er-* sten Teil angesprochene — Probleme des Umgangs mit Menschenrechten, wie z. B. die Nichtbeachtung von historischen und sozialen Kontexten. Die Kritik der Menschenrechte, vor allem in der klassischen deutschen Philosophie, nannte deshalb die Menschenrechte „rationalistisch", und die deutsche Theologie hat bis in die Mitte unseres Jahrhunderts hinein die Menschenrechte wegen ihres Rationalismus, Individualismus, Säkularismus abgelehnt, eben wegen ihrer Herkunft aus der Aufklärung. Sie wandte sich damit prinzipiell gegen die neuzeitliche Auffassung vom Menschen. Man könnte versucht sein, an diese Kritik angesichts vieler Aporien der Menschenrechte wieder anzuknüpfen, um von daher das Thema des Verhältnisses von Theologie und Menschenrechten anzugehen.

In der bestehen unverkennbare Spannungen zwischen der neuzeitlichen Sicht des Menschen und christlichen Verständnis dem des Menschen. Gleichwohl ist die Argumentation mit diesen Spannungen fragwürdig, weil man darüber die Wirklichkeit der modernen Welt verkennen könnte. Denn die neuzeitliche Sicht des Menschen ist eben nicht eine zufällige Entwicklung und Wahl, sondern Folge und Antwort auf den grundlegenden Wandel der sozialen Welt und der modernen Gesellschaft. Die Berufung auf Menschenrechte und Menschenwürde entspringt dem Bemühen um eine ethische Antwort auf die Probleme gerade dieser neuzeitlichen Welt. Eine Kritik dieser Antwort würde letztlich bei dem Verzicht auf eine ethische Wertung dieser Entwicklung enden. Im Zerfall der Rollen, Institutionen und Normen soll der Appell an die Würde upd das Recht des Menschen die Subjektivität des Menschen wahren und aktivieren. Die Sensibilität für die Mißachtung der Menschenwürde und die Inanspruchnhame individueller Verantwortung und Rechte sind moralische Errungenschaften, die daher durch ihre Reduktion, Rückführung auf eine vielleicht fragwürdige anthropologische Theorie nicht widerlegt sind. Vielmehr ist der Begriff der Menschenwürde ein absoluter Grundwert, in welchem Ethos und Recht, in der heutigen Terminologie bundesdeutscher Diskussion „Grundrechte" und „Grundwerte" koinzidieren. Die Achtung dieses Wertes und Rechts-gutes Staat und Gesellschaft. Dieser Grundwert bedarf freilich als gemeinsames Rechtsgut einer pluralistischen Gesellschaft keineswegs einer religiösen Deutung.

In der deutschen Diskussion der letzten Jahre hat sich die Einsicht durchgesetzt, daß der Staat auf die weltanschauliche Neutralität festgelegt ist und daher auch die Menschenwürde nicht in einem religiösen oder spezifisch weltanschaulichen Sinne interpretieren kann. Aber weltanschauliche Neutralität erfordert keineswegs Wertneutralität in bezug auf ethische Beurteilungsmaßstäbe. Ein solcher fundamentaler Wertmaßstab ist als Sollensanspruch die Achtung der Menschenwürde.

IV. Theologische Deutungen der Menschenrechte

1. Die Problemlage Mit der letzten Bemerkung wurde schon übergeleitet zur Frage des theologischen Zugangs zu den Menschenrechten. Die Diskussionslage ist hier freilich höchst verwirrend, ja aporetisch. Ich kann sie an dieser Stelle nicht umfassend schildern, sondern wiederum nur versuchen, die Grundfrage herauszuarbeiten. Theologie und Kirche stehen einmal vor dem Faktum unterschiedlicher Menschenrechtsauffassungen; davon war zunächst die Rede (Kapitel II). Allein schon dieser Tatbestand sollte es verbieten, für eine bestimmte Anschauung zu optieren und für sie eine theologische Legitimation zu suchen und zu liefern. (Der Begriff „Legitimation" wird hier benutzt im Sinne einer theologischen und ideologischen Sanktion oder „Rechtfertigung".) Bei solchen Legitimationen stehen dann nicht mehr die Sachfragen der Menschenrechtsauffassungen zur Erörterung, sondern nur noch der theologische „überbau". Folgt daraus aber nicht der prinzipielle Verzicht auf die Inanspruchnahme theologischer Kriterien bei der Bewertung der unterschiedlichen Auffassungen von Menschenrechten? Führt dies andererseits nicht zu einer Auslieferung an die Normativität des Faktischen? Diesen Einwand gilt es im folgenden im Gedächtnis zu behalten.

Zum anderen stehen Theologie und Kirche nicht nur vor einer Pluralität der Menschenrechtsauffassungen, sondern vor dem Tatbestand der Profanität, der Säkularität der Menschenrechte und deren Anspruch auf Geltung, unabhängig von religiösen und weltanschaulichen Voraussetzungen und Überzeugungen. Diese Säkularität des Anspruchs der Menschenrechte wurde anhand des Begriffs der Menschenwürde ansatzweise erörtert (Kapitel III). Im Phänomen der Menschenrechtewird die Emanzipation der Ethik von der Theologie anschaulich. Damit steht jedoch das Verhältnis von Ethik und Theologie insgesamt zur Diskussion. Dieser zweite Aspekt der Säkularität der Menschenrechte ist der schwerwiegendere und eine theologische Herausforderung. Wolfgang Huber/Heinz Eduard Tödt haben diese Fragestellung als theologisches Grundproblem formuliert, weil die Thematik der Menschenrechte ein „Paradigma für den theologischen Umgang mit Problemen, die nicht innertheologischen Ursprungs sind", darstelle

