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Gegner des Nationalsozialismus | APuZ 46/1979 | bpb.de

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APuZ 46/1979 Zwanzig Jahre Godesberger Programm der SPD Gegner des Nationalsozialismus

Gegner des Nationalsozialismus

Christoph Kleßmann

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Begriff Widerstand wird in der Literatur häufig ohne nähere Reflexion über die in ihm steckenden Abgrenzungs-und Legitimationsprobleme verwandt. Angesichts der Färbung dieses Begriffs, die er sowohl in der DDR wie in der Bundesrepublik Deutschland zurpolitischen Legitimation des jeweiligen staatlichen Selbstverständnisses erhalten hat, ist seine Problematisierung unerläßlich, auch wenn man bewußt an diesem Begriff, der in einigen neueren Publikationen schon fallengelassen wird, festhält Insbesondere von drei Seiten her ist eine solche Problematisierung notwendig: Erstens muß Widerstand stets auf die Entwicklung des NS-Herrschaftssystems bezogen werden. Auf diese Weise kommen die konkreten politisch-institutionellen und sozialen Voraussetzungen der jeweiligen Träger von Widerstand in den Blick. Widerstand stellt sich damit als zeitliche Stufenfolge dar, in der schließlich eine potentielle Einheit von Arbeiterbewegung, Kirchen, bürgerlich-militärischen Gruppen und Resistance in den besetzten Ländern sichtbar wird. Zweitens ist zur Bestimmung von Widerstand das subjektive Moment unerläßlich, das über reaktives Verhalten und Verteidigung von Eigeninteressen hinaus auf ein gesellschaftliches Ganzes gerichtet ist und damit Widerstand als tendenziellen Lernprozeß zwischen unterschiedlichen Gruppen verstehen läßt. Drittens ist nach inhaltlichen Vorstellungen im Sinne eines Grundkonsenses der Wider-stand tragenden Gruppen zu fragen. Hier werden die Differenzen am deutlichsten, und nur eine sehr allgemeine Bestimmung ist tragfähig. Sie ist jedoch notwendig, um Rivalitäten und Opposition innerhalb der nationalsozialistischen Machtelite per definitionem auszuschalten. In diesem Sinne ließe sich Widerstand im Dritten Reich verstehen als bewußter Versuch, dem Regime in einem für seine Ideologie und die Etablierung und Erhaltung seiner Herrschaft wichtigen Bereich in den Arm zu fallen, und zwar von einem Wertsystem her, das dem nationalsozialistischen entgegenstand und das zugleich auch die bloße Verteidigung der eigenen oder Gruppenexistenz im Sinne der Herstellung von elementarer Gerechtigkeit und Menschenwürde zu überschreiten forderte.

Zum Widerstand im Dritten Reich

Der Widerstandskämpfer Julius Fucik, Redakteur einer illegalen kommunistischen Zeitung, richtete in seinen Notizen im Gestapogefängnis, die nach seinem Tode als „Reportage unter dem Strang" veröffentlicht wurden, eine eindrückliche Mahnung an seine Landsleute, die sich gleichsam auch als Appell an den Historiker des Widerstandes verstehen läßt: „Um eines bitte ich: Ihr, die Ihr die Zeit überlebt: Vergeßt nichts! Vergeßt nicht das Gute und nicht das Schlechte. Sam-melt geduldig die Zeugnisse über diejenigen, die nur für sich starben, und über die andern, die für Euch starben. Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, und man wird von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht ha-ben. Ich wäre jedoch glücklich, wenn man erkennen würde, daß es keine namenlosen Helden gegeben hat. Es waren vielmehr Menschen, die einen Namen, ein Gesicht, die Sehnsüchte und Hoffnungen hatten. Der Schmerz auch des Letzten unter ihnen war nicht kleiner als der Schmerz des Ersten, des-sen Namen erhalten bleibt."

Diese unprätentiösen Sätze umfassen verschiedenartige Dimensionen des Themas „Widerstand im Dritten Reich". Sie verweisen auf seine politische Bedeutung für die Nachkriegszeit, auf die besonders evidente Problematik der Erfassung der unorganisierten, anonymen Opposition, auf individuelles Heldentum und menschliche Schwächen, auf Es handelt sich um den Vorabdruck eines Beitrags für die geplante Festschrift für Hans Roos zum 60. Geburtstag (am 15. November 1979), die 1980 ^scheinen wird. Der Aufsatz ist hervorgegangen Aus einem Colloquium an der Universität Bielefeld. für vielfältige Anregungen möchte ich vor allem meinem Kollegen Falk Pingel herzlich danken.

Zwischentöne, die im Gesamtbild nicht zugunsten von schwarz und weiß fehlen dürfen. Damit ist auch die innere Schwierigkeit des Widerstandsbegriffes angesprochen, der seine Konturen einerseits aus dem Bezug zum nationalsozialistischen Herrschaftssystem und andererseits von einer abgestuften Skala unterschiedlicher Verhaltensweisen und Aktionsformen erhält. Diese Problematik wird deutlich, wenn man stichprobenweise die schon nicht mehr überschaubare wissenschaftliche Literatur zum deutschen und europäischen Widerstand auf ihr Verständnis von Widerstand hin befragt. Eine Klärung dieses nur auf den ersten Blick eindeutigen Begriffs ist mehr als definitorische Beckmesserei, erweist sich doch die jeweilige Verwendung von bewußten und unbewußten politischen Implikationen geprägt, in denen sich ein Stück Entwicklungsgeschichte der Historiographie des Widerstandes spiegelt.

Was heißt Widerstand, wie ist er gegenüber Opposition, sozialem Protest, abweichendem Verhalten, Nörgelei, systemimmanenter Dys-funktionalität abgrenzbar, wo liegen Grenzen zur „Kollaboration", ohne die auch Widerstand nur in seltenen Fällen auskommt? Gibt es einen Basiskonsens des Widerstandes, der es erlauben würde, europäischen Widerstand als bestimmendes historisches Phänomen zu beschreiben und zu analysieren, so wie der Faschismus eine trotz aller nationalen Unterschiede gesamteuropäische Erscheinung unserer Epoche war Lassen sich so unterschiedliche Verhaltensweisen wie Partisanenkampf und Attentat, illegaler Schulunterricht, Parolenmalen und Flugblattverteilung, politische Stammtischtreffen, verschlüsselte Predigten, Gebete für Verfolgte, Verbreitung politischer Witze, „Meckern", antifaschistische Propaganda, Nachkriegsplanung im Exil u. a. m. noch unter einem ge-meinsamen Begriff fassen, wie es zahlreiche Beispiele der Literatur nahelegen, ohne daß dieser völlig an Aussagekraft und Trennschärfe verliert?

Die folgenden Überlegungen versuchen, von bisher vorliegenden Erörterungen der Literatur ausgehend die Probleme eines Widerstandsbegriffs zu diskutieren, der umfassend bleibt und die breite Palette unterschiedlicher Möglichkeiten umgreift, ohne dabei die Spezifik seines Gegenstandes aufzugeben. Das Ergebnis kann nicht mehr sein, als eine gewisse Systematik herzustellen zu versuchen und auf diese Weise zur verstärkten Reflexion eines zeitgeschichtlichen Themas beizutragen, dessen grundsätzliche politische Bedeutung kaum umstritten sein dürfte.

Herrschaftssystem und Stufen des Widerstandes

Der eingangs betonte, von der Sache her zwingende Bezug des Widerstandsbegriffs auf das jeweilige Herrschaftssystem ist in der vormodernen rechtlich-politisch-moralischen Prägung, die in der Tradition des Widerstandsrechts seit der Antike steht, schon deutlich faßbar Ob juristisch verankert oder als religiös und ethisch fundiertes ungeschriebenes Gesetz in Anspruch genommen, zieht sich durch die Geschichte des europäischen Widerstandsrechts der Gedanke der Legitimität oder sogar der Pflicht des „ius resistendi" in dem Falle, in dem „die Obrigkeit" flagrant gegen ihre Aufgaben verstößt. Gemäß dem unterschiedlichen Selbstverständnis der jeweiligen Gesellschaftsordnung blieb dabei die entscheidende und bis zur Gegenwart vielfach strittige Frage, welche sozialen Träger in einer solchen Situation des übergesetzlichen Notstandes das Recht zum Wider-stand wahrnehmen und ausüben sollten.

