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Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Dienst. Zur Problematik der Tarif-und Besoldungsverhandlungen | APuZ 11/1981 | bpb.de

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APuZ 11/1981 Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Dienst. Zur Problematik der Tarif-und Besoldungsverhandlungen Der Führungsanspruch der Wirtschaft gegenüber der Politik. Ergebnisse einer Inhaltsanalyse Kooperation und Konfrontation der sozialen Mächte. Zum politischen Verhalten der Wirtschaftsverbände in der Demokratie. Eine Stellungnahme zu der Arbeit von H. Abromeit

Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Dienst. Zur Problematik der Tarif-und Besoldungsverhandlungen

Berndt Keller

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Dieser Beitrag befaßt sich mit Problemen der Tarif-und Besoldungsverhandlungen. Im ersten Teil wird das Tarifverhandlungssystem unter besonderer Berücksichtigung seiner organisationspolitischen Bestimmungsgrößen analysiert. Auf Arbeitgeberseite werden vor allem behandelt: Struktur der Interessenvertretung, Willensbildungsprozesse auf Bundesebene, die besondere Situation der Kommunen, Interessengegensätze zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgrund unterschiedlicher Betroffenheit. Auf Arbeitnehmer-bzw. Gewerkschaftsseite werden besonders analysiert: Forderungsstruktur (prozentual, linear) und Wettbewerb zwischen Verbänden (Berufs-vs. Industrieverbandsprinzip), Mitglieder-struktur (nach Personengruppen) und Interessendurchsetzung, Willensbildungsprozesse innerhalb und zwischen Gewerkschaften, Struktur der Tarifgemeinschaft für Angestellte. Schließlich wird auf einige Probleme des gegenwärtigen Verhandlungssystems eingegangen (sog. Dreiecksverhandlungen). Der zweite Teil untersucht die Rahmenbedingungen für die Festsetzung der Beamtenbesoldung. Als Bestimmungsgrößen werden genannt: Formale, d. h. gesetzlich garantierte, und formelle, d. h. faktisch wirksame, Einflußmöglichkeiten der Interessenverbände zugunsten der Gesamtgruppe oder einzelner Gruppen innerhalb der Beamtenschaft; Präjudizierung der Besoldungs-durch Lohnerhöhungen im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes; Stimmenmaximierungskalküle der Arbeitgeber/Politiker aus Gründen der Wiederwahl bzw. Ausnutzen des dadurch vorhandenen Drohpotentials durch die Interessenorganisationen; institutionelle Barrieren; zunehmende Verbeamtungstendenz der Parlamente, Einfluß der Ministerialbürokratie; Einfluß der Öffentlichkeit und Verrechtlichung der Diskussion.

1. Die Ausweitung des öffentlichen Dienstes In allen entwickelten Industriegesellschaften ist eine überproportionale Ausweitung des öffentlichen Dienstes festzustellen. Die klassischen öffentlichen Funktionen der Ordnungsund Eingriffsverwaltung — wahrgenommen durch Polizei, Justiz und Steuerverwaltung — machen nur noch einen relativ geringen Teil der Staatsaufgaben in demokratischen Sozial-staaten aus. Es ist eine Vielzahl neuer Funktionen der Leistung und Planung entstanden, die zur Zeit des liberalen Staates des 19. Jahrhunderts weitgehend unbekannt waren (vor allem Planung und Schaffung der Infrastruktur, staatliche Sozialpolitk und dadurch Sozialverwaltung, Wirtschaftsgestaltung). Dadurch hat sich der öffentliche Dienst immer mehr zu einem gewaltigen Dienstleistungsapparat zur Befriedigung individueller und kollektiver Bedürfnisse, zum Instrument umfassender Daseinsfürsorge und -vorsorge entwickelt 1).

Quantitativ schlägt sich diese Entwicklung der Erweiterung und Veränderung des staatlichen Aufgabenkatalogs u. a. in einer raschen absoluten und relativen (bezogen auf die Größe der Bevölkerung) Zunahme der öffentlich Bediensteten nieder. Die Gesamtbeschäftigtenzahl des öffentlichen Dienstes hat im jahrzehntelangen Durchschnitt um ca. 2, 5% pro Jahr zugenommen. Ende der siebziger Der vorliegende Beitrag ist Teil eines Forschungsprojekts über . Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Dienst. Eine sozialwissenschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Tarif-und Besoldungsbeziehungen“. Die Durchführung des Forschungsvorhabens wird von 1979 bis 1981 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.

I. Einleitung und Problemstellung

Jahre waren in diesem Bereich ca. 3, 6 Millionen vollbeschäftigte Personen tätig, d. h. jeder sechste Erwerbstätige war hier beschäftigt. Der öffentliche Dienst ist also der größte Arbeitgeber in der Bundesrepublik, dem damit eine enorme Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Lohnpolitik zukommt.

Von den öffentlich Bediensteten sind ca. 1, 7 Millionen Beamte und Richter, ca. 1, 1 Millionen Angestellte und ca. 800000 Arbeiter. In langfristiger Perspektive — und damit im Zuge der Veränderung und Ausweitung der öffentlichen Aufgaben — ist die Dienstverhältnisstruktur insgesamt bei relativer Konstanz des Anteils der Beamten durch Verminderung des Anteils der Arbeiter und Erhöhung des Anteils der Angestellten charakterisiert.

2. Die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse und ihre Folgen

Für das Verständnis des öffentlichen Dienstes ist der unterschiedliche Rechtsstatus der drei verschiedenen Arbeitnehmergruppen von entscheidender Bedeutung: Dualismus von privat-rechtlichem Arbeitnehmerstatus der Angestellten und Arbeiter und öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis der Beamten. Diese an traditionellen deutschen Regelungen orientierte Unterscheidung wurde in der Gründungsphase der Bundesrepublik durch die Restaurierung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums''beibehalten und ist seitdem von besonderer Bedeutung gewesen. Art. 33 IV GG besagt: „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst-und Treueverhältnis stehen" (Funktionsvorbehalt).

Einerseits besteht weder ein Unterschied zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst noch zwischen den einzelnen Gruppen innerhalb des öffentlichen Dienstes: Beamte haben ebenso wie alle anderen Arbeitnehmer des privaten und öffentlichen Sektors nach Art. 9 III GG das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die Dachverbände Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Deutscher Beamtenbund (DBB) sind nicht nur von den Mitgliederzahlen her als die größten sondern auch von den Einflußmöglichkeiten als die bedeutendsten Verbände anzusehen, die für die Interessen von Beamten eintreten.

Andererseits werden — abgesehen von diesem Recht zur Organisierung in Interessen-verbänden — durch die Unterscheidung der Dienstverhältnisse juristische Unterschiede nicht nur zwischen privatem und öffentlichem Sektor, sondern gerade auch innerhalb des öffentlichen Dienstes verursacht: Nach herrschender Rechtsprechung und Rechtslehre wird in der Bundesrepublik — ebenso wie in anderen westlichen Industrienationen — einem Teil der Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor das Streikrecht nicht zugestanden Die ansonsten für die Arbeitsbeziehungen wichtige Tarifautonomie gilt für die Gruppe der Beamten nicht, während sie den Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes ebenso wie allen Arbeitnehmern der Privatwirtschaft garantiert wird. Die Gruppe der Beamten hat sich — von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen — an dieses Streikverbot gehalten.

Grundsätzlich gibt es im öffentlichen Dienst zwei Formen der Interessenvertretung: Löhne und Arbeitsbedingungen der Angestellten und Arbeiter werden wie in der Privatwirt, schäft durch Tarifverhandlungen festgelegt, die mit Streikdrohungen bzw. Streiks verbunden werden können (Tarifmodell). Für die Gruppe der Beamten dagegen besteht die einseitige Regelungsgewalt der Legislative, d. h.der Dienstherr oder eine übergeordnete Instanz legen Dienstrecht und auch Höhe der Bezüge durch Gesetze, Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften fest Die Besoldung der Beamten wird durch Gesetz vom Parlament geregelt, welches dabei prinzipiell unabhängig entscheiden kann (Gesetzesmodell). Die Rahmenbedingungen für diese Entscheidungsbefugnis werden durch Regelungen in den Beamtengesetzen vorgegeben, wodurch die Autonomie des Parlaments eingeschränkt wird.

II. Das Tarifverhandlungssystem und seine organisationspolitischen Bestimmungsgrößen

Die Tarifverhandlungen, die zwischen öffentlichen Arbeitgebern, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (OTV) und der Tarifgemeinschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst geführt werden, sind aus verschiedenen Gründen wichtig:

— Der Abschluß bestimmt direkt die Einkommen der Arbeiter und Angestellten.

— Die Ergebnisse der Hauptverhandlungen werden als Resultate der Nebenverhandlungen bei Bundesbahn und Bundespost übernommen. — Weiterhin hat dieser Abschluß unmittelbar und direkt Einfluß auf die Einkommen der Beamten und Richter, da der Besoldungs-dem Tarifbereich seit Ende der sechziger Jahre automatisch folgt.

— Tarif-und Besoldungserhöhungen haben weiterhin Folgen für die Kriegsopferversorgung und auch für den Familienlastenausgleich. Trotz dieser großen Bedeutung ist gerade über Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst wenig bekannt. Im folgenden wird daher versucht, die wichtigsten Faktoren zusammenzufassen. Die besondere Aufmerksamkeit gilt organisationspolitischen Bestimmungsgrößen; ökonomische und strukturelle Rahmenbedin-B gungen sollen nicht im einzelnen analysiert werden Historische und juristische Probleme des öffentlichen Dienstes werden ebenfalls nicht behandelt

1. Organisationspolitische Bedingungen auf Arbeitgeberseite Pie Struktur der Interessenvertretung Die verschiedenen kommunalen Arbeitgeber-verbände haben sich 1949 zu einem Spitzenverband, der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VkA), zusammengeschlossen. Eine entsprechende Regelung gilt für die Ebene der Länder, wo die ebenfalls 1949 gegründete Tarifgemeinschaft der Deutschen Länder (TdL) besteht. Ihr Ziel ist neben der Wahrung tarif-und arbeitsrechtlicher Arbeitgeberinteressen vor allem die Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen in allen Bundesländern.