2. Beispiele theologischer Deutungen

Die Schwierigkeit einer theologischen Antwort verdeulicht ein kurzer Blick auf Versuche theologischer Deutung der Menschenrechte.

a) Die katholische Sicht

Die römisch-katholische Lehre interpretiert die Menschenrechte als zeitgemäße Konkretion der klassischen Naturrechtsdoktrin und der darauf fußenden Soziallehre der Päpste: „Die Lehre der Kirche über die Grundrechte des Menschen ist in erster Linie auf den Erfordernissen der menschlichen Natur durch die Vernunft und das Naturgesetz begründet.“ Die Menschenrechte werden also einer sehr alten Tradition des Naturrechts eingeordnet. Nun ist an diesem Ort nicht die jahrhundertealte, höchst differenzierte Diskussion um das Naturrecht aufzunehmen, die sehr ausgreifend erfolgen müßte. Immerhin sei kritisch angemerkt, daß die Rezeption der aus liberalem und aufgeklärtem Gedankengut stammenden Grundfreiheiten und Rechte des Menschen seitens der katholischen Kirche erst recht jungen Datums ist und die Vereinbarkeit der klassischen metaphysischen Naturrechtsprinzipien mit den neuzeitlichen Menschenrechten keineswegs völlig und durchgehend erwiesen zu sein scheint. Das Naturrecht könnte auch ganz anders ausgelegt und verwendet werden.

Andererseits ist eine Bemerkung Wolfgang Schweitzers bedenkenswert: „Es könnte sein, daß jene . katholischen'Traditionen sich im heutigen Ringen um Menschenrechte als hilfreicher erweisen als — die Rechtfertigungslehre." Die Rechtfertigungslehre versteht sich als Offenbarung des Rechtsanspruches Gottes auf die Welt, und die Menschenrechte wären dann unmittelbar aus der Offenbarung Gottes herzuleiten und zu begründen — eine von reformierten Theologen unter Karl Barths Einfluß vertretene Position. Diese Ableitung aus einer, wie auch immer näher zu bestimmenden Offenbarungslehre widerspricht jedoch dem Tatbestand der Säkularität der Menschenrechte. Daraus ergibt sich die größere Nähe der neuzeitlichen Menschenrechts-auffassung zur klassischen Naturrechtsidee. Strittig ist freilich die Deutung der „Natur", ferner die Frage, ob Natur eine ewige, unveränderbare Wesenheit darstellt — die Position eines metaphysischen Essentialismus — oder geschichtlich sich wandelt — die Position einer historischen und situationsbezogenen Interpretation —, und schließlich, ob Natur als Sein bereits einen Sollensanspruch, eine Wertung einschließt, also eine normative Größe ist. Der Rückgriff auf das Naturrecht löst darum auch nicht alle Probleme eines, angemessenen Verständnisses der Menschenrechte. Aber der Weg von der weithin auch Theologen unzugänglich gewordenen reformatorischen Rechtfertigungslehre zu den Menschenrechten erweist sich eindeutig als schwieriger als der Zugang von einer neuen Deutung des Naturrechts her.

b) Die reformierte Deutung

Diesen anderen, dem Naturrechtsdenken entgegengesetzten Weg schlägt die Erklärung der theologischen Kommission des Reformierten Weltbundes ein. Sie folgt einer weitverbreiteten theologischen Theorie, wonach der grundlegende theologische Beitrag des christlichen Glaubens „in der Begründung der fundamentalen Menschenrechte aus dem Recht Gottes auf den Menschen" bestehe Die theologische Begründung erfolgt also in Form einer Herleitung von Menschenrechten aus grundlegenden theologischen Aussagen wie Gottes Bund oder Kreuz und Auferstehung Jesu Christi. Es ist dies, abgekürzt gesagt, eine theologische Argumentation „von oben nach unten". Menschenrechte sind danach theologisch nur zu verstehen als „Entsprechungen“ oder „Analogien“ zu Gottes Heilshandeln. Mit der Begründung aus dem Recht Gottes soll festgelegt werden, „daß die Menschenrechte letzten Endes nicht im Wesen des Menschen gründen und auch nicht von individuellen oder kollektiven Errungenschaften des Menschen in der Geschichte bedingt sind. In ihnen spiegeln sich der Bund der Treue Gottes mit seinem Volk und die Herrlichkeit seiner Liebe zur Kirche und zur Welt wider /Gegen diesen Ansatz einer Deduktion von Menschenrechten aus theologischen Basissätzen sind bereits mehrfach erhebliche methodische und sachliche Einwände zur Geltung gebracht worden Bereits die Herleitung der Menschenrechte aus Offenbarungsaussagen ist offenkundig eine Konstruktion. Der „säkulare" Charakter der Menschenrechte wird dabei nicht berücksichtigt. Dazu kommt eine Vernachlässigung der Rechtsqualität der Menschenrechte, wenn von einem theologisch verstandenen „Recht" Gottes und den Rechten des Menschen äquivok, gleichsinnig, gesprochen wird. Denn entweder heißt „Recht" dann nur noch das, was wichtig ist, oder die Berufung auf das „Recht" Gottes -dürfte nicht im übertragenen Sinne verstanden werden und müßte dann in folgerichtiger Anwendung zur Juridifizierung theologischer Aussagen führen, also zu einer „Theokratie" — wofür es in anderen Kulturen und Religionen derzeit Beispiele gibt (z. B. im Iran).