So sehr in bestimmten Bereichen oder bei einzelnen Personen — z. B. bei Stauffenberg — diese ältere Tradition des Widerstandsrechts im 20. Juli noch nachwirken mochte so deutlich zeigte sich doch mit der Etablierung einer ihrem Anspruch nach totalitären Diktatur ein völlig neuartiges Phänomen, zu dem sich in traditionellen Despotien und auch etwa in Luthers eschatologisch bestimmter Vorstellung vom „tyrannus universalis" und vom „großen Tier" nur mit etwas gewaltsamer historischer Aktualisierung Parallelen ziehen lassen Insofern stellt sich für den Historiker die Frage nach den ethischen und rechtlich-politischen Ausgangsbedingungen für Widerstand im Dritten Reich anders und neuartig, auch wenn offensichtlich diese qualitative Neuartigkeit des NS-Regimes vielen Zeitgenossen, die sich zum Widerstand entschlossen, erst allmählich soweit zu Bewußtsein kam, daß sie zur Motivation von Widerstand wurde. In einer nicht mehr ständisch gegliederten Gesellschaft mit festen Rechts-und Handlungslegitimationen wird der Entschluß zum Widerstand wesentlich abhängig von der jeweiligen Betroffenheit sozialer Schichten, Gruppen und Organisationen durch die Maßnahmen des Regimes. Diese Maßnahmen ihrerseits sind umgekehrt auch abhängig von der Stellung und Bedeutung, die unterschiedliche Schichten, Organisationen und Gruppen für das Herrschaftssystem und seine Ideologie tatsächlich oder vermeintlich haben. Hier wird somit ein erster wesentlicher wechselseitiger Zusammenhang zwischen nationalsozialistischem Herrschaftssystem und Widerstand sichtbar.

Versteht man den Nationalsozialismus als ein reaktionäres System mit einer rassenpolitischen Utopie, das trotz anfänglicher Kooperation mit und Rücksichtnahmen auf die bürgerliche Gesellschaft deren Überwindung zum Ziele hatte und dem die französische Revolution als „Untermenschenrevolution"

galt so wird die Stufenfolge von Maßnahmen und Repressionen plausibel, denen eine zeitlich ähnliche, wenn auch nicht strikt korrelierbare Stufenfolge von Opposition und» Widerstand entsprach. Der Totalitätsanspruch des Regimes war nur sukzessive durchsetzbar, erreichte als erste die ideologischen Hauptgegner und als letzte die anfänglichen Verbündeten. Das galt in anderer, taktischer Akzentuierung sogar im außenpolitischen Be-reich.

In Polen und der Sowjetunion wurden aus zeitweiligen Verbündeten die am rücksichtslosesten verfolgten Feinde. Die Ausschaltung der Arbeiterbewegung war nicht nur zentrales ideologisches Ziel des Nationalsozialismus, sondern schuf erst die Voraussetzungen seiner Etablierung. Aus ihren Reihen kam daher nicht zufällig der früheste und konsequenteste Widerstand. Die Arbeiterbewegung bzw. die aus ihr hervorgehen-den illegalen festen Organisationen und losen Zirkel stellten den nationalsozialistischen Herrschaftsanspruch am grundsätzlichsten politisch in Frage. Daß es sich hier um politischen Widerstand handelt, auch wenn seine Organisationsformen „qualitativ" ganz unterschiedlich ausfallen mochten, war der Gestapo bewußt und ließ sie daher von Anfang an unnachgiebig Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und die verschiedenen linken Splittergruppen verfolgen. Tim Mason hat deutlich gemacht, wie tief das Trauma von 1918, der vermeintliche „Dolchstoß" der „Novemberverbrecher", die nationalsozialistische Politik gegenüber der Arbeiterschaft bestimmte In der Verbindung von „Zuckerbrot und Peitsche", von sozialpolitischen Rücksichtnahmen und „Arbeit-adelt" -Ideologien einerseits und rücksichtsloser Unterdrückung aller Formen politischen Widerstandes und sozialen Protests (Streiks, Bummelei, Sabotage usf.) andererseits sollte diese Gefahr von seifen der Arbeiterschaft gebannt werden.

Ein ganz anderes Bild boten demgegenüber zunächst die Kirchen. Zwar gehörte der politische Katholizismus in Gestalt des Zentrums von vornherein zu den Feinden, die der Nationalsozialismus ins Visier nahm und ausschalten wollte jedoch war dieser Gegner aufgrund partiell gleicher antiliberaler und vehement antikommunistischer Traditionen und Tendenzen relativ leicht zu erledigen. Durch den Abschluß des Konkordats stellte die katholische Kirche als Institution zunächst eher eine Stütze als einen machtvollen Gegner des nach innen und außen noch wenig gefestigten Regimes dar Solange sich daher der Episkopat — aus welchen Motiven auch immer — im vorgegebenen Rah-men der Kooperation von Staat und Kirche bewegte, sich auf die „engeren Belange" beschränkte und offener politischer Stellungnahmen gegen ideologische Grundsätze des Dritten Reiches und zugunsten seiner Gegner enthielt, gab es einen modus vivendi. Noch deutlicher, zugleich freilich aufgrund der Organisationsstruktur ganz anders ausgeprägt, trat diese anfängliche Kooperation bei den protestantischen Kirchen in Erscheinung Die nationalkonservative Tradition der Verbindung von Thron und Altar und der Gegnerschaft zur Weimarer Republik, der „Pastorennationalismus", die fehlende ethische Theorie des Widerstandes gegen eine verbrecherische Obrigkeit, die Fehlinterpretation des Punktes 24 des NSDAP-Programms vom „positiven Christentum" als Synthese von Altar und Nation ließen die Zustimmung zur „nationalen Revolution" in breiten Teilen der Amtskirche und auch bei später führenden Vertretern der Bekennenden Kirche (BK) noch um einige Grade offener und enthusiastischer ausfallen als im Katholizismus. Auf dem Boden dieses partiellen politischen Konsenses und der fehlenden hierarchischen Struktur der nur locker zentralisierten protestantischen Landeskirchen waren daher auch die Möglichkeiten der institutionellen Spaltung und Anbindung der „Deutschen Christen" an den nationalsozialistischen Staat erfolgversprechender als im Katholizismus. Es heißt nicht,'das Gewicht des kirchlichen Widerstandes verringern zu wollen, wenn man auf diese anfängliche unheilvolle Allianz beider Kirchen mit dem Nationalsozialismus hinweist und damit ihr in der Nachkriegszeit allzu selbstverständlich gewordenes verklärtes Bild vom konsequenten Kampf kritisch zurechtrückt, wie es u. a. Böckenförde, Baumgärtel und jüngst Scholder zu Recht getan ha-ben Zudem richtet sich eine solche kritische Analyse zunächst gegen die Institutionen und ihre Sprecher und schließt nicht aus, daß zahlreiche Geistliche beider Konfessionen sich als politisch hellsichtiger erwiesen und frühzeitiger die heraufziehende Gefahr erkannten und dagegen angingen

Für die Frage nach Stufen und Trägern des Widerstandes ist es dennoch wichtig, von dieser kritischen Bilanz auszugehen und zu fragen, wann der Widerstand der Kirchen in größerem Ausmaß einsetzte und inwieweit Widerstand das Ergebnis eines Lernprozesses war. Auch hier wird wiederum der unmittelbare Bezug zur Entwicklung und zu den Maßnahmen des Regimes evident. Anders als die Arbeiterbewegung hatten die Kirchen als nicht zerschlagene Institutionen vergleichsweise bessere — wenn auch andere — Möglichkeiten zu Opposition und Widerstand. Aufgrund der genannten Traditionsfaktoren machten sie davon freilich erst Gebrauch, als sich die objektiven Bedingungen durch die feste Etablierung des Regimes zunehmend verschlechterten.

Ernst Wolf hat in diesem Zusammenhang den Kampf der BK als „Widerstandsbewegung wider Willen" gekennzeichnet und vier Motivationen und Ebenen kirchlichen Widerstandes unterschieden, die zwar ineinander verflochten waren, aber doch einer faßbaren zeitlichen Stufenfolge entsprachen 1. Der Widerstand zur Sicherung des Bestandes der überkommenen landeskirchlichen Institutionen (z. B. Erhaltung der föderalistischen Deutschen Evangelischen Kirche [DEK] gegenüber gewaltsamer Zentralisierung); 2.der Kampf um die Freiheit des Evangeliums (insbesondere die Bekenntnissynode von Barmen im Mai 1934); 3. ein in der Konsequenz über den Bereich der Kirche bewußt hinausgreifender Widerstand im Kampf für Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit (vor allem die Denkschrift der BK von 1936 und die preußische Bekenntnissynode vom Oktober 1943 in Breslau); 4.der Versuch eines Widerstandes in Grenzsituationen, in denen die Probleme von Krieg, Eidesverweigerung und Tyrannenmord unmittelbar akut wurden (z. B. Bonhoeffer).

