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Zum neuen Grundsatzprogramm der CDU | APuZ 51-52/1979 | bpb.de

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APuZ 51-52/1979 Zum neuen Grundsatzprogramm der CDU Das CDU-Grundsatzprogramm aus liberaler Sicht Das CDU-Grundsatzprogramm: Dokument politischer Erneuerung

Zum neuen Grundsatzprogramm der CDU

Erhard Eppler, Richard Löwenthal, Heinz Rapp, Thomas Meyer, Susanne Miller, Hans-Jochen Vogel Hans-Jochen Susanne Miller Thomas Meyer Heinz Rapp Richard Löwenthal Erhard Eppler Vogel

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Im Oktober 1978 hat die Christlich-Demokratische Union Deutschlands auf ihrem 26. Bundesparteitag in Ludwigshafen ihr Grundsatzprogramm verabschiedet — ein „Dokument geistiger Erneuerung der CDU in der Opposition“ (Heiner Geißler). Die Entwicklung der Grundsatzdiskussion seit der Einsetzung der Grundsatzkommission im Jahr 1971 und ihre Ergebnisse sind in „Aus Politik und Zeit-geschichte“ (B 7/79) von Mitgliedern dieser Kommission ausführlich dargestellt worden. SPD und FDP haben das Programm mit dem Hinweis begrüßt, daß es die Möglichkeiten der Bürger verbessere, die Zielsetzungen der politischen Kräfte miteinander zu vergleichen. In dieser Ausgabe haben nun Vertreter der Koalitionsfraktionen den Versuch unternommen, kritische Vergleiche zwischen den eigenen programmatischen Vorstellungen und den im CDU-Grundsatzprogramm niedergelegten Konzeptionen anzustellen. Abschließend hat die CDU die ihr gebotene Gelegenheit wahrgenommen, diese Stellungnahmen einer Gegenkritik zu unterziehen.

I. Zur Bedeutung des ersten Grundsatzprogramms der CDU

Fast drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung hat sich die CDU nach siebenjähriger Vorbereitungszeit auf ihrem Parteitag vom 23. bis 25. Oktober 1978 in Ludwigshafen ein Grundsatzprogramm gegeben. Die Sozialdemokratie begrüßt diesen Schritt ausdrücklich, denn er verbessert die Möglichkeiten der Bürger, Vergleiche zwischen den Zielsetzungen der politischen Kräfte anzustellen, die um ihre Unterstützung werben. Gleichzeitig bietet er auch besser als bisher die Chance, das tages-politische Wirken der CDU in der Öffentlichkeit und in den Parlamenten an den Grundsätzen und Beschlüssen zu messen, zu denen sie sich in ihrem Grundsatzprogramm verbindlich bekennt. Insofern ist die Erarbeitung und Verabschiedung des neuen Grundsatz-programms als ein Beitrag zur politischen Urteilsbildung des Bürgers in der Demokratie zu begrüßen. Daher kann es keineswegs den Beifall der Sozialdemokratie finden, daß das neue Grundsatzprogramm der CDU in der deutschen Öffentlichkeit auf unverhältnismäßig geringe Resonanz gestoßen ist. Wir scheuen den Vergleich dieses Programms mit dem Godesberger Grundsatzprogramm der SPD von 1959 nicht, wir fordern ihn heraus. Nicht nur, weil dadurch die vernünftige politische Urteilsbildung für die Bürger erleichtert wird, sondern mehr noch, weil wir der Überzeugung sind, für die entscheidenden Fragen zukunftsträchtigere Antworten zu haben.

Eine Textanalyse des Grundsatzprogramms allein würde seiner Bedeutung für die Politik der CDU nicht gerecht werden. Denn seine eigentliche politische Wirkung entfaltet es erst in der Art, wie die Politiker der Unionsparteien seinen Geist lebendig werden lassen und in den konkreten Vorschlägen und Maßnahmen, durch die es in den politischen Gestaltungsprozeß eingebracht wird. Diesen beiden INHALT I. Zur Bedeutung des ersten Grundsatz-programms der CDU II. Ein christliches Programm?

III. Die Grundwerte IV. Kaum Ansätze einer gesellschaftlichen Problemanalyse V. Zwiespältige Vorstellungen von sozialer Marktwirtschaft VI. Staat und Gesellschaft VII. Schlüsselbegriffe des Programms — „Leistung", „Neue Soziale Frage“ und „Vorbeugende Sozialpolitik"

VIII. Ein kritisches Fazit Bereichen muß daher auch in Zukunft die besondere Aufmerksamkeit gelten. Eine sorgfältige Analyse des Grundsatzprogramms selbst ist gleichwohl unentbehrlich. Sie ist nicht nur eine Voraussetzung für das Verständnis und die vernünftige Austragung der politischen Konflikte zwischen den politischen Kräften, sondern auch dafür, daß das konkrete Auftreten der CDU in der Öffentlichkeit und in den Parlamenten an dem gemessen werden kann, wozu sie sich in diesem Grundsatzprogramm verpflichtet hat.

II. Ein christliches Programm?

Ihren Charakter als christliche Partei und ihr Verständnis vom Menschen versucht die CDU in den ersten Abschnitten des Programms zu klären. Trotz mehrerer unterschiedlicher Definitionsversuche wird sie jedoch mit dem Problem nicht fertig, daß sie gleichzeitig eine Volkspartei sein will, die „sich an alle Menschen in allen Schichten und Gruppen unseres Volkes" wendet und doch als Grundlage ihres Menschenbildes und der aus ihm abgeleiteten Gemeinwohl-/Vorstellung allein das „christliche Verständ-nis vom Menschen und seiner Verantwortung vor Gott" in Anspruch nehmen will Die CDU möchte beides haben, die besondere Weihe, die christliche Partei zu sein, und die Chance, durch Mitarbeit und Zustimmung auch der Nichtchristen mehrheitsfähige Volkspartei zu sein. Der sich daraus ergebende Widerspruch scheidet ihre Mitglied-und Anhängerschaft in zwei Klassen. In christliche Vollmitglieder, denn allein ihre Motive sind im Programm als Grundlage anerkannt, und in nichtchristliche Halbmitglieder, die zwar nicht die Programmgrundlagen, aber doch die aus ihnen abgeleiteten politischen Forderungen teilen können.

Das Programm erhebt zwar nicht im Klartext den Anspruch, die einzige Möglichkeit einer aus christlichem Bekenntnis abgeleiteten Politik für unsere Zeit darzustellen. Die Art, wie die Berufung auf den christlichen Glauben erfolgt, ist jedoch deutlich auf die Werbewirkung angelegt, zumindest eine privilegierte Beziehung zwischen dem politischen Programm dieser Partei und christlichem Glauben in Anspruch zu nehmen. Indem der christliche Glaube das Monopol auf die Begründung des Grundsatzprogramms erhält, soll dieses als christlich privilegiert erscheinen. Um dieser gewollten Werbewirkung willen nimmt die CDU den Widerspruch in Kauf, im ersten Abschnitt zu behaupten: „Die Politik der CDU beruht auf dem christlichen Verständnis vom Menschen und seiner Verantwortung vor Gott" und wenig später doch einräumen zu müssen: „Aus christlichem Glauben läßt sich kein bestimmtes politisches Programm ableiten."

Ganz offenkundig ist es ihr mit der Berufung auf christliche Grundlagen vor allem um den äußeren Eindruck zu tun, denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß das Programm keine bestimmten, inhaltlich gefüllten An-1) knüpfungspunkte an Inhalte des christlichen Glaubens enthält. Sein Menschenbild, das als ein christliches vorgestellt wird, enthält keine Entfaltung der inhaltlichen Dimensionen eines christlichen Menschenverständnisses. Es vollzieht lediglich die Geste des Hinweises auf eine „Wirklichkeit, welche die menschliche Welt überschreitet" als Grundlage der Möglichkeit menschlicher Freiheit. Ebenso formal bleibt der Hinweis auf die Verantwortung des Menschen vor Gott. Alle inhaltlichen Aussagen über den Menschen, insbesondere die, daß sein Leben verkümmert, „wenn er sich isoliert oder im Kollektiv untergeht" sind zwar auch in der christlichen Tradition verwurzelt, aber ganz gewiß nicht in ihr allein. Was bleibt, ist die hilflose Geste des Hindeutens auf eine christliche Grundlage, die das Programm inhaltlich nicht zu fassen vermag. Diese Zurückhaltung im Inhaltlichen, die nur an einer, allerdings zentralen Stelle durchbrochen wird, ist an sich begrüßenswert. Um dieser besseren Einsicht willen hätte die CDU aber den Mut und die logische Konsequenz aufbringen sollen, nicht durch die Geste der Inanspruchnahme einer christlichen Begründung einen jener Einsicht entgegengesetzten Eindruck erwecken zu wollen.

Das Godesberger Programm der Sozialdemokratie ist in dieser Frage einen anderen Weg gegangen. Es nennt das christliche Bekenntnis als eines von mehreren möglichen Motiven für die Zustimmung zu den Grundwerten und Grundforderungen des Demokratischen Sozialismus. Gleichzeitig bezeugt es Respekt vor anderen Motiven für diese politische Grundentscheidung. Auf diese Weise bleibt die Achtung vor dem persönlichen Gedanken und vor den Kirchen besser gewahrt. Die Vereinnahmung des christlichen Glaubens für den parteipolitischen Zweck wird vermieden. Durch die Art, wie im Grundsatzprogramm das Verhältnis der CDU zum Christentum bestimmt wird, gewinnt dieses zwar den gewollten Anstrich, dies aber um den Preis eines glatten Widerspruches und einer diskriminierenden Tendenz sowohl den eigenen, nichtchristlichen Mitgliedern gegenüber als auch im Hinblick auf politisch anders gesinnte Christen.

Das Programm hätte sich an die Aussage Richard von Weizsäckers halten sollen, der auf dem Programmparteitag ausführte, daß die CDU sich „in eigener sittlicher Verantwor-tung als politische Partei den Fragen des Vorletzten zu widmen habe" Nur dann hätte der Satz des Programms Glaubwürdigkeit und Konsequenz beanspruchen können, in dem es heißt: auf der aus dem christlichen Glauben abgeleiteten ethischen Grundlage des Programms sei „gemeinsames Handeln von Christen und Nichtchristen möglich" In seiner vorliegenden Form aber wird der Text mit zwei grundlegenden Tatsachen der Gegenwart gedanklich einfach nicht fertig:

Die eine ist, daß gerade die politischen Inhalte des christlichen Menschenbildes schon unter den Christen selbst und sogar innerhalb derselben Konfession heftig umstritten sind.

Die zweite besteht darin, daß aus christlichen Glaubensentscheidungen überall in der Welt die unterschiedlichsten politischen Konsequenzen gezogen werden und in der Vergangenheit gezogen worden sind.

Was die CDU gewinnt, wenn sie — wie CDU-Generalsekretär Geißler auf dem Programmparteitag ausführte — „Gott wieder in ihrem Parteiprogramm nennt" ist nicht eine wahrhaft christliche Bestätigung ihrer politischen Vorstellungswelt, sondern ein verfügbarer Gott, der einen bestimmten politischen Willen mit überirdischer Weihe zu versehen hat. Dieser politisch verfügbare Gott führt nicht nur zu einer Entleerung des christlichen Menschenbildes; er muß vielen Christen, die ihren Glauben ernst nehmen, als ein Skandal erscheinen.