Auf Arbeitgeberseite, die sich bei Tarifverhandlungen aus Repräsentanten der drei Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden) zusammensetzt, bestehen Interessenkonflikte allgemeiner Art (niedriger Abschluß/politisches Überleben) sowie solche zwischen den Vertretern der Gemeinden, der Länder und des Bundes. Diese internen Konflikte können sowohl von den Gewerkschaften als auch von den verschiedenen Interessengruppen taktisch genutzt werden, um weitergehende Konzessionen zu erreichen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn derartige Meinungsverschiedenheiten nicht intern gelöst werden können.

Die unterschiedlichen Interessen der Vertreter der Arbeitgebergruppen führen zu unterschiedlichen Verhaltensformen bei der internen Willensbildung vor und während der Tarifverhandlungen. Die Folge ist eine Verkomplizierung der internen Willensbildung. Cha-

INHALT I. Einleitung und Problemstellung 1. Die Ausweitung des öffentlichen Sektors

2. Die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse und ihre Folgen II. Das Tarifverhandlungssystem und seine organisationspolitischen Bestimmungsgrößen

1. Organisationspolitische Bedingungen auf Arbeitgeberseite Die Struktur der Interessenvertretung

Die Willensbildung auf Bundesebene

Die besondere Situation der Kommunen Interessengegensätze aufgrund unterschiedlicher Betroffenheit 2. Organisationspolitische Bedingungen auf Arbeitnehmerseite Forderungsstrukturen und Wettbewerb zwischen Verbänden Mitgliederstruktur und Interessen-durchsetzung

Willensbildungsprozesse auf Arbeitnehmerseite

Zur Struktur der Tarifgemeinschaft für Angestellte 3. Zur Problematik des Verhandlungssystems

III. Das System der Besoldungsverhandlungen:

Zur Interessenpolitik von Beamten-verbänden

1. Einflußnahme durch Interessenverbände

Gesetzlich vorgeschriebene und tatsächliche Partizipation Gruppenspezifische Verbesserungen durch Strukturmaßnahmen 2. Die Bedeutung tarifvertraglicher Regelungen für die Besoldungspolitik 3. Stimmenmaximierungskalküle der Politiker und Drohpotential der Interessenverbände

4. öffentlich Bedienstete als Parlamentarier und der Einfluß der Ministerial-Bürokratie

5. Die öffentliche Meinung Kritik am öffentlichen Dienst und Reaktion der Verbände Zur Verrechtlichung der Diskussion

IV. Fazit rakteristisch für diese Prozesse ist auch auf Arbeitgeberseite ihre Zweistufigkeit, da sie sich sowohl innerhalb als auch zwischen Gruppen vollziehen. Willensbildungsprozesse zwischen Gruppen beeinflussen Verhandlungsverhalten und -ergebnis stärker als diejenigen innerhalb einer Gruppe. Unterschiede ergeben sich dabei nicht so sehr zwischen den Vertretern des Bundes und der Länder als vielmehr aus der besonderen Situation der Kommunen. Die wichtigsten Gründe hierfür sind in der schlechten finanziellen Situation der Kommunen — insbesondere etwa bei den Nahverkehrsbetrieben — sowie in deren besonderer Streikempfindlichkeit zu sehen.

Willensbildungsprozesse auf Bundesebene Die Willensbildung beim Bund, der die Führungsrolle auf Arbeitgeberseite akzeptiert und übernimmt, läßt sich wie folgt darstellen:

Nachdem der Bundesregierung die Gewerkschaftsforderungen übermittelt worden sind, überprüfen die beteiligten Ministerien, d. h. Innen-, Finanz-, Wirtschafts-und Arbeitsministerium, die haushaltsrechtlichen, konjunktur-und finanzpolitischen Konsequenzen. An den folgenden Ressortbesprechungen werden auch Vertreter des Post-und Verkehrsministeriums beteiligt.

Auf der Basis der Ressortberichte legt das Kabinett einen Verhandlungsspielraum fest bzw. arbeitet eine Verhandlungsposition aus, über die jedoch Stillschweigen bewahrt wird. Andeutungen könnten von den Gewerkschaften als Verhandlungsangebot interpretiert werden. Der Innenminister, der traditionsgemäß vom Kabinett mit der Führung der Tarifverhandlungen beauftragt wird, muß versuchen, möglichst noch vor der ersten Verhandlungsrunde eine Verhaltensabstimmung mit den Vertretern von Ländern und Gemeinden zu erreichen. Bei dieser notwendigen Koordinierung sind verschiedentlich erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten.

Innerhalb der Regierung sind Einwände vor allem aus dem Wirtschafts-und besonders dem Finanzministerium zu erwarten. Letzteres hat für die Durchsetzung der im Rahmen 'der mittelfristigen Finanzplanung gesetzten Eckdaten zu sorgen. Kabinettsinterne Konflikte können vor allem dann auftreten, wenn bei Koalitionsregierungen die beteiligten Ministerien von verschiedenen Parteien besetzt sind. Deren Politiker versuchen durch Begünstigung unterschiedlicher Gruppen das Wählerpotential ihrer eigenen Partei zu vergrö. ßern bzw. zumindest zu erhalten. Allgemein formuliert: Interessengruppen können auf die Tarifpolitik der Arbeitgeber Einfluß nehmen.

Die besondere Situation der Kommunen Es läßt sich empirisch nachweisen, daß Streiks im öffentlichen Dienst vor allem auf kommunaler Ebene geführt werden, d. h., daß die Gemeinden von Kampfmaßnahmen am stärksten betroffen sind Da die Vertreter der kommunalen Arbeitgeber als erste mit Streiks zu rechnen haben, werden sie u. a. versuchen, einen drohenden Streik durch ein höheres Angebot abzuwenden. Vor allem bestimmte Großstädte sind schnell zu Kompromissen bereit und bringen dadurch kleinere Städte und Gemeinden in schwierige Situationen.

Auf dieses Zersplittern der Gegenseite kann die gewerkschaftliche Verhandlungstaktik angelegt werden: Streikdrohungen werden nicht pauschal gegen die Arbeitgeberkoalition, sondern gezielt gegen die Kommunen gerichtet Diese Taktik wird dadurch erleichtert, daß die gewerkschaftliche Verhandlungsmacht auf der kommunalen Ebene am größten ist.

Eine weitere Strategie besteht in der Signalisierung von Bereitschaft, jederzeit mit jedem der Arbeitgeber auch getrennt zu verhandeln. Ein vorgezogener Abschluß auf kommunaler Ebene, der in den sechziger und siebziger Jahren mehrfach zustande gekommen ist, hat jedoch eine erhebliche Wirkung auf die nachfolgenden Verhandlungen. Die Länder und besonders der Bund, die beide um die Rettung einheitlicher Regelungen stärker bemüht sind, können sich dem dadurch entstehenden Druck zu einer Angebotsverbesserung kaum entziehen. Vor allem der Bund versucht immer wieder, die Arbeitgeberkoalition aufrechtzuerhalten, d. h. ein Ausscheren der Kommunen zu verhindern und ein größeres Ausmaß an Solidarität auf Arbeitgeberseite zu erreichen.

Die Kommunen sind bei Arbeitskonfliktenvor allem an einer reibungslosen Produktion von Gütern und Dienstleistungen interessiert. Sie versuchen, deren Bereitstellung zu garantieren, indem sie die Forderungen der betreffenJen Gruppen weitgehend erfüllen. Weiterhin wird die Konzessionsbereitschaft auf kommunaler Ebene durch die sozialräumliche und parteipolitische Nähe von Gewerkschafts-und Arbeitgebervertretern beeinflußt Demgegenüber richtet sich der Bund eher nach finanziellen Erwägungen (Steuerlastquote) sowie nach seinen gesamtwirtschaftlichen Orientierungsdaten. Er verfügt zwar über die Möglichkeit einer Steuererhöhung; bei dieser Strategie drohen allerdings politische Kosten in Form von Stimmverlusten bei der nächsten Wahl. Die Kommunen können dieses Mittel nicht einsetzen; sie verfügen aber über die realistische Möglichkeit, die erhöhten Personalkosten über den Finanzausgleich zu finanzieren.

Interessengegensätze aufgrund unterschiedlicher Betroffenheit Konflikte auf Arbeitgeberseite treten auch dann auf, wenn der gewerkschaftliche Forderungskatalog Mindestbeträge enthält; dies war seit Ende der sechziger Jahre verschiedentlich der Fall. Da nur wenige der niedrig bezahlten Angestellten und Arbeiter beim Bund beschäftigt sind, ist für ihn ein hoher Sockelbetrag finanziell relativ unwichtig. Länder und Gemeinden hingegen sind von einer Festbetragsforderung stärker betroffen, da vor allem bei ihnen die unteren Vergütungsgruppen vertreten sind. Die Position der Arbeitgeber gegenüber derartigen Sockelbeträgen ist eher ablehnend. Einerseits wird aus sozialen Gründen die Notwendigkeit anerkannt, in den unteren Tarif-gruppen über ein lineare Erhöhung der Löhne und Gehälter hinauszugehen. Die Arbeitgeber können sich Festbetragsforderungen vor allem dann nicht verschließen, wenn beträchtliche Preissteigerungen eingetreten sind oder wenn wiederholt prozentuale Lohnerhöhungen vorgenommen wurden, welche die absoluten Einkommensunterschiede zwischen weniger und mehr verdienenden Arbeitnehmern vergrößert haben. Andererseits wird hervorgehoben, daß zu starke Verbesserungen um feste Beträge mit dem Leistungsgrundsatz bei höheren Entlohnungsgruppen nicht vereinbar seien: Leistungsanreize würden bei den Spitzenverdienern vermindert, Ansätze zu einer Nivellierung geschaffen. Der Leistungsgrundsatz ist in der Diskussion um die Reform des öffentlichen Dienstes von erheblicher Bedeutung; eine leistungsbezogene Vergütung soll gemäß Absprache der beteiligten Gruppen künftig in stärkerem Ausmaß als bisher durchgesetzt werden. Weiterhin betonen die Arbeitgeber, daß sich durch die stärkere Anhebung der unteren Entlohnungsgruppen dieser Bereich der Lohnskala überdurchschnittlich verteuert habe. Dadurch seien bei identischen Tätigkeiten Lohnkostendifferenzen zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft aufgetreten, was nicht nur Leistungsanreize beeinträchtige, sondern auch die bestehende Lohnstruktur verzerre.