In dieser Stufenfolge mag man tendenziell einen Lernprozeß erkennen, wobei freilich doch deutlich bleibt, wieweit die BK mehrheitlich noch von der letzten Stufe politischen Widerstandes, wie sie für „Außenseiter" wie Bonhoeffer von Anfang an bestim-mend war, entfernt blieb So konnte die brandenburgische Kirchenleitung noch 1945 zur Wiederkehr des 20. Juli erklären: „Die Kirche Jesu Christi kann einen Anschlag auf das Leben eines Menschen niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt werden mag."

Obwohl die katholische Kirche von ihrer Juli erklären: „Die Kirche Jesu Christi kann einen Anschlag auf das Leben eines Menschen niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt werden mag." 17)

Obwohl die katholische Kirche von ihrer historischen Tradition und ihrer Naturrechtslehre her eher über Voraussetzungen zur Entwicklung einer „politischen Theologie“ für Ausnahmesituationen verfügte, blieb sie vom politischen Widerstand gleich weit entfernt wie die protestantische. Tyrannenmord und Revolution wurden vom Episkopat ausdrücklich abgelehnt, und selbst in den außerordentlich offenen und mutigen Predigten des Bischofs von Münster, Kardinal Graf von Galen, gegen die Euthanasie fand sich noch der nicht nur als taktische Schutzbehauptung zu verstehende Satz: „Niemals aber hat die Kirche die Rechtmäßigkeit des nationalsozialistischen Regimes infrage gestellt, niemals direkt oder indirekt die verschiedenen Versuche gebilligt, dieses Regime zu stürzen." 18)

Da, wo ihre ureigenen und zudem durch das Konkordat abgesicherten Interessen tangiert wurden, setzte sich die katholische Kirche erfolgreich zur Wehr. Zur Verfolgung von Kommunisten, Sozialisten und Juden schwieg sie oder äußerte sich nur verschlüsselt, obgleich doch auch hier die eigenen Prinzipien Stellungnahmen erfordert und damit potentiellen Widerstand signalisiert hätten. Erst die Euthanasieaktion rief massiven offenen Protest beider Kirchen hervor und wies durch deren Erfolg das NS-Regime nachdrücklich auf die bestehenden Grenzen der Durchsetzbarkeit des ideologischen Totalitätsanspruchs hin. Damit rückten die christlichen Kirchen aus anfänglichen Stützen deutlich in die obere Rangskala der Feinde des Regimes, mit denen nach dem „Endsieg" radikal „abgerechnet“ werden sollte, wie Hitler zu verstehen gab 19). Ansätze dazu wurden im besetzten Po-len in der Verfolgung der Geistlichen und — im Warthegau — in der radikalen Trennung von Staat und Kirche und der Degradierung der evangelischen Kirche auf den Status eines privaten Vereins vorweggenommen 20).

Die zeitlich späteste Formierung von Widerstand in Deutschland fand innerhalb des Bürgertums und des Militärs statt. Soziale und institutionelle Grenzen sind hier fließend, deutlich ist aber für die Gruppe, die schließlich zum Widerstand stieß, ein Wandlungsund Lernprozeß von anfänglicher Bejahung, Stützung und partieller Interessenidentität mit dem NS-Regime zur mehr oder minder bedingungslosen Systemopposition. Solange innere politische Gegner ausgeschaltet, Aufrüstung betrieben und territoriale Revision angestrebt wurden, bestand vom Eigeninteresse des Militärs her — von verachtungsvoller Distanz gegenüber den pöbelhaften Zügen der NS-Prominenz als Motiv einmal abgesehen — wenig Anlaß zum Widerstand. Erst als der NS darüber hinausging, seinen ungehemmten Expansionswillen offenbarte, militärisch va banque spielte und in Polen und der Sowjetunion unter Beweis stellte, daß die Lebensraumphantasien und Rassedogmen brutal ernst gemeint waren, wurden sowohl das Wertsystem wie das Selbstverständnis und das Selbsterhaltungsinteresse der Wehrmacht so massiv in Frage gestellt, daß sich ein Teil ihrer Offiziere ebenso wie nationalkonservative und christliche Politiker zum Staatsstreich entschlossen Das Ziel „Sturz des Regimes" und die Form der organisierten Verschwörung lassen hier die Legitimität des Begriffs Widerstand unzweifelhaft erscheinen, wenn auch das Herrschaftssystem von diesen bürgerlich-konservativen Kreisen zunächst gestützt und mitgetragen worden war und wenn auch die Verteidigung eigener gesellschaftlicher Positionen, die durch Hitlers und Himmlers Ziele und Methoden in Frage gestellt wurden, wichtige Motive des Widerstands waren. Im 20. Juli zeigten sich aber deutlich Tendenzen, die im Sinne eines politischen Lernprozesses über solche gesellschaftlichen Eigeninteressen hinauswiesen. So problematisch auch die DDR-Interpretation Stauffenbergs als eine Art Vorkämpfer der Volksfront ist, so steckt doch in diesem offenkundigen Lernprozeß der richtige Kern einer solchen Interpretation

Die letzte Stufe des Widerstandes, die zugleich auf essentielle Ziele des NS-Herrschaftssystems hinweist, greift über Deutsch-’ land hinaus und bezieht sich auf die unterworfenen europäischen Völker. Auf dieser höchsten und breitesten Stufe scheint sich die innere Problematik des Widerstandsbegriffs radikal zu vereinfachen, weil der nationale Loyalitätskonflikt — sieht man von den faschistischen Bewegungen der betroffenen Länder ab — entfiel und jede Widerstandshandlung, die den Nazis schadete, zugleich dem eigenen Volk zu nützen schien. Im Zuge der Expansion des Nationalsozialismus über die Grenzen des Deutschen Reiches hinaus verbanden sich damit funktional innerdeutscher und europäischer Widerstand zu einer gemeinsamen Bewegung. Ihr Fundament bildete freilich nur ein schmaler Basiskonsens, der sich mit politisch-moralischen Schlüsselbegriffen wie Freiheit, Recht und Menschenwürde umschreiben ließe, über die inhaltliche Ausfüllung dieser Begriffe konnte es kaum mehr Konsens geben, so sehr auch versucht wurde, alte Gräben zuzuschütten und die verschiedenartigsten Gruppen einan der im gemeinsamen Kampfziel anzunähern Noch geringer waren die organisatorische! und personellen Querverbindungen unter dei nationalen Widerstandsbewegungen, aucl wenn besonders Kommunisten durch ihre ak tive Teilnahme häufig nationale Organisa tionsgrenzen überschritten Die Exilregie rungen und Exilgruppen spielten hier eben falls eine wichtige Rolle, so daß man Londor als Sitz der meisten Exilregierungen und Zen trale antifaschistischer Propaganda den Tite der Hauptstadt der europäischen Wider Standsbewegungen gegeben hat

Auch in der nichtdeutschen Resistance läßt sich aber die für den deutschen Widerstand zu beobachtende Stufenentwicklung verfolgen. Insofern taucht das Problem der begrifflichen Abgrenzung hier erneut auf. Die Verhaltensweisen der unterworfenen Völker sind nun auf einer Skala zwischen den Polen Kollaboration und Widerstand einzuordnen. In der Wirklichkeit gab es hier keine starren Grenzen; die meisten Menschen, außer denen, die ausschließlich kollaborierten oder konspirierten, taten mehr oder minder beides Das Bild vom kompletten Untergrundstaat auf der Basis des strikten Boykotts aller Maßnahmen und Institutionen der Okkupationsmacht, das; der polnische Sozialist Edward Abramowski schon 1905 gegen die zaristische Herrschaft entworfen hatte traf zwar die innere Struktur der polnischen Widerstandsbewegung im Modell, in der konkreten Arbeitsweise aber war effektiver Widerstand ohne begrenzte Formen der Zusammenarbeit und Anpassung an die Besatzungsmacht kaum möglich bzw. mit Opfern verbunden, die schwerlich zu rechtfertigen waren.