In erschreckender Weise deutlich wird dies alles in dem zentralen Kapitel des Program-mes über die soziale Marktwirtschaft. Wenn in Rechnung gestellt wird, daß die CDU mit ihrem Begriff „Soziale Marktwirtschaft" im wesentlichen eine rechtfertigende Beschreibung des bestehenden wirtschaftlichen Institutionengefüges im Sinn hat, mit eben der Privateigentumsstruktur, die gegeben ist, und eben dem Maß der Ablösung wirtschaftlichen Geschehens aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und Einflußnahme,'das wir heute haben, so wird erkennbar, was geschieht, wenn das Wirtschaftskapitel des Grundsatzprogramms mit der Feststellung eingeleitet wird: -‘ »Die soziale Marktwirtschaft hat ihr geistiges Fundament in der zum Menschenbild des Christentums gehörenden Idee der verantworteten Freiheit."

Es ist schwer zu sagen, was an dieser Behauptung stärker verblüfft: die Geschichtsklitterung, die sie enthält, oder die Umstandslosigkeit, mit der das christliche Bekenntnis für einen parteipolitischen Zweck vereinnahmt wird. Hat die CDU wirklich vergessen, daß die Marktwirtschaft in dem Sin-ne, wie der Begriff heute verwendet wird, nach vielen Jahrhunderten, in denen christliche Überzeugungen mit mehreren alternativen Wirtschaftsformen vereinbart worden sind, überall in Europa im 18. und 19. Jahrhundert von der liberalen Bewegung geistig vorbereitet und erkämpft wurde?

Es waren tiefgreifende Veränderungen im Christentum selbst erforderlich, damit die Durchsetzung marktwirtschaftlichen Denkens möglich wurde.

Auch gegenwärtig gibt es gerade aus dem christlichen Lager selbst weit kritischere Stellungnahmen zu den Auswirkungen marktwirtschaftlicher Ordnungen, als das CDU-Grundsatzprogramm für möglich hält. So ist insbesondere die Kritik, die in den grundlegenden päpstlichen Enzykliken an der Entwicklung der Marktwirtschaft geübt wird, weit davon entfernt, diese als einen Ausdruck des christlichen Menschenbildes zu heiligen. Johannes XXIII. bekräftigte in der Enzyklika „Mater et Magistra" zunächst noch einmal folgende Feststellung seiner Vorgänger über verhängnisvolle Entwicklungen der Marktwirtschaft: „An die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft. Das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine furchtbare, grauenerregende Härte."

Johannes XXIII. führte 30 Jahre nach dieser Feststellung die Kritik an der marktwirtschaftlichen Entwicklung fort: „Sie lieferte im Ergebnis die staatliche Gewalt der Selbstsucht der Mächtigeren aus und mündete im internationalen Finanzimperialismus." Ausgehend von dieser Kritik forderte er eine Neuordnung der Wirtschaft

Im selben Sinne kritisierte die Enzyklika „Po-pulorum progressio" 1967 herrschende industriewirtschaftliche Vorstellungen, „wonach der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht . . . darstellt" Davon weiß das CDU-Grundsatzprogramm nichts. Es möchte vielmehr für das Verständnis von sozialer Marktwirtschaft, das die CDU heute in der Bundesrepublik verwirklicht sieht, nichts Geringeres als das christliche Menschenbild zur Rechtfertigung anrufen.

Für uns bleibt festzustellen: Die Marktwirtschaft mag viele Vorzüge haben, sie ist aber nicht von Gott.

Aus alledem ergibt sich, daß es der CDU nicht gelungen ist, ihrem Programm die in Anspruch genommene religiöse Fundierung wirklich zu geben. Ebensowenig hat sie mit ihrer Berufung auf christliche Quellen dem Grundsatzprogramm einen hohen intellektuellen Rang zu verleihen vermocht. Es bleibt durchweg bei der bloßen Geste des Hinweisens und des Inanspruchnehmens. Weder im Programmtext noch in den Parteitagsdebatten finden sich Auseinandersetzungen mit anderen Denkrichtungen oder Ausführungen, denen theologischer Rang zuzusprechen wäre.

III. Die Grundwerte

Zunächst kann festgestellt werden, daß die begriffliche Füllung der Grundwerte „Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit" im Grundsatzprogramm der CDU im einzelnen eine Reihe bemerkenswerter Übereinstimmungen mit den Grundwertaussagen der Sozialdemokratie enthält, wie sie im Godesber-ger Programm von 1959 und im Orientierungsrahmen '85 aus dem Jahre 1975 entfaltet worden sind.

Zuzustimmen ist einem Freiheitsverständnis, das erkennt: „die Freiheit des anderen bedingt und begrenzt die eigene Freiheit" Entgegen einer langjährigen CDU-Tradition bekennt sich das Grundsatzprogramm nun dazu, daß ein ernst genommenes Freiheitsverständnis „soziale Gerechtigkeit" zur Voraussetzung hat, weil es wirkliche Freiheit ohne Erfüllung ihrer „materiellen Bedingungen" nicht geben kann

Übereinstimmung kann auch festgestellt werden, wenn die CDU Solidarität in der „sozialen Natur des Menschen" begründet sieht und daraus einen Anspruch des einzelnen auf „persönliche Zuwendung und Hilfe" ableitet Mit Befriedigung nehmen Sozialdemokraten zur Kenntnis, daß das Grundsatzprogramm entgegen der in den letzten beiden Jahrzehnten vorherrschenden Tendenz im christdemokratischen Lager nun klarstellt, daß durch das auf dem Gedanken der Solidarität begründete System der sozialen Sicherung „keine widerruflichen Almosen" verteilt werden Ein Sprung über den Schatten der eigenen Tradition, die in diesem Punkt bis in die allerjüngste Vergangenheit hineinreicht, ist auch die Aussage: „Die soziale Sicherung hat befriedigende und befreiende Wir-kung" Solche Bekenntnisse gilt es für die politischen Auseinandersetzungen um den Ausbau des Sozialstaates, die in den kommenden Jahren eine wachsende Rolle spielen werden, im öffentlichen Bewußtsein in lebendiger Erinnerung zu behalten.

Beim Grundwert Gerechtigkeit werden die Aussagen des Programms diffuser und vieldeutiger als bei den beiden zuvor genannten Grundwerten. Zuzustimmen ist jedoch auch hier noch dem Gedanken, daß Gerechtigkeit zumindest „gleiches Recht für alle“ bedeuten muß und ihre weitere Konkretisierung in Richtung auf eine Sicherung des gleichen Anspruchs aller Menschen auf „Würde und Freiheit" zu erfolgen hat.

Insoweit entspricht die inhaltliche Fassung der Grundwerte im CDU-Grundsatzprdgramm in etwa dem politischen Gestaltungsauftrag, wie er vom Grundgesetz, insbesondere in seinem Demokratie-und Sozialstaatsprinzip, verbindlich vorgegeben ist.

Mit der näheren Bestimmung der drei Grundwerte und ihrer wechselseitigen Gewichtung wird jedoch jene das gesamte Programm prägende, im schlechten Sinne konservative Weichenstellung vollzogen, bei der die vorgegebenen Verhältnisse in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nicht so sehr an den Grundwerten gemessen als vielmehr zu ihrer Definition herangezogen werden.

Eine der problematischen Folgen der Inanspruchnahme christlicher Grundlagen für das politische Programm ist eine Vermengung des religiösen mit dem gesellschaftlichen Aspekt der menschlichen Freiheit. Der Satz „Der Mensch ist frei" ist als solcher bereits theologisch und philosophisch heftig umstritten; immerhin kann er als moralisch-philosophische Aussage sinnvoll sein, wenn er die prinzipielle Freiheitsfähigkeit des Menschen zum Ausdruck bringen will. Als politische Feststellung legt dieselbe Aussage jedoch die ultrakonservative Schlußfolgerung nahe, seine Freiheit sei dem Menschen immer schon gegeben und von der Gestaltung der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse letztlich unabhängig. In diese Richtung zielt die polemische Zurückweisung, die Geißler in seiner Einbringungsrede dem Bekenntnis Willy Brandts zuteil werden ließ, der für die Sozialdemokratie festgestellt hatte, daß konkrete menschliche Freiheit immer auch „das Ergebnis gesellschaftlicher Leistung" sei Im Widerspruch zu dieser Kritik erklärt dann aber das CDU-Grundsatzprogramm in seinem zentralen Kapitel über die soziale Marktwirtschaft die Freiheit des Menschen nun seinerseits zum Ergebnis der gesellschaftlichen Einrichtung „Marktwirtschaft".

Diese Verwechslung unterläuft der CDU, wenn sie einen philosophischen Freiheitsbegriff zum Leitmotiv des Abschnitts macht, wo es ihr eigentlich um die Bestimmung der politischen Rolle der Freiheit zu tun ist. Dadurch erhält der Freiheitsbegriff des Programms einen verschärft konservativen Akzent. Die status-quo-orientierte Schlagseite des christdemokratischen Freiheitsbegriffs verstärkt sich dann weiter dadurch, daß ein unbestimmtes „persönliches Eigentum" als eine Bedingung für die Erweiterung des Freiheitsraums des einzelnen genannt wird, ohne den geringsten Differenzierungsversuch, ob hierbei an Gebrauchseigentum, an Ersparnisse oder an großes Produktionsmitteleigentum gedacht ist. Einen Hinweis auf die alle gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen seit einem Jahrhundert und auch die kirchlichen Verlautbarungen zur sozialen Frage beherrschende Grundproblematik, daß gerade die Verfügung über großes Produktionsmitteleigentum in besonderer Weise zu einer akuten Freiheitsbedrohung für die große Mehrheit der abhängig beschäftigten Menschen führen kann, findet sich bei der Erörterung des Freiheitsverständnisses der CDU bezeichnenderweise nicht. Während das Eigentum als eine Bedingung von Freiheitsverwirklichung in das Grundwerteverständnis des Programms Eingang gefunden hat, bleibt die CDU die Konsequenz aus ihrer eigenen Definition, wonach die Freiheit des einen die Freiheit des anderen, begrenzt und Freiheit auch in der „Arbeitswelt" gelten soll, schuldig. Es ist eine der Folgen des völligen Mangels an Geschichtsbewußtsein in diesem Grundsatzprogramm, wenn die grundlegende historische Tatsache einfach nicht zur Kenntnis genommen wird, daß die Geschichte der Herausbildung des modernen Sozialstaats, zu dem sich die CDU bekennt, die Geschichte der Begrenzung willkürlicher Verfügung über das Privateigentum an den großen Produktionsmitteln gewesen ist. Hier macht sich auch die unreflektierte und jede Rechenschaft schuldig bleibende Abwendung der CDU von den Programmen ihrer Gründerzeit bemerkbar, für die diese Erkenntnis noch grundlegend war.

Dieses Defizit ist vor allem deshalb so bedeutsam, weil andererseits die Warnung vor den freiheitsbedrohenden Folgen sowohl des demokratischen Sozialstaats (hier mehr indirekt) als auch des totalitären Staates schon im Grundwerteteil zur Sprache gebracht wird An dieser Stelle wird jene fundamentale Voreingenommenheit des Programms — zugunsten privater Mächte und gegen den öffentlichen Gestaltungsauftrag des Sozialstaats — zum ersten Male schlaglichtartig erkennbar, die eines der konservativen Leitthemen des gesamten Grundsatzprogramms ist. Privates Handeln und private Macht hat in den Augen der CDU stets die Gewißheit der Freiheits-und Gerechtigkeitsnähe auf seiner Seite, während die Bemühungen des Ausgleichs und der Sicherung durch den demokratischen Sozialstaat unter dem tiefsitzenden Verdacht der Unvernunft und der Freiheitsgefährdung stehen. Es scheint den Verfassern des CDU-Grundsatz-programms nicht aufgefallen zu sein, wie sehr sie mit dieser altliberalen Optik zu erkennen gegeben haben, daß sie. das gesellschaftliche Freiheitsproblem primär aus der Perspektive derjenigen Gruppe betrachten, die sich ihre Freiheit im gesellschaftlichen Raum immer schon selbst erobert hat.