Theokratische Staatsform und Menschenrechte schließen sich letztlich aus. Die Inkongruenz theologischer Aussagen über das Recht Gottes und über juristisch wie historisch präzis konturierte Rechte des Menschen kommt bei der reformierten Deutung nicht in den Blick. Dahinter steht im übrigen die Gesamt-problematik der Barthschen These der Einheit von Evangelium und Gesetz, wonach ethische Forderungen — als Gesetz oder Gebot — theologisch zu begründen seien allein als Entsprechungen zum Evangelium und darum überzeugend nur aus der Offenbarung in Christus begründet werden könnten. Auch im Bereich reformierter Theologie und Kirche ist indessen dieser theologische Ansatz keineswegs unumstritten und der allein geltende. c) Der lutherische Ansatz Der Bericht einer Konsultation des Lutherischen Weltbundes (29. Juni— 3. Juli 1976)

„Theologische Perspektiven der Menschenrechte"

hingegen lehnt es ab, Menschenrechte „theologisch aus spezifisch christlichen Voraussetzungen zu deduzieren. Sie sind ja Rechte aller Menschen, auch derer, die nicht im Wirkungsbereich des Evangeliums leben oder leben wollen. Gerade die lutherische Tradition erlaubt und gebietet uns, sie, wie alles weltliche Recht, als Erscheinungen im Prozeß des weltlichen Regiments Gottes zu betrachten und sie dementsprechend theologisch zu entschlüsseln." Die Menschenrechte werden somit als weltliche Phänomene respektiert. Sie bedürfen keiner zusätzlichen theoretischen Begründung oder Ableitung aus theologischen Aussagen. Theologie kann allenfalls beitragen zu einem kritisch-konstruktiven Umgang in der Praxis mit vorliegenden Menschenrechtskodifikationen. Entschlüsselung meint dabei nämlich Aufzeigen und Aufspüren von Aspekten in den säkularen Menschenrechten, die sich vergleichen lassen mit Grundforderungen christlichen Glaubens.

Der Christ soll sich folglich mit Hilfe kritischen Denkens bemühen, in (Jen Menschenrechten Aufgaben für sein christliches Handeln zu entdecken, wie sie ihm ebenfalls und gleichzeitig der christliche Glaube zumutet.

d) Die Thesenreihe der EKD

Auch die Thesenreihe der EKD „Die Menschenrechte im ökumenischen Gespräch“, 26. September 1975, hat dieses Vorgehen gewählt. Erst nach einer Analyse und Würdigung der Menschenrechte als weltlicher Phänomene kommt sie deswegen auf den Beitrag der Kirchen und Christen zu sprechen. Während die Thesen Nachdruck auf ein praktisches Engagement der Kirchen zugunsten der Menschenrechte legen, betonen sie zugleich die theoretische Differenz im Verständnis des Menschen zwischen neuzeitlichen Menschenrechten und christlichem Glauben. Die Verpflichtung gegenüber anderen Menschen durch das Liebesgebot und die Inanspruchnahme von Menschenrechten in eigener Sache oder zugunsten anderer decken sich nach ihrer Meinung nicht. So lauten die Schlußsätze: „Nicht zuletzt ist der Beitrag der Kirche zur Klarstellung und Verwirklichung der Menschenrechte aber dort zu sehen, wo sie in der Verkündigung des in Jesus Christus geschenk-ten Heils ihren eigenen Auftrag erfüllt. Wo Menschen die Zusage Gottes annehmen und in die Nachfolge Jesu eintreten, da sind sie bereit, dem Nächsten mehr als nur sein Recht zu schaffen." Die Thesenreihe hebt also nicht auf einen unüberbrückbaren Gegensatz ab, wohl aber auf einen bleibenden Unterschied zwischen Menschenrechten und christlichem Liebesgebot, anders gesagt: zwischen Ethos und Evangelium.

Diese darstellenden Sätze sind nur Beispiele für Versuche, theologische Bezüge zwischen Menschenrechten und christlichem Glauben herzustellen. Natürlich könnte man noch eine ganze Reihe anderer Texte und Beispiele anführen. Aber die genannten Beispiele verdeutlichen zur Genüge eine Verlegenheit und Aporie, vor welche die Menschenrechte theologische Ethik stellen. Diese Aporie besteht für die theologische Ethik darin, daß Menschenrechte einerseits als universale, allen Menschen zustehende Rechte Geltung : — unabhängig von Religion, Konfession und Glauben — beanspruchen und haben, daß andererseits eine theologische Ethik sinnvollerweise die Aufgabe haben müßte, ethische Ansprüche auf den christlichen Glauben zu beziehen. Wie ist nun ein Weg aus dieser Aporie zu finden? Ein Ausweg dürfte es kaum sein, die verschiedenen theologischen Standpunkte und Positionen nochmals und bekenntnishaft zu wiederholen und einander entgegenzusetzen. Vielmehr bedarf es einer grundsätzlichen Klärung des Verhältnisses von Ethik und Theologie, von humanen Forderungen und Glaubensaussagen. Diese Klärung ist freilich an dieser Stelle nicht umfassend zu leisten. Aber es ist durchaus möglich, zum Schluß zu reflektieren, in welchem Sinn grundsätzlich von einer theologischen Fundierung von Menschenrechten (oder von anderen ethischen Forderungen) gesprochen werden kann.