2. Organisationspolitische Bedingungen auf Arbeitnehmerseite Forderungsstrukturen und Wettbewerb zwischen Verbänden Auf Gewerkschaftsseite lassen sich zwei lohnpolitische Strategien verfolgen: Zum einen werden häufig rein prozentuale Erhöhungen

gefordert, durch die Lohnunterschiede in absoluten Beträgen zunehmen. Zum anderen können Erhöhungen um feste Beträge angestrebt werden, wodurch die relativen Unterschiede abgeschwächt werden. Beide Strategien können — z. B. als Kompromiß innerhalb oder zwischen Gewerkschaften — auch kombiniert eingesetzt werden, indem eine prozentuale Steigerung mit einem Sockelbetrag verbunden wird.

Seit den Septemberstreiks des Jahres 1969 ist die Berücksichtigung der „sozialen Komponente" von verschiedenen Gewerkschaften mehrfach angestrebt worden. Ihr erklärtes Ziel ist der Abbau hoher relativer und absoluter Einkommensunterschiede und die Durchsetzung einer gerechten Lohnstruktur. Die OTV hat sich mit dieser Nivellierungspolitik stärker durchgesetzt als die Industriegewerkschaften der Privatwirtschaft. Innerhalb des öffentlichen Dienstes hat die DAG in der ersten Hälfte der siebziger Jahre verschiedentlich versucht, prozentuale Lohnzuwachsraten zu erzielen, während die OTV eher um lineare Erhöhungen bemüht war.

Die voneinander abweichenden Forderungen waren ein wesentlicher Ausdruck der erheblichen Spannungen zwischen den Verbänden. Diese Differenzen lassen sich durch die unterschiedlichen Organisationsprinzipien erklären: Die DAG folgt dem für die Bundesrepublik untypischen Berufsverbandsprinzip, bei dem sich — wie in Großbritannien — die Angehörigen des gleichen Berufs bzw.der glei7 chen Tätigkeit in einem Verband zusammenschließen.

Die OTV ist nach dem für die Bundesrepublik typischen Industrieverbandsprinzip organisiert, welches auf eine Interessenvertretung aller in einem bestimmten Wirtschaftsbereich Beschäftigten ohne Differenzierung nach Qualifikationsniveau, Beruf und Betriebszugehörigkeit abzielt. Die unterschiedlichen Interessen verschiedener Gruppen müssen in einer gemeinsamen Gewerkschaftspolitik koordiniert und gleichberechtigt durchgesetzt werden

Die Tarifverhandlungsergebnisse (z. B. Sockel-betrag plus prozentuale Erhöhung) stellen häufig einen Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen dar. Die OTV geht davon aus, daß die Bezieher niedriger Einkommen durch Preissteigerungen am stärksten belastet werden, weil bei ihnen die Kosten für die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen den größten Prozentsatz ausmachen. Dagegen betont die DAG bei ihren Forderungen vor allem den Aspekt der individuellen Leistung bzw.der leistungsgerechten Bezahlung.

In verschiedenen Tarifverhandlungsrunden war es zu schwerwiegenden Differenzen wegen der unterschiedlichen Forderungen gekommen. Daraufhin beschloß der 8. ordentliche Gewerkschaftstag der OTV im Juli 1976, künftig keine gemeinsamen Verhandlungen mit der DAG mehr zu führen. Der von der OTV in der Öffentlichkeit genannte Anlaß war ein vorher gefaßter Beschluß des DAG-Kongresses, keine gemeinsamen Tarifverträge für Angestellte und Arbeiter abschließen zu wollen. Der Bruch der Verhandlungsgemeinschaft von OTV und DAG erscheint als nahezu notwendige Konsequenz organisationsstruktureller Bedingungen. Erstaunlich ist im nachhinein, daß es über lange Jahre hinweg gelungen ist, diese Konflikte zu lösen, obwohl innerhalb des Tarifverhandlungssystems stark unterschiedliche Interessen bei allen Beteiligten vorhanden waren.

Der entscheidende Grund für die unterschied, liehen Tarifverhandlungsstrategien liegt in der unterschiedlichen Mitgliederstruktur der beiden Organisationen. Dies betrifft zum ei. nen die Altersstruktur der Angestelltenmitgliedert In der OTV sind vor allem jüngere Angestellte organisiert, die sich in den unteren Lohngruppen befinden, da das Entlohnungssy. stem des öffentlichen Dienstes auch altersab. hängig ist. Diese Gruppe profitiert von einer Erhöhung um Festbeträge stärker als ältere Angestellte. Diese sind vor allem in der DAG organisiert; sie verdienen — besonders durch die Dienstalterszuschläge — durchschnittlich mehr und sind deswegen an prozentualen Erhöhungen interessiert. — Zum andern ist die von der Größe her bedeutende Gruppe der niedrig verdienenden Arbeiter überwiegend in der OTV organisiert, so daß auch von den Interessen dieser Gruppe her ein Trend zur Festbetragsforderung besteht.

Mitgliederstruktur und Interessendurchsetzung

Gewerkschaften als zweckorientierte Organisationen verfolgen das Ziel, bestmögliche Leistungen für ihre Mitglieder durchzusetzen. Ihre Funktionäre stehen vor allem unter tarifpolitischem Erfolgszwang, da die Wiederwahl von der Einschätzung ihrer Handlungen durch die Mitglieder abhängt. Tarifpolitik ist demnach wesentlich auch ein innerverbandliches Problem der Legitimation gegenüber den Mitgliedern und nicht nur eine Frage von Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien

Die OTV organisiert mehr als zwei Drittel der 800 000 Arbeiter des öffentlichen Dienstes. Folglich muß sie die Interessen dieser Gruppe vertreten und durchsetzen. Weiterhin ist es konsequent, daß die OTV eine Politik der Gleichstellung von Angestellten und Arbeitern verfolgt, während die DAG eine separate Interessenvertretung der Angestellten anstrebt.

Bei einer Differenzierung der Mitgliederentwicklung nach Personengruppen ergibt sich, daß der Anteil der Arbeiter unter den OTV-Mit gliedern seit Beginn der sechziger Jahre nahezu kontinuierlich abgenommen hat, aber Mitte der siebziger Jahre immer noch bei über 50% lag. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der Angestellten an der Gesamtmitgliedschaft von knapp 30 auf nahezu 40% Diese Entwicklung ist infolge allgemeiner Verschiebungen innerhalb der Dienstverhältnisstruktur zugunsten der Angestellten und Beamten eingetreten. Mithin müssen auch die besonderen Interessen der Gruppe der Angestellten in der Organisationspolitk angemessen Berücksichtigung finden. Diese Notwendigkeit, die zu innerverhandlichen Konflikten über die solidarische Lohnpolitik geführt hat, hat seit 1977 mehrfach Konsequenzen für die Forderungspolitik der ÖTV gehabt: Eine weitergehende Nivellierung der Lohnstruktur wurde verschiedentlich nicht mehr direkt angestrebt, sondern nur noch in Form von Nebenforderungen, wie etwa Urlaubsgeld.

Der Notwendigkeit, verschiedene Gruppeninteressen angemessen repräsentieren zu müssen, wird innerhalb der ÖTV durch zwei Strategien realisiert: Zum einen werden die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedergruppen in den verschiedenen Tarifrunden auch unterschiedlich stark berücksichtigt. Zum anderen stellen die Gesamtforderungen für einzelne Tarifrunden häufig bereits Kompromisse verschiedener Gruppeninteressen dar. Die notwendige solidarische Haltung der Gesamt-mitgliedschaft trotz innerverbandlicher Interessenkonkurrenz wird so ermöglicht.

Bisher ist die veränderte Tarifpolitik der ÖTV vor allem durch organisationsstrukturelle Faktoren erklärt worden. Damit ist freilich noch nicht hinreichend deutlich gemacht, warum eine Verhaltensänderung gerade 1977 stattgefunden hat. Der entscheidende Grund war die Gründung der Tarifgemeinschaft für Angestellte. Um eine Abwanderung von Mitgliedern — und damit eine Stärkung der Konkurrenzorganisation — zu verhindern, mußte die ÖTV kurzfristig auf die Interessen der Angestellten in stärkerem Maße Rücksicht nehmen als in den Jahren zuvor. Diese Notwendigkeit wurde dadurch verstärkt, daß die neu gegründete Tarifgemeinschaft jede Nivellierungspolitik ablehnte und dadurch für die ÖTV die Gefahr vergrößerte, (Angestellten-) Mitglieder zu verlieren. Diese Strategie wurde dadurch erleichtert, daß mit negativen Reaktionen aus der Gruppe der Arbeiter — etwa einem Austritt aus der ÖTV — kaum ernsthaft gerechnet werden mußte, da für diese Gruppe keine alternativen Organisationen bestehen.

Willensbildungsprozesse auf Arbeitnehmer-seite Ausgehend von der ÖTV läßt sich die Willensbildung auf Arbeitnehmerseite folgendermaßen darstellen:

1. Der geschäftsführende Hauptvorstand, dessen Verantwortlichkeit für Tarifbewegungen in der ÖTV-Satzung festgelegt ist, spricht eine Forderungsempfehlung aus. Diese wird auf den Mitglieder-und Vertrauensleuteversammlungen diskutiert, wobei die Funktionäre der Kreis-und Bezirksebene Einfluß nehmen können, u. a., indem sie die Abstimmung auf überbetrieblicher Ebene vornehmen. Diese Gruppen setzen organisationsintern weitgehend Vorstellungen der Gewerkschaftsführung durch.

Die Auseinandersetzung innerhalb der Mitgliedschaft scheint in verschiedenen Tarifrunden nicht besonders intensiv und kontrovers gewesen zu sein, obwohl seit Anfang der siebziger Jahre die Willensbildung unter hochgradiger Beteiligung der Mitglieder geschehen soll -Meinungsverschiedenheiten könnten sowohl hinsichtlich der Höhe (sog. maßvolle Forderungen bzw. zurückhaltende Forderungspolitik/sog. aktive Lohnpolitik) als auch hinsichtlich der Struktur(prozentuale, Festbetrags-oder Mischforderungen) auftreten.

Die nach dieser Forderungsdiskussion vom geschäftsführenden Hauptvorstand formulierte Beschlußempfehlung muß vom tarifpolitischen Beschlußgremium bestätigt werden, bevor sie offizielle Forderung wird. Die Große Tarifkommission hat satzungsgemäß die Aufgabe, den Hauptvorstand bei der Durchführung der allgemeinen Lohn-und Gehalts-bzw. Manteltarifverhandlungen zu beraten. Sie soll die Beschäftigten des Tarifbereichs ausreichend repräsentieren. Abstimmungsergebnisse innerhalb der Großen Tarifkommission sind in aller Regel nahezu einstimmig und bestätigen die Beschlußempfehlung des geschäftsführenden Hauptvorstandes.