Die CDU rückt ihren Solidaritätsbegriff — noch vor den Gerechtigkeitsbegriff — an die zweite Stelle der Grundwerte. Die Signalwirkung, die damit beabsichtigt ist, erhält einen überaus fragwürdigen Akzent, wenn man die Tendenz des christdemokratischen Solidaritätsverständnisses bloßlegt. Die Grundwerte erhalten ja durch die in ihren Grenzbestimmungen angelegte Dynamik ihren besonderen Sinn. Aufschlußreich für einen Vergleich des Grundwertegehalts der Parteien sind deshalb in besonderem Maße die Abgrenzung und die Zielrichtung, die diesen Begriffen, über die allgemeine Definition hinaus, verliehen werden. Während das sozialdemokratische Solidaritätsverständnis auf den Abbau von Ungleichheiten und Unfreiheiten angelegt ist und zu ihm verpflichtet, betont das CDU-Grundsatzprogramm gerade den Gegensatz hierzu als das Bezeichnende mit besonderem Nachdruck: „Das Gebot der Solidarität wird erst dann erfüllt, wenn es auch zwischen Machtungleichen und Interessengegnern gilt" Dieses Solidaritätsverständnis legt die Betonung auf die Duldung von Machtungleichheiten. Die damit gegebene Status-quo-Orientierung wird noch verstärkt, wenn die „Partnerschaft zwischen gegnerischen sozialen Kräften" als Modell für das Verständnis von Solidarität herangezogen wird. Auf diese Weise werden gegebene sozialökonomische Verhältnisse, die sich nach sozialdemokratischem Verständnis jederzeit gegenüber den Grundwerten zu rechtfertigen haben, von der CDU bereits in die Inhaltsbestimmung der Grundwerte hineingenommen. Der gesellschaftliche Status quo interpretiert die Grundwerte, statt sich von ihnen messen lassen zu müssen.

Eine drastische Reduktion gegenüber dem ersten Entwurf hat das Gerechtigkeitsverständnis des CDU-Grundsatzprogramms erfahren. Eine bezeichnende sprachliche Mehrdeutigkeit enthält bereits der erste Satz dieses Abschnitts: „Grundlage der Gerechtigkeit ist die Gleichheit aller Menschen in ihrer Würde und Freiheit, ohne Rücksicht auf Macht, Lei-stung oder Versagen des einzelnen." Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Ausdruck „Grundlage"? Ist damit eine immer schon gegebene Voraussetzung gemeint oder umgekehrt der Zustand, den es im Zeichen der Gerechtigkeit erst herzustellen gilt?

Nach langen innerparteilichen Auseinandersetzungen haben nun doch jene Kräfte in der CDU den Sieg davongetragen, die den Begriff der „Chancengleichheit" aus dem ersten Entwurf durch den Ausdruck „Chancengerechtigkeit" ersetzen wollten. Dabei verfängt sich der verabschiedete Text in Widersprüche. Einerseits wird erklärt: „Gerechtigkeit gibt jedem die gleiche Chance" Wenn Sprache noch einen Sinn hat, müßte dies zur Folge haben, Gerechtigkeit als Chancengleichheit zu definieren. Statt dessen wurde als Schlüsselbegriff der Ausdruck „Chancengerechtigkeit" gewählt der „jedem Menschen seine (!) Lebenschancen" geben will Wenn aber noch nicht einmal die Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen gleichgestellt sein sollen, so ist nicht mehr ersichtlich, welches der Maßstab für die Zuteilung der Chancen an die einzelnen Individuen sein soll. Dem Erfinden von Gründen für Chancenungleichheiten sind dann keine Grenzen mehr gesetzt. Damit wird ein Einfallstor für eine opportunistische Dosierung der zulässigen Ungleichheiten geschaffen, das den Gerechtigkeitsanspruch jeder Verbindlichkeit beraubt. Damit ist ein Begriff in das Zentrum des CDU-Grundsatzprogramms gerückt worden, der einer nach dem Motto „Jedem das Seine" verfahrenden ständischen Gesellschaftsauffassung Tür und Tor öffnet. Der Ausdruck „Chancengerechtigkeit" erfüllt in all seiner Unbestimmtheit die Funktion eines Abwehrinstrumentes gegen Bestrebungen zum Abbau der bestehenden Ungleichheiten in unserer Gesellschaft. Hanna-Renate Laurien, die sich den Kräften auf dem Programmparteitag vehement entgegenstellte, die „Chancengleichheit" wollten, hat sich zu dieser Zielrichtung bekannt: „Das Wort Chancengleichheit wird als Leitsignal in Sachen Gleichheit mißinterpretiert." Sie bestand darauf: „In der CDU, meine Damen und Herren, muß man nicht erst gleich werden, um Gerechtigkeit empfangen zu können" Der CDU ist es um eine Definition von Gerechtigkeit zu tun, die bestehende Ungleichheit möglichst unberührt läßt.

Gegen diese Programm gewordene Mehrheitsmeinung der CDU ist kaum ein treffenderer Einwand denkbar als der des CDU-Delegierten Wolfgang Vogt, der Frau Laurien entgegenhielt:

„Die Ergebnisse einer freien Gesellschaft können als gerecht nur akzeptiert werden — die Ergebnisse in einer freien Gesellschaft sind ungleiche Ergebnisse —, wenn sie auf der Voraussetzung der Chancengleichheit beruhen. Freiheit, die auf Privilegien basiert, ist eine Beschränkung der Freiheit derjenigen, die keine Privilegien haben. Wir sind aber für die Freiheit aller und deshalb für die Chancengleichheit . . . Chancengleichheit ist der Boden der Vielfalt und der pluralistischen Gesellschaft. Der Begriff der Chancengerechtigkeit ist viel anfälliger für Umformung in Nivellierung. Denn vorausgesetzt, Nivellierung wird für gerecht erklärt, müssen die Chancen so verteilt werden, daß die Ergebnisse gleich sind. Chancengerechtigkeit ist für Verschmutzungen anfälliger.“ Diesem Unterlegenen im CDU-Grundsatzstreit ist mit der Ergänzung zuzustimmen, daß „Chancengerechtigkeit“ natürlich noch viel anfälliger ist für eine Interpretation nach dem Motto: Begabung und Leistung setzen sich durch, also sind bestehende Ungleichheiten in Vermögen, Bildung, Einkommen und Ansehen der wahre Ausdruck von Gerechtigkeit. Mit diesem Begriff hat die CDU eine Gerechtigkeitsdefinition gesucht und gefunden, die gegenüber den erheblichen Ungleichheiten des Status quo keine verbindlichen Verpflichtungen mehr enthält.

IV. Kaum Ansätze einer gesellschaftlichen Problemanalyse

Mit Grundwerten allein ist keine Politik zu machen. Politische Gestaltungsfunktionen können sie erst gewinnen, wenn sie auf fundierte Analysen der gesellschaftlichen Probleme und Zusammenhänge bezogen werden. Erst im Zusammenwirken von Wirklichkeitserkenntnis und Wertbezug läßt sich eine zugleich realistische, zeitgerechte und grund-werteorientierte Politik formulieren. Aus Grundwerten läßt sich ein politisches Konzept nicht einfach ableiten. Für ihre Konkretisierung bedarf es der Verarbeitung geschichtlicher Erfahrungen und der aus unvoreingenommener Gesellschaftsanalyse abgeleiteten Erarbeitung alternativer Entwicklungsmöglichkeiten. Eine wie immer skizzenhafte Betrachtung der für die Gegenwart wichtigsten historischen Erfahrungen sucht man im CDU-Grundsatzprogramm jedoch ebenso vergeblich wie einen Ansatz zu einer ernsthaften gesellschaftlichen Problemanalyse.

Durch diesen Mangel bleibt den Grundwerten eine Gestaltungsfunktion versagt. Statt dessen werden sie kurzschlüssig mit der Wirklichkeit, wie sie ist, in eins gesetzt.

Nun wäre es noch kein unheilbarer Mängel, daß dem verhältnismäßig ausführlichen Grundwerteteil des Programms keine gründliche oder doch wenigstens skizzenhafte Analyse der Hauptprobleme der Gegenwart folgt, wenn wenigstens in den Fachkapiteln die Konturen und Ergebnisse einer solchen Analyse erkennbar wären. Mindestens dies hätte ein im Jahre 1978 verabschiedetes Grundsatzprogramm leisten müssen. Der Orientierungsrahmen '85 der SPD von 1975 hat dafür ein Beispiel gegeben. Auch davon kann jedoch kaum die Rede sein. Untersucht man einmal im einzelnen das Verständnis, welches das Grundsatzprogramm für die Hauptprobleme aufbringt, die über Parteigrenzen hinweg die deutsche und internationale öffentliche Diskussion des letzten Jahrzehnts bestimmt haben, so bleibt der Eindruck, die CDU lebt nach wie vor in einer heilen Welt, deren einziges ernsthaftes Problem darin besteht, daß ungute Kräfte am Werk sind, sie zu verderben. — Zur Frage nach dem wirtschaftlichen Wachstum und der Umweltbelastung ist im Programm immerhin noch einiges zu finden. Zwar wird die Notwendigkeit und auch die überkommene Art wirtschaftlichen Wachstums nicht in Frage gestellt oder relativiert, aber es finden sich einige Aussagen über das Erfordernis einer Abstimmung des Wachstums mit den ökologischen Bedingungen: „Wir treten dafür ein, daß Wirtschaftswachstum und technischer Fortschritt mit der Leistungsfähigkeit unserer natürlichen Lebensgrundlagen, mit Boden, Wasser, Luft und Landschaft in Einklang gebracht werden." Es ist die Rede von einem „qualitätsorientierten Wachstum" Zur Sicherung des ökologischen Gleichgewichts werden einige allgemeine Forderungen, aufgestellt wie „vorsorglicher Umgang mit Rohstoffen", „Eindämmung der Lärmbelästigung", „Schutz der Landschaft" u. ä. Die Formel, die das gewünschte Verhältnis von Wachstum und Umwelt dann umschreibt, ist indessen so dehnbar gehalten, daß sie keinerlei inhaltliche Ansatzpunkte enthält: „Wo Wachstum zu einer unvertretbaren Beeinträchtigung der natürlichen Umwelt führt, muß notfalls auf solches Wachstum und damit verbundene Einkommensmehrung verzichtet werden." Fragen wie die nach den Maßstäben und der Beeinflußbarkeit des Wachstums werden nicht gestellt.