Auch sich in der dieser Stufenentwicklung spiegelt spezifische Zusammenhang von lerrschaftssystem und Widerstand. Was sich m Beispiel Polens gut zeigen läßt, dürfte um grano salis ebenfalls für andere Länler gelten. Die NS-Politik richtete sich zutächst vornehmlich gegen die polnische Inelligenz als Hauptträger der polnischen Na-ion und Kern eines potentiellen Widerstanies gegen die für Polen vorgesehene Rolle ines Helotenvolkes In der Tat ging von hr die Initiative zum Aufbau des polnischen Jntergrunds aus. Je zielloser jedoch der SS-Terror in Polen, je drückender die landwirtschaftliche Ablieferungsquote für die Bauern, je wahlloser die Straßenrazzien für Zwangsarbeit im Reich, je abstruser die Kulturpolitik und je brutaler die Umsiedlungsmaßnahmen bis hin zur Aktion von Zamo 1942/43 wurden, desto breiter entwickelte sich der polnische Widerstand und umfaßte schließlich in verschiedenen Formen alle Schichten des polnischen Volkes. Die Skala des Widerstandes war in Ländern wie Polen, die nicht nur von militärischer Niederringung und wirtschaftlicher Ausbeutung, sondern auch von Vernichtung der nationalkulturellen Substanz bedroht waren, besonders breit und entsprach somit spiegelbildlich den maßlosen nationalsozialistischen Herrschafts-und Vernichtungszielen. Man hat die europäische Widerstandsbewegung zutreffend als „Dritte Front" bezeichnet und damit die — wenn auch militärisch nicht gleichwertige — Bedeutung des Widerstandes für die Bindung deutscher Truppen und für die Niederringung Nazideutschlands charakterisiert. Mindestens gleichrangig war aber die politisch-moralische Bedeutung — ein Aspekt, der die Parallelen zum deutschen Widerstand hervortreten läßt.

Den Zusammenhang von Herrschaftsformen und Unterdrückungsmaßnahmen einerseits und Intensität des Widerstandes andererseits in den besetzten europäischen Ländern auf eine einfache Kausalbeziehung zurückzuführen, wäre ohne Zweifel zu simpel. Verschiedene Faktoren wie geographische Beschaffenheit, historische Tradition, Unterstützung von außen u. a. spielten ebenfalls eine entscheidende Rolle. Dennoch manifestierte sich im europäischen Widerstand ein tendenziell breiter werdendes Bündnis sozial und politisch-ideologisch unterschiedlicher Gruppen, die in der nationalen Gegenwehr gegen den nationalsozialistischen Unterwerfungsanspruch politischen Widerstand mit dem Ziel der Befreiung praktizierten. Damit vollzog sich eine parallele Entwicklung in großem Maßstab zu der, die 1933 in Deutschland mit dem Widerstand der Arbeiterbewegung ihren Anfang genommen hatte.

Daß dieser Zusammenhang der Entwicklung des NS-Herrschaftssystems und des Widerstandes nicht einseitig war, daß — besonders in den besetzten Gebieten — Widerstand eine Eigendynamik entwickelte, sich in bestimmten Grenzen verselbständigte, aber auch die konkreten Erscheinungsformen und Maßnahmen des Systems positiv (z. B. Einstellung der Euthanasie) oder negativ (z. B. Verschärfung des politischen Kurses im Protektorat nach der Ermordung Heydrichs) beeinflussen konnte, daß somit eine Wechselwirkung möglich war, ist in einem allgemeinen Sinne selbstverständlich und sei hier nur am Rande vermerkt. Genauer aber läßt sich diese Wechselwirkung nur im konkreten Einzelfall erfassen und ist somit kaum generalisierungsfähig. 29

Intentionen und Formen des Widerstandes

Bezieht man den Widerstand auf die jeweiligen materiellen und ideologischen „essentials" des NS-Regimes, so wird damit auch die bewußtseinsmäßige Seite als zentrale Komponente von Widerstand aufgehellt. Damit ist gemeint, daß Widerstand zwar nicht notwendig den Sturz des Regimes zum Ziel haben muß, um diesen Namen zu verdienen, aber doch ein Bewußtsein von der Zielrichtung der Handlung haben und damit zugleich über die bloße Verteidigung „egoistischer" Gruppeninteressen und sozialer und institutioneller Privilegien hinausgehen muß. Er stellt nicht in jedem Falle das Ganze des Herrschaftssystems in Frage (wie etwa die schärfsten politischen Gegner des Faschismus, die Kommunisten und Sozialisten), wohl aber Kernbereiche der Ideologie und Praxis. Wenn sich die Kirchen gegen das beanspruchte weltanschauliche Monopol des Nationalsozialismus wandten und ferner offen gegen die Euthanasieaktion Stellung bezogen, war das Widerstand, der tendenziell die eigenen institutionellen und geistigen Schranken überstieg und mit der klaren Infragestellung des nationalsozialistischen Wertsystems den umfassenden politischen Anspruch des Regimes in wichtigen Punkten aushöhlte. Gerade an diesen Beispielen wird das intentionale Moment kirchlichen Widerstandes — das bei den illegalen Gruppen der Arbeiterbewegung ohnehin gegeben war — deutlich, das über bloß reaktives Verhalten zur Selbsterhaltung hinausging, wäre diese doch durch Gefügigkeit und Schweigen viel besser zu erreichen gewesen. Daß ein solcher Protest zugunsten der Juden weder anläßlich der Nürnberger Rassengesetze noch der „Reichskristallnacht“ noch anläßlich der „Endlösung" erfolgte und damit die Verwirklichung eines zentralen Ziels des Nationalsozialismus mit Schweigen übergangen wurde, gehört freilich zu den schwerwiegenden Negativposten der historischen Bilanz

Schwieriger wird es, dieses intentionale Moment von Widerstand und Formen des sozialen Protests zu erkennen, die zwar in politisch „aufgeladenen" Widerstand umschlagen konnten und auch möglicherweise von der Gestapo als Werk politischer Drahtzieher wahrgenommen wurden, denen aber keineswegs von vornherein der Charakter einer Widerstandshandlung zukam. Auch die Gestapo vermochte hier durchaus zu unterscheiden und ging somit von einem differenzierteren Widerstandsbegriff aus, als gemeinhin angenommen wird Die zahlreichen Beispiele von kürzeren Streiks und Arbeitsverweigerungen, von Sabotage, Bummelei und Krankfeiern lassen sich immer nur im jeweiligen ökonomischen und sozialen Zusammenhang als Widerstand oder aber sozialer Protest und Nonkonformität interpretieren und sind damit generell praktisch nicht mehr erfaßbar. Sie konnten Widerstand sein, wenn sie bewußt praktiziert wurden, und so zumindest als Vorstufe eines politischen Bewußtwerdungsprozesses über den Charakter des NS-Regimes zu verifizieren sind. Sie konnten jedoch genauso gut „normale" Reaktion auf unerträgliche Mißstände im Arbeitsprozeß sein. Eine solche Reaktion wurde von vornherein vom Regime politisch kriminalisiert und war daher mit einer hohen Hemmschwelle versehen; dennoch lassen sich solche Manifestationen der Unzufriedenheit nicht ohne weiteres als Widerstand bezeichnen. Zumindest dort, wo starke sozialistische Traditionen in der Arbeiterschaft bestanden, zeigte sich jedoch in derartigen Aktionen ein beträchtliches Mobilisierungspotential, so daß vielfach ein „gleitender Übergang zwischen .Gesinnungswiderstand'aus politischen Gründen und . Opposition'aufgrund materieller Arbeitsbedingungen, zwischen prinzipieller Gegnerschaft und nichtprinzipieller, aber durchaus massiver, selbstbewußter und gefährlicher Gegenwehr gegen einzelne Maßnahmen und Zumutungen des Regimes" be-stand Illegale Organisationen waren auf dieses soziale Umfeld angewiesen, wenn sie politische Wirksamkeit erreichen wollten. Kurze Warnstreiks wegen schlechter Entlohnung oder miserabler Arbeitsbedingungen waren ebensowenig Widerstand wie Boykott der Vertrauensratswahlen oder Ungültigmachen von Stimmzetteln, wohl aber signalisierten sie ein Oppositionspotential, auf das die NS-Führung mit Terror, militärischer Disziplinierung (Einberufung) und auch verstärkter ideologischer Arbeit (KdF) zu antworten sich gezwungen glaubte.

Gerade hier ist es wichtig, die konkrete Situation und die vorhandenen Möglichkeiten der jeweiligen sozialen Gruppen und Institutionen zur Artikulation von Protest und Widerstand zu berücksichtigen. Nicht zerschlagene Institutionen wie die Kirche und das Militär verfügten in dieser Hinsicht über andere und bessere Möglichkeiten als die ihrer Organisation beraubte Arbeiterschaft. Gleichzeitig beschränkte jedoch die legale institutioneile Fortexistenz auch die Artikulationsformen von Widerstand und ließ nicht primär die Alternative „alles oder nichts" offen, so daß von daher vorsichtigere und taktisch bestimmte Verhaltensweisen mit dem Ziel, die noch bestehenden Institutionen nicht völlig zu gefährden, erklärlich und naheliegend waren.