3. Was heißt „theologische Begründung ethischer Forderungen"? a) Moralische Evidenz und theologische Begründung Der Hinweis auf Modelle einer theologischen Deutung der Menschenrechte führte vor eine verwirrende Vielfalt von Ansätzen und Auslegungen. Feststehen sollte allerdings eines, daß eine Ableitung von ethischen oder gar rechtlichen Forderungen, die Anspruch auf allgemeine Geltung erheben, aus theologischen Grundaussagen nicht möglich ist: „Die Menschenrechte können nicht durch exegetische Begründungen und dogmatische Setzungen aus der Heilsgegenwart Gottes in Christus abgeleitet werden." Denn ethische Forderungen und Rechtsansprüche berufen sich auf allgemeine Einsehbarkeit, auf „Evidenz". Daher erübrigt sich eine besondere, zusätzliche Begründung aus der Offenbarung Gottes. Damit wird aber auch die Annahme einzelner Entsprechungen, Analogien von ethischen Grundforderungen und Offenbarungssätzen fragwürdig. Die Berufung auf die Notwendigkeit einer theologischen „Begründung" ethischer Grundforderungen kann sogar dazu mißbraucht werden, diese der allgemeinen rationalen Prüfung zu entziehen. Theologische Begründung gerät dann, unbeabsichtigt, zur ideologischen Legitimation. b) Begründung als Einweisung in den rechten Umgang mit Menschenrechten Schließt der Verzicht auf eine theologische Legitimation aber nicht zugleich überhaupt den Verzicht auf eine theologische Beurteilung ethischer Ansprüche ein? Daraus würde sich vordergründig eine unkritische Zustimmung zu den jeweils faktisch bestehenden Menschenrechtsauffassungen ergeben.

Der traditionelle Einwand, hier werde das Leben und Handeln des Christen von seinem Glauben getrennt und dies widerspreche grundsätzlich dem Anspruch christlichen Glaubens auf das ganze Leben der Gläubigen, wird heute erörtert als Diskussion um das Besondere, das „Proprium" christlicher Ethik oder, in der katholischen Moraltheologie, als Bewertung des „autonomen" Ethos. Das Dilemma ist hier offenkundig: Entweder beansprucht der christliche Glaube auch eine Weisungsbefugnis für das ethische Verhalten der Menschen — oder auch nur der Christen — in der Welt. Dieser Anspruch wird freilich faktisch widerlegt durch die gesellschaftliche Wirklichkeit und führt theoretisch in die bereits angedeutete Schwierigkeit, aus Glauben und Offenbarung ethische Anweisungen herzuleiten, die darin nicht enthalten sind.

Derartige Verfahren machen den Glauben selbst unglaubwürdig. Oder Theologie und Kirche verzichten grundsätzlich auf derartige Weisungen und Herleitungen. Damit lösen sie sich freilich vom alltäglichen Verhalten der Christen und siedeln den christlichen Glauben in einem politikfreien, weltfernen Raum, in einem Jenseits der Gesellschaft an.

Auf dieses Dilemma bezieht sich der Vorschlag, an Stelle einer theologischen Begrün-düng der Theorie der Menschenrechte von einer theologischen Begründung des Umgangs mit Menschenrechten zu sprechen, entsprechend der lutherischen Rede vom theologischen Gebrauch des alles Menschen betreffenden und als bekannt vorausgesetzten Gesetzes Gottes, des „usus legis". Die Menschenrechte werden damit zwar als säkulare Phänomene verstanden. Aber es gibt durchaus einen theologischen Gebrauch dieser säkularen Erkenntnisse. An der J’raxis, am Gebrauch entscheidet sich danach die Möglichkeit einer theologischen Wertung. Dieser Hinweis ist richtig, weil und sofern die Praxis zur Auswahl einer bestimmten Anschauung von Menschenrechten aufgrund christlicher Glaubensüberzeugungen führen kann.

Aber die Wahl ist nicht in jedem Fall nur ein Problem christlicher Praxis. Wolfgang Huber und Heinz Eduard Tödt sehen darüber hinaus nämlich den Beitrag des christlichen Glaubens darin, dazu anzuleiten, bestimmte Sachgehalte der Menschenrechte theologisch zu „entschlüsseln“. Menschenrechte sind auch ihrer Meinung nach nicht aus theologischen Sätzen deduktiv abzuleiten und zu legitimieren. Ein solches Verfahren widerspricht allein schon einer auf Dialog und Konsensus angelegten kommunikativen Ethik. Aber theologische Sätze können dazu beitragen, wesentliche Sachverhalte in weltlichen Phänomenen zu entdecken, sie freizulegen. Huber/Tödt sprechen dabei von „Analogie und Differenz zwischen der Grundfigur des Menschenrechts und Grundinhalten des christlichen Glaubens" Die Behauptung von Abhängigkeiten und Herleitungen ist damit aufgegeben; aber es wird immer noch nicht hinreichend klar, wieso eine theologische Entschlüsselung überhaupt erforderlich ist.

Theodor Heuss nannte, um diese Formel aufzunehmen, die Menschenwürde eine „nicht interpretierte These“. Dies besagt, daß Recht und Würde des Menschen zwar als Postulate der Vernunft durchaus begriffen und einsichtig gemacht werden, aber nicht aus der Vernunft zwingend als notwendig erwiesen werden können. Denn warum sollte man einem Menschen überhaupt Würde und nicht Nutzwert beimessen? „Rational" könnte beides vertreten und behauptet werden. Dies bedeutet jedoch,. daß Vernunft zwar das Menschsein auszeichnet, aber nicht der Inbegriff des Menschseins ist. An dieser Steife tritt nun eine Spannung zwischen der überlieferten christlichen Sicht des Mensch-seinsund der aus der stoischen Lehre vom Menschen als Vernunftwesen stammenden Begründung der Menschenrechte in der Aufklärung zutage.