— Verwendung und Ausbau von Kernenergie erscheinen in dem Programm nicht als Problem. Weder die vitalen Bürgerproteste der letzten Jahre, noch die Sicherheitsfragen, noch die Fragen der Umweltbelastung werden in diesem Zusammenhang erörtert. Das Programm stellt bündig fest: „Zur Bewältigung und zur Sicherung eines ausreichenden Energieangebots ist der Ausbau der Kernenergie erforderlich." Dem wird zwar hinzugefügt, daß sicherer Betrieb und sichere Entsorgung sowie Schutz von Leben und Ge-sundheit der Bürger zu gewährleisten seien — dies aber doch so, als werfe dies keinerlei grundsätzliche Probleme mehr auf. Die Dimension der Kernenergiefrage wird nicht ernsthaft zur Kenntnis genommen. — Im Abschnitt über die Soziale Marktwirtschaft wird, wie im einzelnen später zu zeigen sein wird, die deutsche und internationale Strukturkrise der Wirtschaft mit der Erklärung abgetan, nicht der Markt habe versagt, sondern Politiker, die versucht hätten, die Marktgesetze zu überspielen. Im Lichte einer solchen Problemanalyse erscheint damit das Auswechseln der führenden Politiker als ausreichende Lösung. — Im Abschnitt „Wohnen und Wohnumwelt" wird eines der Haupthindernisse für die Wiedergewinnung der Urbanität und Wirtlichkeit unserer Städte, das bestehende mangelhafte Bodenrecht, nicht einmal zur Sprache gebracht. Statt dessen wird die „Privatisierung von öffentlichem Wohnbesitz" gefordert, als wenn das Hauptproblem in einem Zuwenig an privatem Einfluß läge. — Im Bildungssektor sieht die CDU keine strukturellen Probleme. Als Hauptgefährdung erscheint vielmehr," daß in der letzten Zeit die Unterschiede der „Anlagen und Fähigkeiten" der Menschen nicht mehr ausreichend betont und berücksichtigt worden seien Im übrigen bleibt dieser Teil des Programms einerseits in übertrieben harmonistischen Vorstellungen, andererseits in ganz allgemeinen Forderungen stecken, die in dieser Form von niemandem bestritten werden dürften. Ein unreflektierter Leistungsbegriff regiert auch dieses Kapitel, ohne daß der geringste Versuch unternommen wird, wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, daß übertriebener Leistungsdruck sich in den vergangenen Jahren auf viele Kinder und Familien verheerend ausgewirkt hat und zu einer der schwersten Belastungen von Familien geworden ist. Das eigentliche Problem wird im Programm übergangen. — Das Verhältnis der Industrienationen zu den Ländern der Dritten Welt krankt nach Auffassung des Grundsatzprogramms in erster Linie daran, daß die Ideen der Sozialen Marktwirtschaft im Weltmaßstab noch nicht zum vollen Durchbruch gelangt sind. Der Ruf nach einer „internationalen sozialen Marktwirtschaft" und die Betonung des Rechts der Industrieländer zur Fortsetzung ihres Weges erscheint nach dieser Analyse als angemessenes Konzept.

— Im Kapitel „Arbeit und Freizeit" wird in wenigen flüchtigen Formulierungen das Problem der Humanisierung der Arbeitswelt ohne analytischen Tiefgang gestreift, während die Rolle der Unternehmer breit gewürdigt wird. Eine Problemanalyse findet sich ebensowenig wie der Umriß eines konkreten Programms.

— Die Probleme und Folgen des Extremistenbeschlusses der Ministerpräsidenten von 1972 werden in einer Weise ignoriert, die gespenstisch anmutet. So wird beispielsweise in dem Abschnitt über die Rolle der Jugend gesagt, daß der Staat „das Vertrauen und das Engagement der Jugend verdiene". Der Staat soll dieses Engagement fördern, statt durch Ausweitung seiner Zuständigkeiten und Überschätzung seiner Leistungsfähigkeit die Bereitschaft des einzelnen zu solidarischem und verantwortlichem Handeln zu erstik-ken" Statt auf die heute im Vordergrund der meisten politischen Diskussionen unter Jugendlichen stehende Verunsicherung durch die Handhabung des Extremistenbeschlusses einzugehen, die für viele von ihnen ein ernsthaftes Hindernis für ein eigenes politisches Engagement ist, wartet die CDU also selbst in diesem Zusammenhang nur mit ihrer stereotypen Warnung von den freiheitsbedrohenden Folgen des Sozialstaats auf. Hier deutet sich ein tiefer Zwiespalt im christdemokratischen Staatsverständnis an. Das Programm bringt dem Staat in allen seinen Sicherheitsfunktionen ein ebenso grenzenloses Vertrauen entgegen wie es ihm in allen sozialen Gestaltungsfunktionen mißtraut. Es gehört schon ein hohes Maß an Realitätsverlust dazu, gerade in einem Abschnitt über das politische Engagement Jugendlicher die Praxis des Extremistenbeschlusses mit Schweigen zu übergehen.

So unvollständig dieser Überblick über das Echo einiger der meistdiskutierten Probleme der Gegenwart im Grundsatzprogramm der CDU auch sein mag, so ist er doch ein Beleg dafür, daß es ernsthafte Probleme, die neue Mittel und Wege gebieten könnten, für das Programm in all diesen Bereichen nicht gibt. Seine Perspektivlosigkeit und Status-quo-Orientierung hängt mit diesem Verzicht auf Problemanalyse engstens zusammen. Daran liegt es auch, daß in den Fachkapiteln des Programms ein konkreter, wegweisender Grundwertebezug kaum festzustellen ist. Statt auf alternative Problemlösungsmöglich-keiten werden die Grundwerte daher in aller Regel unkritisch auf die bestehenden Strukturen bezogen, so als sei die Wirklichkeit selbst die beste aller möglichen Grundwerteverwirklichungen. Dieser Mangel an Problemanalyse folgt aus einem grundlegenden Mangel an Problembe-wußtsein. Weil aber die tatsächlichen Schwierigkeiten auch von der CDU nicht schlichtweg geleugnet werden können, tritt im Grundsatzprogramm an die Stelle der Suche nach Ursachen und Gründen allzu häufig die Jagd nach den Sündenböcken, welche die an sich heile Welt verdorben haben.

V. Zwiespältige Vorstellung von „Sozialer Marktwirtschaft"

Als Kernstück des Grundsatzprogramms kann das Kapitel „Soziale Marktwirtschaft" betrachtet werden. Hier vor allem hätte man eine gründliche Analyse der Zusammenhänge und Schwierigkeiten erwartet, die in der Bundesrepublik und weltweit jene gravierenden Probleme verursacht haben, vor denen wir seit einer Reihe von Jahren stehen. Statt dessen erfolgt eine pauschale Schuldzurechnung für all diese Probleme an die Adresse der politischen Führung:

„Politische Fehlentscheidungen führen zu Arbeitslosigkeit, Inflation und Stagnation. Auf jeden Schritt weg vom Weg der Sozialen Marktwirtschaft folgt die gesamtgesellschaftliche Quittung. Denn nicht unsere Wirtschafts-und Sozialordnung versagt, sondern die Politik, wenn sie die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verletzt."

Ein polemisch verengtes Verständnis von „Sozialer Marktwirtschaft"

Den Kernbereich dessen, was hier „Soziale Marktwirtschaft" genannt wird, siedelt das Programm außerhalb der Reichweite für kritische Analyse und Diskussion an. „Soziale Marktwirtschaft" erscheint in diesem Verständnis als ein Dogma, dessen unbegrenzte Problemlösungskapazität von vornherein außer jedem Zweifel steht. In der dem Parteitag vorgelegten Programmfassung hatte es mit Hinweis auf die Probleme der langfristigen Zukunftssicherung im Hinblick auf Umweltschutz, Energieversorgung, Landwirtschaft, Raumordnung und Verkehr noch geheißen, daß es Bereiche gibt, in denen „der Markt an seine Grenzen stößt". Diese Einschränkung ist vom Programmparteitag dann gestrichen worden. Das Programm zeichnet nun das Bild einer „Sozialen Marktwirtschaft", das in seinen Grundzügen einem altliberalen Marktglauben huldigt, der weder mit den heutigen Gegebenheiten noch gar mit den wirtschaftlichen Zukunftserfordernissen eine erkennbare Ähnlichkeit hat. Zwar ist es der Jungen Uni-on gelungen, gegen beträchtlichen Wider-stand auf dem Parteitag wenigstens eine Passage in den Text einzubringen, in der einige .der dringlichsten wirtschaftlichen Probleme zumindest andeutend genannt werden, z. B.

Fragen wie die „Aushöhlung des Wettbewerbs, der Konzentration von Einkommen und Vermögen, der Belastung der Umwelt sowie der Bewältigung des Strukturwandels und der Beschäftigungsrisiken" Dadurch hat sich aber weder an den Konsequenzen, die im Programm gezogen werden, noch an der Einschätzung der unbegrenzten Problemlösungskraft des Marktes selbst das geringste geändert. Immer ist es nur die „Soziale Marktwirtschaft" selbst, welche die Wunden auch heilt, die sie geschlagen hat: „Neue wirtschaftliche und soziale Bedingungen stellen neue Anforderungen an die Anpassungsund Leistungsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft." Oder: „Es gibt Bereiche, in denen die Ordnungspolitik der Sozialen Marktwirtschaft besonders herausgefordert ist."

Seinen Marktdogmatismus in all seiner erschreckenden Problemblindheit und Realitätsferne immunisiert das Grundsatzprogramm mit einer Argumentation besonderer Art. Der einleitende Satz des Abschnitts über die „Soziale Marktwirtschaft" lautet nämlich: „Die Soziale Marktwirtschaft hat ihr geistiges Fundament in der zum Menschenbild des Christen gehörenden Idee der verantworteten Freiheit." Damit wird die Marktwirtschaft nicht nur als die anthropologisch allein angemessene Wirtschaftsform für den auf Freiheit angelegten Menschen hingestellt, sondern zusätzlich noch unter den besonderen Schutz des christlichen Glaubens gestellt. Der Markt erscheint als eine unmittelbare institutionelle Konsequenz des christlichen Menschenbildes. Nirgends sonst im Programm stellt die CDU eine solche direkte Beziehung zwischen christlichem Menschenbild und ihren besonderen politischen Forderungen her. Mit dieser Weihung ist der Markt jeder kritischen Erörterung entzogen. Wer möchte schon das Christentum und die Idee der Freiheit gegen sich haben? Die Aussage: „Dem Bekenntnis zur Demokratie als Organisationsform des Staates entspricht das Bekenntnis zum Markt als Organisationsform der Wirtschaft" möchte in einer, gegenüber älteren Programmaussagen — etwa noch der Mannheimer Erklärung von 1975 —, etwas vorsichtigeren Form den Eindruck erwecken, als sei die Marktwirtschaft analog dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes ihrerseits eine Art Verfassungsgebot. Wenn dies so wäre, könnten wirtschaftliche Zweckmäßigkeitsüberlegungen bei der Diskussion der Marktwirtschaft und ihrer Probleme keine ausschlaggebende Rolle mehr spielen. Im Gegensatz hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Mitbestimmungsurteil vom l. März 1979 noch einmal verbindlich festgestellt, daß die Marktwirtschaft keinen Verfassungsrang beanspruchen kann.

Das ebenso naive wie dogmatische Marktverständnis der CDU wird vom Programm nicht nur für die Lösung unserer eigenen wirtschaftlichen Zukunftsprobleme — und darüber hinaus der Probleme der öffentlichen Verwaltung — angeboten, es soll auch noch das Patentrezept zur Überwindung des Ungleichgewichts zwischen der Dritten Welt und den Industrieländern sein.