Die resultierenden Forderungen stellen jeweils schon Kompromisse zwischen den verschiedenartigen Vorstellungen der Gruppen dar. Eine Zentralisierung des innerverbandli- chen Willensbildungsprozesses ist — ebenso wie in anderen Industriegewerkschaften — festzustellen. Der Hauptvorstand der OTV ist als das entscheidende Gremium im innergewerkschaftlichen Abstimmungsprozeß anzusehen. 2. Um mit identischen Zielvorstellungen in die Verhandlungen eintreten zu können, müssen die OTV-Forderungen frühzeitig mit denen der übrigen DGB-Gewerkschaften koordiniert werden, welche die Nebenverhandlungen im öffentlichen Dienst führen. Es handelt sich hierbei um die Deutsche Postgewerkschaft, die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Gewerkschaft Garten-bau, Land-und Forstwirtschaft sowie — seit 1978 — die Gewerkschaft der Polizei. Empfehlungen ihrer Vorstände sind weitgehend mit den endgültigen Forderungen identisch, d. h. die Tarifkommissionen folgen auch hier den Vorstellungen der Vorstände, die an der Basis diskutiert wurden. Bei Meinungsverschiedenheiten im zwischenverbandlichen Willensbildungsprozeß setzen sich normalerweise die Vorstellungen der OTV aufgrund des zahlenmäßigen Übergewichts durch, d. h. die OTV ist eindeutig als Lohnführergewerkschaft im öffentlichen Dienst anzusehen.

Im Verlauf der Tarifverhandlungen findet auch eine Abstimmung der Strategie (z. B. Einsatz von Streikdrohungen) zwischen den genannten Verbänden statt. Die Kooperation der DGB-Gewerkschaften ist nach dem Bruch der Verhandlungsgemeinschaft von OTV und DAG im Jahre 1976 noch enger geworden. Dieses Ausmaß der Koordinierung der Tarif-politik geht über das innerhalb des DGB ansonsten übliche Maß deutlich hinaus und ist insofern als Besonderheit des öffentlichen Dienstes anzusehen.

3. Seit einigen Jahren werden auch die Forderungen für den Tarifbereich, d. h. für Angestelle und Arbeiter, eng koordiniert mit denen für den Besoldungsbereich, d. h. für die Beamten. Bei der Übereinstimmung dieser Forderungen wird von der Einheit des öffentlichen Dienstes ausgegangen, d. h. gleiche Leistungen müßten auch gleich bezahlt werden. Der DGB-Bundesvorstand, Abteilung Beamte-öffentlicher Dienst, gibt seine Forderungs. empfehlung an die 176 DGB-Kreisbeamtenausschüsse weiter; er regt an, diese Empfeh. lung im Rahmen von Sitzungen der Kreisbeamtenausschüsse zu diskutieren sowie das Ergebnis an den Bundesvorstand weiterzugeben. Der Bundesbeamtenausschuß, in dem die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes vertreten sind, formuliert die endgültige DGB-Forderung. 4. Bis zum Bruch der Verhandlungsgemeinschaft von OTV und DAG im Jahre 1976 erfolgte der lohnpolitische Willensbildungsprozeß innerhalb der DAG in Gremien, die ähnlich wie die der OTV strukturiert waren. Seit 1977 erfolgt die Willensbildung innerhalb der Tarifgemeinschaft für Angestellte in deren gemeinsamer Tarifkommission, die aus 51 Mitgliedern besteht, wie weiter unten ausgeführt wird.

5. Die Verhandlungsergebnisse müssen später von der Großen Tarifkommission der OTV bestätigt werden. Die 24köpfige Verhandlungsdelegation empfiehlt Annahme oder Ablehnung des Arbeitgeberangebots; die Große Tarifkommission folgt in der Regel mit deutlicher Mehrheit dieser Empfehlung. Ähnliches gilt für die entsprechenden Gremien der übrigen beteiligten Gewerkschaften.

Zur Struktur der Tarifgemeinschaft für Angestellte Nach dem Bruch der Verhandlungsgemeinschaft von OTV und DAG im Sommer 1976 bildete die DAG im November 1976 mit dem Verband der angestellten Ärzte Deutschlands (Marburger Bund) und der nahezu 30 tariffähige Organisationen umfassenden Gemeinschaft der Gewerkschaften und Verbände des öffentlichen Dienstes (GGVÖD) eine neue „Tarifgemeinschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst“. Deren Ziel ist laut Tarifgemeinschaftsvertrag die „gemeinsame Vertretung der Interessen der im öffentlichen Dienst als Angestellte tätigen Mitglieder bei der tarif-vertraglichen Regelung der Gehalts-und der übrigen Arbeitsbedingungen".

Kontakte zwischen Tarifgemeinschaft und öffentlichen Arbeitgebern wurden aufgenommen; bereits an der Tarifrunde 1977 nahm der neue Verband teil. Durch diese demonstrative Anerkennung der neu gegründeten Tarifgemeinschaft als Tarifverhandlungspartner wurde der Konflikt auf Arbeitnehmerseite in-tensiviert, das Konfliktpotential beeinflußt und die Position des neuen Verbandes gegenüber der OTV gestärkt Die tarifpolitischen Grundsätze der Tarifgemeinschaft zielen — etwa durch Ablehnung von Festbetragsforderungen, Betonung einer sog. leistungsbezogenen Tarifpolitik und Forderung nach gesonderten Tarifverträgen für Angestellte — auf eine deutliche Abgrenzung von der Tarifpolitik der OTV. Diese Tendenz, die ebenfalls schon für die DAG galt, bezieht sich vor allem auf die Lohnstrukturpolitik. Eine Nivellierungspolitik würde organisationspolitischen Erfordernissen der Tarifgemeinschaft widersprechen und zudem eine Abgrenzung gegenüber den DGB-Gewerkschaften unmöglich machen.

Innerhalb der Tarifgemeinschaft besteht ein eindeutiges Übergewicht der DAG. So hat die DAG in der 51 Mitglieder starken gemeinsamen Tarifkommission, für deren Entscheidungen lediglich die einfache Mehrheit notwendig ist, mit 26 Sitzen die absolute Mehrheit gegenüber der GGVOD mit 19 und dem Marburger Bund mit sechs Vertretern. Weiterhin liegt die Geschäftsführung der Tarifgemeinschaft bei der DAG, die auch den Vorsitz in der Tarif-und Verhandlungskommission übernimmt sowie aufgrund bestehender Mehrheitsverhältnisse den Vorsitzenden der zentralen Streik-leitung stellt. Streiks dürfen nur nach gleich-lautenden Beschlüssen der Bundesvorstände aller Vertragspartner eingeleitet werden; bei Urabstimmungen gelten die üblichen Mehrheiten (Quoren).

Die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft ist verschiedentlich in Zweifel gestellt worden, da die Bereitschaft zum Streik nicht bei allen Mitgliedsverbänden gegeben ist. So hat der Marburger Bund erklärt, daß „Streiks im üblichen Sinne für Ärzte nicht möglich sind". Weiterhin ist angezweifelt worden, ob die drei Gemeinschaftsverbände einen Arbeitskampf finanziell durchstehen können. Im Falle eines Streiks wird es darauf ankommen, ob dessen Ziele von beiden Verbänden verfolgt werden. Ein von der Tarifgemeinschaft beabsichtigter Streik könnte nur dann erfolgreich sein, wenn die OTV ebenfalls zum Mittel des Arbeitskampfes greifen würde. Bei einem Streik der OTV dagegen wäre das Verhalten der Tarifgemeinschaft unerheblich für den Ausgang der Verhandlungsrunde. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß der überwiegende Teil der tatsächlich streikfähigen Arbeitnehmer in der OTV organisiert ist; Die OTV verfügt, da sie die überwiegende Mehrzahl der Arbeiter organisiert, über das erheblich größere Konfliktpotential. Die Streikbereitschaft der Angestellten ist deutlich geringer als die der Arbeiter.

Die Dominanz der ÖTV bei den Arbeitern ist unangefochten geblieben. Bei den Angestellten dagegen bildet die Tarifgemeinschaft ein erhebliches und im Vergleich zur Vergangenheit stärkeres Gegengewicht zur ÖTV: Die ÖTV organisiert nach eigenen Angaben ca. 400 000 Angestellte des öffentlichen Dienstes, die Tarifgemeinschaft ungefähr 260 000, wobei die zuletzt genannte Zahl aber wohl als zu hoch anzusehen ist. Auch in Zukunft ist Konkurrenz besonders hinsichtlich der Interessenvertretung der Angestellten zu erwarten. Unterschiedliche Forderungen sind mittel-und langfristig wahrscheinlicher als in der Vergangenheit, da beide Gewerkschaften versuchen werden, sich gegenüber Unorganisierten und den Mitgliedern des anderen Verbandes zu profilieren.