Die Aufklärung verdankt sich weithin einer Art Renaissance stoischer Deutung von Welt und Mensch. Diese Deutung geht davon aus, daß Mensch von Natur frei und gleich ist und Vernunft hat. Mißstände in der Gesellschaft haben daher ihre Ursachen nur in der Struktur der Gesellschaft, nicht im Menschen selbst. Darum ist Gesellschaftsreform der einzige Weg zur Verwirklichung des Vernünftigen, beispielsweise der Menschenrechte.

Nach christlichem Verständnis hingegen sind die Menschen von Natur nicht frei und nicht gleich, und ihre Unfreiheit beeinträchtigt auch ihre Berufung auf Vernunft Der Mensch ist nach christlichem Verständnis zur Freiheit und Gleichheit von Gott und vor Gott bestimmt und soll dazu durch den Glauben ermächtigt werden. Freiheit und Gleichheit sind sowenig vorfindlicher und vorgegebener Zustand wie Vernunft einfach vorhandenes Faktum ist. Freiheit, Gleichheit, Vernunft sind Zielbestimmungen.

Damit vermag christlicher Glaube sowohl der faktischen und natürlichen Ungleichheit und Unfreiheit der Menschen wie dem Fehlen von Vernunft und Einsicht Rechnung zu tragen als auch die Bestimmung anzuerkennen, wonach der Mensch dem verpflichtenden Aufruf zur Freiheit und Gleichheit in seiner Einsichtigkeit zu folgen hat.

, „Bestimmung" — das führt zu letzten Voraussetzungen des Menschseins, zum Geheimnis des Menschseins selbst und damit vor eine von der Theologie zwar nicht mit Lehrsätzen zu beantwortende, aber im Bewußtsein zu haltende Frage nach Grund, Ziel und Sinn von Menschsein und Menschlichkeit.

Bei der juristischen und politischen Berufung auf die Menschenwürde wurde zwar ausdrücklich davon abgesehen, die Gottebenbildlichkeit des Menschen heranzuziehen. Wenn sie universal gelten soll (und nicht nur für Christen), muß Menschenwürde für sich selbst sprechen. Aber wenn Menschenwürde zurückverweist auf das unverfügbare Geheimnis des Menschseins, dann kann dieser Wert sehr wohl ofien sein für eine theologische Deutung anhand der Gottebenbildlichkeit des Menschen als einer Glaubensaussage.

c) Liebe als Grundvoraussetzung von Ethik und Recht

Im Geschehen der bedingungslosen und unbedingten Liebe wird eine Grenze von ethischer Forderung und Rechtsansprüchen sichtbar: Liebe kann man weder einfordern noch einklagen. Sie wird einem zuteil. Die Spontaneität und Freiheit der Liebe schließt aus, sie als Rechtsforderung Grundwert oder auch als zu verstehen. Heinz Eduard Todt hat daher die Liebe hinsichtlich der Beurteilung ethischer Handlungen eine „Metanorm" genannt. Meta-norm meint dabei eine Voraussetzung vor und jenseits aller einzelnen Normen. So sehr dabei Todt zuzustimmen ist im Verweis auf die Liebe als einer unverfügbaren Grundvoraussetzung allen Ethos'und allen Rechtes, so mißverständlich ist in diesem Zusammenhang jedoch der Begriff „Norm". Norm wird allgemein verstanden als Maßstab. Liebe ist jedoch kein Maßstab, an dem ethische Einzel-forderungen und Rechtsansprüche zu messen wären. Norm, Maßstab im Sinne eines normativen ethischen Kriteriums können für die vorliegenden Menschenrechtskataloge und -konventionen nur jeweils Würde und Rechtsgüter des Menschen sein. Liebe ist hingegen kein zusätzlicher Maßstab, sondern Urteilsinstanz. In der philosophischen Tradition hat man Liebe daher eine Grundkraft, ein Grundvermögen, eine Grundeinstellung des Menschen genannt, welche im Willen zur Anerkennung und Verwirklichung der Würde und der Rechte von Mitmenschen Gestalt gewinnen kann. Liebe als Wille zur Verwirklichung des Menschendienlichen und Guten befreit nicht von der Prüfung, was denn jeweils im Einzelfall tatsächlich recht und gut ist. Aber ohne den Willen zur praktischen Verwirklichung bleibt das Gute und Rechte Theorie und nur gute Absicht, Vorsatz. Das zeigt sich eben auch an der Verwirklichung der Menschenrechte.

Christlicher Glaube versteht Liebe nicht als bloßes Gefühl, sondern versteht sie als Grundhaltung, die im emotionalen und voluntativen Bereich des Menschen verankert ist.