Der Begriff „Soziale Marktwirtschaft" im CDU-Grundsatzprogramm ist in sich widersprüchlich und schillernd. Auf der einen Seite ist er darauf angelegt, die Logik des reinen Marktes auf der Basis des Privateigentums an den Produktionsmitteln als die ideale Lösung der wirtschaftlichen Koordinationsprobleme und der Frage der menschlichen Freiheit im Wirtschaftsleben erscheinen zu lassen. Insoweit reduziert sich dieser Begriff auf den frühliberalen Marktoptimismus. Zugleich wird unterstellt, ohne daß irgendeine Art von Begründung vorgestellt würde, daß die Logik der Marktkoordination nur möglich sei, wenn die Produktionsmittel in privater Hand sind. Der CDU-Begriff von „Sozialer Marktwirtschaft" richtet sich ausdrücklich gegen die „Vergesellschaftung von Produktionsmitteln" Damit wird er in einen Gegensatz zu den realen Wirtschaftssystemen in nahezu allen westlichen Industrieländern — einschließlich der Bundesrepublik — gebracht, da sie alle einen mehr oder weniger umfas-senden vergesellschafteten Sektor enthalten. Diese Realitätslosigkeit des CDU-Verständnisses von „Sozialer Marktwirtschaft" im Kerngehalt des Begriffs wird'auch dadurch deutlich, daß die wirtschaftliche Rolle des Staates — entgegen der in allen westlichen Industrienationen seit Jahrzehnten geübten Praxis, ohne die keine Marktwirtschaft funktionieren könnte — als eher äußerlich und verdächtig betrachtet wird. In diesem Sinne einer harmonistischen Überschätzung der Steuerungsfähigkeit des Marktes spielt der engere CDU-Begriff der Marktwirtschaft seine ideologisch überhöhte Schlüsselrolle im Grundsatzprogramm. Nur auf der Basis dieses engeren Begriffs von „Sozialer Marktwirtschaft" ist es möglich, die wirtschaftlichen Probleme der Gegenwart nicht den Defekten und Defiziten des Marktgeschehens anzulasten, sondern dem die Marktlogik verfälschenden Handeln staatlicher Instanzen

Bezeichnend für diesen frühliberalen Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft" im engeren Sinne ist es, daß unter den „grundlegenden Elementen einer marktwirtschaftlichen Ordnung" lediglich eine „staatliche Aufsicht", nicht aber die aktive gestaltende Rolle des Staates genannt wird. Das engere Verständnis der „Sozialen Marktwirtschaft" kennt nur den rechtsund rahmensichernden Nachtwächterstaat, nicht aber den aktiv korrigierenden und gestaltenden Staat, ohne den heute keine Marktwirtschaft mehr funktionieren würde. Bezeichnenderweise enthält dieser Katalog auch nicht die Mitbestimmung als „Element" der marktwirtschaftlichen Ordnung. In ihrem Kernverständnis stellt die „Soziale Marktwirtschaft" alsp nur die frühliberale Wirtschaftsverfassung dar.

Dieser Definition der „Sozialen Marktwirtschaft" im engeren Sinn folgt als Ergänzung eine sogenannte soziale Ordnungspolitik, die dem Marktgeschehen eine soziale Komponente hinzufügen soll. Der Katalog, der ihre Prinzipien umreißt, enthält unbestimmt bleibende Hinweise auf „sozialen Ausgleich” und „soziale Partnerschaft" Eine grundlegende wirtschaftsgestaltende Rolle des demokratischen Staates ist jedoch auch hier nicht vorgesehen. Das Grundsatzprogramm gibt in diesem Zusammenhang den Hinweis: „Die Leistungsgerechtigkeit des Marktes ist nicht identisch mit der sozialen Gerechtigkeit"

Dies wirft zunächst ein bezeichnendes Licht auf den Leistungsbegriff der CDU, denn of-fensichtlich werden die Ergebnisse der Marktwirtschaft zwar nicht als sozial gerecht, aber doch als den eingebrachten Leistungen der einzelnen angemessen und entsprechend erachtet.

Die Ergebnisse der Marktwirtschaft sind demnach leistungsgerecht, wenn auch nicht in jeder Hinsicht sozial akzeptabel. Nun genügt ein einziger Blick auf die Eigentums-und Einkommensstrukturen in der Bundesrepublik, um die Absurdität einer solchen Behauptung zu erweisen, es sei denn, Leistung wird einfach mit Durchsetzungsvermögen gleichgesetzt. Diese erheblichen Ungleichheiten resultieren nun keineswegs in erster Linie aus individuellen Leistungen, sondern aus ungleichen Startvoraussetzungen und privilegierten wirtschaftlichen Positionen, über diese verliert das Grundsatzprogramm im vorliegenden Zusammenhang kein Wort. Der Markt, den es meint, hat in der Wirklichkeit keine Entsprechung.

Privates Eigentum und Wettbewerb gelten als Grundpfeiler der Marktwirtschaftsordnung. Gefahren der unkontrollierten Verfügung über großes Produktionsmitteleigentum, auf die das Bundesverfassungsgericht in seinem Mitbestimmungsurteil vom l. März 1979 unter dem Gesichtspunkt der erhöhten Sozialpflichtigkeit des Eigentums an Produktionsmitteln deutlich hingewiesen hat, sieht das Grundsatzprogramm nicht. Es macht auch keine Andeutung, durch welche Maßnahmen die CDU den Wettbewerb in den vielen Wirtschaftsbereichen zu sichern oder wiederherzustellen gedenkt, wo er nur noch in Kümmerform oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist.

Den dogmatischen, realitätsfremden Kern dieses engeren Verständnisses von „Sozialer Marktwirtschaft" offenbarte die Debatte auf dem Programmparteitag über die Rolle des Staates bei der Wiedererlangung der Vollbeschäftigung, die eine der härtesten und kennzeichnendsten Auseinandersetzungen des gesamten Programmparteitages war. Die Sozialausschüsse wollten, daß es im Grundsatzprogramm heißt: „Zur Erreichung der Vollbeschäftigung müssen alle geeigneten Mittel ausgeschöpft werden. Soweit dieses Ziel durch eine Förderung des wirtschaftlichen Wachstums nicht erreicht werden kann, bedarf es arbeitsverkürzender Maßnahmen in vielfältiger Form." Weil damit Skepsis gegenüber den Selbstheilungskräften des Marktes zum Ausdruck gebracht und staatlichem Handeln in dieser wirtschaftlichen Kernfrage eine Schlüsselrolle zugesprochen worden wäre, entbrannte über diesen harmlosen Antrag eine große ordnungspolitische Debatte, die in dem Vorwurf gipfelte: „Solche Anträge, die insbesondere mit dem Rückhalt des Staates versuchen, der Probleme Herr zu werden, stehen nicht in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft." Kurt Biedenkopf und andere Vertreter des Wirtschaftsflügels wollten es nicht hinnehmen, daß der dogmatische Marktoptimismus des Programms dadurch getrübt wird, daß bei einer entscheidenden Frage nicht der Markt, sondern der Staat Probleme lösen soll. In das Programm aufgenommen wurde dann eine Kompromißformel, die zu nichts mehr verpflichtet und den dogmatischen Marktoptimismus nicht antastet: „Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung müssen in Einklang stehen mit dem wirtschaftlichen Wachstum und der Vollbeschäftigung."

In seinem engeren Begriff „Soziale Marktwirtschaft" kennt das CDU-Grundsatzprogramm eine tragende wirtschaftliche Rolle des Staates ebensowenig wie wirtschaftsdemokratische Elemente. Der Markt allein erscheint zugleich als perfekter Wirtschaftsorganisator und als Demokratieersatz. Dieses engere Verständnis von „Sozialer Marktwirtschaft" ist das 'ideologische Herzstück des Grundsatz-programms und begründet seine Selbstgewißheit. In dieser Form spielt es seine Rolle als Abwehrwaffe gegen jeden Versuch, die Handlungsmöglichkeit des Staates für eine zweckgerechte Wahrnehmung seiner tatsächlichen umfassenden Verantwortung in der Wirtschaft zu verbessern, ja überhaupt erst einmal realistisch darzustellen.

Eine pragmatische Öffnung im Begriff „Soziale Marktwirtschaft“

Nun verwendet das Grundsatzprogramm in einem widersprüchlichen und ungeklärten Verhältnis zum engeren Begriff auch einen erweiterten Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft", um die schließlich nicht zu leugnende staatliche Verantwortung für die Wirtschaftsentwicklung in den Griff zu bekommen: „Die staatliche Wirtschaftspolitik muß den Strukturwandel fördern und darf keine veralteten Strukturen künstlich bewahren." „Der Staat hat die Aufgabe, diese Bereiche (Umweltschutz, Landwirtschaft, Energieversorgung, Raumordnung und Verkehr) durch die Aufstellung von Rahmendaten und notfalls durch Gebote und Verbote so zu ordnen, daß die im allgemeinen Interesse gebotenen Ziele auch tatsächlich erreicht werden." Im Nachhinein wird auch eingeräumt, daß eine Marktwirtschaft ohne staatliche Korrekturen und Steuerung überhaupt nicht mehr funktionsfähig wäre: „Daher bedarf es der Korrektur und Ergänzung des Marktes durch Leistungen des Staates und gesellschaftlicher Gruppen in Bereichen, in denen der Markt nur unzureichend oder gar nicht wirksam sein kann.“ Der erweiterte Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ zählt staatliches Wirtschaftshandeln nun zu den Funktionsbedingungen moderner Wirtschaftsordnungen überhaupt. Nachdem für den ideologischen Gebrauch der engere Begriff von „Sozialer Marktwirtschaft" erst einmal in Abwehr gegen die staatlichen Gestaltungsfunktionen festgelegt ist, wird nachträglich angedeutet, daß der Staat durch vielfältige Korrekturen und Ergänzungen Leistungen zu erbringen habe, angesichts derer der Markt als Koordinationsprinzip versagt. Diese Funktion des Staates wird dann aber an anderen Stellen des Programms demselben Staat auch wieder nach Bedarf als Übertretung seiner Kompetenzen und Behinderung der marktwirtschaftlichen Selbstheilungskräfte entgegengehalten. Für besondere Anlässe und zur pragmatischen Verwendung hält das Grundsatzprogramm einenerweiterten Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft" bereit, dem die elementaren Korrektur-, Ergänzungs-und Gestaltungsfunktionen geläufig sind, die der Staat in unserer Wirtschaftsordnung dem vielfältig versagenden Markt gegenüber zu erfüllen hat. Für ideologische Zwecke und um eine Erweiterung der Instrumente des Staates zur zweckgerechten Erfüllung der damit verbundenen Aufgaben zu verhindern, fungiert jedoch der das Programm beherrschende engere Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft", demzufolge der Markt die Wunden, die er geschlagen hat, stets auch selbst wieder heilt. Das Verwirrspiel mit diesen beiden Begriffen verhindert, daß das Grundsatzprogramm zu einem geklärten und tragfähigen Verständnis des Verhältnisses von Markt und Lenkung, von Wirtschaft und Staat vorstößt. Je nach Nützlichkeitsgesichtspunkten kann entweder mit dem engeren oder mit dem erweiterten Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft" operiert werden, so daß ein scheuklappenfreies Verständnis der Funktionen und Probleme des Wirtschaftsprozesses verhindert wird. In ihren Kampfbegriff „Soziale Marktwirtschäft" möchte die CDU die konstitutive Rolle des Staates nicht aufnehmen, eine Rolle, die sie bei Bedarf aber doch in Anspruch nimmt.