Die Machtverteilung zwischen den konkurrierenden Organisationen ist durch die Gründung der Tarifgemeinschaft insgesamt ausgeglichener als vorher; als Folge ist eine Intensivierung des Wettbewerbs zu erwarten. Für den Angestelltenbereich des öffentlichen Dienstes ergibt sich damit eine ähnliche Situation wie im privaten Dienstleistungsgewerbe zwischen der DGB-Gewerkschaft HBV und der DAG. 3. Zur Problematik des Verhandlungs-Systems Die ÖTV kann einerseits weder juristisch noch faktisch zu gemeinsamen Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft gezwungen werden; andererseits verbieten die bestehenden Regelungen über Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit einen Alleinvertretungsanspruch nur einer Organisation. Deshalb werden seit 1977 sog. Dreiecksverhandlungen zwischen Arbeitgebern und ÖTV einerseits sowie Arbeitgebern und Tarifgemeinschaft andererseits geführt. Diese Regelung ist eine Besonderheit des öffentlichen Dienstes. In der überwiegenden Mehrzahl der Tarifbereiche der Privatwirtschaft (u. a. Metall, Chemie) schließen die Arbeitgeber zunächst einen Tarifvertrag mit der zuständigen Industriegewerkschaft ab. Das Ergebnis der anschließend mit der DAG geführten (Schein-) Verhandlungen ist durch den vorangegangenen Abschluß bereits deutlich festgelegt. Die einzige Ausnahme bildet das private Dienstleistungsgell werbe, in dem die DAG über ihr bedeutendstes organisationspolitisches Potential verfügt und als ernsthafter Konkurrent der HBV anzusehen ist

Durch die Dreiecksverhandlungen ist das Verfahren für alle Beteiligten erheblich verkompliziert worden. Mögliche Folgen sind zeitliche Verzögerungen, erhöhte Umständlichkeit und Erschwerung der Verhandlungen; auch zusätzliche Informations-und Kommunikationsprobleme treten auf. Auf Arbeitnehmer-seite zeigten bereits die ersten Verhandlungsrunden erhebliche Meinungsverschiedenheiten, da zwischen den Organisationen keinerlei Kontakte mehr bestanden, obwohl diese zur gegenseitigen Information überaus nützlich gewesen wären. Die Arbeitgeberseite wird durch eine Kommission repräsentiert, die nacheinander mit OTV und Tarifgemeinschaft verhandelt, d. h. alle Gespräche doppelt führen muß.

Die Arbeitgeber müssen — bei möglicherweise unterschiedlichen Forderungen — zu gleich hohen Abschlüssen mit beiden Verhandlungspartnern kommen. Bei differierenden Abschlüssen würden unterschiedliche Bezahlungen für gleiche Tätigkeiten auftreten, was nicht toleriert werden kann. Diese Unmöglichkeit isolierter Abschlüsse wird höhere Ansprüche an die Kompromißfähigkeit des Tarifverhandlungssystems stellen. Falls die Tarifgemeinschaft bereit ist, ein bestimmtes Arbeitgeberangebot anzunehmen, die OTV dieses jedoch ablehnt, kommt kein Abschluß zustande: Die OTV wäre in der Lage, ihre Forderung — gegebenenfalls mit Hilfe von Ar-'beitskampfmaßnahmen — durchzusetzen. Wenn die OTV ein Arbeitgeberangebot akzeptiert, muß die Tarifgemeinschaft ebenfalls abschließen, da sonst eine Verschiebung der Mitgliederrelationen zu ihren Ungunsten zu erwarten wäre.

Eine Möglichkeit innerhalb der Dreiecksverhandlungen besteht darin, daß die Tarifgemeinschaft ihr strategisches Forderungs-und Verhandlungsverhalten dem der OTV anpaßt, d. h. eine gewisse Dominanz der OTV faktisch anerkennt. Dies würde darauf hinauslaufen, daß die Tarifgemeinschaft weniger die Rolle eines echten Verhandlungs-als vielmehr die eines Informationspartners übernehmen würde. Die Tarifgemeinschaft könnte versuchen, diesen Zusammenhang vor ihren Mitgliedern und vor der Öffentlichkeit nicht deutlich werden zu lassen, indem sie das Verhalten der OTV antizipiert und ihre Forderungen hinsichtlich Höhe und Struktur anpaßt. Es muß jedoch davon ausgegangen werden, daß die Struktur der Dreiecksverhandlungen von drei Akteuren bestimmt wird: Die OTV hat zu berücksichtigen, daß verschiedene Vorstellungen von Arbeitgebern und Tarifgemeinschaft sehr ähnlich sind (u. a. Ablehnung von Nivellierungsprozessen und -tendenzen bzw. Betonung des Leistungsprinzips durch sog. leistungsbezogene Tarifpolitik). Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß das Ausmaß innerverbandlicher Auseinandersetzungen über Höhe und Struktur von Forderungen nicht nur von organisationspolitischen Faktoren abhängt, sondern auch von der ökonomischen SituationrBei geringer werdenden Konzessionsspielräumen infolge verringerten Wirtschaftswachstums bzw. Stagnation werden innerverbandliche Konflikte härter, und die Willensbildung wird erschwert. Derartige Entwicklungen sind in den letzten Jahren in verschiedenen Industriegewerkschaften festzustellen. Schließlich ist das Ausmaß innerorganisatorischer Konflikte auch abhängig von der politischen Konstellation. -Wenn starke Mitglieder-und/oder Funktionärsgruppen die (Tarif-) Politik der Regierung unterstützen, ist eher mit innerverbandlichen Auseinandersetzungen zu rechnen. In den vergangenen Jahren ist wiederholt behauptet worden, daß verschiedene Gewerkschaftsvorstände eine derartige Position eingenommen haben.

III. Das System der Besoldungsverhandlungen: Zur Interessenpolitik von Beamtenverbänden

Der nachfolgende Teil stellt sich die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Festsetzung der Beamtenbesoldung transparent zu ma-chen Darüber hinaus will er einen Beitrag leisten zu dem Problem der Einflußmöglich-keiten von Interessenverbänden im öffentlichen Dienst 1. Einflußnahme durch Interessenverbände Gesetzlich vorgeschriebene und tatsächliche Partizipation Wie bereits erwähnt, können die Beamtenorganisationen DBB und DGB die Interessen ihrer Mitglieder nicht über Tarifverhandlungen und notfalls mit Hilfe von Streikdrohungen und Streiks, durchsetzen. Daher wird ihre Einflußnahme durch lobbying um so wichtiger. Eine Möglichkeit, und zwar die formal-juristische, besteht darin, daß die Beamtenverbände über gesetzlich verankerte Anhörungsrechte verfügen, welche ihnen Einwirkungschancen und Einflußmaßnahmen bei einer ganzen Reihe für sie wichtiger Probleme ermöglichen: Bei der Vorbereitung von Besoldungsneuregelungen ist ebenso wie bei anderen Gesetzesänderungen die Anhörung der Beamtenverbände durch das Bundesinnenministerium erforderlich, welches im Verfahrensverlauf eine zentrale Position einnimmt.

Informelle Treffen zur Vorbereitung der eigentlichen Beteiligungsgespräche haben die Aufgabe, Meinungen und Vorstellungen der Verbände bereits frühzeitig in Erfahrung zu bringen. Danach leitet die Bundesregierung den von Beamten der Ministerialbürokratie vorbereiteten Gesetzentwurf den Spitzenverbänden zwecks Stellungnahme zu. Nach den verbandsinternen Abstimmungen finden einmal oder mehrfach Beteiligungsgespräche statt, welche durchaus zu Revisionen (innerhalb) des Gesetzentwurfs führen. Der nächste Verfahrensschritt ist die Entscheidung des Kabinetts über den (geänderten) Gesetzentwurf. Anschließend muß — bei zustimmungspflichtigen Gesetzen — der Bundesrat beschließen; die Zustimmung des Bundestages ist auf jeden Fall erforderlich.

Die Anhörungsrechte von DBB und DGB beschränken sich formal auf die Phase der Gesetzesvorbereitung. Diese juristische Regelung beinhaltet jedoch nicht, daß später keinerlei Einflußchancen mehr existieren. So ist der Anteil der öffentlich Bediensteten an den Parlamentsmitgliedern überproportional hoch, wodurch Kontakte auch zu den übrigen Parlamentariern erleichtert werden. Weiterhin dienen Gespräche der Verbandsfunktionäre mit Spitzenpolitikern, u. a.dem Bundeskanzler, den Fraktionsvorsitzenden und führenden Mitgliedern der beteiligten Ausschüsse, der Interessendurchsetzung.

Damit ergeben sich nicht nur bei der Vorbereitung und Beratung der Gesetzesvorlagen, sondern auch bei der Formulierung der Endfassung und selbst bei der parlamentarischen Entscheidung Möglichkeiten (der Beeinflussung, die formaler und/oder informeller Natur sind. Zwar existiert rein juristisch lediglich ein Konsultations-und Anhörungsrecht bei der Gesetzesvorbereitung; faktisch sind die Einflußnahmen der Interessenverbände jedoch wesentlich weitergehend.

Diese Einflußnahme durch lobbying ist überaus effektiv im Sinne der Beamtengruppe. Mit anderen Worten: Konflikte im Besoldungsbereich werden nicht — wie sonst üblich — von tarifpolitischen Machtpositionen her ausgetragen, d. h. unter Einsatz von Streik und Streikdrohung, sondern mit politischen Mitteln wie lobbying durch Interessenorganisationen.

Gruppenspezifische Verbesserungen durch Strukturmaßnahmen Bisher sind ausschließlich die formalen und informellen Einflußmöglichkeiten analysiert worden, die von besoldungspolitischer Bedeutung für die Gesamtgruppe der Beamten sind. Darüber hinaus gibt es wichtige, auf einzelne Gruppen innerhalb der Beamtenschaft gerichtete Möglichkeiten von Einflußnahmen. Hierbei sind weniger die Spitzenverbände als vielmehr die betreffenden Berufsverbände wichtig, während vor besoldungspolitischen Entscheidungen die Dachverbände durch lobbying Einfluß nehmen.

Im öffentlichen Dienst wurden kollektive Höhergruppierungen vorgenommen, die sogar bedeutender als individuelle sein konnten: Einzelne Lehrergruppen gelangten in mehreren Bundesländern in höhere Besoldungsgruppen, verschiedene Gruppen von Polizeibeamten wurden in bestimmten Bundesländern höhergestuft, gleiches galt für Absolventen der Höheren Technischen Lehranstalten sowie bei kommunalen Neugliederungen.

Zu den strukturellen Verbesserungen gehören neben diesen kollektiven Höherstufungen ohne Änderung der Tätigkeitsinhalte auch schnellere Beförderungen, Dienstalterszulagen, Familien-und Sozialzuschläge. Sie sind neben den Besoldungserhöhungen und der Zunahme von Planstellen sogar die dritte entscheidende Determinante der Einkommens-entwicklung im öffentlichen Dienst.

Strukturelle Verbesserungen werden getrennt von Tarif-und Besoldungserhöhungen durchgeführt. Sie bleiben daher in der Öffentlichkeit entweder weitgehend unbemerkt oder werden erst im nachhinein bekannt. Die für die öffentlichen Haushalte zusätzlich zu Tarif-und Besoldungszuwächsen entstehenden Kosten werden kaum erwähnt. Wegen dieses geringen Grades an Offenheit ist es andererseits auch für Bund, Länder und Gemeinden einfacher, derartige Verbesserungen zu ermöglichen als Besoldungserhöhungen zuzugestehen, die in der Öffentlichkeit stärker diskutiert werden.