Liebe ist eine allgemeinmenschliche Möglichkeit. Damit sie freilich Wirklichkeit wird, bedarf es der Ermächtigung zur Liebe. Die Benennung der Liebe als „Charisma“, als Gnadengabe Gottes in der paulinischen Theologie beschreibt diesen Sachverhalt. Liebe als Hingabe an den Mitmenschen, die nicht auf Berechnung beruht oder einer Sympathie entspringt, ist die Bedingung menschlichen Lebens. Keine Ethik vermag freilich das Geschehen der Liebe von sich aus herbeizuführen oder gar zu erzwingen. Sie bleibt auf das Eintreten der Liebe als unverfügbares Ereignis, als Geschenk angewiesen. Diese Unverfügbarkeit und Unbeweisbarkeit von Liebe wird von der Theologie dadurch geschützt, daß sie das Geheimnis des Menschseins als Glaube an die Macht der Liebe ausspricht und die Gegenwart dieser Liebe bezeugt, weil sie als Gottes Liebe im Menschen Jesus von Nazareth Gestalt gewonnen hat. Die Unterscheidung von Theologie und Ethik wahrt gerade dieses Geheimnis, indem sie einen Aspekt in die Betrachtung der ethischen Forderungen einbringt, welcher nicht aus der Ethik selbst zu entnehmen ist.

Diese Unterscheidung hat nun auch Folgen für den theoretischen und praktischen Umgang mit den Menschenrechten. Es kann nicht Sache theologischer Ethik sein, andere, vielleicht sogar bessere Menschenrechte zu konstruieren und zu entwerfen, ohne sich wirklich auf die gegenwärtigen Probleme und Einsichten der Menschenrechtsdiskussion einzulassen.

Aber theologische Ethik könnte sehr wohl dazu beitragen, angesichts resignativer Unterschätzung wie utopischer Überschätzung der Möglichkeiten der Menschenrechte den Mut zum Aushalten der Aporien der Menschenrechte in Theorie und Praxis zu vermitteln! Und sie könnte dazu anleiten, Menschenrechte ernst zu nehmen, sie besser auszugestalten und damit denen zum Recht zu verhelfen, die sich selbst ihr Recht nicht schaffen können.

Am Schluß der Überlegungen steht daher ein Appell an eine moralische Affirmation der Menschenrechte durch jeden einzelnen. Auf solche Affirmation zielt ebenfalls das christliche Grundwort „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst", der Anspruch der Agape. Denn die Agape mutet dem Christen zu, vor allem für die Rechte und die Würde derer einzutreten, denen zum Recht zu verhelfen, die dieses Recht für sich selbst nicht einklagen und durchsetzen können.

V. Zusammenfassende Thesen

1. Die Idee der Menschenrechte entstammt der neuzeitlich-aufgeklärten Vorstellung, nach welcher allen Menschen grundsätzlich dieselben Rechte und dieselbe Würde zukommen. Menschenrechte berufen sich für ihre Begründung auf die eine Menschennatur und leiten daraus einen Anspruch auf Universalität ab.

2. Religion ist hingegen ihrem Ursprung nach kontingent und partikular. Religion beruft sich stets auf bestimmte Erfahrungen und Widerfahrnisse. Sie begründet sich auf kontingentes Geschehen, auf „Offenbarung".

3. Die Spannung zwischen dem Universalitätsanspruch der Menschenrechte und der Kontingenz von Religion, als Folge und Ausdruck partikularer Positivität, ist nicht vorschnell aufzulösen. Sie ist weder in der Weise zu beseitigen, daß die Universalität der Menschenrechte (als Anspruch, nicht als Faktum!) von bestimmten religiösen Überzeugungen abhängig gemacht wird. Menschenrechte haben Geltung zu beanspruchen unabhängig von der Anerkennung bestimmter religiöser Überzeugungen. Die Spannung ist auch nicht dadurch zu überwinden, daß die Partikularität positiver Religion preisgegeben wird zugunsten eines abstrakten universalen Religionsbegriffs, wonach die Religion ineinsgesetzt wird mit dem Humanum, also z. B. mit dem, was den Menschen überhaupt vom Tier unterscheidet. 4. Vielmehr ist die Spannung gerade im Interesse der Humanität zu wahren und festzuhalten. a) Menschenrechte haben sich zu beschränken auf den Schutz fundamentaler Rechte des Menschen, auf einen unantastbaren Kern des Humanen. Sie können dieses Humane aber nicht abschließend und total definieren: Es entzieht sich gerade einer letzten Fixierung. Indem sie das Humanum nicht abschließend, sondern offen bestimmt, schafft die Anerkennung von Menschenrechten für Religion die Möglichkeit, das Geheimnis, die Transzendenz der menschlichen Person auf ihre besondere Weise auszusprechen und zu wahren.

b) Religion, die ihrerseits Menschenrechte unabhängig von religiösen Bekenntnissen gelten läßt, gewinnt gerade dadurch die Möglichkeit, ihre besondere Deutung des Menschseins einzubringen in die Selbstwahrnehmung und Selbstverwirklichung des Menschen.

c) Daraus ergibt sich eine Unterscheidung von allen Menschen betreffenden Rechtsforderungen und Rechtsnormen einerseits und der den unverfügbaren Grund des Menschseins betreffenden religiösen Auslegung des Menschseins andererseits.

5. Christlicher Glaube ist nicht einem Allgemeinbegriff von Religion schlechthin zu subsumieren. Vielmehr stellt jeder Allgemeinbegriff von Religion nur einen konstruierten, nachträglichen Rahmen dar, in welchem der christliche Glaube seine besondere Sicht von Gott, Mensch und Welt in bezug auf andere Religionen, Weltanschauungen und Selbstdeutungen des Menschen vergleichend zur Sprache bringen kann. Christlicher Glaube entsteht aus der Kundgabe Gottes im Menschen Jesus von Nazareth und wird vermittelt durch das diese Kundgabe mündlich und literarisch bezeugende Evangelium.