Kaum einfacher stellt sich demgegenüber die Situation besetzter Länder dar. Widerstand fiel hier zwar eindeutiger aus, ist deutlicher faßbar, aber in organisierter Form als Widerstandsbewegung umfaßte er insbesondere in den Anfangsjahren der Besatzungszeit doch nur eine Minderheit der Bevölkerung. „Symbolischer Widerstand" wie das Zeichen P. W.

(Polska Walczca) in Polen oder H 7 (Haakon VII) in Norwegen war für sich genommen eher Ausdruck der Nichtfügsamkeit und ohnmächtiger Wut, konnte aber be-

Wußtseinsmäßig die unmittelbare Vorstufe aktiver Widerstandstätigkeit bilden. Aber selbst in einer in der Endphase des Krieges 50 breit fundierten Widerstandsbewegung wie in Polen läßt sich nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die Mehrheit der Bevölkerung Widerstand leistete, auch wenn es hier nie einen „Quisling" gab. Kornel Filipowicz hat in seinem „Tagebuch eines Antihelden" dem Typus des unsicheren Kleinbürgers, der sich zwischen allen vom Okkupanten und von der Widerstandsbewegung verlangten Loyalitäten „hindurchmogelt", ein liebenswürdig-ironisches literarisches Denkmal gesetzt

Von den Widerstandsformen her vereinigte die polnische Widerstandsbewegung wohl am eindrucksvollsten die ganze Palette von Möglichkeiten. Sie reichte von Partisanenkampf und Aufstand, aktiver Sabotage, Vernichtung von Einwohnermeldekarteien, Erschießung kompromittierter Kollaborateure, politischer Konspiration mit illegaler Regierungs-, Justiz-und Militärorganisation bis zur umfangreichen illegalen Presse, zum illegalen Schul-und Hochschulwesen, Theater, Musik und schließlich zur Fortführung einer polnischen Regierung im Exil. In all diesen Formen ist der subjektive Moment des bewußten Widerstandes enthalten. Ein solcher Widerstand wuchs über rein reaktives Verhalten hinaus. „In unserem Widerstand“, schrieb ein Beteiligter später, „ging es nicht um die Rettung unserer selbst; das konnte man weitaus sicherer durch Gefügigkeit erreichen. Unser Widerstand war ein Widerstand gegen die Welt, die sie (die Deutschen; C. K.) den Menschen bereiten wollten. Aber unser Widerstand war nicht durch eine objektive Ordnung der Dinge bestimmt, sondern durch unser Urteil über diese Ordnung, durch unseren Richtspruch, daß das, was sie taten, ein Verbrechen sei, dessen Vorhandensein für uns eine Herausforderung war .. . Unser Wider-stand war ein Akt des moralischen Subjekts, der sich von einem objektiven Wissen weder ableiten noch begründen ließ.“

Ein bislang kaum aufgearbeiteter, obwohl außerordentlich interessanter und instruktiver Bereich ist der Widerstand der Zwangsarbeiter in Deutschland Darauf ist hier nicht näher einzugehen, weil prinzipiell die gleichen Probleme der Abgrenzung von Protest und Widerstandsformen auftauchen wie bei deutschen Arbeitern. Zwar läßt sich eindeutig feststellen, daß etwa Streiks ungleich häufiger und heftiger waren als bei deutschen Arbeitern, aber die Zielrichtung der meisten Streiks (Abschaffung der Prügelstrafe, bessere medizinische Versorgung, höhere Essensrationen usw.) weisen doch eher auf die katastrophale soziale Lage der ausländischen Arbeiter als auf antifaschistischen Widerstand hin. Angesichts der Schärfe der Sanktionen gegen jedes aufsässige Verhalten manifestierte sich dennoch in solchen Aktionen ein großes Widerstands-potential. Daher ist es gewissermaßen konsequent — wenngleich wenig bekannt —, daß auch der organisierte Widerstand unter den Zwangsarbeitern einen erheblichen Umfang annahm. Als örtliche Schwerpunkte organisierter Widerstandsfähigkeit und -planung von sowjetischen Zwangsarbeitern sind bisher bekanntgeworden Kiel, Berlin, Leipzig und insbesondere München, wo mit der „Organisation brüderlicher Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen" (BSW) eine auf Initiative russischer Offiziere gegründete hoch entwickelte Widerstandsgruppe existierte, die systematisch Nachrichten sammelte und über mobile Radiosender weitergab, Kontakte zu illegalen Zirkeln in Wien, Prag und Innsbruck aufnahm, über ein Netz von Stützpunkten in zahlreichen süddeutschen Städten verfügte und für die Endphase des Krieges Aufstandsvorbereitungen in Verbindung mit dem Vormarsch der Alliierten plante Dieser Widerstand der — nächst den Juden — absoluten „Parias" der deutschen Gesellschaft im Zweiten Weltkrieg relativiert den der deutschen Arbeiterschaft in seinem Umfang, indem er darauf verweist, daß die NS-Sozialpolitik im Zeichen von Volksgemeinschaftsideologie und KdF einen breiten aktiven Widerstandswillen doch in beträchtlichem Maße den Boden entzog.

Am schwierigsten bestimmbar und in der Be urteilung am nachdrücklichsten auf die Rah menbedingungen verwiesen ist der Wider stand in Konzentrationslagern Ein zu eng gefaßter Widerstandsbegriff kann KZ-Insas sen kaum noch einbeziehen, da sich derer Aktivitäten, abgesehen von der Vorbereitung bewaffneter Aufstände kaum direkt ge gen nationalsozialistische Herrschaftsträgei richten konnten, sondern primär der physi sehen und psychischen Unterstützung unc Solidarität unter den Häftlingen dienten. Wo ein offener Kampf gegen das Lagersysten aussichtslos war, mußte sich Widerstand voi allem auf die Erhaltung widerstandsfähige! Gruppen, Ausschaltung von Spitzeln, Abwen düng besonders sadistischer Quälereien unc Lebensrettung für einzelne Bedrohte richten Auch hier taucht in reduzierter Form die ganze Skala von Handlungen im organisatori sehen, politischen und kulturellen Bereic wie in „normalen" Widerstandsbewegungei auf, auch hier stellte sich in noch zugespitz terer Form das Problem der Verquickung mi Kollaboration, sollte Widerstand innerhall der begrenzten Möglichkeiten überhaupt ef fektiv werden. Ohne die im SS-Jargon al:

„Funktionshäftlinge" bezeichneten Helfer in Organisations-und Kontrollapparat der Lage konnten weder die SS noch die Widerstands gruppen der Häftlinge auskommen Kaun irgendwo dürfte daher Komplizenschaft zu SS und Widerstand so eng beieinander gele gen haben.

Inhalte und Definitionsversuche

Für die hier erörterten Stufen und Formen des Widerstandes stellt sich insgesamt die Frage nach einem gemeinsamen „positiven“ inhaltlichen Grundkonsens, der sich nicht ausschließlich in der partiellen oder totalen Negation des Regimes erschöpfte, die Frage also, ob und wieweit Widerstand von einem im weitesten Sinne „politischen" Inhalt her faßbar wird. Mißt man dem Bewußtseinselement eine zentrale Bedeutung zu, wie ich es hier getan habe, so wird die Feststellung eines solchen groben Grundkonsenses unerläßlich. Hier zeigen sich denn auch die eklatanten Schwächen zumindest der älteren Historiographie. Franciszek Ryszka hat m. E. mit Recht als ein Ziel jeden Widerstands im Dritten Reich die Verteidigung von nationaler Freiheit, elementarer Rechtsauffassung, menschlicher Existenz und Würde bestimmt — ein Ziel, das zwar von ganz unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Positionen her und auch in ganz unterschiedlicher Gewichtung und gesellschaftlicher Konkretisierung anvisiert wurde, aber doch eine gemeinsame Grundkonstante aufwies. Jede darüber hinausgehende inhaltliche Festlegung engt den Widerstandsbegriff in einem Maße ein, das für den um Differenzierung bemühten Historiker nicht mehr vertretbar erscheint. Denn eine solche inhaltliche Einengung führt dann dazu, daß etwa — wie bei Gerhard Ritter — die „Rote Kapelle" als Spionageorganisation zugunsten eines totalitären Staates aus dem Koordinationssystem legitimen Widerstandes herausfällt während umgekehrt die DDR-Historiographie dem bürgerlich-konservativen Widerstand die politische Legitimation bestreitet, wenn sie antifaschistischen Widerstand definiert als:

. Kampfbewegung gegen das Hitlerregime und für den Sturz der faschistischen Diktatur, deren Teilnehmer aus nahezu allen Kreisen und Schichten des deutschen Volkes, vor al-lem aus der Arbeiterklasse, kamen. Antifaschistischer Widerstand erfolgte mit den verschiedensten Mitteln und Methoden bis zum bewaffneten Kampf; er wurde aus den unterschiedlichsten Motiven, politischen, sozialen, ethischen und moralischen, geführt. In seiner Zielrichtung war er Klassenkampf gegen den deutschen Imperialismus." Der hier ja ausdrücklich auf „nahezu alle Schichten" ausgedehnte Widerstand läßt sich weder seiner Intention noch seiner Funktion nach als Klassenkampf verstehen. Hier führt eine verengte Faschismus-Interpretation zu einer unhaltbaren Widerstandsbestimmung.