Das wesentliche Resultat dieser Entwicklung ist eine zunehmende personelle Verdichtung in den höchsten Laufbahnstufen des einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienstes. Dieser Trend, der besonders im Besoldungsbereich eingetreten ist, ist vor allem bei der Ministerialbürokratie, jedoch auch bei Ländern und Gemeinden festzustellen.

Die Verbesserung des materiellen Status einzelner Gruppen hat regelmäßig analoge Forderungen vergleichbarer anderer Gruppen zur Folge, so daß eine Sogwirkung entsteht, die von den Interessenverbänden zur Durchsetzung weiterer Forderungen genutzt wird

Dieser Trend wird dadurch verstärkt, daß der Anteil der Beamten an den Mitgliedern aller westdeutschen Parlamente überdurchschnittlich hoch ist, wie oben bereits erwähnt wurde.

Die bisher angestellten Überlegungen können unter Berücksichtigung konjunktureller Bedingungen differenziert werden: Sowohl kollektive Höherstufungen als auch globale Gehaltserhöhungen lassen sich vor allem in Phasen florierender Konjunktur durchsetzen, wie die Entwicklung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre in der Bundesrepublik deutlich gezeigt hat. Zwar bleiben auch in Situationen ökonomischer Unsicherheit die aufgezeigten Einflußmöglichkeiten der Interessenorganisationen bestehen, aber die Möglichkeiten, kollektive Höherstufungen durchzusetzen, werden geringer. Wirksam verhindert wird durch diese Interessenpolitik jedoch selbst in diesen Situationen ein möglicher Abbau von Leistungen (z. B. Streichung von Stellenzulagen). 2. Die Bedeutung tarifvertraglicher Regelungen für die Besoldungspolitik Vom DGB werden Tarif-und Besoldungsrunden als Einheit betrachtet; dies beinhaltet die Übertragung der Tarifverhandlungsergebnisse in die Besoldungsneuregelungsgesetze. Der DBB dagegen betont die Eigenständigkeit der Besoldungs-gegenüber der Tarifpolitik. Er lehnt die Vereinbarung von — im Tarifbereich in den siebziger Jahren mehrfach ausgehandelten — Sockelbeträgen ab mit der Begründung, daß diese dem Leistungsprinzip zuwiderlaufende Regelung mit den Grundsätzen des Beamten-und Besoldungsrechts nicht zu vereinbaren sei; statt dessen werden rein lineare Erhöhungen gefordert.

Zumindest im letzten Jahrzehnt wurden die im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes vereinbarten Verbesserungen in die Besoldungsneuregelungsgesetze übernommen, so daß keine wesentlichen materiellen Verschlechterungen der Beamten gegenüber den anderen Gruppen festzustellen sind. Mit anderen Worten: Die alternativen Formen der Einkommensregelung (Tarif-bzw. Gesetzesmodell) führten zu sehr ähnlichen Ergebnissen, wobei der dominierende Einfluß von dem Tarifbe-reich ausging. Dies ist nicht verwunderlich, da die Handlungsalternativen der Gewerkschaften im Tarifbereich das kollektive Druckmittel des Streiks einschließen.

Die Besoldungserhöhungen werden regelmäßig nach Abschluß der Tarifverhandlungen beschlossen, obwohl die umgekehrte Reihenfolge durchaus möglich wäre. Diese Vorbestimmung von Besoldungserhöhungen durch tarifpolitische Entscheidungen wird nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses, sondern bereits bei der Formulierung der Forderungen deutlich: Auch die Beamtenorganisationen melden ihre Ansprüche relativ früh an, jedoch zumeist erst dann, wenn die Forderungen für den Tarifbereich bereits erhoben worden sind. Die Interessenverbände der Beamten übernehmen die Vorstellungen weitgehend, wobei sich Unterschiede lediglich in der Struktur, nicht jedoch im Volumen der Forderungen ergeben. Diese Signalwirkung tarifpolitischerEntscheidungen für den Besoldungsbereich gilt nicht nur bei Lohn-bzw. Besoldungserhöhungen, sondern auch bei anderen Bereichen, wie sich anhand von Beispielen zeigen läßt (u. a. Erhöhung des Weihnachtsgeldes von zwei Dritteln auf ein volles 13. Monatsgehalt im Jahre 1973, Verkürzung der Arbeitszeit von 42 auf 40 Stunden im Herbst 1974). 3. Stimmenmaximierungskalküle der Politiker und Drohpotential der Interessenverbände Politiker stellen Stimmenmaximierungskalküle an, weil ihr Ziel der Gewinn der nächsten Wahl ist Damit ist eine Abhängigkeit der Politiker vom Wahlmechanismus gegeben. Die entsprechende Überlegung gilt für Wähler, die durch ihre Wahlentscheidung ihren Nutzen maximieren wollen, indem sie diejenige Partei wählen, deren Programm ihren eigenen Interessen am nächsten steht.

Die im öffentlichen Dienst beschäftigten Wähler bzw. ihre Interessenverbände können also die „politischen Kosten" der Politiker erhöhen, indem sie — wegen ihrer Meinung nach zu geringer Besoldungserhöhungen — mit Stimmentzug drohen. Eine so erzielte Besserstellung wird von den übrigen Wählern, deren Interessen die Politiker ebenfalls zu berücksichtigen haben, nicht durch Stimmentzug bestraft: Sie sind nicht direkt von der Regierungsentscheidung betroffen. Weiterhin sind sie in der Regel uninformiert und nicht sonderlich stark interessiert an der spezifischen Einkommens-entwicklung im öffentlichen Dienst.

Da die Arbeitgeber im öffentlichen Sektor nicht primär am Profit orientiert sind, kann ihnen — im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern — nicht wirksam die Zufügung ökonomischen Schadens — zumeist in Form eines Streiks — angedroht werden. Der aus der Privatwirtschaft bekannte Mechanismus der Drohung bleibt erhalten, wird jedoch anders vermittelt, indem der Regierung politischer Schaden angedroht wird. Dies bedeutet, daß im öffentlichen Dienst, wo ökonomische Druckmittel weitgehend fehlen, politische Elemente die zentrale Funktion von Druckmitteln übernehmen. Diese stets vorhandene Drohmöglichkeit wird in Einzelfällen sogar offen ausgesprochen (November 1969, Januar 1975, Herbst 1975, Januar 1980). Sie wird von Verbandsfunktionären — und weniger von einzelnen Mitgliedern — eingesetzt, da diese eher das Wahlverhalten der Verbandsmitglieder beeinflussen können. Bei den Politikern wird der Effekt der Drohung mit Stimmentzug häufig durch deren Annahmen verstärkt, daß — derartige Stimmblöcke wirklich existieren, — Angehörige dieser Gruppe als „Meinungsmacher” auftreten können, — der Stimmanteil dieser Gruppe durch Familienmitglieder vergrößert werden kann.

Die Androhung des Stimmentzugs bleibt getrennt von ihrer möglichen Realisierung bei Wahlen, d. h. im öffentlichen Dienst ist der Realitätsgehalt der Drohung schwieriger abzuschätzen als in der Privatwirtschaft: Drohungsankündigung und -ausführung liegen zeitlich weiter auseinander; zudem macht das Prinzip der geheimen Wahl eine Kontrolle des empirischen Gehalts der Drohung unmöglich. Fazit: Die nicht-tarifverhandlungs-bzw. nichtstreikberechtigte Gruppe der Beamten verfügt neben der formalen und informellen Einflußnahme von Interessenverbänden über das weitere Druckmittel der Drohung mit Stimmentzug. Dieses braucht keineswegs weniger wirksam zu sein als die (Streik-) Drohung der tarif-fähigen Arbeitnehmer. Insbesondere bei den in der Bundesrepublik seit mehreren Wahlperioden chronisch knappen Mehrheitsverhältnissen wird jede Regierung die Forderungen der quantitativ bedeutenden Gruppe der Beamten nicht unberücksichtigt lassen können. In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu berücksichtigen, daß die Regierung sich aus Gründen der Effektivität und Produktivität des öffentlichen Dienstes die Loyalität der Beamten grundsätzlich erhalten muß: Beamte als Leistungsträger öffentlicher Verwaltung können der Regierung schon durch strikt legales Verhalten (z. B. go slow, Bummelstreik, Dienst nach Vorschrift, kollektive Krankmeldungen) Schaden zufügen, indem sie die Bereitstellung von Sachgütern und Dienstleistungen beeinträchtigen, was zur Verärgerung bei den Konsumenten (Wählern) führen kann. Somit ergeben sich bereits unterhalb der Schwelle des Stimmentzugs zahlreiche Möglichkeiten, Druck auf Politiker auszuüben, um Gruppeninteressen durchzusetzen. 4. öffentlich Bedienstete als Parlamentarier und der Einfluß der Ministerialbürokratie Es kann bei der Besoldungsfestsetzung zu Interessenkonflikten kommen, da Besoldungsgesetze durch eben die Parlamente verabschiedet werden, in denen der Prozentsatz der Angehörigen des öffentlichen Dienstes überproportional hoch ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Ihr Anteil an den Mitgliedern des Bundestages hat sich seit 1949 kontinuierlich erhöht und liegt gegenwärtig bei über 40 % in den Landesparlamenten sind z. T. noch deutlichere Entwicklungen in dieser Hinsicht festzustellen.

Diese Verbeamtungstendenz setzt sich in den Ausschüssen fort: Im 7. Deutschen Bundestag etwa stammten von den 27 Mitgliedern des Innenausschusses, der für Beamtenfragen zuständig ist, 15 aus dem öffentlichen Dienst; in der 8. Legislaturperiode waren es 18. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß etwa in Parlamentsvorlagen spezifische Gruppeninteressen eingehen, die als solche kaum noch erkennbar sind, weil sie häufig in sachlich-objektiver Verkleidung erscheinen. Da der Innenausschuß wesentlich an der Beamtengesetzgebung beteiligt ist, ergeben sich für die Spitzenorganisationen — etwa durch Hearings — weitere Möglichkeiten, auf den Gesetzgebungsprozeß Einfluß zu nehmen.