6. Christlicher Glaube und Menschenrechts-auffassung berühren sich im Bezug auf die Sicht des Menschen. Sie decken sich zwar nicht in ihrem Verständnis des Menschen, aber sie können sich in einer fundamentalen Anerkennung von Würde, Gleichheit und Freiheit alle«r Menschen durchaus verständigen.

7. Menschenrechte können die Würde des Menschen nur insoweit sichern, als diese Würde mit Hilfe rechtlicher Normen und Ansprüche sich erfassen läßt und die Anerkennung daraus abgeleiteter Grundnormen für jedermann einsichtig und rechtlich verbindlich gemacht werden kann.

Christlicher Glaube bringt eine Sicht des Menschen zum Vorschein und zur Sprache, die letztlich gerade nicht in Rechtsnormen gefaßt werden kann. Dazu zählen beispielsweise das Leiden als Grunderfahrung des Menschseins, die Liebe als Grundbeziehung der Mitmenschlichkeit, Versagen und Schuld (Sünde) als Grundverfehlungen der Menschlichkeit.

/8. Menschenrechte haben den Sinn, das Zusammenleben der Menschen menschlich zu erhalten und zu gestalten.

Christlicher Glaube will den Menschen selbst menschlicher werden lassen.

9. Ohne die Anerkennung eines fundamentalen Rechtes des Menschen kann eine Gesellschaft nicht menschlich sein und bleiben. Das Recht hat eine schützende, protektive Funktion. Ohne Glaube und Liebe wird der Mensch nicht menschlicher. Christlicher Glaube hat eine produktive, gestaltende Funktion. 10. Die Respektierung der Spannung von Menschenrechten und christlichem Glauben behauptet somit nicht Alternativen und falsche Gegensätze, sondern ermöglicht einen Umgang mit den Menschenrechten, der Gesellschaft und Mensch menschlicher machen soll. In der konfessionell lutherischen Tradi-tion wird man diese Spannung als Unterscheidung von Gesetz und Evangelium interpretieren können. Andere konfessionelle Traditionen werden andere tradierte Unterscheidungen gebrauchen, z. B. von Christianum und Humanum, von Glaubensethos und Naturrecht, von Heilsethos und autonomer Moral.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. als Überblick: Dietrich Bäuerle, Die Stellung der katholischen Kirche in der Grundwerte-diskussion, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 49/78, S. 18— 30.

  2. Eigene Publikationen zum Thema Grundwerte: Martin Honecker, Nicht nur für die Experten. Grundwerte sind Anfragen an alle Bürger und Christen, Lutherische Monatshefte 17, 1976, S. 25— 29; Protestantismus als kritisches Prinzip. Gesichtspunkte zur Diskussion um die Grundwerte, Ev. Kommentare 11, 1978, S. 398— 401; Grundwerte, in: Kirche in der Gesellschaft. Der evangelische Beitrag. Geschichte und Staat, 223— 225, 1978, S. 187— 195; Zu den Menschenrechten: Das Recht des Menschen. Einführung in die Evangelische Sozialethik, 1978.

  3. Jetzt in: Die Denkschriften der EKD, Band 1/2, GTB 414, 1978, S. 88— 103.

  4. Bericht aus Nairobi, Offizieller Bericht, hrsg. von Manfred Krüger u. Walter Müller-Römheld, 1976, S. 76— 81, S. 91— 94.

  5. In: J. M. Lochman/Jürgen Moltmann, Gottes Recht und Menschenrechte, 1976.

  6. Theologische Perspektiven der Menschenrechte, Genf, Lutherischer Weltbund (LWB), 1977.

  7. In: Die Kirche und die Menschenrechte, Entwicklung + Frieden 5, 1976.

  8. Nairobi (vgl. Anm. 4), S. 178— 185; ferner: Der Bericht eines Kolloquiums in Montreux über die Verwirklichung der Religionsfreiheit im Bereich der Signatarstaaten der Helsinki-Erklärung; er liegt vervielfältigt vor: Commission of the churches on international affairs, Newsletter 1976, No. 4, Genf.

  9. In: Die Denkschriften der EKD I, 2, GTB 414, 1978, S. 107— 116.

  10. Zit, W. Lienemann, Menschenrechte in der Entwicklung, in: ökumenische Rundschau 25, 1976, S. 77.

  11. Vgl. dazu z. B. C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus (1962), deutsch 1973.

  12. Vgl. z. B. Konrad Löw, Die Grundrechte, 1977; Martin Kriele, Die Menschenrechte zwischen Ost und West, 1977.

  13. Vgl. Löw, S. 343— 352; Kriele, S. 41.

  14. Löw, S. 344.

  15. Christian Tomuschat, Die Bundesrepublik Deutschland und die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen, in: Vereinte Nationen 1/78, S. 1 ff., Zitat S. 2 ff. Tomuschat zeigt insgesamt recht informativ auf, wie unterschiedlich der Sozialpakt und der politische Pakt in die politische und rechtliche Wirklichkeit umgesetzt werden, welches die verschiedenen Kontrollmodalitäten der internationalen Sicherungsverfahren sind und wie sie ge-handhabt werden (Berichtsverfahren, Staatenbeschwerde, Individualbeschwerden).

  16. Vgl. zum folgenden: Klaus Schlaich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, Ev. Kommentare 11, 1978, S. 138— 141.