Daß Widerstand in der Beurteilung nicht von Erfolg und Mißerfolg abhängig sein darf, ist kaum bestreitbar. Das kann freilich nicht bedeuten, daß die Angemessenheit der Mittel, die Motive, der Inhalt der Zielvorstellungen und die Organisationsformen nicht kritisch diskutiert werden dürften. Dies muß gerade auch gegen die ans Penetrante grenzende Selbstgerechtigkeit und Kritiklosigkeit in der marxistisch-leninistischen Darstellung des kommunistischen Widerstandes eingewandt werden Wer die jüngste große Gesamtdarstellung eines Kollektivs von DDR-Historikern „Deutschland im Zweiten Weltkrieg* betrachtet oder die ungeheure Zahl polnischer Publikationen zur Bedeutung der Kommunisten (PPR) im polnischen Widerstand verfolgt erhält suggestiv schon rein von der Quantität des Stoffes her den Eindruck einer „führenden Rolle" der Kommunisten vermittelt, die zumindest in diesen beiden Fällen — anders etwa als in Jugoslawien, Frankreich oder Griechenland — an der historischen Realität vorbeigeht

Die Problematik der formalen und inhaltlichen Abgrenzung des Widerstandsbegriffs sei hier abschließend noch einmal an einigen Definitionsversuchen dargestellt.

Friedrich Zipfel hat in einem sehr umfassenden Sinne unter Widerstand jede Handlung subsumiert, „die darauf gerichtet war, dem totalitären Staat in den Arm zu fallen, sei es um die eigene oder die Gruppenexistenz zu behaupten oder um Unrecht im kleinen wie im großen zu verhüten; die sich darum bemühte, eine Staatsordnung zu erhalten oder vorzubereiten, die den Prinzipien des nationalsozialistischen Staates widersprach oder die danach strebte, die bestehenden Machtverhältnisse durch Propaganda oder mit den Mitteln der Gewalt zu ändern"

Ein solcher umfassend definierter Begriff liegt zumindest unreflektiert vielen allgemeinen Darstellungen von Opposition und Widerstand im Dritten Reich zugrunde. Er umfaßt in der Tat alle Erscheinungsformen von Widerstand; die Schwierigkeit scheint mir hauptsächlich darin zu liegen, daß der Zeitfaktor fehlt und auf diese Weise weder eine Stufenfolge noch eine Gewichtung des Widerstandes erkennbar und möglich wird. Diesem „zeitlosen" Begriff fehlt der Bezug zur Entwicklung des Herrschaftssystems und da-mit auch die Möglichkeit der „qualitativen" Wertung von Widerstandhandlungen, bedeutete doch die gleiche Aktion oder Äußerung im Jahre 1933 und 1943 aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen u. U. etwas völlig anderes. Außerdem sind Vorstufen der Sicherung der individuellen oder Gruppenexistenz hier schon als Widerstand gefaßt, ohne daß das Bewußtseinselement als konstitutiv erscheint. Insofern ist eine dieser Definition her kaum möglich.

Abgrenzung von Um eine Abstufung von Widerstandsakten faßbar und wissenschaftlich operationalisierbar zu machen, ist Peter Hüttenberger — mit m. E. allzu großem theoretischen Aufwand — zu dem Ergebnis gekommen, Widerstand nur noch als losen Oberbegriff zu verwenden, „der lediglich Auflehnung in asymmetrischen Herrschaftsbeziehungen signalisiert" und u. a. in einer Skala von Verhaltensformen faßbar wird wie: Nonkonformität, abweichendes Verhalten, sozialer Protest, ziviler Ungehorsam

Zweifellos sind diese Verhaltensformen notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung und Neubildung illegaler Widerstandsorganisationen. Außerdem können sie quantitativ so stark auftreten, daß sie eine Gefährdung des Systems zumindest in Teilbereichen bedeuten, dennoch lassen sie sich nicht unter einen inhaltlich klar umrissenen Widerstandsbegriff fassen.

Ganz verzichtet wird auf den Begriff wegen dieser Probleme daher in der großen Dokumentation über „Bayern in der NS-Zeit". Zugrunde gelegt wird statt dessen das als Strukturbegriff — im Gegensatz zum legitimatorisch geprägten Widerstandsbegriff — verstandene Fremdwort „Resistenz" als „wirksam gewordene Herrschaftsbegrenzung des Nationalsozialismus" Vom Ipteresse der Dokumentation her, soziale Lage und politisches Verhalten zu erfassen und in Korrelation zu bringen, erscheint diese Definition naheliegend und am ehesten praktikabel. Das Problem eines politisch bestimmten Widerstandsbegriffs ist damit jedoch in keiner Weise gelöst, so differenziert auch auf diese Weise dessen soziale Voraussetzungen problematisiert werden. Rein definitorisch ist zudem weder hier noch bei Hüttenberger der für die innere Herrschaftsbegrenzung sehr wirksame Konkurrenzkampf innerhalb der nationalsozialistischen Machtelite und Poly-kratie ausgeschlossen.

Detlev Peukerts an der Arbeiterbewegung orientierter Widerstandsbegriff wird zwar von einer „beliebigen" Oppositionshaltung abgegrenzt, weil sonst die qualitativen Unter5) schiede verwischt werden, dennoch soll er „alle jene Elemente umfassen, die von einer partikularen und spontanen Opposition bis zur hochorganisierten illegalen Partei reichen" Dieses Ziel ist kaum erreichbar, wenn darunter dann eine „Fülle kleiner und kleinster Aktivitäten", das Bemühen, „Sand im Getriebe" des faschistischen Systems zu sein, und die Bewahrung antifaschistischer Gesinnung verstanden werden Widerstand läßt sich somit aufgrund der fließenden Übergänge und der ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der jeweiligen Träger nicht exakt soweit definieren, daß vorweg eine klare Trennung gegenüber anderen Formen von oppositionellem Verhalten und Unmutsäußerungen 'möglich ist. Er läßt sich allgemein in einem enger gefaßten Sinne im Anschluß an Zipfel und Peukert bestimmen als bewußter Versuch, dem Regime in einem für seine Ideologie und die Etablierung und Erhaltung seiner Herrschaft wichtigen Bereich „in den Arm zu fallen", und zwar von einem Wertsystem her, das dem nationalsozialistischen entgegenstand und das zugleich auch die bloße Verteidigung der eigenen oder Gruppenexistenz im Sinne der Herstellung von elementarer Gerechtigkeit und Menschenwürde zu überschreiten forderte.

In der konkreten Analyse und Wertung der Bedingungen, Erscheinungsformen, Mittel und Ziele ist es jedoch unerläßlich, diesen Widerstandsbegriff 1. historisch flexibel zu halten, d. h. ihn immer wieder auf. die Entwicklung des Herr-schaftssystems und damit zugleich auf die konkreten politischen, institutionellen und sozialen Voraussetzungen der jeweiligen Träger von Widerstand und ihre Bedeutung für das NS-System zu beziehen; 2. das subjektive Moment des bewußten, tendenziell auf ein gesellschaftliches Ganzes gerichtetes Verhaltens aufzuspüren, ohne das Widerstand bloß reaktiv bleibt; gerade von hierher läßt sich Widerstand als Lernprozeß fassen, der sich aus rein gruppenbezogenen und unpolitischen Vorstufen weiterentwikkelt; 3. ihn nicht mit einem bestimmten gesellschaftspolitischen oder weltanschaulichen Inhalt zu füllen, ihn aber dennoch an einen allgemeinen Grundkonsens zu binden, der es damit unmöglich macht, Rivalitäten und Machtkämpfe innerhalb der Herrschaftselite — wenngleich u. U.sehr „effektiv" — zum Widerstand zu rechnen. Damit behält der Begriff seine politisch-legitimatorische Komponente. Er sollte sie m. E. trotz aller damit verbundenen Probleme auch behalten, wenn im Sinne der genannten Kriterien sichergestellt ist, daß er kritisch und differenziert verwandt wird. Widerstand bezog seine Legitimation im Bewußtseinshorizont seiner Träger in erheblichem Maße von der Zukunft, und seine Bedeutung liegt gerade in Deutschland weniger in der unmittelbaren Wirksamkeit als in seinem politisch-moralischen Bezug zur Nachkriegszeit: als einer der „wenigen Aktivposten der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945"