Darüber hinaus besteht schon im Prozeß der Gesetzesvorbereitung der Einfluß der Ministerialbürokratie, deren Angehörige Beamte sind und insofern den Interessen dieser Gruppe wohlwollend gegenüberstehen. Die Bürokratie verfügt aufgrund ihrer Spezialisierung über alle wichtigen Detailkenntnisse. Diese Informationsüberlegenheit wird verstärkt, weil die Interessenverbände durch ihre Argumentation unterstützend wirken. Für Politiker existieren allgemeine Informationsprobleme, die mit der Ministerialbürokratie im Rahmen einer — von den Politikern kaum kontrollierbaren — Verhaltensabstimmung „bewältigt" werden

5. Die öffentliche Meinung

Kritik am öffentlichen Dienst und Reaktion der Verbände Zu den bisher kaum analysierten Bestimmungsgrößen von Tarif-und Besoldungsentscheidungen gehört die Öffentlichkeit, hier verstanden als veröffentlichte Meinung. In der Privatwirtschaft werden lediglich die quantitativ bedeutenden Tarifbewegungen — etwa im Bereich der IG-Metall — von der Öffentlichkeit registriert; ihr besonderes Interesse gilt dem öffentlichen Dienst, weil die Wähler als Steuerzahler betroffen sind.

Seit der ökonomischen Krise Anfang der siebziger Jahre hat sich die Kritik am öffentlichen Dienst erheblich verstärkt -Falls Besol-dungserhöhungen Gegenstand der Kontroverse sind, tritt die öffentliche Meinung global für eine möglichst geringe zusätzliche Belastung der öffentlichen Haushalte ein. Dies geschieht vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität und wachsender Arbeitslosigkeit. Bereits bei der bloßen Ankündigung von Forderungen werden diese als ungerechtfertigt bzw. überhöht bezeichnet. Die Interessenorganisationen — vor allem der DBB — versuchen, diese seit geraumer Zeit zunehmende Kritik zu entkräften. So wird u. a. eine intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben, und umfangreiche Publikationen werden vorgelegt. Die jährlich stattfindenden Arbeitstagungen des DBB haben vor allem die Funktion, geäußerte Kritik öffentlich zu widerlegen. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie der jeweilige Bundesinnenminister nehmen regelmäßig an diesen Veranstaltungen teil. Sie geben häufig Stellungnahmen zu Beamtenproblemen im allgemeinen sowie zu Fragen der Besoldungs-und Tarifpolitik im besonderen ab. Politiker sind hierbei dem Druck ausgesetzt, gruppenspezifisch günstige Änderungen anzukündigen, auf die später von den Interessenverbänden Bezug genommen wird.

Zur Verrechtlichung der Diskussion

Die von den Interessenorganisationen der Beamten, vor allem vom DBB, betriebene Ver rechtlichung der Diskussion durch Berufung auf sog. allgemeine „Rechtsgrundlagen des Beamtenverhältnisses" oder „hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums" gemäß Art. 33 IV GG verhindert weitgehend eine inhaltlich-politische Auseinandersetzung Analog zu diesem problematischen Umgang mit Verfassungsgrundsätzen wird bei Forderungen nach Besoldungserhöhungen verfahren: Der DBB verweist häufig auf den vom Bundesverfassungsgericht im Jahre 1958 vertretenen und „gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsanspruch auf Anpassung der Bezüge an die allgemeine Einkommensentwicklung ohne Einkommensverzichte oder Sonderbelastungen"! Insgesamt: Die Bedeutung der Öffentlichkeit ist nicht zu überschätzen. Sie ist geringer als etwa die Einflußnahme durch lobbying seitens der Interessenverbände oder das Stimmenmaximierungskalkül der Politiker. Im wesentlichen verhindert sie eine Überbesoldung, d. h„ sie wirkt in eine andere Richtung als die Mehrzahl der übrigen genannten Einflußgrößen. Andere, in der Privatwirtschaft vorhandenen Barrieren existieren im öffentlichen Dienst nicht (z. B. allgemeines oder betriebsbezogenes Arbeitsplatzrisiko, Aussperrungsmöglichkeit der Arbeitgeber, Preisbildung auf Faktormärkten).

IV. Fazit

Die beiden einleitend genannten Formen der Interessenvertretung innerhalb des öffentlichen Dienstes (Tarif-bzw. Gesetzesmodell) sind in bezug auf die Resultate weitgehend gleichwertig. Auch im Besoldungsbereich hat eine starke Institutionalisierung des (Verteilungs-) Konflikts stattgefunden, wobei jedoch ökonomischer und politischer Konflikt nicht ausdrücklich getrennt werden können.

Eingangs ist bereits erwähnt worden, daß sich die Beamten bisher weitgehend an das nach herrschender Rechtsprechung und -lehre bestehende Streikverbot gehalten haben. Dies wird nunmehr u. a. dadurch erklärbar, daß ihre Interessenverbände die gruppenspezifischen Ziele recht effektiv mit Hilfe politischer Mittel verfolgen können. Damit wird auch verständlich, daß der DBB im Rahmen der Diskussion um eine Reform des öffentlichen Dienstrechts für die Beibehaltung des existierenden Streik-verbots eintritt, d. h. auf ein allen anderen Ar-beitnehmern garantiertes Rechts ausdrücklich verzichtet.

Es bleibt die einkommenspolitisch wichtige Frage, wie sich die Einkommen der Beamten entwickeln würden, wenn auch für diese Gruppe ein ausdifferenziertes System von Tarifverhandlungen vorhanden wäre. Diese Frage ist ebenfalls von erheblicher Bedeutung im Rahmen der seit Ende der sechziger Jahre diskutierten Reform des öffentlichen Dienstes Statt der längst fälligen strukturellen Reform werden immer wieder nur punktuelle Änderungen vorgenommen, da fast alle existierenden Vorschläge eine Grundgesetzänderung voraussetzen, die bei den gegenwärtigen politischen Kräfteverhältnissen nicht zustande kommen wird. Aufgrund der hier angestellten Überlegungen läßt sich daher die These formulieren, daß sich auch im Falle von Tarifverhandlungen für die Beamten keine wesentlichen Veränderungen der Einkommensrelationen ergeben würden.

Zumindest innerhalb der akademischen Diskussion besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß die nur unter Berücksichtigung ihrer historischen Entwicklung erklärbare dienst-rechtliche Dreiteilung der öffentlich Bediensteten sich im modernen demokratischen Sozialstaat von der Funktion her kaum noch rechtfertigen läßt und aus der Aufgabenstel lung nicht mehr ableitbar ist Nur eine verschwindend geringe Zahl von Beamten nimmt noch hoheitliche Befugnisse wahr (Funktionsvorbehalt); viele Beamte sind mit Tätigkeiten befaßt, die nicht als Ausübung von Hoheitsfunktionen bezeichnet werden können. Andererseits werden Nicht-Beamte mit ähnlichen oder sogar denselben Dienstleistungsfunktionen betraut wie Beamte. Die Entscheidung darüber, ob ein arbeits-oder ein dienstrechtliches Verhältnis eingegangen wird, fällt oft nach haushaltspolitischen und nicht nach funktionalen Gesichtspunkten. Angestellten-verträge unterliegen nicht den strengen und starren Zugangs-, Besoldungs-und Laufbahn-bestimmungen des Beamtenrechts.

Von den materiellen und sozialen Bedingungen her haben sich die verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse zunehmend angeglichen: Einerseits hat der Gesetzgeber zunehmend relevante Elemente tarifvertraglicher Vereinbarungen in das Beamtenrecht übernommen (u. a. Teilzeitbeschäftigung, Überbrückungszahlungen, Überstundenvergütung, Vermögensbildung, Weihnachtsgratifikation). Andererseits haben sich die Gewerkschaften erfolgreich um die Übernahme beamtenrechticher Regelungen bemüht (u. a. Beihilferegelungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Altersvervorgung, Bewährungsaufstieg, Unkündbarkeit). Diese Entwicklung ist nicht zuletzt als Resultat der Politik der Interessenorganisationen anzusehen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der DBB hatte Ende der siebziger Jahre mehr als 800 000 Mitglieder. Enthalten sind in dieser Ziffer ca. 60 000 Angestellte und Arbeiter sowie nahezu 100 000 Ruhestandsbeamte, Witwen und Waisen. Bei der hohen Zahl von Mitgliedsverbänden sind auch Doppelmitgliedschaften wahrscheinlich. Die Mitgliederzahl ist mehrfach leicht rückläufig gewesen, später jedoch immer wieder gestiegen. — Sieben der 17 im DGB zusammengeschlossenen Industriegewerkschaften haben Mitglieder, die Beamte sind. Ende der siebziger Jahre waren mehr als 830 000 Beamte, d. h. mehr als die Hälfte der Angehörigen dieser Gruppe, in DGB-Gewerkschaften organisiert.

  2. Vgl. zusammenfassend: Josef Isensee, Beamten-streik. Zur rechtlichen Zulässigkeit des Dienstkampfes, Bonn-Bad Godesberg 1971; Werner Reuss, Grenzen der Streikfreiheit im öffentlichen Dienst, in: öffentlicher Dienst. Festschrift für Hermann Ule, hrsg. von K. König, H. -W. Laubinger, F. Wagener, Köln 1977, S. 417— 435. Abweichende Meinungen zu diesem Problem vertreten vor allem: Wolfgang Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, Tübingen 19722, Thilo Ramm, Das Koalitions-und Streikrecht der Beamten, Köln 1970.

  3. Die OTV hatte im Jahre 1979 ca. 1, 12 Millionen Mitglieder; sie ist damit nach der IG Metall (2, 7 Millionen) und vor der IG Chemie (525 000) die zweitgrößte der DGB-Gewerkschaften.

  4. Vgl. hierzu: Hansjörg Weitbrecht, Wirkung und Verfahren der Tarifautonomie. Ein soziologischer Vergleich zum Konflikt der Tarifpartner in Wirtschaft und öffentlichem Dienst, Baden-Baden 1973; Projektgruppe Gewerkschaftsforschung, Rahmenbedingungen der Tarifpolitik, Bd. 3: Strukturdaten des öffentlichen Dienstes, Frankfurt-New York 1978.