Die Überlegungen, die in der Phase des Aufbaus der Bundesrepublik zum Konzept der „Sozialen Marktwirtschaft" führten, zielten darauf ab, das liberale Prinzip der Marktwirtschaft mit dem sozialen des gerechten Ausgleichs durch Sozialpolitik zu verbinden. Die Schwierigkeit dieses Konzepts liegt in der genauen theoretischen Zuordnung beider Elemente, konkret in der Frage, wieweit staatliches Handeln in den Wirtschaftsablauf eingreifen darf. Die Antwort auf diese Frage ist heute wichtiger denn je, da eine Reihe ökonomischer Schwierigkeiten das Vertrauen in die Kraft der Selbstregulierungsmechanismen des Marktes beeinträchtigt haben. Es geht heute — bei einmütiger Bejahung des Marktes — nicht mehr nur darum, daß staatliches Handeln die traditionellen Rahmenbedingungen des Marktes sichern muß (Rechtssicherheit, Wettbewerbssicherung gegen Konzentration, außenwirtschaftliche Absicherung), sondern daß ihm auch Aufgaben der Global-und Regionalplanung, der Beeinflussung des Arbeitsmarktes, der Weichenstellungen für die technologische Entwicklung, der ökologischen Dimension ökonomischer Entscheidungen u. a. m. zufallen. Die neuen Anforderungen, die diese Aufgabenerweiterung des Staates provozieren, nennt das CDU-Programm selbst: u. a. „Belastung der Umwelt sowie Bewältigung des Strukturwandels und der Beschäftigungsrisiken" Warum die CDU zu den „neuen" Anforderungen auch die „Aushöhlung des Wettbewerbs" und die „Konzentration von Einkommen und Vermögen" zählt, ist allerdings unverständlich — zählen sie doch wahrhaftig zu den uralten Problemen der Marktwirtschaft.

Nun hat bisher niemand den Stein der Weisen für die Bewältigung der genannten Schwierigkeiten gefunden. Völlig unzureichend, irreführend und unfruchtbar bleibt das Programm der CDU in diesem Punkt jedoch deshalb, weil es erstens keinerlei neue Wege andeutet, die hier eingeschlagen werden könnten, und weil es zweitens den möglichen Weg planender und vorausschauend regulierender staatlicher Wirtschaftspolitik verbaut, indem es — unausgewiesen und fast nebenbei — allein falsches staatliches Handeln für wirtschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich macht. („Politische Fehlentscheidungen führen zu Arbeitslosigkeit, Inflation und Stagnation. Auf jeden Schritt weg vom Weg der Sozialen Marktwirtschaft folgt die gesamtwirtschaftliche Quittung. Denn nicht un-sere Wirtschafts-und Sozialordnung versagt, sondern die Politik, wenn sie die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zu überspielen versucht." Kann die CDU im Ernst behaupten, daß Arbeitslosigkeit, Inflation und Stagnation keine Ursachen im Funktionsmechanismus des Marktes selbst haben? Und ist jeder staatliche Eingriff (Globalplanung, Regionalplanung, Strukturpolitik usw.) bereits ein „Schritt weg vom Weg der Sozialen Marktwirtschaft"? Heißt dies nicht den Rückmarsch in eine uraltliberale Marktwirtschaft blasen?

Die Marktwirtschaft kann auch an einem bornierten Laisser-faire-Liberalismus zugrunde gehen. Zukunft hat sie wohl nur, wenn die Verknüpfung von eigenständigem Marktgeschehen und staatlicher Einwirkung undogmatisch, schöpferisch und selbstkritisch fortentwickelt und nicht durch leere Orthodoxieformeln unterbunden wird. Das CDU-Programm weist hier keinen Weg in die Zukunft.

VI. Staat und Gesellschaft

Auch das Verhältnis von Staat und Gesellschaft im CDU-Grundsatzprogramm wird von einem altliberalen Vorurteil beherrscht, das sich in einer Zeit herausgebildet hatte, als sich die selbständigen Wirtschaftsbürger von einem vordemokratischen Staat in ihrer Handlungsfreiheit bedroht sahen. Durchweg hat das Programm die Tendenz, jegliches privates Handeln, selbst wenn Dritte davon in problematischer Weise betroffen sind, als in sich gerechtfertigt erscheinen zu lassen und jede über Ordnungs-und Außenpolitik hinausgehende Form öffentlicher Verantwortung und Aufgabenerfüllung als in sich problematisch und im Prinzip ungerechtfertigt. Der Staat — und eben auch der demokratische Sozialstaat der Bundesrepublik, um den es ja in dem Programm geht — erscheint in all seinen dienstleistenden und gestaltenden Funktionen als fragwürdig, bedrohlich ünd problematisch, jederzeit in abgrenzenden Begriffen dargestellt. Private Beziehungen hingegen erscheinen allein aufgrund ihres privaten Charakters als das im Prinzip Unproblematische, durch sich selber Gerechtfertigte. Diese Voreingenommenheit zugunsten des Privatbereichs ist um so fragwürdiger, als der Begriff des Privaten mehrdeutig ist. Er bezeichnet einerseits den Bereich der privaten Lebensführung. Für diesen Bereich kann zu Recht die Auffassung vertreten werden, daß ein Minimum an öffentlicher Einmischung die beste Lösung ist. Er bezeichnet aber auch, wie etwa im Falle der Ausbildung und der Wirtschaft, Beziehungen, in denen Private Verfügungsrechte über andere Personen wahrneh-

men. In Verhältnissen dieser Art kommt es jeweils sehr darauf an, ob für die Betroffenen und die Gesellschaft als Ganzes die öffentliche Kontrolle oder die private Regelung das grö-ßere Maß an Freiheit und Gerechtigkeit verwirklichen. Eine solche Differenzierung bleibt dem christdemokratischen Grundsatzprogramm bezeichnenderweise fremd. Dies kommt in den Resultaten einer Parteinahme für die Gruppen gleich, die innerhalb der privaten gesellschaftlichen Beziehungen eine Vormachtstellung behaupten. Diese Voreingenommenheit durchzieht das gesamte Kapitel über den Staat. Es ist, als ob die CDU ihrem eigenen Bekenntnis, wonach der demokratische Staat die gemeinsame Sache seiner Bürger ist, immer nur dann über den Weg traut, wenn Ordnungs-und Sicherheitsbelange zur Diskussion stehen, und immer dann mißtraut, wenn es um wirtschaftliche und soziale Gestaltungsfunktionen geht. Das Staatsverständnis des Grundsatzprogramms ist auf diese Weise von einem tiefen Zwiespalt durchzogen. Dem sichernden Staat wird ebenso rückhaltlos vertraut wie dem gestaltenden Staat grundsätzlich mißtraut wird. Bedenkt man nun, daß der bloß sichernde Staat zunächst jeweils der Garant des sozialökonomischen Status quo ist, während der gestaltende Staat dessen Korrektur oder Veränderung im Sinne öffentlich anerkannter Normen und im Auftrag von Bevölkerungsmehrheiten betreibt, so wird die konservative Bindung eines solchen gespaltenen Staatsverständnisses sichtbar. Dieses wird unter anderem darin deutlich, daß im Hinblick auf die Uberprüfungspraxis von Bewerbern für den öffentlichen Dienst im Grundsatzprogramm überhaupt keine Probleme gesehen werden. Das Programm verlangt einen starken Staat dem sogar zu-gemutet wird, „die Sozialpflichtigkeit aller gesellschaftlichen Kräfte zu gewährleisten" Auf der anderen Seite wird derselbe demokratische Staat in all seinen sozialstaatlichen und gestaltenden Funktionen unentwegt mit Mißtrauen betrachtet. Grundsätzlich wird die Übernahme neuer Aufgaben durch den Staat — ohne Einzelanalyse, wodurch sie bedingt sind, was sie bedeuten, wem sie zugute kommen, und wie sie wahrgenommen werden können — als eine Bedrohung der Freiheit dargestellt. Hier wird das mit der Position der sozial starken Gruppen verbundene Vorurteil des Programms sichtbar, demzufolge Freiheit das im gesellschaftlichen Raum immer schon Gegebene ist, das eigentlich erst durch staatliche Regelungsansprüche bedroht werden kann: „Wir wollen die Freiräume des Bürgers erweitern und verhindern, daß der Staat diese Freiräume immer weiter beschneidet, daß er immer mehr Aufgaben an sich zieht und schließlich zum totalen Staat wird." Mit der Pauschalität dieser Behauptung, der die Übernahme neuer staatlicher Aufgaben generell als Freiheitsbedrohung erscheint, setzt sich das Programm im übrigen in einen direkten Widerspruch zu dem Bekenntnis seines Grundwerteteils, das der Sozialpolitik eine „befreiende Wirkung" zugesteht.

Infolge seines zwiespältigen Staatsverständnisses kann das Grundsatzprogramm auch keine schlüssige Antwort auf die Frage nach dem Sozialstaat geben. Sobald im Anschluß an die abstrakten Bekenntnisse zur Sozialpolitik die konkrete Rolle des Sozialstaates zur Sprache kommt, überwiegen die abgrenzenden, warnenden und negativen Formulierungen. So wird die Übernahme von Dienstleistungen durch den Staat — von denen das Programm zwei Abschnitte zuvor selbst eingeräumt hatte, daß sie unerläßlich sind, da der Markt sie nicht zu erbringen imstande ist — dennoch bloß abwehrend und negativ dargestellt: „Noch schwerer wiegt, daß dem Staat auf diese Weise wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht zuwächst, die zu einer zunehmenden Abhängigkeit des einzelnen von staatlichen und öffentlichen Einrichtungen und damit zu einer Abnahme individueller Freiheit führt. Dadurch wird die Möglichkeit des Bürgers, diesen Staat politisch noch wirksam zu kontrollieren, eingeengt." Immer wieder vergißt das Programm seine im Grundwerteteil 'formulierte Einsicht, daß für die Mehrheit der Bürger die staatlichen Leistungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet überhaupt erst einmal die Sicherung ihrer materiellen Freiheitsvoraussetzungen bedeuten, weil diese Leistungen für sie zuvor eben nicht von privater Seite, unter Bedingungen größerer Freiheit, sondern gar nicht erbracht worden sind. Dasselbe gilt für die staatlichen Regelungen des Arbeitsverhältnisses, die für die übergroße Mehrheit der Bürger die Befreiung von solchen privaten Mächten bedeuteten, deren Willen sie zuvor schutzlos ausgeliefert waren. Feststellungen der zitierten Art sind in ihrer Pauschalität ungewollt informativ, weil sie im Ernst nur für gesellschaftlich privilegierte Gruppen zutreffen.

Auf einem anderen, freilich höchst bedeutsamen Blatt steht die Frage der Uberbürokrati-sierung staatlicher Leistungen, aber darum geht es hier nicht. Sozialdemokraten können der Feststellung des CDU-Grundsatzprogramms ohne Vorbehalte zustimmen, daß der Sozialstaat so ausgestaltet werden muß, daß die Menschen nicht „zum Objekt bevormundender Verwaltung" werden Aber dies ist nicht ein Problem der Übernahme staatlicher Aufgaben überhaupt, sondern ihrer Organisation.

Mit seiner Voreingenommenheit für Privatverhältnisse und seinem zwiespältigen Staatsbegriff erweist sich das CDU-Grundsatzprogramm dadurch als ein klassisch konservativer Text, daß es schon vom Denkansatz her für die gesicherten gesellschaftlichen Machtpositionen Partei ergreift.