  17. Zit. nach: Commission of the churches on international affairs, Newsletter 1976, No. 4, Genf, S. 16 ff.

  18. Lutherischer Weltbund, Theologische Perspektiven der Menschenrechte, Genf 1977, S. 20 f.

  19. Vgl. Anm. 3, Nr. 4; jetzt in: Die Denkschriften der EKD, Band I, 2, GTB 414, 1978, S. 91 f.

  20. W. Huber/H. E. Tödt, Menschenrechte, 1977, S. 80 ff. u. ö.

  21. Huber/Tödt, S. 82.

  22. Werner Maihofer, Menschenwürde im Rechtsstaat. Die Würde des Menschen I, Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, 1967, S. 9; ferner Richard F. Behrendt, Menschenwürde als Problem der sozialen Wirklichkeit. Die Würde des Menschen II, Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, 1967; Ernst Benda, Gefährdungen der Menschenwürde, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G 198, 1975; H. C. Nipperdey, Die Würde des Menschen, in: Franz L. Neumann, Hans Carl Nipperdey, Ulrich Scheuner, Die Grundrechte Bd. 2, 1954, S. 1 bis 50; K. Löw, a. a. O., S. 65— 112.

  23. Zit. Maihofer, S. 9.

  24. Zit. Maihofer, S. 10.

  25. Theodor Maunz, Das Deutsche Staatsrecht, 196515, S. 101, zit. Maihofer, S. 45.

  26. Wernicke, zit. Maihofer, S. 46.

  27. Peter Schneider, Die Menschenrechte in staatlicher Ordnung, Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie, Bd. 50, 1964, Beiheft 40 NF 3, S. 83.

  28. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werke Bd. IV, ed. W. Weischedel, 1956, S. 69.

  29. A. a. O., Grundlegung, S. 67.

  30. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 600 f.

  31. So Löw, a. a. O„ S. 2.

  32. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, zit. bei Reinhold Zippelius, Art. Menschenwürde, in: Evangelisches Staatslexikon, 19752, Sp. 1554.

  33. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345.

  34. Maihofer, S. 25.

  35. So L. Berg in: Katholisches Soziallexikon, 1964, Sp. 691.

  36. Vgl. zum folgenden: Behrendt und Benda (Anm. 24).

  37. Vgl. Behrendt, S. 35 ff.

  38. Peter L. Berger, Brigitte Berger, Hansfried Kellner, Das Unbehagen in der Modernität, 1975, 8. 100.

  39. Vgl. Berger u. a., S. 101.

  40. Berger u. a., S. 75— 85, vgl. ferner: Artikel „Ehre", Historisches Wörterbuch der Philospphie 2, 1972, S. 319— 323 (H. Reiner).

  41. Vgl. Berger u. a., S. 80: „Der Begriff der Ehre impliziert, daß die Identität intrinsisch oder zumindest in bedeutsamer Weise mit institutioneilen Rollen verknüpft ist. Im Gegensatz dazu impliziert der moderne Begriff der Würde, daß die Identität intrinsisch von institutionellen Rollen unabhängig ist."

  42. Huber/Tödt, S. 10.

  43. Die Kirche und die Menschenrechte. Ein Arbeitspapier der Päpstlichen Kommission „Iustitia et Pax", 1976, S. 14 f. Vgl. zum ganzen die Sammelbesprechung von Wolfgang Schweitzer, Menschenrechte im Kontext Ökumenischer Theologie, in: Zeitschrift für evangelische Ethik 22, 1978, S. 60— 70.

  44. Schweitzer, a. a. O„ S. 69.

  45. Jan Milic Lochman/Jürgen Moltmann, Gottes Recht und Menschenrechte, 1976, S. 61— 67; Die theologische Basis der Menschenrechte, Zitat S. 61, These 1.

  46. A. a. O., S. 61.

  47. Vgl. Huber/Tödt, S. 65— 67, ferner: Jörg Bauer, Versuch einer systematisch-theologischen Orientierung, in: J. Bauer (Hrsg.), Zum Thema Menschenrechte, 1977, S. 97— 108, v. a. S. 100 f.

  48. Vgl. Anm. 6, S. 13, Bericht aus der Arbeitsgruppe I, Ziff. 3. 2.

  49. Vgl. Anm. 3, S. 103.

  50. Baur, S. 107.

  51. Huber/Tödt, S. 163.

  52. Huber/Tödt, S. 162.

  53. Wolfhart Pannenberg, Christlicher Glaube und Gesellschaft, in: Zeitschrift für Politik, österreichische Monatshefte 4, 1978, S. 28— 34, v. a. S. 33 f.; ders. Die Bestimmung des Menschen, 1978, S. 12 f.

  54. Heinz Eduard Tödt, Versuch zu einer Theorie ethischer Urteilsfindung, in: Zeitschrift für evangelische Ethik 21, 1977, S. 81— 93, S. 92; vgl. ferner: Otfried Höffe, Bemerkungen zu einer Theorie sittlicher Urteilsfindung (H. E. Tödt), ebd. 22, 1978, S. 181— 187. Höffe betont gleichfalls die Bedeutung des Willens für eine ethische Entscheidung.

Weitere Inhalte

Martin Honecker, Dr. theol., Professor für Sozialethik und Systematische Theologie an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn; geb. 1934 in Ulm/Donau. Veröffentlichungen u. a.: Kirche als Gestalt und Ereignis, 1963; Konzept einer sozialethischen Theorie, 1971; Sozialethik zwischen Tradition und Vernunft, 1977; Das Recht des Menschen. Einführung in die evangelische Sozialethik, 1978; Aufsätze in Fachzeitschriften und Handbüchern zu Themen der Grundlegung theologischer Ethik und zu sozialethischen Einzelfragen. t