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zit. bei Louis de Jong, Zwischen Kollaboration pn d Rsistance, in: Andreas Hillgruber (Hrsg.), s. 203eme des Zweiten Weltkrieges, Köln 1967,

  2. Vgl.den instruktiven, freilich vorwiegend auf Deutschland abgestellten Artikel „Widerstandsbewegungen" von Günter Plum, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft Bd. 5, Freiburg 1972. Ferner den wichtigen Forschungsbericht von Reinhard Mann, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in: NPL 22 (1977), S. 425— 42 (nur auf Deutschland bezogen). Die neueste knappe Gesamtdarstellung stammt von Ger van Roon, Widerstand im Dritten Reich, München 1979. Als neuerer populärwissenschaftlicher Versuch eines nach Ländern gegliederten Überblicks von zwei polnischen Historikern: Eugeniusz Duraczynski, Jerzy Janusz Terej, Europa Podziemna 1939— 1945, Warschau 1974. Anspruchsvoller in der Verbindung von systematischer Analyse und länderbezogener Darstellung: M. R. D. Foot, Resistance, an Analysis of European Resistance to Nazism 1940— 45, London 1976. Gerade die Einzeldarstellungen bleiben aber aufgrund der Kürze und des veralteten Literaturstandes ganz unbefriedigend. Den genauesten, wenn auch stark frankozentrischen laufenden Überblick zum europäischen Widerstand bietet die irr Paris erscheinende Zeitschrift: Revue d'Histoire de la Deuxieme Guerre Mondiale.

  3. Vgl. dazu neben der in Anm. 1 genannten Literatur die Arbeiten von Ernst Nolte, insbes.: Die faschistischen Bewegungen, DTV-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts Bd. 4, München 1966. Einen kritischen Vergleich marxistischer und nichtmarxistischer Faschismusinterpretation gibt Wolfgang Schieders Artikel „Faschismus" in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft Bd. 2, Freiburg 1968. Verschiedene Aspekte des europäischen Faschismus werden von polnischen Autoren behandelt in: Dzieje Najnowsze 10 (1978) Hefti. Von einem Aspekt der politischen Zukunftsvorstellungen her hat Walter Lipgens die innere Einheit der Widerstandsbewegungen in Europa zu dokumentieren versucht: Europa-Föderationspläne der Widerstandsbewegungen 1940— 1945. Eine Dokumentation, München 1968.

  4. Vgl. dazu den — in der Gesamtkonzeption mißglückten — mit einer vorzüglichen Bibliographie ausgestatteten Sammelband: Widerstandsrecht, hrsg. von Arthur Kaufmann in Verbindung mit Leonhard E. Backmann, Darmstadt 1972.

  5. Ernst Wolf, Zum Verhältnis der politischen und moralischen Motive in der deutschen Widerstandsbewegung, in: Walter Schmitthenner, Hans Buchheim (Hrsg.), Der deutsche Widerstand gegen Hitler, Köln 1966, S. 215— 255, hier S. 252.

  6. Zur Interpretation dieser Vorstellung bei Luther: Johannes Heckel, Lex charitatis. Eine juristische Untersuchung über das Recht in der Theologie Martin Luthers, München 1953. Wichtiger wäre in diesem Zusammenhang vor allem der Hinweis auf die ganz unterschiedliche Luther-Rezeption, wie sie z. B. im illegal verbreiteten Text des 1941 gehaltenen Vortrags des norwegischen Bischofs Berggrav zum Ausdruck kommt: Wenn der Kutscher trunken ist. Luther über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit, abgedr. in: Widerstandsrecht (s. Anm. 4), S. 135— 151.

  7. Vgl. David Schoenbaum, Die braune Revoluton, Köln 1968, bes. S. 26: Henry Ashby Turner, Faschismus und Antimodernismus, in: ders., Faschismus und Kapitalismus in Deutschland, Göt-tingen 1972, S. 157— 182.

  8. So das „Schwarze Korps“ vom 22. 8. 1941.

  9. Timothy W. Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft, Opladen 1975.

  10. Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1, Frankfurt 1977, S. 304 f. Einen ersten über 1933 hinausgehenen Überblick hat Scholder 1971 veröffentlicht: Die Kirchen im Dritten Reich, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 15/1971.

  11. Zum umstrittenen Zusammenhang zwischen Ermächtigungsgesetz und Reichskonkordat sowie zur Beurteilung des Konkordats im Anschluß an Scholders Buch jetzt die Kontroverse zwischen ihm und Konrad Repgen in: VfZG 1978 Heft 4.

  12. Dazu sei neben Scholder und Wolf nur verwiesen auf Günther van Norden, Widerstand im deutschen Protestantismus 1933— 1945, in: Monats-hefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlands 27 (1978), S. 251— 73.

  13. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der deutsche Katholizismus im Jahre 1933. Eine kritische Betrachtung, in: Hochland 53 (1960/61), S. 215— 239; Friedrich Baumgärtel, Wider die Kirchenkampf-Legenden, 2. erw. A. Neuendettelsau 1959; Scholder, a. a. O.

  14. Böckenförde, S. 239, zitiert den Jesuiten Friedrich Muckermann (Der deutsche Weg, Zürich 1946, S. 25), der betont, er habe „immer wieder den sicheren Instinkt des katholischen Volkes bewundern müssen, der viel klarer sah als der Akademiker, der viel früher die grauenhafte Gefahr erkannte als selbst die Bischöfe." Deutlich wird

  15. Wolf, a. a. O., S. 230 ff.

  16. So besonders van Norden, S. 267. Bonhoeffer hatte bereits im April 1933 öffentlich erklärt, die Kirche sei herausgefordert, wenn „irgendeine Gruppe von Staatsuntertanen" entrechtet werde. Ihre Aufgabe sei es, „nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen fallen", zit. ebd. S. 255.

  17. Zit. bei Wolf, a. a. O., S. 243.

  18. Dazu Martin Broszat, Nationalsozialistische Polenpolitik 1939— 1945, Frankfurt 1965 2, S. 147 bis 157.

  19. Vgl. dazu Hermann Graml, Die außenpolitischen Vorstellungen des deutschen Widerstandes, in: Schmitthenner/Buchheim, S. 15— 72, hier 19 ff.; Klaus Hildebrandt, Die ostpolitischen Vorstellungen im deutschen Widerstand, in: GWU 29 (1978), S. 213— 241. Zur Motivation der Militärs vgl. auch Fabian von Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler, Frankfurt 1959, S. 45 ff. Die Komplizenschaft des Großteils der militärischen Führung im Vernichtungskrieg in der Sowjetunion hat demgegenüber nachdrücklich Andreas Hillgruber herausgearbeitet: Die „Endlösung" und das deutsche Ostimperium als Kernstück des rasseideologischen Programms des Nationalsozialismus, in: Manfred Funke (Hrsg.), Hitler, Deutschland und die Mächte, Düsseldorf 1976, S. 94— 114.

  20. Kurt Finker, Stauffenberg und der 20. Juli 1944, Köln 1977, bes. S. 396. Zur quellenkritischen Seite dieser so wohl kaum haltbaren Interpretation Peter Hoffmann, War Stauffenberg „ostorientiert"?, in: Die Zeit vom 20. 12. 1978. Vgl. auch Hans Mommsens grundlegenden Aufsatz, der von der sozialen Ausgangslage her die organisatorischen und programmatischen Grenzen der bürgerlich-konservativen Widerstandsgruppen deutlich macht, auch wenn sich 1944 deutliche Anzeichen einer politischen Verbreiterung zeigten: Gesellschaftsbild und Verfassungspläne des deutschen Widerstandes, in: Schmitthenner/Buchheim, a. a. O„ S. 73— 167.

  21. Die marxistisch-leninistische Historiographie richtet hierauf ein besonderes Augenmerk, kann damit aber kaum die relative nationale Isolierung, die ohnehin von der Situation erzwungen wurde, in Frage stellen. Vgl. als Beispiele: Deutschland im Zweiten Weltkrieg, von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Wolfgang Schumann, Gerhard Haß, Karl Drechsler, bisher 2 Bde, Köln 1974/75, Bd. 1, S. 598 ff. Bd. 2, S. 247 ff. S. Okecki, Cudzoziemcy w polskim ruchu oporu 1939— 1945, Warschau 1975.