VII. Weitere Schlüsselbegriffe des Programms: „Leistung", „Neue Soziale Frage“ und „vorbeugende Sozialpolitik"

„Leistung"

Eines der charakteristischen Leitmotive des Grundsatzprogramms ist der Begriff der „Leistung". Er spielt bereits bei der Definition der Grundwerte an mehreren Stellen eine Rolle und beansprucht in allen Fachkapiteln des Programms einen prominenten Platz. Eine Klärung, Definition oder gar Problematisierung dieses Begriffs sucht man im gesamten Programm vergebens. Außer einer relativierenden Bemerkung im Zusammenhang der Definition des Freiheitsbegriffs („Seine Würde und sein Recht hat der Mensch vor jeder Leistung") erscheint dieser Begriff im gesamten übrigen Programmtext in einer übersteigerten, uneingeschränkt positiven Träger-rolle. Da heißt es, Leistung sei ein „gerechter Maßstab beruflicher und gesellschaftlicher Qualifikation" sie sei der Grundmaßstab der „Sozialen Marktwirtschaft", und im Bildungsabschnitt erscheint sie als die Schlüsselkategorie aller Bestrebungen

Welch fragwürdiges Verständnis von Lei-stung all dem zugrunde liegt, zeigen zwei aufschlußreiche Passagen des Programms. Unter den Stichworten „Menschlichkeit, Lei-stung, Solidarität" wird im Zusammenhang der Bestimmung der Bildungsziele die Behauptung aufgestellt, die Erbringung von Lei-stung sei in sich selbst schon ein Ausdruck von Solidarität. Das Bildungswesen „muß die Einsicht vermitteln, daß der Einsatz des Stärkeren die Hilfe für den Schwächeren ermöglicht. Damit wird Leistung zugleich zum Ausdruck der Solidarität" Diese seltsame Auffassung sieht nicht die Hilfe für den Schwachen, sondern die Leistung, die sie gegebenenfalls ermöglicht, als hinreichenden Ausdruck der Solidarität.

Da aber Leistung nirgendwo definiert wird, liegt dem ganzen Leistungskonzept unausgesprochen der Gedanke zugrunde, daß Lei-stung eben am tatsächlichen Erfolg gemessen ist. Dieser Gedanke wird an einer zentralen Stelle des Programms dann auch unumwunden zum Ausdruck gebracht. Im Wirtschaftskapitel findet sich der Satz: „Die Leistungsgerechtigkeit des Marktes ist nicht identisch mit der sozialen Gerechtigkeit." Damit wird, neben dem zustimmungsfähigen Gedanken einer sozialen Korrektur der Marktergebnisse, zugleich die überaus problematische Behauptung aufgestellt, die Marktergebnisse seien aber immerhin „leistungsgerecht".

Schon ein flüchtiger Blick auf die Ursachen der teilweise krassen Vermögensund Ein-

kommensunterschiede in der Bundesrepublik lehrt hingegen, daß sie zu einem sehr erheblichen Teil auf ungleichen Startvoraussetzungen sowie Markt-oder Verbandsmachtpositionen beruhen, die mit persönlicher Leistung in keinem Sinne des Wortes zureichend erklärt sind. Indem er die Marktergebnisse, entgegen der Realität, als Ausdruck der individuellen Leistungsdifferenzierung erscheinen lassen will, gibt der Leistungsbegriff der CDU ungewollt seine eigentliche Zielrichtung zu erkennen: Er will die bestehenden Vermögens- und Einkommensunterschiede als leistungsgerecht verklären.

„Neue Soziale Frage“

Von der „Neuen Sozialen Frage" behauptet die CDU in ihrem Grundsatzprogramm, sie selbst sei die erste politische Kraft, die sie gestellt habe Sie verschweigt, daß die mit der „Neuen Sozialen Frage" verbundene Erkenntnis, wonach nichtorganisierte Interessen in unserem Gesellschaftssystem geringere Chancen der Berücksichtigung haben als die großen, mit dem Produktionssektor verbundenen, organisierten Interessen, aus der amerikanischen Diskussion der sechziger Jahre entlehnt ist. In Deutschland wurde er Ende der sechziger Jahre zuerst von linkssozialistischen Sozialwissenschaftlern mit der Zielrichtung einer grundlegenden Systemkritik in die Diskussion eingebracht. Die Folgerung, die diese Kritik damals aus der Feststellung der dauernden und systembedingten Vernachlässigung nichtorganisierter Interessen durch die staatliche Sozialund Gesell-Schaftspolitik gezogen hat, bestand in der Forderung, die gegenwärtig vorherrschenden sozialökonomischen Strukturen und die For-men der politischen Willens-und Entscheidungsbildung zu verändern, damit eine gleichgewichtige Bedürfnisberücksichtigung möglich wird.

Die Sozialdemokratie hatte das eigentliche Problem bereits im Godesberger Programm von 1959 und dann deutlicher im „Orientierungsrahmen" von 1975 zur Sprache gebracht und eine Antwort auf diese „Neue Soziale Frage" gegeben: „Die Verbände, in denen sich die Menschen der verschiedenen Gruppen und Schichten zu gemeinsamen Zwecken zusammenschließen, sind notwendige Einrichtungen der modernen Gesellschaft. Sie müssen eine demokratische Ordnung haben. Je machtvoller sie sind, desto größer ist ihre Verantwortung, aber auch die Gefahr des Machtmißbrauchs. Die Parlamente, die Ver-waltung und die Rechtssprechung dürfen nicht unter den einseitigen Einfluß von Interessenvertretungen fallen." Der Orientierungsrahmen ‘ 85 setzt der Vorstellung, wonach nur die organisierten Interessengruppen zum Zuge kommen, das Versprechen entgegen: „Vielmehr entwickeln die großen politischen Parteien, und insbesondere die Sozialdemokratie, auf der Grundlage von Überzeugungen und Interessen, auf die sie sich stützen und die sie zu mobilisieren suchen, alternati-ve Konzepte vom Gemeinwohl oder Gesamtinteresse der Gesellschaft.“ An dieses Versprechen hat sich die Sozialdemokratie gehalten. Sie hat nicht nur in ihren Programmen an jene Gruppen und gesellschaftlichen Interessen gedacht, die keine machtvollen Interessenverbände auf ihrer Seite haben. Seit die sozialliberale Koalition besteht, hat sie dafür gesorgt, daß diese Gruppen durch ihre Reformpolitik in besonderem Maße begünstigt worden sind — mehr als jemals zuvor in der deutschen Geschichte.

Neu im CDU-Grundsatzprogramm ist nicht die Erkenntnis des Problems, sondern allen-falls seine werbewirksame Benennung. Stellt man an das Programm nun die naheliegende Frage, welche Antwort auf die „Neue Soziale Frage" denn gegeben wird, so ist zuerst die — angesichts der im Programm vorherrschenden Skepsis gegenüber dem Sozialstaat erstaunliche — Feststellung zu treffen, daß die naheliegende Antwort vermieden wird. Die CDU fordert die schwach organisierten Gruppen nämlich nicht auf, sich besser zu organisieren, um damit die Durchsetzung der eigenen Interessen selbst in die Hand nehmen zu können. Die Berücksichtigung dieser Interessen wird vielmehr ohne Zögern einfach an denselben Staat delegiert, von dem an anderer Stelle dann wieder geklagt wird, daß er durch Wahrnehmung immer neuer Aufgaben die Freiheit der Bürger einenge. Für fast alle mit der „Neuen Sozialen Frage" angesprochenen Gruppen -— wie Behinderte; alte Menschen, Vertriebene, ausländische Arbeitnehmer, Kranke, Hausfrauen — bleibt das Programm konkrete Antworten auf seine aufwendig gestellte Frage schuldig. Eine Ausnahme ist nur der Vorschlag einer Partnerrente. Die Frage zu stellen, ist sicherlich verdienstvoll. Im Grundsatzprogramm einer politischen Partei hätte man aber auch gerne einige Antworten gelesen. „Vorbeugende Sozialpolitik"

Einer der erfreulichen neuen Aspekte des Grundsatzprogramms ist der Vorschlag, in Zukunft Sozialpolitik weniger als nachträgliche Heilung gesellschaftlich angerichteter Schäden zu verstehen und mehr zu einer vorbeugenden Sozialpolitik überzugehen. Einen solchen Vorschlag hat die Grundwertekommission der SPD vor kurzem selbst vorgelegt. Sie stimmt daher dem Urteil des CDU-Grundsatzprogramms mit Genugtuung zu, in dem es heißt: „Es ist besser, die Entstehung sozialer Übel zu verhindern, als sie nachträglich zu beseitigen. Deshalb müssen bereits in den Planungen die wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkte berücksichtigt werden." Diese Forderung wird konkretisiert:

„Es ist humaner und wirtschaftlicher, — den Familien die Erfüllung ihrer Erziehungsaufgaben zu ermöglichen, als teure Einrichtungen zur Heilung von Schäden aus unzureichender Betreuung zu finanzieren, — Unfälle zu verhüten, als ihre Folgen zu lindern, — die, Gesundheit zu erhalten, als Krankheiten zu bekämpfen, — der Entstehung von Armut vorzubeugen, als Arme zu unterstützen."

Wir stimmen dieser Einsicht ohne Einschränkungen zu und werden mit großem Interesse den praktischen Vorschlägen zur Veränderung unserer gesellschaftlichen Lebensverhältnisse entgegensehen, die die CDU daraus ableiten wird.

Mangel an Konsequenz Ein wichtiges Beispiel dafür, wie anspruchsvoll formulierte Grundsätze in den Fachkapiteln des Programms dann verlorengehen, ist die Unternehmensmitbestimmung.

Im Grundwerteteil ist noch davon die Rede, daß der Bürger Freiheit auch in der Arbeitswelt erfahren soll. Zwar vermeidet das Programm von vornherein die sich hieraus eigentlich ergebende Konsequenz, zum Zwecke der Verwirklichung dieses Grundsatzes eine Demokratisierung der Wirtschaft zu fordern, denn es erklärt den Markt als die wirtschaftliche Entsprechung zur Freiheitssicherung durch die Demokratie im Staate. Immerhin wird „soziale Partnerschaft" und „Mitbestimmung“ als Ergänzung des Wirtschaftskonzepts der Sozialen Marktwirtschaft verlangt In einem krassen Gegensatz zu der Breite und Häufigkeit, mit der das Privateigentum als Garant der Freiheit im Programm immer wieder zur Sprache gebracht wird, findet sich die Mitbestimmung in einer deutlichen Nebenrolle gegenüber den eigentlichen Grundsätzen der „Sozialen Marktwirtschaft". Lediglich in einem siebenzeiligen Abschnitt wird auf die Hamburger Parteitagsbeschlüsse zur Mitbestimmungsfrage von 1973 verwiesen. Im Programm selbst, das mit Platz ansonsten nicht spart, finden sich keinerlei Grundsätze über die von der CDU gewollte Gestalt der Mitbestimmung. Und selbst die Hamburger Beschlüsse von 1973 werden nicht als verbindlich, sondern lediglich als eine Grundlage für das neue Unternehmensrecht deklariert, das im Grundsatzprogramm selbst gefordert wird. Der Ausdruck „Parität" im Zusammenhang mit der Mitbestimmungsforderung findet sich im Text des Grundsatz-programms nicht.

Der im Anhang abgedruckte Hamburger Mitbestimmungsbeschluß von 1973 enthält zunächst den — für Sozialdemokraten begrüßenswerten — Gedanken, das „neue Unternehmensrecht" solle „den im Unternehmen arbeitenden Menschen als Mitglied des Sozialverbandes Unternehmen behandeln und nicht wie bisher nur als außenstehenden, der unter Vertrag genommen wird". Dies soll „auf der Grundlage der Parität" „von Arbeitnehmern, Kapitaleignern und Unternehmensleitung geschehen". Dabei soll der „ordnungspolitische Zusammenhang von Koalitionsfreiheit, Privateigentum und Unternehmensautonomie im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft" gesichert werden. Mit diesen Richtlinien ist, entgegen dem ersten Anschein, eine volle Parität zwischen Arbeitnehmer und Anteilseignervertreter gerade ausgeschlossen.