  5. Von den diesbezüglich wichtigen neueren Arbeiten, die jeweils zahlreiche Literaturhinweise auf ältere Beiträge enthalten, seien genannt: Joerg Jung, Die Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstes. Eine Untersuchung über die Veränderungen der Personalstruktur im öffentlichen Dienst und die Verankerung des Berufsbeamtentums im Grundgesetz, Berlin 1971; Walter Wiese, Der Statsdienst in der Bundesrepublik Deutschland. Grundlagen, Probleme, Neuordnung, Neuwied-Berlin 1972; Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bericht der Kommission, Baden-Baden 1973; öffentlicher Dienst. Festschrift für Carl Hermann Ule, hrsg. von K. König, H. -W. Laubinger, F. Wagener, Köln 1977; Walter Rudolf, Frido Wagener, Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart. Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Bonn vom 4. bis 7. Oktober 1978, Berlin-New York 1979.

  6. Vgl. zum Problem von Arbeitskämpfen im öffentlichen Dienst: Berndt Keller, Zu einer Theorie der Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Sektor, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik, Jg. 22 (1977), S. 116ff; Berndt Keller, Sozialwisschaftliche Probleme von Arbeitskonflikten im öffentlichen Dienst, in: Zeitschrift für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, 1980, Heft 6, S. 615— 644.

  7. „Die Politik einer Industriegewerkschaft ist das Resultat der Aggregation unterschiedlicher Teilinteressen und ihrer Transformation in ein einheitliches Gesamtinteresse, das gegenüber den in es eingegangenen Partikularinteressen auf spezifische Weise abgehoben ist." Wolfgang Streeck, Gewerkschaftsorganisation und industrielle Beziehungen. Einige Stabilitätsprobleme industriegewerkschaftlicher Interessenvertretung und ihre Lösung im westdeutschen System der industriellen Beziehungen, in: Sozialer Wandel in Westeuropa. Verhandlungen des 19. Deutschen Soziologentages, hrsg. von J. Matthes, Frankfurt-New York 1979, S. 208.

  8. Vgl. zum Problem von horizontaler und vertikaler Verteilungsstruktur: Hartmut Pfromm, Konflikte solidarischer Lohnpolitik. Zur ökonomischen und sozialen Problematik tarifpolitischer Lohnstrukturnivellierung, Göttingen 1975, S. 56ff.

  9. Vgl. Gerhard Weiß, Die ÖTV. Politik und gesellschaftspolitische Konzeptionen der Gewerkschaft ÖTV von 1966 bis 1976, Marburg 19782, S. 58ff.

  10. Exemplarisch wird dies verdeutlicht in einer interessanten und aufschlußreichen Fallstudie über die Tarifrunde des Jahres 1977: Projektgruppe Gewerkschaftsforschung, Tarifpolitik 1977, Frankfurt-New York 1978, S. 61— 68, S. 216 ff., hier bes. S. 229ff. Ähnlich zur Tarifrunde des Jahres 1978: Projekt-gruppe Gewerkschaftsforschung, Tarifpolitik 1978: Lohnpolitische Kooperation und Absicherungskämpfe, Frankfurt-New York 1980, S. 293.

  11. „Empirische Analysen des tarifpolitischen Willensbildungsprozesses in der IGM verweisen auf einen starken Einfluß des Hauptvorstandes von der ersten Diskussion in der Tarifkommission bis hin zum Abschluß des Tarifvertrags.“ Joachim Bergmann, Organisationsstrukturen und innergewerkschaftliche Demokratie, in: Beiträge zur Soziologie der Gewerkschaften, hrsg. von J. Bergmann, Frankfurt 1979, S. 215.

  12. Vgl. Willi Bredemeier, Lohnbestimmung durch organisationspolitische Größen, Berlin 1976, S. 305ff.

  13. Vgl. hierzu: Berndt Keller, Zur politischen Ökonomie der Besoldungsbeziehungen, in: Jahrbuch für SozialWissenschaft. 1979, Heft 3, S. 358— 381; ders., Zur Interessenpolitik von Beamtenverbänden, in: Zeitschrift für Soziologie, 1980, Heft 2, S. 194- 212. Vgl. zur Beamtenproblematik allgemein: Thomas Ellwein, Ralf Zoll, Berufsbeamtentum - Anspruch und Wirklichkeit, Düsseldorf 1973; Volker Heer, Beamtenbesoldung in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklung, Struktur, Problematik, Theorie, Frankfurt-Zürich 1975; Thomas Ellwein, Gewerkschaften und öffentlicher Dienst Zur Entwicklung der Beamtenpolitik des DGB, Opladen 1980; Hans Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, Köln 1980.

  14. Vgl. hierzu u. a.: Klaus von Beyme, Interessengruppen in der Demokratie, München 1974* Macht der Verbände — Ohnmacht der Demokratie, hrsg. von W. Dettling, München 1976; Verbände und Staat. Vom Pluralismus zum Korporatismus. Analysen, Positionen, Dokumente, hrsg. von U. v. Alemann, R. G. Heinze, Opladen 1979; Jürgen Weber, Die Interessengruppen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart-Berlin 19802.

  15. Der Bund der Steuerzahler spricht vom „Grundmuster einer Aufschaukelung": „Eine spezielle, zunächst begrenzte Gruppe von Bediensteten erreicht aufgrund vermeintlicher Benachteiligungen eine besoldungsrechtliche Verbesserung. Andere Gruppen von Bediensteten drängen nun ihrerseits darauf, diesen finanziellen Vorteil ebenfalls zu erlangen, mit dem Hinweis, daß sie ebenso berechtigt seien, und daß es ungerecht sei, wenn sie schlechter gestellt werden. Es dauert dann in der Regel nicht lange, bis Gruppe für Gruppe ihre jeweilige Forderung durchsetzen kann. Am Ende dieses Prozesses sind alle Gruppen wieder gleichgestellt, allerdings auf einem höheren Niveau. Damit hat die vermeintlich benachteiligte Gruppe den Weg für eine allgemeine besoldungsrechtliche Verbesserung geebnet". Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Die Ministerialzulage — ein ungerechtfertigtes Privileg, Wiesbaden 1980, S. 10.

  16. Derartige Überlegungen werden vor allem innerhalb der Forschungsrichtung der Neuen Politischen Ökonomie angestellt, welche die traditionelle Trennung von Ökonomik und Politikwissenschaft aufzuheben versucht, indem sie das Instrumentarium der Wirtschaftstheorie auf politische Probleme anwendet Vgl. zur Einführung u. a.: Rainer Dinkel, Der Zusammenhang zwischen der ökonomischen und politischen Entwicklung in einer Demokratie. Eine Untersuchung mit Hilfe der ökonomischen Theorie der Politik, Berlin 1977; Bruno S. Frey, Moderne politische Ökonomie. Die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik, München-Zürich 1977; Philipp Herder-Dorneich, Manfred Groser, ökonomische Theorie des politischen Wettbewerbs, Göttingen 1977; ökonomische Theorie der Politik, hrsg. von W. Pommerehne, B. S. Frey.

  17. Die Anteile betrugen: 1949: 16, 8%; 1953: 19, 6%; 1957: 19, 3%; 1961: 23, 0%; 1965: 28, 8%; 1969: 32, 2%; 1972: 37, 3%; 1976: 46, 1%; 1980: 41, 0%.

  18. Vgl. zu diesem Problem zusammenfassend: Hartmut Klatt, Die Verbeamtung der Parlamente. Ursachen und Folgen des Übergewichts des öffentlichen Dienstes in Bundestag und Landtagen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/80 vom 1. 11. 1980, S. 25— 46.

  19. Vgl. zu diesem Problem allgemein: Bärbel Steinkemper, Klassische und politische Bürokratie in der Ministerialverwaltung der Bundesrepublik Deutschland. Eine Darstellung sozialstruktureller Merkmale unter dem Aspekt politischer Funktionen der Verwaltung, Köln-Berlin 1974.

  20. Vgl. für viele: Frieder Lauxmann, Was sind uns die Beamten wert?, Stuttgart 1974; Franz Ronneber— ’Mn Rödel, Jürgen Walchshöfer, Der „häßliche"

  21. Für die Öffentlichkeitsarbeit bzw. -politik des DBB gilt allgemein: „... daraus, daß in den Beamtenbunds-Publikationen juristische Argumente stark betont werden, ohne sie als verdeckt politische und veränderbare zu problematisieren, kann auch nicht ohne weiteres auf juristische Illusion geschlossen werden. Solche juristische Rhetorik kann bewußt zur Verdeckung ganz anderer Handlungsmotive benutzt werden”. Klaus Dammann, Ökonomisierung, Loyalisierung, Reform und Gegenreform des öffentlichen Dienstes, in: WSI-Mitteilungen, 1974, Heft 12, S. 488. Beamte. Kritik und Gegenkritik des Berufsbeamtentums, Bonn-Bad Godesberg 1975; Otto Rudolf Kissel, Immer Ärger mit den Beamten. Ein Versuch, ihn/sie — wenigstens teilweise — loszuwerden, Kronberg 1976; Ulrich Lohmar, Staatsbürokratie. Das hoheitliche Gewerbe. Deutsche Aspekte eines neuen Klassenkampfes, München 1978; Brigitte Breuel, Den Amtsschimmel absatteln. Weniger Bürokratie — mehr Bürgernähe, Düsseldorf-Wien 1979; Schlankheitskur für den Staat, hrsg. von H. Zuber, Stuttgart 1979.

  22. Vgl. u. a.: Kurt Sontheimer, Wilhelm Bleek, Abschied vom Berufsbeamtentum? Perspektiven einer Reform des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1973.

  23. Vgl. hierzu zusammenfassend: Berndt Keller, Vorschläge und Kritik zur Reform des öffentlichen Dienstrechts, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 1980, Heft 10, S. 657— 668.

Weitere Inhalte

Berndt Keller, Dr. rer. soc., geb. 1946; 1967— 1971 Studium der Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum; 1971— 1975 Wiss. Assistent an der Universität Essen — Gesamthochschule, seitdem Akademischer Rat; 1975— 1977 Forschungs-und Studienaufenthalt an der University of California in Berkeley/USA; 1979— 1981 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Veröffentlichungen u. a.: Theorien über den Einfluß des Neutralen auf Schlichtungsverhandlungen, Berlin 1973; Theorien der Kollektivverhandlungen. Ein Beitrag zur Problematik der Arbeitsökonomik, Berlin 1974; Obdachlose — Zur gesellschaftlichen Definition und Lage einer sozialen Randgruppe, Opladen 1974 (zusammen mit Heinz Abels); zahlreiche Zeitschriftenaufsätze zu verschiedenen Problemen des Systems der Arbeitsbeziehungen.