  22. So Henri Michel, zit. b.de Jong, a. a. 0., S. 259.

  23. Ebd. S. 252.

  24. Edward Abramowski, Zmowa powszechna przeziw rzadowi, in: ders., Prisma Bd. 1, Warschau 1924, S. 327— 50.

  25. Dazu Hans Roos, Deutschland, Polen und die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, in: Hillgruber (Hrsg.), S. 225— 44; Broszat, a. a. O.; Christoph Kießmann, Die Selbstbehauptung einer Nation. NS-Kulturpolitik und polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939— 45, Düsseldorf 1971. Aus der unübersehbaren polnischen Literatur sei hier nur auf die große zweibändige Gesamtdarstellung von Czeslaw Madajczyk verwiesen: Polityka III Rzeszy w okupowanej Polsce, Warschau 1970.

  26. Henry Jablonski, Polityczna: militarna rola antyfaszystowskiego ruchu oporu, walki podziemnej > dzialah partyzanckich w Europie w czasie wojny swiatowej, in: W dwudziesta rocznice zwyciestwa, Breslau 1966, S. 5— 40, hier S. 35.

  27. Dazu Detlev Brandes, Die Tschechen deutschem Protektorat, Bd. 2, München 1975, S. 9 f.

  28. Vgl. dazu jetzt die vorsichtige, in diesem Punkt aber relativ eindeutige Stellungnahme des Sekretariats der deutschen Bischofskonferenz anläßlich der Holocaust-Serie: Die katholische Kirche und der Nationalsozialismus, in: Frankfurter Rundschau vom 10. 2. 1979. Dazu eine scharfe kritische Entgegnung von Karl Heinz Deschner in: Frankfurter Rundschau vom 19. 2. 1979. Sehr viel kritischer nimmt sich dagegen die Stellungnahme der Kirchenkanzlei der EKD „Zur Verfolgung des Judentums durch den Nationalsozialismus" anläßlich des 40. Jahrestages der „Reichskristallnacht“ aus. Die wichtigsten Passagen in: Frankfurter Rundschau vom 7. 11. 1978.

  29. Als ein Beispiel sei auf den Gestapo-Lagebericht aus Stettin vom 3. 11. 1934 hingewiesen, in dem der Zusammenhang zwischen schlechter Stimmung bei Autobahnarbeitern wegen niedriger Löhne und sich daraus evtl, ergebenden politischen Gefahren angesprochen wird. Robert Thevoz u. a., Pommern 1934/35 im Spiegel von Gestapo-Lageberichten und Sachakten, 2 Bde, Köln 1974, hier Bd. 2, S. 51.

  30. Dazu vor allem Mason, a. a. O.; ferner: Verfolgung und Widerstand unter dem Nationalsozialismus in Baden. Die Lageberichte der Gestapo und des Generalstaatsanwalts Karlsruhe 1933— 19w, bearb. v. Jörg Schadt, Stuttgart 1976; Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte, hrsg. v. Martin Broszat u. a., München

  31. Bayern in der NS-Zeit, S. 201.

  32. De Jong, a. a. O„ S. 254.

  33. Karol Filipowicz, Tagebuch eines Antihelden, Roman, München 1964.

  34. Jan Strzelecki, Schule der Gefühle, in: Polen 1967 Nr. 9, S. 19.

  35. J. A. Brodski, Die Lebenden kämpfen. Die illegale Organisation brüderlicher Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen (BSW), Berlin (Ost) 1968; Heike Bretschneider, Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in München 1933— 1945, München 1968, S. 202 ff.

  36. Brodski, a. a. O„ S. 90, 155, 180 f., 205 ff.

  37. Vgl. Schoenbaum, a. a. O., Kap. 3 (Der Arbeiter im Dritten Reich); Mason a. a. O., Kap. 5 (Sozialpolitik und soziale Ideologie von 1934— 1936) u. S. 165 f.

  38. Dazu jetzt umfassend Falk Pingel, Häftling 1 unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehaup tung und Vernichtung im Konzentrationslaga Hamburg 1978. Von polnischer Seite Krzyszt Dunin-Wasowicz, Ruch oporu w hitlerowskich ob ozach konzentracyjnych 1933— 1945, Warscha 1979.

  39. Pingel, a. a. O., S. 206 ff.; Dunin-Wasowici a. a. O„ S. 259 ff.

  40. Pingel, a. a. O., S. 209 f.; Bericht des polnische: Auschwitz-Häftlings Wieslaw Kielar, Vorabdruc in: Der Spiegel 1979, Heft 6; als Buch erschiene unter dem Titel „Anus mundi".

  41. Franciszek Ryszka, Formen des Widerstandes Regen den Nationalsozialismus, Abgrenzung und Gemeinsamkeiten. Referat auf der Tagung „Widerstand gegen den Nationalsozialismus" im Juni 1978 in Bielefeld, S. 18. Vgl. auch Foot, a. a. O., S. 6.

  42. Gerhard Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung (DTV-Ausgabe), München 1964, S. 108 ff.

  43. Antifaschistischer Widerstand, in: Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin (Ost) 1969, S. 72. Später heißt es dort: „Zu den Kräften des antifaschistischen Widerstandes gehörten auch die Partioten aus Offizierskreisen und aus dem Kreisauer Kreis, die an der Verschwörung des 20. Juli 1944 teilnahmen. Sie lehnten die reaktionäre Konzeption der Gruppe Goerdeler-Beck-Schacht, die wegen ihres reaktionären Programms zur Erhaltung der Machtgrundlagen des deutschen Faschismus nicht zum antifaschistischen Wider-stand gehört, ab und wollten durch den gemeinsamen Kampf aller antifaschistischen Kräfte in Deutschland eine Ordnung errichten, die allen Deutschen in einer demokratischen Republik Recht und Gerechtigkeit verbürgt."

  44. Vgl. dazu Tim Masons Kritik an der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", Der antifaschistische Widerstand der Arbeiterbewegung im Spiegel der SED-Historiographie, in: Das Argument 43 (1967), S. 144— 154.

  45. Deutschland im Zweiten Weltkrieg, a. a. O.; dazu ausführlich Andreas Hillgruber, in: HZ 223 (1976), S. 358— 72.

  46. Einen summarischen Forschungsbericht gibt Zygmunt Mankowski, Die polnische Geschichtsschreibung über die Widerstandsbewegung auf polnischen Gebieten im Zweiten Weltkrieg, in: Internationales Jahrbuch für Geschichts-und Geographieunterricht Bd. 18 (1978), S. 348— 56.

  47. Damit soll keineswegs in Frage gestellt werden, daß die Kommunisten in Deutschland den aktivsten Kern des Widerstandes stellten und auch in Polen besonders nachdrücklich bewaffneten Kampf verfochten. Die Formel von der „führenden Rolle" übersieht aber die relative Isolierung, in der die kommunistischen Widerständler sowohl in Deutschland wie in Polen kämpften und die ein Bündnis, das man hätte anführen können, bestenfalls in Ansätzen zustande kommen ließ.

  48. Friedrich Zipfel 1965, zit. nach Heinz Josef Steinberg, Widerstand und Verfolgung in Essen 1933— 1945, Hannover 1969, S. 16.

  49. Peter Hüttenberger, Vorüberlegungen zum Widerstandsbegriff, in: Theorien in der Praxis des Historikers, Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 3, Göttingen 1977, S. 116— 134. hier S. 130.

  50. A. a. O„ S. 11.

  51. Detlev Peukert, Ruhrarbeiter gegen den Faschismus. Dokumentation über den Widerstand im Ruhrgebiet 1933— 45, Frankfurt 1976, S. 339.

  52. Ebd. S. 8 u. 173.

  53. Hans J. Reichardt, Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes der Arbeiterbewegung, in: Schmitthenner/Buchheim, S. 169— 213, hier S. 213.

Weitere Inhalte

Christoph Kleßmann, Dr. phil., wiss. Rat und Professor an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Bielefeld, geb. 1938; Studium der Geschichte, klass. Philologie und Politik; 1967— 1970 wiss. Mitarbeiter des Ostkollegs der Bundeszentrale für politische Bildung, 1970— 1976 wiss. Assistent an der Ruhr-Universität Bochum; seit 1976 an der Universität Bielefeld. Veröffentlichungen: Die Selbstbehauptung einer Nation. NS-Kulturpolitik und polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939— 1945, Düsseldorf 1971; Polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet 1870— 1945, Göttingen 1978; zus. mit P. Friedemann: Streiks und Hungermärsche im Ruhrgebiet 1946— 1948, Frankfurt 1977; Aufsätze und Rezensionen zur deutschen und osteuropäischen Zeitgeschichte.