Denn wenn eine „Parität" zwischen Arbeitnehmern, Anteilseignern und Unternehmensleitung bestehen soll, so läuft dies auf eine Drittelparität für die Arbeitnehmervertreter hinaus. Nimmt man hinzu, daß die CDU mit der Wahrung des „ordnungspolitischen Zusammenhangs" meint, die Sicherung der Koalitionsfreiheit für die Unternehmerseite bedinge ein Stichentscheidungsrecht für die Anteilseigner, so wird vollends deutlich, wie wenig hier von Parität im eigentlichen Sinn die Rede sein kann. Diese Konsequenz hat der — erstaunlicherweise nicht mitabgedruckte — zweite Teil des Hamburger Mitbestimmungsbeschlusses von 1973 denn auch ausdrücklich gezogen. Er hatte für die Übergangszeit bis zur Verabschiedung des neuen Unternehmensrechts ein Mitbestimmungsmodell gefordert, in dem sowohl bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden wie bei Abstimmungen im Aufsichtsrat ein Letztentscheidungsrecht der Anteilseignerseite festgelegt war.

Die im Grundwerteteil grundsätzlich proklamierte Forderung nach Freiheit in der Arbeitswelt verkümmert in ein bloßes Mitberatungsrecht im Unternehmen ohne Mitentscheidungs-oder Vetobefugnis für die Arbeitnehmerseite. Diese Grundentscheidung zugunsten der Privateigentümer erhält eine fast schon groteske Ergänzung, wenn das Grundsatzprogramm die Forderung nach Gleichstellung der Frau an beide Tarifpartner richtet statt an die Unternehmerseite, die sie entgegen den gewerkschaftlichen Forderungen jahrzehntelang verweigert hat.

Harmonistisches Weltbild — polarisierendes Menschenbild

Dem Grundsatzprogramm liegt ein harmonistisches Weltbild zugrunde. Dies kommt vor allem durch den grundlegenden Sachverhalt zum Ausdruck, daß so gut wie keine gravierenden gesellschaftlichen Probleme gesehen werden und in aller Regel lediglich das vermeidbare Fehlverhalten von Gruppen als Ursache von Störungen angesehen wird. Dadurch und durch die Art, wie alternative Problemsichten und Grundeinstellungen dargestellt werden — nämlich grundsätzlich als Störfaktoren einer an sich guten Ordnung —, wird zugleich der Grundstein für ein polarisierendes Menschenbild gelegt, in dem die Menschen in zwei Gruppen geteilt werden: Auf der einen Seite die Vertreter der bestehenden guten Ordnung und auf der anderen Seite ihre uneinsichtigen Störer. Eines der schlagensten Beispiele für dieses Vorgehen ist die Analyse der wirtschaftlichen Situation, in der das Marktgeschehen als an sich befriedigende Ordnung dargestellt ist, die lediglich durch ideologisch irregeleitetes Handeln einer schlechten Regierung vorübergehend gestört worden ist. Sobald die irregeleiteten durch die „richtigen" Führungspersonen ersetzt sein werden, wird die alte wirtschaftliche Harmonie wieder einkehren. • Der übertriebene, für den gebotenen offenen demokratischen Konfliktaustrag abträgliche Harmonismus des CDU-Weltbildes kommt beispielhaft bei der Formulierung dr Erziehungsziele zum Ausdruck. Zwar bleibt nach längerer Kontroverse auf dem Parteitag im Abschnitt über den Menschen der Satz im Programm: „Unterschiede der Meinungen und Interessen können zu Konflikten führen."

Dieses Bekenntnis findet aber in den konkreten Programmteilen keinen erkennbaren Niederschlag. Als Erziehungsideal wird beispielsweise angeführt: „Der Mensch muß lernen, seine Würde und Freiheit zu erkennen, Pflichten zu erfüllen und Rechte zu gebrauchen, Toleranz und Mitmenschlichkeit zu üben und den demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu bejahen. Konfliktorientierte Pädagogik erzeugt Isolierung und Feindseligkeit. Erziehung soll aber die Erkenntnis vermitteln, daß wir ein Mindestmaß an Übereinstimmung im Umgang miteinander und im Wertbewußtsein brauchen, wenn wir frei und friedlich Zusammenleben wollen." In dieser Vereinseitigung spielt dann die Konfliktfähigkeit, statt dialektisch auf Toleranz und Mitmenschlichkeit bezogen und relativiert zu sein, überhaupt keine erkennbare Rolle mehr. Für das Funktionieren einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft ebenso wie für das Lebensglück des einzelnen ist aber die Fähigkeit, Konflikte offen und angstfrei auszutragen, eine Grundvoraussetzung. Eine Atmosphäre der Toleranz und der offenen, demokratischen Auseinandersetzung gedeiht nur dort, wo der geregelte Austrag von Konflikten als der Normalfall des menschlichen Zusammenlebens'erkannt wird. Konflikttabuisierung hingegen führt zu einer Scheinharmonie, in der die unterdrückten Konflikte dann von Zeit zu Zeit in unkontrollierten Formen zum Ausbruch kommen.

VIII. Ein kritisches Fazit

Mit der Diskussion und Verabschiedung des CDU-Grundsatzprogramms sind keine neuen Impulse und Ideen in die geistige Auseinandersetzung in der Bundesrepublik eingebracht worden. Es fehlt diesem Programm an ernsthafter Problemanalyse und an zukunftsweisenden Perspektiven. Statt dessen wird von der Fiktion einer heilen Welt ausgegangen, die nur deshalb nicht Wirklichkeit ist, weil Kräfte am Werk sind, die das überkommene verderben wollen.

Die CDU erhebt mit ihrem neuen Grundsatzprogramm den, wenn auch verklausulierten Anspruch, die christliche Partei zu sein. Weil sie zugleich aber auch in den Genuß kommen will, als Volkspartei mehrheitsfähig zu sein, verwickelt sie sich in den Widerspruch, einerseits zugeben zu müssen, daß aus dem christlichen Glauben keine bestimmte Politik abgeleitet werden kann, und doch den Anspruch erheben zu wollen, ihr Programm beruhe auf einem christlichen Menschenbild.

Die unter dem gleichen Namen wie im Godesberger Programm der Sozialdemokratie eingeführten Grundwerte der CDU — Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität — enthal-ten tatsächlich auch in der Interpretation einige elementare Übereinstimmungen mit diesen. Zugleich unterscheiden sie sich aber erheblich von ihnen, indem sie in ihrer inhaltlichen Fassung mit dem gesellschaftlichen Status quo verschmelzen, statt dessen kritischer Maßstab zu sein. Diese Entwicklung findet ihren Höhepunkt in der im Grundsatzprogramm entschieden vollzogenen Abkehr von der Forderung nach Chancengleichheit. An ihre Stelle tritt eine völlig unbestimmte „Chancengerechtigkeit", die dem Rückfall in ein ständisches Gesellschaftsverhältnis nach dem Motto: „Jedem das Seine" Tür und Tor öffnet.

Für kaum eines der in den öffentlichen Diskussionen der letzten Jahre behandelten gesellschaftlichen Probleme enthält das Grundsatzprogramm eine Problemanalyse oder auch nur den Hinweis darauf, daß hier ein wirkliches Problem vorliegt.

Den Begriff „Soziale Marktwirtschaft" verwendet das Grundsatzprogramm in zwiespältiger Weise. Auf der einen Seite wird er rückhaltlos als Überhöhung des wirtschaftlichen Status quo der Bundesrepublik heute präsentiert und mit einer weitgehenden Leugnung der schon bestehenden staatlichen Verantwortung verbunden. In dieser Fassung erfüllt er seine polemische Funktion gegen weitergehende Demokratisierung und staatliche Steuerung der Wirtschaft. Auf der anderen Seite wird er dann aber auch wieder von Fall zu Fall geöffnet, um erwünschte Formen der Übernahme staatlicher Verantwortung nicht gänzlich auszuschließen. Eine weiterführende Perspektive für Strukturpolitik und Mitbestimmung läßt sich mit dieser Vorstellung von „Sozialer Marktwirtschaft" nicht gewinnen.

Das gesamte Grundsatzprogramm ist von einer starken Einseitigkeit des Staatsverständnisses geprägt. Während dem Staat in seiner Eigenschaft als Ordnungs-und Sicherheitsfaktor ein fast grenzenloses Vertrauen entgegengebracht wird, begegnet dem gleichen Staat in seiner Eigenschaft als Gestalter der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein fast noch größeres pauschales Mißtrauen.

Dem CDU-Grundsatzprogramm liegt ein harmonistisches Weltbild zugrunde, das eine Flucht aus den Problemen unserer Zeit darstellt. Da diese Probleme gleichwohl nicht gänzlich verleugnet werden können, fordert die Konstruktion dieses harmonistischen Weltbildes den Preis eines polarisierenden Menschenbildes. Durch diese Weitsicht wird nicht nur der gesellschaftliche Dialog erschwert, sondern eine wirkliche Lösung der gesellschaftlichen Probleme behindert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ziff. 1.

  2. Ziff. 5.

  3. Ziff. 6.

  4. Protokoll des Programmparteitages, S. 126.

  5. Ziff.5.

  6. Protokoll S. 120.

  7. Ziff. 65.

  8. Art. 36.

  9. Quadrogesimo Anno, Art. 109.

  10. Mater et Magistra, Art. 37— 40.

  11. Populorum Progressio, Art. 26.

  12. Ziff. 13. '

  13. Ziff. 16.

  14. Ziff. 21.

  15. Ziff. 22.

  16. Ziff. 23.

  17. Ziff. 23.

  18. Ziff. 27.

  19. Ziff. 26.

  20. Ziff. 13.

  21. Prot. S. 117.

  22. Ziff. 16.

  23. Ziff. 18.

  24. Ziff. 25.

  25. Ziff. 26.

  26. Ziff. 26.

  27. Ziff. 28.

  28. Ziff. 31.

  29. Prot. S. 157.

  30. Prot. S. 158.

  31. Ziff. 62.

  32. Ziff. 87.

  33. Ziff. 84.

  34. Ziff. 89.

  35. Ziff. 64.

  36. Ziff. 41.

  37. Ziff. 91.

  38. Ziff. 40.

  39. Ziff. 72.

  40. Ziff. 70.

  41. Ziff. 70.

  42. Ziff. 86.

  43. Ziff. 65.

  44. Ziff. 67.

  45. Ziff. 66.

  46. z. B. Ziff. 70 und 72.

  47. Ziff. 68.

  48. Ziff. 71.

  49. Prot. S. 261.

  50. Ziff. 82.

  51. Ziff. 85.

  52. Ziff. 86.

  53. Ziff. 92.

  54. Ziff. 70.

  55. Ziff. 72.

  56. Ziff. 116.

  57. Ziff. 122.

  58. Ziff. 124.

  59. Ziff. 94.

  60. Ziff. 129.

  61. Ziff. 19.

  62. Ziff. 46.

  63. Ziff. 41 ff.

  64. Ziff. 46.

  65. Ziff. 71.

  66. Ziff. 100.

  67. Or. -Rahmen '85, 2. 4. 2.

  68. Ziff. 107.

  69. Ziff. 109.

  70. Ziff. 68 und Ziff. 79.

  71. S. 64 ff.

  72. Ziff. 110.

  73. Ziff. 10.

  74. Ziff. 42.

Weitere Inhalte

Hans-Jochen Vogel, Dr. jur., geb. 1926; Bundesminister der Justiz; Mitglied des Bundesvorstandes und des Präsidiums der SPD; Mitglied der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD.